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Mittelstandslexikon

Soziale Gerechtigkeit

Gedanken zu Bedingungen sozialer Gerechtigkeit


Vortrag auf dem 5. Rastatter TAG DER FREIHEIT" LIBERALISMUS UND SOZIALE
FRAGE(N)"

Freiheitsmuseum Rastatt 7. November 1992 - Auszug Schriften der Friedrich-Naumann-


Stiftung, Liberale Texte, Sankt Augustin: COMDOK-Verlag, 1993, Seiten 57 -65

Peter Menke-Glückert

Soziale Fragen sind immer auch Fragen nach Bedingungen sozialer Gerechtigkeit. ORDO-
Liberale wie Eucken, von Hayek, Müller-Armack, Ludwig Erhard fordern einen starken
Rechtsstaat, der Fairness-Regeln, Wettbewerb der Ideen und Innovatoren gegen Kartell-Bil-
dung, Vermachtung der Märkte mit Rechtssanktionen durchsetzt. Freiheit-in-Verantwortung!

Freiheit und Verantwortung sind zwei Seiten der gleichen Medaille - das eine verweist immer
auf das andere. Gerade Liberale stehen daher immer auch in sozialer Verantwortung - beson-
ders was fairen Umgang mit Kindern und Enkeln, also Nachhaltigkeit der Generationenge-
rechtigkeit anbelangt. Unverändert gilt Ludwig Erhard`s Wort: „Die beste Sozialpolitik ist
immer noch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik.“ Ungleiche Verteilung von Lebens- und
Berufschancen ist in der Regel - nicht immer - Ergebnis eigener Bildungsanstrengung und
Berufsleistung. Jeder trägt Verantwortung für eigene Entscheidung im „strebend Bemühen“.
Liberale garantieren gleiche Startchancen, nicht gleiches Einkommen für Alle als Ergebnis
von Bildungsbemühungen. Eigenverantwortung meint Eigenhandeln. Freiheit in Aktivität!

Nur von Bürokratielasten und anderen strukturellen Verkrustungen befreite Unternehmer


schaffen dauerhafte Arbeitsplätze und Wohlstand für Alle. Liberaler ist allemal dauerhaft-
zukunftsfester und damit sozialer. Zu solchem Befreiungsschlag gehört auch ein radikal
vereinfachtes und um die Hälfte der Steuer-Belastungen der Bürger gemindertes Steuer-
system. Flat tax mit einem einheitlichen Steuersatz von maximal 25 % für ganz wenige
Steuerarten, aber dafür hohen Freibeträgen, Zusammenführung aller wirklich erforderlichen
Sozialtransfers auch mit negativer Einkommenssteuer, wenn Sozialfürsorgesätze unterschrit-
ten. Einfachsteuer ist nicht Alles, aber ohne Einfachsteuer - Bürgerbelastungs-Transparenz -
sind alle Sozial-Gerechtigkeits-Diskussionen Schall und Rauch.

Soziale Gerechtigkeit in heutiger Wissensgesellschaft fordert mit Ralf Dahrendorf ein Bürger-
recht auf Bildung, will Startgleichheit - nicht aber die zentrale Einheits-Staatsschule. Will
Wettbewerb – nicht Einheitsbrei. Will Pflege je unterschiedlicher Talente - schon im Kinder-
garten. Will Freiheit im Sich-Bewähren-in-Eigenanstrengung - mit Navigations-Hilfen, Bil-
dungslotsen, Befreiung von bürokratischen Lasten und Klassen-Kampf-Vorurteilen. Solch
freier Wettbewerb der Ideen und Talente ist die Dividende der Wiedervereinigung - friedlich
erreicht durch „freiheitsrevolution89“ der DDR-Bürger - mit Bestätigung Erfolgsmodell
sozialer Marktwirtschaft. Kernmarke der Liberalen. Im Konsens auch mit übergroßer Mehr-
heit der Neu-Bundesbürger - nach „Staatsbegräbnis DDR“.

Sozialpolitik kann nicht isoliert als sozialistische oder Herz-Jesu-Geschenk-Politik immer


neuer Umverteilungen aus Steuermitteln betrieben werden, sondern gehört in den Gesamt-
Zusammenhang der Wirtschafts-, Bildungs-, Umwelt- und Strukturpolitik. Alles Große ist

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ebenso einfach wie selten, heißt es am Ende der ETHIKA von Baruch de Spinoza.
Einleuchtend rational und sozial gerecht ist Vertrauen in Wettbewerb auf Bildungs- und
Wirtschaftsmärkten.

Anders als im Programm für diesen Fünften Tag der Freiheit mit dem Ziel einer Aufarbeitung
der Ideengeschichte des Liberalismus angekündigt, werde ich aber keinen Rechenschaftsbe-
richt über liberale Gesellschaftspolitik geben, keine neuen Vorschläge zur Renten- oder Ge-
sundheitsreform, Kapitaldeckung der Alterssicherung, BAFÖG usw. vortragen. Für die Dar-
stellung sozialpolitischer Tagesprobleme gibt es Berufenere. Ich möchte Fundamente bloß-
legen, den Blick für Grundsätzliches öffnen. Ohne auch nur im entferntesten den Anspruch zu
erheben meinen, hochverehrten akademischen Lehrer, bundesinnen-ministeriellen Chef und
Freund Werner Maihofer ersetzen zu wollen, ersetzen zu können.

Ganz im Sinne Maihofer`s (der in seinem Bonner Innen-Minister-Amtszimmer immer die


Lasson`sche Gesamtausgabe sämtlicher Werke Hegel`s stehen hatte) mute ich ihnen mit
Gustav Radbruch, Rudolf von Jhering, ULPIAN, Hegel, John Rawls "Anstrengungen des
Begriffs" zu. Ohne "philosophischen Schatten" können seit Popper Liberalismus-Probleme
nicht sach- und praxisbezogen diskutiert werden. Kern des Freiheitsgedankens ist seit mehr
als 2000 Jahren Bürgerverantwortung, Gemeinwohlverantwortung, kultureller Ethik-Konsens.
"Die äußere Freiheit der Vielen beruht auf der inneren Freiheit des Einzelnen" (Theodor
Heuss).

Nach dem legendären Richter SMID in Bremen bekommt man vor Gericht ein Urteil, nicht
notwendigerweise Gerechtigkeit. Durch Gustav Radbruch wissen wir es gibt „gesetzliches
Unrecht“. Das Bundesverfassungsgericht bewahrt uns vor Wiederkehr “legaler“ Hitler-
Diktatur oder DDR-light mit Ersticken des Innovationswettbewerb durch Planbürokratie und
Sozial-Transfer-Staat.

Lassen Sie uns daher beginnen mit gemeinsamen Nachdenken, was eigentlich soziale Gerech-
tigkeit meint.

Vor allem eins: Entschlossenheit des Staates, Gerechtigkeit wie in der rechtsstaatlichen Ver-
fassung des Grundgesetzes festgelegt, ohne Ansehen der Person durchzusetzen. Gerechtigkeit
braucht einen starken verfassungsbewußten Staat – Freie Entscheidung des Einzelnen und
seine Menschenwürde schützend! Auch das 1992 „Dividende Wiedervereinigung“ aus
„freiheitsrevolution89“.

