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:antifaschistische Nr.

11
nachrichten g 3336 23.5.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤

Deutsche Traditions-
pflege ganz ungestört:
Pfingsttreffen der Gebirgs-
militaristen
Seit über 50 Jahren veranstaltet zu
Pfingsten die Gebirgsdivision 1 (GD1)
in Mittenwald eine Gedenkfeier zu Eh-
ren ihrer toten „Helden“, an der bis-
weilen mehrere tausend Menschen

www.arbeiterfotografie.com
teilnahmen. Auch in diesem Jahr trafen
sich die Veteranen gemeinsam mit den
Aktiven von der Bundeswehr auf
Bundeswehrgelände am Hohen Brend-
ten. Junge Antifaschistinnen und Anti-

Info:
faschisten nahmen in diesem Jahr
ebenfalls teil, und einer ihrer Sprecher
erklärte: „Unter dem NS-Regime ver-
übte diese Einheit der Wehrmacht di- 600 Menschen demonstrierten am 11. Mai in Essen
verse Massaker an Tausenden von
Menschen in Griechenland, Italien, Ju-
goslawien, Polen und Finnland. Diese
Tradition der Verehrung der Mörder
Offizielle Statistik
und Verhöhnung der Opfer konnte
über 50 Jahre lang unbehelligt stattfin-
rechtsextremistischer
den und sich dabei einer großen gesell-
schaftlichen Akzeptanz erfreuen. Als
Straftaten ist falsch
Mitveranstalter tritt hier die Bundes- Die innenpolitische Sprecherin der amtlichen Statistik keinerlei Verbesserung
wehr in Erscheinung und sie befindet PDS Bundestagsfraktion Ulla Jelp- bedeutet. Im Gegenteil: Das Chaos in der
sich damit in auffälliger Kontinuität, ke hat einen „Schattenbericht“ Statistik und die Ignoranz der Behörden
denn auch heute sind die Gebirgstrup- über die amtliche Statistik rechter Straf- sind eher noch größer geworden.
pen wieder aktiv bei Auslandseinsät- und Gewalttaten vorgelegt. Durch den Selbst in abgeschlossenen Gerichtsver-
zen wie im Kosovo und Afghanistan. Bericht wird deutlich: fahren eindeutig festgestellte rechtsextre-
Dabei jene Bundeswehr-Gebirgsdivi- me Gewalttaten werden in der amtlichen
sion, die sich als direkte Nachfolgerin Die amtliche Statistik über rechte Strafta- Statistik ignoriert. Die PDS-Studie doku-
der Wehrmachtsdivision versteht.“ ten bleibt auch nach der von der Innenmi- mentiert das an mehreren Beispielen. Hin-
In Mittenwald erinnerte die nisterkonferenz im letzten Jahr beschlosse- zu kommt: Die polizeiliche Kriminalstatis-
Bundeswehr in Schriften an die Vor- nen Umstellung falsch. Sie ignoriert weiter tik meldet andere Zahlen als der Verfas-
jahrsrede auf dem Hohen Brendten, eine Vielzahl von rechten Straftaten, baga- sungsschutz, der Bund andere als die Län-
gehalten vom jetzigen Kanzlerkandi- tellisiert weiter das wirkliche Ausmaß ras- der, die Zahlen der Länder selbst differie-
daten der CDU/CSU und Kamerad- sistischer, antisemitischer, rechtsextremis- ren in teilweise groteskem Maß.
schaftsmitglied sowie ehemaligem tischer Gewalt. Nachdem im Herbst 2000 „Noch immer gilt anscheinend bei vie-
Gebirgsjäger Edmund Stoiber. Darin die „Frankfurter Rundschau“ und der „Ta- len Polizeibehörden die Devise, nicht die
nennt er das Treffen Ausdruck „unan- gesspiegel“ ihre bedrückende Dokumenta- Opfer rechter Gewalt zu schützen, sondern
greifbarer Traditionspflege“. Damit tion über damals 93 Todesopfer rechter den „guten Ruf“ ihrer Gemeinde, ihrer
lag er falsch: Am Pfingstsamstag be- Gewalt seit 1990 vorgelegt hatten – die Stadt, ihres Landes. Die Bagatellisierung
suchten ca. 50 Antifaschistinnen und amtliche Statistik nannte damals nur 26 rechter Gewalt ist nicht geringer gewor-
Antifaschisten das im Rahmen der Todesopfer –, hatte Bundesinnenminister den“, so Ulla Jelpke. „Polizei und Verfas-
Gedenkfeier stattfindende Schweine- Schily eine Überprüfung angekündigt. In sungsschutzbehörden scheinen strukturell
bratenessen der Gebirgssoldaten in der Folge wurde die amtliche Statistik ge- unfähig (oder unwillig?), rechte Gewalt
Mittenwald. ringfügig korrigiert – statt von 26 Opfern angemessen zu erfassen und zu bekämp-
Fortsetzung Seite 9 sprechen Bund und Länder seitdem von 38 fen. Das wird durch die vorliegende Studie
Todesopfern seit 1990. Im Mai 2001 be- zweifelsfrei dokumentiert.
schloss die Innenministerkonferenz zudem Mein Fazit daraus: Wir brauchen end-
Aus dem Inhalt: rückwirkend ab 1. Januar 2001 ein neues lich eine unabhängige Beobachtungsstelle
Grenzlandarbeit Herzenssache . . Erhebungsverfahren, das auch bisher nicht gegen Rassismus und Fremdenfeindlich-
7Der Fall Karlsi – erfasste Gewalttaten – etwa gegen Ob- keit, eine Beobachtungsstelle, wie sie die
Möllemann bedient sich beim dachlose – besser erfassen soll. EU schon lange hat.“
Antisemitismus . . . . . . . . . . . . . . 10 Die von der PDS jetzt vorgelegte Studie Ulla Jelpke ■
dokumentiert, dass diese Umstellung der Kurze Auszüge aus dem Bericht auf Seite 8
: meldungen, aktionen
„Niederlage“. Für Antifaschistinnen und
Antifaschisten hingegen gilt dieses Da-
tum als der Tag der Befreiung von Hitler-
„Paneuropa-Tage“ in Saar- Clement und seinem Innenminister, Fritz Faschismus und Krieg. Warum soll man
brücken Behrens. „Nach seiner Erfahrung“ seien diesen Tag also nicht auch offensiv
„Spitzenpolitiker erstaunlich schlecht in- feiern, dachte sich die Antifa Düren und
Saarbrücken. Unter der Schirmherr- formiert, was in ihrem eigenem Haus begann vor einigen Jahren aus Anlass
schaft von Ministerpräsident Peter Mül- vorgeht“, so Stein in seinem Anschrei- des 8. Mai „antifaschistische Befreiungs-
ler (CDU), Anfang 1999 Interviewpart- ben. „Sie können fest davon ausgehen, feiern“ durchzuführen. Mittlerweile ge-
ner der „Jungen Freiheit“, finden vom 7. daß Ministerpräsident Wolfgang Cle- hört dieses Fest in Düren zur Tradition.
bis 9.Juni die „28. Paneuropa-Tage“ der ment überhaupt nicht weiß, daß die „Jun- So auch in diesem Jahr. Knapp 200 über-
„Paneuropa-Union“ in Saarbrücken statt. ge Freiheit“ im Visier seines Innenminis- wiegend junge Leute feierten nun zum
Die diesjährige Veranstaltung findet un- teriums steht. Und falls doch, sind ihm fünften Mal mit der Antifa Düren im Ju-
ter dem Motto „Paneuropa – Wende für einzelne Details nicht bekannt.“, so der gendzentrum „Multikulti“ unter dem
ganz Europa“ in der Saarbrücker Con- „JF“-Chefredakteur. „Bei Ihrem Brief Motto „Smash Fascism!“ das Fest zum
gresshalle statt. Neben zahlreichen Ver- müssen Sie von diesem Standpunkt aus- Tag der Befreiung. Mit dabei die Hi-
tretern der „Paneuropa-Union“ aus ver- gehen: Wolfgang Clement weiß nicht, phop-Band „Microphone Mafia“ aus
schiedenen europäischen Ländern, spre- welche Grundrechtsverstöße von seinem Köln, „itchipoopzkid“ aus Stuttgart, „Pe-
chen in diesem Jahr u.a. der Bürgermeis- Innenminister verantwortet werden“. ter F. Group“ und „Nippelfarm“ aus Dü-
ter der luxemburgischen Stadt Forbach, An der Durchführung einer Verfas- ren und „Cheese&Onion“ und die „Peca-
Charles Stirnweiss, der ehemalige kroati- sungsbeschwerde gegen das Land NRW doras“ aus Jülich. Auch in Mönchenglad-
sche Außenminister, Dr. Mate Granic, vor dem Bundesverfassungsgericht soll bach gab es nun erstmals ein solches Fest
der „Criticon“- und „Ostpreußenblatt“- neben dem ehemaligen Bundesvorsitzen- zum 8. Mai. Unter dem Motto „Talking
Autor, Jürgen Liminski, der ehemalige den des „Bund Freier Bürger“, Manfred is over, Party is on!“ und dem Logo
slowenische Premierminister, Alojz Pe- Brunner, auch der ehemalige General- „Good Night White Pride“ feierten
terle und der Landrat im polnischen Op- bundesanwalt Alexander von Stahl „Blockbuster – Jugend gegen Ras-
pole, Joachim Czernek. Thematisch geht (FDP) mitwirken. Durch die Hinzuzie- sismus“ und VVN-BdA Mönchenglad-
es den Paneuropäern in diesem Jahr um hung eines früheren Generalbundesan- bach im Zentrum des „Bund der Alevi-
„Die Familie – Wahlkampfmunition oder waltes verspricht sich die „JF“ ein „öf- ten“. Die Beteiligung übertraf alle Er-
Schicksalsfrage ?“ und um „Konvent am fentlich zusätzliches Gewicht“. Mit einer wartungen. Knapp 300 Menschen nah-
Kreuzweg – welche Verfassung für Eu- nicht unmöglichen Herausnahme der men an dem Fest teil und hörten die
ropa ?“. Im Anschluss an die Diskus- „Jungen Freiheit“ aus dem NRW-“Ver- Bands „Settle the Score“, „Rapido“,
sionsveranstaltungen findet die Bundes- fassungsschutzbericht“ dürfte denn auch „Hardflip“ und „U.W.E.“. Selbstver-
delegiertenversammlung der „Paneuro- der letzte Rest des kläglichen „Aufstands ständlich gab es auf beiden Veranstaltun-
pa-Union“ statt. Präsident der „Paneuro- der Anständigen“ in sich zusammenbre- gen auch Infostände, Büchertische, Aus-
pa-Union“ ist zur Zeit der CSU-Europa- chen. hma ■ stellungen und natürlich jede Menge
parlamentarier Bernd Posselt, zugleich Diskussionen.
Vorsitzender der „Sudetendeutschen Hude steht zu Carl Diem Da alle Bands zugunsten der Unter-
Landsmannschaft“. hma ■ stützung antifaschistischer und antiras-
Hude. Bereits 1999 war die Gemeinde sistischer Arbeit vor Ort auf eine Gage
Neue „JF“-Kampagne Hude bei Oldenburg in die Schlagzeilen verzichteten, sind Befreiungsfeiern die-
geraten, als in dem Ort eine heftige Dis- ser Art auch eine gute Möglichkeit, die
Berlin/Düsseldorf. Mit einer „Verfas- kussion um die von Ludendorff-Anhän- ohnehin schmalen Kassen der teilneh-
sungsbeschwerde gegen Nordrhein- gern gegründete „Ahnenstätte Hilligen- menden Gruppen wieder für kommende
Westfalen“ vor dem Bundesverfassungs- loh“ entbrannt war. Aktionen zu füllen. VVN-BdA MG ■
gericht, einem Schreiben nebst Doku- Nun hat die Gemeinde ein weiteres
mentation an alle Abgeordnete im NRW- Mal ihre Unwilligkeit unter Beweis ge- Ohrfeige für Schily und den
Landtag, Protestbriefen an NRW-Minis- stellt, sich von reaktionärem Ballast zu
terpräsident Clement (SPD) und einem trennen. Ein von SPD und „Grünen“ Verfassungsschutz
„Appell für die Pressefreiheit. Gegen die unterstützter Antrag auf Umbenennung Berlin. Der Zweite Senat des Bundes-
Verletzung demokratischer Grundrechte einer Straße, die nach dem früheren NS- verfassungsgerichtes wird erst nach den
durch den NRW-Verfassungsschutz“ Sportfunktionär Carl-Diem benannt ist, Wahlen im Herbst über den weiteren
hofft die Berliner Wochenzeitung „Junge wurde nun von der CDU-Mehrheit abge- Fortgang im NPD-Verbotsverfahren be-
Freiheit“ zu erreichen, das sie künftig lehnt. „Schließlich könne man nicht alle finden. Das Gericht teilte in einer Pres-
nicht mehr im sog. „Verfassungsschutz- Straßen nach „Political-Correctness- seerklärung mit, es wolle am 8. Oktober
bericht“ des Landes NRW aufgeführt Punkten“ umbenennen“, so ein Thorsten einen Erörterungstermin zu den Einsät-
wird. In einem Schreiben an alle Bezie- Thümler von der örtlichen CDU. Andere zen von V-Männern ansetzen. Das Ge-
her seines Blattes verbreitet „JF“-Chef- Gemeinderäte hätten zwar die Argumen- richt erwarte sich dann Aufschlüsse über
redakteur Dieter Stein Optimismus: „Bit- tation für die Umbenennung der Straße die Zusammenarbeit des Verfassungs-
te helfen Sie mit, daß es gelingt, die Ver- nachvollziehen können, stellten aber den schutzes mit den im Verbotsantrag gegen
leumdungstaktik des NRW-Verfassungs- Wunsch von Anwohnern, den Straßenna- die rechtsextreme NPD genannten Zeu-
schutzes zu durchbrechen. Ich glaube, men zu behalten, in den Vordergrund. gen.
wir sind kurz vor dem Ziel, wenn alle an- NWZ 27.4.02 - hma ■ Zur dieser Entscheidung erklärt die
packen“. Gleich mitversandt wird eine innenpolitische Sprecherin der PDS-
mit eigenen Kommentaren versehene Befreiungsfeiern am Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke: Die
Dokumentation des „skandalösen Kapi- Entscheidung des Bundesverfassungsge-
tels“ über die „Junge Freiheit“ aus dem Niederrhein richts ist eine neuerliche Ohrfeige für
aktuellen „Verfassungsschutzbericht“, Düren/Mönchengladbach. Für Rech- Schily und die Verfassungsschutzämter
ein „Argumentationspapier“ nebst An- te jeglicher Couleur ist der 8. Mai 1945 in Bund und Ländern. Die NPD kann
schriften von NRW-Ministerpräsident der Tag der „Kapitulation“ oder der jetzt zur Bundestagswahl kandidieren

