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ISBN 978-3-920590-37-0
Ordnung in Freiheit
Argumente der Freiheit 24
Horst Werner
liberal Verlag
Horst Werner
Ordnung in Freiheit
Das wirtschaftspolitische
Programm der FDP 1949 – 2009
Argumente der Freiheit
Ordnung in Freiheit
Das wirtschaftspolitische Programm
der FDP 1949-2009
Horst Werner
Umschlag
Gestaltung: altmann-druck GmbH
4
Ordnung in Freiheit
Das wirtschaftspolitische
Programm der FDP 1949-2009
„For god’s sake look at things for yourself.” („Machen Sie um Gottes Wil-
len die Augen selbst auf.” – Alfred North Whitehead in Vorlesungen
zur Deutung seiner Texte)
Der Autor legt Wert auf die Feststellung, dass diese Arbeit
über das wirtschaftspolitische Programm der Freien Demo-
kratischen Partei von 1949 bis 2009 keine wissenschaft-
liche Arbeit ist; er versucht allerdings, den Regeln des wis-
senschaftlichen Handwerks gerecht zu werden. Der Autor
bekennt auch seine „Vorurteile über politische Themen“
(David Hume): Alle Aussagen der Arbeit sind vom Vorurteil
für die Unteilbarkeit von Freiheit und Verantwortung be-
stimmt, für den Vorrang von Freiheit und Verantwortung, wo
Zweifel im behutsamen Wägen von konkurrierenden Werten
bleiben. Seine wissenschaftliche Arbeit an anderer Stelle
und seine Lebenserfahrung lassen dem Autor kaum Raum
für solche Zweifel: Recht betrachtet als Einheit von Freiheit
und Verantwortung und lange nachgedacht, steht Freiheit
nicht im Konflikt zu anderen Werten oder Zielen wie Gerech-
tigkeit und Sicherheit: Wenn es um die Freiheit und die Si-
cherheit aller Menschen geht, fördert mehr Freiheit mehr Si-
cherheit, und mehr Sicherheit macht die Menschen freier.
5
Es besteht auch heute kein guter Grund, für mehr Sicherheit
oder mehr Gerechtigkeit Freiheit zu opfern. Wer nur die Frei-
heitsrechte und Sicherheitsbedürfnisse einzelner Menschen
oder Interessengruppen bis hin zur Nation betrachtet, wird
zu Recht auf Fälle verweisen können, wo Freiheitsrechte mit
einzelnen Gerechtigkeitsvorstellungen und Sicherheitsbe-
dürfnissen im Konflikt stehen können. Dann ist beim Einzel-
nen, bei freiwilligen Verantwortungsgemeinschaften und ge-
gen Gruppeninteressen ohne Zweifel für die Freiheit zu
entscheiden. Aber für das ganze Volk, von dem nach un-
serer Verfassung alle Gewalt ausgeht und bei dessen Wil-
lensbildung die Parteien mitwirken, ist in beweisbaren Kon-
fliktfällen politisch zu entscheiden. Erst hier greift für den
Autor als Volkswirt die ewige Analogie zum Prinzip aller
Rechtsprechung bei Unsicherheit: „Im Zweifel für die Frei-
heit.“ Es ist ein weiter Weg, bis auch dieser Zweifel beseitigt
sein könnte: bis im Sinne von Friedrich Schiller „das Volk“
so aufgeklärten guten Willens ist, dass sein „Karakter“ die
Würde und Rechte aller Menschen achtet, und bis dieser
gute Wille den „Karakter“ aller Völker prägt. Dafür zu ar-
beiten ist Pflicht aller Parteien und trägt „öffentlichen Nut-
zen“ (David Hume).
6
Inhalt:
I. Das Problem politischer Programme ........ 9
7
4. Das Haftungsprinzip:
Freiheit und Verantwortung ............................... 164
5. Die Ordnung von
Währung und Finanzmarkt...................................179
6. Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik................. 201
7. Bürgernahe Subsidiarität,
Finanzen und Steuern......................................... 205
8. Konjunkturpolitik . .............................................. 261
9. Spezielle Sozialpolitik......................................... 276
10. Dauerhaftigkeit wirtschaftspolitischer
Grundsätze und Wandel: Interdependenzen . .... 292
IV. Wirtschaftspolitisches
Programm und politische Praxis............ 304
8
I. D
as Problem politischer
Programme
Was den Versuch, die Frage der Wirtschaftsverfassungen auf einer über-
parteilichen Ebene zu erörtern, so schwierig macht, ist einmal die blinde
Gläubigkeit, mit der Wählermassen und soziale Gruppen geneigt sind, von
Einzelpersönlichkeiten verkündete politische Glaubenssätze als unantastbar
und absolute Wahrheiten hinzunehmen, und zum anderen das damit gleich-
zeitig verbundene Unvermögen, diese komplexen wirtschaftlichen und sozio-
logischen Zusammenhänge zu durchschauen.
(Ludwig Erhard in: Die Neue Zeitung vom 23. Juni 1947)
9
Das Grundgesetz formuliert im ersten Satz von Art. 21 klar
die oft vergessene Aufgabe der Parteien: „Die Parteien wir-
ken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Da-
mit wird nicht etwa eine zukünftige Tatsache zur Arbeit von
Parteien konstatiert, sondern unmissverständlich ein Impe-
rativ an die Adresse der Parteien formuliert. Diese Aufgabe
der Parteien für eine Verfassung der Freiheit und ihren Er-
halt ist so selbstverständlich, dass sich Formulierungen im
Grundgesetz an anderer Stelle wie „können“, „dürfen“ oder
„müssen“ erübrigen.
10
im Sinne von Schiller bewusst: damit vom Volke und von
der Staatsgewalt keine Gefahr für die Freiheit im demokra-
tischen und sozialen Bundesstaat ausgeht. Was Schiller
von der „ästhetischen Erziehung“ für die Charakterbildung
der Bürger schließlich wohl mehr erhoffte als ursprünglich
erwartete, wird im Grundgesetz zur Aufgabe für die poli-
tischen Parteien.
11
Für alle, die sich heute für die Programme der Parteien im
Wettbewerb um Wertefindung und Wertevermittlung inte-
ressieren – wie Parteien zur „Willensbildung des Volkes“ im
Sinne der Verfassung beitragen – sind 60 Jahre wirtschafts-
politisches Programm der Liberalen lehrreich. Das liegt nicht
zuletzt am herausragenden Einfluss von Theodor Heuss auf
das Grundgesetz und die Grundorientierung liberaler Pro-
grammatik an der Idee vom Menschen, wie sie über Renais-
sance und Humanismus in der Aufklärung mündete. Von sol-
cher kulturellen Prägung in den anderen Parteien war damals
in der SPD vor allem Carlo Schmid, in der CDU Franz Böhm
und als parteiloser FDP-Anhänger Ludwig Erhard, der aber
für die CDU kandidierte.
12
ner Programm von 1947, die SPD noch weit vor ihrem Go-
desberger Programm.2 Dagegen stehen schon die ersten
Programme der FDP zur Wirtschaftspolitik und zur Sozialpo-
litik in Friedrich Schillers Tradition der Idee vom Menschen,
auf die sich jede Ordnung der Freiheit gründen muss.
Nicht nur für die FDP sind die Zerrbilder gefährlich, die trotz
Kenntnis des tatsächlichen wirtschaftspolitischen Pro-
gramms der FDP und „der Neoliberalen“ verbreitet werden.
13
Denn wenn ein Politiker im „Neoliberalismus“ die Wurzel
aller sozialen und ökologischen Übel ausmacht und sich
später gleichzeitig auf den „Neo-Liberalen“ Ludwig Erhard
beruft, dann scheint nicht nur Unwissenheit am Platz zu
sein.
4 Vgl. auch zu Wilhelm Röpkes Bewertung z.B. Ludwig Erhard, Franz Op-
penheimer, dem Lehrer und Freund, in: Gedanken aus fünf Jahrzehnten,
a.a.O., S. 861; wieder abgedruckt als Ludwig Erhards Geleitwort für Franz
Oppenheimer, Erlebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen, Düsseldorf 1964,
S. 5f.
5 Vgl. Oswald von Nell-Breuning, Art. „Liberalismus“ in: Gesellschaftliche
Ordnungssysteme, hrsg. von ihm und von Hermann Sacher, Freiburg 1951,
S. 218f.
14
1. Verwahrlosung der Sprache als Problem
wirtschaftspolitischer Programme
Von der Neugründung der Parteien nach 1945 bis ins Wahl-
jahr 2009 haben politische Kampfbegriffe wie „Neoliberale“
eine wichtige Rolle bei der Denunzierung des politischen
Gegners gespielt: Auf der Strecke geblieben sind dabei ne-
ben politischer und intellektueller Redlichkeit klares Denken
und unbestechliche Logik. Je schnelllebiger die Zeit in der
Medienwelt wurde, desto mehr blieb auch die Sprachkultur
auf der Strecke, von der auf das Denken zurückgeschlossen
werden kann.
15
Auf dem vielbeschworenen „Weg zur Informations- und
Kommunikationsgesellschaft“ wird aber die radikale Verkür-
zung politischer Botschaften erst recht zur Informations-
und Kommunikationsbarriere.
16
ist. Welche „Steuern“ will man „senken“? Lohnsteuer?
Mehrwertsteuern? Mineralölsteuer oder irgendeine andere
Spezialakzise? Denn je nach dem, welche dieser „Steuern“
man senken will, ist das Ergebnis für den Finanzminister
sehr unterschiedlich. Ersetzt man nun das Wort „Steuern“
durch „Steuerarten“, so wird der sprachlogische Unsinn
schon so einfach sichtbar wie bei „Steuersystem“: Rein lo-
gisch kann es weder eine „niedrige“ Steuerart noch ein
„niedriges Steuersystem“ geben.
17
Steuereinnahmen geführt hatten. Darum und wegen des
minimalen Erhebungsaufwands ist die Mineralölsteuererhöhung
fiskalisch so ergiebig, und eine Senkung der Mineralölsteuer
muss dann für die Haushaltskonsolidierung also
„verantwortungslos“ erscheinen. Für eine Absenkung der
Steuersätze der Einkommensteuer, für die sich die FDP
einsetzt, gelten diese Erfahrungen mit der Mineralölsteuer
aber nicht. Und Arbeitsplatz- und Wachstumsimpulse für
höhere Steuereinnahmen sind zwar durch höhere Nettolöhne
über niedrigere Steuersätze der Einkommensteuer plausibel,
nicht aber durch eine niedrigere Mineralölsteuer: Denn für
Wachstumsimpulse hat 2009 als Gegenkraft bereits das
Sinken der Energiepreise als Folge sinkender Nachfrage in
der Weltwirtschaftskrise gesorgt.6
6 Umgekehrt sind mit den ersten Wachstumserfolgen und der daraus fol-
genden Nachfrage die Energiepreise wieder ordentlich gestiegen.
18
schaftspolitischer Programme kann das gelingen und ist
auch immer wieder gelungen. Kaum jemand hat aber die
Zeit oder nimmt sich die Zeit, die Original-Texte der wirt-
schaftspolitischen Programme von Parteien zu lesen. Auch
dieser Verzicht ist gutes Bürgerrecht. Programm-Synopsen
mit der Gegenüberstellung von Positionen der Parteien sind
dann für Interessierte meist das höchste der Gefühle von
„Information“. In aller Regel sind es aber Medien und Politi-
ker, die über wirtschaftspolitische Programme verkürzend
„informieren“.
Sie vergessen, daß man nicht Völker mit Individuen gleichsetzen kann, ohne
sich jenes sehr gewöhnlichen Trugschlusses schuldig zu machen, den wir als
‚Begriffsrealismus’, als ‚fallacy of misplaced concreteness’ oder als politischen
Anthropomorphismus bezeichnen.
(Wilhelm Röpke (1958))
19
falschen Platze“.7 Das ist ein Fallstrick, in dem sich vor allem
in der Wirtschafts- und Sozialpolitik Politiker verfangen, der
aber auch den sprachlichen Alltag fast aller Bürger be-
herrscht.
7 Alfred North Whitehead, Science and the Modern World, New York 1926,
Kap. III, detaillierter im Gesamtzusammenhang z.B. von John Lockes „Es-
say Concerning Human Understanding“, Newtons “Scholium” und Platons
„Timaios“ in: Alfred North Whitehead, Process and Reality, Macmillan
1929, 1. Teil, Kap. II, 2. Teil, Kap. III, 3. Wilhelm Röpke, einer der neoli-
beralen Väter der Sozialen Marktwirtschaft, führte diese Gedanken in die
wirtschaftspolitische Analyse und Therapie ein. Vgl. z.B. Die Gesellschafts-
krise der Gegenwart, Erlenbach-Zürich 1941, 5. Aufl, 1948, S. 122 und 339;
Internationale Ordnung, Erlenbach-Zürich 1945, S. 83 (mit expliziter Ver-
bindung zu Whitehead und Gleichverwendung von „Begriffsrealismus“ und
„fallacy of misplaced concreteness“), 90, 127f., 227f. und 254 (zu Friedrich
von Wiesers „individualistischer Methode“ als Schutz vor Begriffsrealis-
men: von der Linken typischerweise als „Methodologischer Individualis-
mus“ kritisiert).
20
se über 2009 hinaus wieder „Konjunktur“ haben: „Der
Markt hat versagt.“ Daran haben sich über die Jahrzehnte
seit Gründung der Bundesrepublik alle so gewöhnt, dass
ähnlich inhaltsleer die liberale Retourkutsche mit einem Be-
griffsrealismus wie selbstverständlich folgt: „Der Staat hat
versagt.“
21
Neu ist also nur das Ausmaß der Krise als einer Weltwirt-
schaftskrise, aber nicht überraschend: wenn man aus Kri-
sen nichts lernt für die Ordnung von Währungen und Kapital-
märkten. Man könnte hinzufügen: „Der ganze Schwindel
war längst da, fliegt nur auf und war im Bankenbereich längst
bekannt – obwohl angesichts undurchsichtiger Finanzinstru-
mente nicht so recht kapiert.“ Dann wird ganz ohne jeden Be-
griffsrealismus deutlich, was fast jeder aus eigener Erfah-
rung vermutet und was sich hinter der Polemik mit dem
Begriffsrealismus „Marktversagen“ verbirgt: Nicht „der
Markt“, sondern Politiker und die von Bundespräsident Köh-
ler in seiner „Berliner Rede“ 2009 gerügten „Banker“ ver-
sagten.
22
Staat gegen solches „Marktversagen“ praktisch alle Märkte
ständig regulieren müsste. Denn mit Sicherheit ist symmetrische
„Informationsverteilung zwischen Marktteilnehmern“ nur
bei vollkommener Information gegeben.
23
der neuen Größenordnung von Vorläufen zur Weltwirt-
schaftskrise 2009 bisher noch nicht beobachtet worden,
und es trifft vor allem die Vermittlung des wirtschaftspoli-
tischen Programms der FDP: Die heute in den Medien ein-
flussreichsten Institutionen der wirtschaftswissenschaft-
lichen Prognose sind in politisch offen bekundeten Verruf
gekommen. Das hängt mit der Abkehr von Ordnungspolitik
und der erneuten Betonung mathematisierender Makroöko-
nomik und Ökonometrie des Zuschnitts der dominierenden
angelsächsischen Fach-Zeitschriften zusammen.9 Es war
aber gerade dieser Trend, den Politiker mit anfänglicher Be-
geisterung auch im Zuge des Bologna-Prozesses zu neuer
„Exzellenz“ begünstigt haben.10 Nach vielen „objektiven“,
24
aber nicht brauchbaren Prognosen vor allem seit 2008/2009
beschränkt sich der Hohn über manche gefällige Kaffee-
satz-Leserei bei den Prognosen nicht mehr nur auf deftige
Worte von Finanzminister Steinbrück.
Das war zum Vorteil der FDP kein Problem in der Phase er-
neut dominierender Ordnungspolitik um die Zeit von Otto
Graf Lambsdorffs „Wende-Papier“ Anfang der 80er Jahre:
Der ordnungspolitische Teil z.B. des Jahresgutachtens zur
Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage interessierte
den Wirtschaftsminister mehr als die Prognosen für die Me-
dien, die auch damals nicht immer zutrafen. Das ist bei mit
Sicherheit ungewisser Zukunft noch kein Grund zu ernst-
hafter Kritik. In Verruf waren die Sachverständigen regelmä-
ßig nur bei den Gewerkschaften wegen ihrer ordnungspoli-
tischen Forderungen, und jede Regierung schönte an
kritischen Ratschlägen des Sachverständigenrates herum,
bis sie ihren Kurs einigermaßen bestätigt fand.
Für die FDP war die Lage damals einfach: Wie bei keiner
anderen Partei stimmte das wirtschaftspolitische Programm
der FDP mit den ordnungspolitischen Kernaussagen über-
ein, die von der Elite der deutschen Wissenschaftler vertre-
ten wurden: in der Fachliteratur und vor allem in populären
und sehr politiknahen Veröffentlichungen. Zuvor war in der
25
Gründungsphase der FDP das wohl populärste Buch F. A.
Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944; deutsch erst-
mals 1945). In Deutschland konnte vor allem niemand an
den Breitseiten von Artikeln vorbei, die Wilhelm Röpke um
seine zentrale Trilogie gefeuert hatte: „Die Gesellschaftskri-
sis der Gegenwart“ (Erstauflage 1942), „Civitas Humana“
(1944) und „Internationale Ordnung“ (1945), außerdem mit
„Jenseits von Angebot und Nachfrage“ (1958).11
Die enge Verbindung zwischen ordnungspolitischem Pro-
gramm der FDP und wirtschaftswissenschaftlichem Sach-
verstand blieb auch in der Zeit gefestigt, in der die Ord-
nungspolitik vorübergehend aus der Mode kam. Dafür stand
z.B. Wolfgang Stützel12 und in den Finanzwissenschaften der
26
Schmölders-Schüler Karl-Heinrich Hansmeyer, aber auch
die Elite der deutschen Wirtschaftswissenschaftler bis hin
zu Herbert Giersch, oder Juristen mit ökonomischem Sach-
verstand wie z.B. Paul Kirchhof, die ansonsten der Union
nahe standen, aber bei den wirtschafts- und steuerpoli-
tischen Programmen das Programm der FDP vorzogen.
27
II. Grundsätze liberaler
Wirtschaftspolitik für
Teilhabe aller Bürger
„Mit die wertvollsten Leistungen der deutschen sozialen Entwicklung kamen
aus dem liberalen Gedankengut [...]. Die ’Liberalen’ standen hier früher in der
Front als die ’Sozialisten’ und die ’Christlichen’.“
(Theodor Heuss zu Schulze-Delitzsch und Lujo Brentano (stell-
vertretend) in der Rede auf dem Gründungsparteitag der FDP in
Heppenheim 1948)
28
der Parteien auf die Frage, welchen Werten und Zielen die
von ihnen angestrebte Wirtschaftsordnung dient, erleich-
tern den Wählern dreifach die Bewertung konkurrierender
wirtschaftspolitischer Programme:
29
- Die Antwort der Parteien auf die Frage nach ethischen
Werten und Zielen, denen die Wirtschaftsordnung dienen
soll, erleichtert den Bürgern die Kontrolle, ob die konkreten
Programm-Angebote der Parteien zu den angekündigten
Zielen und Werten passen.
30
- Ohne die Ordnung eines Rechtsstaats gibt es keine Chan-
ce auf dauerhafte Freiheit und Schutz der Menschenwürde
für alle.
31
tischen Gegensätzen und Unterschieden noch genügend
von dieser Gemeinsamkeit der Demokraten, um eine Ord-
nung in Freiheit zu sichern. Das kann nicht überraschen,
weil diese Wertvorstellungen und das damit verbundene
Menschenbild zur gemeinsamen „Kultur- und Sozialent-
wicklung des Abendlandes“15 gehören, die über Renais-
sance und Humanismus in eine Aufklärung münden, die im-
mer noch Aufgabe ist.
32
eigene Persönlichkeit selbständig und nicht nach fremden
Geboten zu entwickeln.“16
Nur der Karakter der Bürger erschaft und erhält den Staat, und macht
politische und bürgerliche Freiheit möglich.
(Friedrich Schiller (1793))
16 Zitiert von Lore und Fritz Schatten, Die Geschichte des Liberalismus,
a.a.O., S. S. 9.
33
gebnis des liberalen Menschenbildes: „Freiheit ist Verant-
wortung“, „Freiheit durch Teilhabe, Teilhabe durch Freiheit“,
„Bürger sind Teilhaber der Gesellschaft: Die liberale
Bürgergesellschaft“.17
34
Zu diesem Badischen Programm passt nahtlos das Pro-
gramm der Hamburger Liberalen von 1946 bei der Aufgabe
„Bildung zum Bürger“ im Geiste von Schillers „ästhetischer
Erziehung“ und als Vorgriff auf den Auftrag des Mitwirkens
der Parteien bei der „Willensbildung des Volkes“ in Art. 21
GG : „Erziehung zu sozialer Gesittung ist die entscheidende
Bedingung neuer Volksordnung.“19 Die Heppenheimer Pro-
klamation vom 12. Dezember 1948 formuliert entsprechend
den Sinn des Zusammenschlusses der liberalen Parteien
zur FDP so: „Damit ist die organisatorische Grundlage ge-
schaffen für die Sammlung der politischen Kräfte, die den
Gedanken der Freiheit und des Persönlichkeitsrechtes zum
Richtmaß aller Entscheidung erheben. Selbstverantwortung
und Achtung vor der Menschenwürde aller sollen die Le-
bensordnung für Volk und Welt bestimmen. Dies ist der
Weg der FDP zu Freiheit, Frieden und Sicherheit für Deutsch-
land in einem geeinten Europa.“20
35
sen Geist erinnerte Wilhelm Röpke, der nach 1945 großen
Einfluss auf die FDP nicht nur in der Wirtschaftspolitik hatte.
Röpke knüpfte am Essay „Über den Begriff des Volkes“
des schwäbischen Liberalen Gustav Rümelin an. Ähnlich
wie 1946 auch die Hamburger FDP, richtete Röpke die Hoff-
nungen auf „einen Universalismus“, „der gleichzeitig ein Re-
gionalismus ist – jeder von uns als ‚Christ und Lehnsmann’
oder, in unsere Sprache übersetzt, als ‚Weltbürger und Hei-
mattreuer’ oder doch zumindest als ‚Europäer und
Heimattreuer’“.21
Die Kernaufgabe des Staates ist es, Freiheit für den Bürger zu sichern, indem
der Staat Recht setzt und Recht durchsetzt. [...] Es muß aber auch wieder
stärker ins Bewußtsein rücken, daß der Bürger mehr Gestaltungsfreiheit und
Eigenverantwortung braucht, damit er sich wieder aktiver für den schlan-
ker gewordenen Staat einsetzt, damit seine Kreativität und sein Fleiß für
Innovation gewonnen wird.
(F.D.P., Hildesheimer Beschluss “Weniger Staat – mehr Eigenver-
antwortung” vom 26. Februar 1994.)
21 Vgl. Wilhelm Röpke, Maß und Mitte, Erlenbach-Zürich 1950, S. 242 f.;
Gustav Rümelin, Über den Begriff des Volkes (1872), in: Reden und Auf-
sätze, Tübingen 1875, S. 112. In den Programmatischen Leitsätzen der FDP
Hamburg von 1946 ist Deutschlands Platz „unter der überstaatlichen Auto-
rität eines Weltbundes freier Völker.“ (S. 77).
36
Mit der Botschaft der Heppenheimer Proklamation werden
im „Weg der FDP zu Freiheit, Frieden und Sicherheit für
Deutschland in einem geeinten Europa“ zwei zentrale Anlie-
gen der liberalen Programme zusammengefasst: „Jenseits
von Angebot und Nachfrage“22, also jenseits eines engen
ökonomischen Kalküls, geht es beim Bekenntnis der FDP zu
marktwirtschaftlicher Wirtschaftspolitik um das, was die In-
schrift am Lübecker Holstentor mit „Eintracht im Inneren,
Frieden nach außen“ meint. Heute bedeutet das sozialen
Frieden im Inneren und Frieden mit allen Völkern der Welt.
22 Das ist der Titel von einem der mehrfach aufgelegten Bücher des Neo-
liberalen Wilhelm Röpke, von vielen als Sozialromantik belächelt. Röpke
erwartete bei der Zusendung des Buches an von Hayek keine Dankbarkeit
für sein großes Engagement, Hayeks von Röpkes Frau Eva übersetztes
Erfolgsbuch „Der Weg zur Knechtschaft“ gegen Verbote der Alliierten zu
verbreiten, hoffte aber auf von Hayeks mäßigenden Einfluss auf den leicht
erregbaren von Mises. Den sich bereits zuvor abzeichnenden Bruch un-
ter den liberalen Vordenkern der Marktwirtschaft konnten Röpke und von
Hayek nicht verhindern. Das wirkt noch heute in der Spaltung liberaler Bot-
schafter der Marktwirtschaft im nahen geistigen Umfeld der FDP nach.
37
Weckung der Selbstkräfte ist mit ein Element, um
Sozialpolitik überhaupt erst möglich zu machen, und
hier sei daran erinnert, daß gerade auch aus libe-
ralem Denken heraus zum ersten Male bei uns im
großen Stile Sozialpolitik getrieben wurde, liberales
Gedankengut in unsere Sozialpolitik eingereiht
wurde“.23
38
- „Die Leitsätze zur Kulturpolitik 1950, beschlossen auf dem
2. Bundesparteitag vom 29. April bis 1. Mai 1950 in Düs-
seldorf, fassen den Gehalt der „sozialen Marktwirtschaft“
im Verständnis der FDP komplex zusammen mit höchster
Aktualität im Streit um die Marktwirtschaft 2008/2009:
25 Zitiert in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 194. In diesem Zitat ist
die Formulierung „der geläuterte Liberalismus“ eine der damals üblichen
Umschreibungen von „der Neoliberalismus“, als Abgrenzung gegen Strö-
mungen unter den Liberalen, die sprachlich gegenüberstellend als „Paläoli-
beralismus“ bezeichnet wurden.
26 Klaus Beckmann im Gespräch mit Caroline Mart, Richard David Precht,
Baron zu Guttenberg und Otto Graf Lambsdorff, >www.DasErste.de<. Zur
zweckmäßigen Unterscheidung zwischen „Marktwirtschaft“ und „Kapita-
lismus“ in der politischen Diskussion vgl. Martin Bangemann, Liberale Wirt-
39
die übliche Auseinandersetzung der Linken mit der FDP ist
das die einzige erfolgversprechende Abgrenzung, solange
die Linken politische Kontroversen auf dem Niveau der
Kampfbegriffe „Kapitalismus“ und „soziale Kälte“ bestrei-
ten. Denn gegen die Marktwirtschaft zieht diese „Streitkul-
tur“ der Linken bei den meisten Bürgern nicht so einfach,
aber sie zieht auch da: Weil die Finanzkrise das Ansehen
auch der Marktwirtschaft beschädigt hat, trifft das seit 2008
besonders die FDP als „Bannerträger der Marktwirtschaft“.27
Das macht es 2009 so wichtig, den sozialen Gehalt der
Marktwirtschaft und des wirtschaftspolitischen Programms
der FDP in Erinnerung zu rufen.
40
- Im „Wirtschaftsprogramm 1953“ blieb es beim konkreten
Inhalt der Wirtschaftsordnung, die später den Eigennamen
„Soziale Marktwirtschaft“ tragen würde. Die Suche nach
der rechten Bezeichnung der Wirtschaftsordnung ging
aber weiter, nachdem das „Liberale Manifest“ der Ham-
burger FDP noch zwischen „soziale Marktwirtschaft“ und
„sozial-verpflichtete Marktwirtschaft“ geschwankt hatte
und im Wahlprogramm 1953 bei gleichem Inhalt ein Ver-
such mit „Marktwirtschaft“ gemacht worden war. Das
„Wirtschaftsprogramm 1953“ war das erste vollständig
konkrete Ordnungskonzept mit ausgefeiltem Steuerteil,
die Ordnung in Freiheit bezeichnet nun als „sozialverpflich-
tete Marktwirtschaft“29.
41
des 12. Bundesparteitags vom 23. - 25. März 1961 inner-
halb von nur fünf Zeilen („Aufruf zur Bundestagswahl
1961“) 30 den Namen für die Wirtschaftsordnung, zu der
sich die FDP bekennt.
30 Ebenda, S. 164.
31 Vgl. Das Programm der Liberalen (1990), hrsg. von der Friedrich-Nau-
mann-Stiftung, Baden-Baden 1990, S. 313f. >www.fdp.de<: bereits mit
dem später so oft variierten Nonsens „Widerspruch zwischen Ökologie
und Ökonomie“. Dazu klärte Carl Christian von Weizsäcker auf: „Ökologie
ist langfristige Ökonomie“. Langfristorientierung ist so sehr Gegenstand
der Ökonomie, dass Keynes es für notwendig hielt, darüber die Anpas-
sungsprobleme der kurzen Frist nicht zu übersehen und dabei gründlich
missverstanden wurde: „In the long run, we are all dead.“
32 Bundesparteitag vom 27./28. Mai 1989 in Köln, in: Das Programm der
Liberalen (1990), a.a.O., S. 842, >www.fdp.de<.
42
pflichtete soziale Marktwirtschaft“ (1986) 33. Dann wird
wieder „Ökologische Marktwirtschaft“ (1990,
1994,1996/1997,2002) verwendet; in „Karlsruher Ent-
wurf“/„Wiesbadener Grundsätze“ wird unter der Über-
schrift „Die Ökologische Marktwirtschaft“ wieder zum
Kompromiss zurückgekehrt: „Die Liberalen treten für die
Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft zu einer
Sozialen und Ökologischen Marktwirtschaft ein.“34
Hinter dem frühen Ringen um das rechte Wort für die Wirt-
schaftsordnung, zu deren „Bannerträger“ die FDP von der
Ludwig-Erhard-Stiftung erklärt wurde, steht politisch mehr
als eine Sprachübung beim Kampf um ein attraktives poli-
tisches Banner. Denn seit dieser Gründungszeit hat sich bei
aller Vielfalt der Namensgebung nichts am Bekenntnis der
FDP zur „Sozialen Marktwirtschaft“ und zur Verpflichtung
der Liberalen auf die Anliegen „soziale Sicherheit und sozi-
43
ale Gerechtigkeit“ geändert; dieses Bekenntnis prägt auch
das wirtschaftspolitische Programm der FDP von 2009.35
35 Vgl. zuletzt die Beschlüsse des Kölner Bundesparteitages vor der Bun-
destagswahl 2005, den Beschluss des Münchener Bundesparteitages
2008 und das Wahlprogramm 2009, >www.fdp.de<.
36 Es ist kein Zufall, dass sich Bündnis 90/Die Grünen seit ihrer Regie-
rungsbeteiligung nach 1998 darin hervortun, der FDP „soziale Kompetenz“
abzusprechen. Regierungsbeteiligung macht Appetit nach mehr davon.
Mehr davon geben die Wähler den Grünen aber nicht ohne den Nachweis
wirtschaftspolitischer Kompetenz. Denn die „Grüne Wende“ machen in
Wirklichkeit ganz marktwirtschaftliche Unternehmer mit ihrer Marktreakti-
on auf steigende Knappheit von Energie und anderen Ressourcen.
44
Dazu kommt, dass ab 1968 mit dieser Tendenz der Kapita-
lismus-Kritik ausgerechnet die Soziale Marktwirtschaft Lud-
wig Erhards und der FDP getroffen wurde. Von dieser Ten-
denz sind auch die Kommentierungen in den drei
bekanntesten Dokumentationen des FDP-Programms von
1946 bis 1979 nicht ausgenommen, die hier zugrundegelegt
werden: die beiden von Heino Kaack herausgegebenen
Bände zur programmatischen Entwicklung der FDP und der
von Günter Verheugen herausgegebene Band „Das Pro-
gramm der Liberalen“, eingeleitet und kommentiert von Pe-
ter Juling, Heino Kaack und Günter Verheugen.
Auf der Gegenseite mag Bernardo Trier als Beispiel für Dar-
stellungen liberaler Wirtschaftspolitik stehen, wie sie im
Umfeld der FDP nicht selten sind und ähnlich schädlich sind
wie auf der anderen Seite die Gebetsmühlen der Linken zur
„sozialen Kälte“ der Liberalen. Bernardo Trier ist als Bei-
spiel gewählt, weil ihn seine Zweifel ehren. In seinem Artikel
zu Heinz Murmanns Beitrag über Ludwig Erhard fragt Ber-
nardo Trier in „liberal“ zur Freude von Norbert Blüm und
Heiner Geißler: „Wie liberal war die Wirtschaftspolitik von
Ludwig Erhard?“. Der mutige Seelenforscher Bernardo Trier
wagt dafür nach seiner Lobrede auf Brutus Erhard einen
Blick ins „Innerste, Verborgenste seiner (Erhards; H.W.)
Seele“ und findet Abgründe. Erhard übernehme „die Zu-
ständigkeit für die Befreiung“ und wage zu fordern: „Am
Erfolg müssen alle teilhaben“. Und dann ist es für Trier nur
ein kleiner Schritt zum Urteil über alle, die wie die FDP im
Geiste von Walter Eucken und Ludwig Erhard marktwirt-
45
schaftliche Ordnungspolitik verstehen und wie die FDP in
ihrem Programm „Wohlstand für alle“ wagen: „Gehen die
Verteiler ans Werk, ist Freiheit gefährdet.“37
Auf andere Art als die Zerrbilder der Linken von der „sozi-
alen Kälte“ der FDP ist es für das Bild vom Programm der
FDP ein Problem, wenn auf der Gegenseite von manchen
Liberalen wie Bernardo Trier in liberalen Publikationen der
Eindruck erweckt wird, in jeder Verteilungspolitik und im An-
sporn zu Fleiß könne ein Anschlag auf die Freiheit stecken.
Wenn dabei nicht betont wird, dass Umverteilung z.B. über
Besteuerung nach steuerlicher Leistungsfähigkeit für die
FDP eine Frage von Maß und Mitte ist, dann erschwert das
der FDP die Widerlegung selbst offenbarer Lügen der Lin-
37 Vgl. Bernardo Trier, Wie liberal war die Wirtschaftspolitik von Ludwig
Erhard?, in: liberal, Vierteljahreshefte der Friedrich-Naumann-Stiftung für
Politik und Kultur, 39. Jahrgang, Heft 2/Mai 1997, S. 111.
46
ken. Aussagen aus dem Umfeld der FDP werden aufgegrif-
fen und aus dem Zusammenhang gerissen wie in der Krise
1982/83 oder in den Wahlkämpfen 2009. Dagegen hat die
Kommunikation der Botschaft, dass die FDP z.B. für Be-
steuerung nach Leistungsfähigkeit und für eine Grundsiche-
rung durch das Liberale Bürgergeld eintritt, unnötig schlech-
te Chancen. Das kann man infrage stellen, indem man sich
mit dem wirtschaftspolitischen Programm der FDP aus-
einandersetzt. Dann entsteht auch generell bei stets wich-
tigen Streitfragen z.B. zum Umfang der tatsächlich unver-
zichtbaren Staatsaufgaben kein Zweifel an der Position der
FDP, sondern es wird deutlich bleiben, dass z.B. das Ja der
FDP zu aktiver sozialer Sicherung und aktiver Wettbewerbs-
politik im wirtschaftspolitischen Programm seit 1946 nie in
Frage stand.
47
deutschen Wirtschafts- und Sozialordnung mit dem Eigen-
namen „Soziale Marktwirtschaft“ durchzusetzen.
38 Vgl. zur „sozialen Kälte“ Gerhard Schwarz, Die soziale Kälte des Libera-
lismus, hrsg. Vom Liberalen Institut der Friedrich Naumann-Stiftung, St. Au-
gustin 1997, >www.libinst.de<. Hans D. Barbier hat in seiner Besprechung
von Henneckes Hayek-Buch (a.a.O., S.49) das von Hayek zitierte Gespräch
mit Ludwig Erhard zu „Soziale Marktwirtschaft“ mit einiger Skepsis be-
leuchtet.
48
Sitzung der Mont-Pèlerin-Gesellschaft keinen Konsens ge-
geben. Dabei war Hayek auf der Seite von Wilhelm Röpke
und Walter Eucken – und blieb es als Mitherausgeber des
ORDO-Jahrbuchs ab 1948 – so dass sein Lehrer Ludwig
von Mises nach Einschätzung von Wilhelm Röpke isoliert
war.39
49
alen Verpflichtung im Ordnungskonzept von „Freiheit und
Verantwortung“ hat sich in 60 Jahren wirtschaftspolitischem
Programm nichts geändert. Wenn diese Kontinuität 1971 of-
fenbar nicht einmal von Autoren der „Freiburger Thesen“
gesehen wurde, dann kann das nicht an ihren Entdecker-Ei-
telkeiten gelegen haben.
50
der Programme wichtiger als der Inhalt von Programmen der
FDP, weil Programme kaum gelesen werden.
51
gen ausgetragen wird, können liberale Positionen, die jegli-
che staatliche Wettbewerbspolitik und Sozialpolitik ableh-
nen, sogar Gegenbewegungen wie z.B. auf dem Weg zu
den Freiburger Thesen begünstigen. Wenn heute z.B. Rü-
stows Forderungen nach „verbesserter Chancengleichheit
und Startgerechtigkeit“ als „illiberale Forderungen“ und
„unvereinbar mit liberalen Grundsätzen“ bewertet werden,
dann geht die für jeden fruchtbaren Streit notwendige Trenn-
schärfe bei liberalen Meinungen und Programm der FDP
verloren. Denn die FDP fordert ebenfalls größere Chancen-
gerechtigkeit in Übereinstimmung mit liberalen Grundsät-
zen. Mit offenem Visier wird der Streit also ausgetragen,
wenn Liberale die FDP dafür kritisieren, dass sie in ihrem Pro-
gramm für größere Chancengerechtigkeit eintritt. Damit
kann sich die FDP ebenso offen auseinandersetzen.
52
die „Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit“ ankomme, wie
dieses Anliegen zu bewerten sei.40
40 Vgl. F.A. von Hayek, Der Weg zur Knechtschaft, a.a.O., S. 60 und im
Vorwort S. 16; ders., Die Verfassung der Freiheit (1971), 2. Aufl., Tübingen
1983, S. 149.
