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Wissenschaft

Vorlesung an der Uni Jena


Wochenplan wie ein Flickenteppich

Am Ende, als die Auswertung kam, wa-


ren viele Teilnehmer selbst schockiert. Ih-
rer Überzeugung nach hatten sie viel
mehr Zeit ins Studium investiert.
Ebendaran aber kranken die üblichen
Studien, in denen die Probanden nur aus
der Erinnerung einschätzen, wie hoch ihr
Aufwand war. In der Rückschau nehmen
sich ein paar Stunden des Lernens, abge-
rungen dem versuchungsreichen Alltag,
leicht wie ein Kraftakt aus. Nur wer ein
Stundenbuch quasi in Echtzeit führt, ist
vor Selbstbetrug gefeit.
Schulmeisters Studie, die nun erstmals
das reale Zeitbudget gemessen hat, dürfte
die Debatte um die Arbeitslast an den
Hochschulen neu befeuern. „Der typische
Student hat zwölf Stunden Privatleben
am Tag“, bilanziert der Forscher. „Die
Freizeit hat für diese Generation offenbar
einen hohen Wert.“

JENS-ULRICH KOCH / DAPD


Neue Zahlen aus den USA lassen auf
einen globalen Trend schließen. Die kali-
fornischen Soziologen Philip Babcock
und Mindy Marks haben Untersuchungen
zum Zeithaushalt aus einem halben Jahr-
hundert ausgewertet. Ihr Befund: Im Jahr
1961 wendeten die Studenten noch im
BILDUNG
Schnitt 24 Stunden in der Woche fürs
Selbststudium auf. Im Jahr 2003 war der

Erschöpft vom Bummeln Wert auf 14 Stunden gesunken.


Der deutlichste Rückgang war schon
vor 1981 festzustellen, und er vollzog sich
quer durch alle Milieus, in elitären wie
Studenten klagen über steigenden Leistungsdruck – in mittelmäßigen Colleges. Die Forscher
nun aber enthüllt eine neue Studie, haben nur eine Erklärung: Das Leben jen-
wie wenig die meisten in Wahrheit für ihr Studium tun. seits der Universität muss den jungen Leu-
ten wichtiger geworden sein.

T
rostlos ist das Studentenleben, so Das ergab eine Stichprobe an vier deut- Freilich wird auch oft beklagt, dass im-
geht seit Jahren die Sage: nichts als schen Hochschulen, geleitet von dem mer mehr Studenten nebenher Geld ver-
Gebüffel, Prüfungen ohne Unter- Hamburger Bildungsforscher Rolf Schul- dienen. Das erklärt aber kaum, warum
lass und abends in der Kneipe bedienen meister. In sechs verschiedenen Bachelor- ihr Studieneifer so drastisch nachgelassen
für die Miete. Um schlimmen Leistungs- Studiengängen wurde dafür jeweils ein
druck ging es auch bei den Massenpro- Studentenjahrgang gründlich überprüft –
testen im vergangenen Wintersemester. von den Erziehungswissenschaftlern an
Studentische Arbeitslast
So mancher Kommilitone, hieß es damals, der Uni Mainz bis hin zu den Mechatro- Durchschnittlich in das Studium investierte
müsse 60 Stunden in der Woche fronen. nikern an der TU Ilmenau. Zeit pro Woche, in Stunden*
Sogar Bildungsfunktionäre und Profes- Eigentlich wollten die Forscher nur das Bologna-Vorgabe: 40 Stunden
soren ließen sich anrühren vom Elend der Ausmaß der allseits beklagten Überlas-
studierenden Jugend – einen „Fall für den tung dokumentieren. „Es hat uns sehr Kulturwissenschaften Hildesheim
Europäischen Menschenrechtsgerichts- überrascht, wie wenig die meisten Stu- 27
hof“ sah darin der Münchner Philosoph denten tatsächlich tun“, sagt Schulmeis-
Medien- u. Kommunikationswissenschaften Hamburg
Julian Nida-Rümelin, ehemals Kultur- ters Mitarbeiterin Christiane Metzger.
staatsminister unter Bundeskanzler Ger- Kann es sein, dass Selbstwahrnehmung 26
hard Schröder. und Realität in der Studentenschaft der- Sozial- und Organisationspädagogik Hildesheim
Das war wohl doch ein wenig übertrie- art weit auseinanderklaffen? Die Metho-
ben. Eine neue Studie zeigt: Die aller- de, die bei der Studie zum Einsatz kam,
24
meisten Studenten bringen es nicht ein- lässt wenig Raum für Zweifel: Insgesamt Mechatronik Ilmenau
mal auf eine 40-Stunden-Woche, Jobben 121 Probanden mussten ein ganzes Se- 24
inklusive. Der mittlere Aufwand fürs Stu- mester lang täglich in ein Web-Formular
dium liegt bei 26 Wochenstunden – und eintragen, womit sie jeweils beschäftigt Erziehungswissenschaften Bachelor, Mainz
auch das nur, weil einzelne besonders ar- waren, wann und wie lange: Lektüre zur 23
beitsame Geister den Durchschnitt heben. Vorbereitung eines Seminars, Selbststu-
Erziehungswissenschaften Diplom, Mainz
Ein sattes Viertel der Vielgeplagten mo- dium in der Bibliothek, Vorlesung, Lohn-
gelt sich mit 20 Stunden und weniger arbeit. Auch private Zeiten wurden genau 20
durch die Semester. erfasst. *Wintersemester 2009/10; Quelle: ZHW

