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Paul F.

Lazarsjeld
Bernard Berelson
Hazel Gaudet

Wahlen und Wähler


Soziologie des Wahlverhaltens

Luchterhand
lyse und Argumentation vorgelegt werden, um so zu einer Inhalt
gründlicheren Kenntnis des modernen soziologischen Denkens zu
verhelfen. Das Ziel der »Texte«: Information und didaktisches
Heranführen an soziologische Interpretationsweise, soll durch
den Abdruck von Quellen und durch die Veröffentlichung um- VOr'UJort der Herausgeber 5
fangreicher Monographien erreicht werden.
Vorwort zur zweiten Auflage II
Die Vermittlung von Quellenmaterial erscheint insbesondere
für die Studierenden dringend notwendig, damit das Urteilen Dynamische Sozialforschung
aus zweiter, ja dritter Hand, das mehr und mehr um sich greift, Die Sozialforschung als kontinuierlicher Prozeß
und damit die überschätzung eines soziologischen Epigonentums, Empirische Daten und soziale Prozesse .
so modisch es sich gibt, verringert werde. Die Herausgabe be- Wege künftiger Forschung
deutsamer, bisher nicht allgemein zugänglicher Monographien,
aber auch anderer soziologisch wichtiger Texte, soll dem Leser Kapitel I Einführung 35
ermöglichen, in spezielle ProblembereiChe tiefer einzudringen, Eine neue Forschungsmethode 37
so kann die abgeschlossene Sammlung später einmal ein Pano- Ein Wegweiser für den Leser 42
rama soziologischer Forschungsarbeit auf den verschiedensten
Gebieten vermitteln. Kapitel II Erie County, Ohio, 1940 44
Die wirtschaftliche Struktur des Kreises 45
HeinzMaus Das politische Leben im Kreis 47
Friedrich. Fürstenberg Der gesellschaftliche Rahmen der Studie 47

Kapitel III Soziale Unterschiede zwischen


Republikanern und Demokraten 51
Die Rolle des sozioökonomischen Status 51
Religion und Alter 57
Ein Index der politischen Prädisposition 60

KapitellY Ideologische Unterschiede zwischen


Republikanern und Demokraten
ökonomische und soziale Einstellungen
Politische "Extrovertierte«
Der Krieg in Europa
Parteianhänger und Parteiargumentation

:.··)~:pitel Y Teilnahme an der Wahl 75


77

80

6 7
Intensivste Teilnahme am Wahlkampf - Kapitel x Die Meinungsänderung I3 I
die Meinungsführer 84 Der Streit über die .,dritte Amtszeit«:
ein Beispiel für die Meinungsänderung 134
Kapitel VI Der Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung 88 Willkie, der Vorkämpfer der Armen 13 6
Interesse und der Zeitpunkt der Entscheidung Die »Zweifler« 13 6
89
Entgegengesetzte Einflüsse und der Zeitpunkt
der Entscheidung 92 Kapitel XI Die Gesamtwirkung des Wahlkampfes 139
Die Wirkung der entgegengesetzten Einflüsse 97 November 1936 bis Mai 1940 im Vergleich zu
Interessenintensität und entgegengesetzte~ Mai bis Oktober 1940 139
Einflüsse 98 Abschätzung der Wirkungen des Wahlkampfes 14°

Kapitel XII Die Einschätzung der Siegeschancen 143


Kapitel VII Die Typen des Meinungswechsels 102
Wechsel der Einschätzung der Siegeschancen 144
Die Zeit der endgültigen Entscheidung und
Der »Bandwagon« - Effekt 145
die »Wechsler« 1°3
Meinungswechsel, Interessenintensität und
entgegengesetzte Einflüsse 1°5
Kapitel XIII Was den Wählern mitgeteilt wurde 148
Die Persänlichkeitsmerkmale der» Wechsler« 107 Parteinahme: Wie viele unterstützten wen? 149
Die Wankelmütigkeit der .. Wechsler« 108 Schwerpunkte und Hauptthemen 153
Die Geschichte der» Wechsler.: r08 Der Mittelpunkt des Wahlkampfes: Roosevelt 155
Der Zweck des Wahlkampfs: Geschichte, Geld,
Sicherheit 15 6
Kapitel VIII Der Aktivierungseffekt IIO
Die Mittel: Je weniger gesagt wird ... 157
Der Aktivierungsprozeß !IX
Emotionale Begriffe: Die Etiketten des
Die vier Stufen der Aktivierung II2 Wahlkampfes 157
Propaganda verstärkt die Aufmerksamkeit II3
Intensiveres Interesse führt zu stärkerer
Kapitel XIV Der Rundfunk und die Presse 159
Aufgeschlossenheit 115 Die Konzentration der Aufgeschlossenheit
Die Aufmerksamkeit ist selektiv II8
gegenüber der Wahlpropaganda 160
Die Stimmen kristallisieren sich 120
Wer las und härte etwas über Politik? I63
Einige Beispiele für die Aktivierung politischer
Was ist einflußreicher - der Rundfunk oder
Prädispositionen 121
die Zeitung? 164
Rundfunk und Zeitung als Ursachen der Meinungs-
Kapitel IX Der Verstärkereffekt 12 4 änderung 166
Parteianhängerschaft, Aufgeschlossenheit für die Pro pa- Ein Medium für jede Partei 168
ganda der eigenen Partei, bestärkte Anhängerschaft 126 Die Zeitschrift als spezialisiertes Kommu-
Die Verstärkung aus der Sicht der Bestärkten 128 nikationsmedium I73

8 9
Kapitel xv Die politische Homogenität sozialer
'1
Vorwort zur zweiten amerikanischen Auflage
Gruppen ' 176
Soziale Schichtung und politische Homogenität 177
Die politische Struktur der Familie 180
Die Rolle der Verbände 18 5 Nie hatten die Sozialwissenschaftier eine solche Gelegenheit, ihre
Die Eingliederung der Meinungen 18 7 Fertigkeiten und Kenntnisse zu beweisen, wie im letzten Welt-
Die Wahl als eine soziale Erfahrung 188 krieg. Den Soziologen fiel dabei die Aufgabe zu, die Moral der
Soldaten zu untersuchen, damit die Armee Einstellungen und
Kapitel XVI Die Natur des persönlichen Einflusses 19° Situationen beeinflussen konnte, welche die Wirksamkeit ihrer
Persönliche Kontakte erreichen die Unschlüssigen 19° Operationen einschränkten. Sozialpsychologen wurden gebeten,
Der zweistu/ige Kommunikationsfluß 19 1 den Einfluß der Propaganda auf die amerikanische öffentlich-
Die Zweckfreiheit persönlicher Kontakte 19 2 keit zu untersuchen, damit die von Regierungsstellen ausgehende
Die Flexibilität bei der Überwindung von .' Propaganda verbessert und der des Feindes entgegengewirkt
Widerständen 193 werden konnte. Anthropologen schöpften aus ihrer Kenntnis ver-
Die Belohnung für Konformität 194- schiedenartiger Kulturen, um Militärgouverneure zu beraten, wie
V ertraz~enspersonen ~I bei der Behandlung der ]apaner, der Salomo-Inselbewohner
195
Überredung ohne Überzeugung 197 oder der Koreaner Reibungen vermieden oder wesentlich ver-
Praktische Folgerungen 19 8 mindert werden konnten. Wirtschaftswissenschaftler studierten
ständig Preis- und Produktionstrends, um festzustellen, welche
Anhang 201 Preisregulierungen und Steuermaßnahmen notwendig waren.
Anmerkungen 2°3 Der Erfolg dieser Forschungen und Empfehlungen hat das
Prestige der Sozialwissenschaften erhöht. Immer häufiger wen-
Anhang B Die Konstruktion der Indizes 225 den sich Regierungsstellen. Industrie und Gewerkschaften an den
Der Index der politischen Prädispositionen 225 Sozialwissenschaftier. Die Nachkriegsereignisse haben diesen
Der Index der politischen Aktivität 226 Trend noch verschärft: Die Atombombe hat uns klar erkennen
Der Index des Meinungsumfanges 227 lassen, wie weit die Entdeckungen der Naturwissenschaften un-
Der Index der Zeitschrifienlektüre über den Wahlkampf 228 serer Fähigkeit vorausgeeilt sind. jene in unser soziales System
Der Index der Zeitungslektüre über den Wahlkampf zu integrieren. Die Möglichkeit eines' dritten Weltkrieges hat,

