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Diese »Perspektive« scheint untypisch für als wichtigste russische Kunstbewegung der 2.
einen Hauptstadtkonzeptualisten. Es ist viel- Hälfte des 20. Jh.s dargestellt (S. 8, 18), was
leicht doch kein Zufall, daß der Künstler die vielfältige und komplexe Geschichte der
immer noch am liebsten in Charkov foto- russischen Kunst dieser Zeit unangemessen
grafiert: Offensichtlich wirkt auf ihn die vereinfacht.
lokale Idiomatik stärker als ihr ehemaliges Konzeptuell gelungen und räumlich gut integriert war
sowjetisches Arrangement. Die Biographie der Lese- und Videomodul, in dem sich die Ausstel-
lungsbesucher über die Moskauer Konzeptkunst aus
Mikhailovs stellt des weiteren seine Zuge- den Primärquellen informieren konnten. Eine der
hörigkeit zur Moskauer Konzeptkunst in schwierigsten Aufgaben war sicherlich die Übersetzung
Frage. Wohl ist bekannt, daß er mit der der russischen Texte, die Bestandteil der meisten Werke
konzeptualistischen Szene in Moskau vertraut sind. Handliche Papptafeln mit deutschen oder engli-
schen Übersetzungen lösten dieses Problem sehr
war. Doch muß dies seine künstlerische Eigen- geschickt.
ständigkeit ausschließen? Zu Recht wird in Ausstellung und Katalog den
Eine differenziertere Lesart des Moskauer Textquellen viel Bedeutung beigemessen. Der
Konzeptualismus legt sich noch für so Moskauer Konzeptualismus war von Beginn
manches weitere Exponat nahe. Inzwischen an eine Akkumulation aus Literatur und
dürfte aber hinreichend klar geworden sein, visueller Kunst, mit einem hohen Grad an
daß es dringend einer vertiefenden Diskussion Selbstreflexion und einem originellen kunst-
bedürfte, die sich weder auf die »großen« philosophischen Ansatz. Außer dem ohne
Einzelnamen noch auf eine ideologische Zweifel wichtigen Text Der Moskauer
Lokalisierung der Künstler beschränkt. Das Romantische Konzeptualismus (1979) von
Ausbleiben dieser Diskussion ist schuld daran, Groys (S. 308-315) sind im Katalog Texte von
daß immer noch ideologisch geprägte Andrei Monastyrski und Ilya Kabakov abge-
Vorurteile, nicht zuletzt eine Überschätzung druckt. Beide Künstler sind nicht nur die
des Nationalen im Selbstverständnis der Gründungsväter der Bewegung, sondern auch
Künstler, das Desinteresse der deutschen ihre prominenten Theoretiker. Im Katalogteil
Kunstwissenschaft am Thema »russische »Historische Dokumente und Texte« (S. 307-
Kunst« aufrechterhalten. Eben aus diesem 387) finden sich jedoch unerklärlicherweise
Grund verbietet sich auch eine tiefere nur diese »Auserwählten« mit jeweils zwei
Auseinandersetzung mit dem Ausstellungs- Texten präsentiert, während die übrigen Theo-
konzept: Am ehesten möchte man darin einen retiker wie Dmitrij Prigov, Lev Rubinstejn,
nicht ganz freiwilligen Kompromiß zwischen Jurij Lejderman oder der Vertreter der zweiten
den Fakten und der Sorge vermuten, allenfalls Generation des Moskauer Konzeptualismus,
das rote Klischee vermöge beim Publikum Pavel Pepperschtejn, nicht ein einziges Mal zu
Interesse zu wecken. Wort kommen. Eine gut gegliederte chronolo-
Der Ausstellung und zuvorderst ihrem Haupt- gische Übersicht (S. 388-391) von Ekaterina
kurator Boris Groys kommt das große Ver- Bobrinskaya bringt Beginn und Ende der
dienst zu, dem in Europa wie Amerika bei Moskauer Konzeptkunst ausschließlich mit
Präsentationen russischer Kunst noch immer dem Namen Kabakov in Verbindung. Damit
vorherrschenden arbiträren Sammelschau- widerspricht sie ihrem eigenen Katalogbeitrag,
Typus ein Ausstellungsmodell entgegen- in dem sie mehrere Generationen der
zustellen, das ein klares kunsttheoretisches Moskauer Konzeptkunst präsentiert (S. 36-47).
Profil hat. Um so bedauerlicher ist es, daß dies Die verengte Perspektive geht wahrscheinlich
im Detail auf Kosten von anderen Richtungen auf den Wunsch von Groys zurück, den
Rußlands aus der Nachkriegszeit geschieht. Moskauer Konzeptualismus als ein historisch
Im Katalog wird die Moskauer Konzeptkunst abgeschlossenes und strukturell einheitliches
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Ausstellung und Publikation
verständlich sein könnte. Dazu fehle ihnen die kann russische Kunst einschließlich des
Erfahrung, in einer Utopie »zu leben«. Doch Moskauer Konzeptualismus durchaus zu
muß der Autor im Herzen optimistischer sein; einem Feld der europäischen Forschung wer-
schließlich hat er selbst die Ausstellung nach den, wenn sie die Breite eines allgemeinen
Madrid geholt. Interesses entlang der »West-Ost«Achse mit
Als Resümee bleibt festzuhalten: Trotz der der Tiefe eines wissenschaftlichen Ansatzes
ideologischen und mentalen Entfernung, trotz vereint.
der exotisch wirkenden kyrillischen Schrift Ljudmila Belkin
Zweiundzwanzig Jahre nach Wenzel Jamnit- kunst 1541-1868: Meister, Werke, Marken,
zer und die Nürnberger Goldschmiedekunst gewidmet Günther Schiedlausky (1907-2003),
1500-1700 standen wieder die Goldschmiede dessen dem Museum überlassene Material-
der Stadt im Mittelpunkt einer Ausstellung des sammlung den Anstoß für das Projekt bildete.
Germanischen Nationalmuseums. Goldglanz Der Zeitraum der Untersuchungen erklärt sich
und Silberstrahl präsentierte der Öffentlich- einerseits mit der im Jahr 1541 in Nürnberg
keit Material und Ergebnisse des Forschungs- offiziell eingeführten und ohne Unterbrechung
unternehmens Archiv zur Nürnberger Gold- fortdauernden Pflicht der doppelten Beschau:
schmiedekunst 1541-1868: die datenbankge- die Punzierung der Ware mit der Marke des
stützte Dokumentation aller Nürnberger ausführenden Meisters und dem städtischen
Goldschmiedemarken und möglichst vieler Beschauzeichen – dem N für Nürnberg – als
Werke sowie der Biographien der in der Stadt eine frühe Form der Qualitätskontrolle. Das
tätigen Meister. Zu Ausstellungsbeginn Ende bezeichnet die Einführung der Gewerbe-
erschienen ein Essayband (Band II) mit Kata- freiheit im Jahre 1868, wodurch die Tätigkeit
logteil zur Ausstellung und im Januar 2008 der Goldschmiede und die Qualität ihrer
das aus zwei Teilbänden bestehende eigentli- Werke nicht mehr der städtischen Aufsicht
che Handbuch Nürnberger Goldschmiede- unterstanden. Waren Verarbeitung und Fein-
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