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Tradition
trifft
Zeitgeist
Ledertreffen: Hamburgs Rolle in einer
Fetischwelt, die sich verändert

Zwei Veranstaltungen, zwei Plakate: Leatherparty in Ham-

burg und Folsom Europe in Berlin. Hier ein einzelner nackter
Muskeltorso mit Lederharness, da drei athletische Sportler-
gestalten mit Sneakers und Shorts, wobei sich die eine als
Frau entpuppt. Beide Plakate markieren in all ihrer Unter-
schiedlichkeit aktuelle Tendenzen der Fetischszene: Die Aus-
richtung auf „Events“, die auch dem letzten Mode-Fetisch
gerecht werden wollen. Zugleich aber auch das Festhalten
am Mythos Lederszene, kurz: der Tradition.
Es sind Versuche, in der Zersplitterung in Einzelinteres-
sen noch ein Gemeinsames herstellen zu wollen. Dies vor
dem Hintergrund wirtschaftlich schwieriger Zeiten und ver-
änderter „Nutzergewohnheiten“ einer zunehmend virtuellen
community. Zudem erhalten die beiden Ledertreffen auf-
grund ihrer Größe und Bedeutung für den Tourismus öffent-
liche Aufmerksamkeit. Das erzeugt Reibungspunkte – mit
anderen Schwulen wie mit gesellschaftlichen Normen all-
gemein.
Fetische lebten einst davon, dass sie im Heimlichen statt-
fanden. Daraus bezogen sie viel von ihrer sexuellen Anzie-
hungskraft. Die neue Fetischwelt findet im grellen Licht der
Medienwelt statt. Dadurch reden plötzlich Akteure mit, die
man vielleicht gar nicht haben wollte. Ein ganz simples Bei-
spiel ist die neue Ausweispflicht beim Betreten des Ham-
burger Lederschiffs. Da kollidiert ein in der schwulen Ge-
schichte begründetes Misstrauen mit modernen Sicher-
heitsanforderungen und dem Wunsch, an einem zentralen öf-
fentlichen Platz zu feiern.
Ein zweites Beispiel ist die moralische Empörung der „An-
ständigen“. Schwule, die fürchten, nackte Hintern und mar-
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tialisches Auftreten schadeten ihrer Akzeptanz in
der Gesellschaft. Dann aber auch von solchen, die
den Fetischrummel für eigene Zwecke nutzen. Wie
etwa in Berlin, wo Kritik an Gasmaskenträgern vorm
Kindergarten verwendet wurde, um dem Bürger-
meister politisch eins auszuwischen. Wer sich öffent-
lich gibt, muss Verständnis der anderen erhoffen
oder es erwerben. Eine Egal-Haltung lässt sich
schwer durchziehen. Nicht jeder Passant muss in den
SS-Uniformen, die in der Szene gerade Hochkon-
junktur haben und mit erstaunlicher Lockerheit bei
Fetischtreffen gezeigt werden, gleich den schwulen
Fetischisten erkennen.
Doch auch die Nische, die alltägliche Welt schwu-
len Fetischlebens, ist Veränderungen unterworfen,
von denen der Blick auf Mega-Events leicht ablenkt:
die soziale Spaltung und der Verlust des alltäglichen
Miteinanders. Sexueller Fetisch verbindet sich zu-
nehmend mit dem Markenfetisch der Konsumwelt.
Wodurch sich auch soziale und ökonomische Grenzen
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errichten lassen. Was auf jedem Schulhof zu beob-
achten ist, zeigt sich auch in der schwulen Welt. Man
grenzt sich über Marken vom anderen ab. Es ist kein
Zufall, dass Langlitz zum neuen Standard der Leder-
welt wird! Doch das soziale Miteinander erodiert noch
Die neue Fetischwelt findet
im grellen Licht der
Medienwelt statt. Dadurch
reden Akteure mit, die man
vielleicht gar nicht haben wollte.
auf eine andere Weise: Wer es sich nicht mehr leisten
kann, meidet die gewöhnliche Kneipe, ebenso wie
der, der sie sich leisten kann. Das Internet bringt Sex-
partner zur Party nach Hause. Der Rückzug in den
privaten Raum geschieht nicht länger im Wechsel-
Wir danken Mr. Chaps Hamburg für das Bereitstellen der Fotos
spiel mit dem öffentlichen Raum der realen Stadt,
sondern unter Umgehung desselben. Fragt man sich
nicht bei jedem CSD und bei jedem Ledertreffen von
Neuem: Wo sind die Leute den Rest des Jahres? Sie
zu finden, das ermöglichen scheinbar die Großver-
anstaltungen mit ihrer Masse. Doch das, was einst
traditionell Gemeinsamkeit und Solidarität meinte,
wird dort im Techno-Lärm nicht entstehen. Dazu be-
darf es nach wie vor des Gegenpols der kleinen, loka-
len Gruppen, der kleinen, regionalen Ledertreffen.