228
Der Index des Rundfunkhärens 228 trotz weltweitem Wunsch nach Frieden, viele Leute sich verwun-
Der Index der allgemeinen oder gesamten Aufgeschlossen- dert fragen lassen, bis zu welchem Grade soziale Ereignisse von
heit für den Wahlkampf 229 den Gesellschaftsmitgliedern kontrolliert werden können. In in-
Der Index für die Richtung der politischen nerpolitischen Angelegenheiten stehen wir vor Problemen, deren
Aufgeschlossenheit 230 Lösung eher gesteuerte Aktionen als das freie Spiel konkurrie-
Der Index der Übereinstimmung mit den Argumenten render Kräfte zu erfordern scheint. Wohnungsbau und die Bezie-
beider Seiten 231 hungen der Sozialpartner sind nur zwei der auffallendsten Bei-
spiele. Auch hier wird inzwischen allgemein anerkannt, daß die
Sozialwissenschaften ihren Beitrag leisten können und sollen.
Diese großen Erwartungen, die an sie gestellt werden, belasten

10 11
die Sozialwissenschaftier mehr als zuvor mit Verantwortung. entschied sich dafür, Ursachen und Wandlungen sozialer Phäno-
Wenn ihre Arbeit nutzbringende und brauchbare Erkenntnissse mene nicht mehr zu untersuchen; stattdessen wollte man soziale
zeitigen soll, müssen sie ihre Aufmerksamkeit auf Gebiete von Phänomene nur noc.~ beschreiben. Diese Auffassung führte zu
zentraler Bedeutung richten, und gleichzeitig mit Techniken an einer Vorliebe für statistische Studien, wie wir sie von Volks-
ihre Probleme herangehen, die empirische Fakten erbringen. , zählungen her kennen, zu »Erhebungen«, die kaum Ergebnisse

I
Diese Anforderungen setzen die Berücksichtigung von drei all- erbrachten, welche Verallgemeinerungen zuließen.
gemeinen Forschungsproblemen voraus. Das erste bezieht sich Der Ausweg aus diesem Dilemma scheint in einem Kompro-
auf die Integration von Fakten und Theorien. Eine sinnvolle In- miß zu bestehen, der jedoch vielleicht nur provisorisch ist. Eine
tegration von Tatsachenmaterial und theoretischen Formulierun- disziplinierte und begrenzte Art der dynamischen Erforschung
gen ist Voraussetzung für die Existenz und Entwicklung jeder sozialer Ereignisse und Entwicklungen, die sich über einige Mo-
Wissenschaft. Niemand kann aus einer ~.1enge unverbundener nate oder höchstens ein paar Jahre erstrecken, scheint gegenwär-
Tatsachen Nutzen ziehen; aber umgekehrt läßt sich auch kein so-
ziales Handeln auf allgemeine Spekulationen über das» Wesen« .
t
};
tig am erfolgversprechendsten. Systematische Analysen politi-
scher Wahlkampagnen, von Krisensituationen, der Entwicklung
der Gesellschaft gründen, wenn solche Theorien nicht in konkre- neuer Gemeinden oder der Reaktionen verschiedener, zum er-
ten Situationen systematisch geprüft werden können. sten Mal miteinander in engeren Kontakt tretender ethnischer
Wie empirische Forschung und soziale Theorie, müssen auch Gruppen erbringen heute höchstwahrscheinlich diejenigen Infor-
empirische Forschungsergebnisse aufeinander bezogen werden. mationen, von denen die künftige Entwicklung der Sozialwissen-
Bis vor kurzem zeigten die Sozialwissenschaften die unglückliche sa.~aften abhängen dürfte.
Tendenz, hier eine allgemeine Erhebung und dort ein Experi- In diesem Vorwort zur zweiten Auflage von »Wahlen und
ment durchzuführen, und es dabei bewenden zu lassen. Dokto- Wähler« wollen wir diese drei Punkte eingehend darlegen. Da-
randen waren zum Beispiel stolz darauf, daß sie keine Studie bei hoffen wir zwei Dinge zu erreichen. Erstens wollen wir die
wiederholt hatten, »die bereits gemacht worden war«. Das Ge- Haupttendenzen in der zeitgenössischen Sozialforschung klären.
genteil sollte eigentlich der Fall sein. Die Forschungsergebnisse Zum andern glauben wir, daß der Leser die vorliegende Studie
sollten ständig sowohl unter gleichbleibenden als auch unter brauchbarer finden wird, wenn er die allgemeine Entwicklung
variierenden Bedingungen überprüft werden. Die Komplexität bereits kennt.
des sozialen Lebens erfordert das wiederholte Studium dessel-
ben Problems, bevor allgemeine Gleichförmigkeiten von zeit-
weiligvorkommenden sozialen Ereignissen unterschieden werden
können.
Drittens muß das Forschungsproblem sorgfältig umrissen wer-
,
I
Die Darstellung dieser Punkte wird sich auf Daten und Beob-
achtungen beziehen, die entweder in den Originalbericht nicht
einbezogen waren oder in neueren Studien gewonnen wurden.
Wir wollen jeden dieser Punkte nun in umgekehrter Reihen-
folge behandeln, wobei wir zunächst betrachten wollen, wie eine
den. In der Frühgeschichte der Soziologie wurden zur Erklärung Sozialforschung beschaffen sein muß, mit der man soziale Wand-
der gesamten Menschheitsgeschichte viele großartige Schemata lungen, ihren Ursprung, ihre Natur und Dauer untersuchen
entworfen. Selbst zu Beginn dieses Jahrhunderts, als die Sozial- kann.
wissenschaftIer bescheidener wurden, glaubte man immer noch,
daß »die Ursachen des Krieges« und »Methoden der Abwendung
i
von Verbrechen« schnell und leicht gefunden werden könnten. \,
I
Die meisten Versuche, derart weitläufige und komplexe Proble-
I
me überhaupt zu lösen, stießen jedoch bald auf Widerstand. Man