41 Auf der Berliner Tagung der Mont-Pèlerin-Gesellschaft 1982 wurde von
Hayek natürlich von jungen Kollegen auf seine spätere Charakterisierung
von „sozial“ als „Wieselwort“ angesprochen: Im Eigennahmen „Soziale
Marktwirtschaft“, zu dem auch Ludwig Erhard ausnahmslos gestanden
habe, gehe es doch nur um eine gelungene „Verkaufsaktion“ des von ihm
so geschätzten Alfred Müller-Armack für die Marktwirtschaft. Dieser Name
solle es den Sozialisten nicht so leicht machen, die Marktwirtschaft als
unsozial zu denunzieren. Es werde „sozial“ häufig auch gar nicht als Eigen-
schaften beschreibendes Wort verwendet, sondern als Abkürzung wie z.B.
in „soziale Ungerechtigkeit“, wo doch offenbar die Ungerechtigkeit nicht
„sozial“ sei, sondern wo es um „Ungerechtigkeit im sozialen Bereich“ (o.ä.)
gehe. Nicht anders sei es bei „sozialer Gerechtigkeit“: ein allgemein positiv
belegter Begriff „Gerechtigkeit“, hier angewandt auf den sozialen Bereich.
53
„Grundsätze der Wirtschaftspolitik“. Hier hatte Walter Eu-
cken als Hayeks Nachfolge-Wunschkandidat und als füh-
render Kopf der deutschen „Neoliberalen“ bzw. „Ordolibe-
ralen“ unmissverständlich „das ordnungspolitische
Problem“ formuliert: „Soziale Sicherheit und soziale Ge-
rechtigkeit sind die großen Anliegen der Zeit.“42
54
3. Teilhabe aller an einer globalen Friedensord-
nung
55
- Der Verfassungsauftrag an die Parteien zur Mitwirkung an
der Willensbildung des Volkes wird im Programm der FDP
Bayern 1946 bereits vorweggenommen und auf die Vertei-
digung der neuen Demokratie angewandt: „Die Staatsge-
walt im neuen Deutschland muß vom Volke ausgehen. Auf-
gabe der Parteien ist es, darüber zu wachen, dass der
Volkswille nicht verfälscht und in den Dienst neuer poli-
tischer, wirtschaftlicher und kultureller Diktaturgelüste ge-
zwungen wird.“46 Es wäre ein grobes Missverständnis, in
der Programm-Formulierung der Aufgabe, „darüber zu wa-
chen“, ein nur „negatives“ Tun zu verstehen. Das schließt
nicht nur die aktive Formulierung von Artikel 21 GG, „Die
Parteien wirken [...] mit“, aus: Vor allem hat sich die FDP
eine aktive, „positive“ Rolle in allen Programmen seit 1946
bei der „Erziehung“ und „Bildung“ zum Bürger selbst ge-
geben.
56
deutschen Sozialpolitik, dem wirtschaftlich Schwachen im
Daseinskampf zu helfen“47. Klar, aber auch drastisch und
höchst aktuell formulierte die FDP Hamburg 1946 in ihren
Programmatischen Leitsätzen: „Zur Verteidigung der Wirt-
schaftsfreiheit und des Völkerfriedens ist gegen das Herr-
schaftsstreben finanzkapitalistischer oder privatmonopoli-
stischer Besitzgruppen das Hoheitsrecht des Staates
einzusetzen.“48
57
- Wann und wie weit ist über die Gestaltung des Ordnungs-
rahmens für soziale Sicherheit hinaus auch spezielle Sozi-
alpolitik notwendig?
49 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, in: Karl Vorländer (Hrsg.), Imma-
nuel Kant, Kleinere Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik,
2. Auflage, Leipzig 1922, S. 125.
58
nerliche Zwistigkeiten den Zweck des Staates ausma-
chen und seine Wirksamkeit beschäftigen muß; da ich
bisher nur negativ zu bestimmen versuchte, daß er die
Grenzen seiner Sorgfalt wenigstens nicht weiter aus-
dehnen dürfe.“50
50 Wilhelm von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirk-
samkeit des Staates zu bestimmen (1792), Stuttgart 1967, S. 30f., 33ff.,
58f. und 203ff.
59
mit „notwendig“ zu staatlicher Gestaltung der Ordnung füh-
ren. Können heute nur Bürgerkriege wie zuletzt in Europa auf
dem Balkan – oder partiell in Irland oder Spanien – zu den
„inneren Zwistigkeiten“ gerechnet werden? Für die neolibe-
ralen Väter der deutschen Marktwirtschaft war die Antwort
klar: Spätestens seit den Erfahrungen des 19. Jahrhunderts
gehört zu den „inneren Zwistigkeiten“ auch die soziale Frage
und damit die notwendige Staatsaufgabe, ordnungspolitische
Rahmenbedingungen für sozialen Frieden im Inneren zu set-
zen, also für Eigenverantwortung und subsidiäre Solidarität.
60
klamierte.“ 51 Für die Außenwirtschaftspolitik ergänzen die
„Programmatischen Leitsätze der FDP Hamburg“ 1946:
„Endziel ist die Wiedergeburt einer im Wettbewerb der
Leistungen freien Weltwirtschaft.“52
61
z.B. durch die englische Ostindische Handelskompanie und
die Niederländische Ostindische Handelskompanie. Anson-
sten ist selbst mit Kants Verweis auf den „wechselseitigen
Eigennutz“ die nur aus dem „Handelsgeist“ abgeleitete Hoff-
nung angreifbar, Freihandel führe zu Frieden.
54 Adam Smith ist nicht nur beim Eigennutz präziser als Immanuel Kant:
entgegen den massenhaften Fehldeutungen der „unsichtbaren Hand“ des
Marktes, die schon alles zum Nutzen des Gemeinwesens regele, woran
wir Liberale angeblich glauben. Genau genommen, ergibt sich eine Vorbe-
dingung für die Ablösung des Gewaltprinzips alter Raubstaaten wie Rom
durch das Tauschprinzip des Marktes schon aus der Theorie von Markt und
Arbeitsteilung: Je größer der Markt, desto größer der Grad der möglichen
Arbeitsteilung. Für wohlstandsfördernde Arbeitsteilung muss man also – in
den Worten von Heuss – nicht „den Raub fremden Landes als Kriegsziel“
wählen, sondern konnte durch Tausch – ohne Gewalt und Krieg – über den
bei Freihandel größeren Markt die wohlstandsfördernde Arbeitsteilung und
62
bedingungen ist diese friedensfördernde Kraft der Markt-
wirtschaft am Ende das Beste an der Marktwirtschaft.
Welche Krisen und Katastrophen dem modernen Staat noch bestimmt sind,
läßt sich nicht absehen. Seine Stellung ist insbesondere noch dadurch gefähr-
det, dass er die Grenzen seiner natürlichen Wirksamkeit bei weitem überschrit-
ten hat. Er ist ein außerordentlich komplizierter, in alle Verhältnisse eingrei-
fender, alles regulieren wollender und darum in jeder Hinsicht unzweckmäßig
funktionierender Organismus geworden. Das wirtschaftliche Leben will er in
derselben Weise beherrschen wie das geistige. Um sich in ausgedehnter Weise
zu betätigen, arbeitet er mit einem Apparat, der an sich schon eine Gefahr
bedeutet.
(Albert Schweitzer: bereits „In den Jahren 1914 bis 1917 im Urwald
Afrikas“)
63
nahe nach den historischen Erfahrungen mit nationalsozialis-
tischer Planwirtschaft bei dominierendem Privateigentum
und kommunistischer Planwirtschaft mit minimalem Privatei-
gentum. Die zentrale Frage, welche hoheitlichen Kernaufga-
ben des Staates für die Bürger unverzichtbar oder zumin-
dest für alle Bürger wünschenswert sind, beschäftigte
spätestens seit der Aufklärung alle liberalen Denker. Dazu
gehörte auch die Frage, welche Aufgaben zwingend in der
Planung, Entscheidung, aber auch Verantwortung der Bür-
ger bleiben müssen.
64
Auch Sozialisten hatten nichts gegen einen Staat als guten
Nachtwächter, forderten aber plakativ, dass der Staat mehr
Aufgaben übernehmen müsse, vor allem zugunsten der im-
mer bedeutsamer werdenden Arbeiterschaft. Theodor
Heuss hat allerdings in seiner Rede zur Heppenheimer Pro-
klamation daran erinnert, dass die „Liberalen“ früher an der
sozialen Front gewesen seien als „die Sozialisten“ und „die
Christlichen“ und hatte dabei auch nicht an harter Kritik am
„Manchestertum“ gespart.
65
Wie immer sind das Problem für die Kommunikation des wirt-
schaftspolitischen Programms der FDP nicht so sehr das
Problem die Nuancen bei den historischen Akzenten der
beiden Meister Hayek und Röpke zur sozialen Lage und zur
Ordnung des Währungs- und Finanzsystems.56 Das Problem
sind die in Schlagworten vereinfachenden Apologeten bei-
der Seiten. Schädlich für die Kommunikation des Ja der Li-
beralen zur Staatsaufgabe, die Sozialordnung aktiv zu ge-
stalten, wurde aber schon damals das Diktat medialer
Volksverdummung bei der Verbreitung von Kampfbegriffen
und des Inhalts, den sie dabei den Kampfbegriffen unter-
legten.
66
Erfahrung haben sich, Otto Graf Lambsdorff voran, Liberale
heute mit einigem Erfolg dafür eingesetzt und dazu bekannt,
dass gerade im Bereich von Freiheit und sozialer Verantwor-
tung die Bezeichnung „Neoliberaler“ ein Ehrenname ist –
wenn man als Liberaler auch lieber auf Bindestriche oder
Vorsilben bei „Liberaler“ verzichtet hätte.
verteidigte.
58 In der Welt der politischen Kampfbegriffe reichte „Manchestertum“ na-
türlich nicht, weil es nicht zielsicher genug war. So lag als Kampfbegriff
der Sozialisten in allen Parteien „Manchesterliberalismus“ nahe, gleichgül-
tig, welche Parteigänger sich in der in Manchester gegründeten Bewegung
sozial engagierten – wie nach Cobden in dieser Tradition auch der Sozialist
Philipp Snowden.
67
liegt in diesem Dissens zwischen Heuss und Röpke auf der
einen Seite, von Hayek und vor allem von Mises auf der an-
deren Seite. Dieser Dissens ist nicht nur für die Bewertung
des sozialen Gehalts wirtschaftspolitische Programme der
FDP lehrreich. Verteidiger der Freiheit und der Marktwirt-
schaft können heute daraus vor allem beispielhaft lernen:
Auch in der aktuellen Diskussion um die Verantwortung für
die globale Finanzkrise ist Beschönigung der Tatsachen ein
so schlechter Dienst für die Marktwirtschaft wie der man-
gelnde Mut, auch unpopuläre Aufklärung zum sozialen Ge-
halt der Marktwirtschaft zu wagen, wenn ausnahmsweise
die Tatsachen der Weltwirtschaftskrise so beunruhigend
sind wie in der Krise die Meinungen über die Tatsachen.
59 Detmar Doering hat den wahren Gehalt der sozialen Bewegung, die als
„Manchester-Liberalismus“ diffamiert wird, mit präzisen historischen Fak-
ten belegt. Selbstverständlich hat das vorbildliche soziale Engagement der
Manchester-Bewegung – gemeinsam mit der organisierten Arbeitnehmer-
schaft! – nicht ausschließen können, dass es die von Röpke schonungs-
los kritisierten Proletarisierungserscheinungen im „Kapitalismus“ des 19.
68
alen Zuständen in der Industrie des 19. und Anfang des 20.
Jahrhunderts weltweit nichts zu beschönigen. Wie David
Hume zuvor in seiner „History of England“, so hatte Adam
Smith im „Wohlstand der Nationen“ an der „Lage der arbei-
tenden Klasse“ schon zu Beginn der Industrialisierung nichts
beschönigt, sondern zur Abwehr den damals verbotenen
Zusammenschluss der Arbeiter gefordert, für den später
der Liberale Schulze-Delitzsch so viel geleistet hat.
69
Kulturkrise erkennen, hat ja damals begonnen
[...].Spricht man davon nicht, so bleibt der wichtigste
Teil der Auseinandersetzung unbeleuchtet.“60
70
Grünen einen „Grünen New Deal“ als Werbung für ihr Wahl-
programm 2009 beschlossen haben.61
71
Im wirtschaftspolitischen Programm der FDP hat die Staats-
aufgabe „Gestaltung der Wettbewerbsordnung – national,
in Europa und international“ – ein besonderes Gewicht als
„genialstes Entmachtungsinstrument“ in Wirtschaft und Po-
litik, wie es Franz Böhm formulierte.63 Dieses Bild vom Wett-
bewerb als Entmachtungsinstrument ist heute selbst für
Schüler von Ludwig von Mises, Böhms Kontrahenten in Fra-
gen aktiver Wettbewerbspolitik, ein geflügeltes Wort ge-
worden. Das zumindest lässt für mehr Gleichklang bei der
Kommunikation des wirtschaftpolitischen Programms der
FDP hoffen. Denn der Dissens zwischen Franz Böhm und
allen anderen Neoliberalen auf der einen Seite und Ludwig
72
von Mises auf der anderen Seite hatte nur in der Frage
staatlich gestaltender Wettbewerbspolitik inhaltliche Sub-
stanz. Dieses Ja oder Nein zu aktiver Gestaltung der Wett-
bewerbsordnung war und ist für das wirtschaftspolitische
Programm der FDP eine entscheidende Frage, in der sich
die Programmatik der FDP ausnahmslos mit der Position
von Böhm, Röpke und Eucken deckt.64
73
preisen bei Inflation über administrierte und mit Protektion
bewehrte Mindestpreise in der EWG-Agrarpolitik bis zu
staatlichen Mindestlöhnen z.B. über das Entsendegesetz –
werden auch von der FDP als „Interventionismus“ abge-
lehnt: „Interventionismus“ als Gegenteil von Ordnungspoli-
tik, die versucht, den Verbrauchern so viel Kontrolle wie
möglich in der „Marktwirtschaft als Basisdemokratie“
(Wolfgang Stützel) zu sichern. In der wirtschaftspolitischen
Praxis stößt das Programm der FDP auf Kompromisse in
Koalitionen. Hans-Jürgen Beerfeltz, Bundesgeschäftsführer
der FDP, gehörte zu den ersten, die die Zustimmung der
FDP zum ersten Entsendegesetz als Bruch mit der ord-
nungspolitischen Tradition zugunsten eines Koalitionskom-
promisses mit Bundeskanzler Kohl kommentierten. Nicht
immer folgte die Praxis liberaler Politik den Grundsätzen li-
beraler Programmatik.66
74
III. Marktwirtschaftliche
Ordnungs- und Prozesspolitik
„Die Gesamtordnung sollte so sein, daß sie den Menschen das Leben nach
ethischen Prinzipien ermöglicht.“
(Walter Eucken (1949))
„Es gibt nichts, was nicht sozial wichtig wäre. Es gibt keine
wirtschaftspolitische Maßnahme, die nicht zugleich auch, sei
es direkt oder indirekt, soziale Auswirkungen und soziale Be-
deutung hätte. Wer soziale Interessen vertreten will, sollte
daher sein Augenmerk auf die Gestaltung der Gesamtord-
nung richten.“67
75
ersten Gründungsjahren. Der große Erfolg der marktwirt-
schaftlichen Ordnung in der Amtszeit von Bundeswirt-
schaftsminister Erhard erleichterte FDP-Programmen Erfolg
durch Wiederholung des Bekenntnisses zur marktwirt-
schaftlichen Ordnung und ihres freiheitlichen und sozialen
Gehalts, ergänzt durch die europäische Dimension 1966:
76
1929 oder zumindest nach 1945 gegeben hat. Dennoch
überbieten sich alle Parteien außer der FDP in ihren Behaup-
tungen von „Marktversagen“ derart, dass hochoffizielle Be-
kenntnisse von Parteioberen zur Sozialen Marktwirtschaft
hohl und nach beliebigem Inhalt klingen: bis hin zum offizi-
ellen Neuverständnis des Finanzministeriums im Gesetzes-
text als „Enteignungsbehörde“.
77
1948 wusste man noch – und wer besser als Marion Gräfin
Dönhoff – was „Katastrophen“ sind. Nach nicht einmal zehn
Jahren Gewöhnung an den Erfolg von „Wohlstand für alle“
bis 1966 wurden Krisen weitaus geringeren Ausmaßes als
2009 bereits als Katastrophe mit letzten politischen Konse-
quenzen betrachtet: Die erste Konjunkturkrise mit damals un-
vorstellbar vielen Arbeitslosen - maximal 500000, aber nur
in einem Monat, trug 1966 nach seinem phänomenalen
Wahlsieg nicht nur zum Sturz von Bundeskanzler Erhard bei;
danach kamen vor allem die „68er“.
Seitdem sank für rund zehn Jahre auch die Bedeutung der
Ordnungspolitik zugunsten der makroökonomischen Steue-
rung70 der Wirtschaftsprozesse und zugunsten nicht präven-
tiver Sozialpolitik.71 Die Illusion von „Machbarkeit“ natio-
78
naler Wirtschaftspolitik ist seitdem Legende, von der noch
im Februar 2009 Franz Müntefering berichtet: Helmut
Schmidt habe auf seiner Geburtstagsfeier nicht nur wieder-
holt „Ihr habt ja alle keine Ahnung“, sondern auch daran er-
innert, dass damals nationale Wirtschaftspolitik noch mög-
lich gewesen sei, nicht aber heute angesichts der
„Globalisierung“.72
79
mit den Apologeten also auch beim Unterschied zwischen
Keynes und Keynesianern.73
80
Moden der wirtschaftspolitischen Lehrstühle und der Sach-
verständigen des keynesianischen „Mainstreams“ orien-
tierte.
81
1. Interdependenz von Eigentumsordnung und
Wettbewerbsordnung
82
und Finanzmärkte sowie der Nachhaltigkeit und Langfristori-
entierung der Politik.
83
Die Eskalation der Krise – von „Wir haben über unsere Ver-
hältnisse gelebt“78, über den Auslöser „Immobilienkrise“ bis
zur globalen Finanzkrise und Weltwirtschaftskrise – ist aktu-
eller Anschauungsunterricht für die Interdependenz der
Grundsätze einer funktionsfähigen Marktwirtschaft und zu-
gleich auch für die Interdependenz zwischen Wirtschafts-
ordnung und Staatsordnung. Die Interdependenz wird in die-
ser Krise vor allem durch wiederholte Verletzung
marktwirtschaftlicher Grundsätze deutlich.
84
greift man sie und ihre Funktionsbedingungen sogar besser
als in der sehr plastischen Erläuterung der Dampfmaschine
in der „Feuerzangenbowle“.
85
Entgegen vielen Erwartungen überwanden die USA die wirt-
schaftlichen Folgen des Schocks der Terror-Anschläge rela-
tiv schnell – zur Freude deutscher Exporteure und der rot-
grünen Bundesregierung. Denn damals „lahmte die deutsche
Binnenkonjunktur“ wieder einmal. Also war damals von Fehl-
entscheidung oder gar Haftung der ohnehin politisch nicht
voll unabhängigen Federal Reserve Bank für ihre Geldmen-
gen-Expansion nicht die Rede. Damals wurde die massive
Geldversorgung nicht einmal als Fehlentscheidung der
Bush-Administration angeprangert, obwohl es sonst bei kei-
nem Thema ein geeigneteres Objekt für die Ablenkung von
eigenem Versagen gab als Präsident Bush. Dieses be-
währte Bush-Verfahren klappt dafür heute in der Finanzkrise
mit dem Verweis auf die Schuld an der Krise in den USA bei
starken Einbrüchen deutscher Exporte umso besser.
86
Der Einforderung des Haftungsprinzips in wirtschaftspoli-
tischen Programmen waren daher von Anfang an enge Gren-
zen gesetzt, sobald es um Konkretisierung des Bekenntnisses
zum Haftungsprinzip ging. In den Kieler Thesen von 1977 wird
das Haftungsprinzip erstmals im ordnungspolitischen Kontext
angesprochen (s.u., Teil 3 zur Wettbewerbsordnung); im Wahl-
programm 2009 vom 17. Mai 2009 steht das Haftungsprinzip
wieder in der Mitte der Lösungsvorschläge zur Krisenpräventi-
on (Wahlprogramm >www.fdp.de<, S. 10ff.).
87
Banken und Versicherungen begrenzen“. Schon 1979 hatte
Otto Graf Lambsdorff sogar auf einem Bankentag vor allen
anderen notwendigen Maßnahmen für Transparenz und ef-
fektivere Kontrolle zur Prävention auch mehr Wettbewerb im
Finanzsektor gefordert. So etwas galt bis vor kurzem als
marktwirtschaftlicher „Purismus“, zumal ja deutsche Banken
angeblich gar nicht groß genug sein können, um als „Global
Player“ im globalen Wettbewerb mithalten zu können.80 Zu
Ende gedacht wurde dieser Trend zur Enttäuschung alter und
neuer Sozialisten nicht: Warum dann nicht besser gleich eine
einzige Großbank für die Welt oder höchstens drei Banken im
neuen Trizonesien: eine Großbank für Asien, eine für Amerika
und eine für Europa?81
88
Im Bereich des Produzierenden Gewerbes kam zur Vorliebe
für Großunternehmen aus technologisch-betriebswirtschaft-
lichen Gründen der von „Wirtschaft“ und „Politik“ geteilte
Wunsch, Unternehmenszusammenschlüsse zu erleichtern,
weil angeblich nur große „Global Player“ international wett-
bewerbsfähig seien. Es irritiert Politiker dabei nicht, wie we-
nig diese Behauptung dazu passt, dass alle Parteien die
FDP in ihrem Verweis auf die im Mittelstand geschaffenen
Arbeitsplätze und Lehrstellen imitieren. Speziell in der deut-
schen Auto-Branche kam durch Jahrzehnte erfolgreicher
Unternehmenspolitik auch starkes internes Wachstum der
Unternehmen hinzu, so dass ungefähr jeder sechste Ar-
beitsplatz direkt oder indirekt vom Autoverkauf abhängt.
Dieses volkswirtschaftliche Gewicht wird spätestens zum
Problem für Opel als einer nationalen „Schlüsselindustrie“,
wenn die Überkapazitäten der Automobilindustrie in Europa
auf bis zu 20% geschätzt werden und 2009 für den „Export-
weltmeister“ der internationale Handel so stark einbricht
wie nie zuvor nach dem Zweiten Weltkrieg.
89
schäftigten gefährdet, dann kommt der Konkursrichter; sind
aber ebenfalls 20 000 Arbeitsplätze in einem Großunterneh-
men gefährdet, dann kommt mindestens der Ministerpräsi-
dent, oft auch der Bischof – und heute der Kanzler und
Kanzlerkandidat.
90
diesem Eigentumsverlust der Steuerzahler immerhin der zu
Recht erwartete, regelmäßig größere Nutzen eines funkti-
onsfähigen Finanzmarktes gegenüber, unter dem Strich also
ein regelmäßig positiver Saldo.
91
Es bedurfte in der Tradition des liberalen Ja zum Vorrang
privaten Eigentum also nicht erst der Freiburger Thesen von
1971, um aufzuklären, dass privates Eigentum der Freiheit
und Eigenverantwortung dient, also dem liberalen Men-
schenbild entspricht. 1946 war das für die Landesparteien
der Liberalen eine Selbstverständlichkeit ihrer „bürger-
lichen“ Tradition, die bis heute auf engste mit den kulturellen
Idealen der Aufklärung verbunden ist. Auch im Wahlpro-
gramm 2009, „Die Mitte stärken“, knüpft die FDP an diese
„bürgerliche“ Tradition an.
92
unzweifelhaften Entwicklung der F.D.P. zum Liberalismus“
gekommen. In der FDP sei das Wort ‚Liberalismus’ „nun
nicht mehr verpönt“ gewesen“.
93
Liberale Politik, die von sozialem Engagement getragen wur-
de, ist eben nicht erst in den Freiburger Thesen formuliert
worden, sondern unter anderem bereits im Bekenntnis des
3. Ordentlichen Bundesparteitages vom 21. bis 23. Septem-
ber 1951 zur „sozialverpflichteten Marktwirtschaft“. Dieses
Bekenntnis wurde im Sozialprogramm 1952 konkretisiert –
einschließlich „Innerbetriebliche Mitwirkung“ und „Mitbe-
stimmung in allen sozialen Fragen“, Mitarbeiterbeteiligung
und breiter Streuung des Vermögens.85
85 Vgl. Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 114ff. und oben, außerdem Ju-
lings äußerst positive Bewertung der Sozialbeschlüsse von 1951/1952 und
des darauf aufbauenden Wirtschaftsprogramms 1953 auf 5 Seiten.
94
gerlichen Liberalismus“ und für „demokratischen und sozi-
alen Liberalismus“ von 1968 bis zu den Freiburger Thesen
1971 liegt ein Problem der FDP bis heute – allerdings nicht
mehr technischer Natur: Fast alle Programm-Texte sind in-
zwischen digitalisiert und ohne Juling-, Kaack- oder Verheu-
gen-Bewertungen über das Internet-Portal der FDP verfüg-
bar (>www.fdp.de<).
86 Günter Verheugen fasst diesen Prozess von 1969 bis 1971 dennoch so
zusammen: “Mit den Freiburger Thesen von 1971 hat sich die F.D.P. auch
in ihrem Programm zu dem bekannt, was sie unter der Führung von Walter
Scheel und Hans-Dietrich Genscher, unter dem Einfluß von Karl-Hermann
95
derem Grund 1982: voll moralischer Empörung über das
Ende der Koalition mit der SPD z.B. von Hildegard Hamm-
Brücher, Ingrid Matthäus-Meier oder Günter Verheugen.
Flach, Ralf Dahrendorf und Werner Maihofer seit 1968 geworden war: zur
Partei des demokratischen und sozialen Liberalismus.“ Günter Verheugen
(Hrsg.), Das Programm der Liberalen, Baden-Baden 1979, S. 7. Direkt auf
die Einführung von Verheugen folgt als erstes Dokument die „Nürnberger
Wahlplattform 1969“ mit dem zitierten und anderen Wahlversprechen ein-
schließlich konkreter Vorschläge für breite Streuung des Vermögens ohne
Zwang, gegen das Depot-Stimmrecht der Banken und für aktive Wettbe-
werbspolitik zur Begrenzung von Marktmacht statt Umverteilung, außer-
dem eine Politik für Arbeitsplätze und für ein gerechtes Steuersystem. Vgl.
ebenda, S. 23ff.
96
auch zur Würde des Augenblicks – am Ende seiner Rede
aus Karl-Hermann Flachs Freiburger Rede zitierte: „Ich sage
Ihnen eines voraus: Wenn die freie Gesellschaft in diesem
Lande erhalten bleibt, dann wird die Lösung ihrer Probleme
ungefähr in der Richtung unserer Thesen erfolgen.“87 Zu hof-
fen ist, dass statt dessen die Lösung der Probleme unserer
freien Gesellschaft von 2009 im Geiste der Wiesbadener
Grundsätze von 1997 schon befriedigend gelöst sein wer-
den, bevor sich die FDP 2012 ein neues Grundsatzpro-
gramm geben wird.88
97
beralismus und Kapitalismus“ – nach Flachs nicht zufälliger
Einstimmung in „Kleiner liberaler Katechismus“ – können Li-
berale nach 1971 nur mit äußerster Behutsamkeit zitieren,
schon gar nicht die Häme gegen Unternehmer voll beeindru-
ckender Karikaturen.89
89 Vgl. Karl-Hermann Flach, Noch eine Chance für die Liberalen – eine
Streitschrift, Frankfurt am Main 1971 (Neuauflage 1977: zu den „Kieler The-
sen“?), S. 12ff. und 20ff.
90 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 69.
98
auf Privateigentum und auf freie Entfaltungsmöglichkeit.“91
(s.o.).
Das „Programm der FDP Bayern“ vom 26. März 1946 for-
muliert zur Frage von Enteignungen dagegen durchaus inter-
pretierbar: „Erhaltung des durch redliche Arbeit erworbenen
Privateigentums“92, ähnlich in „Programmatische Leitsätze
der FDP Hamburg“ vom August 1946, die Ausnahmen vor-
sehen: „Die Freie Demokratische Partei hält darum an der
Privatwirtschaft als regelmäßiger Betriebsform fest.“ Die
Begründung, die „darum“ vorausgeht, setzt auf „freie
Selbstverantwortlichkeit, Entschlussfähigkeit und Leistungs-
bereitschaft jedes einzelnen.“93
99
ob Privateigentum an Produktionsmitteln nur „regelmäßige
Betriebsform“ sein solle, beantwortet eindeutig und konkret
mit Randbedingungen zunächst das „Programm der Demo-
kratischen Partei Rheinland-Pfalz“ im Beschluss des Lan-
desparteitags vom 19./29. April 1947 in Bad Kreuznach:
94 Ebenda, S. 81.
100
„6. Sozialisierung Die freie Entfaltung aller schaffen-
den Kräfte ist Aufgabe und Voraussetzung jeder ge-
sunden Wirtschaft. Die Sozialisierung – gleich wel-
cher Form – einschließlich ihres Schrittmachers – der
sogenannten Gemeinwirtschaft – verhindert diese
Entfaltung. [...] Wir lehnen deshalb aus wirtschaft-
lichen und sozialen Gründen die Sozialisierung kom-
promisslos ab.“(Hervorhebung im Original).95
101
tum sogar einen weitergehenden Schutz. Im Gegensatz
zur Weimarer Verfassung kennt das Grundgesetz keine
sog. ‚sozialen Lebensordnungen’ und stellt keine pro-
grammatischen Sozialisierungsgrundsätze auf. Ob von
der Sozialisierungsmöglichkeit des Artikels 15 in Zu-
kunft Gebrauch gemacht wird, ist eine Sache der poli-
tischen Entscheidung des Volkes. Es wird sich darüber
schlüssig werden müssen, ob es chiliastischen sozialis-
tischen Versprechen Vertrauen oder ob es seine Ge-
sellschafts- und Wirtschaftsordnung nach liberalen
Grundsätzen regeln will. Die Freie Demokratische Par-
tei würde das Gesetz, nach dem sie angetreten ist, auf-
geben, wenn sie sich nicht mit allen Mitteln dafür einset-
zen würde, dass von der Möglichkeit des Artikels 15
des Grundgesetzes kein Gebrauch gemacht wird.“96
102
dem 60. Bundesparteitag 2009 in Hannover. Im Wahlpro-
gramm 2009 fordert die FDP als Antwort auf Enteignungen
und Enteignungsabsichten der Großen Koalition:
„Die FDP ist die einzige Partei, die ernsthaft und glaub-
haft wieder aus der Staatswirtschaft aussteigen will.
Die massive Staatsbeteiligung, vor allem im Finanzsek-
tor, kann nur durch die krisenhafte Ausnahmesituation
der Weltwirtschaft begründet werden. Sobald sich die
wirtschaftlichen Bedingungen wieder verbessert ha-
ben, muss mit dem Ausstieg des Staates bei Wirt-
schaftsunternehmen und Finanzinstituten begonnen
werden. Nur mit einem durchdachten Ausstiegsszena-
rio kann der Rückzug des Staates geordnet und zügig
vollzogen werden. Daher sollte die Regierung einen
Re-Privatisierungsrat einsetzen. Der Re-Privatisie-
rungsrat entwirft eine Zeitablaufplanung, die Flexibili-
tätspuffer enthalten sollte und somit die Lage an den
Kapitalmärkten berücksichtigen kann. Als Zeithorizont
sollten fünf bis zehn Jahre angesetzt werden.“97
103
Verruf gebracht hat. Unmittelbar an diesen Absatz schließt
die FDP an:
104
in ihre Vermögensanlage erschüttert. [...] Das ist zugleich Voraussetzung für
die Funktionsfähigkeit der Märkte in der Sozialen Marktwirtschaft, ohne die
Ideen und Fleiß der Bürger den Wohlstand nicht schaffen können, der zu ihrer
Leistung und einer Ordnung der Freiheit passt.
(Jürgen Morlok zu Beginn der Finanzkrise bereits im Oktober 2007) 99
99 Vorwort zur zweiten Auflage von Otto Graf Lambsdorff, Mehr Beteili-
gungskapital – mehr Marktwirtschaft, a.a.O., S. 8.
100 Ebenda, S. 77. (zu den Quellen im Internet: >www.fdp.de<).
Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 77. Das Sozialprogramm 1951/1952 der
FDP fordert zur „Verwirklichung und Sicherung der sozialen Grundrechte“
auch das Recht „auf Eigentum“. Vgl. ebenda, S. 113. Zu den Hamburger
105
Die breite Streuung privaten Eigentums und Vermögens, die
zum Kernbestandteil der liberalen Vision vom Bürger als
Teilhaber der Gesellschaft und Wirtschaft gehört101, wird
ausdrücklich bereits im Sozialprogramm 1952 gefordert und
begründet: Über den Beteiligungsgedanken im „verfeinerten
Leistungslohn“ hinaus gilt für die FDP bei der „Partnerschaft
als Leistungsgemeinschaft“: „Darüber hinaus bejaht die
FDP die auf den Leistungslohn gegründete Beteiligung der
Arbeitenden am gemeinsam erarbeiteten Betriebsertrag.
Sie will damit die soziale Wandlung unseres Gesellschafts-
aufbaues vorantreiben.“
106
Bildung von Kleineigentum auf möglichst breiter Basis und in
den verschiedensten Formen“.102
107
ders zu berücksichtigen. Jegliche Maßnahme, die
zum Ziel hat, private Vermögen umzuverteilen, wird
entschieden abgelehnt.“
103 Vgl. Praktische Politik für Deutschland – Das Konzept der F.D.P., a.a.O.,
S. 200 und 204, >www.fdp.de<.
104 Vgl. Freiburger Thesen 1971, in: Günter Verheugen (Hrsg.), Das Pro-
gramm der Liberalen, a.a.O., S. 70-78. Ausgenommen vom Zwang werden
kleine und mittlere Unternehmen: „ihr Spielraum für eine freiwillige, inner-
betriebliche Beteiligungsform soll voll erhalten bleiben.“ (S. 71).
108
1997 als neuem Grundsatzprogramm werden die Grundsät-
ze der Wahlfreiheit und Freiwilligkeit ausdrücklich bekräftigt:
„Voraussetzung für eine wirksame Beteiligung am Produk-
tivvermögen sind die Freiwilligkeit der Vereinbarung in den
Betrieben und die Wahlfreiheit der Anlageform.“105
109
Die FDP war noch 1969 mit einer „Nürnberger Wahlplattform“
in den Wahlkampf gegangen, die im „Weg“ zu einer möglichst
breiten Vermögensstreuung auf Freiwilligkeit und nichtdiskrimi-
nierende staatliche Förderung der Vermögensbildung setzte.
Unmissverständlich wurde auch der Umverteilung eine Grenze
bei den Wegen zur Vermögensbildung gezogen: „Jegliche
Maßnahme, die das Ziel hat, private Vermögen umzuverteilen,
wird entschieden abgelehnt. Dagegen wird die weitere Privati-
sierung wirtschaftlicher Vermögen der öffentlichen Hand
gefordert.“107
110
festgehalten wird, „die in den Freiburger Thesen niedergelegte
überbetriebliche Vermögensbildung weiterzuverfolgen.“109
111
nicht nur eine Ausnahme von den Grundsätzen der Freiwilligkeit
und Nähe der Bürger zum Gegenstand ihrer Teilhabe. Der Weg
der Zwangsabgabe passte auch nicht zum Grundverständnis li-
beraler Ordnungspolitik, durch Änderung der rechtlichen Rah-
menbedingungen und Wettbewerbsregeln an den Ursachen von
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen anzu-
setzen. Die in den FDP-Programmen als wichtigste erkannte Ur-
sache dieser und anderer Fehlentwicklungen in der Marktwirt-
schaft war Machtkonzentration, vor allem durch Fusionen bzw.
Unternehmenskonzentration: Machtkonzentrationen also, die
heute meist als zwingend angepriesen werden, um als „Global
Player im Wettbewerb mithalten“ zu können.
112
die tatsächliche Autonomie vergesellschafteter Wirt-
schaftszweige in den Händen einer herrschsüchtigen
Bürokratie. Dagegen vermag eine organisatorische Zer-
legung von Kartellen und Konzernen, die nicht einem
überwiegenden Rationalisierungszweck ihre Zusammen-
fassung verdanken, mit der Verhinderung eines neuen
Feudalkapitalismus die Entfaltung wagnisbereiter Per-
sönlichkeitskräfte zu vermehren.“112
112 Ebenda, S. 77f. Vgl. zu den sozialen Folgen und der Gefahr für die
Freiheit durch Vermachtung auch Franz Böhm, Das Reichsgericht und die
Kartelle, in: ORDO-Jahrbuch, Band 1 (1948), a.a.O., S. 211ff.; zum Kontext
mit dem Ordnungsrahmen insgesamt – auch methodisch im Sinne von Mon-
tesquieus „Vom Geist der Gesetze“ bei den Bezügen vgl. im selben Band
Walter Eucken, S. 65f., 83ff.
113 Vgl. Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 126.
113
burger Thesen wird – wenn überhaupt – diese Interdepen-
denz nicht hinreichend beachtet. Wäre diese Interdependenz
gesehen worden, hätten sich die Freiburger Thesen auf die
Wettbewerbsordnung konzentrieren müssen. Dann hätte
der programmatische Verzicht auf Freiwilligkeit der Mitarbei-
terbeteiligung nicht bezahlt werden müssen.
114 Walter Scheel, Für eine Gesellschafts- und Außenpolitik der Toleranz
114
Der kurze – und in der politischen Umsetzung erfolglose –
programmatische Versuch der Freiburger Thesen mit
zwangsweiser Umverteilung bei der überbetrieblichen Mit-
arbeiterbeteiligung könnte ordnungspolitisch allenfalls als
diskutable, deswegen aber noch nicht richtige Politik des
Zweitbesten eingeordnet werden. Denn die bestmögliche
Politik konsequenter Wettbewerbspolitik wurde politisch
nicht versucht. Tatsächlich hatte sich das Problem der Kon-
zentration wirtschaftlicher Macht vor den Freiburger Thesen
sogar verschärft; auf der anderen Seite waren die Fort-
schritte bei der breiten Streuung von Vermögen beschei-
den, speziell beim Produktivvermögen, aber es gab Fort-
schritte bis Anfang der 70er Jahre. Nicht zwangsweise
Umverteilung, sondern Wettbewerbspolitik wäre also die
richtige ordnungspolitische Antwort gewesen.
und Vernunft, in: Karl-Hermann Flach, Werner Maihofer, Walter Scheel, Die
Freiburger Thesen der Liberalen, Reinbek 1972, S. 27; zitiert auch in Peter
Juling, Einführung in die Dokumente, a.a.O., S. 45 und 87.