Nach der noch heute gültigen klassischen Definition des römischen Juristen ULPIAN:
"iustitita est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi..". Diese Definition
enthält vor allem diesen festen und beständigen Willen - also politische Entschlossenheit
gegen alle Interessenwiderstände - "Jedem das ihm zustehende Recht zuzuteilen", also
konkret zu verschaffen. Nur mit der ganzen Kraft einer starken „wehrhaften Demokratie“
(Theodor Heuss) können soziale Ungerechtigkeiten, Betrügereien, können Bestechung,
Korruption, Ämtermißbrauch, Vermachtung der Märkte mit Ausbeutung der Schwächeren
verhindert werden. Für Ulpian hat die Göttin des Rechts ein Schwert in der Hand. Das Recht
soll durchgesetzt werden, soll keine papierne Deklaration bleiben, soll auch für den sozial
Schwachen, für Verbraucher mit kleinem Geldbeutel gelten. Geld allein gibt keinen
Rechtstitel auf politische Ämter oder rechtliche Sonderbehandlung. Nach Kant „hört
Gerechtigkeit auf eine zu sein, wenn sie sich für irgendeinen Preis hergibt...“.

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Populistisch opportunistischer Preis können auch kulturelle Vorurteile, Haß auf Minderheiten,
ideolo-gische Verblendung sein. Gerechtigkeit braucht solchen energischen staatspolitischen
Willen - also Durchsetzungs-Macht, Grundrechte des sozial Schwachen gegenüber starken
Interessen Geltung zu verschaffen. Es eben nicht zu dulden, daß wie etwa in Italien, Rußland,
vielen lateinamerikanischen Staaten mit großem Geld der Mafiosi - der organisierten Krimi-
nalität oder auch gut organisierter Lobby - Teile der politischen Klasse und Bürokratie ge-
kauft werden. Im Mezzogiorno Süditaliens haben Gelder für den sozialen Wohnungsbau gar
nicht oder nur in lächerlichen Teilbeträgen die fiskalischen Adressaten, die Bedürftigen und
Chancen-Geminderten erreicht. Bauvorschriften - etwa zur Erdbebensicherheit - wurden offen
mißachtet. In Rußland, China wie in Peru bleiben viele Arbeitsschutz- und Umweltvorschrif-
ten bloßes Papier. Auch in einigen deutschen Kommunen gibt es bestechliche Beamte.

An diese allererste Voraussetzung sozialer Gerechtigkeit - an den Grund- und Schutzrechte


wirklich durchsetzenden starken Rechtsstaat - muß immer wieder erinnert werden, sonst
bleibt jede Gerechtigkeitsdiskussion idealistische Vision, lebensfremde Wortklauberei. Die
Demokratie von Weimar glaubte nicht an sich selbst, sie war wertneutral, war formale
Demokratie ohne Herzens-Demokraten, erschöpfte sich in Funktionsordnung der Staatsge-
walten, gab auch den erklärten Feinden der Freiheit jedes Recht die Diktatur legal einzufüh-
ren. Das Grundgesetz ist "wehrhafte Demokratie, " wertgebunden auch als "sozialer Bundes-
staat"(Artikel 20 GG). Im Gegensatz zu Wischwaschi-papierner Deklaration. Wir Studenten
im LSD oder bei den Jung-Demokraten sahen uns als "Beiß-Liberale"in den 50er und 60er
Jahren, kämpften an gegen Beliebigkeits-Liberale, gegen Lobby-Abhängigkeit, soziale
Insensibilität. In dubio pro libertate – im Zweifel für die Freiheit

Gelebtes Rechtsbewußtsein

Ein zweites Moment kommt als Voraussetzung für Gerechtigkeit hinzu: Bei den Rechtsbe-
troffenen in der Bevölkerung muß tradiertes gelebtes Rechtsbewußtsein vorhanden sein. Für
Hegel etwa oder auch den Urschweizer Demokraten Gottfried Keller ist Recht, Rechtsstaat,
Durchsetzen von Gerechtigkeit, volksgebunden, personengebunden, regional- und zeitgebun-
den, also gelebtes volkstümlich-ethisch fundiertes Recht. Der rechtlich verfaßte Staat ist nach
Hegel "als Geist eines Volkes..., das alle seine Verhältnisse durchdringende Gesetz, die Sitte
und das Bewußtsein seiner Individuen...". Jürgen Habermas hat für dieses gelebte im Volk
verinnerlichte Recht das Wort "Verfassungspatriotismus" geprägt. An demokratischen Verfas-
sungspatrioten fehlte es in der Weimarer Republik, sonst hätte Hitler nie legal zur Macht
kommen können.

Rudolf von Jhering hat in seinem berühmten Essay "Der Kampf ums Recht" 1872 an das
durch Machtmißbrauch, durch soziales Unrecht verletzte individuelle Ehrgefühl beim Rechts-
bruch erinnert. Die dadurch im innersten Kern verletzte eigene Persönlichkeit ist Machtmiß-
brauch "ehrlos-wehrlos preisgegeben"(Gustav Radbruch).

Für Liberale ist Teil dieses festverwurzelten Rechtsbewußtseins - jedenfalls in einer freiheit-
lichen Demokratie - die Mit-Verantwortung jedes Bürgers für das Gemeinwesen, das Mit-
Nachdenken über gelebte Gerechtigkeit - und zwar gerade in den sozialen Problemzonen. Das
reicht von der Drogenszene im Bahnhofsviertel von Großstädten bis zum verkehrssicheren
Schulweg der Kinder, von Zustand öffentlicher Parks bis zur Ausstattung der Schulen. Für
Friedrich Naumann ist in einer Demokratie "jeder Bürger ein Stück Staat". Diese Bürger-

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Verantwortung ist umso größer, je berufsbezogener, nachbarschaftbezogener das soziale


Problemfeld ist. Vor der Lösung der großen Sozial-Weltprobleme steht Lösung der offenkun-
digen Ungerechtigkeiten vor Ort. "Willst Du ins Unendliche schreiten, geh nur im Endlichen
nach allen Seiten" sagt Goethe. Oder wie das Sprichwort sagt: "Ein jeder kehr vor seiner Tür,
da braucht er manchen Besen!"

Nach Theodor Heuss "erhöht Gerechtigkeit ein Volk". Liberale lassen die Dinge nicht einfach
laufen. Sie sehen nicht weg bei Ausnutzen von Amtsgewalt oder Wirtschaftsmacht, Behör-
denwillkür, Ungleichbehandlung von Ausländern, Vandalismus in Zügen und anderen öffen-
tlichen Einrichtungen, offen-plumper oder versteckt-bösartiger Intoleranz. Liberale mischen
sich ein, gründen Bürgerinitiativen, sinnen auf Abhilfe in Organisation von Verbraucherinte-
ressen. Nur diese bürgeraktive corporate identity des organisierten Liberalismus vor Ort in der
Kommune wird das Überleben der Liberalen in der Parteien-Landschaft der Zukunft sichern -
nicht aber eine FDP, die nur als Ministerpartei eines Wirtschafts-Schrumpf-Liberalismus und
nur noch gelegentlich mit immer den gleichem Köpfen in virtuellen PR-talk-shows
wahrgenommen wird.