IZ
13
Dynamische Sozialforsc..11.Ung für die itnderung ihrer Einstellungen wurden zu ihren realen
sozio-ökonomischen Positionen in Beziehung gebracht. Die von
Die Meinungsforschung wird heutzutage vielfach mißverstanden. ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt vertretenen Meinungen
Aus den in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlichten Erhe- wurden dem gegenübergestellt, was sie in vorhergehenden und in
bungsbefunden haben interessierte Laien, und sogar Kollegen späteren Interviews geäußert hatten. Mit anderen Worten: wir
aus anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen den Eindruck beschrieben nicht einfach nur Meinungen; wir studierten sie statt-
j
gewonnen, daß sie sich damit begnüge, zu beschreiben, was die dessen, während sie noch entstanden. ~
Leute von einem bestimmten Problem zu einem bestimmten Zeit- Wir wollen nun eine Phase dieser dynamischen Analyse geson-
punkt halten. Diese neue Disziplin ist in Wirklichkeit jedoch viel dert betraCt~ten, um deren wesentliche Elemente herauszufinden.
umfassender. Die Sozialwissenschaftier wollen mit Hilfe der Die Panelgruppe wurde im Oktober zum sechsten Mal und un-
Meinungsforschung nämlich die Art und Weise erkennen, auf mittelbar nach der Wahl zum siebenten und letzten Mal inter-
welche die verschiedenen Sektoren der öffentlichen Meinung die viewt. So wissen wir, wie diese Personen kurz vor der Wahl zu
gesetzgeberische Tätigkeit und andere Entscheidungsprozesse be- wählen beabsichtigten und für wen sie dann tatsächlich stimmten.
einflussen, die sich in der Regierung abspielen. Daruberhinaus sind Die Ergebnisse sind wie folgt:
wir darauf erpicht, zu entdecken, auf welche Weise siCt~ Einstel-
lungen entwickeln. Das vorliegende Buch richtete seine Aufmerk- Wahlabsicht im Oktober
samkeit allein auf dieses Problem: die Bildung, Veränderung und
Tatsächliche Rep. Dem. weiß keine Wahl- Summe
Entwicklung der öffentlichen Meinung. Stimmabgabe
Eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern hielt sich von Mai bis nicht absicht
November 1940 in Erie County, Ohio, auf, um in jener Gemein- Republikaner 215. 7 4 6 23 2
de den Fortgang und die Wirkung der Präsidentenwahlkampagne Demokraten 4 144 I2 0 160
zu beobachten. Eine große Anzahl von Personen wurde inter- Keine Stimmabgabe 10 16 6 59 9I
viewt, aber die Studie konzentrierte sich auf ein Panel von 600 Insgesamt 229 16 7 22 65 160
Befragten, die, in einem Zeitraum von sieben Monaten, jeden .'
Monat einmal befragt wurden. Es gibt in dieser einfachen Tabelle eine überraschende Anzahl
Die Personen dieses Panels gliederten sich in zwei Haupt-
gruppen: jene, die ihre politische Meinung während der Studie
nicht änderten, und die, welche sie auf bestimmte Weise änderten:
I von Implikationen. Nehmen wir für einen Augenblick an, daß
die Interviews im Oktober und November mit verschiedenen
Personen durchgeführt wurden, statt mit denselben Personen,
Einige wechselten ihre Parteibindung, andere konnten sich bis wie es tatsächlich der Fall war. Dann würden die Befunde wie
zum Ende der Kampagne noch nicht entscheiden, und noch an- folgt lauten: im Oktober beabsichtigten 42 Prozent ( I67 von
dere äußerten zwar eine definitive Wahlabsicht, gingen jedoch 39 6 ) von denen, die eine Wahlabsicht hatten, für die Demokra-
nicht wählen. ])iesen verschiedenen Arten der Meinungsände- tische Partei zu stimmen; im November stimmten 4 1 Prozent
rung galt das H;uptinteresse der Studie, denn an diesen konnten (160 von 392) für sie. Dies könnte den Eindruck einer großen
die Prozesse der Herausbildung und Veränderung von Einstel- Beständigkeit der politischen Einstellungen erwecken. In der Tat
lungen beobachtet werden. Jene Personen wurden mit den »kon- stellte sich jedoch nur bei den Personen in der Hauptdiagonale
'- ... stanten« Personen verglichen.Jhre-perso:nlichen Merkmale, iIir~e der Tabelle keine Veränderung ein: 418 von 483 Befragten ta-
. Kontakte zu anderen Menschen, Rundfunk und Zeitungen wur- ten, was sie beabsichtigt hatten; 13 Prozent besannen sich, auf
den sorgfältig untersucht. Die von ihnen angegebenen Grunde diese oder jene Weise, anders.