Hamburg hat als Mega-Event seit dem Wegfall der
Cap San Diego einen Einbruch erlitten. Mit einem
neuen Schiff will man an die alte Zeiten anknüpfen.
Das Beste was dem Treffen dabei passieren könnte:
dem Zeittrend, ein Mega-Event zu werden, zu wider-
stehen. Größe muss sich nicht immer in Zahlen aus-
drücken. Eine Vermittlerrolle zwischen den Extre-
men Mega-Event und Nische, zwischen Zeitgeist und
Tradition könnte die neue Qualität sein.
RAINER HÖRMANN
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Einzigartiges Flair
Das Ledertreffen hat wieder ein Partyschiff im Programm. Doch die Szene ist gespalten
Ein Schiff wird kommen: In den letzten Jahren war
dies nicht mehr als eine Hoffnung, um dem deutli-
chen Besucherrückgang beim Hamburger Ledertref-
fen ein Ende zu bereiten. Nach dem Wegfall der Cap
San Diego als wichtigste Attraktion blieben viele Be-
sucher aus. Bis 2005 war die Schiffsparty für viele
auswärtige Lederfreunde ein wichtiger Grund, zum
Hamburger Treffen anzureisen.
Das Hoffen hat ein Ende, denn zum Hamburger Le-
dertreffen wird wieder ein Partyschiff im Hafen fest-
machen: die M.S. Stubnitz, ein 80 Meter langer He-
ringskühlfrachter, der von 1965 bis 1986 von Rostock
aus die Ostsee befuhr. Während die meisten Schiffe
der damaligen DDR-Hochsee-Fischfangflotte nach der
Wiedervereinigung abgewrackt wurden, machte eine
Rostocker Kulturinitiative aus der M.S. Stubnitz ein
schwimmendes Kulturzentrum, das heute europaweit
auf Events eingesetzt wird.
Eine laue Augustnacht, eine geile Party auf der
Elbe mit Blick auf den erleuchteten Hafen und majes-
tätisch vorbeiziehende Containerschiffe: diese At-
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mosphäre des Hamburger Treffens ist weltweit ein-
zigartig. Die M.S. Stubnitz bietet unter anderem zwei
Dancefloors, Heck- und Buglounge, Darkroom und
Galerie. Und wenn an diesem Abend die Queen Mary
2 wie geplant Richtung New York ausläuft, dürfte das
kaum noch zu toppen sein.
Restkarten für die Stubnitz gibt es am Freitag
Abend (soweit vorhanden) im Catonium auf der
Leathernight des ausrichtenden Spike e.V.. Das Cato-
nium hat sich im vergangenen Jahr für die Freitags-
party bewährt: ein für das Ledertreffen neues Am-
biente in einer beeindruckenden Location, die allen
Fetischspielarten gerecht wird. In der Red Hall legt
Roberto Varano auf, hier und in den weiteren Hallen
und Etagen finden sich alle Arten von Playgrounds.
Dazu bietet der Ausblick von der Dachterrasse auf
den Stellinger Rangierbahnhof ein ganz eigenes
Hamburg-Bild.
Um die beiden Hauptpartys reiht sich eine Vielzahl
von Veranstaltungen: Bewährtes wie die Eröffnungs-
party in Toms Saloon und Dancehall, dieses Jahr auch
Location der legendären Farewell-Party, aber auch
Neues wie Dogplay. Highlights wie die Hafenrund-
fahrten mit restaurierten Wasserschutzpolizeibooten
unterstreichen die sinnvolle Hinwendung zum mari-
timen Charakter des Hamburger Ledertreffens (für
die Hafenrundfahrt am Samstag um 13 Uhr verlost
hinnerk zwei Tickets. Einfach eine eMail bis 9. August
senden an verlosung@hinnerk.de.
Missklang am Rande: Erstmals in der Geschichte
des Hamburger Ledertreffens wird in diesem Jahr
ein Teil der Szene wegen unüberbrückbarer Mei-
nungsverschiedenheiten aus dem offiziellen Spike-
Programm ausgeschlossen.
