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XI. Kunst, Nichtkunst, Antikunst Vorbemerkung Die Bestimmung dessen was Kunst, was Nicht-Kunse und was Anti-Kunst ist, kann nicht spekulativ vorgenommen werden. Jede Definition mu die Erfah rungen beriicksichtigen, die die Geschichte der Kunst und ihrer Derivate in unserem Jahrhundert gemacht hat. Vorgiinge, die sich seit dem Ende des 18, Jahrhunderts in der Kunst Europas angektindige hatten, die seit 19207u auf- fallenden Strémungen geworden und heute iber die ganze Welt verbr d, haben Unterscheidungen erzwungen, an die man friher nicht Vieles, ja fast das meiste, was auf den groen internationalen Ausstellungen wie den »Biennalen« von Venedig und den »Documenta« von Kassel gezeigt wied, ist s gar nicht sein, oder es ist Anti-Kunst und nennt sich auch Doch in der wissenschaftlichen Literatur zur Kunstgeschichte hat die ‘Unterscheidung von Kunst, Nichtkunst, Antikunst bisher Reine Rolle g Weder in der »Encyclopedia of World Art« (Indexband erschienen 1 in der Bibliographie Art Index«, noch in dem »Répertoire d'art et dlarchéologie« (letzter Band 1973) gibtes ein Stichwort »Antikunsts, auch nicht in dem bekannten Werk von WeaNer Harri 20, Jahthunderte (4. Auflage 1965), auch nicht in Mavnice Bessers Band der Belser-Kunstge- schichte: »20. Jahrhunderte (1971 ist das Feblen besonders auffallend, denn im Text wird an mehr als eifer Stelle von »Antikunste gesprochen und im Register kommen unter Stichwértern wie »Aktionskunste, wart gestuele, varte povera« modernste Richtungen vor, es fehlt aber ein Stichwort Dagegen trigt das Buch des ehemaligen Dadaisten Hans Ric hte des 20. Jahrhunderts ist die Unterscheidung von, Kunst, Nichtkunst, Antikunst 2um obersten methodologischen Problem sgeworden, Es ist ebenso falsch und Irrtum stiftend, Nichtkunst und Antik unterschiedslos als Kunst zu behandeln — das aber geschieht tiglich —, falsch ware, sie aus der Kunstgeschichte des 20, Jahrhunderts zu streichen. Denn beide — obwohl etwas ganz anderes als Kunst — sind aus der Voraussetzung der Kunst, welche sie abschaffen oder zerstren méchten, entstanden und ohne sie nicht zu denken. Dieses Umschlagen der Kunst in Nichtkunse und Antikunst hat sich nur in der Geschichte der europsischen Kunst, 2u welcher im 20. Jahr- hhundert auch Ru@land und Nordamerika gehiren, ereignet und von Europa aus 198 | tiber die Wele verbreitet. Keine andere Kultur kennt eine solche Reduzierung der Kunst, Doch die Unterscheidung von Kunst, Nichtkunst, Antikunstist grundlegend nicht nur fir eine Kunstgeschichte unserer Zeit, sondern auch fiir jede ‘Theorie der Kunst, und nicht zuletze fiir die »vergleichende Kunstwissenschafts, Was x, wird gerade an ihren Negationen, die es friher nicht gegeben hat, klar fabar. Das Auftreten von Nichtkunst und Antikunst auf derselben Ebene wie Kunst, hat auch eine neue Kunsctheorie geradezu erzwungen: eine Bestimmung dessen, was Kunst eigentlich ist. Das entscheidende wissenschafts- theoretische Ereignis war Wanna Wstotis bertihmter Vortrag »Kunst und Sprache, 1960 an der Miinchener Universitat gehalten, mit der neuen grund- legenden Unterscheidung von Kunstwerk und wisthetischem Objekt." Auf diesen Vortrag Weipés wie auf manche andere seiner verstreuten Arbeiten stiitzt sich das folgende erste