115
ständische Kultur der Selbständigkeit wurde erst recht über-
sehen, als die meisten Politiker nach Fusionen für mehr in-
ternationale Wettbewerbsfähigkeit115 riefen. Das hat zu
Interessenvertretern wie dem früheren BDI-Präsidenten
Fritz Berg gepasst, der die harte Wettbewerbspolitik Lud-
wig Erhards und der „Neoliberalen“ als „Interventionismus“
attackiert hatte.116
116
So, wie die Freiburger Thesen zwar bei der Mitarbeiterbetei-
ligung in der Kontinuität des liberalen Teilhabe-Gedankens
stehen, bei dem Weg dahin aber mit der FDP-Tradition der
Freiwilligkeit und der ordnungspolitisch besten liberalen Lö-
sung brechen, kann dabei auch die gesamte Haltung zur „Ei-
gentumsordnung“ charakterisiert werden: Die Freiburger
Thesen greifen zunächst in ihrem Eigenverständnis sehr
hoch – und wohl daneben: „Wir stehen heute am Anfang der
zweiten Phase einer von der bürgerlichen Revolution ausge-
henden Reformbewegung auch in der Gesellschaft, wie sie
nicht zuletzt in den tiefgreifenden und nachhaltigen Bewußt-
seinsveränderungen der weltweiten Jugendrevolte sich an-
kündigt.“
117
Zumindest an der Programmatik der FDP seit ihrer Grün-
dung greifen die Freiburger Thesen vorbei, wenn die neue
Gesellschaftspolitik mit „ihren praktischen Konsequenzen
für die Eigentumsordnung (1. Teil), für die Vermögensbeteili-
gung (2. Teil), für die Mitbestimmung (3. Teil)“ so angekün-
digt wird: „Wie auf dem Felde der Bildungspolitik tritt der
Soziale Liberalismus auch auf dem der Gesellschaftspolitik
ein für die Ergänzung der bisherigen liberalen Freiheitsrechte
und Menschenrechte durch soziale Teilhaberechte und
Mitbestimmungsrechte“.118
ten Buch „Neuland“, Kapitel „Über Apos und Opas“: „Die 70er sind inzwi-
schen so lange her, so endgültig vorbei, so hanebüchen unmodern, dass
sich ein Revival lohnt. Diese Zeit ist so unendlich weit von der entfernt, in
der wir leben, dass es rührend nostalgisch, geradezu ‚kultig’ wirkt, sich mit
den Moden und Manieren dieser vergangenen Epoche zu schmücken.“ Das
wirtschaftspolitische Programm der FDP hat das sonst nie getan. Vgl. zum
Zitat Guido Westerwelle, Neuland, München 1999, S. 33.
118 Freiburger Thesen, a.a.O., S. 44.
119 Manifest der Kommunistischen Partei, veröffentlicht im Februar 1848
in London, S. 4ff.
118
sen zu bezichtigen, sie vertrauten auf „den Selbstlauf der
privaten Wirtschaft“120, ist dabei der gebetsmühlenartig wie-
derholte Vorwurf der „Sozialisten in allen Parteien“ an die
Adresse der FDP. Dieser Vorwurf ist zugleich ein Zeichen
für grobe Missverständnisse zum Gehalt marktwirtschaft-
licher Ordnungspolitik in den Programmen der FDP vor den
Freiburger Thesen, nicht nur bei der politischen Konkurrenz
der FDP: In keinem Programm der FDP – ob in den allgemei-
nen Teilen oder in speziellen wirtschaftspolitischen Pro-
grammen seit 1946 – wird der „Selbstlauf der privaten Wirt-
schaft“ auch nur für diskutabel gehalten.
119
Zahl“ Benthams zu dienen hätten. Das sei ein altes Postulat
„des Liberalismus“.121
Ein klares Bekenntnis zur sozialen Tradition der FDP vor den
Freiburger Thesen wäre um so leichter gefallen, weil die
großen Anliegen „soziale Sicherheit und soziale Gerechtig-
keit“ damals von Liberalen noch verteidigt wurden gegen
die Sinnentleerung der Sozialisten, verteidigt auch durch
F.A. von Hayek. Nach rund 30 Jahren zwischen Sinnentlee-
rung und neuer sozialistischer Sinngebung von „sozialer Ge-
rechtigkeit“ als staatliche Umverteilung wurde es vom glei-
chen von Hayek als „Wieselwort“122 zur Distanzierung
freigegeben, statt seinen ursprünglich liberalen Gehalt zu
verteidigen.
121 Ebenda, S. 54. Falsch ist jedenfalls die Behauptung, das Bentham-Zitat
sei ein altes Postulat „des Liberalismus“. Zur Kritik der Neoliberalen am
Utilitarismus und den falschen Etikettierungen vgl. Wilhelm Röpke, Brief an
Oswald von Nell-Breuning mit Einladung zu einer Radio-Diskussion vom 22.
Dezember 1954, a.a.O., S. 136f.
122 Hayek dachte bei „Wieselwort“ daran, dass etwas „wieselt“, also
kaum zu packen ist. Wenn Hayek entgegen seiner Position in „Der Weg
zur Knechtschaft“ und „Die Verfassung der Freiheit“ in späteren Jahren
selbst an der Sinnverschiebung von „soziale Gerechtigkeit“ teilhat, mag
das an Formulierungen liegen, die für ein ausgewähltes Publikum attraktiv
waren. Vgl. als Überblick zu diesen Fragen der Wirtschaftsordnung Hans
Jörg Hennecke, Friedrich August von Hayek, a.a.O., S. 222ff.; Wilhelm
Röpke, Brief an Alexander Rüstow zur ersten Sitzung der Mont-Pèlerin-
Gesellschaft vom 24. April 1947, a.a.O., S. 96. Vgl. dazu auch die Zusam-
menfassung von einem der prominentesten Gefolgsleute von Ludwig von
Mises: Hans-Hermann Hoppe, Einführung: Ludwig von Mises und der Libe-
ralismus, a.a.O., S. 28f. und 33f.
120
Die starke Betonung von staatlicher Umverteilung in den
Freiburger Thesen – über die Progression im Steuersystem
und die Steuer-Zuschüsse an die Sozialversicherungen hi-
naus – wird als notwendige Bedingung einer liberalen Ge-
sellschaftsordnung gesehen. Das erschwerte der FDP die
ordnungspolitische Verteidigung ihres Ziels „soziale Sicher-
heit und soziale Gerechtigkeit“. Denn mit „Umverteilung“
wurde „sozial“ zum Wieselwort mit einem Inhalt, den die
FDP nicht meinte. In den Programmen der FDP ist „sozial“
jedenfalls nie ein „Wieselwort“ gewesen, sondern hatte den
konkreten sozialen Gehalt, den der Neoliberale Walter Eu-
cken den „großen Anliegen der Zeit“ um 1949 gegeben hat-
te.
121
nachfrage gesteuerten Wirtschaftssystem ebenso
eigentümlich, wie die Tendenzen zur Konzentration
des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln.
Sie sind die Kehrseite der durch eben diese Mecha-
nismen gesicherten Leistungsfähigkeit eines solchen
Systems.“124
122
bestimmung demokratisch entgegenwirkt.“126 Vielen Libe-
ralen genügte diese feinsinnige Unterscheidung vom Voka-
bular der Sozialisten offenbar nicht. Denn solche
Formulierungen finden sich in keinem der FDP-Programme
vor und nach den Freiburger Thesen.127
123
Argumenten gegen „die Reichen“ an die Wähler zu bringen
waren.
124
vom betriebswirtschaftlichen Argument gewinnbringenden
Staatseigentums nur das Körnchen Wahrheit, das erst unter
dem Mikroskop sichtbar wird. Übertragen auf die Staatsauf-
gaben, entspricht die Logik komparativer Vorteile folgendem
praktischen Beispiel: Der Oberamtsmann Welsch sei dem
privaten Gärtner Schmitz als Gärtner überlegen, erst recht
aber als Leiter eines Ordnungsamts: als „Produzent von In-
nerer Sicherheit“. Selbst dann ist es für Welsch und Schmitz
– und damit für alle Bürger – gewinnbringender, wenn der
Oberamtsmann Welsch sich auf seine staatliche Hoheits-
funktion spezialisiert und Schmitz auf die Gärtnerei: nicht
ohne Hoffnung, dass er im vielzahligen Wettbewerb gerade
in der Gärtnerei seine Gärtnertalente so verbessern kann
oder muss, dass er den Oberamtsmann Welsch sogar als
Gärtner übertreffen wird: auch absolut gesehen, nicht nur
„komparativ“.
125
wächterstaat“ hinreichend gerecht wird, von der Sicherung
der Freiheitsrechte und Teilhabe aller Bürger mit Chancen
auf ein Leben in Freiheit und Eigenverantwortung ganz zu
schweigen.129
Das Nein der FDP auch 2009 gegen Verstaatlichung als Lö-
sung von Branchen-Problemen bedeutet ordnungspolitisch
nicht, dass der Staat in diesem Bereich keine Aufgabe hät-
te. So ist z.B. der Ordnungsrahmen eines leistungsfähigen
Insolvenzrechts zugleich Präventionskonzept durch seine
Sanktionen und eine Lösung durch Eigentumsübergang
ohne zu hohe Anpassungskosten bei den Arbeitsplätzen im
Falle, dass Prävention die Insolvenz nicht verhinderte. Vor
allem ist die Institution und praktische Durchsetzung des
ordnungspolitischen Haftungsprinzips eine bestmögliche
Prävention gegen Konzentration und gegen das Aufstauen
von Anpassungsdruck: Funktionsfähiger Wettbewerb ist
durch den ständigen Zwang zur Umstellung auf neue Markt-
bedingungen zwar äußerst unangenehm für die Wettbewer-
ber, vermeidet aber systematisch Krisen wie die aktuelle
Weltwirtschaftskrise und ihre gesellschaftlichen und wirt-
schaftlichen Folgen.
126
Wenn sich heute trotz lockender staatlicher „Schutz-
schirme“ bei einem guten, aber verbesserungsfähigen deut-
schen Insolvenzrecht kein neuer privater Eigentümer findet,
der Chancen für unternehmerischen Erfolg sieht, dann ist
auch nicht zu erwarten, dass der Staat als Eigentümer Erfolg
haben kann: ohne dauerhafte Subventionierung auf Kosten
der Arbeitsplätze in den konkurrierenden Unternehmen.130
Das gilt besonders im Falle von Branchenproblemen. Denn
die falschen Produktionspaletten und Fusionen sind nicht
durch die globale Finanzkrise entstanden. In ihrer tatsäch-
lichen Größenordnung sind die Kosten unternehmerischer
Fehlentscheidungen von Managern und Aufsichtsräten nur
früher als ohne Finanzkrise aufgedeckt worden. Durch den
daraus folgenden Nachfrage-Einbruch der Weltwirtschafts-
krise wurden zusätzlich Arbeitsplätze gefährdet: zunächst in
Branchen mit falscher Modellpolitik nicht nur bei Opel und
mit strukturelle Überkapazitäten weltweit, dann über Domi-
130 Politisch – und das heißt vor allem in Wahljahren wie 2009 – bestä-
tigt sich, was Gottfried Haberler zu den volkswirtschaftlich „von keinem
Standpunkt aus haltbaren“ Argumenten für Staatshilfe speziell zum staatli-
chen Zollschutz als Erfahrungssatz festhielt, der auch für den Grenzfall der
Staatshilfe durch Verstaatlichung gilt: „Auf den Laien und den ‚Praktiker’
macht es immer großen Eindruck, wenn ihm die erfreuliche Wirkung von Zöl-
len durch den Hinweis auf die Produktionssteigerung in den zollgeschützten
Wirtschaftszweigen ad oculos demonstriert wird.“ Vgl. Der internationale
Handel (1933), Reprint, Heidelberg, New York 1970, S. 179; zum Zahlungs-
bilanzzusammenhang vgl. F.W. Meyer, Der Ausgleich der Zahlungsbilanz,
Jena 1938: besser als fast jedes Lehrbuch; Hans Willgerodt, Kapitalbilanz
und Devisenströme, in: Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, Festgabe für
Alfred Müller-Armack, hrsg. von Franz Greiß und Fritz W. Meyer, Berlin
1961, S. 459ff.
127
no-Effekte in fast allen Bereichen. Damit stieg die Arbeitslo-
senquote in der OECD mit fast 10% auf den höchsten Stand
seit den 70er Jahren. Das führte damals zur erfolgreichen
Wende für marktwirtschaftliche Erneuerung zunächst in
Neuseeland, den USA, Großbritannien, der Bundesrepu-
blik, Kanada und Australien.
128
Gebrauch gemacht wird.“ Entsprechend klar machte der
Bundesvorsitzende Guido Westerwelle im ZDF-Interview
vom 8. März 2009, dass Enteignung auch kein taugliches
Mittel zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist, als er zu Enteig-
nungsplänen der CDU zusammenfasste: „Das schmerzt.“131
129
genspolitik [...] kann langfristig der Ergänzung der Vertei-
lungspolitik um eine kostenneutrale Komponente dienen.
Sie ist daher ein wichtiger Bestandteil liberaler Wirtschafts-
politik.“ Von Pflichtabgaben und Einspeisung erhöhter Erb-
schaftsteuer in überbetriebliche Mitarbeiterbeteiligung ist
aber nicht mehr die Rede.
130
Vermögensbildung wird freie Eigentumsordnung men-
schenwürdig und glaubhaft.“
133 Vgl. Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 293 und 306f., in
Kurzform wiederholt in „Liberale Standpunkte 1978“ als Ergebnis der in
Kiel eingesetzten Kommission, in der nun auch offiziell neben höchstran-
gigen Führungspersönlichkeiten der FDP Wolfgang Stützel Kommissions-
mitglied war: die direkte personelle Verbindung zu Otto Graf Lambsdorffs
„Wende“ von 1982 als Gründungsmitglied des dafür geschaffenen „Kron-
berger Kreises“ für konkrete Wende-Konzepte in allen Politikbereichen,
Stützel vor allem für Steuer- und Sozialpolitik.
131
men von Anfang an angestrebt wird. Die Folgen der Welt-
wirtschaftskrise werden die Kapitalbildung und möglichst
breite Streuung von Vermögen durch Vermögensverluste
noch stärker zurückwerfen, als sich dies das letzte Mal nach
dem New-Economy-Schwindel Anfang der 2000er Jahre in
den Vermögensstatistiken der Deutschen Bundesbank nie-
derschlug: nun nach der Finanzkrise, ausgelöst durch die
geplatzte Immobilien-Blase in den USA.134 Heute besteht
gegen diesen Trend aber auch eine Chance, dass Unterneh-
men freiwillig ihren Mitarbeitern mehr Beteiligungskapital
anbieten, z.B. über Entgeltumwandlung – oder freiwillig aus
der Not der Krise heraus wie im Falle des Familienunterneh-
mens Schaeffler nach der Übernahme von Continental im-
merhin erwogen.135
Auch wenn aus Krisen so wenig gelernt wird wie aus der
Bibel zu Josephs fetten und mageren Jahren in Ägypten,
dürften Enteignungen im Gegensatz zum Problem der Teil-
132
habe aller Bürger nur Episode bleiben. Selbst die Linke gibt
sich wie 1946 relativ zur SPD und Teilen der Union bei Ent-
eignungen bzw. Verstaatlichungen recht zurückhaltend,
wenn auch nicht mehr ganz so zurückhaltend wie in der
kleineren Finanzkrise Anfang der 2000er Jahre. 2005 ant-
wortete das WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst auf die
Frage zur Haltung der Linken in Sachen „Sozialisierung von
Betrieben“ zwar ausweichend, dafür aber voll zum Kernpro-
blem der Eigentumsordnung von Demokratie und Marktwirt-
schaft: „Der Gedanke über Kapitalismus überwindende
Projekte ist sicher nicht falsch. Gegenwärtig hilft er nicht
weiter.“
133
ger Thesen, daß Freiheit Eigentum braucht und Ei-
gentum Freiheit schafft, ist universell gültig.
134
rungen jetzt und zukünftig notwendig sind [...]“. (Her-
vorhebung im Original).136
136 >www.fdp.de< S. 24. Die Programme der FDP ab Juni 1990 liegen
nicht mehr in der Buchform der beiden Kaack-Bände und der beiden Bände
„Das Programm der Liberalen“ von 1979 und 1990 vor, sind aber überwie-
gend in der Online-Bibliothek über die Homepage der Friedrich-Naumann-
Stiftung für die Freiheit und über die Homepage der FDP verfügbar: >www.
freiheit.org< und >www.fdp.de<.
135
und flächendeckende Tarifverträge nehmen den
Spielraum für eine betriebliche Lohnfindung. Mitar-
beiterbeteiligungen am Produktivvermögen können
dagegen Bündnisse für Arbeit in den Betrieben sein.
[...]
136
Entsprechend fasst der Beschluss „Freiheit, Fairness, Chan-
cen“ von 2007 in der Phase der Arbeit an konkreten Teilha-
be-Konzepten knapp zusammen: „Die freiwillige Beteiligung
von Mitarbeitern an der Gewinnentwicklung ihres Unterneh-
mens ist auszubauen. Sie stärkt ihre Identifikation mit dem
Unternehmen. Gewinnbeteiligungen, die in Form der be-
trieblichen Altersvorsorge ausgestaltet werden, sollen da-
her über die Regeln der Entgeltumwandlung gefördert wer-
den. Dadurch wird die notwendige betriebliche
Altersvorsorge weiter ausgebaut, ohne die sozialen Siche-
rungssysteme zu belasten.“ In diesem Sinne fordert die
FDP auch im Entwurf des Wahlprogramms 2009 mit Schwer-
punkt auf die Altersvorsorge den Teilhabe-Gedanken.138
137
sprechen aber vor allem die Garantien, die Montesquieu in
seiner Ordnungstheorie der „Bezüge“ bzw. Interdepen-
denzen von Recht bzw. Gesetzen zum gesamten Ordnungs-
rahmen im „Geist der Gesetze“ durchdekliniert. 139
139 Vgl. zur Rolle der „Bezüge“ („rapports“) in der Ordnungstheorie, ange-
wandt vor allem von Walter Eucken, Montesqieu, Vom Geist der Gesetze
(1748), als Methode über das gesamte Jahrtausendwerk, a.a.O.; hilfreich
ist dabei auch die Einleitung des Übersetzers der Reclam-Ausgabe Kurt
Weigand, S. 7ff.
140 Vgl. dazu Walter Euckens „Die Daten“ in: Die Grundlagen der National-
ökonomie (1939), 8. Auflage, Berlin, Heidelberg, New York 1955, S. 136f.,
156, 166ff. und 220f. mit dem Beispiel eines Vergleichs von Traditionen in
den USA und Deutschland.
141 Vgl. CNN vom 10. März 2009. Steuergelder der amerikanischen
Staatsbürger wurden übrigens in Milliarden-Höhe von der Versicherung
AIG vertragsgemäß an die Deutsche Bank weitergeleitet. Bei den wahl-
138
„Bezügen“, die spezifisch für Deutschlands politische Kultur
gelten, wird man sich in der Frage der Eigentumsordnung da-
gegen auf die FDP verlassen müssen.
Auf dem Weg über den Wettbewerb wird – im besten Sinne des Wortes – eine
Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns bewirkt und dazu noch das
persönliche Leistungsstreben wachgehalten.
(Ludwig Erhard, Wohlstand für alle (1957))
139
„gesellschaftliche Aneignung privater Leistungserfolge als
Grundelement der wettbewerblichen Marktwirtschaft“.142
140
Das heißt im Gesamtzusammenhang des FDP-Programms
einer Ordnung in Freiheit: Freiheit braucht privates Eigentum
in den Grenzen, die Wettbewerb auf offenen Märkten, das
Haftungsprinzip und der Anstand setzen. Es gehört daher
zur traurigen Wahrheit für die FDP, dass ausgerechnet ein
so großer Liberaler und Intellektueller wie Karl-Hermann
Flach in Fragen der Eigentumsordnung einen negativen Ein-
fluss auf die Freiburger Thesen von 1971 haben konnte, der
fruchtbar hätte sein können: bei Beachtung der Interdepen-
denz der Prinzipien „Privateigentum“ und „Wettbewerb“.
Flachs große Leistungen für die Freiheit und für die FDP,
aber auch das Bemühen um den „lieben Parteifrieden“ er-
klären, warum heute aus den Freiburger Thesen und von
Flach meist sorgsam nur zitiert wird, was zur Umweltvorsor-
141
ge und zur Bildung die Freiburger Thesen und die FDP ziert
– oder der frische Geist neuen Aufbruchs und liberaler
Standfestigkeit in schwerer See 1971, 1982, 1897 und 2009.
144 Guido Westerwelle, Was heißt heute liberal?, in: Von der Gefälligkeits-
politik zur Verantwortungsgesellschaft, a.a.O., S. 11. Westerwelle geht ei-
nige Seiten später auch auf die wegweisenden Forderungen der Freiburger
Thesen zur Umweltvorsorge ein und verdeutlicht dabei, was liberale Stand-
festigkeit beim Bohren dicker Bretter bedeutet: Das Schnellboot FDP kön-
ne beim Verbot der staatlichen Netto-Neuverschuldung „sicherlich nicht
die verfassungsändernde Mehrheit im Deutschen Bundestag herbeiführen.
Aber sie konnte dies auch 1971 nicht, als sie in den Freiburger Thesen
gefordert hatte, den Umweltschutz als Staatsziel ins Grundgesetz aufzu-
nehmen. Diese Mehrheit zu erreichen hat fast 25 Jahre gedauert.“ (S. 15).
145 Auf dem 60. Ord. Bundesparteitag 2009 in Hannover beschloss die
FDP für 2012 ein neues Grundsatzprogramm „in der Fortschreibung der
Wiesbadener Grundsätze“, das also die Wiesbadener Grundsätze auf neue
Herausforderungen anwenden soll (>www.fdp.de<, FDP-Grundsatzpro-
gramm 2012).
142
FDP bei ihrer Lösung für Arbeitsuchende, Steuerzahler,
wirtschaftlich Schwache und für kommende Generationen
zu messen sind.
143
freiheit und des Völkerfriedens“ wird nicht „Verstaatlichung“,
sondern die „organisatorische Zerlegung von Kartellen und
Konzernen“ gefordert. Deutschland sei „verpflichtet zu
ebenso anstrengenden wie wagemutigen Bemühungen um
eine neue Verknüpfung zwischenstaatlicher Wirtschaftsbe-
ziehungen. Ihr Endziel ist die Wiedergeburt einer im Wettbe-
werb der Leistungen freien Weltwirtschaft.“147
144
nung, Währungs- und Finanzmarktverfassung, Steuer- und
Mittelstandspolitik stellen.149
Im Detail hat die FDP, nun unter der Abkürzung „F.D.P.“, die
Weichen für eine konsequente Politik der Wettbewerbsord-
nung bereits 1969 im Nürnberger Beschluss des 20. Ord.
Bundesparteitages „Praktische Politik für Deutschland –
Das Konzept der F.D.P.“ gestellt. Die Hauptsätze von Kapi-
tel III „Wirtschaftspolitik des Fortschritts“:
145
„Ein freiheitlicher Staat braucht eine freiheitliche
Wirtschaftsordnung. Wie in der politischen, so müs-
sen auch in der wirtschaftlichen Ordnung die fort-
schreitende Entwicklung des Ganzen und die Teilnah-
me des einzelnen gewährleistet sein. Dies leistet nur
die Marktwirtschaft. [...] Ein wirksamer Wettbewerb
kontrolliert und begrenzt die wirtschaftspolitische
Macht.“152
146
passte, das auch das G 20-Treffen vom 2. April 2009 in Lon-
don musikalisch begleitete.
147
cher Konzentrationsförderung“ und der dazu passenden
„vorbeugenden Fusionskontrolle“ der Sprengsatz deut-
licher, der zwischen den nebeneinander stehenden Aussa-
gen einerseits gegen „gesellschaftlich unerwünschte“, ande-
rerseits aber für „betriebswirtschaftlich [...] erforderliche
Konzentration“ liegt.
148
sprochen wird: „Staatliches Eingreifen muss sich daher auf
Fälle von Marktversagen beschränken. Pläne einer europä-
ischen ‚Wirtschaftsregierung’ mit Verstaatlichung ganzer
Branchen lehnen wir strikt ab.“156
156 Ein Europa der Freiheit für die Welt des 21. Jahrhunderts, a.a.O.,
>www.fdp.de<, S. 22.
157 Ebenda, S. 30.
149
triepolitischer Traditionen vor allem um die „Weltspitze“
geht. Gerade dann stört es, wenn ausgerechnet dieser
wichtige Teil des Europa-Programms mit einem der Sätze
beginnt, der bei so viel Nachsprechen wohl nicht mehr auf-
gehalten werden kann, nachdem ein Werbe-Texter das Bild
vom Wissen als “Rohstoff“ nun einmal in die Welt gesetzt
hat: „In einer globalisierten Welt wird das Wissen immer
mehr zum entscheidenden Rohstoff.“158
150
Die Versuchung zu Staatshilfen, die mit „Marktversagen“
wegen „externer Effekte“ begründet werden, ist bei neuen
Technologien und „Zukunftsmärkten“ im Kampf um die
„Weltspitze“ schon immer groß gewesen. Umso problema-
tischer ist gerade für diesen Bereich die recht leichtfertige
Anerkennung von Subventionen im Falle von „Marktversa-
gen“ bei externen Effekten im Beschluss des Hannoveraner
Bundesparteitages 2009 zur Sozialen Marktwirtschaft im
21.Jahrhundert.160 Denn es haben sich zum Teil nur neue In-
strumente für „Zukunftsmärkte“ dazugesellt – wie im
20. Jahrhundert die Staatshilfe durch Ausnahme-Bewilli-
gung von Fusionen, seitdem es aktive Wettbewerbspolitik
gegen Marktmacht gibt. Die Zukunft lag zuvor schon einmal
in der Tuch-Industrie, für die England spanische Wollschafe
und Europa chinesische Seidenraupen einschmuggelte,
später der Frachthandel Hollands, den England mit Navigati-
onsakte und drei Seekriegen den Holländern erheblich ab-
jagte. Dafür hatte sogar Adam Smith einen rechtfertigenden
Grund im „externen Effekt“ zugunsten einer starken
britischen Flotte akzeptiert: „As defence, however, is of
much more importance than opulence, the act of navigation
is, perhaps, the wisest of all commercial regulations in
England.“161
151
Adam Smith erhellte in allen anderen Fällen aber den für die
Steuerzahler so kostspieligen Zusammenhang zwischen
dem Nutzen für das Unternehmen und dem Segen für das
ganze Volk gegen die ewig jungen Behauptungen mit wech-
selnden Namen: Was gut ist für die Ostindische Handels-
kompanie, ist gut für England, egal was Flotte und Land-
Truppen zum Geleitschutz der Kompanie kosten.162
Bekannter wurde ein späteres Beispiel, das heute sonder-
bar aufstößt: „Was gut ist für General Motors, ist gut für
Amerika.“ Ob die Automobilindustrie auch heute noch ein
„Zukunftsmarkt“ ist, bezweifeln manche – nicht ohne zumin-
dest diskutable Begründung. „Zukunftsmarkt“ hin oder her:
Das macht nichts, weil die Automobilindustrie nun in jedem
Falle „Schlüsselindustrie“ in allen Staaten mit Automobilin-
dustrie ist: „Was gut ist für Opel, ist gut für Deutschland“.
162 Vgl. ebenda, Band 1, Buch IV, Kapitel I; Band 2, Buch IV, Kapitel VIII.
Für einen Überblick über diesen “Merkantilismus” vgl. im erneut aktuellen
Kontext der Weltwirtschaftskrise Horst Werner, Adam Smith zur Reform
der Weltwirtschaftsordnung, a.a.O., insbesondere Teil I, 1. und 2., Teil II, 4.
152
Einsicht in die komplexen ordnungspolitischen Zusammen-
hänge lassen seitdem viele politische Stellungnahmen in
den USA und Europa aber Zweifel aufkommen, ob wenig-
stens der simple Zusammenhang zwischen den beiden Sei-
ten der Zahlungsbilanz hinreichend verinnerlicht worden ist.
153
darf Sarkozy französische Wähler und Produzenten aber be-
ruhigen.
154
ähnlich – sogar noch höher als Anfang 2009. Damals haben
die Liberalisierungen in allen wichtigen Industrieländern – in
Deutschland nach der Lambsdorff-Wende von 1982 – er-
heblich dazu beigetragen, dass die damalige Krise durch er-
folgreiche Reformen von Neuseeland bis Deutschland so
gründlich in Vergessenheit geraten ist.
155
son mit ihrer Kritik an solcher „beggar my neighbour-policy“
(Joan Robinson) nicht nur ihren Parteifreunden und nicht nur
für wahre „Solidarität der internationalen Arbeiterklasse“
einzutrichtern versucht.
156
satzprogramm der FDP auf Wettbewerbsfragen oder gar
die Weltwirtschaftsordnung nicht ein.
Das galt zuvor ebenso für die Beschlüsse des Bonner Bun-
desparteitages 1970. Die in dieser Phase besonders wich-
tigen Beschlüsse zur Entwicklungspolitik werden der Ar-
beitsgruppe Entwicklungspolitik der FDP-Bundestagsfraktion
(!) überlassen, die im Oktober 1972 die „Thesen zur Ent-
wicklungspolitik 1972“ beschließt: ohne jeden Bezug zur
konkreten aktuellen Welt um Deutschland herum. Diese
sehr allgemein gehaltenen Thesen gehen auf die aktuellen
Gefahren der in allen Industrieländern eskalierenden Protek-
tion für die Entwicklungsländer mit keinem Wort ein.
157
Dagegen gehen die „Thesen des Bundesvorstands für eine
liberale Europapolitik“ 1972 nach Karl Schillers Rücktritt als
Bundeswirtschaftsminister auch im europapolitischen Zu-
sammenhang auf den zum Thema gehörenden weltwirt-
schaftlichen Zusammenhang ein: „Weltweite Wirtschafts-
verhandlungen werden die kommenden Jahre beherrschen.
Dabei geht es darum, den Rückfall in Autarkiedenken und
Protektionismus ebenso zu vermeiden wie die Abschließung
neuer regionaler Blöcke.“166
166 Durch die Auswahl dieses konsequent liberalen Auszugs soll nicht der
falsche Eindruck entstehen, dieses weitblickende Plädoyer für eine Reform
der Weltwirtschaftsordnung präge diese Thesen zur Europapolitik durch-
gehend. Denn zur Abschließung des alten „regionalen Blocks“ EWG und
speziell zur EG-Agrarpolitik sind die Liberalisierungsforderungen der The-
sen höchst behutsam. Auch vor einer EG-Industriepolitik für die „notwen-
digen industriellen Strukturveränderungen“ besteht keinerlei Scheu, da sie
ja mit „marktkonformen Mitteln“ erleichtert werden solle. Was alles damit
an nicht marktkonformen Mitteln gemeint sein könnte, illustriert vor allem
der praktische Gehalt der anspruchsvollen Bezeichnung „EG-Agrarmarkt“.
Vgl. ebenda, S. 160ff.
158
Parteien: die Unsitte, Eigenschaftswörter an klare Haupt-
wörter zu kleben, ohne jeden Mehrwert für die Aussage,
weil inhaltsleer.
159
der Programm-Kommission Chancen der Freiheit“ heißt es
wieder „funktionsfähiger Wettbewerb“170 wie im Wahlpro-
gramm 2009. Dort wird in der Präambel als Ziel jedoch
„fairer Wettbewerb“ gefordert: sprachlich und in der Sache
durchaus inhaltsvoll, allerdings von anderen Parteien und
Nichtregierungsorganisationen als attraktive Worthülle oft
missbraucht und im Stile von Orwells „1984“ verwendet für
Beschränkungen vor allem des internationalen Wettbewerbs.171
160
politik in den Hintergrund geraten: Statt der Weiterentwick-
lung der WTO zu einer globalen Wettbewerbsordnung gilt
es nun aktuell, protektionistische Reaktionen auf die Krise
zu verhindern. Denn nach 1929 war es erst die Eskalation
von handelspolitischer Protektion, die in die Weltwirtschafts-
krise mit all ihren politischen Folgen führte.172 Außenwirt-
schaftliche Protektion wurde erkennbar mehr und mehr zu
dem, was sie dürftig versteckt schon immer war, seit die
Griechen gegen den Handel mit „Barbaren“ polemisierten
oder z.B. die Engländer Zuchtschafe gegen das spanische
Exportverbot einschmuggelten, um anschließend mit Zöllen
den Aufbau der englischen Tuch- und Bekleidungsindustrie
zu schützen.
172 Vgl. als Überblick über diese Zeit Wilhelm Röpke, International Econo-
mic Disintegration, London 1942.
173 Vgl. dazu Wolf-Dieter Zumpfort, The Crisis of the WTO, Vortrag auf
dem Kolloquium „Global Freedom? – The Future of International Gover-
nance“ des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-
heit vom 9.–11. November 2007, Occasional Paper 41, zu beziehen über
>www.freiheit.org<, Liberales Institut, Publikationen.
161
„Industriepolitik“, von traditionellen Instrumenten wie „Kauft
deutsche Zitronen!“174 über Bevorzugung „inländischer An-
bieter“ bei Ausschreibungen – bereits bekannt in jedem Ge-
meinderat – und Subventionen bis zu Mengen- und Wert-
kontingenten wurden z.B. unter dem Namen „strategische
Handelspolitik“ in Wirklichkeit mehr und mehr zu einem Pro-
blem, das durch globale Kooperation in der Wettbewerbs-
politik zu lösen war. Das war der Hintergrund dafür, dass die
FDP im Programm zur Bundestagswahl 1994 die Weiterent-
wicklung der WTO zu einer globalen Wettbewerbsordnung
forderte.175 Im Wahlprogramm 2009 hält die FDP auch an
der Langfristorientierung ihrer Wettbewerbspolitik trotz der
Konzentration auf die aktuelle Krise fest und fordert dazu
auch die EU auf:
162
„Als exportorientierte Volkswirtschaft ist Deutsch-
land auf offene, freie und faire Märkte und Wettbe-
werb angewiesen. Die EU muss sich im Rahmen der
WTO auf den Erhalt des multilateralen Welthandels-
systems einsetzen. Die FDP fordert eine unverzüg-
liche Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen. Um
die Verhandlungen wiederzubeleben, schlägt die
FDP vor, den WTO-Generalsekretär als Schlichter
einzusetzen. Zur Sicherung freier und fairer Märkte
will die FDP ein unabhängiges Europäisches Kartell-
amt und internationale Wettbewerbsregeln unter
dem Dach der WTO.“176
163
tion nach 1929 eine notwendige Selbstverständlichkeit. Für
Freihandel, der Wohlfahrt und Frieden weltweit fördert, ist
das zu wenig. Über den Tellerrand der aktuellen Krisenbe-
wältigung hinaus muss die Weiterentwicklung der WTO zum
Kern einer globalen Wettbewerbsordnung vorangetrieben
werden: als Strategie der Prävention, zusammen mit der
multilateralen Liberalisierung des Welthandels.
4. Das Haftungsprinzip:
Freiheit und Verantwortung
164
cher Kernpunkte oder Grundsätze so sehr Alltag werden,
dass Politiker erst in der Not mit konsequenten Reformen
reagieren, wenn die Rückkehr zu Vernunft und Verantwor-
tung teuer geworden ist. Das Haftungsprinzip im Wirt-
schaftsrecht ist das zentrale Prinzip der Marktwirtschaft,
das aus guten und schlechten Gründen selbst in den wirt-
schaftspolitischen Programmen der FDP lange Zeit nicht
das Gewicht hatte, das ihm in Walter Euckens „konstituie-
renden Prinzipien“ der Marktwirtschaft zukommt.
165
Die vorindustrielle Selbstverständlichkeit „Wer den Nutzen
hat, muss auch den Schaden tragen“ hatte als Haftungs-
grundlage vor 60 Jahren noch Raum, der für Konsumenten
durch Geschäftsbedingungen zunächst nicht allzu eingeengt
war. Das änderte sich zunehmend. Darum ist denn Walter
Eucken die Haftung als „konstituierendes Prinzip“ der
Marktwirtschaft die notwendige Ergänzung des konstituie-
renden Prinzips „Vertragsfreiheit“: Vertragsfreiheit darf
nicht bedeuten, dass Haftung in Verträgen – oder ohne for-
malen Vertrag – beliebig beschränkt werden kann. Es geht
also beim Haftungsprinzip und der Gewerbefreiheit um ei-
nen speziellen Anwendungsfall der Einheit von „Freiheit und
Verantwortung“.
177 „Allianz schluckt Dresdner Bank“: Ein kräftiger Schritt von der Markt-
zur Machtwirtschaft, Orientierungen der Ludwig-Erhard-Stiftung, Heft 89,
Sept. 2001, S.15ff.
166
mittelständischer Unternehmer die Rede sein, meist Eigen-
tümer-Unternehmer. Bei Managern von Großunternehmen
nähert sich der Grad ihrer effektiven Haftung der weitgehend
fehlenden Haftung von Politikern für Fehlentscheidungen.
