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www.soziologie-heute.at ISSN 2070-4674 2.

JAHRGANG HEFT 1 FEBRUAR 2009 Euro 5,30

Februar 2009 soziologie heute 1

soziologie heute
Wieviel Rituale brauchen wir?
kulturanthropologisch-soziologische Überlegungen von Andreas Obrecht

Weltfinanzkrise
Kommt der Steuerzahler zum Handkuss?

Helfer der Nation?


Bürgerschaftliches Engagement zwischen Nutzen,
Anerkennung und Selbstlosigkeit

Schmutziges Geld?
Organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Drogenhandel und Terrorismus

Leseraum Oberösterreich
Analyse der Leselandschaft bei SchülerInnen und Erwachsenen

Emile Durkheim
Über den Selbstmord
u
ne
Ihre Meinung ...

... ist unser Anliegen!

Unser Angebot:

Kommunal- und Regionalforschung


SWOT-Analysen, Machbarkeitsanalysen, Entwicklungskonzepte, Agenda-21-Begleitung und Erstellung
von Leitbildern, Corporate Identity Beratung, Marketingberatung, Beratung bei der internen und exter-
nen Kommunikation
Markt- u. Meinungsforschung
Schriftliche Befragungen, Telefonische Befragungen, Persönliche Interviews, Gruppendiskussionen, In-
haltsanalysen, Qualitative Sozialforschung, Public-Round-Tables, Public-Checks, Longitudinalstudien…
Evaluation und Qualitätsverbesserung
Sekundäranalysen, Literaturrecherche, Beratung bei der Durchführung von Untersuchungen, Entwick-
lung von Qualitätsstandards, Evaluation von Projekten…

Public Opinion Marketing- und Kommunikationsberatungs-GmbH


Institut für qualitative Sozialforschung

A-4040 Linz, Aubrunnerweg 1


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Februar 2009 soziologie heute 3

Editorial
Werte Leserin, werter Leser,

In dieser Ausgabe haben wir ausgewählte Experten unterschiedlicher Diszi-


plinen eingeladen, aktuelle - ja brennende - Themen für Sie zu behandeln.

Amdreas Obrecht, Soziologe und bekannter Ö1-Moderator führt Sie ein in die
Welt der Rituale und zeigt die kulturellen Unterschiede in den Gesellschaften
auf. Friedrich Schneider - weltweit einer der wenigen Experten für Geldwä-
sche und Schattenwirtschaft - kommt gleich zweimal zu Wort: zunächst in
einem soziologie heute-Interview über die derzeitige Weltfinanzkrise und
anschließend mit einem Beitrag zur organisierten Kriminalität und zum Ter-
rorismus. Der Duisburger Soziologe Hermann Strasser widmet sich in seinem
Dr. Claudia Pass / Dr. Bernhard Hofer Beitrag dem bürgerschaftlichen Engagement im Spannungsfeld zwischen
Nutzen, Anerkennung und Selbstlosigkeit.

Im Kapitel Markt- und Meinungsforschung finden Sie jüngst veröffentlichte


Ergebnisse führender und spezialisierter Institute. Wer sich mit Soziologie
beschäftigt, kommt am Klassiker Durkheim nicht vorbei. An Durkheims Ano-
miebegriff können wir nachvollziehen, wie aktuell dieser französische Sozio-
loge heute noch ist.

Wir wünschen Ihnen viele interessante Lesestunden und freuen uns schon
jetzt über Ihre Anregungen und Beiträge.

Ihre soziologie heute - Chefredaktion

soziologie heute ist das erste und bislang einzige populärwissenschaftliche Magazin für Soziolo-
gie im deutschsprachigen Raum.
soziologie heute informiert zweimonatlich über sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, analysiert
aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und bereitet die behandelten Themen auch für Laien
verständlich auf.
soziologie heute richtet sich vor allem an bildungsorientierte LeserInnen, welche gesellschaft-
liche Vorgänge und Phänomene hinterfragen wollen, mit Studium, Lehre oder Forschung
konfrontiert sind und als Meinungsführer oder kritische Konsumenten auftreten. Dazu zählen
neben StudentInnen der Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften vor allem auch PädagogIn-
nen im Schul- und Erwachsenenbildungsbereich, Menschen in Sozial- und Gesundheitsberufen
sowie die in diesen Bereichen tätigen Institutionen und Organisationen.
Ein besonderes Anliegen ist dem Herausgeber die Pflege des Kontaktes mit den Nachbardiszi-
plinen. Aus diesem Grund wird soziologie heute auch immer wieder Ausflüge in Bereiche der
Kulturwissenschaft, Ethnologie, Verhaltensforschung, Psychologie, Psychoanalyse, Politologie,
Geschichte, Wirtschaftswissenschaft usw. wagen - um einfach aufzuzeigen, dass die Soziologie
letztlich ein Sammelbecken ist, in dem Erkenntnisse aller Wissenschaften vom Menschen zu-
sammenfließen.
soziologie heute präsentiert Themen, welche uns Menschen als Mitglieder einer Gesellschaft im
Wandel bewegen. In Interviews erläutern führende ExpertInnen ihre Sichtweise, in Reportagen
wird aktuellen Ereignissen und möglichen Entwicklungen nachgegangen und die Markt- und
Meinungsforschung präsentiert die neuesten Untersuchungen. Besonderer Raum wird den
Klassikern der Soziologie gewidmet. Hier erfahren Sie alles über die Wegbereiter dieser relativ
jungen Wissenschaft. Darüber hinaus widmen sich spezielle Rubriken den neuesten Publikatio-
nen, Veranstaltungen und erläutern Fachbegriffe.
soziologie heute ist allerdings auch ein Medium, welches - ganz im Sinne dieser interdisziplinä-
ren Wissenschaft - vernetzen will. Im Kleinanzeiger haben Sie die Möglichkeit, auf Ihre Produkte,
Dienstleistungen oder Treffen aufmerksam zu machen. Hier können Sie auch Kontakte knüpfen
oder neue MitarbeiterInnen gewinnen.
Mit soziologie heute begeben Sie sich auf die wohl spannendste Reise der Welt: Entdecken Sie
mit uns die Gesellschaft.
4 soziologie heute Februar 2009

Inhalt

Interview
Wieviel Rituale brauchen wir? 6
kulturanthropologisch--soziologische Überlegungen
in einem Interview mit Andreas Obrecht

Weltfinanzkrise 12
Kommt der Steuerzahler zum Handkuss?

Reportage
Helfer der Nation? 14
Bürgerschaftliches Engagement zwischen
Nutzen, Anerkennung und Selbstlosigkeit

Schmutziges Geld? 20

Foto: N. Schmitz, pixelio


Organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Drogenhandel
und Terrorismus

Markt- und
Meinungsforschung
Furchtreflexe auf die Krise 24
Hälfte der Österreicher fühlt sich nicht leistungsfähig 25
Mehrheit der Deutschen für stärkere Videoüberwachung 25
Schweizer vertrauen vor allem dem Arzt 26
Foto: Franz Patzal, pixelio

Leseraum Oberösterreich 27

Klassiker
Émile Durkheim 30
der erste Soziologieprofessor in Frankreich
Februar 2009 soziologie heute 5

Soziologie weltweit
Geisteswissenschaften gewinnen gegenüber Naturwissenschaften 34

Foto: Stephanie Hofschlaeger, pixelio


an Bedeutung - Indiana-Universität untersucht Gewaltanwendung
bei Jugendlichen - Die 50+ Studie. Wie die jungen Alten die Gesell-
schaft revolutionieren - Ulrich Beck fordert transnationale Form der
Regulierung - Ethnische Clubkulturen.Migranten in europäischen
Großstädten

Neues aus der Forschung


Jeder zweite Erwerbstätige hat
Erfahrungen mit Mobilität 38

Bamberg wird Zentrum der Bildungsforschung 39

Lebenslanges Lernen beginnt nicht mit 50 40

BürgerInnenengagement in seiner besten Form 41


(Foto: Agenda 21)

Dynamische Entwicklung ist nicht institutionalisierbar 42

Das philosophische Eck 43

Soziologische Begriffe - leicht und verständlich 44

Veranstaltungen 45

Ihr Kleinanzeiger 46
IMPRESSUM
Medieninhaber und Herausgeber: i-trans Gesellschaft für Wissenstransfer, A-4040 Linz, Aubrunnerweg 1,
Tel.: 0043 (0)732 254024, Fax: 0043 (0)732 254137, Mail: office@soziologie-heute.at, ZVR: 286123776.
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Erscheinungsweise: 6x jährlich
Auflage: 5.000 Stück
Blattlinie: soziologie heute versteht sich als populärwissenschaftliches Informationsmedium mit dem Ziel, gesellschaftliche Entwicklungen und
Herausforderungen darzustellen und zu analysieren. soziologie heute ist parteiunabhängig und tritt für demokratische Grundrechte und Werte
ein. soziologie heute bekennt sich zu den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit bei Aufrechterhaltung der Eigenverantwortlichkeit des Staats-
bürgers, zu den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft, zur freien unternehmerischen Initiative und zum Leistungswettbewerb. soziologie
heute tritt für die Wahrung der Menschenrechte und für die Grundfreiheiten ein - wo immer diese auch bedroht sein mögen.
6 soziologie heute Februar 2009

brauchen wir ?
Wieviel
Ri t ual e
soziologie heute: Sie sind Soziologe
und Kulturanthropologe. Was macht
ein Kulturanthropologe?

Obrecht: Ich habe beide Fächer


studiert und arbeite aber stark im
kulturanthropologischen, ethnogra-
phischen Bereich. Ich arbeite an der
Schnittstelle zwischen moderner, in-
dustrialisierter Welt und agrarischer
Welt mit Subsistenzwirtschaft. Eine
Subsistenzwirtschaft lässt sich durch
Agrarwirtschaft, eine hohe Analpha-
betenquote, eine geringe Anzahl an
Maschinen aufgrund der unzureichen-
den Elektrifizierung und einem Mini-
mum an Geldflüssen charakterisie-
ren. Aus unserer Sicht herrscht dort

Kulturanthropologisch viel Armut vor, die Lebenserwartung


ist im Vergleich zur moderner Welt
um 25 bis 35 Jahre geringer. Die Kul-
-soziologische Überlegungen turanthropologie kommt aus der Eth-
nologie und Völkerkunde. Ursprüng-
lich war die Völkerkunde die Lehre
von den schriftlosen (indigenen oder
ethnischen) Völkern. Als Kulturanth-
Andreas Obrecht im Interview ropologe schaut man sich Strukturen
auf unterschiedlichen Ebenen in eth-
nischen Gesellschaften an, die durch
eigene Sprache, Religion und ein eige-
nes Sozialsystem definiert sind. Man
beschreibt diese Gesellschaften nach
wissenschaftlichen Kriterien und ver-
gleicht sie miteinander.

Foto: A. Obrecht
Februar 2009 soziologie heute 7

soziologie heute: Welche For-


schungsmethoden werden in der
Kulturanthropologie angewendet?

Obrecht: Als ich mit der praktischen


Forschung begonnen habe, habe ich
klassische Ethnographie durchge-
führt. Im Hochland von Neuguinea,
einem Eldorado für Kulturanthropo-
logen, habe ich insgesamt fast zwei
Jahre in Abständen zugebracht, wo
man von einander isoliert lebende
Sozietäten vorfindet. Mit einem klas-
sischen Anspruch bin ich hinein-
gegangen, habe versucht, die Spra-

Foto: A. Obrecht
che zu erlernen und konnte dann
diese Gesellschaft verstehen bzw.
beschreibend und analytisch dar-
legen. Je mehr ich aber in solchen in Teams erfolgen. Bei qualitativen dies auf Fußmärsche. Insbesondere
Forschungsgebieten war, desto eher Forschungsmethoden werden dabei im feucht-tropischen Regenwald gibt
habe ich die Auffassung gewonnen, sprachliche und kulturelle Besonder- es keine andere Möglichkeit. In Ne-
dass dem Verständnis von anderen heiten berücksichtigt. pal wiederum sind extreme Steigun-
Kulturen, wenn sie sich in wesentli- gen bzw. Pfade vorhanden. In diesen
chen Strukturen zur moderen Welt soziologie heute: Wie sieht der Ab- Regionen findet man zwischen 2.600
unterscheiden, enge Grenzen gesetzt lauf einer Feldforschung aus? und 4.000 Metern fast permanente
sind. Ich sehe diese Grenzen aller- Siedlungsstrukturen. Dies ist extrem
dings ausgesprochen positiv, weil Obrecht: Ich sehe mich mittlerweile herausfordernd. Eine Vorbereitung
wir Europäer einfach nicht alles bis nur mehr als Person, die vor Ort die ist deshalb ein absolutes Muss.
ins Letzte erkennen und verstehen Kommunikation in lokalen Teams
müssen. moderiert. Wichtig ist mir, dass die soziologie heute: Welche Themen
Fragestellung meiner Forschung sind Auftraggebern wichtig? Gibt es
soziologie heute: Was sind neuere transparent ist und von meinen Mitar- dafür ein konkretes Beispiel?
Forschungsmethoden? beiterInnen wirklich verstanden wird.
In Kenia beispielsweise kann man auf Obrecht: Das Rote Kreuz in Laos
Obrecht: Mittlerweile bin ich von exzellentes, sozialwissenschaftlich wollte die strukturelle Hilfe auswei-
diesen hergebrachten methodolo- geschultes Personal zurückgreifen. ten. Im Dreiländereck von Thailand,
gischen Vorstellungen abgegangen. In einem Land, wie der Volksrepublik Burma und Laos gibt es aber über-
Vielleicht hat dies auch damit zu tun, Laos hingegen muss man mitunter haupt keine staatliche Infrastruktur
dass ich mehr als Entwicklungssozi- aufwendige Interviewerschulungen zur Gesundheitsversorgung. Ziel war
ologe arbeite. Das Hauptaugenmerk durchführen. Im Schnitt werden zwei bei diesem Projekt die Erarbeitung
in den aktuellen Projekten ist auf bis drei Wochen vor einer Feldfor- eines Konzeptes, ob und unter wel-
die Kommunikation in lokalen For- schung eingeplant. Die Feldforschung chen Mitteln und unter Verwendung
schungsteams gerichtet. Jetzt haben dauert dann rund einen Monat pro welcher Kooperationspartner vor Ort
wir immer lokale MitarbeiterInnen, Durchgang, wobei wir immer zwei eine basale Versorgung der Bevölke-
welche die ethnischen, indigenen Feldforschungsphasen durchführen. rung mit Wasser und medizinischen
Sprachen sprechen. Dies ist vor Es ist wichtig, Ergebnisse zurückzu- Leistungen möglich ist. In diesem
folgendem Hintergrund zu sehen: spielen und in entlegenen Gebieten Projekt sind wir wochenlang Flüsse
Wenn ich eine Forschung nur in der hat die erste Feldforschungsphase abgefahren, weil die eigene Provinz-
Verkehrssprache wie Französisch eher explorativen Charakter. regierung nur teilweise über die Lage
im frankophonen Afrika oder Lao der Orte Bescheid wusste. Bei der
in Laos durchführen würde, würde soziologie heute: Wie anstrengend Kartierung stand die Anzahl der im
ich nur weniger als die Hälfte jener ist die Feldforschung in den Länder Ort lebenden Personen und die Eth-
Personen, die dort leben, erreichen. der südlichen Hemisphäre? nie, Ausmaß der Kindersterblichkeit
Frauen würden im Vergleich zu ge- und die Trinkwasserversorgung im
sellschaftlichen Eliten nur schwer Obrecht: Das kommt auf die Topo- Vordergrund. Dann versucht man ein
erreicht, da ihr Einschulungsanteil graphie bzw. Höhenlage an und auf Konzept mit lokalen NGO’s auszuar-
in patriarchalen Gesellschaften ge- die Tagesmärsche, die zurückgelegt beiten, das auch umsetzbar ist.
ringer ist. Wir führen also unsere werden sollen. Da ich großteils in
quantitativen oder qualitativen For- sehr entlegenen und unzugänglichen soziologie heute: Wie sehen indigene
schungen immer in Kooperation Gebieten unterwegs bin, wo es keinen und ethnische Kulturen uns Weiße?
mit lokalen Teams in der vor Ort motorisierten Transport und keinen
gesprochenen Sprache durch. In der Strom gibt, ist einfach viel Körper- Obrecht: Es kommt sehr auf die Ko-
Folge müssen Rückübersetzungen leistung gefragt. Oft beschränkt sich lonialgeschichte an, das heißt wie
8 soziologie heute Februar 2009

hart und entbehrungsreich und auch 40, 50 Kinder. Oft sind es Dreigene- sich durch die Annahme traditionel-
traumatisierend der europäische Ko- rationenhaushalte, und eine „Klein- ler Frauenrollen stärker zu entlasten.
lonialismus für die lokale Bevölke- familie“ begründet schon ein ganzes Es ist sicherlich schwieriger und bi-
rung war. In Namibia, das erst in den Dorf. Das sind Relikte aus einer Zeit, ographisch anstrengender, sich die
90er Jahren unabhängig wurde, gibt wo es sinnvoll war, starke Sippen zu Lebensentwürfe je nach Lebenspha-
es noch immer Ausläufer der weißen begründen. Dies ist die Vorausset- se selbst zu geben. In unserer ex-
Herrschaftskultur. Demgegenüber zung, dass sich viele Menschen mit trem individualisierten Gesellschaft
wird man als Europäer, beispielswei- der Agrarproduktion befassen. Diese erfolgt nur wenig Entlastung über
se im ostafrikanischen Sansibar, wo Systeme leben sich automatisch mit familiäre Strukturen, folglich bieten
die Herrschaftskultur arabisch war, der Modernisierung tot, weil diese klassische bzw. konservative Werte
oder in Ghana, das als erstes afri- Strukturen nicht mehr finanzierbar eine gewisse Sicherheit.
kanisches Land überhaupt friedlich sind. Aber der familiäre Zusammen-
entkolonialisiert wurde, friktionsfrei halt ist heute nach wie vor unglaub- soziologie heute: Wie gestalten sich
und freundlich aufgenommen. Im lich stark. Bhutan ist wiederum das die Beziehungen zwischen Alt und
Zentrum steht aus meiner Sicht im- einzige Land, wo man alle möglichen Jung in beiden Gesellschaftsformen?
mer die Erfahrung mit politischen Eheformen findet. Im Norden von
Herrschaftsstrukturen. Submissivi- Bhutan sind polyandrische Formen Obrecht: Das Wissen von älteren
tät ist eine andere Form des Rassis- aufgrund des kargen Bodens vor- Menschen wird in den indigenen,
mus. In Südafrika beispielsweise ist herrschend, dabei handelt es sich ethnischen Gesellschaften durchaus
das Konfliktpotential enorm hoch. um Bruderehen einer Frau, um das mehr geachtet und respektiert. Für
Bevölkerungswachstum auf effizien- den privaten bzw. halbprivaten Be-
soziologie heute: Wie gestaltet sich tem und natürlichem Weg konstant reich gilt dies meiner Ansicht nach
die Mann-Frau-Beziehung in indige- halten zu können. auch für die moderne Gesellschaft.
nen, ethnischen Kulturen? Die Erzählung älterer Menschen war
soziologie heute: Wo sind die Unter- eigentlich immer geachtet, allerdings
Obrecht: Die Beziehung zwischen schiede in den Geschlechterrollen ist die Anerkennung durch die Medi-
Mann und Frau lässt sich in allen zwischen indigenen und modernen en bzw. in der Berufswelt gegenwär-
Kulturen aus den Lebensumständen Gesellschaften? tig nicht gegeben. Die Innovatoren
bzw. Produktionsverhältnissen erklä- werden immer jünger, beispielswei-
ren. Wie sich Geschlechterbeziehun- Obrecht: In jeder traditionelleren Ge- se sind die Entwickler von Software-
gen und Ehe organisieren, ist immer sellschaft sind die Geschlechterrollen produkten zwischen 25 und 35 Jahre
eine direkte Folge des Wirtschafts- viel normativer und fixer festgelegt alt. Dies ist natürlich eine Folge der
systems inklusive Eigentumsver- als bei uns. Aber in unserer Kultur unglaublich raschen ökonomischen
hältnissen. Die großen Unterschiede vor 100 Jahren war auch ein enormer und gesellschaftlichen Veränderung,
sind Patrilinearität und Matrilineari- Zwang aus der gesellschaftlich defi- mit dem Ziel ständig neue Produkte
tät. In agrarischen Kulturen ist die nierten Geschlechterrolle. Jetzt gibt freizusetzen. Deshalb erscheint es
zentrale Ressource der Boden, die in es eine Pluralität der Lebensformen, uns auch so, dass junges Wissen viel
der Mutterlinie weiter vererbt wird. die mit ökonomischen Strukturen zu- wichtiger als altes ist. Dabei muss
In Tansania oder anderen ruralen tun hat. Aufgrund der Erwerbs- und berücksichtigt werden, ob und in
Gesellschaften des subsaharischen Beschäftigungsmöglichkeit können welchem Ausmaß das Wissen unse-
Raumes findet man wiederum große sich Frauen in der modernen Welt rer Großeltern jungen Menschen bei
polygyne Häuser, wo ein Mann bis ihre Geschlechterrollen wählen. In der Gestaltung der eigenen Biogra-
zu neun Frauen hat und in der ers- der industrialisierten Welt gibt es phie hilft.
ten Generation gibt es folglich schon aber gegenwärtig auch die Tendenz,
soziologie heute: Ist der Umgang mit
Zeit ein Unterscheidungsmerkmal
von moderner und indigener Gesell-
schaft?

Obrecht: Die Zeitarmut in der mo-


dernen Gesellschaft resultiert aus
der unglaublichen Produktivität und
folglich dem materiellen Reichtum
einer Gesellschaft. Ärmere Gesell-
schaften sind umgekehrt zeitreicher.
Sie erscheinen uns auch durch ih-
ren Zeitreichtum als arm. Armut ist,
glaube ich, eher ein Problem der Rei-
chen. 1 Milliarde Menschen hungern
und sind am Rande der Verelendung,
diesen Menschen muss geholfen
Foto: A. Obrecht

werden. Eine weitere halbe bis zwei


Milliarden Menschen erscheinen uns
Februar 2009 soziologie heute 9

extrem arm, weil sie kein Geld bzw. Dabei sind nicht die Rituale als Form
Güter haben, und dennoch ihre ma- gleich, sondern sie haben eine ähnli-
terielle Reproduktion gewährleisten che Funktion. Zum Beispiel sind hier
können. Diese Menschen würde ich Rituale in Verbindung mit dem Able-
nicht als arm bezeichnet. Unser Le- ben eines Menschen in allen Gesell-
ben richtet sich nach dem Primat der schaften zu nennen. Hier sind sinn-
Uhr, welche die Weltzeit abbildet. Es stiftende Elemente, Solidarität und
gibt in der modernen Welt kaum ei- Gemeinschaft ganz wichtig. Der Tod
nen Bereich, der nicht der Logik und ist in jeder Gesellschaft eine heikle
dem Diktat der Uhr unterworfen ist. Angelegenheit, auch wenn es ganz
In indigenen Gesellschaften gibt es klare Vorstellungen über ein Leben
keine objektive Zeit, sondern Zeit- nach dem Tod gibt.
spannen, die lang erscheinen, sind
für diese Menschen auch lang. soziologie heute: Ist auch die Geburt
Die Anforderungen an uns in der mo- mit der Taufe ein Ritual im kulturan-
dernen Welt sind enorm, wenn man thropologischen Sinne?
nicht auf Ressourcen zurückgreifen
kann. Sowohl im privaten als auch Obrecht: Bei der Geburt zeigt es
im beruflichen Bereich steigen die sich für mich schon, dass wir in ei-
Anforderungen ständig. Bei der Kin- ner zunehmend entritualisierten Ge-
dererziehung lastet ebenfalls vieles sellschaft leben. Heute gibt es schon
auf den Einzelnen. Früher war dies viele nicht getaufte Menschen. Vor
auf mehrere Personen verteilt. 30, 40 Jahren hätte ich noch gesagt,
Geburt zählt zu Ritualen. Aber heute
soziologie heute: Was versteht man gibt es rund um die Geburt sehr un-
unter Ritualen? terschiedliche Formen der sozialen
Begehensweise.
Obrecht: Es gibt in der Soziologie
Überlegungen, schon eine wieder- soziologie heute: Welche Rituale Andreas J. Obrecht
kehrende Handlung als Ritual zu be- sind in ethnischen Kulturen noch
zeichnen. Das ist aber sehr kompli- wichtig? geboren 1961; lebt in Wien; Soziologe, Kulturan-
ziert. Also, wenn ich heute allein bin thropologe, Schriftsteller. Seit 1986 Forschungen
und zum weichen Ei eine bestimmte Obrecht: Es gibt keine Kultur, wo u. a. in Afrika, Südostasien, Melanesien und der
Zeitung lese, sehe ich das noch nicht nicht das Mädchen in die Frauenrolle Karibik. 1997 Habilitation in Soziologie. Pro-
als Ritual. Nach der Ethnographie oder der Bursche in die Männerrol- jektmanager des Interdisziplinären Forschungs-
ist ein Ritual eine tradierte, mehrere le initiiert wird. Initiation ist in jeder instituts für Entwicklungszusammenarbeit
Menschen betreffende Handlungsse- Kultur anzutreffen. Wie die Initiation (IEZ) der Universität Linz; Gastprofessuren an
quenz, die sehr wohl Gemeinschaft, gestaltet wird und zu welchem Zeit- der Universität Graz. Neben wissenschaftlichen
Zugehörigkeit und Solidarität stiftet punkt sie erfolgt, ist allerdings ganz Publikationen erschienen Lyrik, Erzählungen,
und die nicht beliebig nach Wunsch verschieden. Das Erlernen und Einü- Reiseliteratur, Opernlibretti, Hörbücher und Do-
des Einzelnen abänderbar ist. Wich- ben der Erwachsenenrolle in die Ge- kumentationen für den Rundfunk.
tig ist dabei auch, dass mit Ritualen schlechterrolle findet man in jeder
Sinn gestiftet wird. Natürlich gibt es Kultur. Ethnische, indigene Gesell- Unabhängig vom Geschlecht erhält
Alltagsrituale und diese sind wichtig. schaften sind geschlechterseparierte der Mensch mit zunehmendem Alter
Wie sich beispielsweise Leute begrü- Gesellschaften. Je traditioneller eine mehr Respekt und Status.
ßen, ist eine Form von Ritualen. Bei Gesellschaft strukturiert ist, desto
uns ist dies relativ einfach. Es gibt mehr Zeit wird in der Gruppe der soziologie heute: Verlieren Rituale
aber auch Gesellschaften, wo es un- Gleichgeschlechtlichen verbracht. in modernen Gesellschaften ihre Be-
heimlich komplizierte, ritualisierte Es erfolgt auch mehr Anteilnahme deutung?
Begrüßungszeremonien gibt. Da gibt in der Gruppe der Gleichgeschlecht-
es 14, 15 verschiedene Grußformen, lichen. Die Arbeitsaufteilung erfolgt Obrecht: Gerade bei der Geburt
die Haltung drückt dabei den Status auch anhand der Geschlechterrolle. zeigt sich, dass wir immer weniger
der jeweiligen Person aus. Die Vorstellung einer Gleichheit von verbindliche Rituale haben. Durch
Mann und Frau basiert auf gesell- die Individualisierung verlieren Ritu-
soziologie heute: Welche Rituale schaftlichen Veränderungen. Eine ale in modernen Gesellschaften ihre
sind in allen Gesellschaftsformen an- Liebesheirat ist beispielsweise eine Bedeutung.
zutreffen? absolute Erfindung der Moderne, die
es in früheren Zeiten nur unter ge- soziologie heute: Ist Weihnachten
Obrecht: In der Kulturanthropolo- sellschaftlichen Eliten gegeben hat. ein Ritual im kulturanthropologi-
gie beschäftigt man sich mit den Die zwei wesentlichen Vorstellungen schen Sinne?
großen, gesellschaftstragenden Ri- in ethnischen Kulturen, über die Un-
tualen. Es gibt schon Rituale, die in gleichheit definiert wird, ist einer- Obrecht: Im christlich-katholischen,
allen Gesellschaften vorhanden sind. seits Geschlecht, andererseits Alter. alpinen Raum ist es ein jahrhunder-
10 soziologie heute Februar 2009