I
bevor sie eine Entscheidung gefällt hatten, konnten wir mit ziem-
Diese 13 Prozent deuten auf die Meinungsverschiebung hin,
licher Sicherheit voraussagen, was sie tun würden: Sie würden
die in den wenigen Wochen vor der Wahl stattfand. Der Begriff
schließlich auf dieselbe Weise wählen, wie die Menschen mit ähn-
der Meinungsverschiebung ist für die Analyse der Meinungsbil-
lichen s~zialen Merkmalen, die sich während der Kampagne
dung grundlegend. Wenn die Verschiebung groß ist, kann man
schon früher entschlossen hatten. Zum Beispiel ist es eine bekann-
daraus auf labile Meinungen oder Verhaltensweisen schließen.
t~, in. dieser Sn:~ie bestätigte Tatsache der gegenwärtigen ame-
Wir wissen dann, daß Menschen sich unsicher fühlen, daß Propa-
rIkanIschen Pohuk, daß die städtische Bevölkerung eher als die
ganda in dieser Situation wirksam sein könnte, oder daß eine
Landbevölkerung für die Demokratische Partei stimmt und Ka-
Klärung der Lage und eine entsprechende Erziehung notwendig
tholiken häufiger demokratisch wählen als Protestanten: Wenn
sind. wir d,aher voraussagen, daß städtische, katholische Wähler, die
Wenn man eine so geartete dynamische Forschung künftig öfter
auf dIe Frage nach der Wahlabsicht zuvor mit» Weiß nicht« ge-
durchführt, wird man wahrscheinlich in der Lage sein, soziale
antwortet hatten, für die Demokratische Partei stimmen wer-
Ereignisse nach den folgenden Dimensionen zu klassifizieren:
den, dann werden wir in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen
Welche charakteristischen Ereignisse weisen in ihrer Entwick-
recht haben, und Interviews werden nach der Wahl unsere Vor-
lung eine kleine oder große Meinungsverschiebung auf? Wird die hersagen bestätigen können.
Meinungsversd1.iebung im Verlauf der Ereignisse kleiner? An
Solch »äußere Zusammenhänge« rufen gelegentlich enttäuschte
welchem punkt wird die geringste Meinungsverschiebung er-
Reaktione.n hervor. Die A~alyse der Meinungsverschiebungen er-
reicht, und wodurch wird sie vermutlich wieder zunehmen? Un-
laub.t uns Indessen, auch »ms Innere vorzudringen«. Wir können~,
ter welchen Bedingungen liegt, wie im obigen Fall, ein Meinungs-
so eme ga_Il~.~.~Reihe .von.psychologischen Faktoren herauslesen
,welche. soziale Situation und individuelle Entscheidung verbin~ !
gleichgewicht vor, bei welchem die verschiedenen Tendenzen
einander aufzuheben scheinen? Wann entsteht eine Meinungs-
d~n. Dle Versuchs~ersonen wurden zum Beispiel in jedem Inter--'
verschiebung, bei der sich die »Randverteilungen« ändern?
Vlew gefragt, wer lhrer Meinung nach die Wahl gewinnen wür-
Antworten auf solche Fragen würden uns nur ein grobes Bild
de. ~elbst ~nt~r dene~, die bislang keine Wahlabsicht hatten, gab
von den jeweiligen sozialen Ereignissen liefern. Wir können je-
es .vlele, dle eme ~estlmmte Erwartung äußerten. Und es ist be- \
doch noch präziser sein. Eine Meinungsverschiebung ist das Er-
zelchnend, daß dle Erwartungen, die von den Unentschlossenen \
gebnis der Veränderungen der Absichten, Erwartungen und
ausgedrückt wurden, nicht beliebig waren, sondern in deren so- \
Verhaltensweisen einzelner Personen. Nun lassen sich in dieser
zialer Umgebung allgemein vorherrschten. Gehen wir nun einen ,
Hinsicht drei allgemeine Fragen aufwerfen: S~ritt. weiter. Es stellte sich heraus, daß die Erwartungen be-'
relts dle endgültige Entscheidung vermuten ließen: Viele Leute---
a) Bei welcher Art von Menschen ist eine Meinungsverschie- stimmten für den Kandidaten, den sie vorher bereits als Sieger _-
bung wahrscheinlich? erwartet hatten. Somit stellten diese Erwartungen eine der »in-
b) Unter welchen Einwirkungen kommen diese Verschiebungen
tervenierend~n« Variablen dar, welche die Entwicklung von
zustande? Wahlentscheldungen erklären halfen. (Die Einzelheiten dieser
c) In welche Richtung verlaufen Meinungsverschiebungen? Analyse werden in Kap. XII erörtert).
Die ::ab.:lle auf Seite 15 kann auch Fragen nach den spezifi-
Frage a) läßt sich auf verschiedene Weise beantworten. Kon-
schen Emflussen beantworten helfen, die zur itnderung von Ein-
zentrieren wir uns hier auf die »Kristallisierer«, d. h. auf die-
stellungen oder Verhaltensweisen führen. Richten wir unsere
jenigen Menschen, die im Oktober noch keine definitive Wahl-
Aufmerksamkeit wieder auf eine Gruppe, und zwar auf jene
absicht hatten, im Novmber jedoch ihre Stimme abgaben. Lange
17
16
Personen, die im Oktober angaben, daß sie keine Wahlabsicht Klassifikation der Arten persönlichen Einflusses, die besonders
hätten. Man wird feststellen, daß die meisten Angehörigen die- wirksam sind, das Studium von Situationen, in denen die mehr
ser Kategorie ihre Handlungen den eigenen Worten schließlich formalen Einflüsse der Massenmedien solche Veränderungen zu
anpaßten: 59 von 65 wählten im November tatsächlich nicht. bewirken scheinen -, dies alles sind typische Probleme der so-
Aber die sechs, die ihrer Absicht nicht Folge geleistet hatten, ga- genannten dynamischen Sozialforschung.
ben ihre Stimme den republikanischen Kandidaten. Die Ursachen Aber das Bild ist nicht vollständig, wenn wir nicht mehr wis-
für diese Veränderung ließen sich unschwer entdecken. Der For- sen, als wer, in Reaktion auf welche Einflüsse, seine Meinung
schungsstab in Erie County stellte nämlich fest, daß, zumindest wechselt. Wir möchten auch die Richtungen dieser Veränderun-
in dieser Wahl, die republikanische Organisation viel, aktiver gen erfahren: Laufen sie auf eine zufällige Neuverteilung der
und wirksamer war als die demokratische. Und als die sechs, die Meinungen hinaus, oder ~ann man bestimmte R,egelmäßigkeiten
ihre Meinung geändert hatten, gefragt wurden, was sie dazu ver- erkennen? Die Analyse der Meinungsverschiebungen, wie sie in
anlaßt habe, ihre Stimme abzugeben, gaben tatsächlich alle an, der vorliegenden Studie durchgeführt wurde, liefert uns zwar
daß sie im letzten Augenblick VOn einem Werber der Republika- vorläufige, doch aufschlußreiche Antworten auf diese Frage.
nischen Partei besucht worden waren, der sie zur Wahl überre- Für bestimmte Subgruppen innerhalb der Gemeinde führte
det hätte.
der Wandel der Einstellungen zu stärkerer Uniformität und Ho-
Indem wir also die verschiedenen Gruppen untersuchen, die mogenität: Individuelle Veränderungen bewirkten bei den Mit- .....
zu jener Meinungsverschiebung beitrugen, werden wir in die gliedern bestimmter Subgruppen stärkere gegenseitige über-,
Lage versetzt, die Einflüsse zu analysieren, die Wandlungen im einstimmung. Für die Gemeinde als ein Ganzes bewirkte die-~
. Verhalten zustande bringen. Dies ist bereits ein Bild für Unter- Veränderung der Einstellungen jedoch größere Unterschiede und
suchungen. Wir können etwa protokollieren, was Leute lesen eine stärkere Polarisierung: Individuelle Veränderungen brach-
und hören, und dies auf zweifache Weise zu den Veränderungen ten die Mitglieder einer Subgruppe in schärferen Widerspruch zu
ihrer jeweiligen Meinungen in Beziehung bringen. Manche waren den Mitgliedern anderer Subgruppen. Wir werden diesen Prozeß
sich durchaus bewußt, daß sie VOn einer bestimmten Lektüre oder in einem späteren Abschnitt des Vorworts noch ausführlicher be-
Sendung beeinflußt worden waren, und sie sagten uns das in den trachten. Hier bleibt nur zu betonen, daß mittels der dYRami-
Sonderinterviews, die mit allen durchgeführt wurden, die ihre schen Forschung, wie sie in der vorliegenden Studie angewandt
Meinungen gewechselt hatten. In anderen Fällen war eine einge- wird, Probleme wfe die Entstehung von Gruppenspaltungen ----
hendere statistische Analyse nötig, um den eher unbewußten Ein- oder etwa ein wachsendes Bewußtsein der Klasseninteressen der
flüssen auf die Spur zu kommen. (Diese Techniken sind in einer Sozialforschung zugänglich werden.
Arbeit Hans Zeisels ausführlicher erörtert worden)!.