2 : antifaschistische nachrichten 11-2002


und ihre antisemitische und rassistische teil vom November 2001 jedoch abschlä- bau und die Protagonisten erstaunlich de-
Hetze weiter verbreiten, ohne durch das gig beschieden. Damit sind die Rechts- tailliert. Zustimmung erntet der Hambur-
laufende Verbotsverfahren in irgendeiner mittel derzeit ausgeschöpft, so dass keine ger Koalitionsvertrag; in Schutz genom-
Weise beeinträchtigt zu werden. Handhabe gegen die Pläne der Rechtsex- men wird die Partei auch: Es „gibt keine
Schily und die VS-Behörden müssen tremisten besteht. Hinweise auf eine ausländerfeindliche
das Netz ihrer V-Leute in der NPD und Anwohner berichten – so der „Stern“: Einstellung Schills“. Skepsis herrscht
ihrem Umfeld vollständig offen legen. „Die planen große Seminarräume. Auch dort, wo die Zukunftsaussichten der
Was von der PDS von Anfang an gefor- eine Gaststätte mit Biergarten und Woh- Schill-Partei prognostiziert werden. Mit
dert worden war, dazu zwingt sie nun nungen sollen entstehen.“ Schlossnutzer der Niederlage von Sachsen-Anhalt sei
Karlsruhe. Die Forderung des Bundes- Hupka versucht seit seinem Ausschluss eine „Phase der Ernüchterung und Ent-
verfassungsgerichts, sowohl die aktuel- offensichtlich neue Strukturen aufzubau- zauberung“ eingetreten, von der sich
len wie auch frühere V-Leute in der NPD en, sicher auch mit Blick auf ein even- noch nicht sagen lasse, ob sie überwun-
offen zu legen, ihre Führungsakten zu er- tuelles Verbot der NPD. den werden könne. Die Studie will gar
örtern etc. bringt hoffentlich auch Licht Stern Nr. 20, 8.5.02 – u.b. ■ „erste Ermüdungs- und Zerfallserschei-
in das trübe Zusammenspiel von VS- nungen“ wahrgenommen haben. Insbe-
Ämtern und Neonazis. Ich verweise auf sondere die Notwendigkeit, von einer
Mecklenburg-Vorpommern, wo der VS Ein-Themen-Partei (Innere Sicherheit) zu
die Aufklärung ausländerfeindlicher Ge- „einem breiteren Themenangebot“ zu
walttaten offenbar behinderte, um V- kommen, stelle die Partei vor größere
Leute zu werben bzw. zu schützen. Ich Probleme, genauso wie der bundesweite
vermute, das war kein Einzelfall. Parteiaufbau durch „Engpässe an politik-
Die skandalöse Vertuschungstaktik und verwaltungserfahrenem Personal“.
von Schily, den Länder-Innenministern F■
und den Verfassungsschutz-Ämtern im
NPD-Verbotsverfahren ist endgültig ge- Urteile gegen Nazis
scheitert.
Der Schaden, den diese Ämter durch Schwerin. Im Zusammenhang mit dem
ihr jahrzehntelanges V-Leute-Unwesen Prozess gegen die Nazis, die 1992 das
in der NPD und ihrem Umfeld angerich- AsylbewerberInnenheim in Boizenburg
tet haben, wird immer größer. Daraus Neue Heimat für Rechte: Schloss mit Brandsätzen und Steinen angegriffen
müssen endlich Konsequenzen gezogen Trebnitz hatten, wurde ein VS-Skandal publik:
werden. Eine davon steht für mich schon Der Verfassungsschutz von Mecklen-
fest: Den Verfassungsschutzämtern muss Schill-Parteitag ausgefallen burg-Vorpommern hatte 1994 die Staats-
das Anwerben und die Führung von V- anwaltschaft veranlasst, die Ermittlun-
Leuten ein für alle Mal verboten werden. Hamburg. Am 11. Mai sollte der erste gen gegen zwei der Täter zu stoppen,
Ulla Jelpke ■ Bundesparteitag der Schill-Partei in weil Anwerbeversuche liefen.
Hamburg stattfinden. Bereits nach einer Das Landgericht verurteilte zwei An-
Rechtsextremisten kaufen Stunde war er beendet! Die notwendige geklagte wegen Beihilfe zu versuchtem
Mindestzahl von Mitgliedern wurde um Mord und versuchter schwerer Brand-
Schloss in Sachsen-Anhalt etwa 250 verpasst – der Parteitag war be- stiftung zu eineinhalb und einem Jahr
Könnern. Der Rechtsextremist Steffen schlussunfähig. Unterdessen wird die Haft auf Bewährung. gammanews ■
Hupka will offenbar im sachsen-anhalti- Auseinandersetzung um die Wahlbeteili-
schen Könnern ein Schulungszentrum gung aggressiver; Schill und der Ham- Zittau: Nazi-Verein NJB be-
für Gesinnungsgenossen aufbauen. Nach burger Vorstand lehnen sie aus strategi-
Informationen des „Stern“ hat der Land- schen Gründen ab, zahlreiche Mitglieder kommt Zustimmung
kreis das Anwesen in Trebnitz bereits im v.a. aus NRW und Niedersachsen wollen Zittau. Es ist schon echt komisch, was
März vergangenen Jahres für 100.000 sie unbedingt. Der Vorstand versucht, die im ostsächsischen Zittau vor sich geht.
Mark an den langjährigen NPD-Kreis- Entscheidung hinauszuzögern, weil er Da bekommt ein Nazi-Verein, der vom
vorsitzenden Uwe Meenen aus Würz- sich über ihren Ausgang nicht sicher ist. Sächsischen Verfassungsschutz letzte
burg verkauft. Dieser ist auch Führungs- Aus Hamburg wurden wenig Mitglieder Woche die Nazi-Haftigkeit bestätigt be-
mitglied des als rechtsextremistisch ein- mobilisiert, die Parteisprecherin Karina kommen hat (Verfassungsschutzbericht
gestuften „Deutschen Kollegs“ von Weber sagte zum Folgetreffen in viel- 2001) ein Haus auf der Südstraße von
NPD-Anwalt Horst Mahler. Gegen beide leicht vier Wochen: „Allein aus zeitlichen der Stadt per Erbbaupachtvertrag über
ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft Gründen klappt es mit der Wahl dann ganze 33 Jahre und eine Bürgerinitiative
wegen Volksverhetzung. Die Zu- nicht mehr.“ Die Wahlbefürworter geben unterstützt dieses Vorhaben.
sammenarbeit zwischen Hupka und indes nicht auf, wie sich an ihrem z.T. ag- Dieser Erbbaupachtvertrag ist prak-
Meenen ist insofern überraschend, als gressiven Verhalten auf dem Parteitag tisch unkündbar und die Nazis haben
Hupka von der NPD wegen zu großer zeigt. Wenn Schill schon nicht kandidie- eigentumsähnliche Rechte. Zudem besit-
Militanz im vergangenen Jahr ausge- ren wolle, so heißt es aus diesen Kreisen, zen die Nazis, sozusagen als Ausweich-
schlossen worden ist. „dann soll er uns bundesweit kein Bein quartier eine große Villa auf der Zittauer
Das Schloss ist von der „Deutsche stellen.“ Wie immer dieser Streit ausgeht, Lessingstraße auf Mietsbasis, denn die
Grundstücksauktionen Berlin“ öffentlich er wird der Partei voraussichtlich Scha- Stadt kündigte das erste Haus (Südstra-
versteigert worden, nachdem zuvor kein den zufügen. F■ ße) im Mai 2001 wegen Baufälligkeit
Käufer für das Objekt gefunden werden und gaben den Nazis am 26.10.01 das
konnte. Nachdem das Landratsamt vom CDU-Stiftung zu Schill Haus per unkündbaren Pachtvertrag.
Innenministerium Sachsen-Anhalts auf Dieser wurde beanstandet und danach
Meenens politische Heimat hingewiesen Hamburg. Mittlerweile befassen sich nicht aufgehoben! Zwei Häuser nach
wurde, hatte man versucht, vom Kauf- auch die Politikberater der CDU mit der etwa 10 Jahren Trubel und Trouble mit
vertrag zurückzutreten. Das Landgericht Schill-Partei. Eine Analyse der „Konrad den Nazis aus Zittau und Umgebung.
Dessau hat dieses Ansinnen in einem Ur- Adenauer-Stiftung“ skizziert ihren Auf- Fortsetzung Seite 4