tealtes, tradiertes Ritual, das alle Obrecht: Jede Gesellschaft braucht Andreas Obrecht
Aspekte umfasst. Modernität bedeu- ein Minimum an Ritualen. Dies sieht Der König von
tet einerseits Individualismus, d.h. man auch an der Sanktionierung und Ozeanien
wir haben sehr viel zu entscheiden, Bestrafung. Jeder Gerichtshof ist Roman
andererseits haben wir viel weniger eine rituelle Angelegenheit mit Anklä- Brandes & Apsel,
511 Seiten, Pb
Möglichkeiten, gemeinsam zu sein ger, Verteidiger und Richter. Dadurch Euro: 29,00
und auf einer tieferen Ebene Dinge wird rituell die normative Ordnung ISBN 3-86099-519-7
auszutauschen. Aus Studien weiß wieder eingesetzt, indem beispiels-
man, dass die verbale Kontaktdauer weise jemand verurteilt wird. Dies ist
zwischen Paaren oder Kinder und ganz wichtig für die damit verbunde-
Eltern auf ein paar Minuten täglich nen Werte, wie nicht zu stehlen bzw. Im Jahr 1879 ernannte sich der bretonische
Marquis de Rays zum König von Ozeanien und
reduziert ist. Im Falle von Weihnach- nicht zu töten. Viele Bereiche sind lockte eintausend zivilisationsmüde und gut-
ten trifft dieses moderne rastlose Le- rituell abgesichert. Je heikler die gläubige SiedlerInnen in das angebliche Para-
ben mit dem Ritual zusammen. Somit Bereiche sind, desto eher sind Ritu- dies nahe Papua Neuguinea. In seinem Roman
wird das Ritual von der Modernität ale erforderlich. Bei der Religion bei- entfaltet der Autor das historische Geschehen
spielsweise sieht man in modernen und schildert spannend die realen Schrecknis-
überlagert, und deshalb verwundert se, die monatelang die Schlagzeile der europä-
es nicht, wenn beides kollidiert. Vor Gesellschaften die Brüchigkeit. Lan- ischen Presse beherrschten.
200, 300 Jahren war dieses Fest tat- ge Zeit hatten die großen Glaubens-
sächlich ein Lebensmittelpunkt. Die- gemeinschaften ein Monopol, aber
se tiefe Bedeutung ist aufgrund der die Pluralität wie durch New Age, Andreas Obrecht
Säkularisierung verloren gegangen. Schamanismus, Esoterik ermöglicht Zeitreichtum
Trotzdem wird aber heute dieses Ri- dem Einzelnen, seine eigenen religiö- - Zeitarmut
tual oft von Menschen nachgespielt, sen Ritualisierungen durchzuführen. Brandes & Apsel,
die einen anderen bzw. viel schwä- Ein ganz wesentlicher Bereich, der 400 Seiten,Pb.
cheren Bezug zu diesem Ritual ha- früher herrschaftlich verwaltet wur- Euro: 22,90
ISBN 3-86099-780-7
ben. An diesen Tagen setzt man sich de, wird somit privatisiert und un-
auch mehr mit der privaten Situation glaublich flexibel gehandhabt. Damit
auseinander, da man mehr im Priva- wird dieser Bereich aus dem gemein-
ten ist. Da kann es natürlich leichter schaftlich Verbindlichen herausge-
nommen und unterliegt somit einer Wir haben uns daran gewöhnt, Zeit als etwas
zu Konflikten kommen. Messbares, unser Leben Strukturierendes zu
gewissen persönlichen Beliebigkeit. begreifen. Der Autor beleuchtet das Phäno-
soziologie heute: Wie viel an Ritua- men Zeit aus unterschiedlichsten Blickwin-
len braucht der Mensch in der mo- mit Andreas Obrecht sprach Claudia Pass keln und führt uns auf dieser (Zeit-) Reise u. a.
dernen Welt? _________________________________ zu Gesellschaften, in denen Zeit nicht genutzt
werden muss, um erfüllt zu sein.

Obrecht: Das ist eine grundsätzliche, Erläuterungen:


schwierige Frage nach der normati-
ven Freiheit, die dem Menschen zu- Monogamie Andreas Obrecht
mutbar ist. Die Moderne, beginnend Ehe zwischen einer Frau und nur einem Mann
Geschichten aus
anderen Welten
mit der Aufklärung und französischen Eine Reise nach
Revolution ist von einem Menschen- Polyandrie Neuguinea und
bild ausgegangen, dass jeder Mensch Ehe zwischen einer Frau und zwei oder mehreren Män- Inselmelanesien,
beliebig formbar ist. Der Mensch ist nern Ostafrika, Nepal
frei und macht seine eigene Geschich- und in die Karibik
te, weil der Mensch kann im Grunde Polygynie 353 Seiten, Böhlau
alles. In diesem Fall brauchen wir Ehe zwischen einem Mann und zwei oder mehreren Euro: 24,90
keine Rituale, weil wir nach diesem Frauen ISBN 3-205-77515-5
Ansatz unsere Rituale von Neuem de- Gute Schuhe, ein schönes Buch, ein Mikro-
finieren und frei bestimmen könnten. phon und ein Aufnahmegerät – das sind die
Wenn man dieses Menschenbild nicht spärlichen Utensilien aus der modernen
vertritt, dann braucht der Mensch Welt, die Andreas J. Obrecht in die Fremde
sehr wohl tradierte Formen des Den- mitnimmt. Auf seiner Reise spürt er den Ge-
schichten und Klängen entlegener Regionen
kens und der Sinnfindung über sich nach, um die Zwischentöne einer beredten
selbst. Bei diesem Ansatz hingegen Geschichten aus und geheimnisvollen Welt aufzufangen und
sind Rituale sehr wichtig. Auch in der anderen Welten auch am magischen Verständnis dieser Kultu-
Kinderpsychologie sind Rituale für wurde vom ORF im Au- ren teilzuhaben – wonach alle Erscheinungen
gust 2008 in der Reihe der Natur, des menschlichen Lebens und des
Kinder ganz wichtig, weil sie ihnen sozialen Handelns aufeinander bezogen sind.
Ö1 extra ausgestrahlt
Halt geben, Identität liefern und die (ORF-CD 712, LC
Beziehung festigen. 11428). Dieses Tagebuch einer Weltreise trägt uns von
einem Ort zum anderen, von einer Begegnung,
soziologie heute: Wie viele Rituale von einer Geschichte zur nächsten. Zeit spielt
dabei keine Rolle, denn man weiß nie, wie lan-
benötigt die Gesellschaft, um weiter ge die Bewegung, das Zuhören, die Suche, die
gut fortzubestehen? Reise und mit ihr das Lernen dauern werden.
Februar 2009 soziologie heute 11

Das tägliche Massaker des Hungers


Wo ist Hoffnung?
Jean Ziegler über das Menschenrecht
auf Nahrung
Auf Einladung der Gesellschaft für stirbt weltweit alle 5 Sekunden ein Exporte auf, weil damit Devisen ver-
Kulturpolitik sprach der Schweizer Kind. „Das ist Mord”, so Ziegler. Be- dient werden können.
Soziologe, Politiker und Sachbuch- troffen sind vor allem die auf dem
autor Jean Ziegler am 19. 11. 2008 Land lebenden Produzenten. Die „Die Gründe für den Hunger sind von
im Linzer Wissensturm vor hunder- Überschuldung der 49 ärmsten Län- Menschen gemacht - sie können von
ten begeisterten Zuhörern über „je- der beträgt rund 2.100 Milliarden den Menschen wieder rückgängig
nes Recht, welches am meisten mit Dollar. Deren Regierungen haben gemacht werden”, so Ziegler. Dabei
den Füßen getreten wird: das Recht nicht die mindeste Chance, das Los setzt er große Hoffnung auf die Zivil-
auf Nahrung”. ihrer Bevölkerung durch Investitio- gesellschaft. „In der Demokratie gibt
nen zu mindern, da 95 Prozent ihrer es keine Ohnmacht. Die Zivilgesell-
An den Beginn seines Vortrags stellt Wirtschaftsleistung als Zinsen an die schaft kann die bestehende Ordnung
Ziegler das Zitat: „Die Unmensch- Banken geht. Hinzu kommt, dass die umstürzen.”
lichkeit, die einem anderen angetan Produktivität des Bodens lächerlich
wird, zerstört die Menschlichkeit in gering ist. Bei Zahlungsengpässen re- Ziegler schließt mit den Worten Pablo
mir.” Laut World Food Report könn- agiert der Weltwährungsfonds mit Nerudas:„Sie - unsere Feinde - können
te heute das Doppelte der Weltbe- Strukturanpassungsprogrammen, d. alle Blumen abschneiden, aber nie wer-
völkerung ernährt werden; dennoch h. er zwingt den betroffenen Ländern den sie den Frühling beherrschen.”

wko.at/ooe

Auch Selbständige müssen


sozial abgesichert sein.
Dr. Rudolf Trauner, WKOÖ-Präsident

Die WKO Oberösterreich fordert soziale Sicherheit für die rund 72.000 Wirtschaftstreibenden in OÖ. Davon
sind bereits über 50 Prozent Ein-Personen-Unternehmen. Und diese tragen ein besonders hohes Risiko.

Die Wirtschaftskraft für Oberösterreich.


12 soziologie heute Februar 2009

Weltfinanzkrise
soziologie heute: Herr Professor
Schneider, das ursprünglich als Ge-
spenst abgetane Phänomen einer
Weltwirtschaftskrise hat sich in den
letzten Wochen und Monaten mate-
rialisiert und macht sich nun deut-
lich spürbar in den öffentlichen und
privaten Haushalten der Europäer
bemerkbar. Wie konnte es dazu kom-
men?

Schneider: Nun, in den Jahren 2002


bis 2005 waren die Zinsen - insbeson-
Kommt der Steuerzahler dere bei Hypotheken - auf einem Tief-
stand. Der Wunsch der Amerikaner
nach einer Eigentumswohnung bzw.
zum Handkuss? einem Haus war groß und die Ban-
ken ermöglichten die Finanzierung
auf Pump. Der Pferdefuß lag jedoch
darin, dass alle Hypothekenverträge
mit variablen Zinsen abgeschlossen
Friedrich Schneider im Interview wurden, also bei steigenden Zinsen
stieg auch die Belastung. Wenn nun
keine Sparrücklagen da sind, bleibt
nur mehr der Notverkauf. Treten
solche Notverkäufe in Masse auf, so
kommen die Banken in Schwierigkei-
(Eigene) Verschuldung privater Haushalte in den USA ten und die Hypotheken sind unver-
käuflich.
2008 In den Jahren 2001 bis 2003 änderte
2001 sich in den USA ein Teil des Banken-
$ 49.000,--/pro Kopf geschäfts radikal. Die Kreditrisiken
$ 27.140,--/pro Kopf vieler Kunden wurden gebündelt, d.
h. sie wurden handelbar gemacht
und waren somit verkäuflich. Käufer
waren andere Banken, Versicherun-
gen etc. Hinzu kam ein Versagen der
Rating-Agenturen, welche eine zu
gute oberflächliche Bewertung (z. B.
nur mit dem „tieferen” Anfangszins-
satz) durchführten. Im August/Sep-
tember 2007 beginnt die Krise in den
USA mit dem Zusammenbruch und
Verlusten von Banken und anderen
Geldinstituten. Danach breitete sich
die Krise wie ein Lauffeuer aus. Kei-
ner weiß, wo die Risiken stecken. Die
Foto:S. Hofschlaeger, pixelio

Folge waren Angst und Vertrauens-


bruch, also die Banken vertrauten
sich nicht mehr gegenseitig, und da-
mit kam es in weiterer Folge zu star-
ken Verlusten der Banken und nega-
tiven Folgen für die Realwirtschaft.
Ein stark schwankender Dollar, enorm gestiegene Energiepreise,
die höchsten Inflationsraten seit 8 bis 10 Jahren in den OECD- soziologie heute: Nun hat ja die
Europäische Union darauf reagiert
Ländern, Spekulationsverluste, Zusammenbrüche von Großban- und schnelle Hilfe in großem Aus-
ken und Bankenrettungspakete seitens der Regierungen - ist das maß durch eine Erhöhung der Ein-
der Preis der Freiheit? Wer muss für die Verluste aufkommen? lagensicherung - zum Teil einer
Kommt der Steuerzahler zum Handkuss? Ist dies das Ende der Verdoppelung oder auch einer to-
freien Marktwirtschaft? talen - beschlossen. Frankreich und
soziologie heute sprach darüber mit Friedrich Schneider, Vorstand Deutschland reagierten hier binnen
des Instituts für Volkswirtschaftslehre an der Universität Linz. einer Woche.
Februar 2009 soziologie heute 13

Schneider: Das ist auf alle Fälle eine (5) Investmentbanken, Hedgefonds
gute Makro-Entscheidung, aber nur und Private-Equity-Gesellschaften
dann auch eine gute Mikro-Entschei- müssen den gleichen Regeln unter-
dung, wenn effektive Regulierungs- worfen werden wie die Geschäfts-
maßnahmen folgen. Die Konsequenz banken.
ist, dass mit sehr hoher Wahrschein- (6) Es muss zu einer strikt symmetri-
lichkeit der Steuerzahler zum Hand- schen Formulierung in den Gehalts-
kuss kommt - in welchem Ausmaß ist verträgen der Top-Manager kommen,
allerdings noch offen. d. h. sie verlieren genauso viel, wie
sie gewinnen. Die Berechnung der
soziologie heute: Beim Bürger macht Boni-Prämien soll nach Jahresbilan-
sich offensichtlich Unmut breit und zen und nicht nach Stichtagsbilan- „Es gilt, den Markt so zu regulie-
er empfindet, dass hier mit zweier- zen erfolgen. ren, damit der Wettbewerb funk-
lei Maß gemessen wird. Während er (7) Conduit-Zweckgesellschaften und
selbst das volle Kreditrisiko zu tra- andere Konstruktionen zur Ausla- tioniert. Mehr nicht!”
gen hat, werden durch Spekulatio- gerung des Investmentbanking-Ge-
nen in Not geratene Banken aus dem schäfts aus den Bankbilanzen sollten verhalten verhindern. Sie können auch
Säckel des Steuerzahlers gestützt. so beschränkt werden, dass die ein- kein tugenhaftes Verhalten erzwingen.
gegangenen Risiken in den Bankbilan- Dennoch ist kein anderes Wirtschafts-
Schneider: Nun, als wirtschaftspoli- zen transparent werden und die Bank system bei der Suche nach Lösungen
tische Schlussfolgerung kann ich sie- den Totalverlust verkraften kann. für komplexe Probleme auch nur an-
ben Maßnahmen empfehlen: nähernd so erfolgreich wie die Markt-
(1) Die USA müssen sich an interna- soziologie heute: In Anbetracht die- wirtschaft. Das Zusammenspiel von
tionalen Vereinbarungen zur Harmo- ser Maßnahmen - ist das nicht das Freiheit, Verantwortung und Haftung
nisierung der Bankenaufsicht betei- Ende der freien Marktwirtschaft? hat trotz aller Krisen zu mehr Wohl-
ligen. Diese Vereinbarungen können stand geführt.
sich am Basel II-System orientieren, Schneider: Neugier (aber leider auch Es geht um einen Abwägungsprozess:
das staatlich zu kontrollieren ist. Gier) gehört zu den Grundlagen einer
(2) Wiedereinführung der Mindest- Wie ein Richter die gegenläufigen Argu-
marktwirtschaftlichen Ordnung. Das mente von Staatsanwalt und Verteidi-
reservenpflicht der Banken bei der Streben nach Gewinn stimuliert die
jeweiligen Zentral- oder Notenbank. ger gewichten muss, gilt es, die Kosten
(Neu-)Gier. Sie lässt Menschen nach von Markt- und Staatsversagen gegen-
(3) Europa braucht ein gemeinsames
besseren Ideen suchen. Niemand weiß einander abzuwägen. Freie Märkte
System der Finanzaufsicht. Dabei
muss jeder Staat für die Verluste sei- im Voraus, wer Erfolg haben und wer sollen durch staatliche Regulierungen
ner eigenen Banken aufkommen. scheitern wird. Deshalb ist der Weg begrenzt werden, insbesondere dort,
(4) Einführung einer Finanztransakti- in der Marktwirtschaft mit Konkur- wo Marktversagen in ökonomischer,
onssteuer (Tobin-Tax). Die Vorausset- sen und Verlusten gepflastert. Weder ökologischer und sozialer Hinsicht
zung ist jedoch, dass alle wichtigen Fi- strengere Gesetze noch schärfere auftreten kann. Es gilt zu verhindern,
nanzplätze diese auch implementieren. Kontrollen können menschliches Fehl- dass Banken und Versicherungen so
Kurssturz weltweit: Jahresveränderung der jeweiligen Banken bedeutsam sind, dass sie „too big to
Ende Oktober 2007 zu Ende Oktober 2008 fail” sind, d. h. ihr Untergang auch
andere (unbeteiligte) Firmen zerstört
und im schlimmsten Fall das Land (Is-
land!) oder gar die Weltwirtschaft mit-
reißt.
Es gilt, den Markt so zu regulieren, da-
mit der Wettbewerb funktioniert. Mehr
nicht. Das Ziel ist somit eine öko-sozia-
le Marktwirtschaft.

mit Friedrich Schneider sprach Bernhard Hofer


__________________________________

Friedrich Schneider ist Universitätsprofessor für Volks-


wirtschaftslehre an der Johannes-Kepler-Universität Linz
und Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik - der größten
Vereinigung von Wirtschaftswissenschaftlern im deutsch-
Quelle: Thomson Reuters, 2008

sprachigen Raum.
Schneider ist zudem einer der wenigen international aner-
kannten Experten für Geldwäsche und Schattenwirtschaft
14 soziologie heute Februar 2009

Gesellschaft für Alle


Grundeinkommen als positive Freiheit
Michael Opielka

Die Idee einer „Gesellschaft für


Alle“ liegt dem demokratischen
Wohlfahrtsstaat zugrunde. Zu-
gleich wirkt sie vielen Beobachtern
fern. Prozesse der Exklusion, von
Armut und Arbeitslosigkeit, damit
einer zunehmenden Entfremdung
vieler Bürger gegenüber der Demo-
kratie müssen als Warnsignale ge-
lesen werden. Der Vorschlag eines
allgemeinen, unbedingten Grund-
einkommens soll die Teilhabe aller
Bürgerinnen und Bürger an der Ge-
sell-schaft garantieren. Er könnte
die Idee auf eine materielle Grund-
lage stellen und damit die Identifi-
kation mit der Gesellschaft und die
soziale Integration befördern.
Foto: feik, pixelio

Selbstverständlich scheint, dass


eine Demokratie auf der rechtlichen
Gleichheit Aller baut, der Souverän
sind wir. Und doch können wir ange-
sichts von 500 Milliarden Euro Hilfe
aus unseren Steuergeldern für die
Bankenspekulanten kaum anders als
daran zweifeln. Der bri-tische Politik-
wissenschaftler Colin Crouch hatte
diese Zweifel feuilletonwirksam auf
Februar 2009 soziologie heute 15

den Begriff der „Postdemokratie“ ernst. Das Grundeinkommen ist eine sellschaft, die ihren Reichtum allen
gebracht: „Während die demokrati- großartige Idee. Doch es ist keine ei- Mitgliedern zugänglich macht.
schen Institutionen formal weiterhin erlegende Wollmilchsau. Es gibt viele
vollkommen intakt sind (…), entwi- großartige Ideen. Das Grundeinkom- Diese „konkrete Utopie“ wirft gewiss
ckeln sich politische Verfahren und men genügt nicht. Aber es ist gleich- viele Fragen auf. Ein Grundeinkom-
die Regierungen zunehmend in eine wohl unverzichtbar. Warum? men ist nicht einfach eine Sozialtech-
Richtung zurück, die typisch war für nologie, die von Experten bedacht
vordemokratische Zeiten: Der Ein- Ein Grundeinkommen ist das Recht und umgesetzt werden mag, sondern
fluss privilegierter Eliten nimmt zu, auf ein existenzsicherndes Einkom- eine äußerst innovative Gesellschaft-
in der Folge ist das egalitäre Projekt men, das jedes Mitglied einer Ge- sidee, ein vierter, „garantistischer“
zunehmend mit der eigenen Ohn- sellschaft an diese Gesellschaft un- Weg zwischen Kapitalismus und So-
macht konfrontiert.“ Gesellschaft für abhängig von Leistung und Herkunft zialismus, genauer: zwischen Libera-
wenige, die Ohnmacht wird greifbar. beanspruchen kann. Eine Gesell- lismus, Sozialismus und Konservati-
schaft mit Grundeinkommen ist eine vismus. Sie erfordert die Demokratie
In einem Interview umschreibt sie andere Gesellschaft als die heutige. und sie erweitert, ja erneuert die
der Büchnerpreisträger Josef Wink- Sie ist eine Gesellschaft für alle. Ihre Demokratie. Ohne Experten wird das
ler: „Die Patriarchen“, er meint nicht Institutionen richten sich zuerst, so Grundeinkommen nicht kommen,
nur seinen 99jährig gestorbenen Va- die Idee, an den Menschenrechten ohne die Bürgerinnen und Bürger
ter, „unter denen wir aufgewachsen aus. Eine Grundeinkommensgesell- nie, jedenfalls nicht gut.
sind, gibt es vielleicht tatsächlich schaft ist kein Paradies, in dem Milch
nicht mehr. Es gibt Autoritäten, die und Honig fließen. Auch in ihr wird Das 21. Jahrhundert ist durch eine
viel unfassbarer sind, die ihre Macht gearbeitet, wird es Konflikte geben, verwirrende Gleichzeitigkeit von Glo-
viel heimlicher ausüben. Wir hatten Verlierer und Gewinner, wird Leis- balisierung und Individualisierung
unsere Autoritäten direkt vor Au- tung gefordert, wird es Angst geben gekennzeichnet. Das wirft erneut die
gen, sie waren da. Und so konnten und ihre Überwindung. Aber sie hat Frage nach der Möglichkeit sozialer
wir auch lernen, sie zu bekämpfen. die Armut überwunden. Etwa die Ordnung, also von Gesellschaft auf,
Ich weiss nicht, ob die Autoritäten Hälfte des gesellschaftlichen Ein- die zwischen den Einzelnen und ei-
im heutigen Gefüge der Menschen kommens wird vorgängig vor aller ner unübersichtlichen Welt vermit-
angenehmer sind. Sie sind anony- weiteren Verteilung über Arbeit oder telt. Eine wesentliche Rolle spielt da-
mer und sind deshalb auch nicht zu Vermögen allen Bürgern als Grund- bei der Wohlfahrtsstaat, der zentrale
zertrümmern. Und wir wissen nicht, recht garantiert. Eine Grundeinkom- Funktionen traditioneller Gemein-
mit welcher Wucht diese unsicht- mensgesellschaft ist eine reiche Ge- schaften, vor allem der Familie über-
baren Kräfte auf unsere Kinder ein-
schlagen. Ich habe meinen Schmerz
Univ.-Prof. Dr. Hermann Strasser PhD
noch benennen können.“ Das ist es
wohl. Wir müssen benennen können, Emeritierter Professor für Soziologie und Leiter der Forschungs-
den Schmerz, den Ohnmacht, unsere gruppe Sozialkapital an der Universität Duisburg-Essen, Forst-
Wünsche. Wir brauchen die Worte hausweg 2, D-47057 Duisburg.
zum Leben, Worte, die unsere Er- Geb. am 28.11.1941 Altenmarkt im Pongau (Österreich). Studium
fahrung und unser Begehren benen- der Nationalökonomie und Soziologie in Innsbruck, Berlin und
nen. Die Idee des Grundeinkommens New York; 1976 Habilitation Universität Klagenfurt.
scheint eines dieser Worte zu sein. 1968-1971 Teaching Assistant und Teaching Fellow, Fordham Uni-
versity, New York
1972-1977 Wiss. Mitarbeiter am Institut für Höhere Studien, Wien
Wir wollen über die Idee des Grund- 1978-2007 Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie an der Universi-
einkommens als positive Freiheit tät Duisburg-Essen (seit 1. März 2007 emeritiert) sowie von Gast-
nachdenken. Vor fünfzig Jahren, in professuren an ausländischen Universitäten
seinem Essay „Two Forms of Liber-
Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Soziologische Theorie, Kultursoziologie und Sozial-
ty“ unterschied der Philosoph Isaiah strukturanalyse (Ungleichheit, Wandel, Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum, bürgerschaftliches
Berlin folgenreich zwischen positi- Engagement). Leiter zahlreicher Forschungsprojekte, zuletzt „Polizisten im Konflikt mit eth-
ver und negativer Freiheit, zwischen nischen Minderheiten und sozialen Randgruppen“, „Bürgerschaftliches Engagement und Al-
Freiheit zu und Freiheit von. Berlin tersdemenz“, „Kinderarmut – Kulturarbeit mit Kindern“ und „Mediation durch peer groups:
war, wie die meisten liberalen Philo- Gewaltprävention bei arabischen, russlanddeutschen und türkischen Jugendlichen“.
sophen, skeptisch gegenüber posi- Neben mehr als 200 wissenschaftlichen Aufsätzen Autor bzw. Herausgeber von 30 Büchern,
tiven Freiheiten. Sie versprechen, so zuletzt Modern Germany (2000), Globalisierungswelten (2003), Das individualisierte Ich in
seine Befürchtung, eine einzige Wahr- der modernen Gesellschaft (2004), Endstation Amerika? Sozialwissenschaftliche Innen- und
heit. Bei einem antiken griechischen Außenansichten (2005), Woran glauben? Religion zwischen Kulturkampf und Sinnsuche
(2007), „Das da draußen ist ein Zoo, und wir sind die Dompteure“: Polizisten im Konflikt mit
Dichter, Archilochos, entnahm er die ethnischen Minderheiten und sozialen Randgruppen (2008) und „Köpfe der Ruhr“ (2008).
Unterscheidung von Füchsen und
Igeln: „Der Fuchs weiß viele verschie- Geschäftsführer von V•E•R•B•A•L – Institut für professionelle Texte, Ratingen, dort Autor
dene Sachen, der Igel aber nur eine.“ bzw. Projektleiter von Personen-, Familien- und Unternehmensbiografien. Regelmäßiger Ko-
Goethe war ihm ein Fuchs, Hegel ein lumnist in führenden Tageszeitungen.
Igel. Ich schätze beide und nehme Weitere Informationen: http://www.uni-due.de/soziologie/strasser.php
nichtsdestotrotz Berlins Mahnung
16 soziologie heute Februar 2009