~
. n der vorlip.~genden Studie erwiesen sich persönliche Kontakte
1s die wichtigsten Ursachen für einen Meinungswechsel. Für den Die Sozialforschung als kontinuierlicher Prozeß
a tiven Werber einer politischen Organisation ist dies wahr-
scheinlich keine überraschung, aber für den Sozialwissenschafl:ler Wir werden des öfl:eren darauf aufmerksam gemacht, daß di~~
stellt es eine Herausforderung dar. Die Entdeckung der Bedin- Ergebnisse einer spezifischen Studie nur für die Zeit und den Ort'
gungen, unter denen sich Einstellungen oder Verhaltensweisen der Durchführung gültig sind. Bedeutet dies etwa, daß sich die
dem persönlichen Einfluß als besonders zugänglich erweisen, die gleichen Befunde niemals wieder ergeben können? :r..1üssen wir
1 Hans Zeisel, »Say it with Figures« (New York, Harper and Bros., 1.947), Kapi-
selbst unter ähnlichen Bedingungen verschiedene Ergebnisse er-
tal X. warten? Fragen dieser Art deuten an, daß Eindrücke wie» Wie-
derholung« und »Bekräftigung der Evidenz« einer sorgfältigeren ihre Stimme im allgemeinen eher den Demokraten geben, wäh-
Betrachtung bedürfen. Wenn über ein Forschungsproblem meh- rend die Wohlhabenden, die Protestanten und die Landbewoh-
rere ähnliche Studien verfügbar sind, können vergleichende Ana- ner häufiger im republikanischen Lager anzutreffen sind. Auf
lysen tatsächlich drei positive Funktionen haben: Grund dieser drei sozialen Merkmale, die auf die Zugehörigkeit
I. Der Vergleich kann darauf hindeuten, daß die Ergebnisse bei- zu verschiedenen sozialen Gruppen hinweisen, war es möglich,
der Studien gleich sind. Wir werden dies »die Funktion der einen »Index der politischen Prädisposition« zu konstruieren.
Bekräftigung« nennen. Der Index gestattete uns wiederum, den sozialen Hintergrund
2. Der Vergleich kann zum Ergebnis haben, daß - mögen die aller Individuen zu klassifizieren, je nachdem, ob dieser die
statistischen Ergebnisse der beiden Studien auch differieren - Wahl in die demokratische oder republikanische Richtung
eine Erwägung der spezifischen Bedingungen, unter denen die drängte. (Eine eingehendere Erörterung des Index und der ent-
Ergebnisse gewonnen wurden, zu denselben allgemeinen sprechenden Arten und Weisen der Analyse siehe Kapitel IIl.)
Schlußfolgerungen führen wird. Dies werden wir »die Es ließen sich auf diese Weise zwei Typen von Individuen un-
Funktion der Spezialisierung« nennen. terscheiden: jene, deren Wahlabsichten in Einklang mit ihrem
3. Ein negatives Ergebnis in der ersten Studie kann durch die sozialen Hintergrund standen, und die abweichenden Fälle, de-
Ergebnisse einer zweiten geklärt werden. Wir nennen dies »die ren Wahlabsichten in Widerspruch zu denen der Untergruppen
Funktion der Klärung«. standen, zu denen sie gehörten.
Es trifft sich gut, daß die vorliegende Studie mit einer ähnli- Bei der Untersuchung der 54, die ihre Partei gewechselt hat-
chen verglichen werden kann. Eine zweite kürzere Panelstudie ten, stellte sich heraus, daß vor ihrem Parteiwechsel 36 Indivi-
wurde während des Präsidentenwahlkampfs von I944 durchge- duen Absichten gehabt hatten, die im Widerspruch zu ihrer so-
führt, vier Jahre nach der Kampagne, von der dieses Buch han- zialen Umgebung standen, während es nach dem Wechsel nur
delt. Das »Bureau of Applied Social Research« führte damals in noch 20 abweichende Fälle gab. Wir gelangten daher zu dem
Zusammenarbeit mit dem »National Opinion Research Center« Sd"lluß, daß ein Parteiwechsel allgemein in Richtung auf eine
an der Universität von Denver je zwei Interviews mit einem re- größere übereinstim~ung und Homogenität innerhalb der Un-
präsentativen, die ganze Nation erfassenden Querschnitt von et- tergruppen verläüfl:.~ (S. I78)
wa 2000 Personen durch: Ein Interview vor, das andere nach Da die Studie von I944 nur die letzten Wochen der Kampagne
der Wahl. Was erbringt nun ein Vergleich dieser beiden Studien? umfaßte, in denen eine Partei nur selten gewechselt wird, war
Wir wollen zur Veranschaulichung der Funktionen vergleichen- die Zahl jener, welche die Partei gewechselt hatten, recht klein.
der Analysen eine Reihe von Beispielen hinzuziehen. Ein Index politischer Prädisposition ist zudem, wenn er auf ein
Unser erstes Beispiel betrifft die Bekräftigung von Ergebnissen. die ganze Nation erfassendes Sampie angewandt wird, weniger
In der Studie von Erie County hatten 54 Personen ihre Treue zu gültig, als wenn er sich nur auf die Bewohner eines Kreises be-
einer Partei zugunsten der anderen aufgegeben. Hier tauchte die zieht. Und doch bekräftigten die Ergebnisse der zweiten Studie
Frage über die Richtung des Wandels von Einstellungen wieder- trotz dieser Einschränkung beinahe a fortiori die der ersten. Im
um auf. Führte dieser Parteiwechsel diejenigen, die ihn vornah- Jahre I944 war es möglich, 36 Personen zu untersuchen, die ihre
men, zu einer engeren übereinstimmung mit anderen Mitglie- Absichten geändert hatten. Vor ihrem Wechsel hatten davon 22
dern der Subgruppen, zu denen sie gehörten, oder lief dieser die Absicht geäußert, die sich von dem vorherrschenden Mei-
Wechsel in eine andere Richtung? nungsklima ihrer sozialen Umgebung unterschieden hatten; nach
Um dies zu beantworten, gingen wir von der bereits erwähn- dem Wechsel wichen nur noch I4 ab.
ten Tatsache aus, daß die Armen, die Städter und Katholiken Ein Vergleich ähnlicher Studien kann daher unser Vertrauen