: antifaschistische nachrichten 11-2002 3


Fortsetzung von Seite 3 Dabei seien unter anderem „geschicht- Schröder+Walser für die
Mit der Südstraße sind fast alle Zittaue- liche Zeugnisse unersetzbar vernichtet“ Nation
rInnen zufrieden, außer diejenigen, die worden. Anders als bei anderen jüdi-
einmal Opfer der Nazis wurden oder die schen Einrichtungen war Gemeindean- Berlin. Ausgerechnet am 8. Mai, dem
man noch als liberal bezeichnen kann. gaben zufolge die Bewachung des Ge- Tag der Befreiung der Welt vom Natio-
„Dort stören die doch niemanden“ so bäudes „vor geraumer Zeit eingestellt nalsozialismus, unterhielten sich Ger-
lautet das Standard-Argument der Befür- worden“. Der neue Vorfall reiht sich ein hard Schröder und Martin Walser auf ei-
worter und so gibt es seit kurzem eine in eine ganze Kette antisemitischer Straf- nem SPD-Forum ganz ungezwungen
Vereinigung namens „Eigeninitiative taten. Bereits in den ersten drei Monaten über Nation und Patriotismus. Moderiert
Lessing“, die jetzt die Nazis von der Les- dieses Jahres sind dem polizeilichen wurde die Veranstaltung vom Zeit-Jour-
singstraße weghaben will. Diese fordert Staatsschutz in Berlin 33 antisemitische nalisten Christoph Diekmann, der erst
von der Stadt Zittau, die Nazis zurück in Vorfälle bekannt geworden. Bis Anfang kürzlich in einem Artikel darüber räso-
die Südstraße zu schicken, weil diese Mai ist diese Zahl nach Informationen niert hatte, ob die Nazis nicht eigentlich
eine Bedrohung für die AnwohnerInnen der „Berliner Zeitung“ auf rund 50 Fälle durch den „jüdischen Volkserweckungs-
darstellten. Der Oberbürgermeister will angestiegen. Damit wurden während der glauben“ inspiriert gewesen seien. Das
aber keinen Erbbaupachtvertrag mit dem ersten vier Monate
NJB auf der Südstraße. Das ist nämlich dieses Jahres fast ge-
noch nicht ganz gegessen, vielmehr muss nauso viele antisemiti-
jetzt das Landratsamt entscheiden, ob der sche Straftaten wie im
NJB jetzt zwei oder ein Haus hat. ganzen Jahr 2000 re-
Diese Initiative, gegründet von Zittau- gistriert. Besonders
er BürgerInnen, bezeichnet die Nazis als wegen des Nahost-
integrierten Teil der Bevölkerung, der konfliktes wird für
eben etwas kompliziert sei. So sind 2002 damit gerechnet,
durchschnittlich etwa 150 Nazis in der dass die Zahl des Vor-
Lessingstraße, diese machen auch Lärm jahres deutlich über-
und sind den Anwohnern jetzt ein Dorn schritten wird. 2001
im Auge. Die Initiative will die Nazis waren 106 antisemiti-
vielmehr in die Südstraße zurück. sche Straftaten festge-
Es geht hier keinesfalls um die Sorgen stellt worden.
und Nöte von potentiellen Opfern der „Medienwirksame
Nazis, wie zum Beispiel Nichtdeutsche Ereignisse wie die Er-
StudentInnen der Zittauer Hochschule, öffnung des Jüdischen
die auch schon öffentlich versuchten auf Museums, der Bau des Holocaustmahn- Bündnis gegen Antizionismus und Anti-
sich aufmerksam zu machen. Diese be- males sowie die gewalttätigen Ausein- semitismus protestierte mit einer Kund-
kamen eine Abfuhr, denn das Öffentlich- andersetzungen zwischen Palästinensern gebung gegen die Veranstaltung. ■
Machen der Zittauer Verhältnisse trägt und Israelis in Nahost haben verstärkt
nicht zum positiven Image bei. Den Na- anonyme Briefeschreiber zum Handeln Neue „Rechtsrock“- Combo
zis dagegen wird dazu verholfen sich veranlasst“, heißt es im Bericht zur Kri-
auszubreiten und sie bekommen die Le- minialitätsstatistik. Die Mehrzahl dieser SIEGNUM
gitimation jetzt auch noch von den Bür- Schreiben würden an den in Berlin an- Mannheim. Mannheim hat eine neue
gerInnen. sässigen Zentralrat der Juden in Deutsch- Fascho-Skin-Bands. Die vierköpfige
Die Zittauer Polizei und die Justiz land sowie an die Jüdische Gemeinde Band SIEGNUM stellt sich seit Februar
spielen mit. Die Polizei verschweigt ab Berlin adressiert. auf ihrer Internetseite ihren Fans und der
und zu rassistisch motivierte Straftaten Besonders beunruhigt ist die Gemein- Welt vor. Als Vorbilder der Band werden
und die Justiz verurteilt Nazis für de, dass von den Anschlägen auf jüdi- die Jungs der ehemaligen Mannheimer
Schwere Körperverletzungen zu einer sche Einrichtungen bislang kein einziger Fascho-Band Tonstörung genannt, die
geringen Geldstrafe, wie im letzten Fall, aufgeklärt worden sei. Ohnehin würden sich schon vor einigen Jahren nach einem
wo es um Übergriffe vor drei Jahren viele antisemitischen Vorfälle gar nicht aufsehenerregenden Prozess wg. Volks-
ging. Auch wurde ein Nazi für versuch- erst angezeigt, berichtete das Zentrum verhetzung auflösten und sich teilweise
ten Mord nur zu fünf Jahren Haft verur- demokratische Kultur. Da gibt es das Po- dem Drogenhandel widmeten. Benannt
teilt, wobei er die Strafe bei guter Füh- esiealbum, in dem eine Schülerin als ih- haben sich Siegnum allerdings wohl eher
rung auf lediglich 3 Jahre reduzieren ren größten Wunsch beschreibt, auf die nach einem Lied der Böhsen Onkelz mit
kann. Druck von Außen auf Zittau sehen Realschule zu kommen und „dass alle dem schönen Titel „Siegnum des Ver-
die lokalen Image-Fans als Bedrohung. Juden sterben“. „Das ist ein Judenladen“, rats.“ Weitere Vorbilder sind Ian Stewart
Doch ist es die einzige Möglichkeit auf sagte ein anderer Schüler beim Anblick und Rudolf Hess, denen auf der Heimsei-
diese Verhältnisse einzuwirken. einer Kaufhaustüte eines großen Waren- te eine eigene Rubrik gewidmet ist. Im
ag-zittau , 16.05.2002 hauses. Eine Gruppe Jugendlicher pöbel- Gästebuch tummelt sich z.B. Christian
ag-zittau@gmx.net ■ te in einer gut besetzten S-Bahn Fahrgäs- „Hehli“ Hehl gibt seinen Senf zu Tonstö-
te mit antisemitischen Sprüchen an. Ein rung ab (sind seiner Meinung nach vor
Zahl der antisemitischen junger Mann, der dazwischenging, wur- der Justiz gekrochen) und lobt aber an-
de attackiert und musste im Krankenhaus sonsten das Projekt. Angekündigt wird
Straftaten in Berlin steigt behandelt werden. auch eine neue Ausgabe der ,Deutschen
Berlin. Das ehemalige „Israelitische Die Sicherheitsmaßnahmen für das Jü- Offensive‘ (Jubiläumsnummer 10).
Krankenheim“ der orthodoxen Jüdischen dische Krankenhaus in Wedding sind Bleibt abzuwarten, wie lange die Heroen
Gemeinde Adass Jisroel an der Torstraße jetzt deutlich verschärft worden. Die von Siegnum sich gegen die Unbilden der
(Mitte) ist von Unbekannten verwüstet Heinz-Galinski-Straße, in der sich das demokratischen Justiz und der antifa-
worden. Wie die Gemeinde mitteilte, Krankenhaus befindet, bleibt für den schistischen Verfolgung werden behaup-
wurden das gesamte Mobiliar und Schei- Verkehr gesperrt. ten können.
ben „systematisch zerstört“. www.amadeu-antonio-stiftung.de ■ Quelle:www.juz-mannheim.de ■
: antifaschistische nachrichten 11-2002
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Frankreich: Wer stimmt für die VVN Landeskonferenz
Baden – Württemberg am 27.
extreme Rechte – und warum? und 28. April in Karlsruhe
Der Samstagnachmittag der Konferenz war
Zweiteilige Analyse – Erster Teil : Politische und soziale Faktoren
geprägt durch das Referat von Reinhard
Wahltermine stellen ein ernstes zent) und rund 79.000 Stimmen in den Kühnl zum Thema: „Krieg und Frieden in
Problem dar für Zeitschriften, Überseegebieten. Das entspricht insge- unserer Zeit“. Kühnl schlug einen Bogen
die ihren Redaktionsschluss - samt 5,526 Millionen Stimmen oder von Weltkrieg 1 zu heute. Er bediente sich
wie diese - am Montag früh ha- 17,79 Prozent. Der Zuwachs seiner dabei in seiner bekannten anschaulichen Art
ben. Denn bis zur Drucklegung der ent- Stimmenzahl gegenüber dem Gesam- klassischer Begriffe und Kategorien der
sprechenden Ausgabe liegen oftmals tergebnis von Le Pen / Mégret am 21. Analyse – klassisch im Sinne des Mar-
nur unvollständige oder noch nicht aus- April beträgt damit genau 53.477 Stim- xismus. Der Aussage „Kriege gibt es schon
sagekräftige Resultate vor. Dies gilt men. immer“ setzte er die Aussage entgegen:
insbesondere im französischen Falle, Aber wer sind nun die Wähler und „Kriege gibt es schon lange, aber nicht
denn in Frankreich wird die Rechnung Wählerinnen des bzw. der rechtsextre- schon immer. Kriege gab es erst vor rund
noch dadurch verkompliziert, dass geo- men Kandidaten, wo kommen sie her, 5000 Jahren mit dem Entstehen der Klassen-
graphisch weit entfernte Gebiete mit- und was sind die Themen, die sie an- gesellschaften. Vorher hatte die Menschheit
wählen, in denen aufgrund der Zeitver- ziehen? Millionen von Jahren ohne Kriege gelebt.“
schiebung auch noch eine andere Uhr- Die politische Herkunft der Le Pen- Solche Berichtigungen umlaufender Mei-
zeit herrscht: die französischen Über- Wähler nungen sind m.E. wichtig, weil sie scheinba-
seeterritorien wie bspw. Polynesien, re Selbstverständlichkeiten, die auch die rot-
Guyana, einige Antillen-Inseln oder La Die extreme Rechte konnte in diesem grüne Propaganda verbreitet, gerade rückt.
Réunion. Amtliche Endergebnisse lie- Jahr vorwiegend auf dem gesellschaft- Kühnl zeigte im weiteren – konsequent
gen daher oftmals nicht vor Montag am lichen Sockel aufbauen, den sie bereits dialektisch und marxistisch – einen wichti-
frühen Nachmittag vor. um die Mitte der Neunziger Jahre er- gen Widerspruch der bürgerlichen Gesell-
Aus diesem Grund war die Aussage reicht hatte. Zwar gewann sie in Pro- schaft auf: Während sie auf der einen Seite
in der vorherigen Ausgabe der AN, wo- zent- und auch in absoluten Stimmen- die Abschaffung des Krieges als Mittel der
nach die extreme Rechte Frankreichs zahlen im Vergleich zur Präsident- Politik verspricht (siehe Kants Traktat zum
sich zwischen dem ersten und dem schaftswahl 1995 hinzu. (Damals er- ewigen Frieden), schafft sie fortwährend die
zweiten Durchgang der Präsident- zielte Jean-Marie Le Pen 4,57 Millio- Logik der Konkurrenz, die zwangsläufig
schaftswahl von 5,4 auf 5,8 Millionen nen Stimmen und einen Wähleranteil zum Kriege führt.
Stimmen habe steigern können, noch von 15 Prozent.) Zwischen den beiden Die bürgerliche Gesellschaft verspreche,
nicht überprüfbar. Sie basierte auf vor- Präsidentschaftswahlen gewann sie Gewaltbeziehungen durch Rechtsbeziehun-
läufigen Hochrechnungen, die am rund 900.000 Stimmen hinzu. gen zu ersetzen. In diesem Sinne werde auch
Montag früh gegen 9 Uhr vorlagen. Doch resultiert dieser Zuwachs 1945 der Angriffskrieg als Verbrechen gegen
Doch sie erwies sich am Ende als un- wahrscheinlich vorwiegend auf einem die Menschlichkeit geächtet. Die politische
zutreffend. Real konnte der Präsident- Transfer von Stimmen, die bis dahin Realität der letzten Jahre und Jahrzehnte zei-
schaftskandidat Jean-Marie Le Pen sich für die EU-feindliche, nationalkonser- ge aber, dass dieses Völkerrechtsprinzip
gegenüber dem Ergebnis, das beide vative Rechte abgegeben wurden. Der mehr und mehr durch das „Prinzip der neuen
rechtsextremen Kandidaten (er selbst rechtsbürgerliche Kandidat Philippe de Weltordnung“, vertreten durch die USA,
und Bruno Mégret) zusammen im er- Villiers hatte 1995 noch über 1,4 Milli- ausgehöhlt und ersetzt werde. Dem müsse
sten Wahlgang am 21. April erzielt hat- onen Stimmen (4,74 Prozent) erzielt, durch Widerstandskräfte, die Kühnl wohl
ten, in der Stichwahl am 5. Mai nur um und dessen gemeinsame Liste mit dem hauptsächlich im europäischen Kulturkreis
rund 53.000 Stimmen verbessern. Nationalpopulisten Charles Pasqua er- sieht –jedenfalls klang das beim Referat so
Am 21. April erhielt Jean-Marie Le reichte bei den Europaparlamentswah- (d.Verf.) – die Stirn geboten werden.Rosa
Pen 4,771 Millionen Stimmen in der len 1999 über zwei Millionen Stimmen Luxemburgs „Sozialismus oder Barbarei“
Metropole (d.h. dem europäischen Lan- (und 13,05 Prozent). sei immer noch aktuell.
desteil Frankreichs) und zusätzlich Eine Wahlauswertung des Figaro An dieser Stelle wurde aus meiner Sicht
34.230 Stimmen in den Überseegebie- (vom 23. April 02) hat ergeben, dass 27 die Kritik etwas zu „US-lastig“ und die Vor-
ten, in denen rund eine Million Wähle- Prozent jener Wähler, die eine Nähe zu schläge für den Widerstand etwas zu tradi-
rInnen mitstimmen. Insgesamt kam er den Ideen von Charles Pasqua bekun- tionell. Die Befassung auch mit außereuro-
auf 4,805 Millionen Stimmen. Das ent- den, im ersten Wahlgang für Le Pen päischen emazipatorischen Ansätzen der
spricht einem Durchschnitt von 17,19 stimmten. Aber auch 26 Prozent derer, Widerstandsbewegung – z.B. aus dem Na-
Prozent für das europäische Frankreich die der ultraliberalen Partei Démocratie hen Osten – könnte da hilfreich sein.
und von 16,86 Frankreich für die Ge- Libérale (DL) von Alain Madelin – Alles in allem aber ein sehr gelungenes
samt-Wählerschaft (aber nur 4,58 Pro- dessen erklärtes Vorbild der italienische Referat, wie bei Kühnl nicht anders zu er-
zent in den Überseegebieten). Regierungschef und Kopf einer Rechts- warten.
Bruno Mégret seinerseits erhielt am Rechts-Allianz Silvio Berlusconi dar- Das Referat und die ganze Konferenz
21. April dieses Jahres 661.440 Stim- stellt – votierten für den Rechtsextre- verfolgten deutlich mehr Mitglieder, als zur
men in der Metropole und insgesamt men. Obwohl Madelin selbst zur Präsi- letzten Landeskonferenz kamen. Vertreten
667.123 Stimmen. Das entspricht ei- dentschaft kandidierte; er erhielt frei- waren 19 Kreisverbände aus Baden-Würt-
nem Anteil von 2,38 Prozent in der lich – den Voraussagen gemäß – nur temberg, darunter auch etliche junge Leute.
Metropole bzw., rechnet man ihn auf 3,9 Prozent der Stimmen. Also: wer möchte, kann bei der VVN-
das Wahlgebiet mitsamt Übersee- Ferner erhält Le Pen 19 Prozent der BdA interessante Diskussionen erleben und
Frankreich hoch, 2,34 Prozent der Stimmen unter jenen, die angeben, vielfältige antifaschistische Aktivitäten ein-
Wähler. „keiner Partei nahe zu stehen“, und 11 bringen. Die Adresse der VVN-BdA Baden-
In der Stichwahl am 5. Mai kommt Prozent jener, die eine Nähe zum neo- Württemberg im Internet:
Jean-Marie Le Pen auf 5,446 Millionen gaullistischen RPR bekunden. Proble- www.vvn.telebus.de. heb ■
Stimmen in der Metropole (18,04 Pro- matischer erscheint die Zahl von 13

: antifaschistische nachrichten 11-2002 5


Prozent Le Pen-Wählern unter jenen, die den beiden Wahlgängen, dann haben je- Le Pen stimmten. – Alle zitierten Ausga-
von sich angeben, politische Sympathien weils Null Prozent der WählerInnen der ben sind die vom 23. April 02.
„für die radikale Linke“ zu besitzen. Sie linksradikalen Parteien LO und LCR so- Und nach Zahlen der linksliberalen
ist mit Vorsicht zu genießen, da die kon- wie der KP aus dem ersten Wahlgang in Tageszeitung „Libération“ vom gleichen
servativen Medien – wie gerade der „Fi- der Stichwahl für Le Pen gestimmt. Datum waren es 26,1 Prozent der Arbei-
garo“ –, aber auch beispielsweise die (Dem konservativen „Figaro“ zufolge terstimmen für Le Pen (die Mégret-Wäh-
linksliberale „Libération“ im Vorfeld der hingegen beträgt diese Wanderung von ler sind ebenso wenig als eigene Katego-
Wahlen eine ekelhafte „Extremismus“- LO/LCR bzw. der KP zum Votum für Le rie aufgelistet wie die Erwerbslosen).
Kampagne betrieben. In dieser wurden Pen in der Stichwahl zwischen 4 und 5 Die Verteilung dabei lässt erkennen, dass
Linksradikale und Marxisten auf der ei- Prozent. Aller-
nen Seite mit den Anhängern des Rassis- dings erwecken
ten Le Pen andererseits munter gleichge- die „Figaro“-Zah-
setzt, da beide antibürgerliche Kräfte und len stark den An-
Demokratiefeinde seien. Das ist politisch schein, – aus poli-
blanker Unsinn. tischen Gründen?
Dennoch erscheint eine solche Anga- – in gewissem
be, als (unkontrollierte) Selbstbezeich- Maße „frisiert“
nung von Le Pen-Wählern, durchaus worden zu sein,
plausibel oder jedenfalls nicht von der dazu unten mehr.)
Hand zu weisen. Sie wäre der Ausdruck Die soziale Her-
eines ziemlich diffusen Selbstverständ- kunft des Le Pen-
nisses als „Systemgegner“, die den Op- Publikums
positionellen von der anderen Seite
irgendwie die Hand reichen könnten. In sozialer Hin-
Von den FN-Wählern selbst kann man sicht gleicht die
nun nicht gerade erwarten, dass sie sich Zusammensetzung
als Erste über den Unsinn dieses Ver- der Le Pen-Wäh-
gleichs und die Pervertierung der sozia- lerschaft weitge-
len Revolte durch die autoritäre, rassisti- hend jener von
sche und faschismusnahe extreme Rech- 1995. Ähnlich wie
te bewusst werden. Es stimmt auch, dass damals hat Jean-
es in einem – sehr minoritären – Rand- Marie Le Pen in
bereich der Wählerschaft der marxisti- den sozial
schen Präsidentschaftskandidatin Arlette schlechter gestell-
Laguiller (eine von zwei erfolgreichen ten Schichten am
linksradikalen, trotzkistischen Bewer- stärksten abge-
bern bei der jüngsten Präsidentschafts- schnitten. Rund 25
wahl) Überschneidungen mit dem Le Prozent der Arbei-
Pen-Publikum gibt. Nämlich in Form ei- ter – nach einer „Charlie Hebdo“ vom 30. April 2002
ner Minderheit von Wählern, die tatsäch- engen soziologi-
lich zwischen beiden Stimmabgaben zö- schen Definition als „blaue Kragen“/Fa- – der „Libération“-Statistik zufolge –
gern. Allerdings ist dieses Phänomen brikarbeiter – und 30 Prozent der Er- dieser Anteil unter den Arbeitern im öf-
mitnichten repräsentativ für die linksra- werbslosen stimmten, der Mehrzahl der fentlichen Sektor unterhalb des Landes-
dikale Wählerschaft als solche. Ferner Wahlanalysen zufolge, für den rechtsex- durchschnittls liegt (14,5 Prozent) und
tritt es bei Lutte Ouvrière (LO, Arbeiter- tremen Kandidaten. Jedenfalls unter je- im privaten Sektor ungefähr durch-
kampf) und ihrer Kandidatin Arlette La- nen Arbeitern und Arbeitslosen, die über- schnittlich (17,5 Prozent) ist. Nur unter
guiller tendenziell eher auf als bei ihrer haupt die französische Staatsbürgerschaft den „selbständigen Arbeitskräften“ ist
linken Konkurrenz von der Ligue Com- haben. Und die sich auf die Wählerlisten der Anteil mit 27,7 Prozent stark über-
muniste Révolutionnaire (LCR). Dies, eingeschrieben haben, was in Frankreich durchschnittlich. Dies lässt auf eine
weil LO stärker durch einen rein ökono- die Voraussetzung ist, um überhaupt als Überrepräsentation von Scheinselbstän-
mistischen Diskurs – gegen die Unge- Wahlberechtigter mitgezählt zu werden. digen und prekär Beschäftigten schlie-
rechtigkeit der materiellen Verteilung in Ferner ist die Wahlenthaltung in diesen ßen. Die Wirtschaftszeitung „La Tribu-
der Gesellschaft – hervortritt, während Teilen der Gesellschaft besonders hoch. ne“ hatte am selben Tag oben auf ihrer
die andere linksradikale Partei eher als Dies relativiert die Stimmabgabe für Le Seite 1 getitelt: „Die Prekarität der Be-
Kraft mit einem umfassenden gesell- Pen in diesen, sozial schlecht gestellten schäftigungsverhältnisse hat die Stim-
schaftlichen Programm wahrgenommen Teilen der Gesellschaft. mabgabe für Le Pen gefördert“. Dabei
wird, das auch Antirassismus, Antifa- Der Wahlauswertung durch die Wirt- scheint diese Aussage nicht zuerst auf
schismus, Gleichberechtigung sexueller schaftszeitung „La Tribune“ zufolge die Zeitarbeiter zuzutreffen, da diese in
Minderheiten und andere gesellschaftpo- stimmten 24 Prozent der Arbeiter (in „La Tribune“ getrennt erfasst sind und
litische Bereiche umfasst. o.g., enger Definition) im ersten Wahl- (mit 20 Prozent Le Pen- plus 5 Prozent
Auf jeden Fall steht fest, dass diese gang für Le Pen, weitere 4 Prozent für Mégret-Stimmen) knapp unterdurch-
(oberflächliche) Sympathieäußerung für Mégret. Unter den Erwerbslosen waren schnittliche Wähler der Rechtsextremen
die Linksopposition zwar in einem, dif- es nach Angaben derselben Zeitung 30 bilden. Bernhard Schmid, Paris ■
fus „Protest“ wählenden Teil der Le Pen- Prozent für Le Pen, plus 6 Prozent für
Wählerschaft verbreitet sein mag – es Bruno Mégret. Allerdings dürfte die Fortsetzung in der nächsten Ausgabe :
aber umgekehrt in der Linkswählerschaft Wahlbeteiligung in diesem Teil der Ge- Soziale Faktoren und ihre Interpretation,
kaum oder keine „rot-braune“ Über- sellschaft auch besonders niedrig ausfal- die Generationen-Verteilung der rechts-
schneidung gibt. Glaubt man der Analyse len. Beim „Figaro“ wiederum sind es im extremen Wähler, Immigranten unter den
von „Libération“ (vom 7. Mai 02) be- ersten Wahlgang 30 Prozent der Arbeiter Le Pen-Wählern, Gewerkschaftsmitglie-
züglich der Wählerwanderung zwischen und 38 Prozent der Arbeitslosen, die für der und Stimmabgabe für Le Pen