Kapitel, zum Teil mit wérdlichen Zitaten, auf welche das Zeichen (W) aufmerksam macht. A) Kunst 1. Kunst als Sprache Eine Aufgabe jener Wissenschaft, die sich seit BaucanTENs Werk »Aesthetica ‘sthetischen Akt, zwischen dem Kunstwerk und dem asthetischen Objekt. Es ist eine Aufgabe nicht nur von theoretischer sondern von praktischer Bedeu- tung, denn erst diese Unterscheidung istimstande, die Verwirrungen der Kunst- kritik zu kliren, die uns heute aus jedem Zeitung: Der erste Schritt zur Lésung dieser Aufgabe is wie auf der einen Seite Ta rn die Trias Architektur, nicht 2u vergessen das Kunstgewerbe. ‘Auf diese Frage antwortet WeiDit mit Entschiedenheit und antworten wir mit ihm: Kunst ist Sprache, nichts als Sprache, doch eine Sprache eigener Art und Struktur, anders als die begriffliche?". Diese Antwort ist nicht neu, sie hat cine respektable Ahnenreihe, hinauf bis mindestens zu BONAVENTURA, also ins 13, Jahrhundert. Doch ins allgemeine BewaStsein ist die Erkenntnis, da Kunst Sprache ist, noch niche gedrungen, und das hat sehr reale Folgen. ‘Worin besteht der Sprachcharakter der Kunst? Wie jede Sprache, wie die ‘Musik, Lied, Gedicht, Schausy igemaltes oder plastisches), Orr 19 Wort- und Zeichensprachen, hat die kiinstlerische Sprache sozusagen zwei Sei fe.M VON HUMBOLDT spricht von awei Prinzipien der Sprache: die sich an unsere Sinne wendet, die also gehirt, gesehen oder gehért und geschen werden kann, und eine zweite Seite, die sich an unseren Geist oder an unsere Seele oder an beide zugleich wendet. Diese beiden Seiten hingen in eigen- ttimlicher Weise miteinander zusammen und zwar sehr eng, viel enger als in der begrifflichen Sprache. Ja sie durchdringen einander gegenseitig so, daf die kleinste Anderung der einen Komponente oft den Sinn der anderen Komponen- te vollkommen veriindert. Jedenfalls sind sie untrennbar miteinander verbunden und diese Verbindung hat nichts Konventionelles (wie bei gewissen Zeichen), sondern hat etwas Notwendiges. Um diese Zweiseitigkeit zu demonstrieren, gehe ich von einem Kunstwerk aus, und zwar von einem Iyrischen Gedicht, und unterwerfe dieses Beis zwei Gedankenexperimenten. Erstes Experiment: Hért man das Ge vorgetragen in einer Sprache, die der Hérende nicht versteht so tit welche sich an die Sinne wendet, isoliert hervor: man hért Klinge, Laute, Laut- folgen, Rhythmen, Metren usw. und kann von ihrem Zusammenhang ‘sthetische Eindriicke empfangen: man hért eine bezaubernde Sprachmelodie ‘oder einen interessanten, packenden Rhythmus und dergleichen. Das aber, was durch diese Klinge vermittelt werden sollte, hire intendiercen, gemeinten »Gehalt« (= intrinsic meaning) des Kunstwerks hdre nicht einmal die so isolierte Seice des Kunstwerks richtig, denn losgel ihrem Gehalt klingen die Laute, Lautfolgen, Rhythmen des Gedichts anders, verfremdet. Zweites Experiment: Liest jemand von demselben Gedicht eine Uberseczung in Prosa, in derselben Sprache, in der das Gedicht verfaft wurde, so trite die andere Seite isoliert hervor: der kahle »Inhalt« des Gedichtes, welcher aber etwas ganz anderes ist als dessen eigentlicher Gehalt. Mich kann dabei die Tiefe eines Gedankens, ciner Vorstellung, sogar eines Gefiihls ergreifen, doch wiederum erreicht mich nicht, was der Kiinstler eigentlich ausdriicken wollte, wiederum