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EU, Dein Wille geschehe

Allgemeine Aufregung. Warum? Das Land Berlin hat dem EU-Reformvertrag


nicht zugestimmt. Ja und? Warum eigentlich nur Berlin?
Heute ist der Tag der Hyperventilation. Berlin habe sich gegen
Europa , ja gegen den Internationalismus ausgesprochen, schreiben
als seriös geltende Zeitungen. Warum? Weil sich das Land Berlin auf
Druck der Linken im Bundesrat beim Thema EU-Reformvertrag im Bundesrat
enthalten hat. Nur enthalten! Als einzige!
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla macht prompt eine europafeindliche
Stimmung aus. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast brandmarkt die
Berliner Entscheidung als Nein zu einem vereinigten und friedlichen
Europa . Mon dieu. Weiß sie, wovon sie spricht?
Über den Linken-Vorsitzenden Oskar Lafontaine lässt sich wenig Gutes
sagen. Aber dank ihm enthüllt die Debatte um das Berliner
Abstimmungsverhalten eins: Das Niveau der hiesigen Europadiskussion
ist weiter in einer Sphäre angesiedelt, die so tief unter Normalniveau
und Normalnull liegt und so nah am Erdkern, dass die Gehirnzellen der
Beteiligten allesamt komplett weg geschmort sind.
Beim Thema EU reagieren große Teile der hiesigen Eliten bis heute mit
dem Nickreflex: Was immer aus Brüssel kommt, ist zu begrüßen. Wer
gegen Brüsseler Beschlüsse argumentiert, ist gegen Europa. Brüssel,
Dein Wille geschehe!
Diese Haltung ist nicht nur intellektuell primitiv. Sie ist geradezu
demokratiefeindlich. Warum, in Jean Monnets Namen, sollte ein neuer
EU-Vertrag nicht offen für Kritik sein aus den unterschiedlichsten
Gründen? Warum können wir es in Deutschland nicht ertragen, wenn
einige nicht in den Dauerjubel (Udo di Fabio) für die
EU-Institutionen einstimmen wollen, der hierzulande beim Thema Europa
obligatorisch scheint?
Angenommen, wir diskutierten über eine neue Fassung des Grundgesetzes.
Angenommen diese neue Verfassung wäre ohne größere öffentliche
Diskussion von den Staatskanzleien der Bundesländer ausgehandelt
worden. Angenommen, dieser Text hätte gravierende Mängel. Angenommen,
er würde trotzdem nur von einigen versprengten Geistern kritisiert.
Würden wir dann auch die Versprengten attackieren? Oder nicht doch
eher die übermächtigen Befürworter, die geifernd auf jede Kritik
reagieren?
Um was geht es bei diesem so genannten EU-Reformvertrag? Es geht um
den Extrakt eines Verfassungsvertrags, der vor drei Jahren bei
Volksabstimmungen in den europäischen Kernstaaten Frankreich und
Niederlande jämmerlich durchfiel nach ausführlichen öffentlichen
Debatten, die wir in dieser Qualität zum Thema EU in Deutschland nie
hatten.
Es geht um einen Vertrag, der keinerlei ernsthafte Lösung für das
größte und drängendste Problem der EU bietet das berechtigte
Misstrauen der Bürger gegen die Brüsseler Bürokratie. Er bringt keinen
echten Fortschritt Richtung Demokratisierung des EU-Regimes. Er
schafft keine parlamentarische Opposition im EU-Parlament. Richtig,
die Volksvertretung bekommt ein paar mehr Rechte. Aber die Exekutive
nämlich die EU-Kommission wird weiterhin von den EU-Regierungen
vorgeschlagen. Sie kann selbst vom Parlament nur mit
Zwei-Drittel-Mehrheit abgewählt werden.
Dieser Vertrag schafft einen neuen so genannten EU-Präsidenten, der
keinem Parlament dieser Erde verantwortlich sein wird. Trotzdem wird
er in deutschen Gazetten immer wieder als gewählter Präsident
bezeichnet, in absurder Verwirrung der Begriffe.
Die deutsche Regierung bekommt nach diesem Text zwar etwas mehr
Einfluss im Ministerrat, doch die Bürger dieses Landes verlieren drei
Abgeordnete im Europaparlament, womit sie noch grotesker
unterrepräsentiert sein werden, als heute schon. Und: Künftig wird
Deutschland zeitweise nicht mal einen einzigen EU-Kommissar stellen,
trotz seiner Bevölkerungsstärke.
Wer diesen Vertrag ablehnt, ist kein Europagegner, wie jetzt Politiker
aller Couleur in einer Hysterie der Hundertprozentigen verkünden. Wahr
ist: Diejenigen, die diesen Vertragstext und seinen gescheiterten
Vorläufer formulierten, meinten es nicht gut mit Europa. Sie meinten
es gut mit ihren eigenen privilegierten Einflussmöglichkeiten die
EU-Kommissare, Europaabgeordneten und Regierungsvertreter, die heute
in Brüssel kontrollfrei agieren können, wie das in keinem
Mitgliedsstaat der EU möglich wäre.
Ein Staat, der organisiert wäre wie die EU laut Reformvertrag, hätte
keine Chance, je selbst in die Union aufgenommen zu werden. Das ist
ein Fakt. Aber um Fakten geht es in der gegenwärtigen Diskussion
nicht. Schon das Wort Diskussion ist irreführend. Dafür bräuchte es
Streit, Konflikt, Dissonanz. Dazu ist dieses Land nicht in der Lage.
Nicht beim Thema Europa.
Ach Europa , hieß vor 21 Jahren ein berühmtes Buch von Hans Magnus
Enzensberger. Heute müssten wir sagen:
Ach Deutschland

URL: http://www.stern.de/blog/6_hans-martin_tillack/archive/1657_eu_dein_wille_g
eschehe.html

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