20 2I
zu Ergebnissen erhöhen, die zweifelhaft wären, wenn nur eine gleichen allgemeinen Schluß: Die Organisation, die sich in der
einzige Untersuchung durchgeführt worden wäre. Ohne derarti- letzten Minute stark bemüht, Nachzügler zum Wahlort zu brin-
ge Bekräftigung wäre ein auf - in der ersten Studie - nur 54 Fäl- gen, kann ihrer Partei damit einen großen Dienst leisten.
len und in der zweiten - auf nur 36 Fällen beruhendes Ergeb- Schließlich kann ein Vergleich ähnlicher Studien zur Klärung
nis so unzuverlässig, daß wir dessen Gültigkeit in Frage stellen von Forschungsergebnissen führen. In der Studie von 1940 gab
würden. Wegen der dank solcher aufeinanderfolgenden Studien es manche Hinweise dafür, daß die» Wechsler« die gleichgültige-
ermöglichten Bekräftigung sind wir jedoch schon eher geneigt, ren Wähler waren. Dieses Ergebnis war unerwartet, denn poli-
das Ergebnis zu akzeptieren. tische Experten haben oft behauptet, daß während eines Wahl-
Vergleichende Analysen können auch allgemeine Schlußfolge- kampfes eher der intelligentere und interessiertere Wähler seine
rungen bestätigen, indem sie darauf hinweisen, daß statistisch Kandidaten wechseln wird, weil er mehr über ihre Programme
unterschiedliche Ergebnisse auf bestimmte, unterschiedliche Be- erfährt und besser in der Lage ist, ihre innen- und außenpoliti-
dingungen zurückzuführen sind. Um diese Funktion der »Spezi- schen Fähigkeiten abzuschätzen. Da jedoch die Beziehung zwi-
fizierung« zu veranschaulichen, werden wir nochmals zu jener schen Parteiwechsel und politischer Gleichgültigkeit nicht vor-
Gruppe zurückkehren, deren Angehörige vor der Wahl in ihren ausgesehen wurde, war. die Studie von 1940 nicht hinreichend
Interviews angegeben hatten, daß sie nicht wählen würden, aber auf die Untersuchung dieses Problems hin angelegt.
schließlich doch eine Stimme abgaben. In der Erie County-Studie In der Studie von 1944 war dies anders. Diesmal wurden
stimmten sie alle republikanisch, während in der Studie von allen Befragten, die bei den Interviews vor der Wahl eine Wahl-
1944 die meisten der »Wechsler« demokratisch stimmten. Auf absicht geäußert hatten, zwei Fragen gestellt: ob es sie sehr
der ersten Blick scheint hier in den Ergebnissen ein Widerspruch interessiere, ob ihr Kandidat gewinne oder nicht? und: ob sie
vorzuliegen. Ist dies wirklich der Fall? Im Jahre 1940 bildeten glaubten, daß es irgendwelche wichtigen Unterschiede zwischen
die Republikaner in Erie County bei weitem die stärkere Orga- den beiden Kandidaten gebe? Die Analyse der Antworten offen-
nisation, im Jahre 1944 war das Political Action Committee2im barte nun wirklich, daß die »Wechsler« (diejenigen also, die für
ganzen Lande tätig. Ferner konzentrierte das P. A. C. sich dar- einen Kandidaten stimmten, nachdem sie zuvor die Absicht be-
auf, Personen mit niedrigem Einkommen z.um Wählen zu ver- kundet hatten, für den anderen zu stimmen) an der Wahl erheb-
anlassen, in der Annahme, daß sie, wenn sie überhaupt wählten, lich weniger interessiert waren als die »konstanten« Wähler (die-
demokratisch wählen würden. Die Zahlen der Studie von 1944 jenigen, die tatsächlich wählten, wie sie vorher beabsichtigt hatten) :
beweisen, daß diese Annahme richtig war. Von 20 Leuten (größ- 38 Prozent der Wechsler sagten, im Gegensatz zu 21 Prozent
tenteils aus Gruppen mit niedrigem Einkommen), die keine der konstanten Wähler, daß es wenig ausmache, welcher Kandi-
Wahlabsicht gehabt hatten, aber dann doch wählten, gaben 3 dat die Wahl gewinne; 65 Prozent der Wec'~selnden konnten, im
ihre Stimme den Republikanern und 17 den Demokra ten. Gegensatz zu 46 Prozent der konstanten Wähler, keine wirkli-
Vergleichende Analysen von Studien, die unter verschiedenen chen Unterschiede zwischen den Kandidaten feststellen. Es ist
historischen oder sozialen Umständen durchgeführt wurden, kön- wichtig, daß diese Gleichgültigkeit den Parteiwechsel nicht etwa
nen also zu annähernd derselben Art von Bestätigung führen, nachträglich rationalisiert; sie wurde geäußert, bevor der Wech-
wie die tatsäd"lliche Duplikation von Ergebnissen. Ein Vergleich sel stattfand.
der endgültigen Entscheidungen von ähnlichen Wählern bei einer Somit können wir ein Ergebnis der ersten Studie klären. Die-
Wahl, in der pro-demokratische Kräfte tätig sind, führt zum jenigen, die ihre politische Meinung ändern, sind im Wahlkampf
oder an seinem Ausgang nicht sehr interessiert. Ihre Gleichgül-
2 Political Action Committee = eine Organisation zur Förderung der Demokra-
tischen Partei. tigkeit erschwert ihnen eine feste Entscheidung, denn sie werden

22
allzu leidlt von zufälligen Einflüssen beeindruckt. Eine Unter- Empirische Daten und soziale Prozesse
haltung mit einem Freund läßt sie heute den einen Kandidaten
wählen; während ein Radiovortrag sie gestern noch davon über- Die Erie County-Studie ergab eine Reihe von Verallgemeine-
zeugt hatte, daß sie für die andere Partei stimmen sollten. Es ist rungen, die für jede Art von Forschung, die sich mit kurzf~is_t.i-:-"
durchaus nicht unwahrscheinlich, daß einige der gleichgültigen geX:",_~~::~!el1!!!!~y!echs~!!.!_"o4~,,_V ~~~~!~_~~~?~!.~Kei1~'-~ef~fh.
Wähler sich sogar dann noch nicht recht entschieden haben, wenn belangvoll sein dürften. Sie stellen jedoch bislang noch kein zu-
sie das Wahllokal betreten. sammenhängendes System dar. Sie sind Verallgemeinerungen,
Wir konnten nur zwei Studien vergleichen, und auch dies nur die eine Brücke zwischen den beobac...'1teten Tatsachen und einer
in einigen Punkten. Dennoch war die vergleichende Analyse pro- mehr systematischen Theorie bilden, die noch der Entwicklung
duktiv. Sie verstärkte unser Vertrauen in die Ergebnisse der ein- harrt. Als Aussagen über soziale Prozesse stellen sie, wenn sie
zelnen Studien, und sie bestätigte einige allgemeinere Interpre- empirischen Tatsachenfeststellungen gegenübergestellt werden,
tationen. Es steht fest, daß Sozialwissenschaftier eine wertvolle hochgradige Verallgemeinerungen dar, den theoretischen For-
Gelegenheit verpassen, wenn sie es versäumen, ihre Grundkennt- mulierungen gegenüber jedoch, auf die es der Sozialforschung
nisse zu erweitern, indem sie dieselbe Art von Studie unter kon- ankommt, Verallgemeinerungen geringeren Grades.
stanten und auch unter variierenden Bedingungen wiederholen. Alle unsere Verallgemeinerungen über soziale Prozesse, durch
Für solche Untersuchungen eignen sich Panelstudien besonders die es zu Veränderungen von Einstellungen kommt, hängen zwar
gut. Ihre Logik ist klar, und die vergleichbaren Aspekte jeweils eng zusammen, doch genügt es für unseren gegenwärtigen Zweck,
verschiedener Situationen können leicht isoliert und kontrastiert sie getrennt zu erörtern. ,
werden. I. Ein erster Punkt betrifft die 5tabilit~L4~1:_EimJ:ellungeJl!
In unseren bisherigen Erörterungen haben wir F orschungs- Die Versucllspersonen unserer Studie neigten dazu, ihre Stimmen
methoden und -'pläne angedeutet, mittels derer soziologisch re- abzugeben, wie sie, ja, wie ihre Familien es schon immer getan
levante und wissenschaftlich präzise Daten gewonnen werden hatten. Volle 77 Prozent der Panel-Befragten gaben an, daß
-können. Aber die Sozialforschung bleibt nicht beim Sammeln ihre Eltern und Großeltern ihre Stimme durchweg der einen
derartiger Informationen stehen. Vielmehr ist es nötig, die Da- oder anderen der politischen Hauptparteien gegeben hatten, und
ten in einen theoretischen, systematischen Bezugsrahmen zu in- sie führten diese Familientradition in der Wahl von I940 weiter.
tegrieren. Nur dann können wir erwarten, daß die Daten einer- Diese Stabilität wurde durch eine Art Schutzschild ermöglicht,
seits in konkreten sozialen Situationen anwendbar sein und an- den sie sicli um die zentralen Einstellungen aufgebaut hatten.
dererseits der künftigen Forschung Richtung geben werden. Von der Flut von Propaganda und Gegenpropaganda, die auf '
In der ersten Auflage von »Wahlen und Wähler« haben wir den künftigen Wähler eindrang, gelangte nur sehr wenig ans
versucht, die allgemeineren Implikationen unserer jeweiligen Ziel. Wenn wir, untersuc...'1en, was jenen Wähler wirklich erreicht,
Ergebnisse anzudeuten. Seitdem sind einige spezifische Probleme, werden wir feststellenf"daß er es vorzieht, sich derjenigen Pro-
die sich aus der ursprünglichen Studie ergaben, erforscht wor- paganda auszusetzen, mit der er sowieso bereits übereinstimmt,
,;~~den3, aber vieles bleibt noch zu tun. Es dürfte daher nützlich sein, und sich von der Propaganda fernzuhalten, der er nicht zustim-
" den theoretischen Bezugsrahmen der Studie und die theoretischen men kann~
Implikation<;:r.: ifirerErgebnlsse ausführlicher zu entv;i~eln-:-- , .2. Solche Stabilität kann nicht mit einem Hinweis auf die
»Hartnäckigkeit« oder »Trägheit« der menschlichen Natur er-
3 Vgl. Katz, E. und P. F. Lazarsfeld, :>PERSONAL INFLUENCE .. , Glencoe, I9H klärt werden. Welchen anderen sozialen oder psychologischen
(verkürzte deutsche Ausgabe: :>PERSONLICHER EINFLUSS UND MEINUNGS-
BILDUNG", Wien, 1962). Funktionen die Bewahrung der GrundeinsteIlungen auch immer
c