Bundespräsident Theodor Heuss wurde nicht müde immer wieder zu betonen, wie wichtig
nach Hitler-Barbarei das Wiederanknüpfen an die großen Rechtstraditionen des liberalen und
demokratischen Verfassungsstaates angelsächsischer Prägung ist im Grundgesetz. Zu diesen
liberalen Traditionen gehört auch die öffentliche Tugend der sozialen Gerechtigkeit, der un-
eigennützigen Hilfe für Chancen-Geminderte, für sozial Schwächere - von den Raiffeisen-
Genossenschaften, Arbeitsbildungsvereinen bis zur liberalen Frauenrechtsbewegung einer
Gertrud Bäumer. Liberale wie Eugen Richter oder Hansemann haben sich für Arbeiterschutz-
gesetze und Chancengleichheit sozial Schwächerer vor Gericht eingesetzt. Hildegard Hamm-
Brücher, Ralf Dahrendorf oder Paul Luchtenberg haben unermüdlich sozial gerechtere Rah-
menbedingungen im Bildungswesen durchgesetzt. Für Dahrendorf ist "Bildung selbstver-
ständliches Bürgerrecht", das allen zusteht, auch Mädchen, auch Menschen aus Nicht-
Bildungs-Bürgerschichten, Menschen mit Immigrationshintergrund, sozial Schwachen aus
ländlichem oder Arbeitermilieau. Zusammmen mit Georg Picht und Friedrich Edding haben
Liberale Sozialgerechtigkeit im Bildungswesen gegen konservative Kleingeister und
Dorfschul-Anhänger, wie CDU-Kultusminister Süsterhenn erkämpft.

Prinzip Eigenverantwortung

Und ein drittes Moment kommt zu rechtsstaatlichem Durchsetzungswillen und im Volk


verankerten Rechtsbewußtsein als Bedingung sozialer Gerechtigkeit für Liberale hinzu: das
Prinzip Eigenverantwortung oder anders gesagt die Entscheidungsfreiheit des Bürgers für die
eigene Wahl des sozialen Sicherungssysstems in Eigenvorsorge, etwa auch durch Aktien-
sparen im privaten Kapitaldeckungsverfahren, ganz ohne sozialstaatliches Volksheim –
folkhuset -wie in Schweden oder auch in der deutschen Sozialdemokratie. Nur durch Eigen-
verantwortung des Eigentum-Bürgers kann bei ab 2010 dramatisch zunehmender Überalte-
rung der deutschen Bevölkerung eine gerechte Sozial-Lastenverteilung zwischen den Genera-
tionen in Zukunft erreicht werden. Der Bundestag muß dringend Rahmenbedingungen für
einen neuen nachhaltigen Generationenvertrag festlegen.

Liberale warten nicht auf den Staat und seine sozial bürokratischen Wohltaten einer immer
komplizierter werdenden Umverteilung von Steuergeldern. Liberale kümmern sich selbst,
suchen neue Wege, vor allem staatsfreie ökonomischere Wege rationaler und effizienter

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bestehende und künftige Sozialprobleme zu lösen - also Versicherungslösung statt staatliche


Pflegeversicherung, ganzheitliche Gesundheitsvorsorge statt sündhaft teurer Apparate-
Medizin eines nachsorgenden Reparatur-Gesundheitswesen, Privatschulen und Privat-
(Stiftungs)Universitäten statt eines staatlichen Bildungseintopfes.

Zur sozial gerechteren Eigenvorsorge gehört dabei auch die Wahlfreiheit für den Zeitpunkt
des Ausscheidens aus dem aktiven Berufsleben. Gesundheit und Bildungsstand der 60 bis
80jährigen hat sich gegenüber der Zeit Bismarck`s und seiner Sozialgesetzgebung vor über
120 Jahren sehr verbessert. "Productive Aging" ist gefragt in Zukunft - auch mit Teilzeit-
Arbeit und Umsteigen von operativem Außendienst in Firmen auf Mentoren- und Fortbil-
dungsaktivitäten für die Erfahrungswissen der Älteren gebraucht wird. Das Alles sind
Modelle für neue Formen einer noch-produktiven Alterssicherung neben Beteiligungen am
Kapitalstock auch im eigenen Betrieb (mit begrenzter Veräußerungsmöglichkeit der Alters-
sicherungs-Aktien/Anteilsscheine). Als einer der ersten Firmen hat UNILEVER schon in den
70er Jahren ein solches Modell des productive aging nach Vorschlägen der Deutschen Gesell-
schaft für Zukunftsfragen eingeführt.

Liberaler ist sozialer

Wie alle diese Beispiele zeigen, waren in den letzten 200 Jahren bis heute Konzepte sozialer
Gerechtigkeit immer Teil liberaler Gesellschaftstheorie. Dies reicht von Initiativen zur Ab-
schaffung der Kinderarbeit, Gründung von Arbeiter-Bildungsvereinen, Adolf Damaschkes
Bodenreform-Ideen, den Hirsch-Duncker`schen Gewerkvereinen, Friedrich Naumanns natio-
nalsozialem Verein und Arbeiterkatechismus bis zum Freiburger sozialliberalen Paukenschlag
Werner Maihofer`s, Walter Scheel`s und Karl-Hermann Flach`s 1971. Liberale haben im
übrigen im Parlamentarischen Rat den Weg der Bundesrepublik zum demokratischen und
sozialen Bundesstaat in Artikel 20 des Grundgesetzes voll mitgetragen. Das Wort sozial ist
für Liberale im Erhard`schen marktwirtschaftlichen Modell insoweit ein Pleonasmus. Ebenso
töricht wie der Pleonasmus "kritische Wissenschaft".

Liberaler ist allemal sozialer, bedürfnisbezogen, chancengerechter - auch eben mächtigen


Wirtschaftsinteressen und Funktionseliten der politischen Klasse gegenüber. Ziel sozialer
Gerechtigkeit kann für einen Liberalen nur das Abschaffen gänzlich unverdienter, dem
Einzelnen nicht zurechenbarer sozialer und kultureller Nachteile sein. Dies muß durch
Rechtsgarantien der Chancengleichheit geschehen - vor allem im Bildungswesen und Gleich-
stellung der Frau im Berufsleben. Für einen Liberalen, wie den Schwaben Friedrich Theodor
Vischer, verstand sich "das Moralische immer von selbst". Vor hundert Jahren. Heute ist
solch bürgerlicher Ehrenkodex nicht mehr selbstverständlich.

Zusammengefaßt: Ausgangspunkt aller liberalen Gedanken zur sozialen Gerechtigkeit bleibt


immer das autonome Individuum, das seine Freiheit in eigener Verantwortung wahrnimmt,
sich immer wieder neu befreit aus Bevormundung und Staatskuratel. Jeder Bürger muß
Wahlfreiheit, muß Optionen haben für die Art der Alterssicherung, Gesundheitsvorsorge,
Aufteilung seiner Berufs-Biographie. Staatliche Rahmengesetzgebung muß sich auf Grund-
und Mindestsicherung, also auf eine Mindestvorsorge beschränken - ansonsten aber ein
breites Spektrum von frei zu wählenden sozialen Sicherungssystemen garantieren - vor allem
durch steuer- und versicherungsrechtliche Rahmenbedingungen.

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Neben das seit Bismarck garantierte Solidar-System eines Sozialminimums, muß heute auch
ein verfassungsrechtlich vor staatlichem Steuerzugriff geschütztes Kapitalminimum treten.
Schon der Alte Fritz hielt es für steuer - und sozialgerecht, daß jedem seiner Untertanen
wenigstens die Hälfte des Erarbeiteten und Ersparten verbleibt. Nur in solcher aus Freiheit
durch Vernunft begriffenen Selbstbestimmung ist Menschenwürde gewahrt. Auch immer
mehr Arbeitnehmer begreifen das inzwischen - trotz der klassenkämpferischen Steinzeit-
Parolen und Besitzstandswahrungs-Argumente der Gewerkschaften und reaktionären Ewig-
Marxisten.