167
Das Haftungsprinzip fehlt trotz ständig lauter werdenden
Forderungen nach härterer und präventiver Wettbewerbs-
politik gegen Marktmacht auch in den FDP-Programmen bis
zu den „Freiburger Thesen“ von 1971. In den Freiburger
Thesen wird wiederum die weiter gestiegene Marktmacht in
aller Deutlichkeit kritisiert, nun fehlt aber nicht nur das Haf-
tungsprinzip, sondern sogar die Wettbewerbspolitik insge-
samt.179 Das war in der „Nürnberger Wahlplattform 1969“
noch völlig anders. Die FDP forderte vor der Wahl deutlich
und konkret wie nie zuvor eine „Abkehr von einseitiger Kon-
zentrationsförderung“, hervorgehoben sogar als Rand-Über-
schrift; außerdem: „eine Verschärfung der Missbrauchs
aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen; eine
vorbeugende Fusionskontrolle, um gesellschaftspolitisch
unerwünschte, betriebswirtschaftlich nicht erforderliche
Konzentrationen zu verhindern.“180
168
im sozialen Rechtsstaat“ wird in These 4 der Zusammen-
hang zwischen Wettbewerb und Haftung explizit hergestellt:
169
mung mit unseren gesellschaftlichen Werten und
Normen steht und der Vorbildsfunktion der Füh-
rungspositionen gerecht wird.“183
170
ausdrücklich auch die Fortsetzung eines Unterneh-
mens zählt, angewandt wird. Bei international tätigen
Großbanken löst eine Insolvenz aber derzeit oft eine
unkontrollierbare Kettenreaktion aus. Wir brauchen
daher künftig Regeln, die diese Begleitschäden be-
schränken, ohne die Eigentümer zu entlasten. Daran
wird die FDP in Regierungsverantwortung arbeiten.“
(alle Hervorhebungen im Original).184
171
dass sich unsere soziale Marktwirtschaft zu einer
ökologischen Marktwirtschaft weiterentwickelt.“185
172
nicht jedes Mittel. So ist der behauptete Gegensatz von
Ökologie und Ökonomie frei von jedem Verständnis für
Marktwirtschaft, Ökonomie und Ökologie. Solche Thesen
passen besser zu den Grünen von gestern als zu den Libe-
ralen von heute. Ähnlich problematisch ist die Neigung, den
Eigennamen der Marktwirtschaft in Deutschland durch Pro-
gramme ständig ändern zu wollen. Für jeden, der von Markt-
wirtschaft redet und für die deutsche Wirtschaftsverfas-
sung den Namen „Soziale Marktwirtschaft“ anzuwenden
weiß, musste nicht erst Carl Christian von Weizsäcker 1984
darüber aufklären, was auch sein Bruder und Ökologe Ernst
Ulrich weiß: „Ökologie ist langfristige Ökonomie.“187
Wer das begriffen hat, erfasst auch das Problem aller Um-
weltvorsorge, die regelmäßig Reparaturnotwendigkeit an
geschädigter Umwelt minimieren hilft: Es ist neben Defekten
der Eigentumsordnung das betriebswirtschaftliche Kurzfrist-
denken von Politikern, Produktionsinteressenten und Ver-
brauchern, das der Langfristorientierung marktwirtschaft-
licher Ordnungspolitik entgegensetzt ist. Das macht
marktwirtschaftlichen Umweltschutz so schwierig, wenn
von Sonderinteressen abhängig gebliebene Politiker nicht
187 Carl Christian von Weizsäcker, Nur hohe Preise, nicht Verbote schüt-
zen knappe Güter, in: Die Wende. Eine Bestandsaufnahme der deutschen
Wirtschaftspolitik, Wolfram Engels, Armin Gutowski, Walter Hamm, Wern-
hard Möschel, Wolfgang Stützel, Carl Christian von Weizsäcker, Hans Will-
gerodt („Kronberger Kreis“) (Hrsg.), Bad Homburg 1984, vergriffen und
wieder abgedruckt in: Mehr Mut zum Markt, Handlungsaufforderungen,
Kronberger Kreis (Hrsg,), Band 1, Stuttgart 1984, S. 26.
173
den Mut zu unbequemer Langfristorientierung aufbringen.
Denn erst bei Langfristorientierung kann das Verursacher-
prinzip im Umweltschutz mit Gewinn für die Menschen und
ihre Umwelt angewandt werden. Ansonsten liegt der be-
hauptete Gegensatz von Ökologie und Ökonomie für Libe-
rale auf dem inhaltlich so nahen wie niedrigen Niveau des
lange Zeit behaupteten Gegensatzes „Rechtsstaatslibe-
rale“ versus „Wirtschaftsliberale“: Auch dieser Nonsens ist
kein Beitrag beim Auftrag der Parteien, an der Willensbil-
dung des Volkes mitzuwirken.
188 Die Überschriften der ersten Studien des Kronberger Kreises wie z.B.
„Die Wende“, „Mehr Mut zum Markt“ oder „Mehr Markt im Arbeitsrecht“
verdeutlichen das ebenso wie die Gründungsgeschichte des Kronberger
Kreises als ordnungspolitischer Beraterkreis von Lambsdorffs Wende. Vgl.
ebenda, S. 9 und 26ff.
174
eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe vor allem aus Vertretern der zu-
ständigen Fachgremien gebildet, um in der Endredaktion für
die Beschlussvorlage Einigung auf einen gemeinsamen Pro-
grammtext zu erreichen.
189 Vgl. Liberal denken. Leistung wählen., Das Programm der F.D.P. zur
Bundestagswahl 1994,> www.fdp.de<, S. 35.
175
präsidentin eine Mehrheit von zwei oder drei Stimmen für
diesen Zusatz feststellte und Otto Graf Lambsdorff den
Bundesparteitag fast verlassen hätte. Die zwei Jahre bis
zum beschlossenen nationalen Alleingang sind dann aller-
dings vergangen: ohne nationale CO2-/Energiesteuer 1996
und auch ohne Anmahnung, diesen Teil des Beschlusses
politisch umzusetzen.
176
- „Die ökologische Orientierung der Marktwirtschaft setzt
zusätzliche Innovationsimpulse frei. Diese müssen so-
wohl zur konsequenten Verbesserung des Umweltschutzes
als auch zur ökonomischen Stärkung des Standortes
Deutschland genutzt werden.“
177
Umweltvorsorge und stärken die Leistungsfähigkeit des
Standortes Deutschland.“190
178
5. Die Ordnung von Währung und Finanzmarkt
Wir haben doch nicht vor 20 Jahren für die deutsche Einheit gekämpft, um
jetzt im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise zu erleben, wie Sozialismus
und Kommunismus durch die Hintertür wieder was zu sagen haben.
(Guido Westerwelle am 7. März 2009 193 )
179
rung“ und „Ordnung“ entscheidet über die „Finanzmarktkul-
tur“: national, in Europa und global.
180
Die Folgen für das globale Finanzsystem sollen zunächst
ganz plastisch illustriert werden, um die Unterschiede zum
Ordnungsproblem vor 60 Jahren herauszustellen: Kleine
Häuser, riesige Villen mit und ohne Kitsch in Spanien oder
den USA konnten – wenn überhaupt – oft nur zur Hälfte
oder einem Drittel des erwarteten Preises verkauft werden,
den der Eigentümer an den Gläubiger „Bank“ zu zahlen
wohl vorhatte, nun aber nicht zahlen kann. Und in der Boom-
Stadt Peking stehen neue Büro-Wolkenkratzer ohne Mieter
oder Käufer leer, so dass ihr realer Wert entsprechend sinkt
bzw. die Renovierungskosten entsprechend steigen
könnten, bis sogar der Abriss billiger wäre. So wurden For-
derungen von Gläubigern, meist Banken, wertlos, und weil
diese Forderungen ebenso wenig in Banken herumliegen,
wie Geld nicht in der Schweiz, in Liechtenstein oder Luxem-
burg „liegt“, kommt jeder in Probleme, der viel von solchen
Forderungen und auch von anderen verbrieften „Giftpapie-
ren“ hält, in der Spitze dabei Landesbanken mit einem Anteil
von bis zu Zweidritteln solcher Papiere.
181
Geldwertstabilität verpflichteten Zentralbank: von der
„Bank der deutschen Länder“ über die Deutsche Bundes-
bank bis zur Europäischen Zentralbank. Das Wahlpro-
gramm 2009 „Die Mitte stärken“ setzt diese Tradition fort
mit der „Konzentration der Finanzaufsicht bei der unabhän-
gigen Bundesbank“ und der Forderung, mittelfristig eine
EU-weite Bankenaufsicht „bei der EZB anzusiedeln und in
den EU-Verträgen abzusichern“.194
194 Vgl. dazu den Abschnitt “Kreditpolitik” der “Bremer Plattform 1949”,
beschlossen auf dem 1. Bundesparteitag der FDP am 11. und 12. Juni
1949 in Bremen, ebenda, S. 100; Wahlprogramm 2009, Die Mitte stärken,
>www.fdp.de<, S. 10f.
182
menten, was wann wo mit welchen Technologien produziert
wird.
183
Konsum als letztes Ziel und Objekt alles Wirtschaf-
tens und Handelns.“
195 Wealth of Nations, Band 2, IV. Buch, Kapitel VIII, letzte zwei Seiten:
wie z.B. auch in der deutschen Recktenwald-Übersetzung, a.a.,O., S. 558f.
184
eignungsbehörde“ bezeichnet196, nachdem der ganze
Schwindel aufgeflogen ist, dessen Ursachen aus falscher
Politik auf Pump und hemdsärmligem Durchsetzen von Son-
derinteressen schon Adam Smith beleuchtet hatte.
185
Hunger alter Art; aber in ihrer Rolle als Produzenten sitzen
sie mit den anderen Vertretern von Sonderinteressen im
selben Produzenten-Boot. Ihre Rufe werden in der Demo-
kratie vor allem in Wahljahren über Parteigrenzen in Bund
und Ländern hinaus viel eher gehört als die Rufe der Unter-
nehmer-Seite, die ihre schwergewichtigen Rufer in den Be-
trieben und in Demonstrationen hat. Wirtschaftspolitik im
volkswirtschaftlichen Interesse aller Arbeitsplätze, wie sie
zum Programm der FDP passt, hat es dann schwer, weil die
Vertreter von Sonderinteressen Druck auf die Parlamente
machen.
186
Stück einer bürgerlichen Gesamtordnung und in ih-
rem Schutze gedeihen. Das soll heißen, dass sie
eine Gesellschaft voraussetzt, in der bestimmte
grundlegende Dinge respektiert werden und dem
ganzen Gewebe der gesellschaftlichen Beziehungen
Farbe geben: individuelle Anstrengung und Verant-
wortung, unantastbare Normen und Werte, im Eigen-
tum verankerte Unabhängigkeit, Wägen und Wagen,
Rechnen und Sparen, selbstverantwortliche Lebens-
planung, rechte Einbettung in die Gemeinschaft, Fa-
miliensinn, Sinn für Überlieferung und die Verbun-
denheit der Generationen bei offenem Blick für
Gegenwart und Zukunft, rechte Spannung zwischen
Individuum und Gesellschaft, feste moralische Bin-
dung, Respekt vor der Unantastbarkeit des Geld-
wertes, der Mut, es mit dem eigenen Leben und sei-
nen Unsicherheiten männlich auf eigene Faust
aufzunehmen, der Sinn für die natürliche Ordnung
der Dinge und eine unerschütterliche Rangordnung
der Werte. Wer darüber die Nase rümpft und dahin-
ter ‚Restauration’ und ‚Reaktion’ wittert, ist ernsthaft
zu fragen, für welche Wertordnung und Leitbilder er
denn im Kampfe mit dem Kommunismus in die
Schranken zu treten gedenke, ohne bei ihm selbst
Anleihen zu machen.“197
187
Dieses Plädoyer im Geiste Schillers für eine Verfassung der
Freiheit, die nur vom Charakter der Bürger geschaffen und
erhalten werden könne, klingt aktuell wie der Auftakt zu
einem Dialog zwischen Wilhelm Röpke und Oskar Lafon-
taine klingen würde. Bei einem solchen Dialog könnte es
durchaus dazu kommen, dass Lafontaine trotz seiner
früheren Polemik gegen „Sekundärtugenden“ Röpke bei
dessen Anmahnung von Tugenden sogar recht geben dürf-
te: Es könnte ja heute linker Polemik gegen den „Kapitalis-
mus“ helfen. Und Lafontaine kritisiert wie jeder Politiker in
allen Parteien das skandalöse Verhalten von Einzelnen der
vorgeblichen „Wirtschaftselite“ zu Recht, wenn auch mit sei-
nen Motiven. Denn „Marktwirtschaft“ ist nur die Kurzformel
für die Menschen, die in dieser Wirtschaftsordnung produ-
zieren und verbrauchen. Dazu gehören selbstverständlich,
wie Lafontaine auch, manche Banker, die durch Skandale
die Marktwirtschaft in Verruf bringen.
188
Wenn es den Linken also nur oft genug gelingt, nicht Hegel,
sondern Röpke „auf den Kopf zu stellen“, bleibt von der ein-
gängigen Kapitalismus-Schelte genügend an der Marktwirt-
schaft hängen.
189
Rückkehr der Werte werde als „Restauration“ und „Reakti-
on“ diskreditiert werden. Dieser Vorwurf wäre Theodor
Heuss in den siebziger Jahren von Parteifreunden wahr-
scheinlich auch dann noch gemacht worden, wenn er nicht
für die bürgerlichen Tugenden eines sparsamen, sturm-
festen schwäbischen Patrioten gestanden hätte, sondern
wie Röpke sturmfester, sparsamer Niedersachse gewesen
wäre. Im Zeitgeist von 68er Studenten wurde über solche
„spießigen“ Tugenden tatsächlich die Nase gerümpft und
überall „Restauration“ gewittert.
190
nach der New-Economy-Blase200 ein herber Rückschlag für
private Alterssicherung und für das Vertrauen in die Siche-
rungsfunktion der marktwirtschaftlichen Ordnung: Zu viele
Sparer sind zu oft von Lügen bis hin zu krimineller Energie in
höchst riskante Anlagen für ihre Ersparnis verleitet worden;
die staatlichen Aufsichtsbehörden haben trotz extremer Re-
gulierungsdichte auf dem Finanzmarkt versagt. 201
Viel mehr und viel häufiger haben Menschen aber ganz ein-
fach gekauft, was sie sich nicht leisten können: ein zu großes
Auto, ein zu großes Haus, zu viel elektronische Berieselung.
Man lernt von den USA eben nicht durch Häme über den
Kreditkarten-Rausch und die niedrige Sparquote in den
USA. Denn auch das ist der deutsche Normalfall in fast 60
Jahren: Ludwig Erhards „Maßhalte-Appelle“ wurden und
werden fast immer belächelt, nur ausnahmsweise in Krisen
deutete sich eine Ahnung von Maß und Mitte in der persön-
lichen Lebensführung an.
200 Vgl. dazu die Statistiken der Deutschen Bundesbank in Otto Graf
Lambsdorff, Mehr Beteiligungskapital – mehr Marktwirtschaft, a.a.O., S.
25ff. und die Tabellen im Anhang, S. 66ff.
201 Vgl. Susanne Maria Schmidt, Olaf Steglich, Aus gegebenem Anlass –
oder warum die Ordnungspolitik das einzige Mittel für die Finanzmärkte ist,
Position Liberal 77 des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung
für die Freiheit, Potsdam 2009, >www.libinst.de<.
191
den kleinere Autos nicht nur deswegen gekauft, weil der
prozentual größere Anreiz von 2500 Euro bei Kleinwagen
liegt. „Nur fliegen ist schöner“ aus der Werbung der 70er
Jahre und mindestens „177 PS“ aus der Autowerbung von
2008 sind in der Krise etwas aus der Mode gekommen.
Noch deutlicher als Indiz für Zweifler an dieser Beobachtung
ist bei einem anderen „Liebling“ der Deutschen der unge-
brochene Anstieg von preiswerterem Bier mit Kastenprei-
sen um 6 Euro auf einen Marktanteil von rund 25%. Zweifel
sind jedoch stets angebracht, ob nachhaltig wirkt, was als
Einsicht aus der Not geboren wurde. Kurzfristig bedeutet
Umdenken der Konsumenten in der Produktion Umstel-
lungsprobleme mit Anpassungskosten vor allem für Arbeits-
plätze.
192
schen zu oft riskante Konsum-Entscheidungen gemacht ha-
ben: Dieses Verhalten wurde um so gefährlicher, seit Ar-
beitsplätze nicht mehr sicher sind, vor allem seit über 30
Jahren, nachdem zuvor bis Mitte der 70er Jahre „45 Jahre
Arbeit in Vollzeit-Beschäftigung“ nicht selten gewesen war.
Das aber dürfte wahrscheinlich eine historische Einmaligkeit
der Ludwig-Erhard-Generation sein, in der zumindest fast
alle Männer 45 Jahre lang einen „Arbeitsplatz“ hatten. Oft
wurden aber auch die 45 Jahre Vollzeit-Arbeit für die Rente
nur einschließlich angerechneter Zeiten von Kriegsdienst
und Gefangenschaft erreicht.
202 Auch über diese zeitliche Dimension aller Bewertungen hatte sich
Chamfort Gedanken gemacht, die nicht nur bei der Bewertung von Ab-
wrackprämien hilfreich sein können: „Darin liegt das Unglück der Mensch-
heit im gesellschaftlichen Zustand: Obwohl man in Moral und Politik sa-
gen kann, das Übel sei, was schadet, kann man nicht sagen, das Gute
sei, was nützt; denn was einen Augenblick von Nutzen, kann lange oder
für immer zum Schaden sein.“ Zur wirtschaftspolitischen Kunst gehört bei
aller notwendigen Langfristorientierung der Wirtschaftspolitik dennoch das
Notwendige zur Entschärfung von Anpassungskrisen der kurzen Frist so
zu tun, dass über die gesamte lange Frist Schaden aus dem Nutzen in der
kurzen Frist der Krisenbekämpfung abgewendet wird.
193
Ende des deutschen Vereinigungsbooms wenigstens darü-
ber beunruhigt sein müssen: Fast 20 Jahre lang beruhte die
durchaus nicht lahmende Binnenkonjunktur der USA trotz al-
ler großen Arbeitsplatz- und Einkommenserfolge nach
Ronald Reagans Reformen ab 1982 in hohem Maße auf pri-
vatem Pump und – nach kurzen Haushalts-Überschüssen –
auf später noch gewaltiger steigenden Haushaltsdefiziten
vor allem für Rüstungsaufträge, höher sogar als während
der Reagan-Administration. Vor allem waren aber in Deutsch-
land nicht genügend Arbeitsplätze mit den guten Einkom-
men geschaffen worden, die allein solide Grundlage für eine
kräftigere „Binnenkonjunktur“ gewesen wären.
194
den können, wurde eigenartigerweise erst gesehen oder
ausgesprochen, als auch die Analytiker schon mitten in ihrer
Prognose-Krise standen. Das Problem von Ländern wie Is-
land wurde dagegen bei der Werbung für den Euro sehr
wohl gesehen und war 2009 Teil des Europa-Wahlkampfs.
203 Vor sechs Jahren hat John Plender, als langjähriger Kolumnist der Fi-
nancial Times, nahe an den Zeitenwenden der Praxis auf den Finanzmärk-
ten, die Veränderungen in der Haltung zu Grundwerten zum Ausgangspunkt
seiner Reform-Empfehlungen gemacht. Damals interessierten gerade die
Finanzkrisen weit weg in Südostasien und Argentinien. Dabei war die jüng-
ste Krise auf den deutschen Kapitalmärkten nach der New-Economy-Blase
noch lange nicht verdaut. Was immer die wenigen Reformen bei den Regu-
lierungen der internationalen Finanzmärkte verbessert haben mögen: Der
„Weg zurück zu den Wertvorstellungen von Transparenz und Verantwort-
195
Die Zentralbank: unabhängig und verpflichtet auf
stabilen Geldwert
Die unabhängige Bundesbank hat eine entscheidende Aufgabe. Wir haben als
Liberale diese Unabhängigkeit der Bundesbank immer für einen Garanten ei-
ner soliden Wirtschafts- und Währungspolitik in unserem Lande gehalten.
Hätte sie diese Position nicht, die Gefahr, sich vom süßen Gift bequemer
Schein-Lösungen einschläfern zu lassen, wäre groß. Die Angriffe auf die Po-
litik der Bundesbank, wie wir sie aus den Reihen unseres Koalitionspartners
vernehmen, erscheinen uns deshalb nicht geeignet, das für die wirtschaftliche
Entwicklung notwendige Vertrauen zu festigen - eher das Gegenteil.
(Hans-Dietrich Genscher (1981)) 204
lichkeit“ wurde nicht beschritten. Also führte der Weg recht geradlinig in
die Finanzkrise seit 2007. Vgl. die Besprechung von Plenders „Going off
the Rails. Global Capital and the Crisis of Legitimacy“, New York 2003,
von Sascha Tamm: Wider die Mär vom Systemversagen, Handelsblatt vom
16. Juli 2003.
204 In der Krise Anfang der 80er Jahre schrieb Hans-Dietrich Genscher
einen „Brief an die Mandats- und Funktionsträger der FDP“ (20. August
1981; fdk, Ausgabe 130), in dem er in der damaligen „Bewährungsprobe
der Marktwirtschaft“ konsequent auf marktwirtschaftliche Lösungen setz-
te und dabei auch die üblichen Angriffe auf die Deutsche Bundesbank zu-
rückwies. Abgedruckt in: Wolfgang Mischnik (Hrsg.), Verantwortung für
die Freiheit – 40 Jahre F.D.P., a.a.O., S. 626.
196
Finanzaufsicht unter der Aufsicht der Deutschen Bundes-
bank konzentriert werden, mittelfristig auch europaweit un-
ter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank.205 Hinter die-
ser Forderung der FDP steht zunächst vor allem das
Vertrauen, das sich die Deutsche Bundesbank in rund 60
Jahren erworben hat.
197
Trotz der traditionellen Unterstützung der Deutschen Bun-
desbank ist es jedenfalls nicht selbstverständlich, dass die
FDP in ihren Programmen 1972 zu diesen Entwicklungen,
die den Geldwert der D-Mark und das internationale Wäh-
rungssystem bewegten wie nie zuvor nach Bretton Woods
1944, nichts Kritisches an die Adresse der Deutschen Bun-
desbank sagte. Die FDP reagierte darauf allenfalls sehr indi-
rekt mit Verweisen auf eine spätere Europäische Wirt-
schafts- und Währungsunion. In den „Thesen des
Bundesvorstandes für eine liberale Europapolitik“ 1972 wur-
de sogar mit Blick auf eine europäische Lösung die These
aufgestellt, „daß die Gefahren der Inflation und Stagnation
sich nicht mehr mit den Mitteln der nationalen Politik allein
bewältigen lassen.“207 Immerhin hatte sich die FDP noch in
der „Nürnberger Wahlplattform“ vom 25. Juni 1969 klar zu
flexiblen Wechselkursen im Dienste der außenwirtschaft-
lichen Absicherung gegen importierte Inflation bekannt:
198
deren Währungen können ruckartige Aufwertungen
vermieden werden.“208
199
wertes geantwortet, sondern verwiesen auf „die Neuord-
nung des Weltwährungssystems und die Abstimmung der
Konjunkturpolitik innerhalb der EWG“.210 Klar bekennt sich
dagegen der spätere Bundesminister für Wirtschaft Hans
Friderichs zur Wechselkursflexibilität.211
Mit dem Euro haben sich diese Probleme für den Euro-Raum
erledigt. Es geht heute darum, die Europäische Zentralbank
wie die Deutsche Bundesbank im „System der Europä-
ischen Zentralbanken“ in ihrer Unabhängigkeit und Ver-
pflichtung aus die Wahrung der Geldwertstabilität zu unter-
stützen. Das bleibt für die FDP selbstverständlich. Eine
entscheidende Rolle der Europäischen Zentralbank bei der
Finanzaufsicht ist in der aktuellen Finanzkrise nicht zu erwar-
ten, schon gar nicht eine „globale Finanzaufsicht“. Das bleibt
aktuell auch im FDP-Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stär-
ken“ Aufgabe nationaler Finanzaufsicht, aber künftig kon-
zentriert unter dem Dach der Deutschen Bundesbank 212, ge-
treu dem Grundsatz, der auch in Zeiten der „Globalisierung“
gilt: „Stability begins at home.“
210 Ebenda, S. 176. Die dort konkret gemachten Vorschläge für „eine su-
pranationale Währungsbank“, mit der „die Überschwemmung mit Devisen“
verhindert werden sollte, blieben zum Glück etwas unklar.
211 Vgl. Hans Friderichs, Mut zum Markt, a.a.O., S. 96ff.
212 Vgl. Die Mitte stärken, a.a.O., >www.fdp.de<, S. 10f.
200
6. Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik
201
Zeithorizonte haben muss, ging z.B. über Walter Euckens
forstwirtschaftliche Beispiele der Gedanke der Nachhaltig-
keit in die Kapitaltheorie ein; im Englischen wurde „sustaina-
ble“ vor allem in der Wachstumstheorie verwendet, die zu-
mindest in der Neoklassik enge Verbindungen zur
Kapitaltheorie hat.
202
keit“ unter „Langfristorientierung“ statt unter „Konstanz der
Wirtschaftspolitik“ sinnvoll zusammengefasst werden. Für
„Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik“ im wirtschaftspoli-
tischen Programm der FDP spricht heute aber das doppelte
Gewicht der Probleme:
203
beim Wohlstand zu erwarten. Noch ist nicht absehbar,
wann diese Umweltfolgen wie früher durch entsprechend
effektivere Technologien und Einsparungen kompensiert
werden können.
215 Ebenda, S. 106 und 111. Langfristorientierung und Vorrang für Prä-
vention werden vor allem in der abschließenden Erläuterung auf S. 112f.
204
Langfristorientierung, Prävention statt Umwelt-Reparaturbe-
trieb, Offenheit für technologischen Fortschritt und Nachhal-
tigkeit sind seit den Freiburger Thesen von 1971 die Merk-
male liberaler Umweltpolitik bis heute. Das sind dieselben
Merkmale marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik, flankiert
durch staatliches Ordnungsrecht, die für das wirtschaftspoli-
tische Programm der Liberalen seit 1946 stehen.
205
Integration von Heimatvertriebenen
und Flüchtlingen
In der Gründungsphase der Bundesrepublik und der FDP
wurde das Subsidiaritätsprinzip im Dienst der gesellschaft-
lichen Integration in den FDP-Programmen besonders in der
Eingliederung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen
deutlich. Programme, die es Heimatvertriebenen und Flücht-
lingen erleichtern sollten, in der neuen Heimat eine Existenz
aufzubauen, waren bei der Mehrheit der Deutschen damals
nicht populär. Denn trotz aller politischen Bekenntnisse der
demokratischen Parteien zu einem Deutschen Reich in den
Grenzen von 1937 befürchteten die nicht Vertriebenen für
sich persönlich die Kosten dieser deutschen Einheit.
206
die FDP im Beschluss ihres ersten Bundesparteitages, der
„Bremer Plattform 1949“, im Rahmen eines umfassenden
Gesamtprogramms zu Wahlrecht, Flaggenfrage, Kulturpoli-
tik, Beamtentum, Elternrecht, Sozialpolitik, Geld und Kredit,
Steuerreform, Demontage, Enteignung, Entnazifizierung und
Nachrichtenmonopol dennoch knapp die Hälfte des Pro-
gramms speziell den Ostdeutschen und der Minderheit der
Heimatvertriebenen widmete.218
207
für „Föderalismus: national und international“220 : „Einheit in
Vielfalt“ oder „Vielfalt in Einheit.“
208
Bundesrat. Das verhinderte vor allem eine grundlegende
Steuerreform, die die FDP zwischen 1990 und 1996 entwi-
ckelt hatte und die sich in den „Petersberger Steuervor-
schlägen“ im Konsens von Union und FDP niedergeschla-
gen hatte. Die Blockade aller wichtigen bundespolitischen
Gesetzesvorhaben im Bundesrat hat jedenfalls die Erfolgs-
aussichten der christlich-liberalen Koalition bei der verlo-
renen Bundestagswahl 1998 nicht verbessert; die FDP
konnte mit dem Thema „Neuer Föderalismus“ in ihrem
Wahlprogramm 1998 zunächst keine Aufmerksamkeit errei-
chen, obwohl sie die politische Handlungsfähigkeit für Ar-
beitsplätze in den Mittelpunkt stellte.222 Das ist gemeint, als
sich später die bekannten Sprachbilder zur Föderalismusre-
form verbreiteten: „Mutter aller Reformen“ in Anlehnung an
die „Mutter aller Glocken“ im „Raubzug der Wikinger“ oder
z.B. „Reform für Reformfähigkeit“, um die Bedeutung für
politische Handlungsfähigkeit in Gemeinden, Ländern und
Bund hervorzuheben.
222 Vgl. Es ist Ihre Wahl. Das Wahlprogramm der Liberalen zur Bundes-
tagswahl 1998, >www.fdp.de<, S. 65f. In der Friedrich-Naumann-Stiftung
waren es vor allem die Leiter des Liberalen Instituts, Gerhart Raichle und
Detmar Doering, die die von Otto Graf Lambsdorff geleitete Föderalismus-
Kommission der Friedrich-Naumann-Stiftung von 1997 bis 2002 organisier-
ten und begleiteten, damit auch die programmatische Entwicklung der FDP
befruchteten und so die Position der FDP für einen bürgernahen Bundes-
staat in einem bürgernahen Europa stärkten.
209
insgesamt ging. Zu dieser marktwirtschaftlichen Ordnung
und dem Menschenbild, das dieser Ordnung zugrunde lag,
passte ein möglichst bürgernaher Bundesstaat, ähnlich der
Schweiz. Schon im ersten, sehr kurzen „Programm der De-
mokratischen Partei in Süd- und Mittelbaden“ vom 20. Ja-
nuar 1946 ist die Richtung auf Dezentralität vorgegeben:
„Wir verlangen die Wiederherstellung der vollen Selbstver-
waltung der Gemeinden, Kommunalverbände und Berufsor-
ganisationen auf demokratischer Grundlage.“
210
„Familie und Schule, Staat und Kirche müssen zu-
sammenwirken, um an die Stelle von Machtanbe-
tung, nationalistischer Überheblichkeit und Rassen-
wahn wieder die ewiggültigen Gesetze der
christlich-abendländischen Kultur zu setzen. Die
christliche Sittenlehre, dem Tageskampf der Politik
entzogen, soll Richtschnur unseres nationalen Le-
bens sein. [...] Die neue Verfassung unseres Staates
muß nach den Erfahrungen der jüngsten Geschichte
auf die Zentralisierung der Befugnisse weitgehend
verzichten. So wie selbstverantwortliche Gemeinden
und Kreise sich in ein Land eingliedern, sollen die
Länder sich einfügen in ein Deutschland, das allen
Eigensüchteleien zum Trotz in seiner Einheit zu er-
neuern und zu bewahren ist.“223
Das „Programm der FDP Bayern“ vom 28. März 1946 be-
tont den Unterschied zwischen solchen „Eigensüchteleien“
und einem föderalen Bundesstaat deutlich: „Wir Freien De-
mokraten bekämpfen; 1. Separatismus und Partikularismus
in jeder Form, jeden völkischen Eigendünkel. [...]“ In „Pro-
grammatische Leitsätze der FDP Hamburg vom August
1948 werden zusätzlich zu diesen Grundsätzen der anderen
Gliederungen die alte Ländergliederung und die alten Haupt-
223 Vgl. zu allen Zitaten von 1946 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., hier
S.74.
211
städte infrage gestellt und unmittelbar vor der „Erziehung
zur staatsbürgerlichen Haltung“ zusammengefasst:
212
beibehalten, nun aber „mit dem Ziel der stärkeren Verlage-
rung der Steuerquellen auf Bund und Gemeinden.“ Präzi-
siert und begründet wird die Forderung nach einer „bundes-
einheitlichen Finanzverwaltung“:
213
Im letzten Teilsatz wird ein anderer Meinungsstreit in der
FDP zumindest berührt: die Frage der Länder-Neugliede-
rung, hier mit der Tendenz, durch Finanzausgleich Länder
„zu erhalten“, in anderen Programmen aber durch Neuglie-
derung in ähnlich wirtschaftsstarke (o.ä.) Länder zu fusionie-
ren, fast schon dramatisch gefordert in „Ziele des Fort-
schritts“, das der 18. Bundesparteitag vom 3. bis 5. April
1967 in Hannover „billigte“: „Die gegenwärtige Gliederung
des Bundesgebietes in elf Länder muß endlich überprüft
werden mit dem Ziel, ausgeglichene und leistungsfähige
Bundesländer zu schaffen, wo dies auf Grund der Besat-
zungsgeographie von 1945 bis 1947 heute noch nicht ge-
schehen ist.“227
214
„Darum fordert die FDP: dass endlich der Verfas-
sungsbefehl des Art. 29 GG verwirklicht und ein Ge-
setzesentwurf eingebracht wird mit dem Ziel, - Bun-
desländer zu schaffen, die unter Berücksichtigung
der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge
nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen oblie-
genden Aufgaben wirksam erfüllen können.“.228
228 Ebenda.
229 Vgl. ebenda, S. 74.
215
ger in der Dritten Welt ab. Nicht überzeugend sind im Streit
um die föderale Ordnung heute auch manche Argumente für
größere Bundesländer. Die Frage einer Neugliederung des
Bundesgebiets ist vor allem durch Vorstöße der FDP/DVP
Baden-Württemberg auch heute aktuell. Forderungen der
FDP in der Zeit nach diesem „Aktionsprogramm“ beschrän-
ken sich auf eine Erleichterung des Verfahrens für die Volks-
entscheide bei Länder-Neugliederungen.230
216
ferten Gemeindeselbstverwaltung, die ihre Aufgaben
lebens- und ortsnah erfüllt. Wir fordern die Überwin-
dung eines überspitzten Föderalismus und verlangen
statt dessen, dass die Verantwortung unter Aus-
schaltung von Überschneidungen zwischen Bund
und Länderverwaltung zweckmäßig abgegrenzt
wird.“231
217
rückgegeben wird, um so weniger Kompetenzgerangel zwi-
schen Gemeinden, Ländern, Bund und Europa.
218
• „Klare Trennung bei Steuerhoheit sowie Finanzierungen
zwischen Bund d Ländern“,
• „Reform des Länderfinanzausgleichs“ und
• Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.233
233 Es ist ihre Wahl., Das Wahlprogramm der Liberalen zur Bundestagswahl
1998, www.fdp.de , S. 63 und 65f. Eine Übersicht über die beiden Födera-
lismusreformen bieten Bundestag und Bundesrat auf ihren Homepages mit
allen Dokumenten und den öffentlichen Sitzungsprotokollen z.B. über www.
bundesrat.de . vgl. dazu auch die Beiträge von Charles Beat Blankart, Ernst
Burgbacher, Klaus von Dohnanyi, Roman Herzog, Alexander Graf Lambs-
dorff und Roland Vaubel in: Jürgen Morlok (Hrsg.), Der Freiheit verpflichtet,
Band 2, a.a.O.; außerdem den Beitrag von Johanna Hey „Steuerwettbe-
werb in Deutschland“, in: Paul Kirchhof, Otto Graf Lambsdorff, Andreas
Pinkwart (Hrsg.), Perspektiven eines modernen Steuerrechts, Festschrift
für Hermann Otto Solms, a.a.O., S. 35ff.
219
Studie streng nach Euckens ordnungspolitischen Prinzipien
der Marktwirtschaft deutlich. Denn für die FDP gilt, was
auch dem ordnungspolitischen Zusammenhang der Politik-
bereiche in der Marktwirtschaft entspricht: „Erster Zweck
eines leistungsfähigen Steuersystems bleibt es, die für den
Bürger unverzichtbaren, vielfältigen Aufgaben des Staates
zu finanzieren.“234 Dieser erste Zweck des Steuersystems
als notwendige Vorraussetzung der Staatstätigkeit ist so
wichtig wie selbstverständlich. Darum müsste das Steuer-
system eigentlich völlig uninteressant für ein von medialer
Unterhaltung verwöhntes Publikum sein.
234 Liberal denken. Leistung wählen., Das Programm der F.D.P. zur Bun-
destagswahl 1994, www.fdp.de , S. 34.
235 Die Grünen übernehmen diese Wortspiel der FDP in ihrem Wahlpro-
gramm 2009 mit „Bildung statt Beton“, betonen aber ansonsten neue grüne
Autofreundlichkeit. Vgl. >www.gruene.de<, Kapitel 4, Bildung statt Beton:
bessere Schulen, bessere Hochschulen, bessere Ausbildung.
220
Sinne nicht „leistungsfähig“, dass es zu kompliziert ist, da-
her für viele Bürger undurchschaubar und ungerecht. Die-
ser klägliche Zustand der deutschen Steuern, der mit „Sy-
stem“ wenig zu tun hat, interessiert die Bürger.
Der gute Grund für ein sehr hohes Interesse der Bürger an
der Steuerpolitik ist die Leistung der FDP für eine grundle-
gende Reform des deutschen Steuer- und Transfersystems.
Das wird von Wählern durchaus anerkannt: Bei der wirt-
schaftspolitischen „Kompetenz“ ergeben Meinungsumfra-
gen regelmäßig sehr gute Kompetenzwerte für die FDP in der
Steuerpolitik. Voraussetzung für gute Bewertungen der FDP-
Steuerpolitik war – über die ausgezeichnete Arbeit in den
FDP-Fachgremien hinaus – die Zusammenfassung guter Ar-
beit in griffigen Namen wie „FDP-Stufentarif“ und „Bürger-
geld der FDP“. Dazu hat aber auch die „maximale Reduktion
der Vermittlung komplexer Systeme“ in einer Person beige-
tragen, hier in der Person von Hermann Otto Solms, speziell
auch in Bezeichnungen wie „Solms-Tarif“. Doppelt gelungen
ist auch die knappste Umschreibung des Kerninhalts von
Steuern, wie sie nach liberaler Fasson sein müssen:
221
- Für den Bundestagswahlkampf 2009 wurde „niedrig, ein-
fach, gerecht“ wörtlich von der Union übernommen. Das
ist beachtlich, nachdem schon der SPD-Fraktionsführer
Peter Struck in einem „Sommerloch“ immerhin lobende
Worte für den „Dreistufentarif“ der FDP gefunden hatte.
Wirtschaftsminister Clement hatte auch das Bürgergeld
der FDP für eine Überlegung wert gehalten: schon vor
dem Bürgergeld-Prüfauftrag der von Bodo Hombach gelei-
teten „Benchmarking“-Arbeitsgruppe der Regierung
Schröder.236
222
allerdings nie Langeweile erzeugt. Dieses traditionelle Tot-
schlag-Argument gegen fast jede Innovation ist für die Steu-
erpolitik der FDP dennoch förderlich gewesen: Nach über
10 Jahren Reformstau bei den großen Reformen des deut-
schen Steuer- und Sozialsystems bleibt durch diese Totalkri-
tik das Interesse der Bürger an dem Teil wirtschaftspoli-
tischer Kompetenz erhalten, der für die FDP die höchste
Wertschätzung bringt.
237 Vgl. zu allen Zitaten von 1946 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 69
und 73.
223
In den Programmatischen Leitsätzen der FDP Hamburg vom
August 1946 wird erstmals konkret über die Finanzierung
der notwendigen Staatsaufgaben eine maßvolle Umvertei-
lung im Steuer- und Abgabensystem gefordert:
224
Verwaltung muß so sparsam arbeiten, dass ausrei-
chende Mittel für die Erfüllung der sozialen und kultu-
rellen Mittel verfügbar sind. Nur so kann die steuer-
liche Belastung in Grenzen gehalten werden. Die
Steuern müssen sozial gerecht sein und genügend
Anreiz für wirtschaftliche Leistung lassen.“239
225
Im „Wirtschaftsprogramm 1953“, wie das Wahlprogramm
1953 auf dem außerordentlichen Bundesparteitag vom 28.
März 1953 in Lübeck beschlossen, werden die Grundsätze
für eine Steuerreform bestätigt und die Details für eine
„Volkswirtschaftlich orientierte Steuerreform“ formuliert.