nahm. Wenn man dem Gedanken Dazu gehören Bildung, Wohlfahrt, Öf- die Idee der Teilhabegerechtigkeit.
folgt, dass die Gesellschaft durch ei- fentlichkeit und Kunst. Auch das Le- Hier scheint auf den ersten Blick
nen fiktiven Vertrag begründet wird gitimationssystem ist nicht bekannt die Idee des Grundeinkommens ihre
und nicht einfach als ein System genug und doch gehören Wissen- neue Heimat zu finden. Aber wir wer-
hierarchischer Herrschaft verstan- schaft und Religion weder zu Politik den sehen, dass alle vier Lager, alle
den werden kann, so stellt sich die noch zur Wirtschaft. Warum diese vier Gerechtigkeitsideen – Leistung,
Frage, wie dieser Gesellschaftsver- Unterscheidungen? Sie können uns Gleichheit, Bedarf und Teilhabe – ein
trag (Jean Jacques Rousseau, John zeigen, dass unsere soziale Ordnung Grundeinkommen befürworten kön-
Rawls) unter den neuen Bedingun- fein gefügt ist und verletzlich. Sie nen.
gen aussehen soll. Dass die Ant- können uns auch zeigen, dass jede
wort auch angesichts der aktuellen große Sozialreform auf allen Ebenen Gehen wir Schritt für Schritt vor. Be-
globalen Finanzmarktkrise die Idee bedacht werden muss. ginnen wir mit der wirtschaftlichen
des Grundeinkommens einschließen Seite des Grundeinkommens und hö-
muss, erfordert erheblichen Begrün- Wenn wir über die Idee des Grund- ren wir zunächst nicht auf die Ökono-
dungsaufwand. einkommens nachdenken, dann men. Die Frage, ob ein Grundeinkom-
erscheint sie den einen intuitiv so men dem Menschen entspricht, hat
Ich möchte mit der Begründung gerecht wie anderen ungerecht. Da der Psychoanalytiker Erich Fromm
der Komplexität unserer Wirklich- kann etwas Ordnung im Denken nicht vor vielen Jahren (1966) bejaht: „Der
keit gerecht werden. Unsere soziale schaden. Denn was wir gerecht nen- Übergang von einer Psychologie
Ordnung folgt dem Wesen des Men- nen, folgt womöglich der Ordnung des Mangels zu einer des Überflus-
schen. Wir können vier Weltverhält- von Mensch und Gesellschaft. So er- ses bedeutet einen der wichtigsten
nisse des Menschen unterscheiden: scheint Liberalen und der Mehrheit Schritte in der menschlichen Ent-
wir passen uns der Natur an, treten der Ökonomen gerecht, was der Leis- wicklung. Eine Psychologie des Man-
in wirtschaftlichen Verhältnissen im tung am Markt entspricht. Sozialis- gels erzeugt Angst, Neid und Egois-
Modus der Arbeit mit ihr und ande- ten wiederum halten für gerecht, was mus (was man auf der ganzen Welt
ren Menschen in materiellen Aus- durch den Staat via Umverteilung an am intensivsten in Bauernkulturen
tausch. Wir sind, zweitens, Willens- Gleichheit erreicht werden kann. beobachten kann). Eine Psychologie
wesen, versuchen unsere Interessen Konservativen erscheint gerecht, des Überflusses erzeugt Initiative,
strategisch durchzusetzen und tre- was in Gemeinschaften, vor allem in Glauben an das Leben und Solida-
ten in politische Verhältnisse. Zum Familien und hierarchischen Schutz- rität. Tatsache ist jedoch, dass die
dritten sind wir fühlende Wesen, wir verhältnissen an tatsächlichem Be- meisten Menschen psychologisch
kommunizieren und handeln damit darf beurteilt wird. Damit haben wir immer noch in den ökonomischen
in gemeinschaftlichen Verhältnissen. die drei hergebrachten politischen Bedingungen des Mangels befangen
Schließlich und viertens sind wir Lager und ihre Gerechtigkeitsideen sind, während die industrialisierte
Denkwesen, wir handeln sinnhaft, benannt: Leistungsgerechtigkeit, Welt im Begriff ist, in ein neues Zeit-
als Ich, und finden uns in geistigen, Verteilungsgerechtigkeit, Bedarfsge- alter des ökonomischen Überflusses
legitimativen Verhältnissen. Diese rechtigkeit. Es fehlt das vierte Lager. einzutreten. Aber wegen dieser psy-
vier Weltverhältnisse finden wir also Es ist politisch noch unklar geformt, chologischen ‚Phasenverschiebung‘
in der Gesellschaft wieder, in ihren die grüne Idee der Ökologie und die sind viele Menschen nicht einmal
hochdifferenzierten Teilsystemen mit ihr gestellte Gattungsfrage nach imstande, neue Ideen wie die eines
von Wirtschaft, Politik, Gemeinschaft dem Überleben aller kommt ihm garantierten Einkommens zu begrei-
und Legitimation. Wirtschaft und Po- nahe. Sie verweist auf die Mensch- fen, denn traditionelle Ideen werden
litik sind uns vertraut. Das Gemein- heit, politisch auf die Menschen- gewöhnlich von Gefühlen bestimmt,
schaftssystem ist weniger bekannt. rechte. Ihr Gerechtigkeitsgedanke ist die ihren Ursprung in früheren Ge-
sellschaftsformen haben.“

Fromm sah gleichwohl, dass ein


Grundeinkommen nicht viel Gutes
bewirkt, wenn das kapitalistische
Prinzip des „maximalen Konsums“
ungebrochen bliebe. Es müsste viel-
mehr in ein „System des optimalen
Konsums“ verwandelt werden. Dar-
unter schwebte ihm vor, den Anteil
der öffentlichen Güter und Dienstleis-
tungen erheblich auszuweiten, „dass
Foto: Gerd Altmann, pixelio

man das Problem des garantierten


Einkommens auch so lösen könnte,
dass man alles zum Leben Notwen-
dige – im Sinne eines festgelegten Mi-
nimums – kostenlos bekäme, anstatt
es bar bezahlen zu müssen.“ Der Ge-
danke erinnert an Paul Lafargue, den
Februar 2009 soziologie heute 17

Schwiegersohn von Karl Marx, der


sich in seiner Schrift „Das Recht auf
Faulheit” gegen die Forderung nach
einem „Recht auf Arbeit“ stellte und
die unkritische Konsum- und Wachs-
tumshoffnung der marxistischen Re-
volutionäre kritisierte. Die sozialisti-
sche Version des Grundeinkommens
– öffentliche Versorgungsangebote
statt Geld ohne Auflagen – hat sich
freilich, bisher jedenfalls, kaum be-
währt. Entscheidend bleibt der psy-
chologische Gedanke einer grundle-
genden Sicherheit.

Entscheidend ist damit die Beant-


wortung der Frage, wozu Wirtschaft

Foto: Gerd Altmann, pixelio


dient. Sie dient der Bedarfsdeckung.
Würde ein Grundeinkommen dieses
Ziel gefährden oder befördern? Die
Frage nach Nutzen und Funktion der
Wirtschaft muss freilich mit der Fra-
ge verknüpft werden, ob alle an ihr
und in gleicher Weise teilhaben. Das
ist offensichtlich nicht der Fall. Ver- für das gute Leben. Das ist ein gro- unserem Thema: „Wie kann Armut in
mögen, Kapital ist äußerst ungleich ßer Unterschied. Darum haben auch Deutschland wirksam bekämpft wer-
verteilt. Und auch die Zugangschan- viele marktfreundliche und selbst den?“ Vier Antworten wurden dem
cen zum Arbeitsmarkt sind keines- marktreligiöse Ökonomen wie Milton Publikum vorgelegt:
wegs für alle dieselben. Die Soziolo- Friedman für ein Grundeinkommen • Der Arbeitsmarkt muss noch wei-
gin Jutta Allmendinger, Präsidentin plädiert. Die Befürchtung, dass ein ter liberalisiert werden, dann löst
des Wissenschaftszentrums Berlin, Grundeinkommen die Bereitschaft sich das Problem von selbst.
argumentierte in einem Wer würde unterhöhlt erwerbstätig zu sein, wird • Armutsbekämpfung fängt in der
dann noch arbeiten? übertitelten von ernsthaften Ökonomen kaum Schule an - solide Bildung für alle ist
Gespräch mit Götz Werner, dem be- mehr vorgetragen. Im Gegenteil, sie der einzige Ausweg.
kannten Grundeinkommensbefür- erhoffen sich eine Dynamisierung des • Gerade jetzt in der Finanzkrise
worter, skeptisch: „Für Sie wären Arbeitsmarktes, weil nun auch gerin- muss der Staat die Konjunktur stüt-
800 Euro Gold wert gewesen, weil sie ge Einkommen die Leistungsmotiva- zen, sonst wird alles schlimmer.
gute Voraussetzungen hatten, vor al- tion nicht mehr unterminieren. Jedes • Wir sollten nicht hier die Armut be-
lem eine gute Ausbildung. Auch ein zusätzliche Einkommen erhöht in ei- kämpfen, sondern lieber in den Ent-
Grundeinkommen schafft nicht au- nem Grundeinkommenssystem das wicklungsländern!
tomatisch gleiche Zugangschancen. Haushaltseinkommen in relevanter
Dieses Gerechtigkeitsprinzip ist in Weise. Armut wäre gebannt und das Was soll der geneigte Leser antwor-
unserer Gesellschaft durchbrochen. Prinzip der Leistungsgerechtigkeit ten? Ein liberalisierter Arbeitsmarkt
Menschen mit niedriger Bildung be- gewahrt, zumindest, was den Zugang ohne Grundeinkommen löst das Ar-
kommen schlechte oder keine Joban- zum Arbeitsmarkt betrifft. mutsproblem empirisch selbst im
gebote. Sie vertreten da ein elitäres konjunkturellen Schwang nirgend-
Konzept. Denen, die viel haben, wird An dieser Stelle werden freilich neue wo; Bildung für alle ist unverzicht-
noch mehr gegeben. (…) Mit 800 skeptische Stimmen laut. Sie kom- bar, doch keine Armutsvermeidungs-
Euro im Monat wären die Menschen men aus der zweiten Gerechtigkeitse- garantie; staatliche, keynesianische
noch viel zu sehr mit ihrem Überle- bene, von Sozialdemokraten und Ausgabenprogramme für öffentliche
ben beschäftigt. Es müsste viel mehr Sozialisten. Sie befürchten, dass ein Güter sind hilfreich, aber geben wir
sein, 2000 oder 2500 Euro, was nicht zu niedriges Grundeinkommen das Banken und Eigenheimbesitzern,
finanzierbar wäre.“ Sicherlich, 800 Gerechtigkeitsprinzip der Gleichheit bleibt Armut übrig; schließlich ist
Euro im Monat für eine Person ist verletzt. Das ist ein berechtigter Ein- die Armut in weiten Teilen der Welt
nur wenig mehr als die derzeitige wand. Ein gleiches, aber lächerlich kein Grund, von der Armut hierzu-
Armutsgrenze, nur wenig mehr als geringes Einkommen für alle schafft lande abzulenken. Vier mögliche
Hartz IV-Empfänger erhalten. Doch keine Freiheit für alle. Gleichheit ist Antworten, wie zufällig aufgeklaubt,
bei einem Grundeinkommen wäre die Ebene des Rechts, die geistige aber es fällt auf: Die Antwort „Ein
das Überleben gesichert. Wenn man Grundlage der Demokratie. Doch auf Grundeinkommen soll eingeführt
mehr will und fast alle wollen mehr, ihr herrscht schnell Durcheinander. werden“ fehlte.
so dann wird man dafür sorgen müs- Auf der Homepage der Frankfurter
sen. Doch es ist dann keine Sorge Allgemeinen Zeitung fand sich ein Das ist misslich, weil die Möglich-
mehr für das Überleben, sondern Durcheinanderfrageantwortspiel zu keiten der Politik unterschätzt wer-
18 soziologie heute Februar 2009

den, die Gleichheit zwischen den – und der Europäer. Gleichheit steht, bach seit Jahrzehnten allen Bürgern
Menschen zu befördern. Man mag so könnte man das deuten, als Sym- stellt: „Wie sehen Sie das: Sind die
einwenden, dass Gleichheit auf nied- bol für Sicherheit. wirtschaftlichen Verhältnisse – ich
rigem Niveau doch keine Gleichheit meine, was die Menschen besitzen
sei. Es sei viel sinnvoller, die Arbeits- Das Institut für Demoskopie Allens- und was sie verdienen – im Großen
marktintegration zu fördern und sei bach stellt seit 1955 die Frage: „Wür- und Ganzen gerecht oder nicht?“ 60%
es mit staatlichem Zwang. Wenn alle den Sie gerne in einem Land leben, der Mandatsträger sagten Ja, 28%
Arbeitnehmer seien, dann könnten in dem es keine Reichen und Armen Nein, der Rest wusste nicht. Bei der
sie auf dem Arbeitsmarkt mit Hilfe gibt, sondern alle möglichst gleich Bevölkerung ist es genau umgekehrt:
der Gewerkschaften für Gleichheit viel haben?“ Die Antworten der Deut- Ende 2006 sagten 56% Nein, im Som-
kämpfen. Das ist das Programm schen – bis 1989 nur der Westdeut- mer 2008 sogar 68%. Ist das schon
der „Agenda 2010“, von Hartz IV. Es schen – überraschen: 1955 wollten „Postdemokratie“ – oder schlicht
wird nach wie vor verteidigt. Karl das 49% nicht, 40% schon. Die 1960er die Abgehobenheit der Eliten, die
Lauterbach, Professor für Gesund- Jahre brachten eine Kehre: 1971 ant- Unfähigkeit zu Fühlen, was die Nicht-
heitsökonomie und sozialdemokrati- worteten 51% mit Ja und 37% nein. Beamten bewegt, was ihnen Sorge
scher, dem linken Parteiflügel zuge- Während die Ja-Antworten auch 2008 macht?
rechneter Bundestagsabgeordneter mit 47% relativ hoch waren, sank der
argumentierte in einem Beitrag un- Anteil derjenigen, die ausdrücklich Kommen wir zum dritten Gerechtig-
ter dem lustigen Titel Ein Hartz für widersprechen: nur noch 29% der keitsfeld und seiner Bedeutung für
Arme so: „Erstens wurde der Druck Deutschen wollen in einem solchen das Grundeinkom-men. Es ist die
auf Arbeitslose, Arbeit zu suchen, Land lieber nicht leben. In derselben Welt der Gemeinschaft, des Kom-
erhöht. Sie verloren schneller ihren Befragung sahen 67% der Deutschen munitarischen, die Welt von Liebe,
Lebensstandard und ihr in der Regel in der Aussage: „Der Staat sorgt für sozia-ler Integration, von Wärme
kleines Vermögen. Zweitens wurden eine Grundsicherung, damit nie- und Anerkennung, von Familie und
die Möglichkeiten des Zuverdiens- mand in Not gerät“ einen Ausdruck sozialem Engagement. Es ist die Welt
tes bei Bezug von Arbeitslosengeld sozialer Gerechtigkeit. Wir sind also des Konservativen, wie der siziliani-
erweitert. Und drittens wurde es nicht einsam in Deutschland, wenn sche Fürst in Tomasi di Lampedusas
einfacher, bei niedrigem Einkommen wir mit der Idee des Grundeinkom- Roman „Der Leopard“ durch seinen
hinzuzuverdienen. Alle drei Maßnah- mens auch die Idee der Gleichheit Neffen belehrt wurde: „Wenn alles
men haben dazu geführt, dass die verfolgen – einsam sind wir nur un- so bleiben soll, wie es ist, muss sich
Löhne im Niedriglohnbereich auf ein ter den Eliten. alles ändern.“ Hier herrscht die Ge-
Niveau gesunken sind, zu dem die rechtigkeitsidee des Bedarfs, nur die
Problemgruppen vermittelt werden 40% der Delegierten der grünen Bun- „wirklich Bedürftigen“ sollen etwas
konnten.“ Dass dieser Erfolg um den desdelegiertenkonferenz in Nürnberg bekommen. Beurteilen kann es nur
Preis der Verletzung von Gleichheit (2007) wollten ein Grundeinkommen, die Gemeinschaft, der pater famili-
und Würde erzielt wurde, könnten doch im Bundestag war noch keine as, der Stammesführer, der Chef, der
diejenigen berichten, die keine beam- Rede dafür zu hören, nur ein Abgeord- Oberbeamte. Das klingt wie eine Ka-
teten Professoren sind. Der Gerech- neter, Wolfgang Strengmann-Kuhn, rikatur des Konservativen, mag man
tigkeitswert der Gleichheit schließt bekennt sich öffentlich zur Idee. Lau- einwenden und dagegenhalten, dass
Autonomie ein. Bürgersein muss mit terbach ist mit seinem Ja zu Hartz für moderne Konservative Gemein-
Würde und Respekt verknüpft sein, IV und gegen ein Grundeinkommen schaft und die Idee der Bedarfsge-
mit Anerkennung, wie Hegel erkann- Mainstream in der Sozial-demokra- rechtigkeit kein Widerspruch ist zu
te. tie, einflussreiche, öffentlich bekann- Leistung und Gleichheit, zu Markt
te Grundeinkommensbefürworter und Staat. Gleichwohl, der Geruch
Positive Freiheit, Freiheit zu, ist mit kennt die Partei noch nicht. Die FDP Empfehlung
sozialer Demokratie, mit sozialisti- hat das Bürgergeld, eine sparsame Schweer, Th./
Strasser, H. /
schem Denken auf das engste ver- Variante des Grundein-kommens, Zdun, St.
(unter Mitarbeit von van den
knüpft. Daher war der Liberale Berlin seit 1996 als Programm, doch ver- Brink, Henning/Scherer, Na-
talie/Lillig, Marion/Celikbas,
skeptisch und befürchtete ein ande- kürzt als Wirtschaftsliberalisierungs- Güler)
rer Liberaler, der Nobelpreisträger projekt und nicht als Projekt libera- „Das da draußen ist
Friedrich August von Hayek, spiritus ler Politik grundlegender Gleichheit. ein Zoo, und wir sind
die Dompteure“
rector der Freiburger Schule, vor 50 In der CDU hat sich Die-ter Althaus, Polizisten im Konflikt mit eth-
Jahren, dass mehr als 10% Staatsquo- Thüringer Ministerpräsident, mutig nischen Minderheiten und so-
zialen Randgruppen
te Sozialismus bedeute. Das haben zur Idee des Grundeinkommens be- VS-Verlag für Sozialwissenschaf-
wir heute überall. Öffentliche Güter kannt. Aber auch er fand nicht sehr ten, 2008. 185 S. Br.
ISBN: 978-3-531-15694-1
haben für die übergroße politische viele Miteliten. Es ist ein merkwürdi- Preis: Euro 19,90
Die Polizei soll als Organ der deutschen Mehrheitsgesell-
Mehrheit ihren Schrecken verloren, ger Bruch zwischen oben und unten schaft kulturelle Selbstverständlichkeiten sichern. Gleichzei-
mehr noch, die Menschen sehen, in Deutschland in Sachen Gleichheit tig sind die Lebensweisen von ethnischen Minderheiten und
sozialen Randgruppen Ausdruck einer kulturellen Differenz,
dass sie in einer hoch arbeitsteili- und Gerechtigkeit. Ende 2006 stellte die nicht selten Be- und Entfremdung oder gar Angst hervor-
ruft und diese Menschen im Laufe ihres Lebens zu Fremden
gen, globalisierten Welt unverzicht- die Bertelsmann-Stiftung gut 1000 und Außenseitern werden lässt. Dadurch tritt die Polizei als
Repräsentantin einer Ordnungsmacht auf, die von Gruppen
bar sind. Gleichheit ist, wie Bevölke- deutschen Abgeordneten aus Län- am Rande der Gesellschaft häufig als ausgrenzend oder gar
diskriminierend erfahren wird. Die daraus resultierenden
rungsumfragen den irritierten Eliten dern, Bund und Europa, repräsenta- Konflikte im operativen Alltag von Polizeibeamten sind Ge-
genstand dieses anschaulichen und gesellschaftspolitisch
vorhalten, ein Wert der Deutschen tiv ausgewählt, die Frage, die Allens- wie sozialwissenschaftlich hoch aktuellen Buches.
Februar 2009 soziologie heute 19

Lebenserwartung korreliert nicht mit Gesundheit


Kluft in Osteuropa am größten - Österreich im Mittelfeld
Michaela Monschein, pta
Die Gesundheit älterer Europäer ist Das Team um Carol Jagger sammel- Die Bevölkerung der neuesten Mit-
in den verschiedenen Ländern ex- te Daten zur Lebenserwartung und gliedsstaaten der EU, die ohnehin
trem unterschiedlich. Das gilt sogar befragte anschließend ältere Men- niedrigere Zahlen gemeldet hatten,
für Länder mit einer hohen Lebens- schen aus allen Ländern, ob Krank- scheint im Alter verstärkt unter
erwartung. Zu diesem Ergebnis ist heiten ihre Lebensqualität beein- chronischen Krankheiten zu leiden.
eine Studie der University of Leices- trächtigt hätten. Aus diesen Daten In Estland werden Männer durch-
ter http://www.le.ac.uk gekommen. wurde berechnet, wie viele gesunde schnittlich nicht einmal 73 Jahre,
Lebensjahre die Männer und Frau- Frauen dagegen über 80 Jahre alt.
Es wurde nachgewiesen, dass die en zu erwarten hatten. In manchen Männer erwarten nur neun Jahre bei
Menschen in Estland, Lettland und Fällen wurden so Probleme sicht- guter Gesundheit, Frauen nur zehn
Finnland nach dem 50. Lebensjahr bar, die sich aus der Analyse der Le- Jahre. Jagger betonte, dass damit
weniger Jahre in guter Gesundheit benserwartung allein nicht ergeben erstmals Daten vorlägen, die wirk-
erwarten. Die Briten schneiden mit hätten. Österreichische Frauen und lich verglichen werden können. Es
rund 20 Jahren vergleichsweise gut Männer haben zum Beispiel eine stelle sich die Frage, ob die Länder
ab, die Österreicher mit rund 14,5 durchschnittliche Lebenserwartung mit der längsten Lebenserwartung
Jahren schon deutlich schlechter. von 79 bzw. fast 84 Jahren. Aber nur auch die gesündesten seien, schreibt
Die Autoren der Studie betonten, die Hälfte der Jahre nach dem 50. BBC Online.
dass diese Zahlen den Regierungen Geburtstag verbringen sie bei rela-
helfen könnten, für die Zukunft zu tiv guter Gesundheit. In Deutschland
planen. Details der Studie wurden in und Finnland ist diese Kluft noch
The Lancet veröffentlicht. größer.

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20 soziologie heute Februar 2009

Schmutziges
?
Wie bedeutend die organisierte Kri-
minalität und Geldwäsche im krimi-
nellen Umfeld in Deutschland ist,
zeigt nebenstehende Abbildung 1.

Hieran erkennt man sofort, dass die

Geld
Suchtgiftdelikte mit 30% und der
illegale Waffenhandel mit 20% den
größten Anteil bei der organisierten
Kriminalität darstellen - gefolgt von
Wirtschaftsdelikten mit 15%, Eigen-
tum und Nachtleben mit je 10%. Be-
trachtet man den illegalen Drogen-
markt etwas näher, so ist folgendes

Organisierte Kriminalität, festzuhalten: Im Jahr 2003 wurde


der Gesamtwert der Drogen auf der
Produktions-, sprich Produzentene-
bene auf 12,8 Mrd. USD geschätzt. Im
Geldwäsche, Drogenhandel Großhandel steigt der Umsatz bereits
auf 94 USD bzw. der Bruttogewinn
beträgt ca. 80 USD. Im Einzelhandel

und Terrorismus findet noch einmal eine dramatische


Steigerung auf einen Gesamtwert
von 312,6 Mrd. USD bzw. auf einen
Fotos (v.l.o. n.r.u.): Henning Raban-Ramm, pixelio; Jakob Linhard, pixelio; Bundesheer; N. Schmitz, pixelio; Gerd Altmann, pixelio.
Reingewinn von 220 Mrd. USD, die
somit zur Geldwäsche anfallen.2
Friedrich Schneider Methoden/Techniken
der Geldwäsche
Das bekannteste Modell zur Geld-
wäsche ist das 3-Phasen-Modell:3 Es
besteht in der ersten Stufe aus dem
Placement (Platzieren der inkrimi-
nierten Gelder), in der zweiten Stufe
im Layering (Verschleierungsphase
durch unzählige Transaktionen, um
Papierspuren zu verwischen) und in
der dritten Stufe in der Integration
(in der die integralen Gewinne ganz
legal reinvestiert werden).