Fallstrick Sozialverteilungsgerechtigkeit

Volle und freie Entfaltung der Persönlichkeit, pursuit of happiness, Streben nach Glück im
Leben (wozu soziale Gerechtigkeit für Viele gehört) kann und muß verlangen, daß kein Staat,
eine bevormundende gesellschaftliche Instanz, keine Partei, keine Kirche dem Einzelnen die
Entscheidung abnimmt, auf welchem Wege er versucht, seine Wohlfahrt, seine Vollkommen-
heit, sein Glück im Leben zu finden. Genau diese Entscheidungsfreiheit macht die "scintilla
DEI", göttlichen Funken, Gottebenbildlichkeit des Menschen aus, aus der sich aller Respekt
vor der Menschenwürde ableitet. Kern des GE-Wissens, kulturellen EthikSoll.

Im Galaterbrief 5,1 der Bibel heißt es: "Christus hat euch zur Freiheit befreit.." Es ist diese
Freiheit des Christenmenschen, die Freiheit zur Selbstbestimmung, diese "Befreiung aus
selbstverschuldeter Unmündigkeit"(Kant), die durch keine Ideologie staaatsverordneter
Sozialverteilungs-Gerechtigkeit oder noch so gut gemeinter Wohlfahrtsstaats-Konzepte
aufgehoben werden kann für Liberale. Viele Wege führen nach Rom. Immer neue "Sozial-
töpfe" bei immer drückenderer Steuer- und Abgabenlast zu schaffen, um den Sozialwohl-
taten-Verteilungsstaat zu finanzieren, ist der falsche Weg. Wir haben inzwischen die ältesten
Studenten mit - gegenüber ihren europäischen Kommilitonen - spätesten Berufseintritt (28,5
Jahre) und größten Anteil an Frührentnern in Europa. Motto: "Von BAFÖG in die Rente!"

Ethik des Kapitalismus

Das wohl aktuellste Problemfeld unseres Themas ist die Ethik des Kapitalismus (Peter
Koslowski), also die Spannung zwischen Wirtschaftsmacht und Sozialgerechtigkeit. Die
Entwicklung zum globalen Geldmarkt und digitalen Kapitalismus der letzten Jahre ist der
Abschluß eines schon über ein Jahrhundert währenden Prozesses einer Autonomisierung der
Wirtschaft (Edgar Salin), also der Herauslösung wirtschaftlicher Geschäftsbeziehungen aus
sozialen und kulturellen Normen zugunsten einer Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft, die sich
weitgehend nationalstaatlicher Einflußnahme entzieht. Dabei ist dieser Autonomisierungs-
Prozess mit den Merkmalen Individualisierung, Rationalisierung, Technisierung und Globali-
sierung, fest eingebunden in die Geschichte der Freiheits-Emanzipation in der westlich-
amerikanischen Kultur. Aus festem traditionellem Sozialstatus mit zukunfts-tähnlichen
Charakter, wie noch heute in vielen Standes- und Handwerkerordnungen, wird immer stärker
ein individuell mit demokratischer Legitimierung ausgehandelter Gesellschaftsvertrag.

Unverändert gibt es harte Kritik - auch der Kirchen - an der kapitalistischen Marktgesell-
schaft. Diese Gesellschaftsform sei egoistisch-brutal, sozial kalt, ungerecht, weil sie zu einer
einseitigen Vermögens- und Einkommensverteilung führe. Der Starke und Reiche werde auch
im Weltmaßstab unverhältnismäßig begünstigt. Nur ein Prozent der Weltbevölkerung verfüge

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über 94% des Weltvermögens. Der Titel eines bekannten Buches von Ulrich Wickert heißt
"Der Ehrliche ist der Dumme".

Diese Kritik ist besonders akut im innerdeutschen Ost-West-Dialog. Ostdeutsche sagen: " Die
Wessies machen uns platt..., sie kommen im Kolonialherrenstil, kaufen unsere Firmen,
Hotels, Filetstücke der ehemaligen VEB-Industriekombinate, überschwemmen uns mit west-
deutschen Waren. Ostdeutschen bleibt Arbeitslosigkeit, bestenfalls Abwrackarbeit in einer
ABM-Maßnahme. Ostdeutsche Arbeitslosenzahlen sind im Durchschnitt doppelt so hoch wie
im Westen. Viele industrielle Kerne sind für immer verschwunden, mittelständische Struk-
turen fehlen. Die Produktivitätslücke gegenüber dem Westen - etwa im Baugewerbe - läßt
sich wegen zu geringem Eigenkapital nicht schließen. Tariflöhne können in Ostdeutschland
auf lange Zeit nicht gezahlt werden. Ostdeutsche sind Bundesbürger zweiter Klasse... ".
Marxistisch inspirierte Komitees für Gerechtigkeit werden gegründet. Die SED Nachfolgepar-
tei PDS hat viel Zulauf, entwickelt sich zu einer Art von CSU Ost, zur DDR-Nostalgie- und
Regionalpartei.

Gesprochen wird in Ostdeutschland von einer "Gerechtigkeitslücke", vom "Absturz in die


Freiheit des Kapitalismus". Verletzungen, Verfolgungen, Verlogenheiten der SED-Kom-
mandowirtschaft ebenso, wie das Einrichten in die Überlebenskunst der DDR-Nischen-
Solidarität mit Monopoly-Geld ohne wirklichen Wert - das Alles zusammengenommen hat
einen "Gefühlsstau" (Hans-Joachim MAAZ) bei Alt-DDR-Bürgern hinterlassen. Freiheits-
und Lebensglückerwartungen der Euphorie November 1989 wurden oft enttäuscht. Hinzu
kamen Mißtrauen und Unverständnis gegenüber westdeutschen Wohlstandsritualen, Leis-
tungsanforderungen, Lebenshektik, Managersprache. Das Alt-DDR-VOLK fühlt sich auf
weite Strecken nach Maaz als "fehlgeleitetes und kleingemachtes Volk". Die enormen
Leistungen der Improvisation in einem hoffnungslos veralteten Industriepark, Kreativität
vieler DDR-Ingenieure, Industrieforscher, Facharbeiter seien im Westen unbekannt.

Bewährungsprobe Modell soziale Marktwirtschaft

Das Modell Alt-Bundesrepublik-West, die soziale Marktwirtschaft, steht im Osten


Deutschlands vor einer Bewährungsprobe. Transferzahlungen von weit über 1000 Milliarden
DM bis zum Jahre 2000, Quantensprung in der Verbesserung der Verkehrs- und Telekom-
munikationsinfrastruktur in Ostdeutschland, reichen offensichtlich nicht aus die im Osten
empfundene soziale Gerechtigkeitslücke zu schließen.

Es besteht eine Bringschuld der politischen Klasse Westdeutschlands in die Voraussetzungen


und Bedingungen freiheitlicher sozialer Marktwirtschaft alle Menschen in Ostdeutschland
einzuführen, in gelebten Beispielen Ethik des Kapitalismus aufzuzeigen. Dazu gehört in den
Schulen schon Erziehung zu einer Kultur der Selbständigkeit, Eigenverantwortung, Verste-
hen der Marktrationalitäten, Aufbau regionaler mittelständischer Märkte. Motto: Aus
Schwächen Stärken machen, unter anderem durch Partnerschaft in der Wirtschaft, Mitarbei-
terbeteiligungen am Unternehmensschicksal und Unternehmensvermögen, Schaffen von
regionalen mittelständischen Gütegemeinschaften, die im Vernetzen handwerklicher Leistun-
gen, wie ein Großkonzern arbeiten. Modell die italienischen „distretti industriali“.