dienen mag, den Individuen bietet sich bei ihren Gruppenkon- Beobachtungen und halbvergessenen Erfahrungen mit sich her-
takten auf jeden Fall eine Quelle großer Zufriedenheit. Indem um, die in gewissem Sinne »rezessiv« sind, weil sie gewöhnlich
diese nämlich ihre Einstellungen stabil halten, sind sie imstande, nicht in die herrschenden Traditionen oder Interessen der Gruppe
Konflikte und Uneinigkeiten mit den Personen ihrer sozialen passen, der es angehört. Unter gewissen Umständen jedoch, etwa
Umgebung, welche diese Einstellungen teilen, zu vermeiden oder während einer Krise oder einer Periode intensiver Propaganda,
auf ein Mindestmaß zu verringern. Somit trägt die Stabilität können sie an die Oberfläche kommen. Sie können dann zu einer
"'-'-- ihrer Einstellungen dazu bei, ihre persönliche Sicherheit zu be- Umstrukturierung von Einstellungen und in einigen Fällen wohl
wahren. auch zu einem Wechsel der Gruppenbindungen führen.
3· Diese individuellen Tendenzen werden durch soziale Pro- 5. Solche Prädispositionen zum Wechsel sind charakteristischer
zesse ergänzt, die sich in Gruppen abspielen. Wahrend das Indi- für Individuen, in denen entgegengesetzte Kräfte wirken. In unse-
viduum seine Sicherheit erhält, indem es sich von einer Propa- rer komplexen Gesellschaft gehören die Menschen nicht nur einer
--ganda fernhält, die seine Einstellungen bedroht, werden jene einzigen Gruppe an. Sie unterliegen mannigfachen sozialen Bin-
- Einstellungen während seiner Kontakte mit den Mitgliedern dungen: ihrer sozialen Klasse, ihrer ethnischen Gruppe, ihrer Re-
----T seiner Gruppe bekräftigt. Wegen ihrer gemeinsamen Gruppenzu- ligion, den Vereinen, denen sie angehören. Diese verschiedenarti-
gehörigkeit teilen die Mitglieder ähnliche Einstellungen und set- gen Bindungen können manche Individuen in Konflikt geraten
zen sich ähnlicher Propaganda aus. Dies bedeutet jedoch nicht, lassen: ein Katholik der »Oberschicht« könnte zum Beispiel in
daß alle Mitglieder einer Gruppe sich genau derselben Propa- die Lage geraten, daß seine Konfessionszugehörigkeit ihn in die
ganda aussetzen, noch daß sie genau die gleichen Aspekte ge- Richtung zieht, während seine Klassenposition ihn in die entge-
meinsamer Erlebnisse perzipieren. Jedes Individuum hat seinen gengesetzte drängt. Und wenn konkrete Situationen (etwa ein
privaten Fundus von Kenntnissen, seinen privaten Katalog von Wahlkampf) von ihnen verlangen, sich definitiv zu entscheiden,
Erfahrungen, selbst wenn diese nach allgemein verbreiteten Maß- dann muß er sich entschließen, einer seiner GruEP~glQY::llil:;i.t~!!
stäben ausgewählt und beurteilt werden. den Vorrang zu geben.
'---.
Jedes Individuum offenbart bei seinen Interaktionen etwas tEine der Hauptaufgaben der Sozialforschung besteht in der
von den privaten Kenntnissen und auch einiges von seinen pri- Bestimmung des Problems, wie diese entgegengesetzten Kräfte
vaten Erfahrungen, die mit allgemein verbreiteten Einstellungen aufgelöst werdentJln dieser Hinsicht sind folgende Fragen rele-
übereinstimmen. Alle Individuen unterliegen also bestimmten, vant: In welchen Gruppenbindungen erfährt das Individuum
selektiven Einflüssen. Die Interaktionen verstärken zwar auf solche widerstreitende Ansprüche? Gibt es irgendwelche allge-
diese Weise die Isolierung eines jeden Individuums, sie liefern meinen Regeln, nach denen man vorausst'en kann, welche An-
ihm jedoch zusätzliche Argumente, mit denen es seine Position sprüche sich als stärker erweisen werden, wenn mehrere mitein-
untermauern kann. Das Endergebnis solcher Interaktionen zwi- ander in Konflikt stehen? Der Leser wird finden, daß eine ganze
schen den Gruppenmitgliedern ist also eine Verstärkung, ein ge- Reihe von Ergebnissen in dieser StudIe sich auf dieses Problem
genseitiges Bekräftigen gemeinsamer Einstellungen. beziehen, obschon sich über einen so komplexen Gegenstand auf
4· Und doch findet in einigen Fällen eine Veränderung statt. Grund einer einzigen Untersuchung keine zuverlässige Aussagen
Es ist deshalb wichtig, die Bedingungen festzustellen, unter de- treffen lassen. Die in der Erie County-Studie entwickelte Me-
nen Einstellungen ihre Stabilität verlieren, und die Prozesse her- thode kann uns jedoch die Frage beantworten helfen. Welche
auszufinden, die jene Veränderungen bewirken. Verhaltensweise legt .ein Indiviuum unter entgegengesetzten Ein-
Ein Prozeß hängt von der Aktivierung früherer Erfahrungen flüssen an den Tag? Wir fanden in der vorliegenden Studie, daß
und Ideen ab. Jedes Individuum führt sozusagen Keime von Menschen, die entgegengesetzten Einflüssen ausgesetzt waren, im