6 : antifaschistische nachrichten 11-2002


Wer, aus Deutschland kommend,
den kleinen Ort Góra Swietej
Anny in Südpolen besucht, fühlt
„Grenzlandarbeit muss
sich zuweilen um 60 Jahre in die Vergan-
genheit versetzt. Die Verkäuferin im Ge- Herzenssache sein“
müseladen spricht deutsch, Hauswände Die Deutsche Burschenschaft nimmt Polen ins Visier
und Heiligenstatuen sind mit Hakenkreuz-
schmierereien versehen; und ein Einwoh- Gleichheitsideal der Französischen Revo- vinz Trentino/Alto Adige, dem früheren
ner des Ortes, der bis 1945 „Annaberg“ lution. „Südtirol“.
hieß und zum Deutschen Reich gehörte, „Die Sorge um das deutsche Volkstum In Norditalien griffen die „Grenzlands-
begrüßt die verblüfften Ankömmlinge: schließt die Fürsorge dort ein, wo dessen arbeiter“ auch zu terroristischen Mitteln;
„Euer Wagen hat ein deutsches Kennzei- Entfaltung bedroht oder behindert wird; an den Bombenanschlägen in den 1950er
chen, ihr seid also hier keine Ausländer – das ist vornehmlich im Grenzland der und 1960er Jahren, die heute unter dem
wir Schlesier sind auch Deutsche wie Fall, wo Deutsche mit anderen Völkern Schlagwort „Südtirol-Terrorismus“ be-
ihr.“ oder Volksgruppen ge- kannt sind, waren nicht weni-
In Góra Swietej Anny, auf dem ehema- meinsam siedeln oder ge Burschenschafter beteiligt,
ligen „Annaberg“ also, fand im vergange- aneinandergrenzen“, und im Zusammenhang damit
nen Jahr ein Symposion über die „politi- ist im offiziellen kam es sogar zum mehrjähri-
sche Entwicklung der Deutschen im Op- „Handbuch der Deut- gen Verbot der Burschenschaft
pelner Schlesien“ statt. Veranstaltet wurde schen Burschenschaft“ Olympia Wien, die als organi-
es von der Deutschen Burschenschaft, zu lesen. Halb Polen – satorische Zentrale des „Südti-
dem Dachverband von etwa 120 Bur- darunter vor allem rol-Terrorismus“ galt. Dabei
schenschaften aus Deutschland und Öster- Nordostpolen (das frü- nimmt der „Südtirol-Terro-
reich, und von der „Burschenschaftlichen here Ostpreußen) und rismus“ eigentlich nur eine
Stiftung für nationale Minderheiten- und Südwestpolen (das frü- alte burschenschaftliche Tra-
Volksgruppenrechte in Europa“. Unter der here Schlesien) – ge- dition wieder auf: Den be-
Leitung des Berliner Ingenieurs Wolfgang hört für Burschen- waffneten „Grenzlands-
Dachsel diskutierten etwa 100 Burschen- schafter zum „Grenz- kampf“, wie ihn Burschen-
schafter, FunktionärInnen der deutsch- land“. schafter nach dem 1. Welt-
sprachigen Minderheit und deutsche „Ver- „Daß sich die deut- krieg in Südkärnten und im
triebene“ über die Geschichte des ehema- schen Volksgruppen in damaligen Oberschlesien ge-
ligen „Oberschlesien“ und über die heuti- den verschiedenen Grenzlandbereichen führt haben. Das südpolnische Örtchen
ge Situation der deutschsprachigen Min- behaupten können, muß Herzenssache ei- Góra Swietej Anny, der frühere „Anna-
derheit in der südpolnischen Wojewod- nes jeden einzelnen Burschenschafters berg“, ist ein berühmtes Symbol für die-
schaft Opole. sein“, heißt es im „Handbuch“ weiter, sen bewaffneten „Grenzlandskampf“. Im
Die in Góra Swietej Anny gehaltenen und es werden Möglichkeiten für die Mai 1921 kam es im damaligen Ober-
Referate können jetzt in einer kürzlich er- „Grenzlandarbeit“ aufgezählt: „Die schlesien zu bewaffneten Auseinanderset-
schienenen Broschüre nachgelesen wer- Übernahme von Patenschaften über zungen zwischen polnischen und deut-
den. Neues ist aus der Publikation kaum Schulen, Schülerheime, Volksmusik- und schen Einheiten. Am 21. Mai gelang es
zu erfahren. Wie zu erwarten, nimmt die Volkstanzgruppen, die Organisation und deutschen Freikorps unter Beteiligung
Umsiedlung der Deutschen nach dem Mithilfe bei Schülerreisen zu herausra- von Burschenschaftern, den polnischen
Ende des 2. Weltkrieges breiten Raum in genden Stätten deutscher Kultur, die Hil- Widerstand auf dem „Annaberg“ zu-
dem schmalen Bändchen ein. „Kachel- fe bei der Ausstattung von Grenzlandbü- sammenzuschießen; sie sollen dabei auch
öfen mit deutschen Sinnsprüchen wie: chereien und Kulturhäusern, der gegen- zahlreiche Zivilpersonen gefoltert und er-
,Üb immer Treu und Redlichkeit‘ wurden seitige Besuch von Sportvereinen oder mordet haben. Seitdem ist der „Anna-
ruiniert“, berichtet Ewald Pollok empört, auch nur der Urlaubsaufenthalt im berg“, auf dem die Deutschen 1934 ein
weil wütende PolInnen offenbar nicht be- Grenzland als interessierter Tourist.“ „Reichsehrenmal“ für die „oberschlesi-
reit waren, die Deutschen mit Samthand- Das ist kein naives Geplauder; die schen Befreiungskrieger“ errichteten, ein
schuhen anzufassen, nachdem diese auf Deutsche Burschenschaft hat im Verlauf Symbol für erfolgreichen bewaffneten
polnischem Gebiet Millionen Menschen ihrer fast 200jährigen Geschichte umfas- „Grenzlandskampf“.
vernichtet und die Überlebenden als sende Erfahrungen in der „Grenzlandar- Genau dort haben die traditionsbe-
„Untermenschen“ behandelt hatten. An- beit“ gesammelt. Besonders intensiv in wussten Burschenschafter im vergange-
sonsten bietet die Broschüre einen dünnen den Jahren nach 1919, als sie sich für nen Herbst ihr Symposion abgehalten.
Überblick über die Entwicklung des eine Revision der Pariser Vorortverträge Vorerst wird die „Grenzlandsarbeit“ der
Deutschunterrichtes, über die „deutsche einsetzte und die verlorenen Gebiete für Deutschen Burschenschaft noch friedlich
Selbstverwaltung“, das „deutsche Kultur- das Deutsche Reich zurückgewinnen vonstatten gehen, mit materieller Unter-
leben“ und die katholische Seelsorge für wollte; Burschenschaften unterstützten stützung für deutschsprachige Betriebe,
die „deutsche Minderheit“ in der Woje- dabei schon recht früh den Nationalsozia- Schulen und Kindergärten in Polen sowie
wodschaft Opole. lismus, der in dieser Hinsicht die radikal- mit politischer Zuarbeit. Denn es werde
Bemerkenswerter als der Inhalt der Re- ste Politik betrieb. Nach dem 2. Welt- in Europa „mittelfristig noch nationale
ferate ist die Durchführung des Sympo- krieg nahmen Burschenschafter die Minderheiten in einem anders gearteten
sions selbst: Die Deutsche Burschenschaft „Grenzlandarbeit“ unter erschwerten Be- nationalen Umfeld geben“, vermutet die
verstärkt offenbar ihre Bemühungen um dingungen wieder auf, etwa in Ostfrank- Burschenschaftliche Stiftung für nationa-
das „Deutschtum“ in Polen. Die Pflege reich (dem ehemaligen „Elsaß-Lothrin- le Minderheiten- und Volksgruppenrech-
des „deutschen Volkstums“ im In- und gen“) und in Ostbelgien (früher „Eupen- te. Für die Zukunft, die dem „anders ge-
Ausland gehört traditionell zu den Aufga- Malmedy“); das prominenteste Beispiel arteten nationalen Umfeld“ langfristig
ben, denen sich Burschenschafter widmen für burschenschaftliche „Grenzlandsar- zugedacht wird, bietet die Geschichte des
– seit der Entstehung der „Urburschen- beit“ ist jedoch die Unterstützung von „Annabergs“ interessierten Burschen-
schaft“ aus den völkischen Kämpfen ge- Burschenschaftern für das „deutsche schaftern ein Modell.
gen das napoleonische Frankreich und das Volkstum“ in der norditalienischen Pro- Jörg Kronauer ■

: antifaschistische nachrichten 11-2002 7


Rechtsextremistische Straftaten –
ein Schattenbericht
Vorwort der Herausgeber einzuordnen wären, finden nach wie vor nem interfrak-
Eine Studie für die AG Innen-
und Rechtspolitik der PDS-
Bundestagsfraktion zu den
Im Sommer 2000 war nach dem keinen Eingang in die offiziellen Statis- tionellen An- Widersprüchen und Mängeln
rassistischen Mord an Alberto tiken von Bund und Ländern. Dieselben trag die offizieller Statistiken über
Adriano in Dessau und dem Opfergruppen – insbesondere Obdachlo- Bundesregie- rechte Straf- und Gewalttaten
Bombenattentat auf eine Gruppe jüdi- se und Punks – fallen auch noch mit der rung aufgefor-
Von Winnie Sellkens
scher Einwanderer in Düsseldorf die öf- reformierten Zählweise aus der Statistik dert, die Ein- und Michael Wilde
fentliche Aufmerksamkeit gegenüber ne- heraus. richtung einer
ofaschistischen Bedrohungen so groß war ... Die politischen Konsequenzen, die solchen Beob-
wie seit den Pogromen von Hoyerswerda zu ziehen das Ergebnis der vorliegenden achtungsstelle zu prüfen – doch Innen-
und Rostock, den Morden von Mölln und Arbeit empfiehlt, sind deutlich, ihre minister Schily blieb bis heute tatenlos.
Solingen nicht mehr. Als daraufhin Umsetzung dringend nötig. Amtliche ... Die wichtige und dringend nötige
Bundeskanzler Schröder im Oktober den Statistiken über das Ausmaß rechter Ge- Arbeit der Opferberatungsstellen muss
„Aufstand der Anständigen“ proklamier- walt haben grundlegend versagt. An die- langfristig abgesichert werden; die Aus-
te, legten „Frankfurter Rundschau“ und ser Erkenntnis führt kein Weg vorbei. weitung des CIVITAS-Programms auf
„Tagesspiegel“ eine Chronik über die Eine zivilgesellschaftliche Beobach- die alten Länder ist angesichts der auch
Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit tungsstelle, die offen und unabhängig in den westlichen Bundesländern anhal-
1990 vor. Die von ihnen gezählten da- und in enger Kooperation mit örtlichen tend hohen Zahlen rechter Gewalttaten
mals 93 Todesopfer übertrafen die offi- Initiativen, Opferberatungsstellen, dringend geboten. Ulla Jelpke ■
zielle Statistik der Bundesregierung um Flüchtlings- und Antifagruppen rechte
ein Vielfaches. 2 von 3 Todesopfern wur- Straf- und Gewalttaten erfasst, muss Die Studie ist über das Abgeordnetenbüro Jelpke
den von der amtlichen Statistik nicht er- schnellstmöglich eingerichtet werden. zu beziehen.Tel. 030-227-75787, Fax 030-227-
fasst. Der Bundestag hat im März 2001 in ei- 76793, email: ulla.jelpke@bundestag.de
Die nicht zuletzt durch die Dokumenta-
tion dieser erschreckend hohen Zahl von II. Datenvergleich rechtsextremistisch und/oder fremdenfeindlich motivierter
Todesopfern losgetretene Debatte um die sonstiger Straftaten 2001 Bund/Länder
Zuverlässigkeit der offiziellen Statistiken
Land Delikte lt. Delikte lt. Vom Bund nicht Länderquellen
über rechte Straf- und Gewalttaten mün- Bundes- Länder- gemeldete
dete zunächst in der Überprüfung der regierung* quellen Delikte
amtlich zugegebenen Zahlen über Todes- Baden-Württemberg 947 k.A. -
1
Bayern 1275 1768 493
opfer rechter Gewalt. Zögernd wurde dar- Berlin 80 265 185
2

aufhin die Zahl auf 36 Tote nach oben Brandenburg 865 820 -
3

korrigiert. Bremen 112 179 67


4

Danach konnten die offiziellen Stellen Hamburg 246 k.A. -


5
nicht mehr umhin, die jahrelangen Erfas- Hessen 633 939 306
6
Mecklenburg-Vorpommern 153 616 463
sungsdefizite zuzugeben. So beschloss Niedersachsen 649 1515 866
7

die Innenminsterkonferenz im Mai 2001, Nordrhein-Westfalen 1111 1447 336


8

rechte Straftaten nicht mehr nach dem en- Rheinland-Pfalz 389 1061 672
9

10
gen Kriterium „extremistisch“ zu erfas- Saarland 60 109 49
11
Sachsen 1401 1720 319
sen, sondern diesen durch den weitgehen- Sachsen-Anhalt 465 757 292
12

deren Begriff „politisch motiviert“ zu er- Schleswig-Holstein 439 k.A. -


setzen. In weiten Teilen der Öffentlich- Thüringen 248 1241 993
13

keit, der Medien und der Politik war da- INSGESAMT 9073 12437 4943

mit die Hoffnung verbunden, nun endlich Mindestzahl der Delikte


Quellen:
14016

ein zuverlässigeres und realitätsgetreue- * Auswertung der folgenden Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Abgeordneten Ulla Jelpke und
der Fraktion der PDS:
res Abbild rechter Gewalt in der amt- BT-Drucksache 14/8161, 14/7949, 14/7566, 14/7222, 14/6996, 14/6831, 14/6737, 14/6543, 14/6231, 14/5902, 14/5740,
14/5732
lichen Statistik zu erhalten. 1 Verfassungsschutzbericht Bayern 2001
Doch kaum eingeführt, stellten sich 2
3
Bericht über die Kriminalitätsentwicklung in Berlin 2001, Senator des Inneren
DPA vom 6.2.2002
immer offenkundigere Mängel auch in 4
5
Jahresbericht über politischen Extremismus 2001 Innensenat Bremen
Pressemitteilung vom 25.3.2002, www.hmdi.hessen.de/presse/
den auf der neuen Zählweise basierenden 6
7
Extremismusbericht 2001 Kap. VI - Lagebild Staatsschutz 2001, Statistiken LKA Mecklenburg-Vorpommern
Pressemitteilung Innenministerium Niedersachsen 18.3.2002 (www.niedersachsen.de/presseservice/)
Statistiken für das Jahr 2001 heraus: Bei 8 Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2001

den monatlichen Statistiken sind irritie- 9 EPD vom 7.3.2002


10 Überblick über die Beobachtungsbereiche des LfV Saarland im Jahr 2001
rend hohe Differenzen zwischen den vom 11 Polizeiliche Kriminalstatistik des Freistaates Sachsen 2001
12 Polizeiliche Kriminalstatistik für Sachsen-Anhalt 2001
Bund und den von den Ländern vorgeleg- 13 Polizeiliche Kriminalstatistik des Freistaates Thüringen 2001

ten Zahlen offenkundig geworden. Aus dreizehn Bundesländern, aus denen Vergleichsdaten vorliegen, ergeben sich allein
Fragen werfen auch Vergleiche zwi- schon mehr Delikte (12.437) als die Bundesregierung für das gesamte Bundesgebiet
schen den Länderstatistiken auf: Während annimmt (9.073). Aufgrund von 4992 von der Bundesregierung nicht gemeldeten
einzelne Länder – wie z.B. Mecklenburg- Delikten aus diesen dreizehn Ländern muss von einer Mindestzahl sonstiger
rechtsextremistischer Delikte für das Jahr 2001 im Bundesgebiet von mindestens
Vorpommern – in keinem Monat mehr als 14.016 ausgegangen werden.
zehn rechtsextrem motivierte Straftaten
meldeten, erfasste beispielsweise Sachsen Die in den Tabellen 1 und 2 verglichenen Deliktgruppen beinhalten:
1) Gewaltdelikte, darunter:
kontinuierlich durchschnittlich hundert Tötungsdelikte, §§211-221 StGB
rechte Delikte. Körperverletzung, §§ 223-231 StGB
Todesfälle, die entsprechend der Defi- Brandstiftung, §§306-306f StGB
Sprengstoffexplosion, §308 StGB
nition der „politisch motivierten“ Tat Bildung terroristischer Vereinigungen, §129a StGB
zweifelsfrei als rechtsextreme Delikte Landfriedensbruch, §§125, 125a StGB