Zur Bringschuld gegenüber Ostdeutschland gehört ein intensive Dialog aller Liberalen in
West wie Ost über verantwortbare Freiheit, bürgeraktive liberale Reformprojekte - von der
Privatisierung kommunaler Dienstleistungen bis Internet-Universitäten und virtuellen

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Rathäusern mit Bürgertransparenz aller Behördenvorgänge. Das Bild der FDP als Partei der
Besserverdienenden, sozial kalten Gewinn-Maximierer und Schrumpf(Wirtschafts)-Liberalen,
die den Kulturliberalismus längst über Bord geworfen, muß korrigiert werden - unter anderem
durch Ostmodernisierung der Freiburger Thesen von 1971 - vor allem in Richtung breite Ver-
mögensstreuung über Bonusbelegschafts-Aktien, Gewinn-Beteiligungen. Vor allem radikale
Steuervereinfachung mit drastischer Steuerentlastung Geringverdiener und Mittelstand.
Abschmelzen des Mittelstandsbauch in der jetzigen automatischen Steuerprogression.

Liberaler Paukenschlag Freiburg 1971

Unvergessen bleibt wie Werner Maihofer 1971 mit Kant "die vollkommen gerechte bürger-
liche Verfassung" als "höchste Aufgabe der Natur für die Menschengattung" mit revolutio-
närem Pathos beschworen hat. Für Maihofer wie für Friedrich Naumann sind die Liberalen
schlechthin die Reformbewegung der Gesellschaft. In Freiburg wurde auch das erste Umwelt-
programm einer deutschen politische Partei vorgelegt, das bis heute Blaupause für Umwelt-
programme anderer Parteien und der Europäischen Gemeinschaft ist.

Freiburg 1971 gibt Maßstäbe für eine Reform der sozialen und politischen Teilhaberechte in
der Demokratie. Für Liberale gehören Selbständigkeitskultur mit einer ganze Reihe von
sozialen Bürger-Teilhaberechten in den klassischen Grundrechtskatalog, wie Wahlrechte für
die Art der gewählten Gesundheits- und Altersversorgung, Volksbegehren und Volksent-
scheid unter anderem zur Bürgerabstimmung über Kommunalsteuern, wie in der Schweiz
oder für Mitsprache in Vorwahlen, wie in den USA für Kandidatenauswahl für Bürgermeis-
terämter oder Bundestagskandidaten. Liberale sind für Bürokratieabbau, entschlacktes Top-
management in allen Unternehmen, Gleichstellung von Human- und Finanzkapital bei Teil-
habe am Unternehmenserfolg (und natürlich auch am Unternehmensrisiko) über Mitarbeiter-
gesellschaften mit gehaltenen Unternehemensbeteiligungen/ Anteilsscheinen, wie bei Indus-
triemontagen-IMO-Leipzig. Jungunternehmer müssen schon in Universitätsinstituten nach
amerikanischen Beispiel Ausgründungschancen erhalten. Liberales Ziel ist es aus Mitarbei-
tern Geschäftspartner, Mitunternehmer, aus Lohnabhängigen Miteigentümer zu machen (vor
allem durch Mitarbeiter-Gewinnbeteiligungen, Mitarbeiteraktien, Mitarbeiter-Beteiligungs-
gesellschaften, wie im Modell IMO Leipzig).

Soziale Gerechtigkeit ist nur in einer grundsätzlich rechtsstaatlich verfaßten und ethisch ge-
bundenen Zivilgesellschaft zu erreichen. Marktgesellschaft und Demokratie, freiautonome
Wirtschaft und rechtlich kalkulierbare Geschäftsbeziehungen sind jeweils zwei Seiten der
selben Medaille. Das Einhalten bestimmter Fairness-Regeln in der Wirtschaft wird durch
Kartellrecht, Gesetze gegen unlauteren Wettbewerb, die Treu-und-Glauben-Regel im BGB
ebenso, wie durch unternehmensethische Grundsätze erreicht.

Soziale Gerechtigkeit wird aber auch durch freien transparenten Wettbewerb in der Markt-
gesellschaft selbst erreicht. Freiheitswettbewerb in der Marktgesellschaft meint vor allem
immer wieder neu getroffene Entscheidung vieler Einzelner über gewollte Lebensform,
gewünschte Produkte, Art der Freizeitgestaltung, Lektüre. Marktgesellschaft will Selbstbe-
stimmung, nicht Fremdbestimmung, will Wettbewerb erreichbarer Freiheitsräume und Frei-
heitschancen und nicht staatliche Gängelung und Produktionslenkung. In der Marktgesell-
schaft gibt es keine zentrale Instanz oder Autorität - sei es wie im Mittelalter die Kirche oder
noch vor wenigen Jahren das Politbüro der SED. Marktgesellschaft braucht den aktiven infor-
mierten Bürger, der sich selbst schlau macht durch Produktvergleich, Internetrecherche,

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Nutzen der vorhandenen Verbraucherberatung. Marktgesellschaft ist Steuerzahlerbund,


Elternbeirat, Schützenfest, Karnevals- und Sportverein, Bürgerinititative. In Amerika, der
Schweiz oder Schweden ist solche Basisdemokratie mehr zu Haus als bei uns.

Optionen sozialer Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert

Soziale Gerechtigkeit in der Marktgesellschaft ist für uns heute in Deutschland längst auch
immer breitere Streuung der Wohlstandsmehrung, quer durch die Gesellschaft verteilte
Einkommenszuwächse, wachsende Vermögen für alle, hoher Lebensstandard, Schutz vor Not
durch Sozialfürsorge des Staates. Verlangt wird heute auch von der Marktgesellschaft
begrenzten Ressourcen der Erde für künftige Generationen zu sichern - also eine ökologisch
verpflichtete Marktgesellschaft. Der Erwartungshorizont an die Leistungskraft der Wirtschaft
ist ungeheuer groß und noch immer im Steigen.

Doch wie kann bei solcher Revolution steigender Erwartungen soziale Verteilgerechtigkeit in
Zukunft erreicht werden? Wie kann eine Zwei-Drittel-Gesellschaft mit Absinken von
Millionen in Langzeitarbeitslosigkeit, Absinken ganzer Regionen in Hoffnungslosigkeit
vermieden werden? Gibt es ein liberales Patentrezept gegen diese Gefahren? Was können wir
aus Erfahrungen anderer Länder lernen?

Das Modell der schwedischen Wohlfahrtsapotheke/ Glückhaus/Fortuna huset mit einem


dichten Gestrüpp von Sozialbürokratie, nivelliertem Grundeinkommen, astronomischen
Sozialkosten ist von den Urhebern, den schwedischen Sozialdemokraten, selbst aufgegeben
und kein Vorbild. Kritik findet von Seiten deutscher Gewerkschaften und CDU-Blühm das
Thatcher- oder Reagan-Sozialmodell mit Verzicht auf leistungsfähige Mindestgesundheits-
vorsorge, Verzicht auf staatlich bezahlte Umschulungsmaßnahmen für Arbeitslose, konse-
quente Privatisierung kommunaler Dienstleistungen, Bürokratieabbau. Positiver wird auch
von SPD-Seite das holländische Konsens-Modell fester Lohn-Leitlinien, garantierten
Teilzeitarbeitsplätzen, Lohn-Verzichten der Gewerkschaften bei Arbeitsplatzgarantien
beurteilt. Diskutiert werden zur Zeit auch Sozialstiftungen nach amerikanischem Vorbild.
Ganz sicher können nicht alle Wünsche an den Sozialstaat in Zukunft noch erfüllt werden -
von der Bezahlung jeder gewünschten Art Medizinpräperate und Kuraufenthalte ohne
Selbstbeteiligung bis zu BAFÖG-Anrecht auf mehrfachen Studienwechsel - auch bei
Endlosstudium.