Bei der ersten Phase der Geldwä-


sche (Placement) kann dies durch
Frontgesellschaften, d.h. von den
„Geldwäschern“ selbst betriebene
Der Begriff „Geldwäsche“1 stammt ursprünglich aus den USA bargeldintensive Unternehmen, z.B.
und bezeichnete den Versuch der Mafia in den 30er Jahren, Taxi-Unternehmen, Gastronomie-
betriebe, Boutiquen, Casinos, etc.
illegales Geld mit Hilfe von Waschsalons reinzuwaschen. Da- geschehen, oder es werden Grün-
mals hatte die Mafia das Problem, dass Einnahmen aus Al- dungsdokumente und Handelsregis-
kohol- oder anderen Drogengeschäften gewaschen werden ter-Auszüge fiktive im Ausland gegrün-
deter Gesellschaften gefälscht, um im
mussten. Bis Ende der 80er Jahre war der Begriff „Geldwä- Inland ganz legal Bankkonten eröffnen
sche“ im deutschsprachigen Raum allerdings kaum bekannt. und Gelder weiß waschen zu kön-
Ab Beginn der 90er Jahre hat er eine erstaunliche Karriere nen. Das Placement kann auch durch
hinter sich, was auf die zunehmenden illegalen Gewinne der Täuschung und Bestechung erfolgen,
durch Glücksspiel oder durch Lebens-
organisierten Kriminalität und hier insbesondere des Dro- versicherung mit hoher Einmalszah-
gengeschäftes zurückzuführen ist. Darüber hinaus führte die lung, bei der in der Regel der Vertrag
Globalisierung auch zu einer Internationalisierung der Krimi- mit großem Abschlag bald gekündigt,
der ausbezahlte Betrag jedoch in Form
nalität und folglich zu einer Vergrößerung sowie Internatio- eines Schecks oder Überweisung dann
nalisierung der illegalen Märkte. ganz legal verwendet werden kann.
Februar 2009 soziologie heute 21

Das Layering (Verschleierung) er-


folgt mittels internationaler Transak- Abb.1: Die organisierte Kriminalität und ihre Hauptbereiche
tionen und mittels Offshore-Centren. in Deutschland
So bestehen beispielsweise im kari-
bischen Raum 520.442 international
tätige Gesellschaften, oder 27.000
Treuhandgesellschaften bzw. 4.000
Investmentfonds (Quelle: IMF, 2002).
Wenn die ersten beiden Stufen (Place-
ment und Layering) erfolgreich abge-
schlossen sind, tritt Stufe 3 in Kraft,
in der die gewaschenen Gelder in der
offiziellen (legalen) Wirtschaft inves-

Quelle: BKA Wiesbaden, 2005


tiert und veranlagt werden.

Terrorismus und dessen Konse-


quenzen für die Weltwirtschaft4
Die Entwicklung der Weltwirtschaft
und der Globalisierung ermöglichen (1) Kaum noch eingrenzbarer Ope- erschüttern die Psychologie bzw.
enorme ökonomische Wohlfahrtsge- rationsraum des religiösen Terroris- das Vertrauen der Menschen und
winne, beinhalten aber auch große mus (globale Tätigkeit). schwächen nachhaltig das ohnehin
Risiken in sich. Gegenüber dem Jahr (2) Weltweite Unterstützungsstruk- fragile Verbrauchervertrauen in den
2003 haben sich die weltweiten Ter- tur z.B. durch das Internet mit jeweils Ländern der Welt. Es kommt zu ei-
roranschläge im Jahr 2006 von 20,8 sich neu bildenden lokalen Zellen. ner Veränderung bzw. Verringerung
auf 61,4 erhöht. Die Terroranschläge (3) Breite grenzenlose Feindkategorie des Ausgabenverhaltens von Firmen,
des 11. September 2001 sind ein Bei- – d.h. kein übergeordnetes Ziel (islam. privaten Verbrauchern und auch des
spiel, wie extreme Globalisierungsk- Weltherrschaft), sondern „nur“ ein ge- Staates. Die Kombination aus dem
ritiker mit Gewalt gegen die ökono- meinsamer Feind (meistens die USA). resultierenden Nachfrageschock und
mischen Vorteile der Globalisierung den erhöhten Transaktionskosten,
kämpfen. Das wirft folgende Fragen Transnationaler fundamentalisti- die auch im Zuge der nachfolgenden
auf: Welche ökonomischen Auswir- scher islamischer Terrorismus am Sicherheits- und Verteidigungspoli-
kungen haben der Terrorismus sowie Beispiel der Al Kaida tik deutlich steigen, fügen der Welt-
der Kampf gegen den Terrorismus? Ziel von Al Kaida: Maximale Zerstö- wirtschaft weitere Schäden zu. Ein
rung der westlichen Zivilsation; d.h. Beispiel für die Konsequenzen eines
Beim Terrorismus wird zwischen nati- Globaler Jihad. Al Kaida ist „nur“ ein weltweiten Nachfrageschocks ist der
onalem Terrorismus und transnationa- Markenname mit extrem flacher Hier- Kursverfall der Aktien (bis zu -50%!)
lem (meistens religiös fundamentalis- archiestruktur; sie ist eigentlich keine fast aller Fluggesellschaften an ameri-
tischem) Terrorismus unterschieden. Organisation mehr sondern eine „vir- kanischen und europäischen Börsen
Es gibt drei fundamentale Charakteris- tuelle Business Corporation“, Ihr Mot- nach den Anschlägen vom 11/09.
tika des transnationalen Terrorismus: to „Sterben ist wichtiger als Töten“
und „Massenmord wird zum sakralen Versicherungen reagieren auf neue
Akt“, d.h. keine Einschränkung der Formen des internationalen Terroris-
Mittel. Sie hat keine globale Geostra- mus mit sofortigen Prämienerhöhun-
tegie außer der Zerstörung der west- gen auf Grund eines neu zu ermitteln-
lichen Zivilisation, daher sollte man den potentiellen Maximalschadens.
sich auf eine langfristige ideologische Es kommt in weiterer Folge zu Ver-
Auseinandersetzung einstellen, und tragsanpassungen bestehender oder
offensiv (auch militarischer) Mittel neuer Verträge und es wird seitens
gegen Al Kaida einsetzen. der Rückversicherer zum Teil gene-
rell mit einer starken Beschränkung
Ökonomische Auswirkungen und oder sogar mit dem Ausschluss der
Schäden des transnationalen Terro- Versicherbarkeit von Terrorschäden
rismus reagiert.
Die Terroranschläge vom 11/09
verdeutlichen, dass vor allem die Regierungen reagieren mit kosten-
indirekten Schäden von terroristi- intensiven Hilfsprogrammen und
schen Anschlägen stark ausfallen vertrauenstabilisierenden Maßnah-
und in den Jahren 2001/2002 0,25% men zur Stützung der Wirtschaft. Es
Foto: AP Wide World Photos

des Welt-BIP kosteten. Sie verteilen kommt zu Subventionen angeschla-


sich auf alle Regionen der Welt und gener Branchen, die nicht notwen-
auf viele Sektoren und haben eine digerweise produktivitätsförderlich
langfristige Auswirkung auf die Welt- sein müssen. Sicherheits- und Vertei-
wirtschaft. Terroristische Anschläge digungsausgaben werden insbeson-
22 soziologie heute Februar 2009

(Wirtschafts-) Politische Maßnahmen eine Ausgewogenheit zwischen Sicher-


zur Bekämpfung des Terrorismus heit und persönlicher Freiheit gewahrt
Der Bedrohung der Weltwirtschaft bleiben. Dieser Balanceakt erfordert
durch Terrorismus (und organisierte guten Willen, Toleranz und Zusammen-
Kriminalität) kann durch folgende 7 arbeit auf internationaler Ebene.
(wirtschafts-) politische Maßnah- Da die internationale Zusammen-
men begegnet werden: arbeit in der Verbrechens- und Ter-
(1) Bekämpfung der Armut beson- rorismusbekämpfung zu wünschen
ders in Ländern mit fundamentalisti- übrig lässt, und leider auch wenig
schen Religionen; Hoffnung auf Änderung/Besserung
(2) Wahrung der demokratischen besteht, ist die Politik gegenüber der
„Es muss eine Ausgewogenheit zwischen Sicherheit und Grundrechte, der Meinungsfreiheit (internationalen) Kriminalität und
persönlicher Freiheit gewahrt bleiben. Dieser Balanceakt
erfordert guten Willen, Toleranz und Zusammenarbeit auf und der Toleranz sowie Offenheit; der Geldwäsche wenig effektiv!
internationaler Ebene.” (3) Integrative Maßnahmen zum _________________________________
Schutz von nationalen Minderheiten;
dere in den USA dramatisch erhöht. (4) Nur Law and Order oder die To- Literatur
Öffentliche Budgetdefizite und zu- desstrafe wirken nicht, da sie aus 1) Vgl. hierzu Schneider, Dreer und Riegler (2006), Siska
nehmende Staatsverschuldung gera- den Terroristen Märtyrer machen; (1999) und Mueller (1992).
2) Siehe hierzu FATF (2004,2005) und IWF (1996 und
de in den USA sind negative Folgen (5) Menschenrechtskonformer Um- 1998).
dieser Maßnahmen. gang mit Terroristen und moderate 3) Vgl. Schneider, Dreer und Riegler (2006) und Walker
Rhetorik; und (2005, 2007).
4) Vgl. hierzu Schneider (2004).
Am Geld- und Finanzmarkt kommt (6) Aufbau von wachstumsfreundli-
es zu einer Anpassung der Portfo- chen Institutionen in Herkunftsregio-
ergänzende/weiterführende Literaturangaben:
lios von Investoren an die neuen nen potentieller Terroristen.
Risikostrukturen und zu einer Ver- (7) Maßnahmen gegen Geldwäsche FATF (2004): Report on Money Laundering and Terrorist
änderung der Renditen bestimmter und organisierte Kriminalität (Verzah- Financing, Typologies 2003-2004, Paris.
FDATF (2005): Report on Money Laundering and Terro-
Aktien. Vielfach resultiert aus terro- nung mit terroristischen Aktivitäten, rist Financing, Typologies 2004-2005, Paris.
ristischen Anschlägen ein Abfluss Unterbinden der Finanzströme der Ter- IWF (1996): Money Laundering and the international
des Kapitals aus den Aktienmärkten rornetzwerke, bspw. Drogenhandel); financial system, International Monetary Funds, Fiscal
Affairs Department, Washington D.C.
in sichere Anlageformen (z.B. Gold). IWF (1998): Money Laundering: The importance of inter-
Notenbanken müssen mit Zinssen- Schlussfolgerungen national counter measures, statement by Michael Cam-
dessus at the plenary meeting of the Financial Action
kungen reagieren, um das Investiti- Aus den bisherigen Ausführungen Task Force on Money Laundering, Paris.
onsniveau zu stützen. Die Amerika- können folgende Schlussfolgerun- Mueller, Christoph (1992): Geldwäscherei: Motive – For-
nische Notenbank senkte nach den gen gezogen werden: men – Abwehr: Eine betriebswirtschaftliche Analyse, St.
Gallen.
Anschlägen vom 11/09 beispielswei- Ist die Wiedereinführung illegaler Ver- Schneider, Friedrich (2004): The financial flows of Is-
se den kurzfristigen Zinssatz auf ei- mögenswerte via Geldwäsche in den lamic Terrorism, in: Masciandaro, Donato (ed.), Global
nen Tiefstand, der in den letzten 40 legalen Wirtschaftskreislauf relativ financial crime: Terrorism, money laundering and off-
shore centres, Aldershot (Great Britain): Ashgate, 2004,
Jahren nicht mehr erreicht wurde, problemlos, führt dies zu einer Unter- pp.97-126.
zeitweise bis auf 1,2 %. wanderung der Volkswirtschaft durch Schneider, Friedrich (2005): Shadow economies around
the world: What do we really know?, European Journal
kriminelle Organisationen. Langfristig of Political Economy 21/3, pp.598-642.
Wirtschaftspolitische Erfahrun- erlangen diese Gruppen einen nicht Schneider, Friedrich (2008): Turnover of Organized Cri-
gen aus den Terroranschlägen zu unterschätzenden und gefährli- me and Money Laundering: Some Preliminary Empirical
Findings, Discussion Paper, Department of Economics,
(insb. 11/09) chen Zuwachs an wirtschaftlicher University of Linz.
(1) Es sind vor allem die indirekten und letztlich auch politischer Macht. Schneider, Friedrich, Dreer Elisabeth und Wolfgang
negativen Effekte des transnatio- Das gewaschene und damit frei ver- Riegler (2006): Geldwäsche: Formen, Akteure, Größen-
ordnung – Warum die Politik machtlos ist, Wiesbaden:
nalen Terrors, welche die Weltwirt- wendbare Geld ist eine Ressource, Gabler-Verlag.
schaft seit dem 11/09 2001 weiterhin die eingesetzt werden kann, um eine Siska, Josef (1999): Die Geldwäscherei und ihre Be-
kämpfung in Österreich, Deutschland und der Schweiz,
belasten. Art kriminelle „Gegengesellschaft“ zu Wien: Linde-Verlag.
(2) Die psychologischen Reaktionen unterstützen. Es erleichtert weitere UNO (2004): World Drug Report, United Nations Office
und die anfängliche Hilflosigkeit Straftaten und fördert die Korruption. for Drug and Crime Prevention (UDCCP), Oxford-New
York.
der Regierungen wären heute wahr- - so werden Polizei, Justiz und Politi- UNO (2005): World Drug Report, United Nations Office
scheinlich weniger ausgeprägt und ker bestochen, damit sie die Wäsche for Drug and Crime Prevention (UDCCP), Oxford-New
könnten so zu einer schnelleren Sta- schmutziger Gelder nicht behindern. York.
Walker, John (2000): Legislative and Economics Factors
bilisierung der ökonomischen Kon- Für die Staatengemeinschaft ist es Determine in International Flows of Laundered Money,
sequenzen beitragen. eine gesellschafts- und wirtschafts- paper presented to the 10th UN Congress on Crime Pre-
vention and Treatment of Offenders, Wien.
(3) Im Falle neuartiger Angriffe sind politische Herausforderung ersten Walker, John (2004): A very temptative exploration of
die schnelle Verbreitung von Infor- Ranges, mit der Bedrohung durch the relationship between shadow economy and the pro-
mationen unter den ökonomischen die organisierte Kriminalität und duction and transit of illicit drugs, New York: UNODC
document.
Akteuren wie Regulierungsbehör- durch transnationalen Terrorismus Walker, John (2007): Measuring Global Money Launde-
den und Zentralbanken entschei- fertig zu werden. ring, Paper presented at the conference “Tackling Money
dende Faktoren zur Minimierung Aber, „wer Ungeheuer bekämpft muss Laundering”, University of Utrecht, Netherlands.
von negativen ökonomischen Kon- aufpassen, nicht selbst zum Ungeheuer
sequenzen. zu werden“ (Nietzsche, 1886). Es muss
Februar 2009 soziologie heute 23

Alten nicht als Potenzialträger wahrgenom-


Unternehmen von Wissensverlust bedroht men wurden. Schließlich stellen sie, sofern sie
in Pension gehen, einen Verlust von geschäfts-
Florian Fügemann, pt-Deutschland kritischem Know-how dar“, unterstreicht Hof-
mann weiter. Diese Einschätzung deckt sich
Nach der Finanzkrise droht vielen Unterneh- gen der Finanzmarktkrise in den kommenden mit den Ergebnissen von NorthgateArinso.
men mit dem Ausscheiden älterer Mitarbei- fünf bis zehn Jahren massiv ausweiten. „Auch Die Experten raten Unternehmen dazu, nicht
ter der Wissens- und Erfahrungsverlust einer ohne die Finanzkrise stehen die Unternehmen nur sicherzustellen, dass das bestehende
ganzen Generation. Diese Gefahr ist nicht un- vor großen Herausforderungen. Ein Schritt in Wissen in der Organisation erhalten bleibt.
begründet, da ein Großteil der Unternehmen, die richtige Richtung wäre, wenn die Betriebe Vielmehr sollten sie auch dafür sorgen, dass
die derzeit noch Mitarbeiter der sogenannten die Älteren als Know-how-Träger anerkennen“, jüngere und neue Mitarbeiter von den gesam-
Babyboomer-Generation beschäftigen, unzu- sagt Heidemarie Hofmann vom Forschungsin- melten Erfahrungen und dem Fachwissen ih-
reichend auf die sich aus dem Ruhestand er- stitut betriebliche Bildung http://www.f-bb.de. rer Vorgänger profitieren. Wichtig sei hierbei,
gebenden Probleme vorbereitet ist. Zu diesem Laut Hofmann sei es entscheidend, dass Unter- dass der Wissenstransfer gewährleistet wird
Ergebnis gelangt der Human-Ressource-Soft- nehmen alle Mitarbeiter in punkto Gesundheit und laut Hofmann im Vorhinein bereits eine
ware und -Services-Anbieter NorthgateArinso und Weiterbildung fördern und die Einstellung Bedarfsanalyse stattfindet. Nur so ließen sich
http://www.arinso.com in einer aktuellen Un- gegenüber der bisher geführten Personalpoli- die Kompetenzen der Mitarbeiter ermitteln.
tersuchung. Laut den Fachleuten könnte die- tik grundlegend ändern. „Ein Kardinalfehler
ser Umstand dazu führen, dass sich die Fol- der vergangenen Jahre war, dass vor allem die

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24 soziologie heute Februar 2009

Markt- und Meinungsforschung 35 Prozent der 1.100 Befragten er-


klärten gegenüber dem IMAS, dass
sie als Folge des jüngsten Wirt-

Furchtreflexe schaftsgeschehens ihre Ausgaben


eingeschränkt und bestimmte Pläne
zurückgeschraubt haben. Nur sieben
Prozent der Erwachsenen haben in

auf die Krise


der jüngsten Zeit eher mehr ausgege-
ben als früher. Etwa jeder zweite Ös-
terreicher hat sein Konsumverhalten
nicht geändert.

Stimmungslage angesichts der Ganz besonders geknausert mit ihren


Ausgaben haben nach dem Ergebnis
der Untersuchung die Landwirte, die
Finanz- und Wirtschaftskrise Wiener, außerdem Arbeiter sowie äl-
tere und einfach gebildete Personen.

Der Schwerpunkt des Forschungs-


IMAS International interesses richtete sich auf die Fra-
ge, welche wirtschaftlichen Über-
legungen die Bevölkerung derzeit
im einzelnen anstellt. Aufgrund der
demoskopischen Nachschau sind es
fünf Dinge, mit denen sich die Öster-
reicher gedanklich ganz besonders
stark beschäftigen.

Und zwar fragen sich -


55 Prozent: „Wie entwickelt sich die
Wirtschaftslage in Österreich?“
52 Prozent: „Welche Belastungen
kommen in nächster Zeit auf mich
zu?“
49 Prozent: „Wie entwickelt sich mein
Einkommen?“
46 Prozent: „Wie hoch sind meine Le-
benshaltungskosten?“
42 Prozent: „Habe ich einen Polster
für unvorhergesehene Ereignisse?“
In einem mittleren Bedeutungsbe-
Foto: Franz Patzal, pixelio

reich (von jeweils rund einem Drittel


der Zielpersonengenannt) steht das
Nachdenken darüber, wie sicher der
eigene Arbeitsplatz ist, ob man für
Not- oder Schadensfälle gut genug
Die Sorgenfalten der Österreicher sitzen angesichts der Fi- versichert ist, auf wieviel Geld man
nanz- und Wirtschaftskrise erwartungsgemäß tief. Nur 43 zurückgreifen könnte, um das Fort-
Prozent blicken den nächsten zwölf Monaten mit Zuversicht kommen zu sichern, oder welche Art
entgegen, insgesamt 52 Prozent sind skeptisch oder besorgt. der Geldanlage die größte Sicherheit
Dennoch stellt die jetzt gemessene Stimmungslage in der lan- bietet.
gen Beobachtungsreihe des IMAS keineswegs den Rekord-
wert an Pessimismus dar. Aufmerksamkeit verdient, dass nur
drei von zehn Österreichern sich
Noch wesentlich gedrückter als jetzt war die Zukunftsbetrach- Gedanken darüber machen, bei wel-
tung im Herbst 1973 (nach dem Energie- und Rohstoffschock) chem Geldinstitut man am besten
in den krisenreichen frühen 80er Jahren, oder unmittelbar aufgehoben ist. Diese vergleichs-
nach dem Terroranschlag auf das New Yorker World Trade weise magere Hinweisquote darf als
Center im Herbst 2001. Ausdruck eines geringen Zweifels an
den heimischen Banken und insofern
Diese Vergleiche können freilich nicht darüber hinwegtäu- als ein Vertrauensbeweis für unsere
schen, dass die Bevölkerung auf die gegenwärtige Situation Geldinstitute gewertet werden.
mit Furchtreflexen reagiert.
Februar 2009 soziologie heute 25

Zu den Überlegungen, die für die Bevölkerung derzeit noch weniger Gewicht haben, zählen u.a., wie sich das allge-
meine Zinsniveau entwickelt, oder ob man übriges Geld kurz- oder langfristig anlegen soll. Lediglich 13 Prozent der
Österreicher interessieren sich dafür, wie sich die Börsenkurse entwickeln. Die breite Bevölkerung orientiert sich bei
der Einschätzung der wirtschaftlichen Lage offenkundig an anderen Signalen und Merkmalen.

Dokumentation
Zeitraum der Umfrage: 29. 9. – 11. 10 2008
Sample: 1.105 Personen, statistisch repräsentativ für die österr. Bevölkerung ab 16 Jahren; Quotaauswahl
Zahl der Interviewer: 104

Hälfte der Österreicher


fühlt sich nicht leistungsfähig

Foto: Christopher Paul, pixelio


nach dem Aufstehen
MAKAM Market Research untersuchte
Schlaf- und Aufstehverhalten
Gefragt nach ihrem Schlaf- und Auf- Mehrheit der Deutschen
stehverhalten konnte festgestellt
werden, dass sich die Hälfte der für stärkere Videoüber-
Österreicher nach dem Aufstehen
weder leistungsfähig (50 %) noch wachung öffentlicher
topfit und hellwach (48 %) fühlt.
Kein Wunder, wenn man bedenkt, Plätze
dass 70 % angeben, alles andere als
wirklich sanft geweckt zu werden. repräsentative Umfrage des
Die Zeitumstellung verursacht Pro-
bleme und wird von rund 2/3 der Meinungsforschungsinstituts
Österreicher abgelehnt - Schlaffor-
scher geben ihnen recht.
FORSA
Foto: identum communications

65 Prozent der Befragten greifen auf Eine große Mehrheit der deutschen
mechanische Wecker, Radiowecker Bundesbürger befürwortet eine
oder Handy zurück, welche auf den stärkere Video-Überwachung öf-
individuellen Biorhythmus keine fentlicher Plätze zur Vermeidung
Rücksicht nehmen. Die 15 bis 20-Jäh- von Straftaten. 76 Prozent der Be-
rigen lassen sich zu 62 % vom Handy fragten gaben an, sie seien für ei-
wecken. nen Ausbau dieser Möglichkeit.
Sanfter geweckt wird man mit einem innovativen Wecksystem, wie dem aXbo 20 Prozent lehnten eine stärkere
Schlafphasenwecker, der auf den eigenen Biorhythmus Rücksicht nimmt. Überwachung öffentlicher Plätze
“Ein Schlafphasenwecker kann den leichten Schlaf erkennen und zum richti- mit Kameras ab.
gen Zeitpunkt wecken”, erklärt der Schlafforscher Dr. Jürgen Zulley. So wer-
den aXbo-Anwender nicht aus einer Tiefschlafphase gerissen und können Das teilte der Bundesverband Infor-
gut gelaunt und leistungsfähig in den Tag starten. mationswirtschaft, Telekommunika-
Auch die Zeitumstellung ist ein Eingriff in unseren Biorhythmus. Wie beim tion und neue Medien (BITKOM) im
Jetlag nach dem Fliegen in andere Zeitzonen verwirren wir jährlich zweimal Vorfeld der Sicherheitsmesse „SE-
unsere innere Uhr durch die Umstellung von Sommer - auf Winterzeit und CURITY Essen 2008“ mit. Grundlage
umgekehrt. Ursprünglich wurde die Zeitumstellung nach den Ölkrisen in den ist eine repräsentative Umfrage des
1970ern eingeführt, um das Tageslicht besser zu nutzen und so Energie zu Meinungsforschungsinstituts Forsa
sparen. 61 % der Österreicher erachten die Zeitumstellung nicht mehr für im Auftrag des BITKOM. Die Zustim-
wirtschaftlich sinnvoll. Lediglich 1/3 der Österreicher sehen einen persön- mung der befragten Frauen lag mit 78
lichen Nutzen in der Zeitumstellung. Ebenso werden das allgemeine Wohl- Prozent höher als bei den Männern
befinden sowie Konzentration und Leistungsfähigkeit von Verschiebungen mit 74 Prozent. Keine Unterschie-
im individuellen Biorhythmus beeinflusst. So häufen sich auch nach der Um- de zeigten sich bei den Antworten
stellung auf Winter- oder Sommerzeit die Verkehrsunfälle, wie der Schlaffor- zwischen West- und Ostdeutschen.
scher Prof. Dr. Jürgen Zulley weiß. „Intelligente Videokameras auf öf-
fentlichen Plätzen schützen auf zwei
Sample und Methodik: telefon. Repräsentativbefragung von 500 Österreichern ab 15 Jahren - April 2007. Arten: Sie dienen der Prävention von
26 soziologie heute Februar 2009

Angriffen und Anschlägen und sie helfen im Nachhinein bei der Aufklärung von Straftaten“, sagt BITKOM-Präsidi-
umsmitglied Prof. Dieter Kempf.