8 : antifaschistische nachrichten 11-2002


Fortsetzung von Seite 1 Das Gerede von der stolzen edlen die unzähligen Massaker an Zivilperso-
Dort waren aktive und pensionierte Truppe, die tapfer unterm Edelweiß ge- nen, an Frauen und Kindern in ganz Eu-
Angehörige der Gebirgsdivision, zwi- kämpft hat, ist ein Hohn für die Tausen- ropa als angeblich gerechtfertigte Süh-
schen 20 und 80 Jahren, versammelt. Zu den Opfer der Gebirgstruppe. In Kom- nemaßnahmen.
ihrem Vorhaben, eine Gedenkminute für meno in Nordgriechenland fuhren sie Schenkelklopfend lässt die Mörder-
die Opfer an dem Versammlungsort der am 16.8.1943 zum Morden „feldmar- bande immer wieder Revue passieren,
Täter zu veranstalten, kamen die Antifa- schmäßig“ mit Maultieren und dem Kü- wie sie Anfang der 1950er Jahre die
schisten allerdings nicht: Die aufge- chenwagen vor und erschossen 317 Bundeswehr aufgebaut hat. Voller Stolz
brachten Traditionspfleger versuchten, Frauen, Männer und Kinder. Die stolzen und Freude erleben die alten Wehr-
ihnen die mitgebrachten Schilder, auf Soldaten der 12. Kompanie des Gebirgs- machtssoldaten, dass Bundeswehrsolda-
denen die Kriegsverbrecher benannt jäger-Regiments 98 unter dem späteren ten in SFOR- und KFOR-Einheiten heu-
wurden, zu entreißen. Auf die Konfron- Bundeswehrgeneral Klebe, die sich auch te wieder auf dem Balkan kämpfen, wo
tation mit den Verbrechen von ehemali- nach dem Krieg weiter ungestört im Ka- sie selbst schon vor 60 Jahren wüteten.
gen Gebirgsjägern reagierten die Vetera- meradschaftskreis der Gebirgstruppe Die Gebirgssoldaten beschwören eine
nen und Bundeswehrsoldaten mit Schlä- treffen, ermordeten nicht nur die un- Tradition von den kaiserlichen Truppen
gen und Tritten. schuldigen Zivilisten, einzelne Soldaten des Ersten Weltkriegs über die Wehracht
Diese erstmalige Behelligung der ein- machten sich noch über die Frauenlei- Nazi-Deutschlands bis zur heutigen
stigen Täter und ihrer heutigen Gesin- chen her und schändeten sie, wie einer Bundeswehr. Und Gebirgsjäger-Minis-
nungsgenossen bei ihrem Pfingsttreffen der Täter später berichtete. Nach „geta- terpräsident Stoiber, Mitglied im Nazi-
hatte zur Folge, dass 50 Personen in ei- ner Arbeit“ wurde dann das Dorf zum Kameradenkreis der Gebirgstruppe,
ner Jugendherberge in Urfeld von der privaten Raubzug freigegeben: „Die sprach im letzten Jahr zur feierlichen
Polizei bis Pfingstmontag unter Her- Soldaten waren aber so erschöpft, dass Auflösung der 1. Gebirgsdivision von
bergsarrest gestellt wurden. Der Ver- sie von den herumliegenden Sachen einer „unangreifbaren Traditionspflege“
kaum etwas mit- der Gebirgstruppe. Immer wieder unter-
Foto vom Treffen 2000 genommen ha- stützt er den Haufen unverbesserlicher
ben. Lediglich Militaristen und Mörder. Für rührselige
die Offiziere ha- Fahrten zu ehemaligen und heute wieder
ben erbeutete aktuellen Kriegschauplätzen, z. B. im
Teppiche und an- Kaukasus, übernimmt er die Schirmherr-
dere Wertgegen- schaft.
stände auf Diese Tradition wollen und dulden
LKWs verladen wir nicht! Wir beziehen uns in unserem
und wegge- Widerstand auf die wenigen deutschen
bracht,“ Deserteure und WiderstandskämpferIn-
berichtete Franz nen, auf die JüdInnen, die in den Ghet-
T. bei seiner po- tos und Vernichtungslagern den Auf-
lizeilichen Ver- stand versuchten, auf die Zwangsarbei-
nehmung 1970. terInnen und Kriegsgefangenen, auf die
Dieses bestiali- Partisanen und auf den zivilen und be-
sche Massaker waffneten Widerstands gegen die fa-
blieb kein Ein- schistischen deutschen Besatzer. Wir
zelfall. Als Teil wollen keine Zukunft, die irgendwelche
der 1. Gebirgsdi- Militärs mitgestalten. Das Militär hat
vision beteiligten keine Zukunft, es ist Garant einer
such, eine spontane Kundgebung am sie sich an der Entwaffnung der italieni- Gegenwart, die jeder emanzipatorischen
Pfingstsonntag in Mittenwald durchzu- schen Soldaten und erschossen 4000 ita- Politik entgegen steht.
führen, wurde durch ein polizeiliches lienische Gefangene allein in Kephalo- Wir wollen keine Entschuldigung für
Demonstrationsverbot verhindert. Der nia. Die Mörder zogen weiter. Im Epi- das eine oder andere Massaker, wir wol-
Sprecher der Gruppe: „Dies erstaunt uns rusgebiet unterstützten sie die Geheime len, dass die Überlebenden der Massa-
nicht vor dem Hintergrund, dass diese Feldpolizei bei der Deportation der grie- ker endlich von der BRD entschädigt
Art der Traditionspflege Bestandteil chischen Juden in Joannina. Und unter werden. Wir grüßen mit unserer Überra-
deutscher Normalität bis heute ist.“ dem Deckmäntelchen der „Bandenbe- schungskundgebung im tiefsten Bayern
Brisanz gewinnt dieses Vorhaben der kämpfung“ ermordeten sie über 1000 stellvertretend die Überlebenden aus
Polizei nicht zuletzt auch vor dem Griechen und zerstörten im Epirusgebiet Kommeno, Lyngiadas, Akmotopos, Kli-
Hintergrund der Entschädigungsforde- mehr als 100 Dörfer allein im Oktober sura, Alikianu in Griechenland, die
rung der Überlebenden der Opfer von 1943, wie der nazifreundliche griechi- Überlebenden italienischen Soldaten der
Wehrmacht und GD1 und ihrer Angehö- sche Ministerpräsident Rhallys in einem Massaker in Kephalonia, Korfu, Saran-
rigen, die derzeit vor allem in Griechen- Protestschreiben an die Wehrmachtsfüh- de, die Überlebenden der „Bandenbe-
land offensiv artikuliert werden. rung vortrug. kämpfung“ in Delnice und Versenico di
Die antifaschistische Gruppe legte Das heißt, die Mörder sind noch unter Sotto im „Adriatisches Küstenland“ und
eine Dokumentation vor, in der es heißt: uns und das hat bisher noch keinen ge- Jugoslawien, die Überlebenden von Ca-
„Die Gebirgssoldaten feiern hier die Be- stört. Angehörige der faschistischen merino und Fabriano in Italien, die
setzung und Ausplünderung Europas im deutschen Wehrmacht und der Bundes- Überlebenden der Menschenjagd im
Zweiten Weltkrieg. Sie protzen noch wehr feiern in trauter Eintracht. Im ge- Maquis im Raum Besancon, Dijon und
heute mit den von ihnen begangenen meinsamen Erinnern an ehemalige und Massif du Vercors und nicht zuletzt die
Massakern und Zerstörungen in Kom- an aktuelle Fronterlebnisse stärken sich Überlebenden der Vertreibung und Zer-
meno, Kephalonia, Camerino, Sarande, die Mitglieder des elitären Männerbun- störung in Lappland. Sofortige Entschä-
Fabriani, Lyngiades, im Massif du Ver- des für kommende Auseinandersetzun- digung der griechischen Massaker-Op-
cors, Rovaniemi und in Hunderten wei- gen. Sie lassen ihre Kriegsverbrecher- fer! Kein Vergeben! Kein Vergessen!“
terer Orte. Generäle hochleben und verharmlosen Ulrich Sander ■

: antifaschistische nachrichten 11-2002 9


Vor jeder Bundestagswahl wägt
die rechtsextreme Zeitung „Jun-
Der Fall Karsli – Möllemann be-
ge Freiheit“ immer ab, welche
großen rechten Bündnisstrategien ange- dient sich beim Antisemitismus
sagt sind. Oft hat sie schon die Republi- Hintergründe über die Rolle der „Jungen Freiheit“
kaner favorisiert, mal Dr. Freys DVU.
Diesmal denkt das Blatt über eine Kandi- Welt inne und kann jede auch noch so spielte das Opferlamm, man würde ihn in
datur der Schill-Partei nach und kommt bedeutende Persönlichkeit ,klein‘ krie- eine antisemitische Ecke stellen. Die Re-
aber zu dem Schluss „das wäre ihr Ende“ gen. Denken Sie nur an Präsident Clinton alität holte ihn bald ein.
(1). Stoiber hat „Kreide gefressen“ (2) und die Monika-Lewinsky-Affäre. Vor Der Protest
und eine so große Partei wie die dieser Macht haben die Menschen in
CDU/CSU zu beeinflussen, wäre für die Deutschland verständlicherweise Angst.“ Zur „Spaßmacherpartei“ schrieb „Die
„Junge Freiheit“ dann doch eine Num- (5) Zeit“ zum FDP-Parteitag: „Auf offene
mer zu groß. Haider und die FPÖ beein- Auf diese klare antisemitische Äuße- Ohren stoßen sie gerade bei vielen jun-
drucken das Blatt schon lange und viel- rung hat die Redaktion der Antifaschisti- gen Leute, die es als Zumutung einer
leicht kann man mit der FDP was ma- schen Nachrichten aufmerksam gemacht herrschenden Political Correctness emp-
chen: „Doch Westerwelle ist eben kein und sie hat die Kölner PDS am 6. Mai finden, immer an die besondere Verant-
deutscher Pim Fortuyn“ meint die neue dazu bewogen, als erstes in der Öffent- wortung der Deutschen für ihre Vergan-
Ausgabe der „Jungen Freiheit“ (3), aber lichkeit zu
vielleicht war und ist es eben die Mühe protestieren.
Wert, Einfluss auf diese Partei auszu- (6) Mit Er-
üben. Eben das hat die „Junge Freiheit“ folg: Die
durch ein Interview mit dem NRW-Land- NRW-Pres-
tagsabgeordneten Jamal Karsli erfolg- se griff den
reich versucht. Vorgang so-
fort auf und n Freiheit“
Das Interview aus der „Junge
die dpa-Meldung
Ende April trat Karsli bei Bündnis löste zu Recht eine
90/Grünen und ihrer NRW-Landtagsfrak- bundesweite Debatte aus.
tion aus. Er war bei den Grünen auf Kri- Die Rolle von Möllemann
tik gestoßen, weil er gegen den Willen
der Fraktion in den Irak gereist war, um Karsli ist nicht der erste
„Gespräche zur Unterstützung des Hus- FDPler, der der Jungen Frei-
sein-Regimes“ (4) zu führen. Und kurz heit ein Interview gegeben
vor dem Austritt hatte er Israels aktuelle hat. Der frühere Fraktionsvor-
Kriegshandlungen gegen die Palästinen- sitzende von NRW, Achim
ser mit „Nazimethoden“ bezeichnet. Rohde, Hermann Otto Solms, Günter genheit erinnert und aufgefordert zu wer-
Möllemann hat Karsli sofort in die FDP- Rexrodt und Alexander von Stahl gehören den, sich bei Äußerungen über Israel be-
Fraktion geholt, wohl wissend, dass die dazu. Nur Möllemann soll derartige An- sondere Zurückhaltung aufzuerlegen.
knappe rot-grüne Mehrheit in NRW da- liegen abgelehnt haben. Der frühere Wirt- Wenn Westerwelle solche Mahnungen
mit unter Druck gerät. schaftsminister Möllemann, der wegen auftrumpfend zurückweist, trifft er
Auf diesem Hintergrund hat sich Kars- Kriegswaffenexporten nach Saudi-Ara- durchaus das Empfinden eines großen
li auf ein Interview mit einer rechtsextre- bien zurücktreten musste, kennt Karsli Teils seiner Generation, der gar kein be-
men Zeitung eingelassen und ihr sogar seit Jahren aus der Deutsch-Arabischen sonderes Interesse am Nahost-Konflikt
nach dem Munde geredet. Mit der ersten Gesellschaft. Und Möllemann meint es hat, sondern nur ebenso unbefangen über
Frage versucht das Blatt Karsli gegen ernst mit den 18%, deshalb spricht die alle Fragen der Weltpolitik urteilen will,
den Vorsitzenden des Zentralrats der Ju- FDP seit geraumer Zeit Migrantinnen und wie gleichaltrige Franzosen oder Ameri-
den aufzubringen. Karsli distanziert sich Migranten aus dem Nahen Osten und der kaner.“ (8) Sie „sollten jetzt gegen eine
zwar erst von seinem Vorwurf „Nazime- Türkei an. Und diese Menschen sind nicht Parteiführung rebellieren“, gemeint war
thoden“ gegenüber Israel, um dann je- nur Industriearbeiter, sondern viele von die der FDP, schrieb „Die Zeit“ am 10.
doch damit zu enden: „Aber tatsächlich ihnen haben einen nicht-christlichen und Mai. Das taten dann auch Hamm-Brü-
ist es doch so, dass man in Deutschland bürgerlichen Lebenshintergrund. Da gibt cher, Hirsch und Lambsdorff. Frau
beim Thema Israel den Menschen mit der es viele Berührungspunkte. Und Mölle- Hamm-Brücher drohte mit dem Partei-
Erinnerung an die Epoche des National- mann popularisiert gern wie Haider oder austritt und wies darauf hin, das Ignatz
sozialismus schlicht und ergreifend andere rechte Parteiführer. Die FDP er- Bubis schon längst ausgetreten wäre,
Angst einzujagen versucht, damit sie den hofft sich, die rechten Kräfte zu sammeln wenn er noch am Leben wäre. Es hagelte
Mund nicht aufmachen und sich nicht und spricht die Jugend an. Proteste in der FDP-Zentrale.
zur Sache äußern.“ Möllemann distanziert sich zwar von Nachdem die Recklinghauser FDP
Mit dieser Antwort ist die „jüdische Karslis Interview, aber empfiehlt die Par- Karsli als Mitglied aufnahm, spitzte sich
Verschwörung“, wie sie die Faschisten teiaufnahme und erklärt dreist gegenüber die öffentliche Diskussion zu. Mölle-
immer wieder propagieren, schon ange- der NRW-SPD: „Ich rate dringend, jetzt mann erklärte: ihm seien „keine Sachver-
legt. Die „Junge Freiheit“ stößt sofort die parteitaktischen Spielchen zu been- halte bekannt, die einen Ausschluss be-
nach und fragt: „Sie sehen eine morali- den und zu respektieren, dass die gefähr- gründen würden.“ (9) Und dann greift
sche Lähmung der Deutschen durch das liche Politik von Ariel Scharon auch in Möllemann selbst auf offen antisemiti-
Verbrechen des Holocaust?“ der nordrhein-westfälischen Bevölkerung sche Denkmuster zurück und beleidigt
Vier Fragen später ist es dann so weit, und bei den Abgeordneten zunehmend und demütigt Friedmann und Spiegel:
als Karsli erklärt: „Man muss allerdings auf Kritik stößt. Es bleibt dabei: Kritik „Ich fürchte, dass kaum jemand den
zugestehen, dass der Einfluss der zionis- an Scharon hat nichts mit Antisemi- Antisemiten, die es in Deutschland leider
tischen Lobby auch sehr groß ist: Sie hat tismus zu tun.“ (7) Auf dem FDP-Partei- gibt und die wir bekämpfen müssen,
den größten Teil der Medienmacht in der tag wurde Möllemann noch gefeiert und mehr Zulauf verschafft hat als Herr