Bei Beantwortung der Frage nach dem Patentverfahren soziale Gerechtigkeit zu erreichen,
hilft uns keine wissenschaftliche Analyse. Kein Wissenschaftler kann uns in einer mathe-
matisch errechneten Optimierungsfunktion sagen, was die zugleich kostengünstigste als auch
sozial gerechteste Form einer Grundsicherung für Invalidität, Arbeitslosigkeit, Krankheit,
Altersvorsorge, Pflegebedürftigkeit ist.

Thomas von Aquin hat zuerst einen scharfen Trennungsstrich zwischen Wissen und Glauben
gezogen. Obwohl wir nicht wissen, was optimale soziale Gerechtigkeit, so können wird doch
an das Ideal oder die Utopie sozialer Gerechtigkeit glauben, können für Fairness im Ge-
schäftsverkehr, Beachtung ethischer Grundsätze eintreten, uns persönlich dafür einsetzen,
dass jeder Mitbürger das ihm menschlich Zustehende an Aufmerksamkeit, Zuwendung,
Liebe, Fürsorge, materiellen Gütern erhält. Doch das ist immer unsere ganz persönliche
subjektive Entscheidung im Einzelfall. Soweit Thomas von Aquin.

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Egalitarismus-Falle

Volkommene Gleichheit aller Lebensverhältnisse ist jedenfalls für Liberale keine Lösung der
Frage nach sozialer Gerechtigkeit. Sowjetunion, Kuba, Tansania sind Beispiele für das
unmenschlich-groteske solcher Wirtschaftsexperimente. Alle diese Sozialgerechtigkeits-
visionen sind an der menschlichen Natur mit all ihrer Neugier, Freude an Selbstbestimmung
und Leistungsvergleich gescheitert. Es blieben Intellektuellen-Konzepte, blutleer, praxisfern.
Egalitäre Ideologien führen auch unweigerlich bei gegebener menschlicher Natur zur Ver-
schwendung. Wenn es nicht ausreichend Güter und Devisen für alle gibt und plangerechte
Verteilung angeordnet, dann wird das was einmal zugeteilt, behalten und verschwendet, auch
wenn dies ökologisch und ökonomisch unsinnig (etwa in der energie- verschwenderischen
und umweltschädlichen Übernutzung der Braunkohle in der DDR).

RAWLS THEORIE DER GERECHTIGKEIT

Auf der Grundlage von Kant, Popper, John Stuart Mills nüchternem Studium der Menschen
hat der Amerikaner John Rawls eine realistisch-empirische Theorie der Gerechtigkeit ent-
wickelt, die liberale Grundaxiome beachtet. Für Rawls wie für Dahrendorf ist Liberalismus
Misanthropie (Lebensverzweiflung), aber mit einem pragmatischem "Schuß Hoffnung". Für
Rawls ist Gerechtigkeit vor allem Fairness, Beachtung von Spielregeln, die Vorteile für alle
Mitspieler bringen. "Jedermanns Wohlergehen ist von der Zusammenarbeit mit anderen
abhängig, ohne die niemand eine befriedigendes Leben hätte, und daß daher die Verteilung
der Güter jeden , auch den weniger Begünstigten geneigt machen sollte, bereitwillig mitzu-
arbeiten...". Diese Ziel eines Anerkennens von Fairness-Spielregeln wird nach Rawls durch
zwei Grundsätze erreicht:

Gleichheit der Grundrechte und Grundpflichten in einer Gesellschaft. Jeder sollte die gleichen
Grundrechte, die gleichen Freiheiten einfordern können, wie sie auch anderen zustehen. Was
Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.
Unvermeidliche, unverdiente, grundsätzlich-schicksalhafte wirtschaftliche und soziale
Ungleichheiten - etwa verschiedene Sozialmilieus, verschiedener Reichtum, Macht, Einfluß -
sind nur dann gerechtfertigt, wenn sich aus solchen Ungleichheiten zugleich Vorteile für
jedermann ergeben, besonders aber für die schwächsten, ärmsten Mitglieder der Gesellschaft.
Die ist die alte Lehre der Bibel und christlichen Kirchen vom Recht der Armen als Gottes
Kreatur, die von Reichen, Mächtigen zu achten ist. Schreiende Ungerechtigkeiten in der
Vermögensverteilung im Weltmaßstab, Unterschiede zwischen reichen und armen Ländern
dürfen nicht zu Kriegen - zum Weltkrieg des Weltdorfes gegen die Weltstadt (MAO TSE
TUNG) führen. Die Vorteile, die den Privilegierten zufallen, sollten auch den Chancen-
Geminderten, den Armen, den Schwächsten in der Gesellschaft in angemessener Weise mit-
zugute kommen.

Rawls formuliert einen rechtsstaatlichen und pragmatisch-umsetzbaren Fairness-Grundsatz


sozialer Gerechtigkeit. Chancengleichheit durch jedermann zustehende Grundrechte und
rechtlich fixierten Lastenausgleich für die Schwachen und Chancen-Geminderten in der
Gesellschaft. Dies kann über Einkommenssteuer-Freitbeträge, Stiftungsrecht gekoppelt mit
Bonus im Erbrecht bei Errichten von Sozialstiftungen, Solidaritätsabgaben der Privilegierten,
bürgeraktive Spendenparlamente und Kommunitarismus-Aktionen geschehen. Zu denken ist
auch an Sozialsparmodelle, Sozial-Patenschaften von Betrieben, Kommunen, Stiftungen, ein
freiwilliges "Soziales Jahr" oder auch einen Pflicht-Sozialdienst für junge Männer und Frauen

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Mittelstandslexikon

- statt des bisherigen Pflicht-Grundwehrdienstes und Ersatzdienstes nur für Männer - zum
Einüben der öffentlichen Tugend sozialer Gerechtigkeit. Jeder Jugendliche sollte als eine Art
soziales studium generale vor Aufnahme von Studium oder Berufstätigkeit die Schatten- und
Kehrseiten der Industriegesellschaft wenigstens einmal in seinem Leben hautnah erleben -
von einer Drogensuchtstelle über Gefängnisalltag, Bahnhofmission, Unfall-Not-Stationen
und Krankenhauspflege bis zu Abwasserreinigung, Müllabfuhr, Entstehung und Bekämpfung
Umweltkriminalität.

Rawls will das Problem lösen, wie stabile Kongruenz in einer Gesellschaft hergestellt werden
kann, zwischen Gerechtigkeit als Fairness und Tun guter Werke (goodness) als rational
jedermann einleuchtendes Verhaltensmuster. "Es bleibt mir zu zeigen das unter den
gegebenen Umständen einer gut-geordneten Gesellschaft, rationale Lebensplanung einer
Person ihren ganz persönlichen Gerechtigkeitsinn unterstützt und bestätigt.(affirms his sense
of justice.." ( Theory of justice, S.513). Rawls hebt ab auf Selbstbestimmung des Einzelnen,
eigene Einsicht, eigene Entscheidung - nicht auf Fremdbestimmung durch einen fürsorgenden
Sozialchancen-Verteilungsstaat. Autonomie der Person und Objektivität rationalen Handelns,
Vernunftgebrauch sind seine Prinzipien für Herstellen sozialer Gerechtigkeit.