Bereits hier werden die Markenzeichen liberaler Steuerre-
formen bis zu den Konzepten für Stufentarife von 1996 bis
2009 wörtlich vorgegeben: einfach, gerecht, mit niedrigen
Steuersätzen für mehr Leistung, die mehr Arbeitsplätze, da-
mit höhere Einkommen und höhere Steuereinnahmen schaff-
ten. Jeder Steuerpflichtige solle „seine Steuerangelegen-
heiten selbst“ erledigen können, „Abbau der Lohn- und
Einkommensteuerprogression und eine Senkung der Steu-
ertarife unter besonderer Berücksichtigung der kleinen und
mittleren Einkommen“.241
226
Einkommen leistungswidrig und auch negativ für die Steuer-
einnahmen belastete: „Damit wird ein Teil des Problems der
heimlichen Steuererhöhungen aufgefangen.“242 Abgeschafft
sind gemäß diesem Programm inzwischen auch die betrieb-
liche Vermögensteuer, die Gesellschafts- und Börsenum-
satzsteuer; ein Ersatz für die Gewerbesteuer als Vorausset-
zung für ein einfacheres Steuersystem steht dagegen noch
aus. In die Zukunft, die erst das Bundesverfassungsgericht
1992 dem Gesetzgeber auferlegen sollte, griff die Forde-
rung in Teil II: „Die F.D.P. fordert: I. Steuerfreiheit minde-
stens des Existenzminimums“ (Hervorhebung im
Original).243
227
rund 45% - die Voraussetzungen für die Wiedervereinigung
Deutschlands im Westen entscheidend verbessert: bei kräf-
tigem Wachstum, netto fast 3 Millionen zusätzlichen Ar-
beitsplätzen bis 1990, bei wiedergewonnener Geldwertsta-
bilität und Senkung der Abgabenquote auf unter 46%.
244 Otto Graf Lambsdorff, Bürgergeld schafft Anreize für reguläre Er-
werbsarbeit, Handelsblatt vom 3./4. Juni 1994. Irmgard Schwaetzer hatte
zuvor das Ergebnis der von ihr geleiteten Arbeitsgruppe „Soziale Siche-
rungssysteme“ zusammengefasst: „Soziale Sicherheit erhalten – eine
grundlegende Reform beginnen“, Die Liberale Depesche, Nr. 10, Oktober
1993, S. 27f.
228
sender 2005: „Liberale Reform der Direkten Steuern“.245
Das Wahlprogramm 1994 eröffnet darüber hinaus den Weg
zu der Gesamtreform des Steuer- und Transfersystems, das
die FDP nach der Bundestagswahl 2009 politisch erneut
umsetzen will. 1994 hieß das:
245 Vgl. Hermann Otto Solms (Hrsg), Die neue Einkommensteuer – Nied-
rig, einfach und gerecht; Liberale Reform der Direkten Steuern, Berlin
im September 2003 und im August 2005. Die Beiträge in der von Paul
Kirchhof, Otto Graf Lambsdorff und Andreas Pinkwart herausgegebenen
Festschrift für Hermann Otto Solms (a.a.O.) erläutern nicht nur schwierige
Fragen einer grundlegenden Reform des deutschen Direktsteuer-Systems,
sondern ergänzen um Reformschritte, wie sie im Bundesfachausschuss Fi-
nanzen und Steuern z.B. auch für die Gesetzgebung zur Mehrwertsteuer
vorbereitet werden.
246 Liberal denken. Leistung wählen., a..a.O, >www.fdp.de<, S. 10.
229
Von der Seite des Steuersystems her ist es vor allem der Be-
schluss „Liberale Politik zur Steuervereinfachung“ des Bre-
mer Bundesparteitags 1979, der in Abschnitt IV. den Weg
zum liberalen „Bürgergeld“ als „Negativsteuer“ öffnet:
230
Zunächst war es ein Durchbruch, dass das Bundesverfas-
sungsgericht dem Kläger Joachim Mitschke in seiner Klage
zum steuerfreien Existenzminimum folgte. Joachim Mitsch-
ke faxte vor Veröffentlichung am 25. September 1992 seine
Text-Auszüge der Entscheidung von einer Saarbrücker BP-
Tankstelle, und der Vorsitzende des Bundesfachaus-
schusses Finanzen und Steuern Hermann Rind schloss aus
den Leitsätzen und den Auszügen zur Begründung, dass mit
dieser Entscheidung eine politische Voraussetzung zur Durch-
setzung eines neuen Steuer- und Transfersystem geschaf-
fen war. Im Herbst 1992 nahm die Arbeitsgruppe zum Bür-
gergeld in der von Irmgard Schwaetzer geleiteten
FDP-Kommission zur Reform der sozialen Sicherung das
Thema auf und erarbeitete den Entwurf für ein Bürgergeld-
system. Das Bürgergeldsystem wurde zunächst auf dem
außerordentlichen Bundesparteitag 1993 in Magdeburg,
dann als Teil des Wahlprogramms 1994 in Rostock be-
schlossen.248
231
Mit dem Dreistufentarif der FDP von 1996 als Ausgangs-
punkt für die Reform der Direktsteuern war die Grundlage
für die Integration von Steuer- und Sozialsystem gemäß dem
Bürgergeld-Beschluss im Wahlprogramm 1994249 geschaf-
fen. In der von Irmgard Schwaetzers und danach von Gisela
Frick geleiteten Arbeitsgruppe „Bürgergeld“ waren zwi-
schen 1992 und 1996 Kernelemente für ein „einfaches und
durchschaubares System der Steuern und Sozialleistun-
gen“ herausgearbeitet worden, parallel dazu im Bundes-
fachausschuss Finanzen und Steuern, ab 1996 im zusam-
mengelegten Bundesfachausschuss Wirtschafts-, Finanz- und
Steuerpolitik, die Grundlagen einer Reform der Einkommen-
steuer.
249 Vgl. ebenda, S. 15 und 82ff. Joachim Mitschke hat an allen Bürger-
geld-Kommissionen der FDP einschließlich Pinkwart-Kommission von
2004/2005 mitgewirkt. Dem Bremer Beschluss von 1979 und Mitschkes
Monographie „Steuer- und Transferordnung aus einem Guß“, Baden-Baden
1985, ist die Überschrift im Wahlprogramm 2009 „Ein neues Steuer- und
Transfersystem für Deutschland“ entlehnt (>www.fdp.de<, S. 5).
250 Im Wahlprogramm „Arbeit hat Vorfahrt. Deutschlandprogramm 2005“,
>www.fdp.de<, Bundesparteitage, Grundsatzbeschlüsse, S. 7 und 10ff.;
das detaillierte Konzept in „Das Liberale Bürgergeld: aktivierend, einfach
und gerecht“ der Kommission Bürgergeld/Negative Einkommensteuer
232
in München beschloss die FDP, diese beiden Elemente ihrer
Steuerpolitik, „Stufentarif“ und „Bürgergeld“ zu einer
„Steuer- und Transferordnung aus einem Guss“ zusammen-
fügen. An dieses Konzept kann man durchaus denken, wenn
Bundespräsident Horst Köhler wenige Monate nach dem
Bürgergeld-Beschluss des Kölner Bundesparteitages vom
7. Mai 2005 (>www.fdp.de<) in der Tradition seines Amts-
vorgängers Roman Herzog oder ähnlich wie Klaus von
Dohnanyi am 8. Dezember 2005 eine „Negativsteuer“ an-
regt:
(„Pinkwart-Kommission“) ebenda.
251 Vgl. Horst Köhler, Sozialpolitik im 21. Jahrhundert, Grußwort beim
Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Deutschen Vereins für öffentliche
und private Vorsorge vom 2. Dezember 2005 in Berlin, in: Ders., Reden
und Interviews, Band 2, Berlin 2006, S. 164f. Für einen Überblick über die
Entwicklung der liberalen Programmatik zum Bürgergeld vgl. Horst Werner,
Bürgergeld: Ein integriertes Steuer- und Transfer-System, a.a.O., aktuali-
siert in Stichwort Liberal „Bürgergeld“ des Liberalen Instituts 2006; >www.
libinst.de<.
233
Das war zunächst vom Herbst 1992 bis zur Koalitionsverein-
barung vom November 1994 für den Weg von der Program-
matik einer Partei bis zur Chance der politischen Umsetzung
eines Bürgergeldsystems ein beachtliches Tempo. Nach
dem Prüfauftrag für ein Bürgergeld in der Koalitionsverein-
barung von 1994 bis zur Bundestagswahl 2009 dauerte es
danach aber fast schon „normal“ lang bis zu einer erneuten
Chance für das Reformprojekt, das im FDP-Grundsatzpro-
gramm, den Wiesbadener Grundsätzen, „Kernstück des li-
beralen Sozialstaats“ ist. Sichtbare Gründe liegen in der zu-
nehmenden Reform-Unfähigkeit gegen Ende der
Kohl-Regierung. Der „Reformstau“ wurde zur wichtigen Vo-
raussetzung für eine rot-grüne Regierung der „neuen Mitte“
ab 1998 und die Verschiebung realistischer Chancen für die
Umsetzung des FDP-Bürgergelds zunächst bis zur Bundes-
tagswahl 2005, nun für die Legislaturperiode nach der Bun-
destagswahl 2009.
234
unter Protest aus der Kommission aus, und Dieter Julius
Cronenberg als Vertreter der Unternehmer-Seite in der
Kommission stimmte gegen das Gutachten vom 17. Mai
1996, das ein vorläufiges Ende für ein neues Steuer- und
Transfersystem bedeutete. Der Regierung Kohl hat auch
dieses Scheitern eines zentralen Reformkonzepts der Koali-
tionsvereinbarung für Arbeitsplätze im sozialen Brennpunkt
der Niedriglohn-Arbeitslosigkeit keine guten Dienste gelei-
stet; es trug dazu bei, vor der Bundestagswahl öffentlich
über die „Nachkohlzeit“253 nachzudenken.
Die FDP hat die Zeit des Reformstaus ab Ende der Regie-
rung Kohl bis zur „Agenda 2010“ der Regierung Schröder
für die Weiterentwicklung ihrer Reform der Direktsteuern
genutzt, so dass ihr Gesamtkonzept der Integration von
Steuern und steuerfinanzierten Sozialleistungen 2009 steht.
Wenn ein solches „neues Steuer- und Transfersystem für
Deutschland“254 nach 2009 politisch umgesetzt würde, wäre
das ein großer Schritt in Richtung auf die Renaissance deut-
scher Ordnungspolitik, die Otto Graf Lambsdorff 1992 in
der Streitschrift „Mut statt Mißmut“ meinte, als er forderte:
„Deutschland muß wieder die Nummer 1 in marktwirtschaft-
licher Ordnungspolitik werden.“255 Denn in den Vereinigten
Staaten ist eine so grundlegende Reform trotz der Versuche
von zwei Präsidenten nach den Initiativen von Milton Fried-
253 Das ist die Überschrift des Kapitels in Guido Westerwelles „Neuland“
(Düsseldorf und München 1998, Neuauflage München 1999, S. 251).
254 Wahlprogramm 2009, Die Mitte stärken, a.a.O., >www.fdp.de<, S. 6.
255 Vgl. Mut statt Missmut, >www.fdp.de<, S. 8.
235
man mit Vorlagen für den Kongress nicht gelungen. Immer-
hin gelang mit dem „Earned Income Tax Credit“, einem
Steuergutschrift-Konzept, die Umsetzung eines zentralen
Gedankens der Bürgergeld-Idee, mehr Arbeitsplätze für ein-
fache Arbeit im Niedriglohnbereich zu schaffen. In Deutsch-
land stellte Joachim Mitschke 2001 ein ähnliches Steuergut-
schriften-Konzept im Rahmen eines Überblicks über
„Politische Optionen der Bürgergeld-Konzeption“ vor.256
Ähnliche „schlanke“ Versionen des Bürgergeld- bzw. Nega-
tivsteuer-Konzepts wurden z.B. umfassend in Großbritan-
nien mit dem „Working Families Tax Credit“ ab Oktober
1999 umgesetzt 257; in Österreich nur in kleinen Schritten, in
der Schweiz sind Negativsteuer-Konzepte noch in der Dis-
kussion.258
236
Die größte Barriere neben dem politischen Widerstand
deutscher Gewerkschaften gegen Bürgergeld-Kombi-Ein-
kommen ist der fachliche Streit um die Kosten der Einfüh-
rung eines integrierten Steuer- und Transfersystems. Unter
den Rahmenbedingungen zu Beginn der Formulierung des
FDP-Bürgergeld-Konzepts hat Michael Hüther in seinem
Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung die Finanzierbar-
keit eines Bürgergelds in dem konkreten Sinne bestätigt,
dass je nach Wahl der Stellgrößen im Bürgergeld-Konzept
eine finanzierungsneutrale Umsetzung oder eine Umsetzung
mit geringem Finanzierungsbedarf möglich ist. 259
259 Vgl. Michael Hüther, Das Bürgergeld: doch finanzierbar!, Gutachten für
die Friedrich-Ebert-Stiftung von 1997.
237
heitsrechte aller Bürger: Wie lange hält eine freie Gesell-
schaft den Zustand von Dauerarbeitslosigkeit gerade im
Niedriglohnbereich aus? Wie so oft: Diese Frage ist wichtig,
entzieht sich aber jedem Versuch ehrlicher Quantifizierung
bei der Antwort zu den wahrscheinlichen Folgen.
238
nahme-Effekten verbleibende Finanzierungsbedarf allein ist
kein Grund, an dem die Umsetzung des FDP-Reformkon-
zepts eines integrierten Steuer- und Transfersystems schei-
tern müsste. Nach über 30 Jahren Einübung von Mitnahmen
sozialer Hilfen durch Arbeitnehmer und Betriebe im ungeord-
neten deutschen Sozialsystem ist dafür vor allem die poli-
tische Unfähigkeit zur Reform verantwortlich. Unter dem
Strich: Zumindest für das Konzept eines integrierten Steuer-
und Transfersystems von Joachim Mitschke liegen bereits
Finanzierungsberechnungen vor. Dieses Mitschke-Konzept
mit etwas anderen Parametern als das FDP-Steuerkonzept
und das Bürgergeld der Pinkwart-Kommission sind immer-
hin annähernd finanzierungsneutral.260
239
Verfassungsschranken gegen Steuerlast und
Staatsverschuldung
Die Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts ging davon aus, dass die
Angemessenheit und Gleichmäßigkeit der Steuerlast dadurch gewährleistet
werde, dass das Parlament, also Steuerpflichtige, über die Steuerlast
entschieden. Jeder Abgeordnete werde schon mit Blick auf seine eigene
Steuerbelastung dafür sorgen, dass das Steuerrecht die Übermaßgrenze nicht
überschreitet. Inzwischen wissen wir, dass die Gesellschaft an den Finanzstaat
so hohe Leistungserwartungen gerichtet hat, dass der Abgeordnet in Reaktion
auf diese Erwartungen der Menschen und seiner Wähler sich weniger als
Garant geringer staatlicher Abgabenerwartung versteht, sondern mehr als
Vordenker staatlicher Leistungsprogramme handelt und damit einen Beitrag
zur stetigen Erhöhung der Abgabenlast leistet.
(Paul Kirchhof (1996)) 261
240
Hildesheimer Beschluss vor der Landtagswahl 1994 in Nie-
dersachsen zusammengefasst:
Seit dem Karlsruher Entwurf von 1996 für das neue Grund-
satzprogramm „Wiesbadener Grundsätze - Für die liberale
Bürgergesellschaft“ von 1997 bleibt bis zum Wahlprogramm
2009 die Forderung nach einem grundsätzlichen Verbot der
Netto-Neuverschuldung Programm – jenseits aller Details
zum Zeitrahmen für den Abbau des bereits angehäuften
„Schuldenbergs“:
241
setz verbieten. Innerhalb von zehn Jahren müssen in
einem verbindlichen Stufenplan auf allen staatlichen
Ebenen ausgeglichene Haushalte erreicht werden.
Danach dürfen die Ausgaben die Einnahmen nicht
mehr übersteigen. Kredite dürfen nicht als Einnah-
men gezählt werden. Artikel 115 des Grundgesetzes
ist entsprechend zu ändern.“263
242
Denn die Fachgremien der FDP hatten bei ihrem Einsatz für
ein grundsätzliches Verschuldungsverbot z.B. neben der
„St. Galler Schuldenbremse“ die über 200jährige Diskussi-
on um ein „Balanced Budget Amendment“ der amerika-
nischen Verfassung von 1776 beachtet: mit Thomas Jeffer-
sons Forderung nach Unterscheidung zwischen Regelfall
des Verschuldungsverbots und dem ex ante streng zu bestim-
menden Ausnahmefall – der Ausnahmefall des Krieges in Jeffer-
sons Brief an John Taylor mit seiner Forderung nach einem
Schuldenverbot vom 26. November 1798.265 Die analoge
Frage heute: Ist die Weltwirtschaftskrise 2009 ein ähnlicher
Ausnahmefall wie die Deutsche Einheit, der vorüberge-
hende, mittelfristig wieder abzubauende Staatsverschul-
dung beim grundsätzlichen Verschuldungsverbot rechtfertigt?266
265 Thomas Jefferson to John Taylor, Monticello, 26. November 1998, in:
Ders., Political Writings, hrsg. Von Joyce Appleby und Terence Ball, Cam-
bridge Mass. 1998, S. 369ff.
266 Das bereits von Bundestag und Bundesrat mit verfassungsändernder
Mehrheit Ende Mai/Anfang Juni 2009 beschlossene Verschuldungsverbot
gibt keine Antwort auf diese Frage für die Schuldenbremsen im Bund und
in den Ländern. Es dürfte sich daher als unzureichend erweisen, obwohl die
eingeschlagene Richtung der Schuldenbremse stimmt.
243
Die großen Linien der liberalen Politik insgesamt im Deutsch-
land der Nachkriegszeit werden in ihren Bezügen zum wirt-
schaftspolitischen Programm der FDP wohl am deutlichsten
in der Interdependenz von wirtschaftlicher Integration, föde-
raler Ordnung, Deutschlandpolitik, Europapolitik und Frie-
denspolitik. Diese Interdependenz beginnt mit der Konzen-
tration auf die Frage der Integration von Heimatvertriebenen
und Flüchtlingen, führt über das Ziel der deutschen Wieder-
vereinigung im Rahmen der europäischen Integration zur
Einbettung der Politik in das Streben nach einer europä-
ischen Friedensordnung in einem Europa der Einheit in Viel-
falt.
244
– „noch ausbaufähig“, um es vorsichtig bis euphemistisch zu
formulieren. Das Europa-Wahlprogramm 2009 der FDP for-
dert daher in der Tradition der FDP-Programme seit 1975
die Stärkung des Europäischen Parlaments und eine föde-
rale Ordnung der Europäischen Union.268
268 Ein Europa der Freiheit für die Welt des 21. Jahrhunderts, Programm
der Freien Demokratischen Partei zur Wahl des Europäischen Parlaments
2009 vom 17. Januar 2009 (>www.fdp.de<). Zur Stärkung des Europä-
ischen Parlaments vgl. Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Li-
beralen (1979), a.a.O., Leitlinien liberaler Europapolitik, Beschluss des 26.
Ord. Bundesparteitages vom 27.-29. Oktober 1975 in Mainz, S. 212ff.
245
Arbeit der Freien Demokratischen Partei in dieser
Zeit.“269
246
cher Ordnung wiedervereinten Deutschland in die
Gemeinschaft aller freien Völker Europas. Sie bejaht
daher den Europäischen Wirtschaftsrat, die Montan-
union, die Europäische Verteidigungsgemeinschaft
und die Europäische Politische Gemeinschaft als
Schritte zu einem geeinten Europa. Ihm sollen auch
die jetzt noch abseits stehenden oder unterdrückten
Völker angehören.“271
247
ihm im Westen als Ausgleich für Gebietsverluste an die So-
wjetunion zugestandenen deutschen Ostgebiete ging nie-
mand aus. Also konnte unter dieser Aufgabe nur das Signal
von Gesprächsbereitschaft der Liberalen gedeutet werden,
im Interesse einer europäischen Friedensordnung ehrlich
auf Gebietsansprüche gegenüber Polen zu verzichten. Den-
noch forderte die FDP wenige Zeilen später die „friedliche
Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland und den ostdeut-
schen Gebieten in einem Deutschen Reich“ – aber etwas
vorsichtiger als früher nun nur als „oberstes Ziel“, dem alle
Anstrengungen „dienen“ müssten.274
248
stanz bereits die Grundelemente der späteren Deutschland-
und Europapolitik: Wandel durch Annäherung z. B. durch
Reiseerleichterung, „[...] um eine menschliche Entfremdung
zu verhüten“, weiterhin eine „Politik der Entspannung“ und
Verhandlungen, die nicht mehr offen auf dem Ziel eines
Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 beharrten.275
Dem entsprach der umfassende „Grundriss eines Deut-
schen Friedensvertrages (Deutschlandvertrag) 1959“, be-
schlossen von der Bundestagsfraktion am 27. Januar 1959,
gebilligt vom 10. Bundesparteitag vom 21. bis 23. Mai 1959
in Berlin.276
249
Überwindung der deutschen Teilung dient. Aus die-
sem Grund setzt sich die FDP dafür ein, [...] den Aus-
bau der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der
Sechs zu einer zunächst alle westeuropäischen
Staaten umfassenden wirtschaftlichen Gemeinschaft
zu betreiben und diese Gemeinschaft für eine spä-
tere engere Zusammenarbeit mit den Staaten Ost-
und Südeuropas offenzuhalten.“ 277
Zur inneren Ordnung der EWG fordert die FDP in „Ziele des
Fortschritts“, dem Aktionsprogramm vom 5. April 1967:
Marktwirtschaft als Grundlage der Wirtschaftspolitik auch
in der EWG, „schrittweise Auflockerung der dirigistischen
und protektionistischen Struktur der EWG [...] insbesondere
für den Agrarsektor, den Verkehrssektor und für den Handel
gegenüber Drittländern.“ „Eine gemeinschaftliche Wirt-
schaftspolitik“ solle erst verwirklicht werden, wenn über
Ziele und Mittel „eine ordnungspolitisch hinreichende Über-
einkunft erzielt worden ist.“ In diese ordnungspolitischen
Voraussetzungen fügen sich die FDP-Forderungen nach
Freiheit der Bewegungen von Waren, Dienstleistungen und
Kapital nicht nur innerhalb der EWG ein: Abbau aller zwi-
schenstaatlichen Hemmnisse „auf der Grundlage der Ge-
genseitigkeit“. Es fehlt auch nicht der Anschluss an die
„Nürnberger Entschließungen“ gegen eine wirtschaftliche
Spaltung des freien Europa: „Die Öffnung der EWG für den
Beitritt Großbritanniens und der übrigen Efta-Staaten und
250
die Verwirklichung der Kennedy-Runde dienen dieser Ziel-
setzung.“ 278
251
muliert die FDP ihre ordnungspolitische Forderung für die
Europäische Union:
252
Januar 1993 – oder doch erst am ersten Arbeitstag danach?
Mit der Weltwirtschaftskrise 2009 und ihrer Bewältigung
danach ist die Nagelprobe gegeben, was die FDP zusam-
men mit den anderen liberalen Parteien im Europaparlament
für die Verwirklichung von Wettbewerb auf offenen Märkten
in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Europas leisten wird.
253
Weniger höflich, dafür aber klar, entspricht diese Behaup-
tung dem Vorwurf der Lüge. Das überrascht im Jahrbuch
zur Liberalismus-Forschung 2006, zumal die Tatsache des
Nein der FDP zu den Römischen Verträgen – unter dem Ti-
tel „EWG - Kein Weg nach Europa“ – in der Dissertation von
Peter Jeutter mit ausführlichen Begründungen über den Ti-
tel hinaus spätestens seit 1986 bekannt ist, wie es der Titel
bereits klarstellt: „Kein Weg nach Europa“. Selten gibt be-
reits der Buch-Titel eine so klare Antwort auf die Frage der
Motive der FDP: Es ging der FDP auch bei ihrem Nein um
das geeinte Europa. Die FDP hat im Interesse des geeinten
Europa gegen die Römischen Verträge gestimmt, und nur
der Jungdemokrat Walter Scheel hat sich damals mit guten
Gründen engagiert für ein Ja der FDP zu den Römischen
Verträgen 1957 eingesetzt.
254
das Verschweigen, dass es für die FDP beste Gründe gab,
gerade im Interesse der Einheit Europas die Gefahr einer
Spaltung in einen EWG-Block der „Sechser-Gemeinschaft“
und in einen EFTA-Block der anderen Staaten des freien Eu-
ropa zu vermeiden.
Auch ein Nein zur Gefahr einer Spaltung Europas, die sich
immerhin über 30 Jahre nach den Römischen Verträgen bis
zum „Europäischen Wirtschaftsraum“ von EG und Rest-EF-
TA tatsächlich bewahrheiten sollte, kann sehr wohl ein kon-
struktiver außenpolitischer Beitrag für Europa sein. Wie
Ludwig Erhard hat die FDP nach dem Ja der überwälti-
genden Mehrheit für die Römischen Verträge diesen Eini-
gungsweg der kleineren Gemeinschaft konstruktiv unter-
stützt. Ebenso hätte die FDP den von ihr 1957 bevorzugten
Weg über ein größeres, bürgernäheres Europa aktiv voran-
getrieben, nicht nur beschränkt auf die Bundesrepublik,
Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten wie in den Rö-
mischen Verträgen.
2009 kann die FDP in diesem Sinne endlich die Einheit des
großen Europa der 27 Staaten vorantreiben und tut dies
auch im Geiste des Subsidiaritätsprinzips für ein bürgerna-
hes Europa.283 Was bleibt also übrig von Jansens Vorwurf
an die Adresse von Genscher, Lambsdorff und allen, die ih-
nen darin folgen, dass es ein Gerücht sei, die FDP sei auch
283 Vgl. dazu das Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stärken“, >www.fdp.
de<, S. 78ff.
255
an allen Entscheidungen für Europa maßgeblich beteiligt ge-
wesen? Es wäre zumindest ein seltsames, ist aber leider
kein seltenes Demokratie- und Europa-Verständnis, nur ein
Ja als Beteiligung zu interpretieren: was immer zur Entschei-
dung anstünde. Mit diesem Verfahren würde man ausge-
rechnet Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff
immerhin zu „Europa-Skeptikern“ erklären, wenn man den
indirekten Vorwurf der Lüge zurücknähme.
Die Entscheidung war für die FDP bei den Römischen Ver-
trägen über die Deutschland-Frage hinaus viel komplizierter,
als dies in Jansens Behauptung von vorrangig parteitak-
tischen Überlegungen erscheint: Die Frage blieb bis über
die Osterweiterung der Europäischen Union hinaus schwie-
rig: Ist auf dem Weg zu einem geeinten Europa die inten-
sivere Zusammenarbeit relativ weniger Staaten förderlicher,
oder ist es besser, möglichst viele Mitglieder bei weniger
intensiver Integration mitzunehmen? Dabei sollte für Libe-
rale auch der Zusammenhang zwischen hoher Intensität der
Integration und dem Grad der Zentralisierung von politischen
Entscheidungen nicht gleichgültig sein. Darum war der FDP
in ihren europapolitischen Programmen stets wichtig, dass
ein geeintes Europa nach dem Subsidiaritätsprinzip bürger-
nah gestaltet werden müsse: in Übereinstimmung mit dem
Programm der FDP zum Föderalismus in Deutschland: bür-
gernaher Föderalismus in Deutschland und in Europa.
Die Gefahr von Fehldeutungen der Position der FDP für ein
geeintes Europa wie in der Buchbesprechung von Jansen
256
kann allerdings auch ein Grund dafür sein, dass sich die
FDP vor allem in ihren wirtschaftspolitischen Programmen in
Einzelfragen manchmal mit Kritik an europäischem Zentralis-
mus zurückhält, um nicht als „Europa-Skeptiker“ angepran-
gert zu werden. Solche Vorwürfe sind innerhalb der Libe-
ralen nicht selten. Davon getroffen wurde z.B. auch die
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, als sie auf Män-
gel im „Vertrag für eine Verfassung für Europa“ in der Fas-
sung von Thessaloniki hinwies284, die für Liberale keine Peti-
tesse waren.
257
richts zum Maastricht-Vertrag von 1993 gelesen hat, erst
recht auch Beiträge z.B. der Bundesverfassungsrichter
Hans-Jürgen Papier und Udo di Fabio zu Subsidiarität, Zen-
tralismus und Gleichmacherei in der Europäischen Union.
Die Entscheidung zum Lissabon-Vertrag ist ein klares Ja zu
Europa, aber nicht zu einem beliebigen Europa.
258
gemeinsame Entscheidung von Bundestag und Bundesrat
zur Interpretation der Maastricht-Kriterien in Italien und vor
allem in Deutschland angewandt wurden. Es sollte der An-
schein erweckt werden, die beiden Verschuldungskriterien
des Maastricht-Vertrags wären von Deutschland erfüllt ge-
wesen, als das von Bundeskanzler Kohl durchgesetzte Da-
tum für die Einführung des Euro anstand. Das passte zu den
werbenden Informationsblättern der Bundesregierung mit
der in jedem Lexikon erkennbaren Fehlinformation, auch im
Deutschen Reich Bismarcks sei die Währungseinheit der
politischen Einheit vorangegangen.
259
denquote mit Ausnahme eines einzigen Jahres der außeror-
dentlichen Lizenzversteigerungen des Bundes weiterhin
über 60% und stieg sogar bis 2008.
Das hat für die gute Sache des Euro nur schädlich gewirkt,
und es ist vor allem Verdienst von Deutscher Bundesbank
und Europäischer Zentralbank, dass der Euro dennoch das
gehalten hat, was sich die FDP in ihrem Ja zum Euro ver-
sprochen hat: Geldwertstabilität und ein Stabilitätsanker
auch in der Weltwirtschaftskrise.285
260
8. Konjunkturpolitik
Im Zeitalter der experimentierenden Konjunkturpolitik wurde konjunkturpolitisch
nicht etwa ein Versuch gemacht, Marktformen und Geldordnungen zu reformieren
und durch Konstanz der Wirtschaftspolitik die Investitionstätigkeit anzuregen.
Die Konjunkturpolitik der Experimente versuchte vielmehr durch unmittelbare
Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß selbst Depressionen zu überwinden und zu
vermeiden.
(Walter Eucken(1949),Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Bern und
Tübingen 1952 (postum), S. 310f.) 286
286 In dem von Karen Horn rezensierten Buch von Friedrun Quaas, Soziale
Marktwirtschaft. Wirklichkeit und Verfremdung eines Konzepts, Bern 2000
behauptet die Autorin des Buches nicht nur grundsätzliche Gegensätze zwi-
schen Müller-Armack und seinen neoliberalen bzw. ordoliberalen Mitstrei-
tern, die ich als Student und langjähriger Mitarbeiter von Müller-Armack so
nicht bestätigen kann – ähnlich, wie das Müller-Armacks neoliberaler Chef
Ludwig Erhard nie tat. Speziell zur Konjunkturpolitik liest die Buch-Autorin
Euckens „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ falsch. Denn Eucken ging es
bei seiner Kritik an „experimentierender Konjunkturpolitik“ (s.o., Kopf-Zitat)
um einen bestimmten Stil der Konjunkturpolitik. Er hätte sonst die Konjunk-
turpolitik nicht in seine „regulierenden Prinzipien“ der „Wettbewerbsord-
nung“ aufgenommen.
261
nationalsozialistischer Zwangswirtschaft bis zu Forderungen
nach Steuerentlastung und solider Haushaltspolitik wird
das Bekenntnis zur Marktwirtschaft als freiheitliche
Wirtschaftsordnung und Voraussetzung für eine freiheitliche
Gesellschaftsordnung mit unterschiedlichen Worten
wiederholt: „Wohlstand für alle ist nur möglich in einer auf
Freiheit der Person, dem Privateigentum und dem lauteren
Leistungswettbewerb aufgebauten Wirtschaftsverfassung.
Deshalb bekennt sich die FDP zur Fortführung der
von ihr seit 1948 vertretenen erfolgreichen Politik der
Marktwirtschaft.“287
262
ßigen, aber seit Ende des 19. Jahrhunderts oft heftiger wer-
denden Auf und Ab der Wirtschaftstätigkeit einer ansonsten
konsolidierten Volkswirtschaft, das man mit „Konjunktur“
bezeichnet.288 Nach dem Krieg war die Umstellung von der
Zwangsbewirtschaftung des Nationalsozialismus einschließ-
lich Kriegswirtschaft auf die Marktwirtschaft zu leisten, Mil-
lionen Heimatvertriebene und zunehmend auch Flüchtlinge
aus der DDR waren in Gesellschaft und Wirtschaft zu inte-
grieren, heute nur noch aus Entwicklungsländern bekannter
Hunger war zu stillen, und das zerstörte Deutschland war
nach dem Verlust Schlesiens, Ostpreußens, Pommerns und
des Sudetenlandes wieder aufzubauen. Das war eine „Kri-
se“, die allerdings mit der Bezeichnung „Krise“ in manchen
frühen Konjunkturtheorien nichts zu tun hat.
Als die Not dieser Phase und die damals hohe Arbeitslosig-
keit von bis zu 1,5 Millionen Arbeitslosen 1950/51 in eine
Phase der Vollbeschäftigung ab 1959 und der „Überbe-
schäftigung“ von 1960 bis 1966 in „Wohlstand für alle“ ge-
wendet wurde, gab es schwierige Anpassungskrisen, die
damals noch korrekt unterschieden wurden von den seit
über 50 Jahren systematisch beobachteten und seit über 30
Jahren gut analysierten Konjunkturen. An den Konjunkturen
288 Dem Sozialisten Ferdinand Lassalle verdanken wir die Verbindung des
sprachlich ins Deutsche transformierten Begriffs „Konjunktur“ aus Lassal-
les Übersetzung „Conjunctio“ des Heraklit in seiner Polemik gegen den Li-
beralen Schulze-Delitzsch „Herr Bastiat-Schulze v. Delitzsch“: „Conjunctio
rerum omnium (Verknüpfung, Verbindung des Seienden) [...]“ Zitiert von
Wilhelm Röpke, Die Konjunktur, Jena 1922, S. 1.
263
interessierte die Politik damals wie heute die Rezession
mehr als die Boom-Phase, es sei denn, eine Überhitzung
der Konjunktur fällt allzu heftig aus, so dass danach eine um
so tiefere Rezession befürchtet wird.
289 1961 hatte die FDP zwar sogar mit 12,8% ihr bis heute bestes Er-
gebnis bei einer Bundestagswahl erreicht. Dazu trug allerdings auch die
Ausnahmesituation bei, dass die CDU zuvor bei der Bundestagswahl 1957
mit 50,2% die absolute Mehrheit erreicht hatte. Mit Ludwig Erhards 1965
264
Bei einem so geringen Beschäftigungseinbruch lag es selbst
vor dem Erfolgshintergrund der 10 Jahre zuvor nicht nahe,
die Stabilisierung der Wirtschaftstätigkeit auf hohem Niveau
mit Instrumenten zusätzlich zu den ordnungspolitischen Stabi-
lisatoren zu versuchen. In Ländern mit viel stärkeren Kon-
junkturschwankungen wie vor allem den Vereinigten Staaten
war allerdings ein Instrumentenkasten zusammengestellt
worden, der voll zum vorherrschenden keynesianischen
Zeitgeist passte.
erreichten 47,6% war die CDU nicht mehr weit von einer erneuten abso-
luten Mehrheit auf Kosten der FDP entfernt. Was ein wirklich schlechtes
Wahlergebnis ist, erfuhr die FDP erst bei der Bundestagswahl 1969 mit
5,8%. Die Orientierung hin zum künftigen Koalitionspartner SPD hatte sich
für die SPD mit erstmals über 40% der Stimmen ausgezahlt (42.7%), die
CDU hielt sich mit 46,1% relativ gut, und die Splitterparteien erhöhten ihren
Stimmanteil von 3,6% auf 5,5%.
265
her dafür ein, [...] – im Zuge der Finanzreform die
Voraussetzungen für eine übereinstimmend konjunk-
turgerechte Haushaltsgebarung von Bund, Ländern
und Gemeinden und damit für eine weitsichtige Sta-
bilitätspolitik zu schaffen; [...].290
266
Gegen Flucht vor Verantwortung in den Schein
von Objektivität
Zur hohen Zeit der „Konjunkturpolitik der Experimente“, des
großen Aktionismus mit „Konzertierter Aktion“, „Global-
steuerung“ und mit viel „Konjunkturpolitik“ gehört das Vor-
täuschen von Objektivität durch quantitative Prognosen:
„Konjunkturpolitik“ durfte sogar im Titel der Ausschreibung
eines Forschungsauftrags nicht fehlen, in dem es inhaltlich
um den besten Weg zur Europäischen Währungsunion ge-
hen sollte.291 Das politische Problem solcher Schein-Objek-
tivität quantitativer Prognosen ist weniger die regelmäßig
schlechte Treffer-Quote solcher Prognosen. Karl-Heinz Pa-
qué hat in der Sitzung des Bundesfachausschusses Wirt-
schaft vom 21. März 2009 am Beispiel der aktuellen Finanz-
krise verdeutlicht, wie Schein-Objektivität das Verstecken
von politischen Entscheidungsträgern hinter Gutachten för-
dert und in Flucht vor politischer Verantwortung münden
kann.
291 Das war der Fall bei der Ausschreibung eines Gutachtens „Konzept
einer europäischen Konjunktur- und Währungspolitik“ für das Bundesmini-
sterium für Wirtschaft, das als Buch dann den treffenden Titel „Wege und
Irrwege zur europäischen Währungsunion“ erhielt (a.a.O.).
267
höchst aktuell, auch wenn die aktuelle Krise am allerwenig-
sten mit volkswirtschaftlichen Konjunkturschwankungen zu
tun hat:
268
Ankündigungseffekt, der nur unerwünschte volks-
wirtschaftliche Konsequenzen haben kann.“292
Das ist im Kern ein Plädoyer für den Vorrang von Ordnungs-
politik. Wäre die FDP konsequent auf diesem Kurs „Ord-
nungspolitik mit Konjunkturpolitik ohne Anmaßung von Per-
fektion“ geblieben, wäre Deutschland zumindest bei einer
nachhaltig soliden und generationengerechten Haushaltspo-
litik „ordnungspolitische Nummer 1“ geblieben oder gewor-
den, wie Otto Graf Lambsdorff es nach dem Scheitern der
vielen wirtschaftspolitischen Experimente des „Keynesia-
nismus ohne Keynes“ 1992 in „Mut statt Mißmut“ einfor-
derte.