Intelligente Video-Sensorik kann die Sicherheit auf öffentlichen Plätzen in Deutschland nachhaltig erhöhen. Im Zen-
trum steht dabei die Bewegungsanalyse. Software wertet die Bilder von Überwachungskameras aus. Steht zum Bei-
spiel ein herrenloser Koffer für längere Zeit auf einem Bahnsteig, schlägt das System Alarm. Polizei oder Wach-
dienste werden dann automatisch informiert. Derartige Systeme sind auch in der Lage, die Gesichter von Passanten
elektronisch unkenntlich und nur in Ausnahmefällen nach Straftaten wieder sichtbar zu machen. „In Deutschland
kommen solche computergestützten Kamera-Systeme bisher aber kaum zum Einsatz“, so Kempf. „Mit dem Verzicht
auf solche Systeme vergeben wir die Chance, Deutschland sicherer zu machen. Wenn wir nur die Bilderflut vergrö-
ßern, ist niemandem wirklich geholfen.“

Um die Bevölkerung stärker mit der zunehmenden Problematik der Überwachung vertraut zu machen, melden sich
immer häufiger diverse Plattformen zu Wort. So haben die Landtagsabgeordnete der Grünen, Marie Ringler, und
der Nationalratsabgeordnete Peter Pilz im August 2008 die Aktionsplattform Überwachungsstaat http://www.ueberwa-
chungtsstaat.at ins Leben gerufen. Auf ihrer Homepage weisen sie u.a. darauf hin, dass bis 2014 die EU und die USA
zusammenwachsen sollen - zumindest was die Überwachung betrifft. „The Future Group” - eine vom deutschen
Innenminister Schäuble ins Leben gerufene Expertengruppe, rät den europäischen Regierungen zu einer Vielzahl
an drastischen Maßnahmen, welche die Freiheit und den Datenschutz der BürgerInnen bedrohen. Als Ziel stärkerer
Überwachungsmaßnahmen wird dabei das Internet klar definiert.

Seit 1983 beschäftigt sich insbesondere die ARGE DATEN - Österreichische Gesellschaft für Datenschutz http://www2.
argedaten.at - intensiv mit Fragen des Informationsrechts, des Datenschutzes, der Telekommunikation und des Einsat-
zes neuer Techniken. Der gemeinnützige Verein ist parteipolitisch unabhängig und will darauf hinwirken, daß Infor-
mationstechnik und Telekommunikation menschengerecht, gesellschaftlich verantwortbar und unter Wahrung des
Schutzes personenbezogener Daten, sowie des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eingesetzt und weiter-
entwickelt werden. Der Verein stellt auch eigene Informationsangebote vor, die diesem Anspruch Rechnung tragen.
Die ARGE Daten versteht sich als Anwalt der Persönlichkeitsrechte. Wirksame Persönlichkeitsrechte sind der beste
Garant für eine sinnvolle und förderliche Verbreitung der Informationstechnologien - so der Verein.

Der Studiengang Digitale Medien der Hochschule Ulm hat ein interessantes Projekt durchgeführt, welche auf einfa-
che und einprägsame Weise die heute bereits üblichen Methoden der Überwachung aufzeigen. Interessierte können
sich unter http://panopti.com.onreact.com/swf/index.htm näher informieren.

Im Jahr 1990 haben sich mehr als hundert führende private ExpertInnen und Menschenrechtsorganisationen aus
über 40 Staaten zu einer weltweiten Organisation zusammengeschlossen: Privacy International. Mitglieder der Orga-
nisation sind ComputerspezialistInnen, AkademikerInnen, JuristInnen, JournalistInnen und Menschenrechtsaktivis-
tInnen. Nähere Informationen findet man unter http://www.privacyinternational.org.

Schweizer vertrauen in gesundheitlichen Fragen theker und an dritter Stelle liegen


mit 27 Prozent die Eltern. Bekannte,
vor allem dem Arzt Freunde, Heilpraktiker und Alterna-
tivmediziner folgen mit jeweils 25
repräsentative Bevölkerungsbefragung des Marktforschungs- Prozent. Den Krankenversicherern
trauen lediglich vier Prozent der Be-
instituts IHA-GfK fragten Kompetenz in Gesundheits-
fragen zu.
Im Rahmen einer re-
präsentativen Bevölke- Ärzte geniessen bei Männern (82 %)
rungsbefragung unter das grössere Vertrauen als bei Frauen
1000 SchweizerInnen (74 %). Durchschnittlich investieren
fand das Marktfor- die Schweizerinnen und Schweizer
schungsinstitut IHA- 97 CHF pro Monat für die Erhaltung
GfK heraus, dass rund oder Verbesserung ihrer Gesund-
Foto: Stephanie Hofschlaeger, pixelio

78 Prozent der Schwei- heit. Besonderen Einfluss haben der


zer Bevölkerung bei Bildungsstand und das Einkommen.
gesundheitlichen Fra- zur Verfügung stehende Budget. Je
gen oder Problemen höher der Bildungsstand und das
am meisten dem Urteil Einkommen, desto mehr wird in die
eines Arztes vertrauen; Erhaltung und Verbesserung der Ge-
mit rund 45 Prozent - sundheit investiert.
ziemlich abgeschlagen Nähere Informationen zur Studie:: Sara Guntern
- finden sich die Apo- Leiterin Health Care IHA-GfK AG , Sara.Guntern@gfk.com
Februar 2009 soziologie heute 27

Leseraum
Oberösterreich
Public Opinion analysiert
Sigrid Linecker
Obfrau der Fachgruppe OÖ
der Buch- und Medienwirtschaft

„Das sensationelle Interesse bei den Lese-Events in


die oö. Leselandschaft Wien ist für uns ein guter Indikator für den momen-
tanen Hype, den das Buch erlebt! Das lässt uns zuver-
sichtlich in Richtung Weihnachten blicken.“, so Sig-
Wenige Stunden nachdem die Inter- Lernen wird zur Normalität im Alltag rid Linecker (Obfrau der Fachgruppe Oberösterreich
nationale Buchmesse BUCH WIEN jedes Einzelnen. Das Volumen am der Buch- und Medienwirtschaft). „Die Fachgruppe
08 ihre Pforten schloss und die erste Bildungs- und Weiterbildungsmarkt Oberösterreich arbeitet intern bereits intensiv seit
dem Sommer mit den Ergebnissen der Studie, um für
Wiener Lesefestwoche erfolgreich zu wächst beständig und es kommt zu das nächste Jahr die Weichen entsprechend zu stel-
Ende ging, veröffentlichte die Fach- einem weltweiten Kompetenzwettbe- len. Der oberösterreichische Buchhandel wird auch
gruppe Oberösterreich der Buch- werb. Arbeit wird in Hinkunft nicht in Zeiten der Wirtschaftskrise fit sein!“
und Medienwirtschaft die gemein- nur mit Qualifikation und Kompetenz,
sam mit dem Land Oberösterreich in sondern vor allem auch mit Identität, chen mit anderen Ländern - relativ
Auftrag gegebene Studie „Leseraum Selbstverantwortung und Selbstbe- kurz und beim Lesen literarischer
Oberösterreich“. Mit der Umsetzung wusstsein zu tun haben. Der Compu- Texte außerhalb der Schule liegen
war Public Opinion, Linz, betraut. ter hat die Chance, nach dem Lesen, die österreichischen Schulen unter
Schreiben und Rechnen als vierte dem Durchschnitt.
Ziel dieser Studie war es, die Trends Kulturtechnik anerkannt zu werden,
und Entwicklungen aufgrund des ge- und es wird nicht ausbleiben, dass Das Leseverhalten in unserem Nach-
sellschaftlichen und technologischen sich Leseverhalten, Leseumwelt und barland Deutschland unterscheidet
Wandels – insbesondere im Zusam- auch die Ansprüche an das Lesen sich nur geringfügig von dem der
menhang mit dem Themenbereich neu definieren müssen. Gerade das ÖsterreicherInnen. Allgemein kann
„Lesen“ bzw. „Buch“ – aufzuzeigen, Internet erfordert neue kognitive festgehalten werden: Männer le-
die Lesekompetenz anhand aktuel- Lesefähigkeiten und erweitert den sen bedeutend weniger als Frauen,
ler Studien im deutschsprachigen Bereich der sozialen Handlungs- und der Anteil der Wenig-/Kaumleser ist
Raum darzustellen sowie aktuelle Kommunikationsfähigkeit. – trotz leichter Rückgänge – noch im-
Daten über Leseverhalten, Lesemo- mer relativ hoch, Höhergebildete le-
tive, Kaufgewohnheiten und das Le- Vor diesem Hintergrund stellt sich sen mehr, häufiger und oft parallel.
seumfeld der oberösterreichischen die Frage, welchen Beitrag das Lesen Für jüngere Altersgruppen sind Radio
Bevölkerung zu gewinnen. Die Studie und v. a. das Medium Buch leisten und Fernsehen attraktivere Informati-
„Leseraum Oberösterreich“ umfasst kann, diesen künftigen Herausforde- onsquellen als das Zeitunglesen und
insgesamt vier Teile. Teil A widmet rungen adäquat begegnen zu kön- neue Medien werden verstärkt ge-
sich der Leselandschaft der oberös- nen. nutzt. Dafür, dass der PC das Bücher-
terreichischen Schüler, Teil B analy- lesen in bemerkenswertem Umfang
siert die aktuelle Leselandschaft der In der EU-25 gibt es derzeit geschätz- verhindert, gibt es – wie die Studien
Oberösterreicher, Teil C präsentiert te 135 Millionen Analphabeten; in zeigen – keine Belege. Im Gegenteil:
ergänzend dazu die Ergebnisse der Österreich werden dieser Gruppe um erfolgreich mit einem Compu-
beiden Public Round Tables aus rund 300.000 Personen zugerechnet. ter arbeiten zu können, muss man
dem urbanen und ländlichen Raum Durch unsere stets mehr audiovisu- sehr gut lesen können. Es zeigt sich
und Teil D schließlich fasst die wich- ell geprägte Kultur wird den Überle- auch, dass gerade die unter 30jähri-
tigsten Ergebnisse zusammen und bensstrategien dieser Analphabeten gen ComputernutzerInnen weit mehr
ergänzt die Thematik mit Begriffs- temporäre Rückendeckung gewährt, Sach- und Fachbuchlektüre und Belle-
definitionen, in- und ausländischen welche die wesentlichen Defizite al- tristik konsumieren als Nichtcompu-
Studienergebnissen, Best-Practice- lerdings nicht beseitigt und im Ge- ternutzerInnen.
Beispielen sowie einer Kurzanalyse genteil Abhängigkeiten schafft.
des deutschen und österreichischen Am deutschsprachigen Buchmarkt er-
Buchmarktes. Wie die PISA- und PIRLS-Studien auf- lebt der Bereich der Sach-, Fach- und
zeigten, gibt es einen relativ hohen Weiterbildungsliteratur einen immer
Hier die wichtigsten Aussagen der Anteil von RisikoschülerInnen: rund stärkeren Zuwachs und Hörbücher
Studie: 16 Prozent der Volksschulabgänger – sowohl als CD als auch Hörbuch-
Bildung und Wissen werden in Zu- können nur unzureichend sinnerfas- downloads - erfreuen sich steigen-
kunft zu Schlüsselressourcen in der send lesen. Lesehausübungen ös- der Beliebtheit. Frauen und jüngere
globalisierten Welt und lebenslanges terreichischer Schulen sind – vergli- Altersgruppen bevorzugen vermehrt
28 soziologie heute Februar 2009

Großbuchhandlungen; letztere präfe- Der oö. Haushalt verfügt durchschnittlich über mind. 237 Bücher
rieren auch Online-Käufe. Der Markt-
anteil der Buchhandelsketten wächst
und setzt vermehrt auf den Erlebni-
scharakter. Kleinere Buchhandlungen
konzentrieren sich auf Beratung und
Nischenbereiche.

Die OberösterreicherInnen stufen sich


selbst nahezu durchwegs als „gute“
LeserInnen ein, lesen im Schnitt 18 Bü-
cher pro Jahr und wenden rund neun
Stunden pro Woche für das Lesen auf.
Lediglich die Gruppe der Arbeiter und
Facharbeiter rechnet sich selbst zu den
Wenig-/NichtleserInnen und schneidet
dementsprechend auch beim Lese-
volumen am schlechtesten ab. Lesen
dient für die OberösterreicherInnen
in erster Linie der Allgemeinbildung; Quelle:
bei den Jüngeren liegt der Tenor auf Public Opinion GmbH, Linz.
der Erweiterung des beruflichen und Repräsentative Umfrage unter 871 OberösterreicherInnen
im Nov./Dez. 2007.
schulischen Wissens.

Ausgaben für Bücher kauf 231 Euro aus; Männer 194 Euro. rund 10 Hörbücher. Der typische
In den letzten 12 Monaten kauften die Im Altersgruppenvergleich geben die Hörbuch-Konsument findet sich in
OberösterreicherInnen im Schnitt 11 30- bis 49Jährigen pro Jahr rund 240 der Altersgruppe der 30- bis 49Jähri-
Bücher – Frauen und Höhergebildete Euro, die 50Jährigen und älteren rund gen und ist vorzugsweise weiblich.
noch deutlich mehr – und gaben für 218 Euro und die 16- bis 29Jährigen
eigene Bücher rund 18 Euro, für Bü- rund 173 Euro aus. In dieser Berech- Bevorzugte Themenbereiche
cher als Geschenk rund 20 Euro aus. nung wird allerdings nicht nach dem Insgesamt betrachtet bevorzugten
Sechs von zehn Befragten erhielten im Anschaffungsort (Verlag, Buchhandel, Herr und Frau Oberösterreicher vor
letzten Jahr ein oder mehrere Bücher In- oder Ausland etc.) unterschieden. allem Bücher zu Themen wie Mensch/
geschenkt. Näherungsweise hoch- Gesundheit, Krimi/Horror/Abenteuer
gerechnet ergibt dies ein Bücherge- Neue Märkte und Natur/Pflanzen/Umwelt/Garten.
samteinkaufsvolumen von rund 247 Bücher im Internet oder von der CD Entsprechend dem tradierten Rollen-
Mio. Euro im vergangenen Jahr oder lesen derzeit rund 17 Prozent der verständnis kaufen Frauen seltener
– anders ausgedrückt – 448 Euro pro OberösterreicherInnen. Der Markt Bücher zu Themen wie Technik und
oö. Privathaushalt. Auf die Ein-Perso- dürfte hier in den nächsten Jahren Wirtschaft. 42 Prozent der oö. Schüle-
nenhaushalte entfielen dabei rund 34,5 stärker anwachsen, da sich diese rInnen lesen täglich; wöchentlich rund
Mio. Euro, auf Zwei-Personenhaushal- Mediennutzung insbesondere bei 31 Prozent. Durchschnittlich wenden
te rund 63,5 Mio. Euro, auf Drei-Perso- der Altersgruppe der 16- bis 29Jähri- die SchülerInnen dafür rund 3 ½ Stun-
nenhaushalte rund 56 Mio. Euro und gen besonders bemerkbar macht. 14 den pro Woche auf. Ähnlich wie in deut-
auf Vier- und Mehrpersonenhaushalte Prozent der OberösterreicherInnen schen Studien lesen Volksschulkinder
rund 89 Mio. Euro. Im Schnitt geben haben im letzten Jahr Hörbücher in bedeutend mehr und auch häufiger als
die Frauen für den jährlichen Buchein- Anspruch genommen – im Schnitt HauptschülerInnen bzw. SchülerInnen
der Unterstufe. Bevorzugter Lesestoff
Büchergesamteinkaufsvolumen nach Altersgruppen sind Akionsgenres, Sachen zum Lachen
(Rundungsdifferenzen möglich) und Comics sowie – bei den Mädchen
– Geschichten über Freundschaft/Lie-
be/Probleme. Als Informationsquelle
dient insbesondere bei Hauptschüle-
rInnen und SchülerInnen der Unterstu-
fe neben Radio und Fernsehen v.a. das
Internet und verdrängt damit das Buch
nach hinten.

Bibliotheken
Das Land Oberösterreich ist relativ gut
mit öffentlichen Bibliotheken ausge-
stattet. Die fleißigsten Bibliotheksnut-
zerInnen sind VolksschülerInnen, v.a.
Mädchen. Während rund 65 Prozent
Februar 2009 soziologie heute 29

der SchülerInnen im letzten Jahr ih- vordringlich. Als Basis für den Er- sind gefordert, neben den bestehen-
ren Lesenachschub aus Bibliotheken werb zusätzlicher Kompetenzen für den, klassischen Bildungseinrichtun-
holten, waren es im oö. Bevölkerungs- die Bewältigung der künftigen beruf- gen auch eine Infrastruktur zu ge-
schnitt lediglich 31 Prozent. Als mög- lichen und persönlichen Herausfor- währleisten und zu fördern, welche
liche Gründe kommen hier zum Teil derungen in verschiedensten Fach- lebenslanges Lernen, Informations-
Berufs- und Ausbildungserfordernisse bereichen, welche (mittels Skripten, und Medienkompetenz ermöglicht.
in Betracht, also man kauft sich eher Büchern, neuen Medien) „erlesen“ Insbesondere den bislang Bildungs-
Bücher, weil diese für die Aus- und werden müssen, ist die Lesekompe- fernen, jene, welche aufgrund ihres
Weiterbildung notwendig sind. Weiters tenz eine wesentliche Voraussetzung Umfeldes oder auch aus eigenem Han-
dienen Bücher auch als Nachschlage- für die Teilnahme am gesellschaftli- deln von der Teilhabe/Teilnahme an
werk für Hobbies bzw. als Schmuck- chen Leben. dieser Infrastruktur ausgeschlossen
stück oder werden gesammelt. waren, ist dabei besondere Aufmerk-
Arbeiter weisen – sowohl was Le- samkeit zu schenken. Zur Erreichung
Haushaltsausstattung mit Büchern sehäufigkeit, -volumen als auch dieses Zieles sind sektorübergreifende
Man kann davon ausgehen, dass der Lese-Selbsteinstufung betrifft – die Kooperationen (z. B. Schulen– Bibli-
durchschnittliche oberösterreichi- schlechtesten Werte auf. Zudem be- otheken – Buchhandlungen – Verlage
sche Haushalt über rund 200 Bücher kunden sie auch, schwerlich passen- – Ausbildungsbetriebe – Erwachse-
verfügt (oö. Bevölkerungsbefragung: de/interessante Bücher zu finden. In nenbildungseinrichtungen – Kultur-
237 Bücher; oö. SchülerInnenbefra- Oberösterreich gibt es 240.049 Arbei- und Kunstvermittler – IT- und Medie-
gung: 191 Bücher). Die tatsächliche ter und 17.944 Lehrlinge im Arbeiter- nunternehmen etc. ) anzustreben. Auf
Anzahl dürfte noch etwas höher lie- beruf, insgesamt also 39,3 Prozent hohe Identifikationskraft und niedrige
gen, da Haushalte mit mehr als 1000 der oberösterreichischen Erwerbs- Nutzungsschwelle für die Bürger soll-
Büchern aus der Berechnung ausge- personen. Um am Arbeitsmarkt lang- te geachtet werden. Neue Lernformen
klammert wurden. fristig bestehen zu können, ist eine mit dem Fokus auf Selbstlernen mit Bü-
Höherqualifizierung durch laufende chern und neuen Medien stärken die
Abschließende Bermerkungen und Weiterbildung, durch Lebenslanges Informations- und Medienkompetenz.
Empfehlungen Lernen, notwendig. Hierzu bedarf es Den durch vorgegebene Arbeitszeiten
Insgesamt betrachtet ist es um die vermehrter und auch neuer Zugänge zeitlichen und räumlichen Begrenzun-
Lese- und Buchlandschaft in Oberös- zum Orientierungs- und Fachwissen, gen der Erwerbstätigen sollte durch
terreich gut bestellt. Sowohl bei der welches über Bücher und neue Medi- kundenorientierte Öffnungszeiten
Nachfrage nach Büchern als auch en vermittelt wird. – sowohl im Buchhandel als auch bei
beim Leseverhalten heben sich die Bibliotheken - einfühlsame und kom-
OberösterreicherInnen vom öster- In einer zunehmend alternden Gesell- petente Beratung sowie durch ein ent-
reichischen und deutschen Durch- schaft treten vermehrt gesundheitli- sprechendes Ambiente – je nach Ziel-
schnittsbürger positiv ab. Dazu che Beeinträchtigungen auf. In Öster- gruppe – entsprochen werden.
dürften nicht zuletzt die vom Land reich (für Oberösterreich konnten hier
Oberösterreich initiierte Lesekam- keine Daten ermittelt werden) gibt es Nicht nur der Umgang mit, sondern
pagne, die hohe Dichte an Schul-/öf- über 400.000 Sehbeeinträchtigte, also zuvorderst der Zugang zu Büchern
fentlichen Bibliotheken, die Aus- und Personen für welche es besonders und neuen Medien muss gefördert
Weiterbildungsbestrebungen der schwierig ist, Geschriebenes oder Ge- werden. der Spaß- und Neugierfaktor
OberösterreicherInnen sowie die drucktes zu lesen. Bislang gibt es erst sowie der Faktor Erlebnis sind wich-
zahlreichen Aktivitäten der Buchhan- wenige Bücher am Markt, welche auf tige Triebfedern auf dem Weg dorthin.
delsketten und Spezialbuchhandlun- diese Gruppe Rücksicht nehmen und Neben den bereits mit Erfolg laufenden
gen beigetragen haben. den Inhalt mit größeren Buchstaben Aktionen (One City – one Book, Lese-
und Übersichten widergeben. Hier mobil, Wissensturm Linz, Literatur am
Bemerkenswert (allerdings nicht nur sind Verlage und Buchhandlungen Fluss etc.) sind – insbesondere für die
in Oberösterreich) ist, dass Haupt- in Hinkunft vermehrt gefordert bzw. Gruppe der Wenig- bzw. Kaumleser
schülerInnen und SchülerInnen der können mit einem eigenen Zielgrup- – neue, unkonventionelle, ja atypische
Unterstufe deutlich weniger lesen als pensortiment punkten. Aktionen vorzusehen (z. B. Lesung mit
VolksschülerInnen bzw. die ab 16Jäh- anschließendem Buchverkauf in ei-
rigen OberösterreicherInnen. Zum Die zentralen Ressourcen des 21. ner Polizeistation, in öffentlichen Ver-
Vergleich: So lesen die Volksschüle- Jahrhunderts sind zweifelsohne Infor- kehrsmitteln, Buchungsmöglichkeit
rInnen im Durchschnitt 4,3 Std./Wo- mation und Wissen. Letzteres veraltet von Vorlesungen in Sportvereinen, in
che, HauptschülerInnen/SchülerIn- immer schneller und die moderne Privathaushalten oder Unternehmen,
nen der Unterstufe 3 Std./Woche, Mediengesellschaft produziert eine eine Stadt/Region schreibt ein Buch,
OberösterreicherInnen ab 16 Jahren wahre Flut an Informationen. Aller Lesungen auf öffentlichen Plätzen, in
rund 9 Stunden /Woche. Da sich die Voraussicht nach werden in Hinkunft AsylantInnenunterkünften, Hotels,
Lesekompetenz vorwiegend zwi- qualitativ hochwertige Informationen Gasthöfen, Altersheimen u. v. m.).
schen dem 8. und dem 14. Lebenjahr auch online kaum mehr kostenfrei
ausbildet erscheinen Maßnahmen verfügbar sei, sodass auch im Infor-
zur Stärkung der Lesekompetenz ge- mations- und Bildungsbereich die Ge- Die Studien sind downloadbar unter:
http://www.buchwirtschaft.at/Index.aspx?main=3&sub=3
rade für die Gruppe der Hauptschüle- fahr einer Zwei-Klassen-Gesellschaft 8&id=177
rInnen/SchülerInnen der Unterstufe besteht. Politik und öffentliche Hand
30 soziologie heute Februar 2009

Klassiker Der am 15. April 1858 als Sohn eines


Rabbiners in Épinal (Lothringen) gebo-
rene Émile Durkheim studiert zunächst
in Paris und ist anschließend als Lehrer

Émile Durkheim
für Philosophie an diversen Gymnasien
tätig. Nach einem Studienaufenthalt
in Deutschland erhält er 1887 einen
Lehrauftrag für Sozialwissenschaft in
Bordeaux, wo er schließlich der erste
Professor für Soziologie an einer fran-
zösischen Universität wird.
der erste Soziologieprofessor
In Bordeaux schreibt Durkheim auch
in Frankreich seine drei wichtigsten Werke: „Über
soziale Arbeitsteilung” (1893), „Die
Regeln der soziologischen Methode”
(1895) und „Der Selbstmord” (1897).
Eine Lehrtätigkeit an der Pariser Sor-
bonne bringt ihm den Lehrstuhl für
Erziehungswissenschaft ein - 1913
umbenannt auf „Erziehungswissen-
Ein sozialer Tatbestand ist schaft und Soziologie”.
„... jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die
Am 15. November 1917 schließlich
Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuü- stirbt Émile Durkheim in Paris. Bis in
ben; oder auch, die im Bereiche einer gegebenen Gesellschaft all- die jüngste Zeit wirkt sein Denken bei
gemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen zahlreichen Wissenschaftlern fort, so
unabhängiges Eigenleben besitzt.“ etwa bei Claude Lévi-Strauss, Michel
Foucault oder Pierre Bourdieu.
David Émile Durkheim
(1858 - 1917) In seinem Werk „Über die Teilung der
Arbeit” (1893) beschreibt Durkheim
grundlegende Konzepte und Theo-
rieelemente der Soziologie und geht
der Frage nach: Was prägt die mo-
derne Industriegesellschaft und was
unterscheidet sie von anderen Ge-
sellschaften? Seiner Meinung nach
ist es die Arbeitsteilung, welche zu
vermehrter Spezialisierung, gegen-
seitiger Abhängigkeit und Ergänzung
führt. Aufgrund des komplexen Aus-
maßes der Arbeitsteilung fehlt dem
Einzelnen der Überblick, was die
Entwicklung letztlich zum Gegenteil,
zum Individualismus, hinführt.