Rawls strebt "gerechte soziale Gemeinschaften" an, an der "alle gemäß ihrer Neigung teilneh-
men können." Dabei muß man lebenspraktisch immer im anderen die Eigenschaften finden,
"die man selbst nicht entwickeln konnte oder nicht besaß". Das heißt für Rawls lassen sich die
liberalen Tugenden der Fairness, Toleranz, Reformwillen nur dann entwickeln, "wenn im
Anderen seine ganz eigene Menschenwürde und Besonderheit respektiert, ja als Bereicherung
des eigenen Lebenshorizontes gesehen wird." Nur über Spielregeln des sozialen bürgeraktiven
Miteinander, die in jeder gerechten Gemeinschaft im Rawls`schen Sinne selbst gefunden
werden, läßt sich Fairness, fair play entwickeln und Einüben. Da gilt für die Familie, wie für
einen Ruderclub oder eine Bürgerprotestaktion.

Wie bereits für Wilhelm vom Humboldt oder Goethe in seinem Wilhelm Meister, ist auch für
Rawls allseitige Bildung des Menschen in allen seinen je eigenen Fähigkeiten, die beste
Voraussetzung für Gemeinschaftsorientierung, soziale Mitverantwortung in der Kommune
oder im Unternehmen für Chancen-Geminderte, sozial Schwächere, Lebensverzweiflte und
im Lebenskampf des Alltags Schwächere. Wie auch bei Jefferson, Friedrich Naumann oder
Dahrendorf ist auch der Rawls`sche Bürger Bildungsbürger, aktiver Bürger, informiert sich
einmischender Bürger in seiner Kommune.

Immer wieder betont Rawls, daß von Politikern und Ökonomen angestrebte theoretisch be-
gründete Verteilgerechtigkeit im Sinne einer annähernden Vermögens- und Einkommens-
Gleichheit bei allen Bürger/ Teilnehmern am Wirtschaftsleben "zu immer größeren Ungleich-
heit und Ungerechtigkeiten zwangsläufig führt...". Das zentrale Dilemma jeder Kritik am
Kapitalismus mit klassenkämpferischen Hinweis auf fehlende Verteilgerechtigkeit, "Fehlen
eines automatisch gerechten Ergebnisses aus dem Marktprozess" liegt an der "falschen
Definition des Gerechtigkeits-Begriffes." Selbst die Tatsache, daß heute die meisten Menchen
soziale Gerechtigkeit wünschen, ja dafür kämpfen und demonstrieren, "gibt der sozialen
Gerechtigkeit keine Inhalte.

In einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ordnung ist nach Rawls der Ausdruck Verteilung


im Zusammenhang mit Problemen sozialer Gerechtigkeit immer irreführend, weil der Ein-
druck fälschlicherweise erweckt wird, "gewisse Arten der Verteilung seien Ergebnis

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Mittelstandslexikon

bewußten rationalen Handelns". Niemand verteilt in einer marktwirtschaftlichen Ordnung


Einkommen, niemand teilt Lebenschancen zu. In einer Marktwirtschaft gibt es keine zentrale
Glückverteilstelle, kein Glück-Ministerium, keine Gerechtigkeitslose für jedermann. Man
kann also weder von einer gerechten noch einer ungerechten Einkommensverteilung sprechen
- eher von einer von Fall zu Fall, von Region zu Region verschiedenen statistischen Streuung
des Einkommens. Je nach Marktsituation, aber auch nach Solidarsituation in den Kommunen
und Betrieben. Das Bundesverfassungsgericht hat erst kürzlich entschieden, daß zwei Millio-
nen deutsche Bürger mit einem Einkommen unterhalb des Fürsorgesatzes keine Einkommens-
steuer zu bezahlen brauchen. Durch den Länder-Finanzausgleich muß einem zu weitgehenden
Auseinanderdriften regionaler Wirtschaftsgefälle gegengesteuert werden.

Die sozial gebundene Marktwirtschaft des Grundgesetzes folgt keinerlei Ideal oder Ideologie
sozialer Gerechtigkeit, weder kennt das Grundgesetz Einkommen-Egalitäts-Philosophie oder
im anderen Extrem das Konzept der völligen Sozialabgabenfreiheit und der absoluten Eigen-
tumsverfügbarkeit. Nach Artikel 14 Abs.2 des Grundgesetzes soll Eigentum dem Wohl der
Allgemeinheit dienen. Nach Artikel 15 GG können Grund und Boden, Naturschätze, Produk-
tionsmittel in Gemeineigentum oder andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.

Nach der im Hinblick auf politische Inhalte sozialer Gerechtigkeit Ideologiefreiheit und ge-
sellschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes müssen alle sozialpolitichen Entschei-
dungen des Gesetzgebers von Fall zu Fall gesamtpolitisch verantwortet werden, innerhalb
eines Korridors finanzpolitischer Vernunft und einer die Grundrechte der Menschenwürde,
Gleichheitsgrundsatz, Eigentumsgarantie, Berufsfreiheit, Finanzverfassungsregelung beach-
tenden Güterabwägung. Keine sozialpolitische Entscheidung kann per Computer-Mausklick
in Umsetzung eines Sozialgerechtigkeits-Optimierungsprogramm oder wissenschaftlichem
Analysekonzepts abgerufen werden. Unerläßlich sind öffentlicher Diskurs, Klarheit und
Wahrheit in der Vorlage der Grunddaten, um schließlich zu Mehrheiten in Bundestag und
Bundesrat zu kommen. Gerechte Verteilung - auch im Fonds Deutsche Einheit oder
Transferprogramm Aufschwung Ost - kann kein Professoren-Gutachten, Bundeskanzler-
machtwort oder ein Mc-Kinsey-Team garantieren.

Laßt viele Blumen blühen!

Für Liberale ist entscheidend bei Erarbeiten von Bedingungen für soziale Gerechtigkeit, daß
möglichst viele Optionen sozialer Sicherung, Alters- und Gesundheitsvorsorge für den
einzelnen Bürger offen gehalten werden, ein Zwangskorsett vermieden wird. Jeder Fall einer
Lebens- und Berufsbiographie liegt anders. Noch mehr in Zukunft, wenn Lebenszeitberufe
die große Ausnahme und mehrfaches Umlernen und beruflicher Wechsel die Regel sein
werden. Jeder braucht einen anderen Mix aus Grundrente, privater Versicherung, Berufsrente
oder betrieblicher Vermögensbeteiligung, productive aging, solidarischer Hilfe in der Familie
usw. Diese breite Streuung der individuell ausgehandelten Sozialhilfe und -sicherung bringt
allemals bessere Ergebnisse als sie eine zentrale Verteilungsbürokratie je erreichen könnte.