269
ben in einem Maße in die Irre geführt, dass sie alle schlim-
men Befürchtungen der FDP von 1967 in den Jahren
2008/2009 übertrafen, natürlich nicht zum ersten Mal, aber
noch nie so weit entfernt von der Welt, wie sie wohl ist und
wie sie jedenfalls ex post in den Statistiken abgebildet wird.
270
das bei Ludwig Erhards höchster Arbeitslosenquote von
2,1% Anlass zu Konjunkturprogrammen gab, ab 1975 mit
4,7% sogar nach der Beveridge-Definition einer Schwelle zu
Unterbeschäftigung von 3,5% (s.o.) ununterbrochen ver-
letzt war. Von „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaft-
lichen Gleichgewichts“ konnte also ab 1975 bei niemals vor-
handenem Gleichgewicht folglich nie die Rede sein: Diese
„Störung“ war ab 1975 permanent – und das ausgerechnet
beim wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Ziel aller Parteien.
271
recht für kommende Generationen geworden, dass sich ein
grundsätzliches Verbot der staatlichen Netto-Neuverschul-
dung politisch mit verfassungsändernder Mehrheit durch-
setzen lässt. Noch 1996, als die FDP mit dieser Forderung
ihres Entwurfs des neuen Grundsatzprogramms in die Öf-
fentlichkeit ging, war ein prinzipielles Verschuldungsverbot
fast ausnahmslos als unrealistisch und nicht zeitgemäß belä-
chelt worden (s.o.) – ähnlich wie die präzisen Warnungen im
FDP-Aktionsprogramm von 1967. An diesen Warnungen der
FDP ist die Zeit der „Macher“ nach Anfangserfolgen296 vor-
beimarschiert: mit Verletzung gleich aller hinreichend ope-
rablen gesamtwirtschaftlichen Ziele: hohe Arbeitslosigkeit,
Verlust der Geldwertstabilität, schwaches Wachstum – was
immer ab den 70er Jahren mit dem „außenwirtschaftlichen
Gleichgewicht“ geschehen sein mag.
Das eröffnet die Frage, ob die FDP auch dann aus der Re-
gierung von Bundeskanzler Ludwig Erhard 1966 ausge-
schieden wäre, wenn sie die erst im Aktionsprogramm 1967
erkannten Folgen der anschließenden Großen Koalition für
die Verfassung Deutschlands früher hätte ahnen können:
Seit der Großen Koalition nach Ludwig Erhard hat sich die
Verfassung Deutschlands im wörtlichen und im übertra-
genen Sinne auch als Folge der Grundgesetzänderungen
verschlechtert: mit der Öffnung aller Hähne für wachsende
Staatsverschuldung im geänderten Artikel 115 und mit der
296 Vgl. dazu Norbert Walter, Was würde Erhard heute tun?, a.a.O., S. 38ff.
mit Tabelle 3.
272
Deformation des deutschen Föderalismus zum „koopera-
tiven Föderalismus“ organisierter politischer Unverantwort-
lichkeit. Diese Verfassungsänderungen verdarben auch die
„Verfassung“ der Deutschen im Sinne des Sea Shanties
„Haul Away Joe“297: Mehr und mehr Millionen Menschen
fielen in ein Leben ohne Arbeit, in Dauerarbeitslosigkeit
ohne Perspektive. Schicksal zum Teil schon in der dritten
Generation der Kinder wurden Bildungs- und Erziehungs-
probleme mit ihrem Beitrag zu neuer Gewalt, Überlastung
künftiger Generationen und wachsender Ferne zu einem Le-
ben in Freiheit und Eigenverantwortung.
297 Gemeint sind die doppeldeutigen Zeilen des Shanties zum Ende der
französischen Verfassung mit der Revolution und der Enthauptung von Lud-
wig XVI: „King Louis got his head cut off, which spoilt his constitution.“
273
Amerikaner nicht besser den ganzen Mist selber aufräumen
sollten, den sie da angerichtet hätten, folgt nicht etwa ein
„Wachstumspaket“ oder „Stabilitätspaket“, sondern ein
„Konjunkturpaket 2“. Der falsche Name auf dem Paket
schließt natürlich nicht aus, dass im Paket auch Richtiges ist.
Wenn die Politik heute nicht die Fehler macht, die man von
einem „Konjunkturpaket“ als Antwort auf eine Weltwirt-
schaftskrise erwartet hätte, und wenn die Enteignungsbe-
hörde im Finanzministerium darauf verzichtet, in ein „Kon-
junkturpaket 3“ noch einige Enteignungen einzupacken,
dann werden die Deutschen auch diese Krise schneller be-
wältigen als dies noch im Mai 2009 befürchtet wurde. Ende
Juni 2009 überraschten CDU-Politiker und vor allem Wolf-
274
gang Franz als Vorsitzender des Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit
Forderungen nach „Steuererhöhungen“. Dieses neue Risiko
für eine schnelle Überwindung der Krise wurde herbeigere-
det, obwohl die Steuerentlastungen der „Konjunkturpakete“
noch längst nicht Wachstum und Arbeitsplätze gesichert ha-
ben. Die in allen Medien verbreitete Einschätzung: Einspa-
rungen dürften zur Konsolidierung nicht ausreichen. „Dann
aber sind Steuererhöhungen unausweichlich.“298
275
Die Begriffsverwirrung bei der „Konjunktur“ 2009 unter-
streicht eine Veränderung in den Schwerpunkten deutscher
Wirtschaftspolitik in der in den Medien offenbarten fach-
lichen Kompetenz seit den 60er Jahren: Nach der großen
Zeit der Konjunkturpolitik von 1966 bis in die 70er Jahre
spielte „Konjunkturpolitik“, die diesen Namen zu Recht
trägt, auch in den wirtschaftspolitischen Programmen der
FDP keine große Rolle. Denn es dominierte, was die großen
Probleme der Zeit forderten: Politik zur Bewältigung der Kri-
se Anfang der 80er Jahre mit der bis heute immer noch
höchsten Arbeitslosenquote in den USA und fast allen In-
dustrieländern, dann nach den „fetten Jahren“ der Lambs-
dorff-Wende die Bewältigung der Deutschen Einheit und
nun die Bewältigung der Weltwirtschaftskrise: keine The-
men für „Konjunkturpolitik“, sondern Themen der Ord-
nungspolitik.
9. Spezielle Sozialpolitik
276
isolierter sozialpolitischer Teil. In konsequent ordnungspoli-
tisch orientierten Programmen wie dem FDP-Grundsatzpro-
gramm „Wiesbadener Grundsätze – Für die liberale Bürger-
gesellschaft“ von 1997 oder den Wahlprogrammen 1998,
2005 und 2009 gibt es dagegen solche Trennungslinien
nicht. „Sozial“ orientiert ist dann das ganze Programm: aus
einem ordnungspolitischen Guss. Denn trennende Abgren-
zungen gemäß wechselnder ministerialer Zuständigkeit und
gemäß arbeitstechnisch brav folgendem Zuschnitt von Ar-
beitskreisen der Bundestagsfraktionen können auch bei so-
zialen Anliegen allenfalls per Zufall einigermaßen sachge-
recht sein. Regelfall marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik
ist in den Programmen der FDP soziale Politik durch Gestal-
tung des Ordnungsrahmens vor allem für Arbeitsplätze und
Wettbewerb als Entdeckungsverfahren für Innovation und
Wachstum des Verteilbaren.
277
Diese sozialen Funktionen der Marktwirtschaft sind es, die
z.B. F. A. von Hayek meinte, als er bezweifelte, welchen
Sinn es denn habe, von „Sozialer Marktwirtschaft“ zu spre-
chen, wo die Marktwirtschaft an sich doch schon „sozial“
sei. Andere Neoliberale wie vor allem Walter Eucken haben
diese sozialen Wirkungen einer marktwirtschaftlichen Ord-
nung herausgearbeitet, dabei aber erkannt, dass selbst die
beste Ordnung nicht alle Probleme sozialer Sicherheit und
Gerechtigkeit lösen kann. Hier grenzt Walter Eucken wie die
FDP die marktwirtschaftliche Ordnungspolitik als präventive
Politik von der „Sozialpolitik“ ab, die bei Eucken zu den „re-
gulierenden Prinzipien“ gehört „Durch die allgemeine Ord-
nungspolitik muß versucht werden, die Entstehung sozialer
Fragen zu verhindern. Entstehen sie doch, so ist zuerst zu
prüfen, ob es sich nicht um Sekundärwirkungen irgendwel-
cher auf ganz anderem Gebiet liegender Maßnahmen
handelt.“299
278
erhält und stärkt.300 Die Marktwirtschaft bedarf dann nur
weniger Elemente der „speziellen Sozialpolitik“301, um die
soziale Ordnung zu erreichen, die den Wertvorstellungen ei-
ner Gesellschaft freier, eigenverantwortlicher Bürger ent-
spricht und die von den Bürgern erhalten wird.
279
Wenn innerhalb des Steuersystems gemäß steuerlicher Lei-
stungsfähigkeit belastet werden soll, dann bedeutet das bei
steuerfreiem Existenzminimum, dass ein integriertes Steu-
er- und Transfersystem erforderlich ist: Einkommen unter-
halb des steuerfreien Existenzminimums müssen bis zur
Höhe des Existenzminimums durch eine „Negativsteuer“
aufgestockt werden. Sonst müsste dieser soziale Ausgleich
außerhalb des Steuersystems geleistet werden, wo eine maß-
volle Umverteilung gemäß dem Grundsatz steuerlicher Lei-
stungsfähigkeit z. B. in den gesetzlichen Systemen sozialer
Sicherung systematisch nicht gewährleistet ist. In seiner
Funktion des sozialen Ausgleichs ist dies im Programm der
FDP seit 1993 das „Bürgergeld“ als eine Grundsicherung.
280
Ein wichtiger und zugleich heftig umstrittener Bereich der
„speziellen Sozialpolitik“ auf dem Arbeitsmarkt ist die staat-
liche Einkommenspolitik, wie sie heute wieder in Form von
gesetzlichen Mindestlöhnen auch im Bundestagswahlpro-
gramm von Bündnis 90/Die Grünen gefordert wird, präziser
formuliert: Die Grünen fordern hier einen gesetzlichen Min-
destlohnsatz von 7,50 Euro pro Stunde, also einen Mindest-
preis für Arbeit und eben kein Mindesteinkommen, das viele
Grüne der Basis in Konkurrenz zum Bürgergeld der FDP
durch eine „bedingungslose Grundsicherung“ garantieren
wollen.304
304 In ihrem Programm zur Bundestagswahl 2009 hat sich die Führung
der Grünen gegen Forderungen der Basis nach einer „bedingungslosen
Grundsicherung“ mit einem Kompromiss durchgesetzt: „Die grüne Grund-
sicherung“ ist nicht bedingungslos: „Die Zahlung einer sozialen Sicherung
soll weiterhin an die Bereitschaft geknüpft werden, der Gesellschaft etwas
zurückzugeben. […] Die Frage nach der Gegenleistung darf nicht durch
Zwang, sondern muss durch faire Spielregeln und positive Anreize gelöst
werden. […] Wir wollen die Zumutbarkeitsregeln beim Arbeitslosengeld II
entschärfen.“ Ähnliche Anforderungen der FDP für eine Gegenleistung zur
solidarischen Hilfe der Steuerzahler rückten die Grünen in ihrem Wahlpro-
gramm 1994 noch in die Nähe von Zwangsarbeit. Auch das mag die heute
sehr vorsichtig formulierte Einforderung einer Gegenleistung erklären. Vgl.
Die grüne Grundsicherung, Bundestagswahlprogramm 2009, >www.grue-
ne.de<, Kapitel 3, S. 5f.
281
sind überflüssig, weil es mit dem verfassungsrechtlich gesi-
cherten soziokulturellen Existenzminimum bereits ein Min-
desteinkommen gibt; auch das Bürgergeld der FDP sichert ein
Mindesteinkommen. Außerdem bringt ein gesetzlicher Min-
destlohnsatz nur dann ein ausreichendes Mindesteinkommen,
wenn ein Arbeiter genügend viele Stunden beschäftigt ist.
Bei Mindestlohnsätzen, die über dem Stundenlohn liegen,
den Betriebe zu zahlen in der Lage sind, sichert der Min-
destlohnsatz nicht das Mindesteinkommen, sondern bedeu-
tet oft Kurzarbeit mit Aufstockung durch Sozialhilfe oder Ar-
beitslosigkeit bei voller Sozialhilfe.
282
damit zur Erhaltung des Friedens in der Welt.“ (Her-
vorhebung im Original).
283
werden, die den Schutz der Arbeit gewährleisten.
Ziel solcher Sozialpolitik ist die Verhinderung materi-
eller Not, die Erhaltung der Menschenwürde und der
persönlichen Freiheit und die Sicherung des sozialen
Friedens.“307
307 Ebenda.
308 So z.B. auf der ersten Seite des wirtschaftspolitischen Programms
der Grünen zur Bundestagswahl 2009: „Wir wollen eine soziale und öko-
logische Wirtschaftsordnung.“ >www.gruene.de<, Kapitel 1 „Anders Wirt-
schaften – Ein Grüner New Deal für neue Arbeit und Innovation“.
284
destagswahl 2009 gegen den Neoliberalismus lassen dage-
gen Zweifel auch an grüner Bildungspolitik aufkommen. Die
aktuelle Krise wird zum „Ergebnis des Scheiterns der neoli-
beralen Ideologie“ erklärt; die Grünen polemisieren gegen
die „Klientelpartei FDP, die zum Auffangbecken all derer
wird, die trotz Krise weiter dem Neoliberalismus huldigen
wollen“. Unklar bleibt dabei, ob bei dieser Kritik der Grünen
stets klar ist, wofür der deutsche „Neoliberalismus“ histo-
risch und auch heute in der FDP steht. Da Gregor Gysi auch
Bündnis 90/Die Grünen als neoliberale Fraktion einordnet,
könnte es andererseits auch sein, dass die Grünen im Wett-
bewerb mit der FDP ein solches „Auffangbecken“ sein
möchten: wenig wahrscheinlich. 309
285
Vor dem Übergang zur umlagefinanzierten Rente 1957 for-
dert die FDP „Schaffung echter Selbstverwaltung in der So-
zialversicherung“ „in relativ kleinen Körperschaften, die den
Gedanken der Gegenseitigkeitshilfe auf genossenschaft-
licher Basis pflegen“. Für die „schutzbedürftigen Personen-
gruppen“ müsse bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter usw.“
„die freie Wahl unter den nach der Reichsversicherungsord-
nung (RVO) bestehenden und bewährten Versicherungsträ-
gern zugestanden werden. Ebenso muß diesen Sozialversi-
cherten das Recht der freien Wahl unter den Ärzten,
Zahnärzten usw., denen sie ihr persönliches Vertrauen ent-
gegenbringen, gesichert sein.“311
311 Vgl. Manifest über Gesundheit, Freiheit und soziale Sicherheit, be-
schlossen auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 28. Juni 1953 in
Lübeck, ebenda, S. 141. Zum Übergang von der Bismarckschen kapitalge-
deckten Alterssicherung mit Reichszuschuss zur umlagefinanzierten Ren-
tenversicherung mit Bundeszuschuss und den Folgen für künftige Genera-
tionen, die entgegen Adenauers klassischem Satz doch nicht immer Kinder
kriegen, vgl. Wolfram Engels, Der Kapitalismus und seine Krisen, a.a.O.,
S. 15ff.
286
sehr vage im Berliner Programm zur „Vorsorge gegen
Krankheit und Sicherung des Lebensabends.“ Im Grund-
satzprogramm, dem Berliner Programm vom 26. Januar
1957, wird zunächst die Grundidee liberaler Sozialpolitik
auch bei der Staatstätigkeit für „positive Freiheit“ sehr kon-
kret wiederholt:
287
- Die Sozialversicherungsreform solle „eine stärkere Selbst-
verwaltung der Sozialversicherungsträger“ möglich ma-
chen, wie dies die FDP bereits im System sozialer Siche-
rung zuvor gefordert hat.
288
sich Eugen Richter und Ludwig Bamberger noch klar für
„Capitaldeckung“ in der Alterssicherung ausgesprochen.
Seit 1957 setzt die FDP auf den Aufbau von Elementen der
Kapitaldeckung zur Ergänzung der umlagefinanzierten Ren-
te, wie dies später vor allem im Wahlprogramm 1994 her-
vorgehoben wird und in die Forderung des Wahlprogramms
1998 eingeht.
314 Vgl. Es ist Ihre Wahl. Das Wahlprogramm der Liberalen zur Bundes-
tagswahl 1998, >www.fdp.de<, S. 42.
315 Ebenda, S. 37f. Zur Geschichte der deutschen Alterssicherung und
zur Rentenpolitik der FDP vgl. Wolfram Engels, die Krisen des Kapitalis-
289
Die grundsätzliche Entscheidung der FDP für eine „Pflicht
zur Mindestversicherung“ in der Alters- und Krankenversi-
cherung statt „Pflichtversicherung“ bzw. wertend „Zwangs-
versicherung“ in der Krankenversicherung und Altersvor-
sorge war im Vorstand der FDP bereits gefallen, als die FDP
im Wahlprogramm 2002 bei der „Riester-Rente“ der rot-grü-
nen Regierung von 2001 den Ansatz unterstützte: Mit 4%
des Bruttolohnes sollte durch „Pflicht zur Versicherung“ die
kapitalgedeckte Altersvorsorge ausgebaut werden.316
290
über das Bürgergeldsystem der FDP bezahlbar sein muss,
will die FDP die Vielklassengesellschaft des heutigen Ge-
sundheitssystems überwinden.
291
stens in der nächsten Legislaturperiode klare politische Ent-
scheidungen zur Reform der Krankenversicherung.
Politik für eine lernende Gesellschaft setzt voraus, was auch die Föderalismus-
Reform endlich beflügeln würde: Politiker müssen den Mut aufbringen, die
Freiheit zum Leitmotiv ihres Handelns zu machen. Die Politik muss gerade
junge Menschen wieder für Freiheit begeistern können.
(Otto Graf Lambsdorff (2005)) 319
319 Otto Graf Lambsdorff, Der Freiheit verpflichtet, Band 1, Reden und
Aufsätze 1995 – 2006, hrsg. von Jürgen Morlok, Stuttgart 2006, S. 136.
292
dem „zweiten Dreißigjährigen Krieg“320, auf die die FDP ihre
wirtschaftspolitischen Grundsätze anzuwenden hatte.
320 So fasst Ralf Dahrendorf ähnlich wie de Gaulle 1941 die Zeit vom Vor-
lauf des 1. Weltkrieges bis zum Ende des 2. Weltkrieges zusammen. Vgl.
The Modern Social Conflict. An Essay on the Politics of Liberty, London
1988, S. 16, 30, 73ff., 92ff., 116 und 196.
293
Nach der deutschen Einheit führten die großen Anpassungs-
probleme der Umstellung einer Planwirtschaft im planlosen
Sturzflug auf verschärften globalen Wettbewerb und ra-
santen technologischen Wandel zu hoher Arbeitslosigkeit,
die mit der sozialen Sicherheit auch Freiheit zu einem selbst-
bestimmten Leben nahm.
294
An für ihre Argumentation geeigneter Stelle gestehen das
auch alle Politiker in den Medien ein: vor allem seitdem Wirt-
schaftsminister zu Guttenberg und die FDP mit mehr Ehr-
lichkeit in der Politik für Arbeitsplätze zumindest in den Um-
fragen erfolgreich erscheinen, beide sogar bei der
Europa-Wahl und der Bundestagswahl.
295
Wandel in wirtschaftspolitischen Programmen ist gut, wenn
das Programm gewandelten Problemen der Bürger in der
„lernenden Gesellschaft“ folgt. Im politischen Wettbewerb
ist die Profilierung gegenüber den konkurrierenden Parteien
zwar selbstverständlich und dient der „Willensbildung der
Bürger“, darf aber nicht zur Hauptsache werden. Nach 1945
war in den Programmen der explizite Blick auf die politische
Konkurrenz so nachrangig wie nie wieder danach. Die FDP
hat ausdrücklich nur Gegensätze zu allen anderen Parteien
herausgestellt, wo es um die Idee der Freiheit und um den
dazu passenden Werkzeugkasten „Marktwirtschaft“ ging,
besonders bei den Patentwerkzeugen „Eigentumsordnung“,
„stabile D-Mark“ und „Wettbewerbsordnung“, eingepackt
in „Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik“.
Auf diesem Gebiet der Ordnungspolitik war die FDP für die
Bürger so erfolgreich, dass sich die großen Parteien CDU/
CSU und SPD in Richtung auf das wirtschaftspolitische Pro-
gramm der FDP bewegten. Wichtigsten Anteil daran hatte
Ludwig Erhard, der nie verleugnete, wie sein Vater Liberaler
zu sein und der daher auch nie in die CDU eintrat.
Das aber war nie die Frage. Denn Einsatz für mehr Arbeitsplätze ist selbst-
verständliche Aufgabe für jeden Politiker. Und diesen Einsatz sprechen fast
alle Bürger trotz verbreiteter Unzufriedenheit den Politikern auch gar nicht
ab; sie haben nur Zweifel am rechten und ehrlichen Weg heraus aus der
Krise.
296
Ludwig Erhards so wichtiger Anteil daran, dass sich in den
großen Volksparteien eine Mehrheit für die Marktwirtschaft
durchsetzen konnte, wurde wiederum dadurch entschei-
dend gefördert, dass er als Liberaler die „Wahlkampf-Loko-
motive“ der Union war – zur geteilten Freude des damals
weniger populären Konrad Adenauer. Konrad Adenauer war
dennoch gegenüber Ludwig Erhards wirtschaftspolitischen
Grundsätzen fast so skeptisch, wie er Erhards Eignung zum
Kanzler aus schillernden Gründen bezweifelte. Darum wur-
de für die Durchsetzung der Marktwirtschaft in der Union
Konrad Adenauers Vertrauen in Wilhelm Röpke so wichtig:
Für Bundeskanzler Adenauer zählten vor allen wirtschafts-
politischen Details Röpkes Charakterfestigkeit und aus-
nahmslose Konsequenz im Kampf gegen die Nationalsozia-
listen.
297
Das kann so sein und ist wahrscheinlich manchmal so. Aber
für ein eigenständiges Urteil bei der Bewertung von Diskre-
panzen zwischen wirtschaftspolitischem Programm und po-
litischer Praxis sind auch bei der FDP Interdependenzen be-
sonderer Art zu beachten. Im negativen Grenzfalle führen
solche Interdependenzen zu dem, was z.B. als „Kuhhandel“
geläufig ist: verstanden offenbar als minder schwere poli-
tische Sünde im Vergleich z.B. zu „Rosstäuscherei“. In der
Regierungsverantwortung und im politischen Kampf um Re-
gierungsbeteiligung kann Interdependenz aller Politikbe-
reiche zum allgemeinen Guten führen, wie Interdependenzen
zum speziellen Handicap für wirtschaftspolitische Pro-
gramme der FDP ausschlagen können.
298
Liberalen anstrebten, nicht aber alle auf dem Wege einer
neuen Deutschland- und Ostpolitik.
299
Kanzler Helmut Schmidt 1982 in der SPD mit seinem Ja
zur „Nachrüstung“ des Westens fast völlig isoliert war.
300
und die ebenfalls angestrebte Verschärfung bei der Erb-
schaft- und Schenkungsteuer im Gegensatz zu allen Pro-
grammen der FDP vor und nach den Freiburger Thesen
standen, in der Konsequenz für die Umverteilung sogar im
direkten Gegensatz zum Wahlprogramm 1969, mit dem die
FDP in eine Koalition mit der SPD ging.324
Bei der Wende vom September 1982 war trotz der Gemein-
samkeit mit der Wende von 1969 im übergeordneten Ziel
der Friedenspolitik ansonsten fast alles anders:
301
schaftlichen Erneuerung. Für eine Annäherung der FDP in
umgekehrter Richtung an die Union gibt es im wirtschafts-
politischen Programm der FDP keinerlei Hinweis. Der Un-
terschied zu 1969 lag bei den Reformen im sozialen Be-
reich: Während die Ziele der Friedenspolitik nach 1969 und
nach 1982 weitgehend erreicht wurden, gelang es nur zu
einem geringen Teil, die im Wende-Papier von der FDP ge-
forderten grundlegenden Reformen des deutschen Sozial-
systems politisch umzusetzen. Mehr Reformen wussten
Unionspolitiker um Norbert Blüm bis zur Abwahl der christ-
lich-liberalen Koalition 1998 zu verhindern.
Dennoch waren die auf 1982 folgenden sieben Jahre bis zur
deutschen Einheit wirtschaftlich ähnlich erfolgreich wie die
sieben besten zusammenhängenden Jahre zu Ludwig Er-
hards Zeiten. Von der übergeordnet angestrebten „geistig-
moralischen Wende“ war immerhin die Befreiung der Köpfe
für neues Vertrauen in die Wirtschaftspolitik und damit auch
für eine optimistische Grundhaltung zwar gelungen. In Hans-
Jürgen Beerfeltz’ „Kulturkampf“ für eine marktwirtschaft-
liche Ordnung der Freiheit steht die FDP nach dem Hoch der
Deutschen Einheit und dem Wiedervereinigungsboom noch
2009. Denn auf dieses Hoch folgten Enttäuschungen. Vor
allem die hohe Arbeitslosigkeit nach den Arbeitsplatz-Erfol-
gen der Lambsdorff-Wende wurde der Marktwirtschaft an-
gelastet, nicht etwa der Politik des Reformstaus ab 1993
unmittelbar nach dem Vereinigungsboom. Also bleibt der
Einsatz für die marktwirtschaftliche Daueraufgabe wie jede
Aufklärung; Erfolg hat schon, wer unbeirrt weitermacht.
302
Auch die deutlich unterschiedliche Bewertung der beiden
Koalitionswechsel in Kategorien politischer Moral scheint
für den Nachrang der Wirtschaftspolitik zu sprechen, sogar
im Verhältnis zur Koalitionsfrage: Keine hörbare moralische
Entrüstung folgte nach der Wahl von 1969 dem Vergleich
zwischen den Eingriffen in die privaten Eigentumsrechte im
Wirtschaftsteil der Freiburger Thesen auf der einen Seite
und auf der anderen Seite der klaren Festlegung gegenüber
den Wählern in der Nürnberger Wahlplattform 1969 (s.o.):
„Jegliche Maßnahme, die das Ziel hat, private Vermögen
umzuverteilen, wird entschieden abgelehnt. Dagegen wird
die weitere Privatisierung wirtschaftlicher Vermögen der öf-
fentlichen Hand gefordert.“325.
325 Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O.,
S. 23.
326 Vgl. Fritz Stern, Five Germanys I have known, New York 2006, S. 412.
Fritz Stern bewertet die Liberalen, die anderer Meinung waren, indirekt
303
IV. Wirtschaftspolitisches
Programm und politische Praxis
Wenn nämlich je eine Theorie die Zeichen der Zeit richtig zu deuten wusste und
einer ihren Erkenntnissen gemäßen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik neue
Impulse gab, dann waren es die Männer, die heute als Neo- oder Ordoliberale
gelten. Sie haben der Wirtschaftspolitik immer mehr gesellschaftspolitische
Akzente verliehen“.
(Ludwig Erhard (1961))
durch das Lob, das er hier unmittelbar mit dem Namen verbindet: “Hilde-
gard Hamm-Brücher, a true liberal, [...]“ Allerdings scheint damit nur klar,
was Fritz Stern meint, denn er kennt zwar fünf Deutschlands, versteht aber
als Amerikaner unter „true liberal“ wohl nicht unbedingt dasselbe, was in
Deutschland mit „wahren Liberalen“ gemeint ist. Fritz Stern passt die ganze
Wende von 1982 nicht, und er verhehlt seine Sympathien ebenso wenig wie
manche Wende-Kritiker in Deutschland: „my basic sympathy was with the
Social Democrats, for historic reasons and because of my belief in progres-
sive liberalism.“ (ebenda, S. 413).
304
Ende der Großen Koalition ein Wettstreit um den wirkungs-
vollsten Populismus ausgebrochen.
305
Überkapazitäten der gesamten Branche und in einem Kon-
zernverbund mit einer Konzernmutter, die von der größten
Automobilfirma der Welt auf einen Börsenwert abgestürzt
ist, so dass der Kauf von General Motors nach Börsenwert
April 2009 scheinbar kein Problem für einen Lotto-Gewinner
gewesen wäre.
Auf der anderen Seite ist für den Vergleich von Programm
und wirtschaftspolitischer Praxis der FDP nicht nur die Lage
306
der FDP als Koalitionspartner in Nordrhein-Westfalen, Ba-
den-Württemberg, Bayern und Hessen ein Problem. Denn
schon im Vorlauf der Europawahl 2009 konzentrierten sich
alle politischen Gegner der FDP auf eine entscheidende Fra-
ge der Glaubwürdigkeit der FDP durch Vergleich von wirt-
schaftspolitischem Programm zur Steuerreform und Chan-
cen der politischen Umsetzung ab 2010. Erst recht hat der
eigenartige Vorlauf des noch eigenartiger beschlossenen
Wahlprogramms der CDU am 29. Juni 2009 verdeutlicht,
wie sehr auch manche Kontroversen in der Union viel Ver-
trauen in eine Steuerreform bei Rückkehr zu soliden Staats-
finanzen kosten.
307
Also erübrigte es sich in der Bundestagsdebatte zur Reform
der Erbschaftsteuer für die Grünen auch, auf die Sachargu-
mente der vom Vorsitzenden des Bundestags-Haushalts-
ausschusses Fricke vorgetragenen Föderalismus-Argu-
mente zugunsten von Landesgesetzgebung für die
Ländersteuer „Erbschaftsteuer“ näher einzugehen; das sei
alles nur Tarnung für die in Wirklichkeit von der FDP ge-
plante Abschaffung der Erbschaftsteuer. Im übrigen genügte
Christine Scheel der Hinweis auf einen weiteren angeb-
lichen Widerspruch: zwischen dem FDP-Programm für Bü-
rokratie-Abbau und der zu erwartenden Praxis einer Flut von
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den 16 deut-
schen Bundesländern als Folge der Gesetzgebungskompe-
tenz der Länder für die Erbschaftsteuer, die gemäß Grund-
gesetz unbestritten Ländersteuer ist.327
308
Sozialist Shaw vor politischem Aufheizen der Emotionen ge-
warnt und für Sachlichkeit und Vernunft plädiert hatte. Nicht
zufällig hatte dabei Shaw an die Adresse seiner sozialis-
tischen Freunde auch die Warnung vor moralisierender
Überheblichkeit und Anmaßung von Alleinvertretung in Fra-
gen der Moral gerichtet.
309
in aller Regel so sachlich, wie dies lebenserfahrene Bürger
für Fälle erwarten, in denen sich die Vertreter der Parteien
vor dem anschließenden gemeinsamen Abendessen nicht
öffentlich mit beeindruckender Gebärde an ihr Publikum
wenden („coram publicum“: „an die Herzen ihres Publi-
kums“). Es bleibt also bei Whitehead: Die Bürger müssen
selbst Augen und Ohren aufmachen und kritische Fragen an
Info-Ständen der Parteien oder über die Internet-Angebote
aller Parteien stellen.328
328 Eine hervorragende Gelegenheit dazu bieten die Info-Stände der FDP
Mitte Juli 2009 zum Tag der Steuerzahler. Dieser Tag wurde von Günter
Schmölders und dem Bund der Steuerzahler ins Leben gerufen. Er soll da-
ran erinnern, dass viele Bürger heute sogar mehr als das halbe Jahr bei ho-
hen Steuern und gesetzlichen Lohnzusatzkosten „für den Staat“ arbeiten
(>www.fdp.de<).
310
In dieser Lage will sich keine Partei eine „Brüning-Politik“
des eng geschnallten Gürtels vorwerfen lassen. Ähnlich wie
in der von Wilhelm Röpke als Ausnahmesituation gekenn-
zeichneten volkswirtschaftlichen Kreislaufkrise nach dem
Schock der Finanzkrise von 1929329 stellt sich heute die Fra-
ge nach dem besten Weg, die Kaufkraft, die „effektive
Nachfrage“ bei den Keynesianern, wieder zu stärken. Und
hier misstraut die FDP aller staatlich überlegenen Weisheit
und handwerklichen Steuerungskunst beim Einsatz des
Geldes zur Ankurbelung des volkswirtschaftlichen Kreis-
laufs. Dieser Grund für die von der FDP geforderte Steuer-
entlastung wird heute bei so mancher Kritik an Steuerentla-
stungen übersehen. Wenn diese Kritik heute auf fruchtbaren
Boden fällt, dann liegt das nicht zuletzt daran, dass die Ge-
fälligkeitspolitik aller Regierungen in den „fetten Jahren“
versäumt hat, genügend in Bildung und Infrastruktur zu inve-
stieren. Das muss nun in erneut „mageren Jahren“ mit
Steuermitteln nachgeholt werden und provoziert erst recht
Standard-Fragen wie z.B. „Und wie wollt ihr die Steuerentla-
stung finanzieren?“
329 Vgl. dazu Wilhelm Röpkes Beiträge zur Konjunkturpolitik, speziell als
Volkswirt in der „Brauns-Kommisssion“.
311
Bürger sie erwirtschaften. Und da erst stellt sich die Frage,
ob regelmäßig eher die Bürger oder Politiker das Geld in die
Kanäle lenken, die höchste volkswirtschaftliche Wertschöp-
fung für alle versprechen. Selbst wenn Politiker so weise
und geschickt wären, wie Adam Smith sie wahrscheinlich
mit seinem Lob nur veräppeln will, wird sich stets wiederho-
len, was auch 2009 zu beobachten ist: Die Lautstärke wohl-
organisierter Sonderinteressen würde selbst den besten
Regierungsplan zur Steuerung der „effektiven Nachfrage“
zur ungerechten Verteilung von Steuergeldern zugunsten all
derer machen, die am lautesten schreien und die das größte
Erpressungspotential haben.
312
Bereits Adam Smith hat das Subsidiaritätsprinzip auf Fragen
der Ethik und der Wirtschaft angewendet: Bei Informations-
kosten kann am zuverlässigsten richtig entscheiden, wer
möglichst dicht am Problem ist, das es zu lösen gilt.330 Das
sind die Bürger, oft auch in freiwilligen Verantwortungsge-
meinschaften, danach die Gemeinden, die aber in der föde-
ralen Verfassung Deutschland kaum autonome Gestal-
tungsmöglichkeiten haben. Also ist es gegen alle Polemik
der Grünen zum angeblichen Widerspruch zwischen Ver-
schuldungsverbot und Steuerentlastung zumindest als „Bür-
gerrechtspartei“ eine Überlegung wert: Jenseits der not-
wendigen Investitionen vor allem in Bildung und jenseits der
wirklich unabdingbaren Staatshilfen in einer Weltwirtschafts-
krise sollte möglichst viel Geld für Kauf-Entscheidungen bei
den Bürgern belassen bleiben. Das wird durch niedrigere
Steuersätze für mittlere Einkommen erreicht. Regelmäßig
fließt dieses Geld über mittelständische Unternehmen in
330 Vgl. dazu die Passagen zur „unsichtbaren Hand“ bei Informationsko-
sten in „Theorie der ethischen Gefühle“ und in „Wohlstand der Nationen“,
a.a.O., Band 1, Buch IV, Kapitel II, für juristische und auch sonst logische
Interpretation hilfreich ist auch hier „die Stellung im Gesetz“: Kapitel II ist
überschrieben: Of Restraints upon the Importation from Foreign Countries
of such Goods as can be Produced at Home, S. 477ff.; entsprechend im
generellen, im psychologischen, im ästhetischen und informationstheore-
tischen Zusammenhang – wie in der aktuellen Kosmologie –Adam Smith,
Theorie der ethischen Gefühle, a.a.O., 4. Teil, überschrieben: Über den Ein-
fluß der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigkeit, 2. Kapitel: Von der Schön-
heit, welche den Anschein der Nützlichkeit den Charakteren und Handlun-
gen der Menschen verleiht ...“, S. 315ff.
313
den volkswirtschaftlichen Kreislauf: für Investitionen, mehr
Arbeitsplätze und dadurch auch höhere Steuereinnahmen.
314
Das ist gewissermaßen die Kurzgeschichte fast aller ge-
scheiterten „Globalsteuerungen“ seit 1969. Dagegen war
jede Senkung der Steuersätze von der dreistufigen Steuer-
reform ab 1997 bis zur massiven Absenkung der Steuersät-
ze durch die rot-grüne Regierung im Rahmen der „Agenda
2010“ ein Erfolg.
315
Was nach 2005 fast lehrbuchgemäß klappte, muss unter
völlig verschiedenen weltwirtschaftlichen Rahmenbedin-
gungen 2010 noch lange nicht klappen. Denn nach dem Le-
sen der ersten Lehrbuch-Seiten beginnt erst die richtige Ar-
beit, und die bedeutet wie immer für die Erfolgsaussichten
von späteren Steuererhöhungen: „It depends.“ Es hängt
von den Rahmenbedingungen in einem Zeitfenster des wie-
der erreichten belastbaren Wachstums ab, dessen Eintreten
heute kein Sachverständiger seriös voraussagen kann.
316
so verstanden wissen wollte, dass seine Hauptaufgabe ord-
nungs- und prozesspolitische Beratung der Bundesregie-
rung ist: ob der Geldgeber diesen Rat mag oder eben auch
nicht, ob Regierung oder Opposition. Weil die ordnungspo-
litische Bewertung des Sachverständigenrates die Regie-
rung selten ziert, sprechen auch Regierungsvertreter bei
der Vorlage des Jahresgutachtens lieber über Zahlen und
treffen damit zugleich das vorrangige Interesse von Medien.
317
V. Blick nach vorn in
Optimismus
Die einzig wertvolle Weltanschauung ist die optimistisch-ethische. Ihre
Erneuerung liegt uns ob. [...] Der Kulturgesinnung uns verantwortlich füh-
lend, blicken wir über Völker und Staaten auf die Menschheit hinaus. Wer
sich ethischer Welt- und Lebensbejahung ergeben hat, dem ist die Zukunft des
Menschen und der Menschheit Gegenstand der Sorge und des Hoffens. Von
diesem Sorgen und Hoffen frei zu werden ist Armut; ihm ausgeliefert zu sein,
ist Reichtum. So ist es unser Trost in schwerer Zeit, daß wir, ohne zu wissen,
was wir noch von besserer Zukunft erleben können, nur im Vertrauen auf die
Macht des Geistes, einer kommenden Kulturmenschheit die Wege bahnen.