ist das Kunstwerk entschwunden, Nur wenn beide Seiten, sinnvoller Entsprechung miteinander verbunden, da sind, wenn der Hérer Leser) die Entsprechung wahrnimmt und sie versteht, da, erfasse ich seinen Gehalt, spricht es 2u mir. In diesem doppelten Gedankenexperiment tritt jedenfs Kunst Sprache ist. Denn von der Sprache iberhaupt hat BOLDT gesagt: »Von den ersten Elementen an ist die Erzeugung der Sprache ein symthetisches Verfahren, und zwar ein solches im echtesten Verstande des Wortes, wo die Synthese etwas schafft, was in keinem der verbundenen Teile fiir ich liegt.«”” Und er fiigt hinzu, es erinnere die Sprache iiberhaupt oft, am isten aber hier, in dem tiefsten und unerklitlichsten Te die Kunst. Es bleibt mun zu zeigen, daf das, was das lyrische Gedicht zu einem Kunst- 200 werk mache, fiir alle Kunst, fiir alle Ktinste typisch und konstitutiv ist, sowohl fiir die Kunstwerke, wie fir das kiinstlerische Verfahren, aus dem sie entstehen, Daf man also das lyrische Gedicht als Modell fir Kunst tberhaupt verwenden kann. Um das zu zeigen, stelle ich zunichst eine Skizze der Einteilung der Kiinste, ihres natiirlichen Systems voraus"*, Da sind am einen Pol jene Kiinste, die in der alten »Mousiké« (wie die Griechen sie verstanden) auch real vereinigt waren: Dichekunst, Mi Sie entspringen im religidsen Raum und gestalten die kultische Handh »Dromenone, Das sind die musiscben Kiinste, und sie bleiben es auch dat 1e verwirklichte Einheit in der »Mousiké« nichts mehr als Erinnerung ist. igsten sind, haben sie teil an der gebracht, >wiederholt« werden: das Drama mu8 aufgefibree werden, das Gedicht rezitiert (spater nur mehr gelesen), die Musik mu »gespielt«, der Tanz. diese Kiinste miissen tradiert werden. Hintergrund fiir Kiinste; sie ist das Gehit selber. Auch in ihren sikularisierten Formen ist sie mit ihrer unbeweglichen Ruhe ein Symbol der Dauer. In einer vermittelnden Zone befinden sich die Werke der lie »Bilder« (= imagines). Als Darstellungen bezichen sie sich auf den »Vor- ange in der Mitte, als geformte Materie gehoren sie 2u der vom Baumeister ge- schaffenen kiinstlichen Welt. Dieser Aufri8 der Welt der Kiinste — ein Schema gewif, aber nicht durch logische Kunstgriffe hervorgebracht, sondern auf umfassende Erfahrungen sgegriindet — erspart die grobe Unterscheidung zwischen darstellenden und nichtdarstellenden Kiinsten (Hetaur Kus). Denn in allen Kiinsten wirke allgegenwartig, die »Mimesise (das Wort in seinem urspriinglichen, vorsokra- tischen Sinn verstanden), auch das eine Erkenntnis, die wir Wana W E1DLE verdanken””, Sie alle driicken einen geistigen Gehalt — eine »Anschauunge, ein Ethos, ein Pathos — aus und stellen es dar. Dieses natirliche System der Kiinste 1iBt verschiedene Typen der Darstellung erkennen, die von dem Gebiude, zu dem Schauspieler reichen, der das menschliche Leben in dem ihm eigenen Stoff wiederholt. Auch insichtbar geworden, er- in etwas ganz anderes um- schlagt, lésen sich die Gattungen auf, und vor einem Objekt im »Museum der modernen Kunst« lift sich oft nicht mebr sagen, was es eigentlich ist. So verschieden aber die Arten der Darstellung oder des Ausdrucks sind, den Charakter einer Sprache haben alle Kiinste. Das ist fir die einzelnen Kiinste hier, 201

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