ZUSAMMENFASSUNG

Absolut-zeitlose soziale Gerechtigkeit - losgelöst von konkreten Lebensumständen - voll-


kommene soziale Verteilgerechtigkeit ist schon denkunmöglich, ist ein Widerspruch in sich,
weil zum Gerechtigkeitsbegriff das nach Umständen des Einzelfalles jedem zustehende Recht
(suum cuique) gehört. Aus gnadenloser Egalität entsteht gnadenloses Unrecht. Für Liberale

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Mittelstandslexikon

gehört zu den wichtigsten Bedingungen sozialer Gerechtigkeit Sebstbestimmung der jeweils


indivduell lebenspraktischsten Formen sozialer Vorsorge im fair play des Argumentations-
und Interessenausgleichs. Ferner Durchsetzungsmacht des Rechtsstaates und tradiert-gelebtes
freiheitliches Rechtsbewußtsein vor Ort in den Kommunen und im Gesamtsstaat (Verfas-
sungspatriotismus).

Hegel hält nichts "von für allemal unveräußerlichen Rechten", hält nichts von "nur-abstrakter
Juristengerechtigkeit". Für Hegel - wie für Rawls - gibt es ein "für jede bestimmte Zeit, jedes
Volk, jede Region eigentümliches vernünftiges, gelebtes Recht". Vernunftgebrauch, Fairness
im Umgang miteinander, Toleranz dem Fremden gegenüber, wie im antiken Gastrecht, Ver-
läßlichkeit, Kalkulierbarkeit, Mitmenschlichkeit in den sozialen und wirtschaftlichen Bezie-
hungen sind alles Teilbedingungen wirklich gelebte sozialer Gerechtigkeit. Immer wieder
muß neu versucht werden, die Chancen für gelebte soziale Gerechtigkeit und Fairnes beim
wirtschaftlichen Interessenausgleich zu erhöhen. Liberale halten es dabei schon immer mit
John Rawls: "Niemand soll aufgrund von Dingen für die er nichts kann, schlechter dastehen
im Leben, schlechtere Chancen haben als andere".

Arme und Kranke, Hilfsbedürftige, Zu-Kurz-Gekommene, Schwache wurden in der alten


frühmittelalterlichen christlichen Kirche als "Schatz", als wertvolles christliches Gut (Bonum
Pauperum) angesehen, das erst das Christ-Sein, das in der Nachfolge Christi wirklich Stehen-
den belegt. Toleranz, Güte, Mitmenschlichkeit, Schutz der Schwachen durchzusetzen, kann
für Liberale nicht allein eine Frage des Rechts sein, sondern wie auch für Friedrich Naumann
Lebenspraxis, Lebenshilfe für den Schwächeren. Bürgeraktion.

Im Aufzeigen der Bedingungen sozialer Gerechtigkeit muß die freiheitliche Ordnung des
Grundgesetzes ihre wohl größte Bewährungsprobe zur Zeit im Einigungsprozeß bestehen.
Überwinden der Wunden der Teilung Deutschlands kann nur im gegenseitigen Respekt vor
sehr unterschiedlichen Biogaphien und im Miteinander eines fairen Teilens vor allem wirt-
schaftlicher und sozialer Probleme bestehen.

Der Schlüssel für soziale Gerechtigkeit,für ein ausgewogenes soziales Gleichgewicht ist heute
- und noch mehr in Zukunft - Zugang zu Arbeit aufbauend auf Zugang zu Wissen, Fortbil-
dung, Weiterbildung. Klassenantagonismen, Gefühle des Zu-Kurz-Gekommenseines, Ausge-
schlossenseins in einer Gesellschaft im Zeitalter weltweiter Vernetzungen der Märkte und
Finanzströme wird nicht mehrt der Gegensatz zwischen reich und arm, sondern der Gegensatz
zwischen denen, die wissen, die Zugang zu allen Informations- und Fortbildungsmöglichkei-
ten haben - und denen, die solchen Zugang nicht haben. Soziale Gerechtigkeit bedeutet in
Zukunft vor allem Garantie gleicher Bildungschancen.

Was ist nun die praktische Moral- und Nutzanwendung für Behandlung des Themas soziale
Gerechtigkeit? Was sind Handlungsempfehlungen für die Friedrich-Naumann-Stiftung für
eine Kampagne für Grundsätze liberaler Sozialpolitik - auch in Abwehr der Denunziation, die
F.D.P. sei Partei der Besserverdienenden, Partei der sozialen Kälte und Ellbogengesellschaft?
Wie wird für das 21. Jahrhundert der Generationenvertrag neu definiert? Nach Theodor
Heuss „erhöht Gerechtigkeit ein Volk“.

Wichtigste Empfehlung ist an Selbstverantwortung des Einzelnen immer wieder neu zu


appellieren, an gelebten Beispielen, Unauflöslichkeit einer Freiheit in Verantwortung für
Nachbarn, Mitbürger, Chancen-Geminderten aufzuzeigen - etwa in Bürgerinitiativen,

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Mittelstandslexikon

Ehrenämtern, Elternbeiräten, sozialem Engagement. Soziale Gerechtigkeit besteht vor allem


im Schaffen von gleichen Chancen für ein erfülltes Leben für alle Bürger, garantiert durch
einen starken durchsetzungsmächtigen Rechtsstaat, der auch für faire Spielregeln in der
Wirtschaft sorgt, vermachtete Märkte verhindert.

Der obligate Hinweis, die beste Wirtschaftspolitik sei auch die beste Sozialpolitik reicht
allerdings heute - wie noch zu Ludwig Erhard`s Zeiten vor 30 Jahren - nicht mehr aus. Es geht
eben nicht - wie unter anderem Hitlerismus oder Stalinismus in Rußland und Osteuropa oder
Pol Pot in Kambodcha meinten - um Gleichheit einer Gruppe mit allen anderen, sondern um
Respektieren der Menschenwürde in Anderen durch Schutz der Grund- und Menschenrechte,
wozu ein sozialer Mindeststandard in unverschuldeten sozialen Notlagen für Liberale immer
gehört hat - als selbstverständlicher Bestandteil bürgerlicher Zivilität und Bürgerverantwor-
tung. Liberale zitieren Voltaire: Ich verabscheue Ihre Auffassung - ich werde aber Alles tun,
damit sie diese Meinung ausdrücken können". Freiheit ist immer die Freiheit des Andersden-
kenden, Anderslebenden, Andersfühlenden. Es geht um Mitmenschlichkeit, Empathie, Zu-
Hören-Können, um Achtung je verschiedener Personalität, Eigenheit, regionaler Gebunden-
heit. Jedenfalls gilt dies für Liberale, wenn sie das jahrtausendealte Problem soziale Gerech-
tigkeit diskutieren.

Niemand sollte mehr in eine staatlich verordnete Zwangsjacke gesetzlicher Sozialstandards


gepresst werden, wie dies in kommunistischen Systemen üblich. Solidarität beginnt in
Familie, Nachbarschaft, Kommune, Kirche, Schule, beruflichem Umfeld. Zu Bürgerrechten
treten soziale Bürgerpflichten, in Ehrenamt und Engagement für den Nachbarn, Mitbürger,
Menschen in Not. Dies kann im Lions Club ebenso geschehen, wie in einer spontanen Bürger-
inititative. Solche Subsidiarität heißt wechselseitig füreinander Verantwortung übernehmen.
Freiheit-in-Verantwortung.

Genau das habe ich bei meinen akademischen Lehrern Werner Weber, de Boor, Gustav
Radbruch, Werner Maihofer, Georg Picht gelernt und versucht, dies hier auf dem Fünften Tag
der Freiheit der Liberalen in Rastatt weiter zu geben.

Liberaler ist unbestritten sozialer! In dubio pro libertate! Gewissenhaft - Wertgebunden!

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