(Albert Schweitzer, „in den Jahren 1914 bis 1917 im Urwald Afri-
kas“)
318
Erneuerung einer „optimistisch-ethischen Weltanschauung“,
am 24. März 2009 erneut Bundespräsident Köhler in seiner
diesjährigen „Berliner Rede“.331
331 Berliner Rede von Bundespräsident Horst Köhler vom 24. März 2009
(>www.bundespraesident.de<).
319
rechnet im Finanzsektor in kurzer Frist mit Ethik-Seminaren
Anstand hätte eingetrichtert werden können.
320
Der von Rainer Brüderle schon viele Jahre vor der aktuellen
Finanzkrise gegeißelte „Neo-Feudalismus“332 trägt dieses
zynische Gesicht des Verlusts von Werten: Die Achtung vor
Recht und Gewissen sei etwas für das dumme Volk; der
neofeudal Neureiche frage nur, ob sein Rechtsbruch oder
sein fehlender Anstand geahndet wird. Diese Haltung taugt
nicht einmal für die Organisation einer Räuberbande, die
ohne Achtung vor ihren Regeln und ohne entsprechend har-
te Sanktionen zerfällt. Schon gar nicht lässt sich ohne Ach-
tung vor der Würde des Menschen, ohne darauf fußendes
Recht, ohne freiheitliche Spielregeln und ohne Anstand die
Marktwirtschaft und eine Gesellschaft der Freien gestalten
und erhalten.
321
wart“, seine „Civitas Humana“ und „Jenseits von Angebot
und Nachfrage“. Das hob sich wohltuend ab von der Über-
fütterung mit Krisen- oder gar „Konjunktur“-Erklärungen
echter Experten und vor allem von der aufgeplusterten
Selbstgewissheit mancher selbsternannter oder von Medi-
en beförderter „Experten“.
322
helm Röpke und Albert Schweitzer erschien. Das aber wur-
de erst im gesamten Ablauf der Präsidentenwahl-Übertra-
gung auf Phoenix, dem herausragenden Sender für politische
Bildung, deutlich. Denn wie ein roter Faden zieht sich durch
die Gegenüberstellung der beiden Kandidaten bis in die In-
terviews nach der Wahl der Kampfbegriff „Neoliberalis-
mus“: auf dem Höhepunkt der Ignoranz sogar in unmittel-
barer Verknüpfung mit „liberalen Rezepten“.
323
Kommentar trug durchaus nicht zur „Willensbildung des
Volkes“ bei: Jürgen Falter lobt nach der kurzen Rede des
wiedergewählten Bundespräsidenten im selben Stil der ver-
hüllten Unterstellung Horst Köhlers „Wandel vom marktlibe-
ralen Reformer“ zu einem, der das Soziale in den Vorder-
grund stelle. Jürgen Falter hat auch eine zielgenaue Adresse
für seine Unterstellung: Horst Köhler habe gelernt, dass
man „mit liberalen, mit neoliberalen Rezepten“ allein nicht
weiterkomme.
Für Optimismus sprach am 23. Mai 2009, dem Tag der Wahl
des Bundespräsidenten, ein bunter Strauß von Gründen:
Hans Maier hat in einem der spannendsten Abstiegskämpfe
Borussia Mönchengladbach am letzten Tag in der Bundesli-
ga halten können. Für die Bürger bleibt außer Horst Köhlers
angerufener Segen Gottes für Deutschland die zum Segen
gehörende Ergänzung: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“
Diese Aufforderung ist hier nicht etwa für den Bereich sozi-
aler Hilfe gemeint, sondern im Sinne von Immanuel Kant ge-
meint ist hier die von Wolfgang Gerhardt so gern zitierte
Aufforderung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes
zu bedienen!“ und Whiteheads „Machen Sie gefälligst die
Augen selbst auf!“
324
Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Lei-
tung freigesprochen (naturaliter majorennes), dennoch ger-
ne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so
leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist
bequem, unmündig zu sein.“333
333 Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1783),
a.a.O., S. 9.
325
VI. Anhang
326
Datum/Ort Beschluss Kerninhalte
4. 2. 1946 Programmatische Richtli- Föderalismus, Europa, sozialer Frieden, Privateigentum, Integration in
Syke nien der FDP der Britischen Weltwirtschaft, Freiheit, „geistige und moralische Bildung“
Zone
28. 3. 1946 Programm der FDP Bayern Gewerbefreiheit, Erziehung zu Staatsbürgern, „freier Wettbewerb“,
Privateigentum, Währung
14. 6. 1946 Wahlaufruf der Demokra- „Freiheit und Gerechtigkeit“, „Erneuerung der Volksgesinnung“ nach
tischen Volkspartei „ewiggültigen Gesetzen der christlich-abendländischen Kultur“,
Württemberg-Baden Privateigentum, Föderalismus, Mittelstand, Mitbestimmungsrechte,
(Reinhold Maier, Theodor Erziehung „für die neue Freiheit“, Europa
Heuss)
August 1946 Programmatische Leitsätze Föderalismus, „Erziehung zur staatsbürgerlichen Haltung“, „Partei der
Hamburg der FDP Hamburg Arbeit“, „Gipfelziele der persönlichen Freiheit, der sozialen Gerechtig-
keit und der menschlichen Würde“, Privateigentum, maßvolle Besteue-
rung auch für sozialen Ausgleich, Wettbewerb auf offenen Märkten,
„Erziehung zu sozialer Gesittung“
Februar 1947 Stadtverordnete der LDP lehnt als einzige Partei die Sozialisierung von Betrieben ab
Berlin Berliner FDP gegen
Sozialisierung
19./20. 4. 1947 Programm der Demokra- „Verwirklichung der menschlichen Freiheit und der sozialen Gerechtig-
Bad Kreuznach tischen Partei Rheinland- keit“, Föderalismus, Europa, Privateigentum, „Volk als Kulturnation“
Pfalz
3.-10. 1. 1948 Wirtschaftsprogramm der Marktwirtschaft, Selbständigkeit, Arbeitsmarkt, Betriebsräte,
Wangerooge FDP der Britischen Zone Gewerkschaften, IHK, Freie Berufe, Haftung, Marktwirtschaft, Wettbe-
Wangerooge werb, Privatisierung, Mittelstand, „gerechte Besteuerung“, „unabhän-
gige Zentralnotenbank“, gegen „Industrieplan“ staatlicher Planification,
Freihandel für Frieden, Bildung
327
12. 12. 1948 Heppenheimer Proklamati- „Gedanken der Freiheit und des Persönlichkeitsrechts“ für „Freiheit,
328
Heppenheim on Frieden und Sicherheit“, offene Märkte, Geldwertstabilität, Subsidiari-
tät in Sozialpolitik, Integration der Heimatvertriebenen
11./12. 6. 1949 Bremer Plattform 1. Ord. „Feierliche Entschließung: Ostzone“, Wohnungsbau, Beamtenrecht,
Bremen Bundesparteitag Marshallplan statt Demontage, Kriegsgefangene/Verschleppte,
Besatzungskosten, Flaggenfrage, Elternrecht, Ablehnung von
Enteignung/Sozialisierung als bleibendes „Gesetz, nach dem die FDP
angetreten ist“, „allgemeine Senkung der Steuertarife“, gegen
„willkürliche Progression“, einfache, gerechte, nicht diskriminierende
Steuern, Föderalismus, Heimatvertriebene (4 von 15 Seiten), „Bank
der deutschen Länder und der Landeszentralbanken“, freie Berufs-
wahl, individuelles und kollektives Tarifvertragsrecht
29. 4.-1. 5. 1950 2. Ord. Bundesparteitag „Wir sind daher entschlossen, in den verschiedenen Wertbereichen
Düsseldorf Leitsätze zur Kulturpolitik des Ökonomischen und Sozialen, Logischen und Ästhetischen und
besonders des Ethischen und Religiösen alle kulturpolitischen
Bestrebungen zu fördern, durch die des Menschen Würde gesichert
und gehoben wird.“ (S. 103), „geläuterter Liberalismus“ der „sozialen
Marktwirtschaft“, Harmonie von Aufklärung und Religion, Bildung
März 1950 März Agrarprogramm des Besonderer Schutz für „klein- und mittelbäuerliche Verfassung“,
1951 o.O. Bundesfachausschusses, Kostendeckung und Preise und Löhne, die „der übrigen Wirtschaft
März 1951 Flugblatt des entsprechen“, trotzdem „freie Preisgestaltung auf dem Innenmarkt“;
Bundesvorstands nach außen: Gleitzoll („Einfuhrschleuse“), „Die Landwirtschaft ist kein
Wohlfahrtsinstitut, sondern ein Erwerbsunternehmen. Wir lehnen
deshalb Subventionen als Mittel der Agrarpolitik ab“. (s. 111f.)
September 1951 3. Ord. Bundesparteitag FDP vor allem in NRW, Hessen und Niedersachsen gegen Entnazifizie-
München Info: Hauptstaatsarchiv rungsverfahren, Unterwanderung durch Nationalsozialisten
Stuttgart
12./13. 7. 1952 ao. Bundesparteitag Info: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Essen
20.-24. 11. 1952 4. Ord. Bundesparteitag Reinhold Maier und Thomas Dehler mit seinem „Gruß aus Schwaben
Bad Ems Info: Hauptstaatsarchiv an die im Rechtsgalopp Reitenden, also an die Davonreitenden“.
Stuttgart Konkurrierende Anträge auf Lübecker Bundesparteitag verschoben
5. 7. 1952 Sozialprogramm „Für die FDP steht der Mensch im Mittelpunkt allen sozialen und damit
Bonn auch wirtschaftlichen Handelns.“, „sozial verpflichtete Marktwirt-
schaft“, „Grundrecht auf Eigentum“, bundeseinheitliches Arbeitsrecht,
gegen Streik und Aussperrung zur „Durchsetzung von allgemein
politischen Forderungen“, Mitarbeiterbeteiligung, Vermögensbildung
„auf möglichst breiter Basis“, „Stärkung des Gedankens der Selbst-
verantwortung“
13. 7. 1952 ao. Bundesparteitag, „für eine vom Geist sozialer Verpflichtung durchdrungene, freiheitliche,
Essen Grundsatzentschließung auf Eigentum und freien Wettbewerb gegründete Wirtschafts- und
Sozialordnung“ (Juling, Dokumente, S. 119)
25. 7. 1952 Landesparteitag NRW: Flugschrift, auf dem Bad Emser Bundesparteitag (s.o) als Antrag
Bielefeld Aufruf zur nationalen überwiesen an den Lübecker Bundesparteitag (gegen Entnazifizie-
Sammlung – Das Deutsche rungsverfahren und für Deutschnationale, sonst zu Wirtschaft,
Programm Sozialpolitik, Mitarbeiterbeteiligung, Föderalismus auf Konsens
ausgelegt
1952 Das liberale Manifest Gegenprogramm zu „Das Deutsche Programm“: Liberalismus gegen
Hamburg Flugschrift des Landesver- „die lebensfeindlichen Tendenzen des Kollektivismus aller Spielarten“,
bandes „Kollektivismus und Vermassung sind nicht nur das Ergebnis kommuni-
stischer Bestrebungen, sondern ebenso sehr eines überspannten, in
Machtgedanken verirrten Nationalismus.“ (S.125), „Die soziale
Marktwirtschaft“, Föderalismus, Steuer- und Sozialpolitik, Mittelstand
ähnlich wie „Das Deutsche Programm“ (Juling, 125ff.)
329
28. 6. 1953 außerordentlicher Bundes- Kompromiss mit Deutschnationalen: „“Nur eine frei gewählte
330
Lübeck parteitag, Wahlprogramm gesamtdeutsche Regierung kann einen Friedensvertrag für Deutsch-
land frei vereinbaren. Dieser muß von der Wiederherstellung der
Grenzen des deutschen Staatsgebietes von 1937 ausgehen. Die
Regelung der Ostgrenzenfrage darf niemals zu einer Anerkennung der
Oder-Neiße- Linie führen.“ (Juling, S.129; damals Konsens der
Demokratischen Parteien.) Ja zu Europa „aller freien Völker Europas“
(S. 129), Wirtschaftspolitik: neben Bestätigung Marktwirtschaft,
Föderalismus und und Wettbewerbspolitik auf offenen Märkten auch
Privatisierung von „industriellem Staatsvermögen“, „Umfassende
europäische Wirtschafts-, Währungs- und Zollunion“, bundeseigene
Finanzverwaltung, Bildung von Eigentum in allen Formen“, „betriebs-
wirtschaftliche Partnerschaft“, gegen Koalitionszwang,für für Selbstbe-
stimmung und Selbstverantwortung des einzelnen Arbeitnehmers“ (S.
132)
28. 6. 1953 außerordentlicher Bundes- Wie Wahlprogramm 1953, mit stärkerer Hervorhebung von „Ertragsbe-
Lübeck parteitag, Wahlprogramm teiligung und Miteigentum“, „Höchstmaß an sozialer Gerechtigkeit und
persönlicher Freiheit“ (Juling, S. 133), „Sicherung des Geldwertes“,
Soziale Sicherheit, Gerechtigkeit und wachsender Wohlstand … nur in
der auf Freiheit der Persönlichkeit, dem Privateigentum und dem
lauteren Leistungswettbewerb aufgebauten Wirtschafts- und Gesell-
schaftsordnung (S. 133f.), Kartellgesetz, Steuerreform für einfache,
gerechte Steuern mit Absenkung der Steuertarife, „eine allgemeine
Finanzreform mit dem Ziel der stärkeren Verlagerung der Steuerquellen
auf Bund und Gemeinden.“ (S. 134f.)
5.-7. 3. 1954 5. Ord. Bundesparteitag Wahl von Thomas Dehler zum Bundesvorsitzenden, Info: Hauptstaats-
Wiesbaden archiv Stuttgart
25./26. 3. 1955 6. Ord. Bundesparteitag Leitsätze und Thesen zur Sozialreform (s. Sozialprogramm 1952), Info:
Oldenburg Hauptstaatsarchiv Stuttgart
20./21. 4. 1956 7. Ord. Bundesparteitag: „Die Freien Demokraten bekennen sich erneut zu der von ihnen seit
Würzburg Würzburger Entschließung ihrem Bestehen konsequent vertretenen Politik der freien, sozialver-
pflichteten Marktwirtschaft.“ „Die Freien Demokraten bekennen sich
zu einer aktiven Sozialpolitik, die auch den sozial Schwachen frei
macht.“ Zu einer „guten Sozialreform gehöre „auch eine Reform der
sozialen Gesinnung und des sozialen Gewissens.“ (Juling, S. 144f.)
26.1. 1957 8. Ord. Bundesparteitag „Freiheit bedeutet für uns, frei zu sein von Zwang, Not und Furcht,
Berlin Berliner Programm Erstes bedeutet das Recht zur ungehinderten Entfaltung der Persönlichkeit
Grundsatzprogramm der und zur verantwortungsvollen, auf eigenem Urteil beruhenden
FDP (Entwurf u.a. Karl-Her- Bestimmung unseres Schicksals.“ (Juling, S. 145f.); oft als „positive
mann Flach und Walter Freiheit“ bezeichnet, Übereinstimmung mit Friedrich Schiller, aber vor
Döring allem in der Wortwahl eine extreme Provokation für Libertäre (s.o., S.
31f., Fußnote 14), „Die Sozialpolitik der FDP will jedem Menschen ein
Höchstmaß an Selbständigkeit und persönlicher Unabhängigkeit
sichern soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und wachsenden
Wohlstand gibt es nur in einer auf Freiheit der Persönlichkeit, dem
Privateigentum und dem Wettbewerb aufgebauten Wirtschafts- und
Gesellschaftsordnung.“ (S. 148; fast wörtlich Wahlprogramm 1953),
zum Föderalismus „Stärkung der Gemeindeselbstverwaltung“,
„zweckmäßige“ Abgrenzung der Kompetenzen von Bund und Ländern,
Mitarbeiterbeteiligung, breite Vermögensbildung, „von politischen
Weisungen unabhängige Bundesnotenbank für Geldwertstabilität, „Wir
brauchen viel weniger Staat, als wir uns einbilden.“ (S. 150), „Die
Garantie des Privateigentums schließt jedes Bekenntnis zur Sozialisie-
rung aus“ (S. 151), einfaches, gerechtes Steuersystem, Privatisierung
(S. 152), Osteuropa, Entwicklungspolitik (S. 154)
331
5. 6. 1957 Wahlkongress, Flugschrift „1. Schafft endlich Deutschlands Einheit! Erst Deutschland – dann
332
Hamburg der „Bundesparteileitung“: Europa“: eins der Kernargumente der FDP beim Nein zu den Rö-
Aktionsprogramm zur mischen Verträgen für die Sechsergemeinschaften, grundlegende
Bundestagswahl Steuerreform füreinfache gerechte Steuern mit Senkung der Steuerta-
rife, „Stabiles Geld ist soziales Geld. Nur eine harte Währung und eine
freiheitliche Wirtschaft gewährleisten den höchsten Ertrag und damit
soziale Sicherheit.“ (Juling, S. 155f.) (zugleich Bekenntnis zur
ordnungspolitischen Interdependenz von Währungsverfassung,
offenen Märkten und sozialer Sicherheit auf dem Höhepunkt des
Kampfs für volle Konvertibilität der D-Mark (s.u., „Die Ordnung von
Währung und Finanzmarkt“)
28./29. 3. 1958 9. Ord. Bundesparteitag Leitsätze für die Arbeit im 3. Bundestag, Info: Hauptstaatsarchiv
Düsseldorf Stuttgart (mit „Eintrag der FDP in das Vereinsregister Bonn“ am 30. 6.
1958)
21.-23. Mai 1959 10. Ord. Bundesparteitag: Keine expliziten Gebietsansprüche im Interesse der Entspannungspoli-
Berlin Grundriss eines Deutschen tik, Vertrag für Deutsche Einheit (Juling, S. 158ff.)
Friedensvertrages
(Deutschlandvertrag)
28./29. 1. 1960 11. Ord. Bundesparteitag Neuer Bundesvorstand, Geschäftsbericht von Karl-Hermann Flach,
Stuttgart Info: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
23.-25. 3. 1961 12. Ord. Bundesparteitag Beratung Wahlprogramm und Wahlaufruf zur Bundestagswahl 1961,
Frankfurt a.M. „Grundsätze freiheitlicher Gesundheitspolitik“ wird Beschluss „Gesun-
de Lebensführung in gesunder Umwelt“ (Juling, S. 168ff.
23.-25. 3. 1961 12. Ord. Bundesparteitag: Deutsche Einheit, Bekräftigung der Entspannungspolitik und „Überwin-
Frankfurt a.M. Aufruf zur Bundestagswahl dung der wirtschaftlichen Spaltung Westeuropas“, nun aber erneut mit
1961 der Forderung: „Die Bundesregierung muß … den deutschen
Rechtsanspruch auf die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in
den Grenzen von 1937 wahren“ (Juling, S. 162f.), Wettbewerbspolitik
gegen Konzentration und für den Mittelstand, „einheitliches Sozialge-
setzbuch“, präventive Gesundheitspolitik, Entwicklungshilfe, Verkehrs-
politik, „Bildung zur Persönlichkeit“ und „geistigen Selbständigkeit“
23.-25. 3. 1961 12. Ord. Bundesparteitag: Gegen durch ausländische Subventionen niedrigere Weltmarktpreise,
Frankfurt a.M. Für eine gesunde und auf der Grundlage des Berliner Programms (s.o.), Anpassung an den
leistungsfähige Landwirt- EWG- Vertrag von 1957 vor Gemeinsamen Markt (Juling, S. 173ff.)
schaft
23.-25. 5. 1963 13. Ord. Bundesparteitag Reden u.a. von Walter Scheel, Geschäftsbericht, Info: Hauptstaatsar-
Düsseldorf chiv Stuttgart
1.-3. 7. 1963 14. Ord. Bundesparteitag: Europäische Wirtschaftsintegration, Sozialpolitik, Satzung, Info:
München Grundsätze freiheitlicher Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Sozialpolitik
1.-3. 6. 1964 15. Ord. Bundesparteitag: „Bekenntnis der FDP zu Ludwig Erhard“, „Strukturmerkmale für die
Duisburg Stellungnahme zur Gesellschaftspolitik“, Info: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, „Das Leitbild
Agrarpolitik der Strukturpolitik bleibt der bäuerliche Familienbetrieb.“ Harmonisie-
rung der Wettbewerbsbedingungen“ auf dem Wege zum Gemein-
samen Markt durch Orientierung an Förderung in EWG- Partnerlän-
dern (Juling, S. 175ff.)
22./23. 3. 1965 16. Ord. Bundesparteitag Hildegard Hamm-Brücher zur Begründung einer nationalen Bildungsre-
Frankfurt a.M. form, Info: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
333
6./7. 6. 1966 17. Ord. Bundesparteitag: Außen- und Deutschlandpolitik, „große Finanz- und Steuerreform“ für
334
Nürnberg Nürnberger Entschlie- klare Abgrenzung der föderalen Kompetenzen, „Steuerharmonisierung
ßungen in der EWG“, „Nur die Marktwirtschaft schafft auf die Dauer die
Voraussetzungen für eine sozial gesunde freiheitliche Ordnung der
Gesellschaft.“ Die FDP „fordert, daß … 3. die freiheitliche Gesell-
schaftsordnung und die sie tragende Marktwirtschaft nicht kurzsichtig
durch die Einführung der paritätischen Mitbestimmung zerstört
werden;“ „Die Schaffung breitgestreuten Eigentums aus freier
Entscheidung bleibt ein entscheidender Bestandteil der Gesellschafts-
politik der FDP.“ (Juling, S. 177f.)
3.-5. 4. 1967 18. Ord. Bundesparteitag: Klassischer und fortschrittlicher Liberalismus: „Die liberale Idee vom
Hannover Aktionsprogramm „Ziele Menschen und von der Gesellschaft ist die bewegende Kraft unserer
des Fortschritts“ Zeit.“ Notstandsgesetzgebung, „Neuordnung der Bundesländer“,
„Bildung ist Bürgerrecht“, in der Konjunkturpolitik einerseits Anpas-
sung an Zeitgeist: „Zielkonflikt zwischen Wachstum und Stabilität“,
dann aber ähnlich wie Sachverständigenrat erst 1975 („Stabilität ist
Vollbeschäftigung für morgen“): „Wachstum kann nur durch Stabilität
erreicht werden.“, „Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank ist
streng zu achten.“ Haftungsprinzip: „Die Privatwirtschaft muß allein für
ihre Unternehmenspolitik verantwortlich sein.“ „Finanz- und Steuerre-
form … im Interesse der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der
Bundesrepublik“, EWG-Politik zwar für „bewährte Marktwirtschaft“ als
„Grundlage der Wirtschaftspolitik in der EWG“, aber realitätsfern bei
der „Harmonisierung“: Der Einführung des Mehrwertsteuersystems in
der EWG müsse „eine allgemeine Harmonisierung der Steuersysteme
folgen, damit möglichst bald die Steuergrenzen fallen können.“ (Juling,
S. 187ff.)
29.-31.1. 1968 19. Ord. Bundesparteitag Erich Mende verzichtet auf erneute Kandidatur zum Bundesvorsitzen-
Freiburg den, Stellungnahme zum Vietnam-Krieg, Info: Hauptstaatsarchiv
Stuttgart
25. 6. 1969 20. Ord. Bundesparteitag: „Eine Verfassung für freie Bürger“: Kritik an „grauen Zonen in der
Nürnberg Nürnberger Wahlplattform Demokratie, wie in der ‚Konzertierten Aktion’“, „Bildung ist Bürger-
1969 recht“, „Jegliche Maßnahme, die das Ziel hat, private Vermögen
umzuverteilen, wird entschieden abgelehnt.“, „für Eigentumsbildung in
Bürgerhand“, „Abkehr von der bisherigen Politik der Konzentrations-
förderung“, „Verschärfung der Mißbrauchsaufsicht“, vorbeugende
Fusionskontrolle“, „Priorität der Vollbeschäftigung“ (Verheugen, Das
Programm der Liberalen, S.15ff.
22.-24. 6. 1970 21. Ord. Bundesparteitag Gegen Notstandsgesetze, Beschlüsse zu Art. 10 Grundgesetz,
Bonn Umweltschutz-Programm, Reden von Wolfgang Mischnik, Hans-Diet-
rich Genscher, Hildegard Hamm-Brücher, Info: Hauptstaatsarchiv
Stuttgart
25.-27. 10. 1971 22. Ord. Bundesparteitag: Programm des „Sozialen Liberalismus“, dafür Versuch, die „paritä-
Freiburg/i.B. Freiburger Thesen der tische Mitbestimmung“ einzuführen (s.o., „Nürnberger Wahlplattform“)
F.D.P. zur Gesellschaftspoli- („Maihofer-Modell“) an nur 1 Stimme gescheitert, Verschärfung
tik, Zweites Grundsatz- Pro- Erbrecht, ebenso einmalig für FDP wie Mitarbeiterbeteiligung mit
gramm der FDP Zwang zur Umverteilung bei Großunternehmen (s.o., „Nürnberger
Wahlplattform“); dafür vor dem Bonner Umweltschutz-Programm von
1979 umfassendes Programm zur Umweltpolitik (Verheugen, S. 43ff.)
18. 3. 1972 Bundeshauptausschuss: Offenes und differenziertes Bildungssystem, für „Selbstbestimmung“
Stuttgart Stuttgarter Leitlinien einer und „Demokratisches Handeln“, Orientierung am „kooperativen
liberalen Bildungspolitik Föderalismus“ der Großen Koalition zuvor und am bildungspolitischen
Zentralismus: „Die Notwendigkeit, einheitliche Lebensverhältnisse in
allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten und die
enge Verzahnung der Bildungspolitik mit der Sozial-, Wirtschafts- und
Außenpolitik erfordert eine Grundsatzkompetenz für das gesamte
335
Bildungswesen.“ (Verheugen, S. 123ff.)
23.-25. 10. 1972 23. Ord. Bundesparteitag Info: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
336
Freiburg/i.B.
1. 10. 1972 Bundesvorstand: Wahlauf- „Die CDU/CSU bietet keine Alternative. Die SPD bedarf liberaler
Frankfurt a.M. ruf zur Bundestagswahl Kontrolle.“ Schwerpunkte: Außen- und Innenpolitik, liberale Bildungs-
1972 „Vorfahrt für politik, „eine liberale Gesellschaftspolitik, die … im Bereich der
Vernunft“ Eigentumsordnung, des Bodenrechts, der Vermögensbildung, der
Mitbestimmung und des Umweltschutzes die Forderungen des
Freiburger Programms der F.D.P. von 1971 verwirklicht.“, Bekenntnis
zur sozial-liberalen Koalition,
12.-14. 11. 1973 24. Ord. Bundesparteitag: „Die im Grundgesetz verbürgte Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse
Wiesbaden Wiesbadener Leitlinien verlangt nach einheitlichen Regelungen für Presse … Hörfunk und
liberaler Medienpolitik Fernsehen (Verheugen, S. 181), Karl-Hermann Flach am 25. August
1973 gestorben.
30. 9-2. 10. 1974 25. Ord. Bundesparteitag: „Thesen der F.D.P.: … 6. Der Verfassungsgrundsatz der weltanschau-
Hamburg Freie Kirche im Freien Staat lich-religiösen Neutralität des Staates ist auf Länderverfassungen …im
öffentlichen Bereich anzuwenden (Kaack, S. 197)
27.-29. 10. 1975 26. Ord. Bundesparteitag: „Deutschlandpolitik auch als Investitionspolitik in die Zukunft“,
Mainz Perspektiven liberaler „Intensivierung des Handels zwischen beiden deutschen Staaten“,
Deutschlandpolitik, „industrielle Kooperation“ (Kaack, S. 208f.); Stärkung des Europä-
Leitlinien liberaler Europa- ischen Parlaments durch direkte Verhältniswahl, „Ein Europäisches
politik Zentralbanksystem ist einzurichten.“ „neben die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer muß die Liberalisierung des Kapitalverkehrs treten“
(Verheugen, S. 212 ff.)
31. Mai 1976 außerordentlicher Bundes- „Die F.D.P. versteht sich als die Partei des Demokratischen und
Freiburg/iB parteitag: Wahlprogramm Sozialen Liberalismus.“ „Leistung muß sich lohnen“: Entlastung bei
Steuerprogression und Überschreitung von Einkommensgrenzen
steuerfinanzierter Transfers und mittleren Einkommen, Verzicht auf in
Freiburger Thesen geforderten Zwang zu Abgaben für und Verschie-
bung überbetrieblicher Mitarbeiterbeteiligung, aktive Wettbewerbspoli-
tik (Verheugen, S. 229, 243ff.)
20. 11. 1976 27. Ord. Bundesparteitag: „Die Liberalen fordern für jeden Bürger das Recht auf soziale
Frankfurt a.M. Gesundheitspolitisches Sicherheit und Vorsorge.“ (Verheugen, S. 262)
Programm
6.-8. 11. 1977 28. Ord. Bundesparteitag: „Materielle Erfüllung der Freiheits- und Teilhaberechte“: „Liberale
Kiel Kieler Thesen 1977: Wirtschaftspolitik nutzt den Wettbewerb der Ideen“, „Wettbewerb als
Wirtschaft im sozialen staatliche Ordnungsaufgabe“, Haftungsprinzip, „Grenzen der ‚Mach-
Rechtsstaat barkeit’“, Integration von Steuer- und Transfersystem, „Steuerung der
Strukturen über den Markt“, „Für eine offene Weltwirtschafts- und
Weltwährungsordnung“, „Preisniveaustabilität“ wichtig für Beschäfti-
gung, Abkehr von jeglichem Zwang und „überbetrieblich“ bei Mitarbei-
terbeteiligung und Vermögensbildung, die in Freiburger Thesen
vorgesehen waren (Verheugen, S. 288ff.), Beschluss zur Energiepolitik
(S. 328ff.)
18./19. 11. 1977 ELDR-Kongress: „Pro- Konzentration auf Fortschritte zur Wirtschafts- und Währungsunion,
Brüssel gramm für Europa“ bei „Wirtschaftspolitische Grundsätze“ noch weit vom Subsidiaritäts-
Wahlprogramm zur prinzip entfernt, z.B. „6. Die Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik
Europawahl 1979 sind nicht mehr auf nationaler Ebene zu verwirklichen.“ (Verheugen, S.
497 (erst nach dem „Kinderprogramm 1979“)
12.-14. 11. 1978 29. Ord. Bundesparteitag: „Liberale Standpunkte 1978“: Wolfgang Stützel und Jürgen Morlok
Mainz Beschluss zur Novellierung werden in die auf dem Kieler Bundesparteitag beschlossene Pro-
des Gesetzes gegen gramm- Kommission berufen: für „die freie und soziale Marktwirt-
Wettbewerbsbeschrän- schaft“ (Verheugen, S. 365, 368), zum GWB-Beschluss: Verheugen,
kungen (GWB) und des S. 385ff.), zu „Thesen liberaler Kommunalpolitik“: Verheugen, S.
Gesetzes gegen unlauteren 399ff., Info: Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Wettbewerb (UWG)
Programm für Europa Umfassendstes Europa-Programm: Verheugen, 61 Seiten lang
15.-17. 6. 1979 30. Ord. Bundesparteitag Alterssicherung, Sozialhilfe; im Konzept zur Steuervereinfachung
Bremen u.a. Liberale Politik zur Weiterentwicklung des Grundkonzepts der Integration von Steuersy-
Steuervereinfachung stem und steuerfinanzierten Transfers („Bürgergeld“), Datenschutz im
337
privaten und öff. Bereich, Energiepolitik (Verheugen, S. 1ff.)
7. 6. 1980 Bundesparteitag Wahlpro- Zur Wirtschaftsordnung Schwerpunkt auf Kontrolle von Marktmacht,
338
Freiburg gramm 1980 Macht der Banken, Europäische Fusionskontrolle, bei Mitarbeiterbetei-
ligung zwar Berufung auf Freiburger Thesen mit Langfristziel „überbe-
triebliche“ Beteiligung, aber statt Zwang Abbau steuerlicher Hinder-
nisse, Vollbeschäftigung mit mehr Markt und öff. Investitionen „zur
Wachstumsvorsorge“, im Steuerteil Bürgergeld- Konzept (S. 61),
detaillierte Steuervereinfachung, Neuverschuldung „drastisch
beschränken“; „Chancengleichheit in der Gesellschaft“, „Vorrang der
Bildungspolitik“ (Verheugen, S. 43ff.)
5./6. 12. 1980 31. Ord. Bundesparteitag Friedens-, Entspannungs-, Europapolitik; „Überführung der Kraftfahr-
München zeugsteuer in die Mineralölsteuer“ (Verheugen, S. 85ff.)
29.-31. 5. 1981 32. Ord. Bundesparteitag „Politik für Frieden und Sicherheit“, „Global 2000“, „Umweltpolitik für
Köln die 80er Jahre“ (Verh., S. 85ff.)
24. 10. 1981 Bundeshauptausschuss „Leitlinien liberaler Politik zur Überwindung der Arbeitslosigkeit“: noch
Mainz kein Zusammenhang zwischen Reform des Steuer- und Transfersy-
stems (ab Kiel 1977) und Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich,
flexiblerer Arbeitsmarkt, Qualifizierung, „freiwillige Beteiligung der
Arbeitnehmer am Risikokapital“, Abbau der Gewerbesteuer“
5.-7. 11. 1982 33. Ord. Bundesparteitag „Genscher/Colombo-Plan einer ‚Europäischen Akte’“, „Berliner
Berlin „Wir wollen Europa – jetzt! Manifest der Liberalen“: „Funktion der Marktwirtschaft“, „Bedeutung
Initiative der Liberalen zur des sozialen Friedens als wichtiger Faktor unserer Produktivität,
Europapolitik“ Kommission mit Wolfgang Stützel ( Verh., S. 155ff.)
14. 3. 1982 Bundesvorstand Liberale Investitionslenkung für Entwicklungsländer, für problematische
Bonn Ansätze für eine neue „Rohstoff-Fonds“, ebenso: „Es gibt kein liberales Credo, das gegen
Weltwirtschaftsordnung eine Erhöhung der Sonderziehungsrechte für Entwicklungsländer
spräche“, Präferenzen für Entwicklungsländer positiv: für „einen freien
Welthandel ohne protektinistische Abschottungen“ (Verheugen, S.
174ff.)
9. 9. 1982 Präsidium „Vorwärtsstrate- Lambsdorffs „Wende-Papier“, „Konzept für eine Politik zur Überwin-
Bonn gie zur Bekämpfung der dung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosig-
Arbeitslosigkeit“ („Lambs- keit“ wird vom Präsidium beschlossen und allen Mitgliedern zugänglich
dorff-Papier“) gemacht: grundlegende Reform der Wirtschafts- und Sozialordnung
29./30. 1. 1983 Bundesparteitag Wahlaus- Verbesserung der Arbeitnehmerbeteiligung „am Risikokapital ihres
Freiburg sage der Bundestagswahl Unternehmens, „breitere Vermögensbildung im Betrieb“, Bürgergeld,
1983 Abbau der Jugendarbeitslosigkeit (Verheugen, S. 194ff.)
18./19. 2. 1983 34. Ord. Bundesparteitag „Friedens- und Sicherheitspolitik für die 80er Jahre“ ( Verheugen, S.
Karlsruhe 214ff.)
1.-3. 6. 1984 35. Ord. Bundesparteitag „Zehn Thesen zur europäischen Einigung“, Beschäftigungspolitik für
Münster das nächste Jahrzehnt, „Überschreitung des Streikrechts“, Umweltpo-
litik, Aufgaben der Programmarbeit (Verh., S. 235ff.)
23./24. 2. 1985 36. Ord. Bundesparteitag „Mehr wirtschaftliche Mitbeteiligung und Vermögensbildung soll die
Saarbrücken „Liberales Manifest für eine Verantwortung und Unabhängigkeit des Einzelnen zusätzlich stär-
Gesellschaft im Umbruch“, ken.“, „Freiheit bedarf einer sozialen Grundsicherung“ (Element des
Drittes (?) Grundsatzpro- Bürgergelds; Verheugen, S. 300ff.) (www.fdp.de )
gramm
1. 6. 1985 Neuss Bundeshauptausschuss „Entwurf einer Europäischen Verfassung: „Die F.D.P. begrüßt die
Verabschiedung eines Entwurfs für einen Vertrag zur Europäischen
Union“ (Verheugen, S. 310), „Ökologische Marktwirtschaft“ (S.
313ff.), „Normierung des Arbeitskampfrechts“, Subventionsabbau,
Deregulierung (S. 323ff.)
339
23.-25. 5. 1986 37. Ord. Bundesparteitag „Vorschläge der F.D.P. für eine einfache, faire, leistungs- und wachs-
340
Hannover „Der marktwirtschaftliche tumsfreundliche Besteuerung von Bürgern und Unternehmen – Der
Steuerkurs 1987“ marktwirtschaftliche Steuerkurs 1987“: „Steuerfreiheit mindestens
des Existenzminimums“ (s. Bürgergeld), linear-progressiver Tarif ohne
„Mittelstandsbauch“, Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer,
Gewerbesteuer, Gesellschafts- und Börsenumsatzsteuer (Verheugen,
S. 423ff.), „Liberale Perspektiven für mehr Beschäftigung“ mit
Bürgergeld (S. 432), flexibler Arbeitsmarkt, Selbständigkeit erleich-
tern, Agrarpolitik (S. 432ff.)
13. 9. 1986 Bundeshauptausschuss „für einen freien Welthandel“, „Mit einer Politik für mehr Markt und
Augsburg Wahlplattform `87 weniger Staat hat die F.D.P. mit ihren Wirtschaftsministern große
Erfolge erzielt:“, „Besteuerung einfach, fair, leistungs- und wachs-
tumsfreundlich gestalten“ (Verheugen, S. 499).
5./6. 9. 1987 Kiel 38. Ord. Bundesparteitag Staatshaftungsrecht, „Einführung einer Staatszielbestimmung
‚Umweltschutz‘ im Grundgesetz“ (Verheugen, 613, 616f.)
12. 12. 1987 Bundesparteitag „Sicherung des inneren Friedens“ (Verheugen, S. 628ff.)
Mannheim
24./25. 10. 1987 Bundeshauptausschuss „Liberales Aktionsprogramm Europa“, „Leitlinien liberaler Kommunal-
Baden-Baden politik“ (Verheugen, S. 631ff.)