10 : antifaschistische nachrichten 11-2002


: ausländer- und asylpolitik
Scharon und in Deutschland ein Herr
Friedmann mit seiner intoleranten und
gehässigen Art.“ (9)
In seinem Kommentar „Möllemanns Kein Altbau – kein Neubau: Weg mit
brauner Klassiker“ bringt es Heribert
Prantl in der Süddeutschen Zeitung auf
dem Internierungslager!
den Punkt: „Und als solcher hantiert er Kundgebung und Konzert gegen Ras- sem Lager eingesperrten Menschen am
mit den Versatzstücken des klassischen sismus und Abschiebungen mit BAN- 8. Juni musikalische Grüße, Abwechs-
Antisemitismus so, wie man das bisher TU von den BROTHERS KEEPERS und lung und Ermutigung bringen.
von Funktionären der so genannten Re- der Gruppe Mainbrand aus Frankfurt Im Ablehnungsbescheid aus dem Re-
publikaner und der NPD kannte. Der Jud 8. Juni, Flughafen Frankfurt, Terminal gierungspräsidium in Darmstadt ist nicht
ist schuld: Dieser Satz gehört zu den ob- 1 um 12 Uhr nur in zynischer Weise davon die Rede,
szönen braunen Klassikern. Möllemann dass beim Umzug ins neue Internie-
bedient sich da … Anders gesagt: Soll Frankfurt. Als „Antwort“ auf die mas- rungslager, „wie bei jedem Umzug orga-
dieser Jude doch den Mund halten, soll sive Kritik an der menschenunwürdigen nisatorische Schwierigkeiten zu bewälti-
er sich nicht so aufführen, soll er sich Unterbringungssituation und dem Flug- gen“ seien, „und sich eine Eingewöh-
doch nicht erdreisten, ständig über Anti- hafenschnellverfahren selbst wird nun nungsphase für alle Beteiligten an-
semitismus zu klagen. Nur ein unauffäl- gegen Ende Mai ein neues Internierungs- schließen“ werde, weshalb „Störungen
liger Jude ist ein guter Jude.“ (9) lager eröffnet, das im Süden des Flugha- unterbleiben“ sollten, „damit der tägli-
Die FDP muss Schaden begrenzen fengeländes unweit einer Kläranlage er- che Ablauf möglichst schnell ohne große
baut wurde. Unter dem selben Dach wird Probleme erfolgen kann“.
Möllemanns Ausfall stößt auf breite Em- neben dem für 100 Menschen ausgeleg- Prinzipiell wird zudem in der Ableh-
pörung. Doch erst am 19. Mai ist der ten Grenzgefängnis zudem ab 2003 eine nung ausgeschlossen, „dass Gruppen
FAZ Sonntagsausgabe zu entnehmen, „Rückschiebehaftanstalt“ für bis zu 60 welcher Art auch immer (....) die Ein-
dass der Bundesvorsitzende Westerwel- Gefangene integriert, in der diese dann richtung besuchen, Musikveranstaltun-
ler und der Fraktionsvorsitzende Ger- bis zu ihrem Abschiebeflug festgehalten gen machen und sich mit den Flüchtlin-
hard keinen Platz für Karsli in der FDP werden. Die Fenster beider Einrichtun- gen unterhalten“. Mit dieser Formulie-
mehr sehen. Kein Wort über Mölle- gen sind in den Innenhof des rechtecki- rung wird jeder Anspruch der Flüchtlin-
mann. Die FAZ schreibt: „Bei der FDP gen Gebäudes gerichtet. Ein Blickkont- ge auf kulturelle Veranstaltungen ver-
wird die Entscheidung gegen Karsli als akt nach außerhalb der Anlage, der es neint und somit ein Zustand festgeschrie-
Niederlage von Möllemann gesehen.“ wie bisher bei Demonstrationen am Tor 3 ben, der sie sogar schlechter als jeden
Und: „Zwar mag der Partei hier und da des Flughafengeländes erlaubte, Grüße Gefangenen im Strafvollzug stellt.
trübe Zustimmung zuwachsen – insge- sicht- und hörbar zu vermitteln, wird Bantu und das Aktionsbündnis gegen
samt wird der Fall Karsli aber nur ihren nicht mehr möglich sein. Die physische Abschiebungen werden sich weiter dafür
selbsthypnotisierten Höhenflug beenden Abschottung der Flüchtlinge wird durch einsetzen, doch noch eine Besuchsge-
und sie auf Normalmaß schrumpfen las- den Neubau des Internierungslagers so- nehmigung durchzusetzen. Aber unab-
sen.“ Da macht es sich die FAZ aber mit noch perfektioniert. hängig davon, ob dieses Ziel bis zum 8.6.
sehr einfach. Die FDP wird jetzt alle Wie wenig Zugeständnisse den Inter- erreicht wird, tritt Bantu an diesem Tag
Schuld auf Karsli abladen und Mölle- nierten behördlicherseits gemacht wer- im Rahmen der Open-Air-Port-Kundge-
mann aus der Kritiklinie nehmen. den, zeigt sich nicht zuletzt auch in der bung auf, auf der wir unsere grundlegen-
Fazit Ablehnung des Besuchsantrags für die de Forderung nochmals betonen werden:
Gruppe BANTU aus dem Brothers Kee- Kein Altbau - kein Neubau: Weg mit
Auch bürgerliche Politiker sollten sich pers-Zusammenhang. Die afrodeutschen dem Internierungslager!
von der „Jungen Freiheit“ fernhalten. Musiker wollten und wollen den in die- Samstag 8. Juni – 1. OPEN-AIR-PORT
Auch wenn der Generalbundesanwalt
a.D. Alexander von Stahl jetzt für das
rechtsextreme Blatt auf einer ganzseitigen
Anzeige wirbt (siehe Bild). Die Rechte in
B rothers Keepers ist ein antirassistisches Musikprojekt, in dem
diverse afrodeutsche MusikerInnen zusammenarbeiten. Nach
der Ermordung des Mocambiquaners Alberto Adriano durch
Deutschland hat zwar keinen Le Pen oder deutsche Jugendliche im Sommer 2000 in Dessau in Sachsen/
Haider, dafür aber Stoiber und Mölle- Anhalt fanden zunächst 14 MusikerInnen zusammen, um gemein-
mann, die die Wahlen gewinnen wollen. sam den Song „Adriano (Letzte Warnung)“ zu veröffentlichen.
Und noch eines: Antiimperialistische Das Stück konfrontierte zumindest jede und jeden ab und zu ra-
Positionen müssen sich strikt und klar diohörenden Menschen mit kämpferischen und unversöhnlichen
von faschistischen Positionen abgren- Textzeilen wie: „Das ist sowas wie eine letzte Warnung, denn unser Rückschlag ist längst
zen. Die Forderung nach Frieden und ei- in Planung, wir falln´ da ein wo ihr auffallt und bieten eurer braunen Scheiße endlich
nem souveränen palästinensischen Staat Einhalt! (...) und was wir reichen, sind geballte Fäuste und keine Hände!“ Der Song spar-
darf die antisemitischen Kräfte und die te die Gewalt des staatlichen Abschiebeterrors und den in der
in der Gesellschaft vorhandenen antise- Mitte der Gesellschaft tief verankerten Rassismus nicht aus, ge-
mitischen Ressentiments nicht begünsti- nausowenig wie weitere, später folgende Veröffentlichungen aus
gen. Jörg Detjen ■ dem Brothers Keepers-Zusammenhang.
Quellen: Außer für die inzwischen auf über 20 MusikerInnen und durch
1 Junge Freiheit Nr. 20/2002, vom 17. Mai die aus Frauen bestehende Gruppe der Sisters Keepers erweiter-
2 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom te antirassistische KünstlerInneninitiative, steht der Name Brothers
19. Mai
3 Junge Freiheit Nr. 20/2002, vom 17. Mai Keepers auch für einen Verein, der für Opfer rassistischer Ge-
4 Presseerklärung Bündnis 90/Die Grünen im walttaten materielle Hilfe bereitzustellen versucht.
Landtag NRW, vom 23. April Die Gruppe Bantu, die am 8.6. am Flughafen spielen wird,
5 Junge Freiheit Nr. 19/2002, vom 3. Mai hat das Brothers Keepers Projekt mitgegründet und verbindet in
6 www.pds-koeln.de
7 FDP-Presseerklärung vom 8. Mai ihrer Musik Reggae mit afrikanischen Folkelementen sowie Hip
8 Die Zeit, vom 10. Mai Hop. Homepage: www.brotherskeepers.de
9 Süddeutsche Zeitung vom 18. Mai

: antifaschistische nachrichten 11-2002 11


Karawane Treffen bereitet Dreiländer-Demonstration am 15. 6. 2002
Tour 2002 vor
Vom 17. - 20. Mai findet in Weimar ein
Gegen Rassismus und
Treffen der „Karawane für die Rechte
von Flüchtlingen statt, das sich unter an-
deremmit der Protestkampagne gegen
Ausgrenzung!
Abschiebung und rassistischer Verfol- Am 14./15. Juni 2002 wird im stärker eingeschränkt werden sollen, in
gung von Flüchtlingen und Migrant/in- Dreiländereck CH-F-D gegen dem z.B. ein neuer Lagertyp eingeführt
nen in Deutschland befassen wird Rassismus und Ausgrenzung, für wird, wo Flüchtlinge absolut keine
Gleichzeitig ist es das erste Koordina- die Verwirklichung sozialer, kul- Rechte mehr haben sollen, müsste jetzt
tionstreffen über die Struktur der Kara- tureller, wirtschaftlicher und politischer verhindert werden. Diese Entwicklung
wane Gruppen Ost mit Repräsentanten Rechte demonstriert. Über 100 Gruppen, muss jetzt gestoppt werden. Zu stoppen
von Flüchtlingsgruppen aus Thüringen, Organisationen, Gewerkschaften, Par- wird diese Entwicklung nur dann sein,
Sachsen Anhalt, Sachsen, Brandenburg teien und Einzelpersonen unterzeichne- wenn sich eine oppositionelle Bewegung
und Berlin. ten das Dreiländer-Manifest und rufen entwickelt, die mit mehr Entschiedenheit
zur Teilnahme auf. Die letzten vier Wo- und Entschlossenheit gegen die rassisti-
Die diesjährige Tour beginnt am 17. chen werden zur verstärkten Mobilisie- sche staatliche Politik vorgeht. Die Ent-
August in Bremen und endet am 21. rung für die Demonstration genutzt. schlossenheit kann darin ihren Ausdruck
September in Berlin. Bisheriger Tour 14.000 Flugblätter in französischer und finden, dass man überall z.B. Diskussio-
Plan (mit Platz für Veränderungen und deutscher Sprache, 2000 Plakate für die nen über Besetzungen der menschenun-
Erweiterungen) Demonstration, 1000 Plakate für das würdigen Lager fördert, ein Besetzungs-
17.08. Bremen Grenzkonzert und zahlreiche Veröffentli- konzept entwickelt und tatsächlich dann
18.08. Osnabrück (Bramsche „Departure chungen in linken alternativen Zeitun- auch zur Besetzung aufruft und diese
Camp“) gen machen auf die Demonstration auf- auch durchführt. Einen anderen Weg, um
19.08. Oldenburg ( inner merksam. in dieser politischen Gesellschaft, wo
City action) Mit der Menschenrechtspositionen kaum mehr
20.08. Hannover (Lan- gemeinsa- Gehör finden, den staatlichen Rassismus
genhagen deporta- men Demon- zu bremsen, gibt es nicht mehr. Deshalb
tion prison) stration wer- soll die Demonstration auch dazu die-
21.08. Bremen (day of re- den ver- nen, einen anderen politischen Inhalt
flection and rest) schiedene und Gefühl für eine neue Bewegung zu
22.08. Rothenburg o.d. Ziele ver- vermitteln, die für eine andere, bessere
Wümme folgt: Welt ohne Missachtung der Menschen-
23.08-25.08. Hamburg ● Das Ein- rechte eintritt. was ■
(24.8. De- leiten einer Dreiländer-Demonstrationen
monstration Sammlungs- am 15. Juni 02
and Fest) bewegung
26.08-27.08. Köln - Bonn im Dreyeck- Basel / Schweiz: 10.00 Uhr Besamm-
(Stop in Bie- land: Elsaß, lung: Claraplatz / Kundgebung / Demon-
lefeld) Nordwest- stration an den Grenzübergang Kleinhü-
28.08-29.08. Frankfurt schweiz und ningen / Weil am Rhein–Friedlingen.
(Ingelheim Baden, ● Überschreiten der (CH-D)-Grenze.
Deportation Förderung Huningue / Frankreich: 12.00 Uhr
Center) eines Zu- Treffpunkt: Ehemalige Gemeinschafts-
30.08. Ludwighafen sammen- Zollanlage zwischen Village-Neuf und
31.08-01.09. Karlsruhe ( schlusses im Huningue (Palmrheinbrücke). Über-
1 Tag Pause Dreyeck- schreiten der (F-D)-Grenze. Demonstra-
für Refle- land, ● Auf- tion zum Grenzübergang Kleinhüningen
xion / Rastatt deportation bau eines regionalen, grenzüberschrei- / Weil am Rhein – Friedlingen.
Center) tenden, trinationalen Netzwerks, das für Weil am Rhein / Deutschland: 12.30
02.09-03.09. Stuttgart /Tübingen kommende Auseinandersetzungen sehr Uhr Treffpunkt: Rheinpark. Der Rhein-
04.09-04.09. Augsburg/Nürnberg (oder wichtig sein wird (EU-Asylrecht 2004 – park befindet sich am Grenzübergang
andersherum) z.B. Einführung der Residenzpflicht eu- Kleinhüningen / Weil am Rhein – Fried-
06.09-07.09. München (in Bayern sind ropaweit), ● direkte Solidarität mit Mi- lingen.
mehrere „Ausreiselager“ in grantInnen und Flüchtlingen, ● Beset- CH-F-D: 12.45 Uhr Vereinigung der
Planung und Bau, die ge- zung politisch internationalistischer Po- drei Demonstrationen. Demonstration
nauen Orte werden noch sitionen, die durch die konservativ-reak- durch Weil am Rhein, am BGS-Amt
bekannt werden) tionäre politische Entwicklung verlassen vorbei zum Grenzübergang Weil–Otter-
NächsteKarawane Aktion: große De- wurden und Schaffung eines Klimas, da- bach. Überschreiten der (D-CH)-Grenze.
monstration (Karawane Gruppe Mün- mit antirassistische Argumente wieder Kundgebung vor dem neuen Basler Aus-
chen) gegen die neuen „Ausreiselager“ Gehör finden. schaffungsgefängnis.
am 25. Mai in München Dass in der Bundesrepublik Deutsch- Nach dem die Halle in Lörrach von der
land die Menschenrechte gegenüber Verwaltung doppelt belegt wurde, kann
weitere Infos: Karawane Aufruf, Letzte Minderheiten insbesondere gegenüber das Grenzkonzert nicht in Lörrach statt-
Protokolle der Vorbereitungstreffen MigrantInnen und Flüchtlingen immer finden. Wir mussten nun nach Grenzach-
Kontakt: The VOICE Refugee Forum, mehr eingeschränkt bzw. kaum mehr Wyhlen ausweichen. Der Ort steht aller-
Tel: 0361-66 52 14 ; zugestanden werden, sollte jedem poli- dings noch nicht sicher fest. Infos bitte
The_VOICE_Jena@gmx.de www.hu- tisch denkenden Mensch bekannt sein. über die Email-Adresse nachfragen.
manrights.de ■ Dass die Menschenrechte immer noch Bewegungsfreiheit@gmx.de ■