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hat. Denn die breite Masse verausgabt
sich im Job nur in höchst erträglichem
Maß. Die Probanden der Zeitbudget-Stu-
die etwa gingen im Schnitt 6,4 Stunden
pro Woche einem Nebenerwerb nach.
Und auch hier waren es wieder verein-
zelte Rekordarbeiter, die mit 40 Stunden
und mehr den Durchschnitt hoben – sie
wären eher als Teilzeitstudenten einzu-
ordnen. Bei den übrigen aber sollte das
Studium nicht ernstlich unter den paar
Stunden Jobberei leiden.
In Europa war es die Bologna-Reform,
die überhaupt erst die Frage nach der
Messbarkeit studentischen Einsatzes auf-
warf. Seit 1999 werden nicht nur mehr
und mehr Studiengänge auf Bachelor-
und Master-Abschlüsse umgestellt; auch
den erforderlichen Zeitaufwand pro Stu-
dium haben die Bildungsbürokraten be-
ziffert. In Deutschland ist für den Bache-
lor ein Gesamtpensum von 1800 Stunden
im Jahr vorgesehen. Das sind, bei sieben
Wochen Urlaub, genau 40 Stunden in der
Woche. Erwachsenen Menschen sollte das
GEORG KNOLL / LAIF

zumutbar sein.
Was heißt es nun aber, wenn schon
eine normale Arbeitswoche die Studen-
ten von heute überfordert? Wächst da
eine Generation lamentierender Faul- Berliner Internetcafé: „Die Freizeit hat für diese Generation einen hohen Wert“
pelze heran? So weit würden die Forscher
keineswegs gehen. Gelernt wird erst, wenn es nicht mehr an- senschaftler müssen wir uns dagegen
„Wir haben einige Probanden genauer ders geht, also kurz vor den Prüfungen.“ keine Sorgen machen, die sind gut aus-
befragt“, sagt Christiane Metzger. „Viele Die meisten Klausuren finden oben- gelastet.“
fühlen sich ja wirklich stark gestresst. Im drein erst am Ende des Semesters statt; Für die anderen Fächer heißt es nun
Nachhinein glauben sie dann, sie müssten zuvor erfahren die Studenten wenig über Abhilfe schaffen: „Das Studium müsste
auch entsprechend viel geleistet haben.“ die Folgen ihres Tuns oder Lassens. Auch blockweise organisiert werden“, sagt der
Eine Frau erzählte, sie habe vor dem das fördert das Trödelverhalten, das die Bildungsforscher. Statt zwölf Wissensge-
Studium 50 Stunden die Woche gearbei- Forscher immer wieder beobachteten: Im biete in Anderthalbstunden-Portionen
tet. Das habe sie weit weniger zerrüttet vergangenen Wintersemester verbrachten übers ganze Semester zu verstreuen, bö-
als die 30 Stunden, die sie nun an der Uni ihre Probanden den Oktober, November te es sich an, sie konzentriert in Blöcken
aufwendet. Die Studie legt eine überra- und Dezember sehr geruhsam – die meis- von ganzen Tagen zu bearbeiten. Nach
schende Erklärung für das Missverhältnis ten saßen nur in ihren Seminaren und vier, fünf Wochen käme dann das nächste
nahe. Sie zeigt, dass das Studium zumeist Vorlesungen, der Anteil des Selbststu- Thema dran. Auf diese Weise blieben die