7./8. 10. 1988 39. Ord. Bundesparteitag „Freiheit ist unteilbar“, „Steuersenkung für mehr Investitionen und
Wiesbaden Wiesbadener Erklärung Arbeitsplätze“, „Bildung ist entscheidende Zukunftsinvestition“, „Die
zunehmende Internationalisierung“ (ab 1990 bei allen „Globalisie-
rung“), „Bildungspolitisches Programm“ mit „Föderative Grundord-
nung“ (Verheugen, S. 718ff.)
1988 Bundesvorstand „Gewerbesteuerreform“, „Steuerreform 1990“ (Verheugen, S. 814ff.);
25. 2. 1989 Bundeshauptaus-schuss: „Den gemeinsamen Europäischen Binnenmarkt vollenden“, „Dazu
Saarbrücken F.D.P.-Leitsätze zur gehört auch die Beseitigung der sozialpolitischen Hindernisse, die die
Europawahl Freizügigkeit von Arbeitnehmern...behindern.“ (Verheugen, S. 86;
später aber „Entsendegesetz“;
27./28. 5. 1989 40. Ord. Bundesparteitag „Handlungsprinzipien liberaler Sozialpolitik“: Bürgergeld (Verheugen,
Köln S. 841ff.)
2. 12. 1989 Celle Bundeshauptausschuss „Deutschlandpolitik“: „Durchgreifende Reformen müssen auch das
Wirtschaftssystem umfassen.“ (Verheugen, S. 879ff.):
21. 7. 1990 Bonn Bundeshauptausschuss „Ökologisches Programm der Freien Demokratischen Partei für die
90er Jahre“ (Verh., S. 939ff.)
11. 1990 41. Ord. Bundesparteitag „1. Frieden“, „2. Marktwirtschaft“, „3. Steuern“: „Abbau von
Nürnberg Programm zu den Bundes- Regelungen und Entbürokratisierung“, „Mehr Markt im Arbeits-
tagswahlen am markt“, „Mitbestimmung und Mitbeteiligung“, „Die Macht der Banken
2. Dezember 1990 und Versicherungen begrenzen“, „Mehr Markt im Wohnungsmarkt“,
„Senkung der Steuersätze“ auf einheitliche Sätze: Spitzensteuersatz
Einkommensteuer von 53% auf 46%, Körperschaftsteuer von 50% auf
46%, Abschaffung von betrieblicher Vermögensteuer und Gewerbe-
steuer, Halbierung des Erbschaftsteuersatzes beim Betriebsvermö-
gen“
1.-3. 11. 1991 42. Ord. Bundesparteitag „Soziale Chancen durch liberale Marktwirtschaft“: erstes gesamt-
Suhl deutsches Programm der FDP: „Leistungsprinzip, soziale Sicherheit
und Hilfe für die Schwachen“, „Das Steuersystem muß Kraft zur
Vorsorge erhalten“, „Erhaltung der Geldwertstabilität, „Tarifpolitik –
mehr Flexibilität und Investivlohn“, „Liberale Wettbewerbspolitik“,
„Liberale Strategie Aufschwung Ost“, „Liberale Wirtschaftspolitik,
Rechtsstaat und Freiheit gehören zusammen“
2./3. 10. 1992 43. Ord. Bundesparteitag Steuerpolitik, Aufbau Ost (Beschlüsse nur über Archive verfügbar)
Bremen
20. 8. 1992 Otto Graf Lambsdorff „Mut Von der FDP auch im Internet als Grundsatzpapier geführt, ohne
Münstereifel statt Missmut - Für ein formaler Beschluss zu sein: „Deutschland muß wieder ordnungspoli-
liberales Deutschland“ tische Nummer 1 werden.“ Umfassendes Reformkonzept für Wirt-
schaft und Soziales 10 Jahre nach Lambsdorffs „Wende-Papier“
341
11.-13. 6. 1993 44. Ord. Bundesparteitag (Beschlüsse nur über Archive verfügbar)
342
Münster
1993 Bundeshauptausschuss Entwurf des Wahlprogramms 1994: zur Diskussion an alle Mitglieder
Magdeburg als 48-Seiten-Beilage „Liberal denken. Leistung wählen.“
26. 2. 1994 Bundeshauptausschuss Arbeitsteilung zwischen Bürger und Staat: Kernaufgaben des Staates,
Hildesheim „Weniger Staat - mehr Subsidiarität, „Weniger Gesetze, bessere Gesetze“, Staatsquote
Eigenverantwortung“ langfristig „im Bereich von 30%“, zunächst wieder auf „rund 45%“ wie
nach der Lambsdorff-Wende, „Ein einfaches und durchschaubares
Steuer- und Transfersystem (FDP-Bürgergeld), Privatisierung,
Verwaltungsreform, „Der Staat, zu dem der Bürger Ja sagt“
1994 45. Ord. Bundesparteitag „Marktwirtschaftliche Erneuerung für Deutschland“, „Für Arbeitsplät-
Rostock Wahlprogramm 1994 ze, soziale Sicherheit und Umweltvorsorge muß Deutschland im
„Liberal denken. Leistung internationalen Standortwettbewerb wieder beweglicher auf die
wählen.“ Herausforderungen des weltwirtschaftlichen und technologischen
Wettbewerbs antworten.“ „Die Leistungselite der Facharbeiter.
Handwerker, Freien Berufe, Führungskräfte und Unternehmer muß im
Interesse wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze in Ostdeutschland
besonders gefördert werden“ (S. 9), „Marktwirtschaftliche Steuerpoli-
tik“ für ein einfaches, gerechtes Steuersystem, Einkommensteuer über
den gesamten Tarif senken, Spitzensteuersatz unter 45%, „Gewichts-
verschiebung von direkten Steuern auf Verbrauchsteuern“, Details des
FDP-Bürgergelds („Negativsteuer“: Integration von Steuer- und
Transfersystem), „Landesbanken und öffentlich-rechtliche Versiche-
rungen sollen privatisiert werden“, „Alle vorhandenen und künftigen
Subventionen müssen auf höchstens fünf Jahre befristet und degres-
siv gewährt werden.“, „Verantwortung für die Langzeitarbeitslosigkeit
tragen die Tarifpartner.“, „strikte Umsetzung des Lohnanstandsge-
bots“, „Welthandelsorganisation (WTO) als Kernstück einer internatio-
nalen Wettbewerbsordnung“, Neuordnung der föderalen Aufgabenver-
teilung mit Konnexitätsprinzip, „Abschaffung der meinschaftsaufgaben
und deren Mischfinanzierung
9.-11. 6. 1995 46. Ord. Bundesparteitag Wolfgang Gerhardt wird Bundesvorsitzender der FDP (Beschlüsse nur
Mainz über Archive verfügbar)
1996 47. Ord. Bundesparteitag Der Entwurf wurde an rund 3500 Adressaten aus Wissenschaft, Kultur,
Karlsruhe „Karlsruher Entwurf – Für Wirtschaft und Medien versandt und wurde durchweg sehr positiv
die liberale Bürgergesell- be- wertet, aus ethischer Sicht beispielhaft von Professor Furger
schaft“ (Entwurf des neuen (Münster). Inhaltlich stimmt der Karlsruher Entwurf weitgehend mit den
Grundsatzprogramms) Wiesbadener Grundsätzen von 1997 überein. Dreistufentarif mit
Dreistufentarif steuerfreiem Existenzminimum, 15%, 25%, 35%
24. 5. 1997 48. Ord. Bundesparteitag „Freiheit durch Teilhabe, Teilhabe durch Freiheit“, „Wertefindung in der
Wiesbaden aktuelles Grundsatzpro- Bürgergesellschaft“, „Im Zweifel für ... Eigeninitiative..., Selbstorgani-
gramm der FDP „Wiesba- sation und Miteinander ... die Gemeinde (‚fußläufige Demokratie’)“;
dener Grundsätze - für die „Arbeitnehmer als Teilhaber des Betriebes“, „Der liberale Sozialstaat“:
liberale Bürgergesellschaft“ „Das Bürgergeld ist deshalb das Kernstück des liberalen
Sozialstaats.“,„Teilhabe durch Bildung und Ausbildung“, „Der beschei-
dene Staat“: Verfassungsschranken bei Steuerlast und Staatsver-
schuldung“ (prinzipielles Verschuldungsverbot), „Das Prinzip
Verantwortung für die nächsten Generationen“: „Die ökologische
Marktwirtschaft“, Grenzen für Abgabenlast, „materiell ausgeglichene
Haushalte“, „Privatisierungsgebot“, „Der neue Generationenvertrag“
26.-28. 6. 1998 49. Ord. Bundesparteitag „Arbeitsplätze für Deutschland“: „Deutschland braucht ein geistiges
Leipzig Wahlprogramm 1998 „Es ist Klima des Aufbruchs“, „D. ... braucht marktwirtschaftliche Erneuerung
Ihre Wahl“ für Arbeitsplätze“, „D. braucht Leistung, Flexibilität und Innovation“,
„Große Steuerreform mit Stufentarif für gerechtere und niedrigere
Steuern“, „Neue Offensive für Privatisierung“, „Mut zu mehr Wettbe-
werb“, „Neue Anstöße zur Vermögensbildung“, „Arbeitsrechtliche
Vorschriften durchforsten“, „Bürgergeld-Anreize (‚Kombi- Einkom-
men’) für einfache Arbeit“, „Innovation für Arbeitsplätze“, „Existenz-
gründungen/Venture Capital“, „Innovation und Globalisierung in der
Ausbildung“, Für eine unternehmerische Landwirtschaft
343
28.-30. 5. 1999 50. Ord. Bundesparteitag (Beschlüsse nur über Archive verfügbar)
344
Bremen
16./17. 6. 2000 51. Ord. Bundesparteitag „Mehr Demokratie wagen – Vom Parteienstaat zur Bürgerdemokratie“,
Nürnberg Grundsätze liberaler Sozialpolitik (im Internet zur Zeit nicht verfügbar)
4.-6. 5. 2001 52. Ord. Bundesparteitag „Mittelstand stärken – Betriebsverfassungsgesetz liberal reformie-
Düsseldorf ren!“ mit Details zum liberalen Konzept für Mitarbeiterbeteiligung (S.
5f.)
2002 53. Ord. Bundesparteitag „Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit verwalten“, „Bürgergeld-
Mannheim „Bürgerprogramm 2005“ Anreize für neue Arbeitsplätze“, „Entmonopolisierungs- und Wettbe-
werbsoffensive“, „Schlanker Staat – starker Staat“: „Subventionen nur
degressiv und auf fünf Jahre befristet“, „Die Staatsquote muss
mittelfristig auf ein Drittel des Sozialprodukts gesenkt werden (s.o.,
„Weniger Staat – mehr Eigenverantwortung“ (26. 2. 1994), „Stufenta-
rif mit Steuersätzen von 15%, 25% und...35%“, „Bürokratiekosten-
TÜV“, „Der Landwirt muss wieder zum Unternehmer werden“,
„Nachhaltigkeit“, „Politik für ein innovatives Deutschland“ (Bildungs-
politik für Chancengleichheit), „Integration behinderter Menschen in
weiterführende Schulen“, „Internationalisierung des Berufes“,
„Wettbewerbsfähige Hochschulen“, „Forschung im Wettbewerb“,
„Politik für eine Verantwortungsgemeinschaft“
16.-18. 5. 2003 54. Ord. Bundesparteitag „Bremer Erklärung“ zur Politik für Arbeitsplätze, „Für eine europäische
Bremen Verfassung der Freiheit“, „Liberale Gemeindefinanzreform“
5./6. 5. 2004 55. Ord. Bundesparteitag „Privater Krankenversicherungsschutz mit sozialer Absicherung für
Dresden „Leitsätze für die freie und alle“, „Wahlfreiheit statt Zwangsversicherung im Gesundheitswesen“,
faire Gesellschaft“ „Arbeitsplätze schaffen, Machtkartelle aufbrechen!“
5.-7. 5. 2005 56. Ord. Bundesparteitag „Das Liberale Bürgergeld: aktivierend, einfach und gerecht“
Köln
13./14. 5. 2006 57. Ord. Bundesparteitag „Energie braucht Wettbewerb – Energiepolitisches Grundsatzpro-
Rostock gramm der FDP“, „Innovation und Lebensqualität durch Marktwirt-
schaftlichen Umweltschutz – Grundsätze und Schwerpunkte liberaler
Umweltpolitik“
15.-17. 6. 2007 58. Ord. Bundesparteitag „I. Freiheit und Verantwortung. Grundsätze liberaler Sozialpolitik.
Stuttgart „Freiheit, Fairness, Jeder hat das Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Jeder hat das
Chancen“ Recht auf so viel Freiheit wie möglich. Beides braucht auch eine
materielle Grundlage. Freiheit braucht die Möglichkeit, sie auch leben
zu können. Dafür benötigen die Menschen soziale Sicherheit.“ (S.1),
„Verantwortung verstehen Liberale als die Schwester der Freiheit; sie
ist mit ihr untrennbar verbunden.“, „Liberale Sozialpolitik folgt dem
Grundsatz der Subsidiarität: Der Staat soll nur dort eingreifen, wo
individuelle oder gemeinschaftliche Selbsthilfe nicht greifen.“ „Auch
deshalb beginnt gute Sozialpolitik mit einer guten Bildungspolitik“,
„Der Staat darf diejenigen nicht überfordern, die mit ihren Steuern und
Beiträgen für die soziale Sicherheit in Deutschland aufkommen: die zu
Unrecht vergessene Mitte, die unsere Gesellschaft trägt.“ „Der Staat,
der von seinen Bürgern mehr Eigenverantwortung verlangt, muss sie
auch in die Lage versetzen, dieser Forderung nachzukommen: Ein
einfaches und gerechtes Steuersystem mit niedrigen Steuersätzen, für
das wir uns einsetzen, ist die Voraussetzung für eine gute Sozialpoli-
tik“, „III. Soziale Sicherheit durch verlässliche Sozialsysteme“:
„Flexible Rente“, „Wahlfreiheit und Wettbewerb in der Krankenver-
sicherung“, „die liberale Pflegeversicherung“, „Mitarbeiter am Erfolg
des Unternehmens beteiligen“, „Bürgergeld statt Hartz IV“, „IV. Die
sozialste Leistung: ein Arbeitsplatz“, „V. Teilhabe ermöglichen,
Mitmenschlichkeit stärken“ Insgesamt die umfassendste Konkretisie-
rung und Aktualisierung der Wiesbadener Grundsätze.
345
31. 5.-1. 6. 2008 59. Ord. Bundesparteitag „Die gerechte Steuer: Einfach, niedrig und sozial. Das Nettokonzept
346
München der FDP“
17. 1. 2009 Berlin Europaparteitag „Ein „Wir wollen ein Europa, das stark, aber schlank ist und seine Kraft aus
Europa der Freiheit für die der Beschränkung auf das Wesentliche schöpft.“ „Eine EU-Steuer
Welt des 21. Jahrhunderts. lehnen wir ab.“, „Beibehaltung des EU-Schuldenverbots“, „Für uns
Programm der Freien Liberale ist die Stabilität des Euros ein Garant für den wirtschaftlichen
Demokratischen Partei für Erfolg Deutschlands und Europas.“, „Die FDP fordert die Vollendung
die Wahl zum VII. Europä- des Binnenmarktes für das 21. Jahrhundert.“
ischen Parlament 2009“
15.-17. 5. 2009 60. Ord. Bundesparteitag 1. Satz: „Der Mensch steht im Mittelpunkt liberaler Politik.“ „2. Mehr
Hannover „Die Mitte stärken. Freiheit und Fairness durch Soziale Marktwirtschaft“, „Grundsätze der
Deutschlandprogramm Der Sozialen Marktwirtschaft“, „Ein neues Steuer- und Transfersystem für
Freien Demokratischen Deutschland“, Wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung“,
Partei“ „Föderale Strukturen stärken“, „Bürgergeld – die Chancen auf
Teilhabe jedes Einzelnen stärken“, „Jetzt einen funktionsfähigen
Wettbewerb auf dem Finanzmarkt durchsetzen“ (mit strengem
Haftungsprinzip), „Den Mittelstand stärken“: Steuersenkungen und
niedrigere Lohnzusatzkosten, „Arbeit hat Vorfahrt“, „Zukunft der
sozialen Sicherungssysteme sichern
Stichwortverzeichnis
„Ein Register ohne Buch hat mir manchmal genützt, ein Buch ohne Register nie.“
(Thomas Carlyle).
Personenregister
A Catinat, Michael 253
Adenauer, Konrad 66, 296, 297 Cecchini, Paolo 253
Chamfort, Nicolas-Sebastien de 194
B Cobden, Richard 67, 305
Babel, Gisela 290 Cronenberg, Dieter-Julius 235
Bamberger, Ludwig 28
Bangemann, Martin 39 D
Barroso, José Miguel 153 Dahrendorf, Sir Ralf 95, 292
Bastiat, Frédéric 263, 305 Dedigama, Anne Chandima 91
Barbier, Hans D. 48, 71 Dehler, Thomas 77, 329, 330
Beckmann, Klaus 39 Dönhoff, Gräfin Marion 77
Beerfeltz, Jürgen 74, 302, 318 Doering, Detmar 68, 209
Bentham, Jeremy 120 Döring, Walter 331
Berg, Fritz 116 Dohnanyi, Klaus von 28, 219, 233, 284
Berghahn, Klaus L. 10, 31 Domsch, Alexander 197
Berndt, Rolf 356 Donges, Juergen B. 159, 162
Beveridge Lord William Henry 263, Dubovisek, Mario 179
269 Dylan, Bob 146
Bismarck, Otto von 259, 280, 283
Blankart, Charles Beat 219 E
Blüm, Norbert 45, 302 Eggers, Ernst 26
Böhm, Franz 12, 72, 113 Engels, Wolfram 173, 286, 289
Brandt, Willy 83, 156 d’Estaing, Valéry Giscard 257
Brentano, Lujo 28 Erhard, Ludwig 9, 10, 12, 13, 14, 44,
Brown, Gordon 70 45, 50, 54, 66, 77, 78, 80, 114, 116,
Brüderle, Rainer 318, 321 132, 144, 189, 191, 223, 261, 262,
Burgbacher, Ernst 219 264, 266, 272, 276, 277, 286, 296,
Bush, George W. 86 297, 304,305, 333
Eucken, Walter 15, 29, 44, 49, 50, 53,
C 72, 75, 78, 82, 83, 84, 113, 114, 122,
Carlyle, Thomas 347 139, 203, 261, 266, 278, 305
347
F Hamm-Brücher, Hildegard 43, 96, 303,
Fabio, Udo di 258, 260 304, 333, 335
Falter, Jürgen W. 323, 324 Hansmeyer, Karl-Heinrich 26, 27
Fischer, Josef 319 Hasse, Rolf 155, 197
Fischer, Thomas 260 Hayek, F.A. von 26, 37, 48, 49, 53, 54,
Flach, Karl Hermann 96, 97, 98, 115, 65, 69, 70, 91, 120, 278, 305
140, 141, 142, 321, 331, 332, 336 Hennecke, Hans-Jörg 38, 48, 49, 54,
Fliszar, Fritz 102 120
Furger, Franz A.F. 343 Henning, Friedrich 102
Franz, Wolfgang 274, 275 Hentrich, Steffen 222
Fricke, Otto 308, 309 Herlt, Rudolf 88
Friderichs, Hans 200 Herzog, Roman 219, 222, 233
Fried, Ferdinand 54 Heuß (Heuss) Theodor 10, 12, 28, 37,
Friedhoff, Paul K. 318 38, 54, 60, 64, 65, 66, 98, 102, 105,
Friedman, Milton 49, 235, 236 109, 190, 210, 215, 327
Frölich, Jürgen 146 Hinderer, Walter 10, 24, 25, 31, 208,
Fuest, Clemens 239 334
Hey, Johanna 219
G Höpker-Aschoff, Hermann 26
Geißler, Heiner 45 Hohmann, Karl 13
Genscher, Hans-Dietrich 95, 96, 196, Holl, Hans Günter 269
253, 254, 256, 298, 299, 335 Hombach, Bodo 222
Gerhardt, Wolfgang 10, 24, 32, 129, Homburger, Käthe 31
318, 324, 343, 356 Hoppe, Hans-Hermann 120
Gerken, Lüder 162 Hoppmann, Erich 144
Giersch, Herbert 27 Horn, Karen 261
Goethe, Johann Wolfgang von 219, Hüther, Michael 237
305 Humboldt, Wilhelm von 10, 58, 59, 283
Greenspan, Alan 85 Hume, David 5, 6, 31, 62, 69, 305
Greiß, Franz 127 Hundt, Dieter 323
Gutowski, Armin 174, 301 Hunold, Albert 54
Guttenberg, Baron Karl-Theodor zu 39,
201, 295 J
Gysi, Gregor 95, 285, 323 Jacquemin, Alexis 253
Jansen, Hans-Heinrich 253, 254, 256
H Jefferson, Thomas 243
Haberler, Gottfried von 127 Jeutter, Peter 254, 255
Habermann, Gerd 77 Jörges, Hans-Ulrich 132
Hamm, Walter 173 Johnson, Harry G. 80
348
Juling, Peter 34, 45, 92, 93, 94, 190, Losberg, Hans-Werner 356
253, 254 Lutz, F.A. 84
K M
Kaack, Heino 45, 94, 301 Maier, Hans 324
Kant, Immanuel 57, 58, 60, 83, 269, Maier, Reinhold 54, 60, 98, 111, 209,
324, 325 326, 328, 330
Kappstein, Theodor 10 Maihofer, Werner 95, 96, 115, 334
Kartte, Wolfgang 144 Margedant, Udo 260
Keynes, John Maynard 42, 79, 80, Mart, Caroline 39
266, 269 Matthäus, Ingrid 43, 96
Kinkel, Klaus 74, 222 Mende, Erich 335
Kirchhof, Paul 27, 187, 219, 229, 240 Merrett, Gary 188
Klasen, Karl 156 Merx, Volker 197
Klodt, Henning 162 Meyer, F.W. 127
Knight, Frank H. 49 Mill, John Stuart 305
Köhler, Horst 22, 106, 233, 319, 322, Mirabeau 117
323, 324 Mischnick, Wolfgang 38, 102, 196,
Kohl, Helmut 74, 208, 222, 234f., 259, 335
289 Mises, Ludwig Edler von 37, 48, 49,
Konfuzius 15 50, 67, 72, 73, 116, 120, 305
Mitschke, Joachim 21, 27, 230, 231,
L 232, 234, 236, 238, 239
Lachmann, Ludwig 202 Möschel, Wernhard 173
Lafontaine, Oskar 95, 188, 208, 319 Montesquieu, Charles-Louis de 113,
Lambsdorff , Alexander Graf 162, 219 138,
Lambsdorff, Otto Graf 25, 26, 39, 40, Morlok, Jürgen 104f., 109, 111, 219,
66, 71, 77, 88, 91, 102, 109, 114, 128, 292, 337
130, 131, 135, 162, 173, 191, 201, Müller, Tobias 236
205, 209, 218, 219, 227, 228, 229, Müller-Armack, Alfred 53, 78, 261
235, 254, 256, 269, 271, 276, 279, Müller-Gröling, Hubertus 205
290, 292, 293, 299, 300, 301, 303, Münch, Ingo von 24
319, 339, 341, 356, 357 Müntefering, Franz 79
Lange, Erhard 189 Murmann, Heinz 45
Lassalle, Ferdinand 64, 263 Myrdal, Gunnar 305
Lehmann, Kardinal Karl 65
Lenel, Hans Otto 166 N
Leijonhufvud, Axel 80 Naumann, Friedrich 15
Lindeiner, Klaus von 175 Nell-Breuning, Oswald von 14, 121
Locke, John 20 Newton, Sir Isaac 20
349
O Russell, Bertrand 306
Obama, Barack 70, 71, 84, 138, 180,
182 S
Oeter, Stefan 207 Sacher, Hermann 14
Oppenheimer, Franz 14 Sarcozy, Nicolas 153
Orwell, George 160 Schäfer, Thilo 239
Schatten, Lore und Fritz 32, 33
P Scheel, Christine 307, 308, 309
Papier, Hans-Jürgen 258, 260 Scheel, Walter 55, 95, 96, 114, 115,
Paqué, Karl-Heinz 267 254, 298, 301, 333
Peichl, Andreas 239 Schiller, Friedrich von 6, 9, 10, 11, 13,
Pfister, Bernhard 144 31, 33, 35, 188, 209, 217, 257, 283,
Philippovich, Eugen Freiherr von 32 305, 320, 322, 331, 334
Pinkwart, Andreas 219, 229, 239 Schiller, Karl 77, 80, 156, 158, 197
Platon 20, Schlecht, Otto 75
Plender, John 195 Schmid, Carlo 12,
Popper, Sir Karl Raimund 305 Schmidt, Helmut 79, 197, 300
Precht, Richard David 39 Schmidt, Susanne Maria 191
Preuß, Hugo 208 Schmölders, Günter 310
Schöler, Andreas von 43
Q Schröder, Gerhard 89, 235
Quaas, Friedrun 261 Schuchardt, Helga 43
Schulze-Delitzsch, Hermann 28, 69,
R 263
Raichle, Gerhart 209 Schumpeter, Alois 141
Reagan, Ronald 194, 299 Schwaetzer, Irmgard 228, 231
Ricardo, David 124 Schwan, Gesine 321, 322
Richter, Eugen 162, 289, 312 Schwarz, Gerhard 48, 77
Rind, Hermann 231 Schweitzer, Albert 63, 305, 318, 323
Rittaler, Jan B. 132 Shaftesbury, 3. Earl Anthony Ashley-
Robbins, Lord Lionel 49 Cooper 305
Robinson, Joan 80, 155, 156 Shaw, Bernard 305, 308
Röpke, Eva 26, 37, 49 Smith, Adam 62, 69, 72, 125, 151, 152,
Röpke, Wilhelm 14, 19, 20, 26, 36, 37, 183, 184, 185, 305, 312, 313
48, 49, 50, 54, 65, 66, 67, 69, 70, 72, Snowden, 1. Viscount Philip 67, 305
78, 120, 161, 187, 189, 190, 208, Solms, Hermann Otto 221, 229, 231,
263, 286, 297, 305, 311, 321, 322f. 318
Roosevelt, Franklin D. 70 Soto, Hernando de 91
Rümelin, Gustav 36 Steglich, Olaf 192
Rüstow, Alexander 48, 49, 50, 51, 120 Steinbrück, Peer 273, 275
350
Steinmeier, Frank 295 Whitehead, Alfred North 5, 19, 20, 94,
Stern, Fritz, 303, 304 269, 310, 324
Storm, Theodor 320 Wieser, Friedrich von 20
Strauß, Franz-Josef 80 Willgerodt, Hans 78, 89, 127, 140, 155,
Srickland, Pat 236 173, 197, 277, 279, 286, 356
Stützel, Wolfgang 26, 74, 131, 173, Winking, Mechthild 253
279, 301, 337, 338 Wolf, Abtprimas Notker 278
T Z
Tagore, Rabindranath 305 Zumpfort, Wolf-Dietrich 161
Tamm, Sascha 196
Taylor, John 243
Thiele, Carl-Ludwig 309
Tietmeyer, Hans 197
Topolánek, Mirek 153 Sachregister
Trier, Bernardo 45, 46
Tucholski, Kurt 162, 305
A
Ablehnung zumutbarer
V
Arbeit siehe Bürgergeld
Valjavec, Fritz 32
Aktie, Aktiengesellschaft
Vaubel, Roland 219
- Kleine siehe Teilhabe/Vermögen
Verheugen, Günter 43, 45, 95, 96, 97,
Altersvorsorge 137, 191, 285ff.
109
Anrechnung von
Vorländer, Karl 58
- eigenem Verdienst
siehe Bürgergeld
W
- eigener Altersvorsorge
Waigel, Theo 222
siehe Bürgergeld
Walter, Norbert 80, 272
Anstand 9ff., 186f., 191, 195, 321f.
Walther von der Vogelweide 32
Arbeitsplätze 79f., 126ff., 198f.,228ff.,
Watrin, Christian 78
236ff., 233, 262ff., 270f., 275f.,
Weigand, Kurt 138
293ff., 304f., 313f., 327ff.
Weizsäcker, Carl-Christian von 42,
Arbeitsteilung
173, 174, 178
- in der Weltwirtschaft siehe
Weizsäcker, Ernst Ulrich von 173
Weltwirtschaftsordnung
Werner, Horst 152, 155, 197, 233, 260,
- zwischen Bürger und Staat 48, 55ff.,
289, 291
63ff.
Westerwelle, Guido 97, 117, 118, 141,
Aufgaben des Staates
179, 318
siehe Staatsaufgaben
Wetrow, Wladimir 298
Aufklärung 9, 12, 32, 63, 325
351
B - Verfassung 244, 256ff., 339ff.
Bankenaufsicht siehe Finanzkrise - Zentralbank (EZB) 179, 181f., 260,
Bedarfsgemeinschaft und 336ff.
„bedingungsloses Grundeinkommen“ Existenzminimum, steuerfreies 227,
siehe Bürgergeld 280ff., 340ff.
Bedürftigkeitsprüfung
siehe Bürgergeld F
Begriffsrealismus 19ff., 314 fair siehe Steuern:
Beteiligungskapital 104ff., 108ff., 129ff. einfach, niedrig, gerecht
siehe auch Teilhabe Finanzamt als Verrechnungsstelle
Bildung 9ff., 30, 35, 118, 160, 208, 213, siehe Bürgergeld
220, 284ff., 311ff., 323, 326ff. Finanzkrise 20ff., 39f., 84ff., 103f., 127,
Bürgergeld 46f., 222, 228ff., 233ff., 160f., 179ff., 195ff., 310
279ff., 337ff. Finanzaufsicht siehe Finanzkrise
Bürgergesellschaft 217 Finanzautonomie der Länder
Bürokratie 238 siehe Föderalismus
Finanzausgleich siehe Föderalismus
C Finanzverfassung siehe Föderalismus
Chancen 144, 178, 306 Fleiß 36, 46, 228, 324f.
- durch Zuverdienst Föderalismus 35f., 160, 205,
siehe Bürgergeld 207ff.,255f., 260, 326ff.
Charakter („Karakter“) 6, 10, 186ff., Freihandel 60ff., 68, 156ff., 250f.
212, 216f. Freiheit, Ordnung in:
das ganze Buch
E - und Gerechtigkeit 5f.
Eigentum 34, 82ff., 91ff., 106ff., 122ff., - und Sicherheit 5f.
133ff., 326ff. - und Verantwortung 5f.
Eigenverantwortung 36ff., 53, 106f., Frieden 6, 35, 37, 55ff., 293, 298ff.,
126, 186, 190, 207ff., 279, 324 301, 327ff.
Emissionshandel siehe Umweltvorsor-
ge G
Enteignung 99ff., 126ff., 132, 137ff. GATT (General Agreement
Entwicklungspolitik siehe on Tariffs and Trade) siehe
Weltwirtschaftsordnung Weltwirtschaftsordnung
Erbschaftsteuer 307ff., 341 Geldwertstabilität siehe
Ethik 12ff., 303, 312, 318ff., 326ff. Währungsverfassung
Europa 243ff., 251ff., 326ff. Gemeinden siehe Föderalismus
- Wettbewerbsrecht 145ff., 252f., Generationengerechtigkeit
333ff. siehe Langfristorientierung und
Nachhaltigkeit)
352
Gesundheitspolitik 160, 280, 286ff., L
332ff. Langfristorientierung 83, 162, 173f.,
Grundfreibetrag siehe Steuern: 193, 201ff., 204f., 295
niedrig, einfach, gerecht Langzeitarbeitslosigkeit siehe
Grundsicherung siehe Bürgergeld Bürgergeld
Leistung 36ff., 140, 143f., 147, 178,
H 224f., 230f., 241, 262, 277, 337,
Haftung siehe auch Verantwortung 82, 341ff.
84ff., 90, 103f., 126, 139ff., 164ff.,
171ff., 180, 195, 334, 337, 346, M
Humanismus 12, 31 Manager 86ff., 127, 170ff.
Manchestertum 67ff.
I „Marktversagen“ siehe
Information 15ff., 22f., 147, 251, 313 „Staatsversagen“ und
Innovation 36, 148ff., 177, 223, 284, Staatsaufgaben
343 Marktwirtschaft 11ff., 37ff., 301ff.
Insolvenzrecht 126f., 170f. Mensch als Mittelpunkt
Integration liberaler Politik 30, 34ff., 40, 204,
- soziale siehe soziale Sicherheit 237ff., 326ff.
- europäische 243ff. Menschenwürde 5f., 30f., 119, 237,
- von Steuern und Transfers 283f., 285ff., 326ff.
siehe Bürgergeld Mindestlöhne siehe Bürgergeld
Mindesteinkommen
J siehe Bürgergeld
Journalisten 182, 190 Mitbestimmung siehe Teilhabe
Mittelstand 89f., 92, 105ff., 108f., 115f.,
K 143ff., 183f. 186f., 274, 312f., 326ff.
Karakter siehe Charakter - Eigenkapital 104ff.
Klimaschutz siehe Umweltvorsorge - Kultur 187
Kommunikation 15ff., 46 - Anstand 187
Konnexitätsprinzip siehe Föderalismus
komparative Vorteile 124ff. N
Kompetenzverteilung siehe Nachhaltigkeit 83, 202ff., 269, 296,
Föderalismus 344
Konjunktur 27, 76, 78ff., 193f., 203, Negativsteuer („negative
242, 261ff., 268f.,273ff., 322 Einkommensteuer“) siehe
Krankenversicherung Bürgergeld
siehe Gesundheitspolitik Neoliberalismus 13f., 38f., 53,
66ff.,75f., 138, 285f., 324f.
353
Netto-Neuverschuldung siehe R
Verschuldungsverbot, prinzipielles Rente, Rentenversicherung
New Deal 70f. siehe Altersvorsorge
Niedriglohnbereich
Siehe Bürgergeld S
Notlagen Schonvermögen
- soziale siehe Bürgergeld siehe Steuern und Bürgergeld
- bei Staatsverschuldung siehe Selbständigkeit siehe Eigenverantwor-
Verschuldungsverbot, prinzipielles tung
Solidarität 36ff., 65f., 205ff., 228ff.,
O soziale Gerechtigkeit 5f., 43ff., 52f.,
Ökologie und Ökonomie 173ff. 56, 120ff., 226, 279, 309, 328ff.
„Ökologische Weiterentwicklung Soziale Marktwirtschaft:
der Marktwirtschaft“ 42ff. das ganze Buch
Ordnung/Ordnungspolitik 5f., 15, 24ff., soziale Sicherheit 5f., 43ff., 50, 56,
45f., 75ff. 120ff., 229, 279, 294ff., 309
- der Weltwirtschaft siehe Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen
Weltwirtschaftsordnung siehe Bürgergeld
Ordoliberalismus 13f., 53f. Sozialleistungen
- steuerfinanzierte/
P beitragsfinanzierte
Pflegeversicherung 290f. siehe Bürgergeld
Pflicht zur Versicherung 277ff. Sozialpolitik 37, 46f., 277ff.
Prävention Staatsaufgaben 48, 55ff, 63ff.
- gegen Arbeitslosigkeit Staatsversagen 8ff., 19ff., 152, 183ff.
siehe Bürgergeld Staatsverschuldung siehe
- im Gesundheitssystem siehe Verschuldungsverbot, prinzipielles
Gesundheitspolitik Steuern: niedrig, einfach, gerecht 16ff.,
„Preisstabilität“ korrekt 178f., 214, 219ff., 225ff., 228ff.,
„Geldwertstabilität“ siehe 307ff., 328ff.
Währungsverfassung Subjekthilfe vor Objekthilfe
Preisniveaustabilität Siehe Bürgergeld
= Geldwertstabilität Subsidiarität siehe Eigenverantwortung,
Privateigentum siehe Eigentum Solidarität und Föderalismus
Produktivkapital siehe
Teilhabe und Vermögen
Protektionismus siehe
Freihandel
354
T W
Teilhabe 104ff. Währungsverfassung 141, 148, 180ff.,
- durch Bildung 33ff. 197ff., 260, 282f., 327ff.
- durch Bürgergeld Weltwirtschaftskrise 9, 76f., 243, 276f.
siehe Bürgergeld Weltwirtschaftsordnung 152ff., 161,
- am Arbeitsplatz, 94, 104ff. 164f., 328ff.
- am Produktivkapital, Vermögen 94, Werte 5, 12ff., 30ff, 187ff., 191, 196,
104ff. 209, 211, 219, 293, 299, 306, 310,
Transparenz 320ff., 327ff.
- bei föderaler Verantwortung Wettbewerb 46f., 51f., 72ff., 82ff.,
siehe Föderalismus 112ff., 127f., 140ff., 144ff., 157ff.,
- im Sozialsystem 166ff., 263, 297, 328ff.
siehe Bürgergeld Wettbewerbsföderalismus 219
Tugenden siehe Werte Wettbewerb im Gesundheitssystem
291ff.
U Wirtschaftsordnung siehe Ordnung in
Umlageverfahren siehe Altersvorsorge Freiheit
Umweltvorsorge/Umweltschutz 143, Würde 6, 30, 284, 288, 327ff.
172ff., 204ff., 336ff.
Unternehmer siehe Mittelstand Z
Zentralismus siehe Föderalismus
V Zertifikatshandel siehe Umweltvorsor-
Verantwortung siehe auch Haftung 5f., ge
268, 294 Zumutbare Arbeit, Ablehnung siehe
Verfassung 9f., 12, 31f., 55, 258ff, Bürgergeld
273f.. 321, 326ff. Zuverdienst-Chancen siehe Bürgergeld
Verfassungsschranken gegen
Steuerlast und Staatsverschuldung
siehe Verschuldungsverbot
Verschuldungsverbot, prinzipielles 16,
79ff., 142, 186, 219, 240ff., 259ff.,
268, 271ff., 310ff., 343, 346
Vermögen, breite Streuung 104ff..,
134ff. siehe auch Teilhabe
Verstaatlichung siehe Enteignung
Versteigerung von Zertifikaten
siehe Umweltvorsorge
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Über den Autor
Horst Werner wurde am 2. Februar 1943 in Prag geboren. Mit
seinem Klassenkameraden Hans-Werner Losberg 1961 bei
den Jungdemokraten in Dormagen eingetreten, plante er als
Chefredakteur der „Hansekogge“ mit Losberg eine liberale
Revolution in Südamerika. Weil beide aber stattdessen zur Ma-
rine gingen, wurde daraus nichts. Die Folgen in Südamerika
sind erst recht nach den letzten Wahlen unübersehbar.
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Horst Werner: Ordnung in Freiheit
Argumente der Freiheit
ISBN 978-3-920590-37-0
Ordnung in Freiheit
Argumente der Freiheit 24
Horst Werner
liberal Verlag