Zwei Jahre später erscheint sein


Werk „Die Regeln der soziologischen
Methode”, worin Durkheim die An-
sicht vertritt, dass soziale Fakten
als Dinge zu behandeln sind. Für ihn
ist die Gesellschaft nicht die Summe
der Vorstellungen der beteiligten Ak-
teure, sondern sie wirkt von oben
auf die Menschen ein und kann von
der Soziologie analysiert werden. Da
der Einzelne dieser sozialen Struktur
(Gesellschaft) unterworfen ist, zieht
die Mißachtung gesellschaftlichr Re-
geln entsprechende Sanktionen nach
sich. Durkheim spricht von einem
kollektiven Bewusstsein (conscience
Februar 2009 soziologie heute 31

collective) jener Gesellschaft, in wel- war, der Tod oder vielleicht etwas
cher man hineingeboren wurde. Die- anderes bezweckt war. Anomie
ses - durch Erziehung im Einzelnen
verankert - äussert sich schließlich „Der Soldat, der einen sicheren Tod Während traditionelle Gesellschaften die Men-
in dessen Moralvorstellungen, in den auf sich nimmt, um vielleicht sein Re- schen - vor allem durch die Religion - erfolg-
Sitten und im Glauben. giment zu retten, will nicht sterben, reich dahin führen, ihre Wünsche und Ziele zu
und dennoch – ist er nicht ebenso kontrollieren, separieren die Industriegesell-
In seinem wohl bekanntesten Werk Urheber seines eigenen Todes wie schaften die Menschen und weichen aufgrund
über den Selbstmord (Le suicide, der Industrielle oder der Kaufmann, der erhöhten Komplexität und Arbeitsteilung
1897) nutzt Durkheim zahlreiche die den Tod suchen, um der Schande soziale Bande auf. Moderne Gesellschaften
Korrelationen zur Erklärung von eines Bankrotts zu entgehen?“ sind durch die Computertechnologie, das In-
einander abweichenden Suizidraten ternet, die zunehmende Bürokratie und durch
diverser Bevölkerungsgruppen. Er Um also klare Unterscheidungen zu die Spezialisierung am Arbeitsplatz davon be-
schafft den neuen Begriff „Anomie”, haben, bedarf es einer verbesserten sonders betroffen.
worunter er jene Situation versteht, Definition. Durkheim kommt somit
in welcher Verwirrung über soziale zur zweiten (endgültigen) Formel: Durkheim beschrieb auch die Auswirkungen
bzw. moralische Normen herrscht, „Man nennt Selbstmord jeden Todes- der Anomie auf die Ziele der Individuen und
diese unklar oder ganz einfach nicht fall, der direkt oder indirekt auf eine ihr Lebensgefühl. Dort, wo früher Ziele durch
vorhanden sind. Dieser Zustand der Handlung oder Unterlassung zurück- gesellschaftliche Einschränkungen und Moral
Anomie führt seiner Meinung nach zuführen ist, die vom Opfer selbst vorgegeben waren, sind sie nunmehr unbe-
zu abweichendem Verhalten. begangen wurde, wobei es das Er- stimmt. Wer ein Ziel verfolgen soll, welches
gebnis seines Verhaltens im voraus offensichtlich unbestimmt oder unerreichbar
In der Einleitung zu diesem Werk kannte.“ ist, verfällt in einen Zustand der ständigen
gibt Durkheim zwei Definitionen von Unzufriedenheit - dies ist nach Durkheim eine
Selbstmord: Demnach fällt der Selbstmord-Ver- Form der Anomie.
such unter dieselbe Definition, bricht
„Man bezeichnet mit Selbstmord je- die Handlung aber ab, ehe der Tod Durkheims Interesse galt den Selbst-
den Tod, der mittelbar oder unmit- kommt. morden innerhalb einer Gesellschaft
telbar auf eine Handlung oder Unter- als Ganzes. Er erfasste die kumu-
lassung zurückgeht, deren Urheber Durkheim weist eindringlich darauf lierten Selbstmordraten und bildete
das Opfer selbst ist.“ hin, dass der Selbstmord als Gegen- daraus für jede Gesellschaft, die er
stand der Soziologie nicht die Be- untersuchte, eine Selbstmordrate.
Diese erste Definition ist jedoch un- trachtung eines Einzelvorganges ist, Er stellte fest, daß sich die Selbst-
vollständig, denn sie macht keinen sondern die Soziologie die Gesamt- mordrate für eine spezifische Ge-
Unterschied zwischen einem an heit der Selbstmorde in einer gege- sellschaft (z. B. Sachsen) über die
Wahnvorstellungen Leidenden, der benen Gesellschaft und einem gege- Zeit kaum veränderte. Zwischen
sich aus einem hochgelegenen Fens- benen Zeitabschnitt betrachtet. den verschiedenen Gesellschaften
ter herausstürzt in dem Glauben, gab es jedoch große Unterschiede
sich zu ebener Erde zu befinden, und Nur so kann man feststellen, dass in ihrer Neigung zum Selbstmord.
dem Menschen, der im Besitz seiner das das gewonnene Gesamtergebnis Dies bedeutet nicht, dass die Gesell-
geistigen Kräfte sich mit vollem Wis- nicht einfach die Summe voneinan- schaft als Ganzes (kollektiv) Selbst-
sen den Tod gibt. der unabhängiger Einzelfälle dar- mord begeht, sondern, dass sich die
stellt, sondern dass dieses Ergebnis gesellschaftliche Faktoren, die den
Durkheim fragt danach, wie man wis- eine neue Tatsache schafft, die Ein- Selbstmord eines Gesellschaftsmit-
sen soll, welche Beweggründe die heitlichkeit und Besonderheit be- glieds begünstigen oder erschweren,
Handlung veranlasst hat, und ob, sitzt, also ihre eigene Natur hat. für die Gesellschaft unterscheiden.
wenn der Entschluss einmal gefasst
Für Durkheim kam als Erklärung für
diese spezifische Neigung zum Selbst-
mord nur eine holistische Erklärung
in Frage, also Gründe die in den
Strukturen jeder Gesellschaft liegen
müssen. Vorerst versuchte er sehr
gründlich, die Möglichkeit dieses
Phänomens durch Gesetze der Indi-
vidualpsychologie zu erklären. Er er-
mittelte die wichtigsten Faktoren, die
den individuellen Selbstmord bedin-
gen könnten und untersuchte dann,
ob das Auftreten dieser Faktoren mit
Foto: Public Opinion

der Selbstmordhäufigkeit korrelier-


te . So stellte er fest, dass Faktoren
wie Vererbung von Geisteskrankhei-
32 soziologie heute Februar 2009

ten, Irrsinn, Alkoholismus, rassische scher Tatbestand, denn sie ist in ihrer lässt er dem eigenen Denken mehr
Merkmale und sogar Einflüsse von Komplexität nicht durch individuelle Raum. Je umfassender und fester
Wetter und Temperatur keine Er- Merkmale herzuleiten. Die unter- der Lehrkodex einer Religionsge-
klärungskraft besaßen. In Regionen suchten Gesellschaften besitzen mit meinschaft ist, je mehr das Denken
mit erhöhtem Alkoholismus gab es der Religion ein gemeinsames Struk- und Handeln religiös bestimmt und
nicht mehr Selbstmorde als in Gebie- turelement, welches in unterschied- auch der freien Kritik entzogen sind,
ten mit geringem Alkoholismus. Das lichen Ausprägungen vorkommt. umso mehr ist die jeweilige Religion
Auftreten der Neurasthenie (griech. im Leben der Anhänger gegenwärtig
Erschöpfungszustand Stress, Über- Durkheim zeigt, dass die Religion und lenkt deren Willen auf ein ein-
arbeitung, zu wenig Schlaf etc.), war nicht die eigentliche Ursache für den ziges und gleichbleibendes Ziel. Je
in Sachsen nicht höher als in Italien Selbstmord ist, da die Inhalte der Reli- mehr eine Glaubensgemeinschaft
das Urteil dem Einzelnen überlässt,
desto mehr entfremdet sie sich sei-
nem Leben und desto weniger Zu-
sammenhalt und Vitalität zeichnet
sie aus. Je stärker nun die Glaubens-
grundlage wächst, umso mehr steigt
auch das gemeinschaftliche Zusam-
menleben, also die Integration in der
Gemeinde. Durkheim kommt somit
zum Schluss, dass der Grund für die
größere Selbstmordanfälligkeit des
Protestantismus darin zu finden ist,
dass dieser als Kirche weniger stark
integriert ist als der Katholizismus.

Der altruistische Selbstmord


Bei dieser Selbstmordart nimmt sich
der Mensch nicht das Recht heraus,
sich selbst zu töten, sondern er ist
dazu durch bestimmte Umstände ver-
pflichtet. Nch Durkheim findet man
usw. Alle Ergebnisse schienen zu zei- gionen den Selbstmord scharf verur- diese Art des Selbstmordes beson-
gen, daß sich die unterschiedliche teilen und verbieten. Die eigentliche ders bei den primitiven Völkern. So
Anfälligkeit für Selbstmord nicht in Ursache findet sich nach Durkheim besteht die Verpflichtung, sich das Le-
der Natur des Menschen finden las- in der spezifischen Organisation des ben zu nehmen, beispielsweise wenn
sen. Es gab und gibt auch keinen religiösen Gemeinschaftslebens. ein Herrscher stirbt, wenn der Gatte
Anlaß zu glauben, daß der Sachse stirbt, bei Unehre oder wenn ein Ge-
organisch und psychisch anders be- Die Religion ist somit nur Indikator brechen vorliegt. Dieser altruistische
schaffen ist als der Bayer und doch für den Zustand der sozialen Inte- Selbstmord wird durch gesellschaftli-
hatte der Sachse im Untersuchungs- gration in einer Gesellschaft. Sie che Normen begünstigt.
jahr 1866 ein dreimal höheres Selbst- schützt vor Selbstmord, weil sie eine
mordrisiko als der Bayer. Gemeinschaft ist, welche sich aus
einer gewissen Anzahl von Dogmen
Durkheim versuchte nun, die unter- und Praktiken konstituiert, die allen
schiedlichen sozialen Selbstmordra- Gläubigen gemeinsam, ja traditionell
ten auf Organisationsmerkmale der geworden und somit auch verpflich-
Gesellschaften zurückzuführen. Wie tend geworden sind. Die Geschlos-
sind die Individuen innerhalb der Ge- senheit der Gemeinschaft hängt von
sellschaft assoziiert? Wie sieht das der Qualität dieser Kollektiverschei-
jeweilige soziale Milieu aus? Welche nungen ab, welche wiederum die
Merkmale sind gleich und welche Schutzfunktion vor Selbstmord dar-
unterscheiden sich? U. a. kam er zu stellt.
folgenden Typen von Selbstmord:
Aus den Ergebnissen schließt Durk-
Der egoistische Selbstmord heim, dass die Anfälligkeit des Pro-
Einen besonders auffälligen Zusam- testantismus gegenüber dem Selbst-
menhang fand Durkheim zwischen mord mit dem eher freien Geist
der Religionszugehörigkeit und der dieser Religion zusammenhängt.
Selbstmordrate. Es ergab sich, dass Da der Protestantismus weniger Oberst Alfred Redl, ab 1912 Chef des
Protestanten weitaus anfälliger für mit allgemein gültigen Glaubens- Generalstabs der k.u.k. 8. Korps in Prag,
war rund 10 Jahre als russischer Spion
Selbstmord waren als Katholiken. vorstellungen und Gewohnheiten tätig und wurde nach seiner Enttarnung
Die Religion an sich ist ein soziologi- als der Katholizismus versehen ist, zum Selbstmord gezwungen.
Februar 2009 soziologie heute 33

Am 18. November 1978 beging der Großteil duen, den gesellschaftlichen Zwän-
der Mitglieder der Sekte „Peoples Temple”
in Jonestown, im südamerikanischen gen entkommen zu können.
Guyana, Selbstmord. Rund 900 Menschen,
darunter zahlreiche Kinder, starben. Émile Durkheim
„Wenn man uns nicht in Frieden leben - ein Pionier der Soziologie
lässt, so wollen wir jedenfalls in Frieden 1898 gründete Durkheim die Zeit-
sterben“, sprach der Sektengründer Jim schrift „L‘Année Sociologique”, eine
Jones zu seinen Gefolgsleuten.
der ersten soziologischen Zeitschrif-
Nicht alle starben freiwillig; etliche Sek- ten der damaligen Zeit. Im deutschen
tenmitglieder wiesen Schusswunden auf.
Sprachraum blieb Durkheim lange
Zeit eher unbeachtet, ja aufgrund
seines angeblichen Soziologismus
und Anti-Individualismus auch un-
beliebt. Erst die Übersetzungen des
Foto: AP
deutschen Soziologen René König
trugen dazu bei, den Stellenwert
In modernen Gesellschaften ist der Die soziale Desorganisation äußert dieses soziologischen Pioniers ins
altruistische Selbstmord kaum zu sich in einer starken Erschütterung rechte Licht zu rücken. Heute sind
finden. Durkheim vergleicht nun die der sozialen Normen; es kommt zu die Ideen Emile Durkheims Grundla-
Organisationsstruktur des Militärs einem Ungleichgewicht zwischen ge für jedes Studium der Soziologie.
mit einer primitiven Gesellschaft und Wünschen und verfügbaren Mitteln.
stellt am Beispiel der französischen Nach Durkheim ist nun dieser Zu- B. J. H.
Armee fest, dass unter den Offizieren stand für viele Menschen derart un- Empfehlenswerte Werke:
der Selbstmord ziemlich verbreitet erträglich, dass sie freiwillig aus dem
ist. In der Gesellschaft des Militärs Leben scheiden. De la division du travail social: Étude sur l’organisation
des sociétés supérieures. Félix Alcan, Paris 1893. Überset-
galt die Norm, dass eine Verletzung zung: Über die Teilung der sozialen Arbeit. Dt. von Ludwig
der persönlichen Ehre manchmal nur Festzuhalten bleibt, dass nicht alle Schmidts. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1977.
durch den Freitod wieder hergestellt Selbstmorde anomisch sind. Als Les règles de la méthode sociologique. Félix Alcan, Paris
werden kann. Hier ist es also nicht anomische Selbstmorde werden vor 1895. Übersetzung: Die Regeln der soziologischen Methode.
der Befehl einer bestimmten (vorge- allem sogenannte „Ausreißer” der Dt. von René König. Luchterhand, Neuwied/Berlin 1961.
setzten) Person, sondern hier wirkt Selbstmordrate bezeichnet, also Le suicide: Étude de sociologie. Félix Alcan, Paris 1897.
das kollektive Bewußtsein in Form Abweichungen von der „normalen” Übersetzung: Der Selbstmord. Dt. von Sebastian und Hanne
der militärischen Ehre. Diese Ehre Selbstmordrate. Herkommer. Luchterhand, Neuwied/Berlin 1973.
existiert unabhängig von den persön- Les formes élémentaires de la vie religieuse. Félix Alcan,
lichen Bedürfnissen des Soldaten und Der fatalistische Selbstmord Paris 1912. Übersetzung: Die elementaren Formen des reli-
giösen Lebens. Dt. von Ludwig Schmidts. Suhrkamp, Frank-
übt auf ihn einen äußeren Zwang aus. Der fatalistische Selbstmord - von furt/M. 1981.
Durkheim lediglich in einer Fußno-
Der anomische Selbstmord te erklärt - wird typischerweise in König, Rene: Emile Durkheim zur Diskussion. München/
Wien, 1978.
Der anomische Selbstmord ist ein Gesellschaften verübt, welche jegli-
Phänomen, welches man z. B. bei In- che individuelle Handlungsfreiheit Steven Lukes: Émile Durkheim, his life and work. A histori-
dustriegesellschaften in Zeiten von und Spontaneität verbieten. Dort cal and critical study. Allen Lane, London 1973
heftigen Konjunkturschwankungen herrscht eine extreme Dichte sozia- Raymond Aron: Hauptströmungen des soziologischen Den-
feststellen kann. In jeder Gesellschaft ler Normen, also zu starke Kontrolle kens. 2. Bd.: Emile Durkheim, Vilfredo Pareto, Max Weber.
Köln: Kiepenheuer & Witsch 1971
gibt es eine allgemein anerkannte und Reglementierung, sodass sich
Werteskala, an welcher sich jeder der Einzelne gefangen fühlt und kei- Kaesler, Dirk (Hg.): Klassiker der Soziologie, 2 Bde., Mün-
Mensch entsprechend seiner Berufs- nen Ausweg mehr sieht. Nur durch chen, Beck, 1999.
position orientieren kann. Sowohl in Selbstmord glauben nun die Indivi-
Zeiten positiver als auch negativer eine Plakatwand von
Konjunktur entsteht eine Form sozia- Selbstmordattentä-
ler Desorganisation. In Zeiten der Auf- tern in Nablus
schwünge kommen Menschen zu un-
erwartetem Wohlstand und müssen
ihren neuen Platz in der Werteskala
suchen. Dabei können die Ansprüche
ins Uferlose wachsen und eine Dis-
krepanz zwischen Ansprüchen und
Wirklichkeit entstehen. Dasselbe gilt
auch für Zeiten negativer Konjunktur.
Diese Arten der sozialen Desorganisa-
tionen, die von Durkheim „Anomie“
genannt werden, lassen sich statis-
tisch in wachsenden Selbstmordraten Foto: AP
nachweisen.
34 soziologie heute Februar 2009

Soziologie
Foto: Stephanie Hofschlaeger, pixelio
weltweit
Geisteswissenschaften gewinnen gegenüber Naturwissen-
schaften an Bedeutung
Nach Ansicht führender SoziologInnen werden die Geisteswissenschaften
gegenüber den Naturwissenschaften in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
So meint etwa Bettina Hollstein, Geschäftsführerin des Max-Weber-Kollegs
für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien, in einem Interview mit der
Nachrichtenagentur ddp, dass die Naturwissenschaften bisher keine Erklä-
rungen oder Lösungen etwa für die Entstehung von Globalisierungsängsten
geben konnten. „Die Menschen erwarten unter anderem von der Soziologie
Antworten auf schwierige Situationen des modernen Alltags.” Eine immer
größere Rolle werden gerade religiös motivierte Fragen in der geisteswissen-
schaftlichen Forschung spielen.
Anlässlich des 10jährigen Bestehens des Kollegs meint Hollstein: „Die Ver-
mutung, dass durch den technischen Fortschritt und eine mögliche Säkula-
risierung der Gesellschaft die Sozialwissenschaften überflüssig werden, hat
sich nicht bewahrheitet.” Gemäß dem Forschungsrating 2008 des Deutschen
Wissenschaftsrats gehört das Kolleg bundesweit zu den zehn besten For-
schungseinheiten für Soziologie.

Indiana-Universität untersucht Gewaltanwendung bei


Jugendlichen
Kinder aus problematischem familiären Umfeld verarbeiten soziale Infor-
mationen anders als ihre Altersgenossen. Das besagt eine aktuelle Studie
der Indiana University http://www.indiana.edu, die Ursachen für Gewalt-
anwendung untersucht. “Kinder gewalttätiger Eltern halten Gewalt viel
eher für ein plausibles Mittel der Konfliktlösung”, sagt Studienautor John
Bates vom Institut für Psychologie. In Folge greifen Kinder in späteren
Beziehungskonflikten viel häufiger zu aggressiven und gewalttätigen Ver-
haltensweisen als ihre Altersgenossen.

Der Sozial- und Jugendforscher Klaus Hurrelmann von der Universität Biele-
feld http://www.uni-bielefeld.de bestätigt den engen Zusammenhang zwischen der
Gewaltanwendung von Jugendlichen und ihren familiären Vorerfahrungen.
“Nicht intakte Beziehungen der Eltern, Armut und wirtschaftliche Proble-
me durch Arbeitslosigkeit führen in Verbindung mit Regellosigkeit häufig zu
häuslicher Gewalt.” Kinder, die mit dieser täglichen Erfahrung aufwachsen,
lernen, sich später auch selbst gewalttätig durchzuboxen. “Dieser Lernme-
chanismus, einen Konflikt mit körperlicher Aggression zu lösen, ist ganz fest
eingeprägt”, so Hurrelmann. Störungen der Persönlichkeit gehen dabei mit
körperlichen und psychischen Misshandlungen einher. “Paradoxerweise
fällt ein Mensch mit diesen Vorerfahrungen bei fehlender Souveränität oder
instabilen Situationen häufig selbst in bekannte negative Muster zurück.”
Februar 2009 soziologie heute 35

Die US-Forscher bemühten sich um eine Aufschlüsselung des Entwicklungs-


schrittes, der zwischen dem Erleben und dem Selbst-Anwenden von Gewalt
steht. In der Praxis sei eine Unterbrechung dieses Teufelskreis am ehesten
durch eine andere Erfahrung möglich, betont Hurrelmann. “Jugendliche brau-
chen in der Schule Erfahrungen, in der Verhalten, das Konflikte provoziert,
auf klare und strenge Umgangsregeln trifft.” Sofortige und klare Reaktionen
in Form von angemessenen, gewaltfreien Strafen seien hier entscheidend für
die Erfahrung “So geht es auch.”

Neben dem familiären Umfeld beeinflussen auch andere Faktoren die Gewalt-
bereitschaft, Hurrelmann nennt als Beispiele Mutproben in Gleichaltrigen-
gruppen oder der häufige Konsum medialer Darstellungen von Gewalt. Auf-
grund der technischen Möglichkeiten des Internets, Videoaufnahmen von
Gewalthandlungen einer breiten Masse zu zeigen, hätten spektakuläre und
extreme Formen der Gewalt in den letzten Jahren zugenommen. Das gelte
jedoch nicht für die Gewalt unter Jugendlichen allgemein: In den Statistiken
wie auch in der vermuteten Dunkelziffer sei die Gewalttätigkeit bei Jugendli-
chen im Abnehmen, so der Jugendforscher abschließend.

Johannes Pernsteiner, pta

Die 50+ Studie


- wie die jungen Alten die Gesellschaft revolutionieren
Rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse erschien „Die 50+ Studie”, welche ak-
tuelle Ergebnisse einer Befragung der Universität Osnabrück unter 50- bis
70-Jährigen präsentiert. Diese Altersgruppe hat heutzutage mehr Spaß, ein
reges Sexleben und steht meistens politisch links. Rund 80 Prozent der Män-
ner und gut 60 Prozent der Frauen haben regelmäßige und variantenreiche
geschlechtliche Kontakte. Sie unternehmen gerne Erlebnisreisen, gehen ins
Kino und zu fetzigen Tanz-Partys. Über ihre Beziehungen äußerten sich Paa-
re zu 80 Prozent zufrieden. 90 Prozent gaben an, ihre Zeit am liebsten mit
dem Partner zu verbringen.

Die Forschungsgruppe 50+ befragte für ihre mit Unterstützung der Karstadt
Quelle Versicherungen durchgeführte Erhebung im Februar und März dieses
Jahres 3880 Menschen zwischen 50 und 70. Wie Forschungsleiter Dieter Otten
erklärte, stellt diese Generation mit 113 Prozent des Durchschnittseinkom-
mens wirtschaftlich gesehen die eigentliche Mittelschicht dar. Sie umfasst 22
Millionen Menschen und stellt mit 45 Prozent die größte Wählergruppe der
nahen Zukunft dar.

Die meisten Älteren fühlen sich zu fit für die Rente: Rund 60 Prozent möch-
ten auch nach dem 65. Lebensjahr gerne weiter arbeiten - die Hälfte davon
im angestammten Beruf; die andere Hälfte will etwas Neues anfangen. Etwa
die Hälfte treibt regelmäßig Sport. „Wer heute Anfang 70 ist – Götz George
zum Beispiel – ist einfach nicht alt, fühlt sich nicht alt und verhält sich nicht
alt – die überwiegende Mehrheit zumindest“, folgerte Otten. Die 50- bis 70-
Jährigen, darunter auch immer mehr Männer, verhielten sich betont körper-
bewusst und gesundheitsorientiert. „Sie leben länger, sie bleiben länger jung
und sind länger gesund.“

Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Jena warnte
Silke van Dyk vor einer neuen Diskriminierung. Gerade die Debarre über ak-
tive Senioren setze eine neue Norm. Viele seien aber gesundheitlich nicht in
der Lage, sie zu erfüllen, weshalb die kranken, schwerstpflegebedürftigen
Alten nicht aus den Augen verloren werden dürfen.

Mehr Infos zu der Studie unter: www.die50plusstudie.de


36 soziologie heute Februar 2009

Ulrich Beck fordert transnationale Form der Regulierung


In einem Interview im Deutschlandradio vom 6. 10. 2008 vertritt der Soziologe
Ulrich Beck die Ansicht, dass gerade in der gegenwärtigen Finanzkrise auch
die Chance liege, länderübergreifende Antworten auf das globale Problem
zu finden. Europa könne hier als ein Beispiel transnationaler Regulierung ins
Spiel gebracht werden. Bisher fehle jedoch die ökonomische Kompetenz, um
auf globale Krisen dieser Art angemessen zu reagieren.

Beck vergleicht den Klimawandel und die Finanzkrise: Während der Klima-
wandel als ein Kollektivschicksal gesehen wird, als etwas, was jetzt durch
die Zerstörung der Natur auf alle zukommt und insofern auch ein gemein-
sames Handeln erfordert, erlaubt es die Finanzkrise - selbst wenn sie global
ist - offenbar noch eher immer einzelne Länder dafür zu verantwortlich zu
machen, ja sogar den Einzelnen selbst, der dann eben als Aktionär oder als
jemand, der seine Alterssicherung eingezahlt hat, selbst mit den Verlusten
fertig werden muss.

Dejenigen, welche ursprünglich auf die Liberalisierung der Märkte vertrau-


ten und nunmehr umschalten und nach dem Staat rufen, hält Beck entge-
gen: Die alte Form des Nationalstaates ist nicht die Antwort, sondern man
muss eine neue Regulierungsform kooperativer Staaten finden und erfinden,
die Antworten auf dieses transnationale Problem entwirft und damit auch
umsetzen kann. Warum gelingt es uns nicht, Europa als eine Zwischenform,
nicht globaler, aber immerhin transnationaler Regulierung stärker ins Spiel
zu bringen?