12 : antifaschistische nachrichten 11-2002


Gut besuchte Podiumsdiskussion in der Münchener Uni Schließlich ging es aber doch noch ein-
mal darum, wie denn das Dokumenta-
NS-Dokumentationszentrum tionszentrum gestaltet werden sollte.

soll am Königsplatz entstehen „Den schönen Schein brechen“


Dr. Iris Lauterbach vom Zentralinstitut
„Als Geburtsstätte und zentra- tieren, sondern eins der vorhandenen Ge- für Kunstgeschichte, der Einrichtung
le Schaltstelle der NSDAP hat bäude in der Nähe des Königsplatzes in also, die nach 1945 den Verwaltungsbau
München im Nationalsozia- ein Dokumentationszentrum umzuwan- der Nazis an der Meiserstraße übernahm
lismus eine bedeutende Rolle gespielt. deln, damit das Projekt rascher realisiert und ihn bis heute nutzt, betonte, wie
Doch die bayerische Landeshaupt- werden könne. Denn allzu viele Jahre wichtig es sei, das Spezifikum des Kö-
stadt tut sich schwer mit dem braunen sind bereits vergangen, seit der Bezirks- nigsplatzes zu beachten: die Funktion als
Erbe. Während an anderen Orten in ausschuss Maxvorstadt den ersten Antrag architektonische Schaufassade und die
Bayern Dokumentationszentren, die stellte. kultische Bedeutung, die der Platz für die
über die Nazi-Zeit informieren, rege Bäumlers Drängen schloss sich Prof. Nazis hatte. Dahinter habe sich der mon-
besucht werden, erfahren Interessier- Dr. Andreas Nachama, Geschäftsführen- ströse bürokratische Apparat des Terrors
te in München kaum etwas über die der Direktor der Ausstellung „Topografie verborgen. Auf keinen Fall dürfe man
Rolle der Stadt im Dritten Reich.“ So des Terrors“ in Berlin, an. Auch er warnte eine Einrichtung schaffen, die geeignet
die Neue Zürcher Zeitung in ihrer Aus- vor einem Neubau, ein solcher würde sei, eine Bunkeratmosphäre herzustellen
gabe vom 8./9.12. 2001. Das soll jetzt jahrelange Verzögerungen bedeuten. und den Besuchern Schauer über den Rü-
anders werden. Wichtig sei aber die Nähe zu den „au- cken laufen zu lassen. Wichtig sei es ge-
thentischen Orten“, denn nach all seinen rade, die Funktion und Bedeutung des
Am Königsplatz oder in dessen Nähe, Erfahrungen sei die Bereitschaft, sich mit „Parteiviertels“ nüchtern durchschaubar
dort also, wo früher die zentralen Reprä- den geschichtlichen Ereignissen zu be- zu machen. Hierin fand sie volle Unter-
sentations- und Verwaltungsbauten der fassen, eben dort am größten, wo diese stützung durch Prof. Hockerts, der die
Nazi-Partei („Braunes Haus“, „Führer- Ereignisse stattgefunden haben. Aufgabe des Dokumentationszentrums
bau“, „Ehrentempel“ etc.) standen, soll Erst das Gebäude, dann das Konzept? darin sah, „die Zusammenhänge von dem
ein Dokumentationszentrum über die zu erklären, was man nicht sieht“. Das
NS-Geschichte Münchens errichtet wer- Gerade deshalb, fand Prof. Dr. Hans Zentrum dürfe kein Museum werden, in
den. So beschloss es nicht nur im Okt- Günter Hockerts, Professor für Neuere dem historische Gegenstände wie z.B.
ober letzten Jahres der Münchner Stad- Geschichte an der Münchner Uni, wäre Uniformen oder Möbel aus dem Braunen
trat, der schon seit etlichen Jahren die Er- eigentlich der Platz am besten geeignet, Haus ausgestellt werden, sondern es müs-
richtung eines solchen Zentrums fordert, wo einmal das „Braune Haus“ stand se durch sachliche Texte und Fotos „den
sondern im Januar diesen Jahres endlich (Brienner Straße kurz vor der Einmün- schönen Schein brechen“, der von der äs-
auch der bayerische Landtag, der ähnli- dung in den Königsplatz). Das allerdings thetisch schönen Gestaltung des Königs-
che Vorstöße bislang immer hatte auflau- würde einen Neubau erforderlich ma- platzes ausgehe. Um dies zu erreichen,
fen lassen. Am 22. April fand in der chen. Man könnte ja jetzt erst einmal in müssten bei der Gestaltung der Ausstel-
Münchner Universität eine Podiumsdis- einem bestehenden Gebäude anfangen. lung sowohl die Geschichtswissenschaft
kussion über das geplante Dokumenta- Wenn das gefunden und klar sei, wieviel als auch Geschichtsmoral und Ge-
tionszentrum statt. Eingeladen hatten das Platz zur Verfügung steht, könne eine schichtspolitik mit ihren je spezifischen
Kulturreferat der Stadt München und der Fachkommmission mit der Erarbeitung Beiträgen Eingang finden.
Verein „Gegen das Vergessen - Für De- der Konzeption beginnen. Gleichzeitig Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung
mokratie e.V.“. müsse aber auch die Stadt „der Bevölke-
Inhalte rung einen Dialog anbieten“ und sie in Die Diskussionsbeiträge, die im späteren
die Planung einbeziehen. „Schließlich Teil der Veranstaltung aus dem Publikum
Die erste Runde der Podiumsredner er- soll ja das Zentrum von der Bevölkerung kamen, machten deutlich, dass sowohl
öffnete Klaus Bäumler (CSU), Vorsitzen- angenommen werden.“ bei Fachleuten (z.B. vom Institut für Zeit-
der des Bezirksausschusses Maxvorstadt, Hans-Jochen Vogel, ehemaliger geschichte) und Multiplikatoren (Journa-
der sich seit über 20 Jahren dafür einsetzt, Münchner OB, Kuratoriumsmitglied des listen, Geschichtslehrern etc.) als auch
die Geschichte der Stadt im öffentlichen neuen Dokumentationszentrums im bei vielen „einfachen Bürgerinnen und
Raum sichtbar zu machen und dabei auch Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und Bürgern“ ein großes Interesse an dem ge-
„Täterorte“ ins Bewusstsein zu rücken. Vorsitzender des Vereins „Gegen das Ver- planten Zentrum und ein großes Bedürf-
Er – und eigentlich nur er – nannte auch gessen“, fand das umgekehrte Vorgehen nis besteht, an dessen Gestaltung in
konkrete Inhalte: München als Geburts- sinnvoller: erst ein Konzept erarbeiten irgendeiner Weise teilnehmen zu können.
ort des Nazismus, als Schauplatz von Hit- und dann ein geeignetes Gebäude dafür Von verschiedener Seite wurde signali-
ler-Putsch, Röhm-„Putsch“, Ausstellung suchen. Als Träger des Dokumentations- siert, dass dieses Bedürfnis verstanden
„Entartete Kunst“, Münchner Konferenz zentrums empfahl er eine eigene Rechts- worden sei und auf offene Ohren treffe.
(eins der Themen, über die noch For- person unter maßgeblicher Beteiligung So wird z.B. die Volkshochschule in ih-
schungsbedarf bestehe); die Pogrom- des Freistaates Bayern, der Landeshaupt- rem Herbstprogramm eine „offene Ge-
nacht in München; München als Aus- stadt München und „weiterer Interessier- schichtswerkstatt“ zu diesem Thema an-
gangspunkt der Gestapo (Himmler und ter“. bieten. In verschiedenen Bezirksaus-
Heydrich waren schon vor 1933 in Mün- Die Experten, die das Konzept erarbei- schüssen wird es (nach deren Neukonsti-
chen tätig). Auf der anderen Seite: das ten sollen, müssten von der Stadt „unter tuierung) voraussichtlich wieder Arbeits-
Bürgerbräuattentat, die Geschwister Zustimmung des Freistaates Bayern und kreise dazu geben. Und Hans-Jochen Vo-
Scholl, der sonstige Widerstand. Und die Beteiligung der Uni“ bestimmt werden. gel versprach zum Schluss hoch und hei-
vernichteten Orte, deren Namen stellver- Die Fragen nach dem besten Platz, den lig, sich für eine Arbeitsgruppe einzuset-
tretend für Tausende andere stehen: Lidi- Vorteilen von Neubau oder Umbau, der zen, in der alle Interessierten mitarbeiten
ce, Marzabotto, Oradour sur Glane, Dis- Trägerschaft und der Berufung der Ex- können, und nicht zu ruhen, bis dieses
tomo. Vehement sprach sich Bäumler da- pertenkommission nahmen den größten Anliegen durchgesetzt ist.
für aus, nicht auf einen Neubau zu orien- Teil des Abends ein. Renate Hennecke ■

: antifaschistische nachrichten 11-2002 13


Die Bezeichnung „Kollateral-
schaden“ für getötete Zivilisten
ist für sich genommen schon zy-
NATO-Mordaktion
nisch – es beinhaltet auch, dass dieser gen. Unter den Menschen in der Stadt anwalt Ulrich Dost aus Berlin, der eine
Schaden sozusagen unbeabsichtigt ent- brach Panik aus. Viele von ihnen rannten Schadensersatzklage der Opfer von Var-
standen ist. Eigentlich wolle man punkt- vom nahegelegenen Kirchengelände und varin gegen die Bundesrepublik
genau militärische Ziele treffen, doch vom Markt zur Brücke, um Erste Hilfe Deutschland vertritt. Die rechtliche Be-
leider ging ein Schuss daneben und so zu leisten. Kaum hatten sie die Brücke wertung dieser Aktion der NATO muss
wurden Zivilisten getroffen. Inzwischen erreicht und mit Hilfsmaßnahmen be- erfolgen nach der Genfer Konvention
wissen wir es besser: Der Einsatz von gonnen, erfolgte die zweite Angriffswel- bzw. dem Zusatzprotokoll I zu dieser
Flächenbombardements und Splitter- le durch 2 Kampfflugzeuge der NATO. Konvention. „Es gehört zu den ältesten
bomben, dazu Munition mit abgereicher- Nach Schätzungen der Zeugen lagen und elementarsten Regeln des humanitä-
tem Uran millionenfach abgeschossen – zwischen den beiden Angriffswellen le- ren Völkerrechts, dass bei militärischen
da ist der Tod von vielen Menschen be- diglich 3 bis 5 Minuten. Wieder wurden Aktionen zwischen militärischen Zielen
wusst gewollt. zwei Raketen auf die bereits zerstörte und Kombattanten einerseits und zivilen
Nicht nur umweltbewusste Menschen Brücke abgeschossen. Die Folge war, Objekten und der Zivilbevölkerung an-
können sich ausrechnen, welche auch ge- dass es nun unter den hilfeleistenden dererseits zu unterscheiden ist und dass
rade langfristigen Auswirkungen die Menschen Tote und Verletzte gab. Eine es verboten ist, die Zivilbevölkerung und
Bombardierung von Chemiewerken in damals 15jährige Schülerin wurde von zivile Objekte anzugreifen
Jugoslawien hat. Selten erfahren wir et- 66 Splittern getroffen, von denen über 20 ( Art. 48 Zusatzprotokoll I).“ (RA Dost).
was über die Opfer des NATO-Krieges bisher noch nicht entfernt werden konn- Logischerweise weiß auch die Bundesre-
gegen Jugoslawien – das ist nun durch- ten. gierung, welche Folgen eine erfolgreiche
brochen worden durch eine Klage gegen Die NATO hat bei ihrem Angriff auf Klage der Menschen aus Varvarin nicht
die Bundesrepublik Deutschland, ange- die Brücke in Varvarin insgesamt 10 nur finanziell, sondern vor allem poli-
strengt von Bewohnern des jugoslawi- Menschen getötet, über 30 weitere Per- tisch hat.
schen Ortes „Varvarin“. sonen verletzt, davon 17 schwer. Die 17 Wie sollen denn weitere Kriege für
Was geschah dort am 30. Mai 1999? Schwerverletzten haben lebenslange „den freien Zugang zu Märkten und
Dauerschäden erlitten. Alle Opfer dieses Rohstoffen“ (Verteidigungspolitische
Die Kleinstadt Varvarin mit ca. 4000 Angriffs sind Zivilpersonen.“ (3) Richtlinien, nirgendwo beschlossen, aber
Einwohnern liegt am Fluss Morava, 200 Die mit den Zahlen 1 bis 3 gekenn- faktisch in Kraft) geführt werden, wenn
km südlich von Belgrad und weitere 200 zeichneten Zitate stammen von Rechts- die „Kollateralschäden“ plötzlich aufmu-
km vom Kosovo entfernt. Die meisten cken und Geld kosten?
Menschen arbeiten in der Landwirtschaft Die Qualität der deutschen
oder im Zusammenhang mit ihr, ein klei- Justiz lässt diese Klage als aus-
ner Textilbetrieb ist alles an Industrie. sichtslos erscheinen – doch was
„In der Stadt selbst und in der näheren wäre, wenn sie massenhafte
Umgebung waren zu keinem Zeitpunkt Unterstützung findet?
militärische Einrichtungen stationiert. Finanzielle Unterstützung ist
Von militärischen Truppentransporten auch erforderlich! Spendenkon-
wurde die Stadt ebenfalls nicht tangiert. to: Vereinigung demokr. Juris-
Die nächstgelegene militärische Einheit ten e.V., Berliner Sparkasse
befand sich ca. 22 km von Varvarin ent- (BLZ 10 500 00) Konto 33 52
fernt.“ (1) Die Brücke über die Morava 20 14, Verwendungszweck:
bildet den östlichen Eingang in die Stadt, „Schadensersatz für NATO-
die direkt bis ans Flussufer reicht. Kriegsopfer“
„Die Brücke wurde am Sonntag, den Ulf Fiedler ■
30. Mai 1999 mittags zwischen 13:00
und 13:25 (Uhr) durch Kampfflugzeuge
der NATO bei klarem Wetter und Son-
nenschein angegriffen und zerstört. Zum
D ie auf dem Foto gezeigten amerikanischen Soldaten könnten auch deutsche Soldaten des „Kom-
mando Spezialkräfte“ sein, die irgendwo auf der Welt einen Hubschrauber verlassen, um ihrer
Tätigkeit nachzugehen. Ein solcher Einsatz von Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan ist inzwischen
Zeitpunkt des Angriffs befanden sich in bestätigt, ohne dass das größere Aufregung verursacht hat. Wissen wir, ob nicht schon Kriegsverbre-
unmittelbarer Nähe der Brücke ca. 3000 chen begangen wurden von diesen tollen Jungs?
bis 3500 Menschen. (2) Die Marine schippert völlig selbstverständlich vor dem Horn von Afrika herum und kontrolliert den
In der Nähe wurde auf einem Kirchen- Schiffsverkehr. Spürpanzer „Fuchs“, die chemische oder radioaktive Stoffe aufspüren können, üben
im Nahen Osten.
gelände das Fest der Heiligen Dreifaltig- Es ist keine Operette, sondern Wirklichkeit, wenn der ehemalige König wieder in Afghanistan er-
keit gefeiert, außerdem war Sonntags- scheint – derselbe, der 1940 (!) dem Deutschen Reich einen erfolgreichen Kriegsverlauf wünschte.
markt. Auf der Brücke befanden sich Der Krieg in Afghanistan ist erklärtermaßen erst der Anfang – offen im
Menschen in PKWs, Fahrradfahrer und Gespräch ist ein Krieg gegen den Irak. Doch ist diesmal die Situation
Fussgänger. eine andere als nach der Besetzung Kuwaits durch den Irak. Die damali-
„Der Angriff erfolgte ohne jede Vor- ge Koalition ist wohl nicht mehr herzustellen. Die Benutzung von inländi-
warnung: In einer ersten Angriffswelle schen Kräften als Ersatz für eigene Bodentruppen wie die UCK im Koso-
von 2 Kampfflugzeugen der NATO, die vo oder die Nordallianz in Afghanistan ist wohl im Irak nicht möglich.
Stattfinden wird auf jeden Fall ein massives Bombardement – dabei müs-
nach Zeugenaussagen in einer Höhe von sen auch die Äußerungen in den USA über den führbaren Atomkrieg
ca. 100 bis 300 m die Brücke anflogen, ernstgenommen werden, der wildgewordenen Bush-Regierung ist alles
wurden 2 Raketen vom Typ AGM 65 auf zuzutrauen!
die Brücke abgefeuert. Im Ergebnis die-
ser ersten Angriffswelle, mit der die Brü- Empfohlen werden soll hier das neueste Buch von Winfried Wolf: „Af-
cke bereits vollständig zerstört worden ghanistan, der Krieg und die neue Weltordnung“, in dem eine fundierte
war, gab es eine Vielzahl von Todesop- Analyse der Situation – hier am Anfang des Jahres 2002 – abgeliefert
wird. Konkret Literatur Verlag, ISBN 3-89458-209-X, Euro huf ■
fern und verletzten Personen zu bekla-