So veranstaltet der betroffene Slut-Club seinen ei-
genen Leatherpride. Dem Besucher des Hamburger
Ledertreffens wird es egal sein, wo er seinen Spaß
hat. Die Voraussetzungen für ein gelungenes Event
hat Spike mit seiner überfälligen Hinwendung zur ma-
ritimen Ausprägung des Treffens jedenfalls geschaf-
fen. Und damit die Grundlage für das Ende des Besu-
cherrückgangs. PETER GOEBEL
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36. Hamburger Ledertreffen
13.8., 22 Uhr: Eröffnungsparty
Toms Saloon & Dancehall
Pulverteich 17, U/S Hbf, 6 Euro inkl. Drink
und Mitternachtsbuffett, Dresscode: Leger
14.8., 21 Uhr: Leathernight@Catonium
Catonium, Försterweg 163, 20 Euro.
S 21 und S 3 Stellingen. Ab 20.30 Uhr alle
20 Minuten Shuttleservice von Toms
Saloon zum Catonium (2 Euro). Dresscode:
Leder, Uniform (BLUF), Army, Gummi,
Sportswear als Fetisch.
15.8., 21 Uhr: M.S. Stubnitz
Überseebrücke, U 3 Baumwall, 30 Euro.
Das Hafengebiet ist Hochsicherheitszone,
Zutritt nur mit Lichtbildausweis.
Dresscode: Leder, Uniform (BLUF),
Army, Gummi,Sportswear als Fetisch.
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Ledermann
In der Gemengelage unterschiedlicher
Fetisch-Spielarten sind die Mitglieder
von BLUF (Breeches, Leder, Uniform)
die Gralshüter der Ledertradition. Da-
bei spielen Breeches (Reiterhosen) eine
wichtige Rolle, eignen sie sich doch be-
sonders für das Tragen von hohen Le-
derstiefeln. Die Mitglieder von BLUF le-
LEDER
gen Wert auf ein möglichst komplettes
Lederoutfit vom Kopf bis zur Sohle,
zum Beispiel als Polizeiuniform.
13.8., 20 Uhr, Welcome-Treffen des BLUF e.V.,
Sexplosion, Kleiner Pulverteich 23
Dogplay
Animalische Rollenspiele sind eine SM-
SONDERVERKAUF
Variante, die bei Schwulen hauptsäch-
lich im Spiel Herr und Hund vorkommt.
Dabei ahmt der Dog das Verhalten eines
Hundes nach, während Herrchen die do-
minante Rolle innehat. Diese SM-Spielart
IM AUGUST
hat dieses Jahr erstmalig einen eigenen
Programmpunkt. Tagsüber bewirtet Mr.
Chaps Herrchen, und Doggies (am
Napf). Ab 20 Uhr ziehen Zwei- und Vier-
0,- Euro
beiner ins Strictly Men.
5 lle
auf a n
13.8., 11 bis 20 Uhr Mr. Chaps,
ab 20 Uhr Strictly Men
Leinen los! Hose
Das Ledertreffen bietet die seltene Ge-
legenheit, auf einem restaurierten Boot
der Wasserschutzpolizei den Hafen zu 50,- E
u
erkunden. Die Elbe 1 lief 1965 als Stre-
auf a ro
Hem lle
ckenboot für den Unterelbestreifen-
dienst vom Stapel und wurde 1996 vom
Polizeiverein Hamburg e.V. als Muse-
umsschiff restauriert. Geführt wird die
den
Tour von einem ehemaligen Wasser-
schutzpolizisten. Authentischer geht
es kaum. www.ws-barkassen.de
14.8., 13 Uhr, 15.8. 13 und 15 Uhr. VK 11 Euro
o
100,- Eur
Anmeldung ✆ (0170) 631 79 97.
auf alle
s
Breeche
16.8., 22 Uhr: Farewell-Party
Toms Saloon & Dancehall
Pulverteich 17, U/S Hbf
Hosen
4 Euro inkl. Drink, Dresscode: Leger
Eintrittskarten:
Fotos: Mr. Chaps Leatherworks (2), pege
Online: www.spike-hamburg.de
Karten auch am 13.8. bei der Eröffnungs-
party in Toms Saloon für Catonium,
M.S. Stubnitz und Hafenrundfahrten.
Combiticket für Catonium und
M.S. Stubnitz 40 Euro
Alle Termine im hinnerk-Kalender Seite Lange Reihe 111 · St. Georg
49-51. Alle Locations im hinnerk City Guide
Seite Seite 58-59
Telefon (040) 40 80 38
www.leder-roth.de
www.spike-hamburg.de
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