Ethnische Clubkulturen - Migranten in europ. Großstädten


Kira Kosnick, Juniorprofessorin am Institut für Kulturanthropologie und
Europäische Ethnologie, wurde vom European Research Council (ERC) für
einen “Starting Independent Researcher Grant” im Bereich “Social Sciences
and Humanities” ausgewählt. Mit fast 1,3 Millionen Euro wird ihr Projekt, das
neue Formen von kulturellen Praxen und Sozialformationen in ethnischen
Clubkulturen untersucht, in den nächsten vier Jahren gefördert. “In europä-
ischen Städten wie Berlin, London und Paris sind in den letzten zehn Jah-
ren eigenständige Clubszenen entstanden, die sich musikalisch an hybriden
Genres wie Türkischem Pop und Asian Underground orientieren. Mich inte-
ressiert besonders, wie diese jungen Leute bestimmte soziale Praxen und
Zusammenhänge entwickeln, die in der Migrationsforschung bislang ausge-
blendet bleiben”, so Kosnick. Sie beobachtet seit fünf Jahren, wie Migran-
ten der zweiten und dritten Generation urbane Räume in Europa nutzen und
verändern.
Die Clubszene gehört seit einigen Jahren zur Lebenskultur junger Migranten
in den Metropolen Europas. “Diese Clubs sind stark von den Nachkommen
der Einwanderer in den verschiedenen Städten geprägt: in Berlin von der tür-
kischen Szene, in London von der britisch-asiatischen und in Paris von den
Nachkommen nordafrikanischer Einwanderer”, so Kosnick. Bisher wurde nie
wissenschaftlich hinterfragt, wie ethnische Minderheiten sich an spezifisch ur-
banen Phänomenen von Vergesellschaftung beteiligen, wie sie sich beispiels-
weise in Szenen einbringen und sozial experimentieren. “In vielen aktuellen
Studien steht die Identität der Migranten im Vordergrund; die meisten Wissen-
schaftler, ob Anthropologen oder aus angrenzenden Disziplinen, haben sich
wenig für die sozialen Praktiken interessiert, wie sie sich in der Großstadt-
Szene entwickeln können: flüchtige soziale Formationen, im halb-öffentlichen
Raum und ohne klar definierte Mitgliedschaft.” Mit ethnografischen Fallstudien
in Berlin, London und Paris sollen nun die Potenziale der urbanen Clubszenen
herausgefiltert werden, die auf neue Formen von Solidarität und Integration
benachteiligter Gruppen in urbanen Räumen verweisen.
Informationen: Juniorprof. Kira Kosnick, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Campus Westend,
kosnick[at]em.uni-frankfurt.de
Februar 2009 soziologie heute 37

Fundraising Verband Austria


Appell für Spendenabsetzbarkeit
erste Anzeichen des Spendenrückgangs
aufgrund realer und gefühlter Teuerung?
Die durch die Teuerung und die Fi- sich der Staat immer weiter aus der
nanzkrise hervorgerufene Verunsi- Verantwortung zieht. Diese Nonpro-
cherung der Bevölkerung trifft ös- fit-Organisationen können jedoch

Foto: Klaus-Uwe Gerhardt, pixelio


terreichische Hilfsorganisationen nur soweit ihre Arbeit tun, als sie
besonders hart: Spendenrückgänge von Unternehmen und von privaten
von 10 bis 20 Prozent werden er- SpenderInnen unterstützt und getra-
wartet. „Eine Verbesserung der Si- gen werden.
tuation kann mittelfristig nur durch
die Einführung der steuerlichen Besonders hervorzuheben ist das
Absetzbarkeit von Spenden herbei- ehrenamtliche Engagement der Ös-
geführt werden“, so Günther Lut- terreicherInnen und Österreicher.
schinger vom Fundraising Verband „Jeder vierte Österreicher und Ös-
Austria. terreicherin engagiert sich ehren- renamtlich beschäftigten Menschen
amtlich und gemeinsam erbringen wird von Seiten unserer bisherigen
Durch die gefühlte wie die reale Teu- sie eine Arbeitsleistung von 220.000 Regierungen noch immer nicht aner-
erung, sinkt die Spendenbereitschaft Vollzeit-Äquivalenten Mitarbeitern“, kannt und gewürdigt. Täglich über-
und die Spendenhöhe. Organisatio- betont Günther Lutschinger. nehmen tausende Menschen ohne
nen wie die Caritas, das Rote Kreuz, entgeltliche Gegenleistung Aufga-
das Österreichische Hilfswerk, Ärzte Steuerliche Absetzbarkeit und Wür- ben, die der Staat nicht mehr oder
ohne Grenzen, Greenpeace, SOS-Kin- digung des Ehrenamtes gefordert nur eingeschränkt wahrnimmt.“ so
derdorf oder die Diakonie Österreich Nach wie vor befindet sich Öster- Lutschinger.
merken bereits einen Rückgang der reich in einer Schlusslichtposition
Spenden, genaue Ziffern sind zu- Europas bei der Einführung der steu- Der Fundraising Verband Austria
meist aber noch nicht vorhanden. erlichen Absetzbarkeit von Spenden. appelliert an die zukünftige Bundes-
„Wir hoffen auf eine Beruhigung der Gerade diese bringt aber dem Staat regierung, der Benachteiligung von
Verunsicherung vor der für das Spen- und der Gesellschaft Vorteile und Spendenorganisationen ein Ende zu
densammeln wichtigste Zeit des Jah- wichtige Impulse, die nicht länger setzen, die Spendenbereitschaft der
res, der Weihnachtszeit, sagt Gün- ignoriert werden dürfen. „Die Spen- ÖsterreicherInnen und ihr ehrenamt-
ther Lutschinger vom Fundraising denbereitschaft und die durch die liches Engagement anzuerkennen
Verband, „ansonst stehen zahlreiche Teuerung hervorgerufenen Spenden- und die steuerliche Spendenabsetz-
Sozialprojekte 2009 vor dem aus“. rückgänge können zumindest teilwei- barkeit einzuführen.
se durch die steuerliche Spendenab-
Laut Berechnungen des Instituts für setzbarkeit ausgeglichen werden, Der FVA ist eine Mitgliedsorganisati-
Höhere Studien (IHS) würde die steu- weil die Spendenbereitschaft von on von über 70 Nonprofit und Profit
erliche Absetzbarkeit eine jährliche Privatpersonen und von Unterneh- Organisationen mit dem Ziel, die Rah-
Steigerung des Spendenaufkommens men gefördert wird“, ist Dr. Günther menbedingungen für den österreichi-
um mindestens 11 Millionen Euro Lutschinger überzeugt. schen Spendenmarkt zu verbessern
bringen und die dadurch ausgelösten sowie die Ausbildung und Qualitäts-
Wohlfahrtseffekte den Rückgang an „Österreich braucht – um die Viel- standards im Fundraising weiter zu
Lohn- und Einkommensteuer in nur falt der Leistungen und Projekte der entwickeln. Der Fundraising Verband
5 Jahren übersteigen. Im gemeinnüt- gemeinnützigen Organisationen auf- Austria wurde 1996 gegründet.
zigen Bereich werden in Österreich recht zu erhalten – ein Förderungs-
Mehr Information unter www.fundraising.at
über 116.000 Menschen beschäftigt. pakt, wie es die große Koalition in
Gemeinnützige Nonprofit-Organisati- Deutschland mit den Gesetz zur
onen - das Rückgrat der Gesellschaft „Stärkung des Bürgerschaftlichen
Ohne die Arbeit der gemeinnützigen Engagements“ umgesetzt hat und
Hilfs-, Umwelt- und Naturschutzorga- welches seit heuer in Kraft ist: „Steu-
nisationen könnte ein gesellschaftli- erliche Absetzbarkeit von Spenden
ches Zusammenleben nicht funktio- bis 20%, Würdigung des Ehrenamts
nieren. Sie leisten einen wesentlichen und gesetzliche Vereinfachungen
Beitrag zur Erhaltung und Stabilität im Vereinsgesetz“. „Aber auch das
unseres Landes, gerade in Zeiten, wo uneigennützige Engagement der eh-
38 soziologie heute Februar 2009

Neues aus der Forschung Die Untersuchung zeigt auch einen


Anstieg der beruflichen Mobilitäts-

Jeder zweite
erfordernisse in den letzten zwanzig
Jahren. „Die heute 30-Jährigen ha-
ben jetzt schon deutlich mehr Mo-
bilitätserfahrungen als die heute 50-
Jährigen“, fasst der Koordinator des

Erwerbstätige hat Projekts, Prof. Dr. Norbert Schneider


von der Universität Mainz, die Befun-
de zum Wandel von Mobilität zusam-
men.

Erfahrungen mit Trotz der verbreiteten Mobilitätser-


fahrungen muss das weitere Mobili-
tätspotenzial den Autoren der Studie
zufolge als eher gering eingestuft

Mobilität werden. 53 Prozent der nicht mobi-


len Erwerbstätigen sind nicht oder
nur sehr eingeschränkt mobilitäts-
bereit. Besonders die Vorstellung,
umzuziehen und den angestamm-
erste repräsentative Studie in Europa ten Lebensmittelpunkt zu verlagern,
wird von einer großen Mehrheit der
zu berufsbedingter räumlicher Mobilität Befragten abgelehnt. Eher noch kön-
nen sich die Europäer vorstellen, zu
einem Arbeitsort zu pendeln. Die-
se Präferenz, die ja auch der realen
Johannes Gutenberg Universität Mainz Verteilung der Mobilitätsformen ent-
Institut für Soziologie spricht, zeigt, dass Menschen Kom-
promisse suchen zwischen einer
Europäer entwickeln vielfältige Strategien, um den Mobilitätsanforderun- ausgeprägten Heimatverbundenheit
gen nachzukommen: Sie pendeln täglich oder wöchentlich über große und den Anforderungen des Arbeits-
Distanzen, führen Fernbeziehungen, lassen sich ins Ausland entsenden marktes, mobil zu werden.
oder unternehmen häufig längere Dienstreisen. Annähernd jeder zweite
Erwerbstätige in Europa hat Erfahrung mit berufsbedingter räumlicher Die Mobilitätserfahrungen der Eu-
Mobilität. ropäer unterscheiden sich je nach
Geschlecht, Alter und Bildung deut-
Die bei weitem häufigste Mobilitätsform ist Fernpendeln: 41 Prozent der lich. Männer sind häufiger mobil als
Mobilen sind Fernpendler und benötigen mindestens zwei Stunden täg- Frauen, Junge mobiler als Ältereund
lich für den Weg zur Arbeit und zurück. Weitere 29 Prozent der Mobilen Akademiker öfter mobil als andere
übernachten – etwa als Dienstreisende, Wochenendpendler oder Saison- Bildungsgruppen. Auch die Größe
arbeiter – mindestens 60-mal im Jahr fern ihres Wohnortes. 14 Prozent des Unternehmens hat einen Ein-
der berufsbedingten Mobilität entfallen auf Umzug innerhalbeines Lan- fluss. Beschäftigte in internationalen
des. Migration und Auslandsentsendungen spielen mit insgesamt 4 Pro- Unternehmen sind mobiler als sol-
zent dagegen nur eine marginale Rolle. 12 Prozent der Mobilen sind sogar che in kleinen und mittelständischen
in mehr als einer Form mobil. Betrieben. Unterschiede werden
darüber hinaus im Hinblick auf die
Diese Ergebnisse basieren auf der ersten repräsentativen Studie über Ver- Mobilitätsform erkennbar. Während
breitung, Ursachen und Folgen berufsbedingter räumlicher Mobilität in Eu- Junge und Akademiker zum Umzug
ropa. Die Studie mit dem Titel „Job Mobilities and Family Lives in Europe“ neigen, ziehen Ältere und Nicht-Aka-
wurde innerhalb des Sechsten Rahmenprogramms für Forschung und tech- demiker es vor zu pendeln.
nologische Entwicklung der Europäischen Kommission finanziell gefördert,
in Frankreich, Deutschland, Spanien, Polen, der Schweiz und Belgien durch- Die Ursachen der steigenden Mobili-
geführt und von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz koordiniert. Für tätserfordernisse liegen nicht nur im
das Forschungsprojekt wurden insgesamt 7.220 Menschen im Alter von 25 Wandel des Arbeitsmarktes; die stär-
bis 54 Jahren befragt. kere Erwerbsbeteiligung der Frauen
führt ebenfalls zu einem Anstieg der
16 Prozent der Erwerbstätigen sind derzeit mobil,weitere 32 Prozent haben Mobilität. So ist beispielsweise Wo-
in der Vergangenheit Mobilitätserfahrungen gemacht. Insgesamt sind die Un- chenendpendeln für viele Paare die
terschiede zwischen den Ländern in Bezug auf das Ausmaß gegenwärtiger einzige Möglichkeit, ihre Partner-
Mobilität gering. Deutschland weist mit 18 Prozent den höchsten Anteil mo- schaft und die Berufstätigkeit beider
biler Erwerbstätiger auf, die Schweiz mit 13 Prozent den niedrigsten. Partner in Einklang zu bringen.
Februar 2009 soziologie heute 39

Mobilität erhält heute zunehmend speziell für Frauen. Mobilität hemmt Universidad Autónoma de Madrid.
einen ambivalenten Charakter: Für zudem die Familienentwicklung ins-
einige eröffnet sie neue Chancen und besondere für Frauen; mobile Frauen „In Zeiten steigender beruflicher Mo-
fördert sozialen Aufstieg, für andere – nicht aber mobile Männer – bleiben bilitätserfordernisse sind Politik und
ist Mobilität der einzige Weg, Arbeits- häufiger kinderlos und auch häufiger Wirtschaft gefordert, neue Strategi-
losigkeit und sozialen Abstieg zu ver- ohne Partner. Im Gegenzug senkt El- en zu entwickeln, um die Mobilitäts-
meiden. Auf die Bedeutung von Mo- ternschaft die Mobilitätsbereitschaft bereitschaft der Europäer zu fördern
bilität als Überlebensstrategie weist von Männern und insbesondere von und gleichzeitig die negativen Kon-
Prof. Dr. Anna Giza-Poleszczuk von Frauen deutlich. sequenzen erhöhter Mobilität zu mi-
der Universität Warschau hin: „Für nimieren“, folgert Prof. Dr. Norbert
ein Viertel der Mobilen ist Mobilität Mobilität hat nicht per se negative Schneider aus den Studienergeb-
die letzte Möglichkeit zur Existenzsi- Auswirkungen auf Wohlbefinden und nissen. Der Beitrag der Arbeitgeber
cherung.“ Zufriedenheit. Es kommt darauf an, kann darin bestehen, Arbeitszeiten
in welcher Form Menschen mobil weiter zu flexibilisieren, mehr Ar-
Die Folgen der Mobilität erstrecken sind. Insbesondere Wochenend- und beit von zu Hause zu ermöglichen,
sich auf das subjektive Wohlbefin- Fernpendeln sind oft mit erheblichen sich an den Mobilitätskosten der Be-
den, die Gesundheit, die sozialen Belastungen verbunden, während die schäftigten stärker zu beteiligen und
Beziehungen und auf das Familienle- Belastung durch Umzug eher gering die Mobilitätsanforderungen für den
ben. So forciert Mobilität beispiels- ist. Daneben wird das Ausmaß der Einzelnen zu beschränken.
weise die traditionelle Aufgabentei- Belastung vor allem durch die Ar-
lung zwischen Männern und Frauen beitsbedingungen beeinflusst sowie Kontakt und Informationen:
Dipl.-Soz. Silvia Ruppenthal
bei der Kinderbetreuung. Während durch die Umstände, unter denen die Institut für Soziologie
mobile Männer verstärkt durch ihre Betroffenen mobil geworden sind. Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-20320
Partnerinnen von ihren Aufgaben „Insbesondere dort, wo Mobilität als Fax +49 6131 39-25569
entbunden werden, ist dies bei mo- Zwang erlebt wird, unvorhergesehen E-Mail: silvia.ruppenthal@uni-mainz.de
bilen Frauen viel seltener der Fall. oder ungewollt eintritt, wird sie als http://www.soziologie.uni-mainz.de/familie/
Damit verschärft sich die Vereinbar- besonders belastend empfunden“, http://www.jobmob-and-famlives.eu
keit von Familie, Beruf und Mobilität betont Prof. Dr. Gerardo Meil von der

Bamberg wird Zentrum Im Gegensatz zur PISA-Studie werde


beim Bildungspanel nicht nur eine
Momentaufnahme beispielsweise bei
einem 15-Jährigen abgebildet. Viel-

der Bildungsforschung mehr werde aufgezeigt, was davor


und danach in der Bildungskarriere
passiert sei, erläutert der Studienlei-
ter. Die Tests sollen in einem soge-
nationales Bildungspanel begleitet 20 Jahre nannten Multi-Kohorten-Sequenz-De-
sign stattfinden, damit man nicht erst
jahrelang abwarten müsse, um erste
(ddp-bay, 20.10.2008)) Für die nächsten 20 Jahre ist Bamberg das Zentrum Ergebnisse zu bekommen. Statt bei-
der empirischen Bildungsforschung in Deutschland. Der Soziologe Hans- spielsweise Vierjährige 20 Jahre lang
Peter Blossfeld wird als geschäftsführender Direktor ein eigens gegrün- zu begleiten, prüfe man mit Beginn
detes Institut für bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung - das der Studie Menschen verschiede-
„Nationale Bildungspanel” - leiten. ner Altersgruppen. Auch der soziale
Hintergrund und dessen Auswirkung
Bei rund 60 000 TeilnehmerInnen im Alter von vier bis 65 Jahren wird ge- auf die individuelle Bildungskarriere
forscht, wie sich Kompetenzen im Laufe des Lebens entwickeln und wie die würden bei den Testpersonen unter-
deutschen Bildungskarrieren verlaufen. Insbesondere soll der Frage nachge- sucht.
gangen werden, wie die Teilnehmer Fähigkeiten im Kleinkindalter, im Kinder- Vom Bildungspanel erhofft sich
garten, in der Schule, im Studium und im Beruf erwerben. Blossfeld, „dass es Auswirkungen auf
Dafür investieren Bund, Länder und die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Bildungspolitik nimmt”. Die Stu-
bis 2013 rund 70 Millionen Euro in das Projekt. An der Studie arbeitet ein die soll aufzeigen, „was abläuft, was
interdisziplinäres Exzellenznetzwerk von 150 Wissenschaftlern aus den Be- wirkt und was nicht wirkt, was erfolg-
reichen Erziehungswissenschaft, Ökonomie, Demografie, Psychologie und reich ist und was nicht”. So werde
Soziologie - vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung bis zum man nachvollziehen können, welche
Institut für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund. Bildungskompetenzen Menschen im
Lauf ihres Lebens erwerben „und
Im nächsten Jahr soll mit der Entwicklung der Tests und Fragebögen für das wie sinnvoll und verwertbar diese
Bildungspanel begonnen werden. Die erste Haupterhebung werde es im Jahr gelernten Dinge im späteren Leben
2010 geben, kündigt Blossfeld an. Dann folgten jeweils jährliche Test. Mit sind”.
ersten Ergebnissen rechnet der Soziologe im Jahr 2011.
40 soziologie heute Februar 2009

Lebenslanges Lernen
tes Interesse haben. Der derzeit aku-
te Fachkräftemangel wird uns aus de-
mografischen Gründen und aufgrund
der großen industriellen Bedeutung
Österreichs auch in Zeiten reduzier-

beginnt nicht mit 50 ten Wachstums begleiten. Wir wer-


den ihn nur lösen können, indem wir
die Arbeitskräftereserven im eigenen
Land erschließen. Das heißt, in ab-
sehbarer Zeit werden wir gezwungen
sein, auf die bildungsferne Schicht
zurückzugreifen.

Wenn heute der Fachkräftemangel


ein arbeitsmarktpolitisches Problem
darstellt, das mit wichtigen kurzfris-
tigen Schulungsangeboten behoben
werden kann, wird er sich mittelfris-
tig zu einem Bildungsproblem aus-
wachsen. Mit Appellen zur vermehr-
ten Lehrlingsausbildung in Betrieben
wird es nicht getan sein, sie stoßen
bei bildungsfernen Menschen an ihre
Grenzen. Gefragt ist die Erwachse-
Foto: Fotocredit/BFI nenbildung, denn durch sie gelingt
auch Menschen, die in der Schule
gescheitert sind, in einem anderen
pädagogischen Setting der Einstieg
in die Bildung.
Dr. Christoph Jungwirth (Bildmitte): „Der Fachkräftemangel wird mittelfristig zu einem Bildungsproblem.”

Wenn vom Lebenslangen Lernen Schulabschluss. Sie haben in der Re- Um das Bildungsproblem einigerma-
die Rede ist, wird die öffentliche gel wenig Chance auf Weiterbildung. ßen in den Griff zu kriegen, sind aus
Diskussion reflexartig auf die Wei- Alarmierend ist auch die steigende meiner Sicht folgende Maßnahmen
terbildung von älteren Menschen Zahl der Analphabet/innen in unse- zu setzen:
eingeschränkt. Dabei ist es unum- rem Land. Expert/innen schätzen,
gänglich, bei diesem Thema nicht dass bis zu 600.000 Österreicher/ - Zielgruppengerechte Angebote zur
nur an die Arbeitnehmer/innen innen weder lesen noch schreiben Alphabetisierung
jenseits der 50 zu denken, sondern können. Dabei handelt es sich bei - Reform der Hauptschulexternist/in-
sich der Problematik auch von der weitem nicht nur um Migranten/in- nenprüfung
anderen Seite der Alterspyramide nen, sondern um viele Menschen mit - Reform der Berufsmatura
her zu nähern. Das Lebenslange deutscher Muttersprache. Klar ist, - Angebote für Menschen mit Migrati-
Lernen beginnt nicht irgendwann dass Analphabetismus den Zugang onshintergrund jenseits von Deutsch-
während der Berufslaufbahn, son- zu Lernkarrieren verhindert. Summa kursen
dern setzt unmittelbar am Ende der summarum sehen wir uns verstärkt - Verstärkte finanzielle Weiterbildungs-
Schulausbildung an. mit dem Problem der Bildungsferne förderung für einkommensschwache
konfrontiert. Menschen
Genau dort haben wir in Österreich
ein gravierendes Problem: Neun Pro- An einer Änderung des Zustandes Dr. Christoph Jungwirth
zent der Abgänger/innen von Pflicht- muss nicht nur die Politik, sondern Geschäftsführer BFI Oberösterreich
schulen haben keinen formalen auch die heimische Wirtschaft größ-

Nationalagentur Seit 1995 sind wir Ihr Partner für die Anbahnung und Förderung von Projekten im Rahmen
der europäischen Bildungsprogramme.

Lebenslanges Lernen Unsere Serviceleistungen umfassen:


- Information und Beratung zu den Möglichkeiten der Teilnahme am Programm
- Persönliche Beratung und Unterstützung bei der Antragstellung
- Ihre Agentur für europäische - Begleitung und Betreuung der österreichischen Projekte
- Unterstützung bei der Suche nach Projektpartnern in und außerhalb Österreichs
Kooperationen im Bereich - Vernetzung von Projekten und relevanten Akteuren aus dem Bildungsbereich auf nationaler
allgemeiner und beruflicher Bildung und europäischer Ebene
- Dokumentation der Projekte und Projektergebnisse
- Erstellung und Aufbereitung von Datenmaterial zur Beteiligung am Programm in Österreich
- Organisation von Seminaren und Workshops zu ausgewählten Themenbereichen
Infos unter: www.lebenslanges-lernen.at - Mitarbeit an und Koordination von thematischen Initiativen
Februar 2009 soziologie heute 41

BürgerInnenengagement Lokale Agenda 21


- was ist das?
Auf dem UN-Weltgipfel in Rio de Janeiro im

in seiner besten Form Jahre 1992 wurde die Lokale Agenda 21 (LA
21) erstmals ins Leben gerufen. Die LA 21 ist
ein Aktionsprogramm, welches sich zuvor-
derst an Gemeinden richtet. Diese sollen mit
entsprechenden Prozessen zu einer nachhalti-

Agenda 21-Prozesse gen Entwicklung beitragen. In einem offenen


Beteiligungsprozess finden sich BürgerInnen,
Akteure aus Wirtschaft, Politik und Verwal-
tung zusammen und stellen sich Fragen zur Er-
haltung und zum Ausbau ihres Lebensraumes.
Konkret geht es darum, wie gesellschaftliche,
wirtschaftliche und ökologische Funktionen
sich gegenseitig unterstützen können und um
das Aufzeigen von Fehlentwicklungen, welche
den Zugang zu einer dauerhaften Lebensqua-
lität versperren.
Basierend auf einer 2000/2001 durchgeführten
Erhebung des Europasekretariats des Interna-
tionalen Rats für kommunale Umweltinitiati-
ven (ICLEI) gibt es derzeit weltweit über 6.400
Lokale Agenda 21-Prozesse in 113 verschie-
denen Ländern. Die meisten Prozesse findet
man in Staaten mit hohem wirtschaftlichen
Standard. In Europa werden derzeit rund 5300
aktive Städte und Gemeinden gezählt.
Während der Fokus der Agenda-Aktivitäten
in den fortgeschrittenen Ländern zumeist auf
dem Bereich des Umweltschutzes liegt, über-
wiegen in den ärmeren Ländern Themen der
wirtschaftlichen Entwicklung.
Maßgebliches Erfolgskriterium für nachhalti-
ge Prozesse ist die Integration der LA 21 in die
(Foto: Agenda 21)

lokale Verwaltung. Während in den ärmeren


Ländern die Hemmnisse vor allem in der zu
geringen Fachkenntnis und Information zu fin-
den sind, hemmen in den reicheren Ländern
Die „ver-rückte“ Agenda-21-Gemeinde Prambachkirchen gilt als herausragendes Beispiel für Bürger/innenengagement. insbesondere mangelndes Interesse der Bür-
gerInnen und Geldmangel die Prozesse.
In Agenda-21-Prozessen arbeiten Außergewöhnliches Engagement Die EU hat frühzeitig die Bedeutung der LA
Bürger/innen an der Zukunft ihres beweisen beispielsweise die Be- 21 erkannt und erwähnt diese in der Euro-
unmittelbaren Lebensumfeldes. Ge- wohner/innen der 2.820-Seelen-Ge- päischen Nachhaltigkeitsstrategie als gute
meinden und Regionen formulieren meinde Prambachkirchen im Bezirk Möglichkeit zur Umsetzung Nachhaltiger Ent-
Leitziele, Maßnahmen und Projekti- Eferding. Sie befassen sich intensiv wicklung auf lokaler Ebene. In Österreich wird
die LA21 zumeist vom jeweiligen Bundesland
deen zu zentralen Entwicklungsfra- mit den Themen Ortskerngestaltung, inhaltlich, organisatorisch und finanziell un-
gen und fassen diese in Form eines Nahversorgung und Kommunikation. terstützt. Die Gemeinden erhalten finanzielle
Zukunftsprofils zusammen. Dieses Dabei gehen sie mitunter auch völlig Unterstützung für fachlich ausgebildete bzw.
beschließt der Gemeinderat als unkonventionelle Wege. erfahrene ProzessbegleiterInnen. Manche
Bundesländer unterstützen auch den Aufbau
Richtschnur für zukünftige Entschei- von Netzwerkstrukturen und die Weiterbil-
dungen und Planungen. Im Mittel- Bei der Impulsveranstaltung „Pram- dung von AkteurInnen.
punkt steht die aktive Beteiligung bachkirchen ver_rückt“ wurde die
Nähere Infos unter: www.nachhaltigkeit.at
möglichst vieler Bürger/innen. Sitzordnung durcheinandergewir-
belt, um mit möglichst vielen „neu-
In Oberösterreich bestehen inzwi- en Gesichtern“ ins Gespräch zu
schen in mehr als 90 Gemeinden kommen. Obwohl erst seit Frühling
Agenda 21-Prozesse. Koordiniert 2008 Agenda 21-Gemeinde will Pram-
werden die Aktivitäten von der beim bachkirchen bis Ende des Jahres ein
Land Oberösterreich angesiedelten Zukunftsprofil erarbeiten. Schon ab
Oö. Akademie für Umwelt und Natur Jänner 2009 sollen konkrete Projek-
(Foto: Mühlviertler Alm)

mit einer eigenen Leitstelle. Zusätz- te zu den Schwerpunkten Ortsent-


lich unterstützt werden sie von der wicklung, Nahversorgung, Jugend,
Regionalmanagement Oberöster- Landwirtschaft, Kultur und Soziales
reich GmbH und ihren fünf Regio- gestartet werden.
nalmanager/innen für Nachhaltigkeit Vorbildlich in der Einbindung der Jugend: Die Jugendtank-
und Umwelt. Näheres unter: www.agenda21-ooe.at stelle auf der Mühlviertler Alm
42 soziologie heute Februar 2009

Dynamische Entwicklung ist Mainstream-Ökonomie und Schumpe-


ters Entwicklungsansatz in untenste-
hender Tabelle informativ zusammen-
gefasst: (S. XXVII)

nicht institutionalisierbar Schumpeter war selbst – kurz nach


Beendigung seines Studiums – äu-
ßerst erfolgreicher Anwalt in Kairo,
wandte sich dann der Wissenschaft
zur Hilflosigkeit „moderner” Ökonomen zu, habilitierte sich an der Universi-
angesichts der gegenwärtigen Weltentwicklung tät Wien (1909) und wurde Professor
für politische Ökonomie zuerst an
der Universität Czernowitz (1909-
Klaus Zapotoczky 1911) und dann in Graz (1911-1921).
1919 war Schumpeter Staatssekretär
für Finanzen der Republik Österreich
und 1921-1924 (wenig erfolgreicher)
Präsident der M.L. Biedermann & Co
Bankaktiengesellschaft in Wien.