höchst lernwidrig organisiert ist. diums war nicht nennenswert. Erst im Ja- Studenten im Stoff, und sie wüssten, wo-
Der typische Wochenplan eines Bache- für sie anfallende Freistunden sinnvoller-
lor-Studenten ist scheckig wie ein Flicken- „Das Internet ist der größte weise verwenden sollten.
teppich: Bunt über die Woche verstreut Im nächsten Abschnitt der Zeitbudget-
finden sich da Seminare und Vorlesungen Zeitfresser – das sagen auch die Studie wollen die Forscher nun erproben,
zu zehn oder zwölf verschiedenen The- Studenten selbst.“ wie sich die gefühlte Überforderung der
men. Jede Veranstaltung verlangt eigent- Studenten beheben ließe. An der TU Il-
lich ein gewisses Pensum des Vor- und nuar, kurz vor den Prüfungen, schnellte menau werden deshalb die Mechatroni-
Nachbereitens, aber die leere Zeit zwi- die Kurve nach oben. Bei den Mechatro- ker im Wintersemester nach einem neuen
schen den Terminen ist nur schwer sinn- nikern in Ilmenau verdreifachte sich jäh System studieren: Prüfungen gibt es nicht
voll zu nutzen – zu kurz sind meist die der Aufwand. mehr nur am Ende des Studienhalbjahrs.
Lücken. Für anderthalb Stunden in die „Wir nennen das Bulimie-Lernen“, sagt Stattdessen schreiben sie mehrere „Mi-
Bibliothek? Dann lieber ein Weilchen bei Schulmeister. „Die Studenten sind nicht kroklausuren“ zwischendurch; etliche da-
Facebook herumklicken. in der Lage, sich die Arbeit einzuteilen.“ von nur zur Selbstkontrolle, ohne Wer-
„Das Internet ist der größte Zeitfres- An den vier beteiligten Hochschulen – tung für die Endnote.
ser“, meint Schulmeister. „Das sagen Hamburg, Mainz, Hildesheim und Ilme- Vor allem aber sind gleich drei Tage in
auch die Studenten selbst.“ Das Grund- nau – werden nun der Reihe nach weite- der Woche einem einzigen Schwerpunkt-
problem aber sieht er in der chaotischen re Studiengänge examiniert. Im kommen- seminar vorbehalten. In der Regel bekom-
Fülle des Stoffs. „Wer sich mit zwölf The- den Wintersemester sind in Hamburg men die Studenten vormittags neuen
men gleichzeitig beschäftigen müsste, rund hundert Studenten der Betriebswirt- Stoff vermittelt; dann gehen sie auseinan-
weiß eben oft nicht, wo er anfangen soll. schaft an der Reihe. Die Forscher erwar- der zum Selbststudium, und danach tra-
Das können die offenbar noch nicht“, ten ähnliche Befunde. gen sie, wieder gemeinsam, ihre Ergeb-
sagt der Forscher. „Lieber machen sie „Auch bei den Juristen dürfte es nicht nisse zusammen – das beste Mittel, hofft
dann gar nichts, gehen in die Cafeteria viel anders zugehen“, sagt Schulmeister. Schulmeister, „gegen die chronische Ver-
oder fahren zwischendurch nach Hause. „Über die Mediziner und die Naturwis- zettelung“. M������ D��������

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