14 : antifaschistische nachrichten 11-2002


: neuerscheinungen

Rheinische Kirche und Diakonie legen Über den finanziellen Anteil von
Forschungsergebnisse vor: rheinischer Kirche und Diakonie an
der Zustiftung zur Entschädigung
Rund 1.200 Zwangs- der Opfer hinaus bereitet die Evan-
gelische Kirche im Rheinland der-
arbeiter in evangelischen zeit ein Besuchs- und Partner-
Einrichtungen schaftsprogramm vor, das den we-
nigen Überlebenden des Zwangsar-
Schätzungsweise 1.200 ausländische Ar- beitersystems gilt, die die For-
beitskräfte arbeiteten zwischen 1939 schungsarbeit hat ausfindig machen
und 1945 in der rheinischen Kirche. können.
Diese Zahlen nennt der Historiker Dr. „Konkret sollen Medikamente
Uwe Kaminsky, der die Geschichte der zur Gesundheitsfürsorge, Begeg-
Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter in nungen vor Ort, wechselseitige Be-
evangelischen Einrichtungen in Kirche suchsprogramme im Rahmen der
und Diakonie historisch erforscht hat, in Versöhnungsarbeit mithelfen, bür-
seinem Buch „Dienen unter Zwang“, gerschaftliches Engagement auf al-
das Präses Manfred Kock und Diakonie- len Seiten zu fördern“, so Präses
direktor Dr. Reinhard Witschke heute in Kock, „in Einzelfällen werden wir
Düsseldorf vorgestellt haben. 478 Män- zusätzliche finanzielle Hilfen zur
ner und Frauen konnten sicher nachge- Verfügung stellen, um in konkreten
wiesen werden; 250 stammten aus Ost- Notlagen unsere bleibende Verantwor- men und in Haushalten einzelner Pfar-
europa. Rund 70 evangelische Einrich- tung sichtbar werden zu lassen“. rerfamilien.
tungen (Kinderheime, Krankenhäuser, Mit finanzieller Entschädigung, mit Über die Behandlung der Arbeitskräf-
landwirtschaftliche Betriebe und Pfarr- humanitärer Hilfe und der historischen te stellt der Historiker Folgendes fest:
haushalte) im Bereich der damaligen Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit „Ernährung, Versorgung und Lohn lagen
Rheinprovinz lassen sich als Arbeitgeber leiste die Kirche einen wichtigen Bei- im Rahmen der üblichen Diskriminie-
von ausländischen Arbeitskräften nach- trag, den Opfern Gerechtigkeit wider- rungen des nationalsozialistischen
weisen. 16 weitere sind als Unterkunft- fahren zu lassen und Versöhnung mög- Deutschlands. Kirchliche Einrichtungen
sorte für Zwangsarbeiter oder auch KZ- lich zu machen, unterstrich Manfred konnten sich nicht gegen den alltäg-
Häftlinge identifizierbar. Kock: „Damit wollen wir auch vielen lichen Rassismus absetzen. Die Verhält-
„Hinter den Zahlen, Daten und Statis- Unternehmen, die in ähnlicher Weise in nisse in der Landwirtschaft und in der
tiken stecken Menschen, Mit-Men- dieses Unrecht verstrickt waren und sich Hauswirtschaft waren aufgrund der sozi-
schen“, erklärte Präses Kock bei der heute damit mehr als schwer tun, Mut alen Enge und des gegenseitigen Aufein-
Buchvorstellung im Landeskirchenamt: machen, diesen Weg zu gehen.“ anderangewiesenseins im allgemeinen
„Sie haben ein Gesicht, eine Geschichte Seit August 2000 hat Dr. Uwe Ka- auskömmlicher als in großen Industrie-
und eine Würde. Auch das System von minsky die Zwangsarbeit im Auftrag der betrieben.“ Allerdings galt die kirchliche
Kirche und Diakonie war im Zweiten Evangelischen Kirche im Rheinland und Fürsorge den ausländischen Arbeitskräf-
Weltkrieg daran beteiligt, dass Men- ihrer Diakonie erforscht. ten in Deutschland im Bereich der medi-
schen die Würde genommen wurde. Die Nach seinen Erkenntnissen lagen die zinischen Versorgung und der Seelsorge.
historischen Forschungen haben Verstri- Arbeitsorte der Frauen und Männer, die Dazu Präses Manfred Kock: „Neben
ckungen an das Tageslicht gebracht, die zum überwiegenden Teil aus Osteuropa den dunklen Seiten gab es auch anderes.
heute zur Verantwortung gegenüber die- stammten, in der Landwirtschaft diako- Einerseits die Ausbeutung der Arbeits-
sen lange ,vergessenen’ Opfern des Na- nischer Einrichtungen, in der Hauswirt- kraft der aus ihrer Heimat verschleppten
tionalsozialismus mahnen“. schaft von Krankenhäusern bzw. Hei- Menschen, andererseits die Sorge um ihr
körperliches und seelisches Wohl. Gera-
de diese Ergebnisse der historischen
Forschung sind für uns als Kirche heute
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. wichtig. Wir müssen genauer wahrneh-
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de men, wo und wie in Kirche und Diako-
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Postfach 260 226, 50515 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach nie Verantwortliche in das Unrecht ver-
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, strickt waren. Daraus können und müs-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, sen wir für die Zukunft lernen.“
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. Jens Peter Iven ■
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro.
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Postfach 260 226, 50515 Köln. Sonderbestellungen sind Uwe Kaminsky: Dienen unter
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. Zwang.Studien zu ausländischen Ar-
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- beitskräften in Evangelischer Kirche
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung und Diakonie im Rheinland während
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. des Zweiten Weltkriegs, Rheinland-
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie Verlag GmbH, Köln 2002 (mit einem
Buntenbach (MdB Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsge-
meinschaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (Bund der Antifaschisten, Dachverband); Dr. Christel Hartinger (Frieden-
Beitrag von Ulrike Winkler; 320 Sei-
szentrum e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke, (MdB PDS); ten; 14 Abbildungen), erschienen in
Jochen Koeniger (Arbeitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen der Schriftenreihe des Vereins für
(Mitglieder des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschisti-
sche Nachrichten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo
Rheinische Kirchengeschichte, ISBN
Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (Info Pool Network); Bernhard Strasdeit (MdB-Büro Winfried 3-7927-1855-3, 18 Euro
Wolf); Volkmar Wölk.

: antifaschistische nachrichten 11-2002 15


: aus der faschistischen presse
Aber auch auf politischem Gebiet be-
steht offenbar Erklärungsbedarf: „Selbst-
Beruhigungsmittel gegen und Finanziers verärgert werden könnten. kritisch möchte ich feststellen, daß meine
„nationalrevolutionäre“ Denen muss deutlich gemacht werden, bisherige Fixierung auf den sozial-patrio-
dass das ganze antikapitalistische Voka- tischen Charakter einer zukünftigen Be-
Phrasen Nation & Europa 5-2002
bular pures Wortgeklingel ist. Diese Auf- wegung einengend wirkt und außer acht
Die Kriegspolitik des israelischen Staates gabe übernimmt Roland Wuttke mit einem läßt, daß sich Patrioten, die ebenfalls auf
macht es Antisemiten leicht, ihre men- Plädoyer für das (kleine) Kapital: der Suche nach neuen Wegen sind, ausge-
schenverachtende Propaganda zu ver- „Die Auszehrung kleiner und mittlerer schlossen fühlen könnten. In vielen Ge-
breiten. Und deshalb titelt die Redaktion Betriebe durch Steuern, Abgaben und bü- sprächen stellte ich fest, daß potentielle
von „Nation & Europa“ im Maiheft „Wer rokratische Schikanen hat dramatisch zu- Weggefährten, die unter dem Banner ,na-
stoppt Israel?“. Die Antwort bleibt offen, genommen. Das wirkt sich immer stärker tional-konservativ‘ oder ,freiheitlich-
dafür werden wieder einmal uralte juden- auf die Leistungsbereitschaft aus, zumal konservativ‘ firmieren, keine unüber-
feindliche Mythen verbreitet. die Betriebsgewinne durch Institutionen windbaren programmatischen Vorstellun-
Da beschwört Harald Neubauer zum abgeschöpft werden, die das Vertrauen gen gegenüber dem Begriff ,sozial-pa-
einen die „jüdische Weltverschwörung“: der Bürger nicht mehr besitzen.... Nach triotisch‘ aufweisen“. Damit hat Schön-
„Jeder israelische Regierungschef lächelt der Wahlkampfunterstützung durch den huber zwei Fliegen mit einer Klappe ge-
müde, wenn ihn aus Washington oder DGB 1998 stand die SPD bei den Ge- schlagen: Den anrüchigen Begriff „natio-
Brüssel eine nicht genehme Forderung werkschaften in der Pflicht, verschärfte nalrevolutionär“ entsorgt und dessen de-
erreicht. Alle Beteiligten kennen die den Kündigungsschutz und führte die magogischen Inhalt gerettet. Er schließt
Macht der amerikanischen Ostküste... volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall deshalb: „Mein Traum ist es, noch zu er-
.Letztlich liegt die Kompetenz dort, wo wieder ein. Eine neue Regulierungswut leben, daß, zusammen mit Kriegsgegnern
der Geld- und Medienadel über den Aus- unterwarf die 630-Mark-Jobs der Sozial- aus anderen Lagern, die Anhänger einer
gang amerikanischer Präsidentschafts- versicherungspflicht, verschärfte die Re- neuen deutschen Rechten bei Friedensde-
wahlen entscheidet... Israels eigentliche geln für befristete Beschäftigungsverhält- monstrationen an der Spitze marschieren,
Stärke liegt darin, daß außerhalb seiner nisse, führte einen neuen Rechtsanspruch und daß bei Diskussionen um den antika-
Grenzen der größere Teil der Juden lebt, auf Teilzeit ein und novellierte das Be- pitalistischen Kampf neben neuen und
rund sechs Millionen allein in den USA. triebsverfassungsgsetz im Sinne der Ge- zeitgemäßen Vorstellungen auch die
Eine effizientere Lobby hat die Welt noch werkschaftsfunktionäre“. Ideen von Radek, Schlageter und Strasser
nicht gesehen“. Und auch Franz Schönhuber; ein eingebracht werden“. Antifaschist(inn)en
Zweitens sind am Antisemitismus na- Meister der „nationalrevolutionären“ sollten alles tun, um ihn zu wecken, be-
türlich die Juden schuld (wahlweise auch Phrase, beruhigt seine Leser(innen): vor dieser Traum Wirklichkeit wird.
mal nur ein Jude): „Dem Antisemitismus „Nun muß man allerdings zwischen den tri ■
sind schon zahlreiche Untersuchungen antikapitalistischen Vorstellungen der
gewidmet worden. Woher er sich speist, Linken und jenen der Rechten differen- JF fühlt sich beobachtet
bleibt vielen Menschen gleichwohl rätsel- zieren. Die Bolschewisten – und das gilt
haft. In Ariel Scharon könnten sie nun heute auch für deren deutsche Nachkom- Junge Freiheit Nr. 20/2002 vom 10. Mai
eine Antwort finden. Wer es gut mit Israel men, die Politiker der PDS – wollen an Unter dem Titel „Wirbel um die JF“ be-
und dem Judentum meint, wird diesen die Stelle des Privatkapitalismus eine Art fasst sich das Blatt mit den Reaktionen
Weg nicht unterstützen. Schon gar nicht Staatskapitalismus setzen. Die Macht der auf das Interview mit Jamal Karsli aus der
als Deutscher“. Es ist schwer, diesen Zy- Banken und Konzerne soll durch die All- letzten Ausgaben: „... In einer Medien-
nismus zu überbieten. macht des Parteiapparats abgelöst wer- kampagne wird Karsli nun unter Druck
In den letzten Ausgaben wurden immer den. Der sozialistische Denkansatz einer gesetzt, weil er mit der Jungen Freiheit ei-
wieder „nationalrevolutionäre“ Ansichten gerechten Verteilung des Volkseinkom- ner angeblich ,rechtsextremen‘ Zeitung
geäußert, um mit diesen, links klingenden mens wäre im Dritten Reich weitgehend ein Interview gegeben habe ... Erneut stüt-
Worthülsen neue Kreise für die alte fa- richtig gewesen, hätten nicht die unseli- zen sich die Presseorgane auf die Wertun-
schistische Politik zu gewinnen. Diese gen NS-Rassevorstellungen die Überwin- gen des umstrittenen NRW-Verfassungs-
Taktik wirft allerdings das Problem auf, dung des Klassenkampfes desavouiert“. schutzes ... In einer Presseerklärung pro-
dass damit manche Sympathisant-(inn)en Soviel zur Wirtschaft. testierte der Chefredakteur der JF, Dieter
Stein, gegen die Titulierung der JF als
,rechtsextrem‘ und verwahrt sich in Stel-
lungnahmen gegenüber den Zeitungen
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
entschieden gegen den Vorwurf des Anti-
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: semitismus. Die Nachrichtenagentur DPA
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
14-täglich berichtete daraufhin, dass die JF ,derzeit
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
vor dem Bundesverfassungsgericht dage-
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
gen angeht, im Verfassungsschutzbericht
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
wegen rechtsextremistischer Bestrebun-
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 60,- DM). gen erwähnt zu werden‘.“
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten Über die Programmdebatte der Repu-
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) blikaner berichtet das Blatt diesmal nur
in einem kleinen Artikel. Seit die Partei
Name: Adresse: nicht mehr im baden-württembergischen
Landtag vertreten ist, hat das Interesse
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts der JF an den Republikanern deutlich
nachgelassen. Die Republikaner fordern
Unterschrift
u.a. die Wiederherstellung Preußens
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 - 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
durch den Zusammenschluss der
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507 Bundesländer Brandenburg, Berlin und
Sachsen-Anhalt. uld ■

16 : antifaschistische nachrichten 11-2002

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