Von 1925-1932 war Schumpeter ordent-


licher Professor für wirtschaftliche
Staatswissenschaft an der Universität
Foto: Harvard University Archive

Bonn und ab 1932 bis an sein Lebens-


ende (nach mehreren Gastprofessuren)
ordentlicher Professor am Department
of Economics der Harvard University.

Über die interessante Biographie des


Menschen Schumpeter zwischen Star-
ökonom und rätselhaftem Schweiger
(insbesondere was sein persönliches
Klaus Zapotoczky, em. Univ. Prof. für Leben und seine eigenen Arbeiten be-
Soziologie an der Johannes-Kepler-
Universität Linz trifft) gibt das Buch von Annette Schä-
fer (im Campus Verlag, Frankfurt 2008
Joseph A. Schumpeter, einer der das zweite Hauptkapitel „Das Grund- erschienen) „Die Kraft der schöpferi-
größten Wirtschaftswissenschaftler phänomen der wirtschaftlichen Ent- schen Zerstörung.“ Joseph A. Schum-
der ersten Hälfte des 20. Jahrhun- wicklung“ grundlegend verändert und peter. Die Biografie“ in gut lesbarer,
derts (1877-1950), hat bereits 1911 das bahnbrechende siebente Kapitel eigenwilliger und informativer Art Aus-
eine zukunftsweisende „Theorie der „Das Gesamtbild der Volkswirtschaft“ kunft.
wirtschaftlichen Entwicklung“ formu- völlig weggelassen. Jochen Röpke und
liert, die „dem neoklassischen Wachs- Olaf Stiller haben in ihrer Einführung in Schumpeter hat sich vor fast hun-
tumsparadigma“ folgende drei Schwä- den Neudruck der ersten Auflage die dert Jahren gegen den „imperialen
chen vorwirft: zentralen Unterschiede zwischen der Anspruch“ der modernen (neoklassi-
- Das Fehlen einer überzeugenden The-
orie der Inputentstehung Vergleich zwischen (statischer) Neoklassik
und innovativem Entwicklungsansatz
- Das Fehlen einer überzeugenden The-
orie der Inputverwendung und
- Die Ansiedlung der Entstehung und
Durchsetzung technischen Fortschritts
außerhalb der ökonomischen Analyse.

Dem Duncker & Humblot Verlag ist es


zu danken, dass die – schwer zugängli-
che – umfassende erste Auflage (1911)
des Schumpeterschen Werkes (548 Sei-
ten), die seit der zweiten Auflage (1926)
immer stark gekürzt erschienen ist (369
Seiten) und nunmehr auch bei Duncker
& Humblot in neunter Auflage vorliegt,
wieder leicht studiert werden kann. Ne-
ben (kleineren) Veränderungen in allen
Kapiteln wurde seit der ersten Auflage
Februar 2009 soziologie heute 43

schen) Ökonomie gewandt, die in der sche Entwicklung sind untrennbar Bestätigung. Dabei hat Schumpeter
Aussage gipfelte: „Nichts passiert miteinander verquickt aber nicht schon 1911 auf die zentrale Rolle des
auf der Welt,…, was wir theoretisch aufeinander rückführbar und nie Wissens im Entwicklungsprozess
nicht im Griff haben (könnten)“. Heu- völlig beherrschbar bzw. kontrollier- hingewiesen, allerdings in anderer
te erleben wir, dass sich Ökonomen, bar. Schumpeter ortet zwei zentrale Weise als dies heute oft (und falsch)
Wissenschaftler und Praktiker, offen- Merkmale des (innovativen) Un- verstanden wird. Vielleicht können
bar vergriffen haben und wir – auch ternehmers: Energie des Handelns wir alle aus der Geschichte und aus
heute noch – von Schumpeter und und besondere Art der Motivation, Fehlern lernen.
seinen Ansätzen lernen sollten: gepaart mit der Freude am Neuge-
Stationäre Wirtschaft und dynami- stalten und der Notwendigkeit der _________________________________

Das philosophische Eck Niccolò Machiavelli


(1469-1527)
Politik im Spannungsfeld
zwischen Moral und Unmoral
Bild von:
Niccolò Machiavelli‘s Werk „Der Fürst” Santi di Tito

Niccolò Machiavelli wurde am 3. Mai er jedoch von unmoralischen und Streit zum Austrag zu bringen: ent-
1469 geboren, machte sich schon schlechten Menschen umgeben ist, weder den Weg über ein rechtlich
frühzeitig mit den Werken der Klassi- darf er sich bei der Erfüllung seiner geregeltes Verfahren oder den Weg
ker vertraut und war in der Zeit von Aufgaben nicht durch moralische der Gewalt. Das erste Verfahren be-
1498 bis 1512 als für Außen- und Ver- Zwänge einschränken lassen. An ein nützen die Menschen; das zweite die
teidigungspolitik verantwortlicher gegebenes Wort braucht sich der Tiere. Da das erste nicht immer die
Staatssekretär für die Republik Flo- Herrscher nur dann zu halten, wenn Lösung bringt, muss man zuweilen
renz tätig. Nach Rückkehr der Medici es im Vorteile bringt; schadet es dem zum zweiten greifen.”
wurde er inhaftiert, gefoltert und spä- Gemeinwohl, so muss er es brechen.
ter mangels Beweisen freigelassen. Alle Mittel sind dabei recht - morali- Für Machiavelli hört das Recht an
Nach mehreren Jahren, in welchen er sche und unmoralische. Machiavelli der Staatsgrenze auf. Seiner Auffas-
sich vor allem seiner schriftstelleri- bringt hier sein Geschichtswissen sung nach gilt zwischen Staaten nicht
schen Tätigkeit widmete, wurde er in ein und verweist auf Beispiele wie Moral und Recht, sondern lediglich
seinen letzten Lebensjahren wieder List, Täuschung, Verrat, Meineid, der nackte Machtkampf - mit militäri-
vermehrt mit politischen Aufgaben Bestechung, Vertragsbruch und Ge- schen oder politischen Mitteln.
betraut. Am 21. Juni 1527 schließlich walttaten.
starb Macchiavelli im Alter von 58 Machiavelli war ein glühender Patri-
Jahren. Wenn es die äußere Not erfordere, so ot, dem es um die Einigung Italiens
dürfe der Fürst auch ohne Bedenken ging. Trotz seiner humanistisch klas-
Das posthum 1532 veröffentlichte Verbrechen begehen. Dieser Herr- sischen Bildung lehnte er im Gegen-
Buch „Il Principe” (Der Fürst) ist scher müsse die Rolle eines Men- satz zu den frühen Humanisten religi-
von seinen vier Hauptwerken wohl schen und die einer Bestie zu spielen öse und moralische Bindungen ab.
das bekannteste. Hierin beschreibt verstehen. Um seinen Rückhalt im
Machiavelli, wie ein politischer Herr- Volk zu sichern, sollte der Herrscher Seit der Veröffentlichung seines „Il
scher seine Macht gewinnen und jedoch nichts tun, wofür er gehasst Principe“ hat seine Staatslehre vie-
behaupten kann. Seine politische würde. le Kontroversen hervorgerufen. Bis
Theorie sieht in der Selbsterhaltung heute noch dient der „Machiavellis-
und Machtsteigerung des Staates „Menschen müssen entweder ge- mus“ als Rechtfertigung skrupelloser
das ausschließliche Prinzip des poli- schmeichelt oder zerschlagen werden, staatlicher Gewaltpolitik.
tischen Handelns. Machiavelli kennt Denn für ein kleines Unrecht werden
die Menschen und ihre Schwächen sie sich rächen können. Aus dem Gra-
und der Politiker muss sich dessen be heraus rächt sich niemand. Wenn Literaturhinweise
bewusst sein, dass alle Menschen man also schon jemand unrecht tut,
schlecht und die allermeisten auch so muss es derart sein, dass er sich Der Fürst, Insel-Verlag, Frankfurt a.M., ISBN 3-458-
32907-2
dumm sind. wenigstens nicht mehr rächen kann.”
Discorsi (Gedanken über Politik und Staatsführung),
So benötigt das Volk einen Herr- Zum Recht hat Machiavelli ein recht Alfred-Kroener-Verlag, ISBN 3-520-37702-0
scher, der es anführt und eine staat- zwiespältiges Verhältnis.
liche Struktur garantiert. Da dieser Carlo Schmid Machiavelli Fischer, Frankfurt 1956
Herrscher seine Aufgabe zum Woh- „Man muss sich darüber klar sein, Dirk Hoeges: Niccolò Machiavelli. Die Macht und der
le des Gemeinwesens erfüllen soll, dass es nur zwei Wege gibt, einen Schein C.H. Beck, München 2000 ISBN 3-406-45864-5
44 soziologie heute Februar 2009

Soziologische
Altruistischer Selbstmord
nach Durkheim ein Terminus für den
Selbstmord, der durch eine extrem
starke Bindung an eine Gruppe oder

Begriffe
Gemeinschaft motiviert ist. den Ver-
lust

Anomischer Selbstmord
nach Durkheim ein Terminus für den
- leicht und verständlich Selbstmord, der durch den Verlust
sozialer Normen - auch als Anomie
bezeichnet - ausgelöst wird.

Anomie Egoistischer Selbstmord


In der Soziologie wurde dieser Begriff erreichen - ein tiefes Unbehagen mit nach Durkheim ein Terminus für den
durch Emile Durkheim eingeführt. In weitreichenden politischen Unruhen. Selbstmord, der durch soziale Isola-
stabilen sozialen Verhältnissen ist das tion und Überbetonung der Bedürf-
Zusammenleben der Menschen durch Die Anomie zeigt sich im Zusammen- nisse des Individuums motiviert ist.
Normen geregelt. Anomie entsteht nun bruch der sozialen Kontrolle, also der
durch den Zusammenbruch dieser institutionalisierten Mittel zur Siche-
Normen. In einem Zustand, wo Bedürf- rung der anerkannten Regeln des Ver- Fatalistischer Selbstmord
nisse und Ziele der Menschen nicht haltens.
mehr in Einklang gebracht werden nach Durkheim ein Terminus für den
können, und sich ein Zustand andau- Robert K. Merton vertiefte den Ansatz Selbstmord, der durch die Erwar-
ernder sozialer Unbehaglichkeit äus- Durkheims und baute ihn zu einem Mit- tung einer unvermeidlich trostlosen
sert, lassen sich statistisch messbare tel der empirischen Sozialforschung Zukunft motiviert ist.
Störmungen sozialer Akte vermehrt aus. Merton beschränkt sich nicht auf
erkennen (Selbstmorde, Kriminalität, die gesamtgesellschartlichen Limitie-
Ehescheidungen ...). rungen zur Regelung der Bedürfnisse Sozialisation
des Einzelnen und der Gruppen, son-
Emile Durkheim - und später Robert dern betont die Störung der Bezie- ein Prozess, durch den neuen Mitglie-
Merton - entwickeln darauf aufbauend hungen zwischen den Zielen und den dern einer Gesellschaft die grundle-
eine Neubewertung der Armut in bezug legitimen Mitteln zur Erreichung dieser genden Elemente ihrer Kultur ver-
auf abweichendes soziales Verhalten. Ziele. mittelt werden.

Durkheim stellt der Armut den plötzli- In einer stabilen Gesellschaft besteht
chen Reichtum als Krisenfaktor gegen- ein relativ großes Gleichgewicht zwi- Internalisierung
über, und stellt fest, dass dabei gewis- schen den sozial-kulturellen Leitbildern
se Formen abweichenden Verhaltens und den allgemein akzeptierten Wegen, ein Prozess, durch den gesellschaft-
- wie z. B. der Selbstmord - zunehmen. wie diese erreicht werden können. Von liche Standards Teil der Persönlich-
Den Grund dafür sieht Durkheim im Anomie spricht man erst dann, wenn keitsstruktur werden.
beschleunigten sozialen Wandel, also diese Beziehung gestört ist. Mertons
den Zusammenbruch der überlieferten Differenzierung erlaubt eine Analyse
Normen. des abweichenden Verhaltens an ver- soziale Schichtung
schiedenen Orten - also beispielsweise
Die gleiche Sichtweise kann auch auf bei der Ober-, Mittel- und Unterklasse. Gliederung der Gesellschaft in
unterentwickelte Gesellschaften ange- Indem man weiter spezifiziert, kann Schichten. Die Mitglieder dieser
wendet werden. Es gibt eine überliefer- man letztlich auch Typologien einzel- Gesellschaft verfügen über unter-
te und akzeptierte Armut, mit der man ner Gruppen erkennen. schiedliche Mengen an knappen Be-
sich abgefunden hat. Dies ändert sich lohnungen oder Ressourcen.
erst, wenn bspw. durch die Massen- Neben den strukturellen - soziologi-
kommunikation das Bild einer anderen, schen - Formen der Anomie gibt es
eventuell komfortableren Lebenswei- auch den psychologischen Begriff der Unterschicht
se, in diese Gesellschaften eingedrun- Anomie, bei welchem die persönliche
gen ist. Aus dem Gegensatz der beiden Integration unter dem Druck bestimm- eine soziale Schicht, deren Mitglie-
Größen erwachsen dann Bedürfnisse, ter Erscheinungen zusammenbricht. der über kein Eigentum verfügen,
welche in der Folge einen Zustand der oft arbeitslos sind, kaum Macht und
Anomie in Form eines Kulturverlustes Achtung besitzen.
Februar 2009 soziologie heute 45

Veranstaltungen
16. bis 18. 4. than in previous years. Designed to be less den, zuwendenden, fürsorglichen Verwahrung
theme-led, and to encourage the widest par- von Menschen und Patienten zugeschrieben
2009 ticipation for presenters and attendees, it und galt lange Zeit als letzte Phase eines Le-
Cardiff City Hall will have streams around core areas of soci- bens oder eines Krankheitsverlaufs. Die Pflege
ological research and enquiry. While there lag zudem lange in der Verantwortung von Fa-
United Kingdom is a core team, (led by John Holmwood from milie, Angehörigen und von caritativ Tätigen
Birmingham) each stream will have its own und wurde erst spät von professionell Pflegen-
convenor(s) who will select the papers, sym- den übernommen. Die spätmoderne Gesell-
posium and panels to go into that stream and schaft hat in den letzten beiden Jahrzehnten
so our call for papers this year requires poten- die Pflege, die vorher dem Privatbereich der
tial presenters to nominate streams for their Familien oder, wenn diese überfordert waren,
BSA Annual Conference: presentations. This is somewhat similar to der Armenunterstützung zugerechnet wurde,
Conference Theme the ISA’s form of organisation. The aim is to zu einer eigenen gesellschaftlichen Aufgabe
have a sub-plenary within each stream. gemacht. Sie ist – Pflegebedürftigkeit ist kei-
Much thinking about the social sciences sees ne Krankheit – in keinem nationalstaatlichen
them as based on shared disciplinary assump- Further informations: http://www.britsoc.co.uk/ Kontext allein dem System der Krankenbe-
tions. The increasing globalisation of social handlung zugewiesen worden.
inquiry is challenging current disciplinary
formations, bringing in its train issues of the Deutsche Gesellschaft
relationship between the research activities
für Soziologie Berufsverband Deutscher Sozio-
of different ‘national’ communities of research loginnen und Soziologen e. V.
scholars, as each is drawn to address net- 12. Bundesweiter Workshop zur
works of interaction and exchanges beyond Qualitativen Bildungs- und Sozial- XV. Tagung für angewandte
the boundaries of national societies (which
forschung Soziologie 2009
are frequently the focus of national funding
bodies, if not, as some have argued, also 6. bis 7. 2. 2009 Die nächste große Verbandstagung des BDS
embedded within the conceptual apparatus Zentrum für Sozialweltforschung findet am 5. und 6. Juni 2009 an der Univer-
of disciplines). In response, there have been sität Hamburg in Kooperation mit den sozio-
calls to ‘provincialize’ the dominant European und Methodenentwicklung logischen Instituten statt. Im Mittelpunkt der
and North American constructions of social Tagung stehen Antworten auf die Frage, wel-
science in order to accommodate perspecti- Ergänzend zu den immer zahlreicher werden- che Begriffe, Konzepte, Theorien und Metho-
ves from other locations of knowledge, both den Publikationen zu qualitativen Forschungs- den der Soziologie in der außeruniversitären
spatial and ‘epistemological’. These have oc- methoden bietet der Workshop insbesondere Praxis sich bewährt haben.
curred alongside the advocacy of a new ‘uni- Nachwuchswissenschaftlerinnen (vor allem
versalistic’ critical social theory with ‘cosmo- DoktorandInnen, HabiltiandInnen und wissen-
politan intent’. schaftlichen MitarbeiterInnen) ein Forum in Gesellschaft für Soziologie der
dem sie unter fachlich kompetenter Anleitung Universität Graz
Recent studies of disciplinary social science durch bundesweit anerkannte ForscherInnen
also suggest that wider cultural values and an dem eigenen oder an fremden datenmate- Challenges and Opportunities in
socio-political changes have an important im- rial aus aktuellen Projekten arbeiten können. the Internationalisation of Higher
pact on research agendas and, in a global age, Als mögliche Textsorten kommen Interviews, Education
these are no more likely to be ‘shared’ than Aktualtexte, Gruppendiskussionsaufzeich-
disciplinary assumptions. The post second nungen, Tagebücher, Briefserien, ethnogra- Vortrag von Prof. Anne Seitz (Swinburne Uni-
world war period was marked by the growth phische Protokolle aber auch Bilder, Fotos, versity of Technology, Melbourne)
of professionalised disciplinary social science Videosequenzen, Collagen, Broschüren etc. in Zeit: Do, 20. November 2008, 19.00 Uhr (s.t.)
and the consolidation of welfare states in the Frage. Ort: Resowi-Zentrum G2, SZ 15.22 (Kleines Sit-
context of the cold war. It was also a period zungszimmer der SoWi-Fakultät)
of de-colonisation, although the colonial con- Nähere Infos: http://www.uni-magdeburg.de/zsm/
texts in which the social sciences were for-
med was not recognised and it was not until Solidarischer
recently that post-colonial critiques have be- Institut für Gesundheits- und
gun to have an impact. Ökonomien Kongress 2009
Pflegewissenschaft der Martin-
20. - 22. Februar 2009
In these contexts, the collapse of communism Luther-Universität Halle-Witten-
has both helped to usher in the current phase berg Peter-Jordan-Straße 82, BOKU, Wien
of globalisation and has altered fundamentally „Pflegebedürftig“ in der „Gesund- Vor dem Hintergrund einer lebendigen glo-
the structures of value-relevance that inform balisierungskritischen Bewegung gewinnen
social inquiry in post-communist societies, heitsgesellschaft“ vielfältige Projekte solidarischer Ökonomie an
formerly non-aligned societies and liberal 26. bis 28. 3. 2009, Halle (Saale) Kraft. Unsere Hoffnung gilt der Stärkung und
democracies alike. Although the collapse of Vernetzung aller Initiativen, die kritische The-
communism has been associated with the Die demografischen und epidemiologischen orien und praktische Projekte verbinden.
re-assertion of liberal values (and neo-liberal Veränderungen der vergangenen fünfzig Jah-
public policies of governance), it is also as- re (Hochaltrigkeit, chronische Erkrankungen) Wir wollen den Begriff „Solidarische Ökono-
sociated with a decline in the secular values haben die Zahl von Menschen mit dauerhaf- mie“ bewusst nicht eng eingrenzen um sehr
with which liberalism and modernity are con- ter Unterstützungs- bzw. Pflegebedürftigkeit unterschiedlichen Konzeptionen und Ansät-
ventionally associated and which would be in- vervielfacht und von einem seltenen zu einem zen Platz zu geben und kontroversielle Diskus-
trinsic to any claim to replace ‘national’ social Massenphänomen geführt, das zusammen sionen zu ermöglichen.
science with a ‘cosmopolitan’ social theory. mit weiteren gesellschaftlichen Veränderun-
The conference will address these problems gen (Individualisierung, Mobilität, dadurch Mehr Infos: http://www.solidarische-oekonomie.at
of global social science and their implications Begrenzung der familialen Hilfe) Langzeitbe-
for sociology. treuung und Pflege zu einer immer stärkeren
The BSA Annual Conference 2009 (and also öffentlichen Aufgabe werden lässt. Früher wur-
2010) will be organised in a different way de der Berufs-Pflege allein die Rolle der helfen-
46 soziologie heute Februar 2009

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Februar 2009 soziologie heute 47

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Durch Großgruppenmethoden gelingt es, jene erarbeitet. Jugendliche (Lehrlinge, Schulab- Führungskräfte erwerben durch das Studium
Fragen zu stellen, die man benötigt, um gemein- gänger) sollen die Werkzeuge des Verkaufens relevante Zusatzqualifikationen und verbes-
sam Ziele, Strategien und Maßnahmen entwi- kennen lernen. sern damit ihre individuelle Wettbewerbs- und
ckeln und erreichen zu können. Die Vorteile, die Anstellungsfähigkeit.
Wie funktioniert es?
Großgruppentechniken dabei anbieten können, Akademische/r ExpertIn oder Master of Arts
Gemeinden, Unternehmen mit Lehrlingen und
liegen auf der Hand: Das Ziel des Studiums „Wirtschafts- und Orga-
Gruppen können ihre Jugendlichen zu einem
- Personen sind nicht nur „Teilnehmer“ in den Seminar einladen und stellen vor Ort die nisationspsychologie“ ist die Vermittlung er-
Prozessen sondern tragen aktiv zum Gesche- Räumlichkeit zur Verfügung. Termine werden forderlicher Fachkenntnisse und die Entwick-
hen, zum Erfolg der Prozesse bei – damit wer- individuell mit Herrn Häfele vereinbart. lung von Fähigkeiten, um die psychologischen,
den aus „Teilnehmern“ „Beitragende“ wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaft-
- dieses „Beitragen“ führt dazu, dass unter- Anfragen via E-Mail: lebensfroh@die-optimisten.net lichen Zusammenhänge in der betrieblichen
schiedliche Sichtweisen, Ideen etc. zusammen- _________________________________________ Praxis zu überblicken und mitgestalten zu
getragen, gemeinsam diskutiert und zu einem können. Der berufsbegleitende Universitäts-
Jugend-Umwelt-Gesundheits-Preis lehrgang wird in zwei unterschiedlichen Vari-
sinnvollen Ganzen geformt werden
- dieses „sinnvolle Ganze“ widerspiegelt die 2009 – mitmachen und gewinnen!!! anten angeboten: Die dreisemestrige Variante
Bedürfnisse und die Möglichkeiten von Firmen/ Das Jugend-Umwelt-Netzwerk und das Le- schließt mit dem Grad „Akademische/r Exper-
Regionen/Behörden etc.; es ist das Ergebnis bensministerium haben den Jugend-Umwelt- tIn“ ab, die fünfsemestrige Variante mit dem
kollektiver Intelligenz, von allen gemeinsam er- Gesundheits-Preis 2009 ausgeschrieben. Mit „Master of Arts“. Der Lehrgang startet voraus-
arbeitet der Vergabe des Preises sollen kreative und sichtlich im März 2009. Anmeldungen sind ab
- dadurch ist auch das Commitment, die positi- nachhaltige Projekte von Jugendlichen ausge- sofort möglich.
ve Einstellung zur Sache selbst jeder einzelnen zeichnet werden, die auf die Verbesserung der Nähere Informationen unter www.donau-uni.ac.at/wpsy
Person wesentlich größer – letztendlich steigen Umwelt und Gesundheit von Kindern und Ju- _________________________________________
damit die Umsetzungswahrscheinlichkeiten für gendlichen abzielen. Jugendliche zwischen 16
entwickelte Projekt- und Geschäftsideen und 20 Jahren aus ganz Österreich sind aufge-
- Großgruppentechniken ermöglichen darüber hi- rufen, bestehende Projekte zu diesem Thema Haben Sie Sonderwünsche?
naus eine „Kultur der Gemeinsamkeit“ - das „Wir“ einzureichen oder kreative Projektideen dazu Wollen Sie Logos oder Bilder einfügen?
steht im Vordergrund, Einzelkämpfertum, Eigenin- zu entwickeln. Einreichungen sind bis 31. Jän- Kein Problem. Nehmen Sie einfach mit
teressen, Insellösungen werden ausgeblendet. ner 2009 möglich. uns Kontakt auf unter
Kontakt: Mag. Christian Husak Consulting office@soziologie-heute.at.
A-8120 Peggau, Henriette Fischer Gasse 2 Weitere Informationen sowie das Einreichformular zum
Tel.Nr.: 0676/840 300 100 Mail: ch.husak@inode.at Downloaden unter www.jugend-umwelt-netzwerk.at.
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