26 27
Vergleich mit der übrigen Bevölkerung von Erie Country we- jede Untersuchung über Propaganda ganz offensichtlich von
sentlich länger brauchten, um zu einer definitiven Wahlentschei- praktischer Bedeutung.
dung zu gelangen. Der Begriff des Meinungsführers ist, nebenbei gesagt, nicht
Aber eine solche Verzögel'1111g ist nicht die einzig mögliche Re- neu. In vielen Studien über »Macht«, »Einfluß« und »Führung«
aktion. Andere Alternativen reichen von individuellen neuroti- werden wir daran erinnert, daß jede Gemeinde wichtige Männer
schen Reaktionen - etwa der Unfähigkeit, überhaupt irgend und Frauen aufweisen kann, die den Ton angeben und von an-
welche Entscheidungen zu treffen - bis zu intellektuellen Lösun- deren nachgeahmt werden. Unsere Untersuchung zeigt jedoch,
gen, die wiederum zu neuen sozialen Bewegungen führen kön- daß diese vertraute Vorstellung modifiziert werden muß. Bei
, nen. Viele von den Fragen, die uns hinsichtlich der Beziehung uns stellte sich nämlich heraus, daß die Meinungsführung nicht
. von individuellen Einstellungen und der sozialen Umgebung nur vertikal, von oben nach unten, sondern auch horizontal
verwirren, können vielleicht beantwortet werden, wenn das Pro- wirkt: Es gibt Meinungsführer in allen möglichen sozialen Be-
blemder entgegengesetzten Einflüsse und der Reaktionen darauf reichen.
gründlich und mit den geeigneten Methoden untersucht wird. 7. Die Meinungsführung ist indessen nur einer der Mechanis-
6. Wenn wir jedoch über ein Individuum und dessen Umge- men, welche die Einstellungen einer Gruppe beeinflussen. Ein an-
bung sprechen, vereinfachen wir das Problem allzu sehr, denn derer ist das sogenannte »Sichtbarwerden« oder die »Kristallisa-
jene besteht ebenfalls aus Individuen. Wie bilden sich nun aber -gon« der Meihungeii:-Soziile-Situationen, etwa eine politische
deren Einstellungen heraus? Oder anders ausgedrüdtt: Durch ·'kampagne, erfordern fortwährend Handlungen oder Meinun-
welche Mechanismen und Prozesse entwickelt eine Gruppe ge- gen. Und die Mitglieder einer Gruppe begegnen diesen Forde-
meinsame Einstellungen? rungen, auch wenn es keinen besonders ausgeprägten Menschen
Wieder führt uns das Problem in verschiedene Richtungen. gibt, auf dessen Ratschlag man sich.verlassen könnte. Denn außer
Wir werden zuallererst die Meinungsfi.ih!~r untersuchen müssen. den Meinungsführern verstärken auch die gemeinsamen Inter-
In jeder sozialen Gruppe gibt es einige hervorstechende Indivi- aktionen der Gruppenmitglieder die Stimmungen jedes einzel-
duen, die besonders aktiv sind. Sie schenken den Interessen ihrer nen. Während dieser Interaktionen kristallisiert sich eine neue
Gruppe mehr Aufmerksamkeit und bemühen sich eifriger, ihrer Verteilung artikulierter Meinungen und Einstellungen heraus.
Meinung Geltung zu verschaffen. Es ist verhältnismäßig leicht, Im wesentlichen bildet der Prozeß des Sichtbarwerdens nur
diese Individuen festzustellen und zu untersuchen, inwiefern eine andere Phase im oben (Punkt 3) erörterten Vorgang der
sie sich von den meisten anderen Gruppenmitgliedern unter- Verstärkung. Wenn frühere Einstellungen vorhanden sind, wer-
scheiden. d~ei:ris~me Interaktionen sie verstärken; wenn keine frü-
In der vorliegenden Studie fanden wir, daß es zu den Funk- heren Einstellungen, sondern nur gewisse Stimmungen vorhan-
tionen der Meinungsführer gehört, .zwischen den Massenmedien den sind, werden gemeinsame Interaktionen diese in definitive
und anderen Leuten in ihren Gruppen den Vermittler zu spielen. Meinungen kristallisieren.
Es wird allgemein angenommen, daß die Leute ihre Informatio- Ein solches Sichtbarwerden von Einstellungen oder Aktionen
nen meist der Zeitung, dein Rundfunk und anderen Medien di- ist gewöhnlich nur bei Paniksituationen oder bei »Massenverhal-
rekt entnehmen. Unsere Ergebnisse bestätigen dies jedoch nicht .. ten« untersucht worden. Dieselben Prozesse wirken jedoch in
Die meisten erwerben ihre Informationen und Vorstellungen vielen anderen Situationen, und führen keineswegs immer zu
meist durch persönliche Kontakte mit den Meinun~sführern ih- Aufruhr oder Gewalttätigkeit. Sie ereignen sich, wann immer
::>
rer Gruppen, die sich ihrerseits den Massenmedien relativ öfter ein 'Propagandastrom eine Gemeinschaft überschwemmt, wenn
als andere aussetzen. Dieser .:'Weis~.!ige Inform:ationsfluß ist für ein wichtiges Ereignis stattfindet oder eine Gruppenentscheidung

.2.8
getroffen werden soll. Da diese Phänomene allgemein verbreitet beantworten, ob Einstellungsverschiebungen sich in eine bestimm-
sind, ist es wichtig, genau zu untersuchen, unter welchen Bedin- te Richtung bewege~. I?enn ob ~ie Verän~erung die Auflösung I
gungen und auf welche Weise es zu einem »Sichtbarwerden« entgegengesetzter Emflusse, ob Sie den Emfluß von Meinungs-'
kommt. führern ~der äuße::en Ereignissen. od~r ob sie nun wechselseitige,
Es ist interessant, daß derartige Fragen über die Meinungsbil- InteraktIonen betrifft, als Ergebms nllDlIlt die Konsistenz inner-'
dung den Problemen gleichen, mit denen die Nationalökonomen halb der Gruppen wie auch innerhalb der Individuen zu. In dem
jahrelang gerungen haben. Zum Beispiel betrachten sie häufig die Maß, wie diese Prozesse die Meinungen formen und verändern,
Stabilisierung des Preisniveaus als eine Funktion del" Wechsel- stellt sich zwischen den Gruppenmitgliedern engere überein-
wirkung von Angebot und Nachfrage. Dies gleicht logisch der stimmung ein. Es findet also gleichzeitig eine Veränderung in
Tatsache, daß die Meinungsverteilung in einer Gruppe das Er- Richtung auf größere Homogenität innerhalb der Gruppen und
gebnis der Interaktionen vieler Individuen ist. In beiden Fällen auf verstärkte Gegensätzlichkeit zwischen den Gruppen statt i
kann das Endergebnis nicht mit den früheren Aktionen oder die wir weiter oben beschrieben haben. Wenn das Individuu~
Meinungen der einzelnen Individuen erklärt werden. In beiden sich also in enger übereinstimmung mit seiner sozialen Umwelt
Fällen ergibt sich das Endergebnis aus den Interaktionen, es fällt --befindet, wenn es zwischen entgegengesetzten Einflüssen eine Lö-
sozusagen bei ihnen ab, ohne vorher bestanden zu haben. sung findet und seine .vage~ Gefühl.e zu definitiven Meinungen
S. Es gibt noch einen anderen Faktor der Meinungsverände- formt, werden auch seme pnvaten Emstellungen konsistenter.
rung. Meinungen scheinen in einer Stabilitätshierarchie organi- Wenn diese Verallgemeinerungen die Ergebnisse unserer Stu-
siert zu sein. Im Laufe eines Wahlkampfes passen die flexibleren die auch weiterführen, so ist doch auf ihren vorläufigen und ten-
sich den stabileren an. Jede politische Partei vertritt eine Reihe tativen Charakter hinzuweisen. Untersuchungen anderer Situa-
von Grundsätzen, die sie den Wählern einzuprägen sucht. Am tionen können zu neuen Verallgemeinerungen führen oder
Anfang eines Wahlkampfes reagiert eine ganze Reihe von Per- notwendig machen, die hier umrissenen Aussagen zu modifizie-
sonen auf manche Fragen »republikanisch« und auf andere »de- ren. Man darf die Beziehung einer einzelnen Untersuchung zur
mokratisch«. Mit der Zeit tendieren jedoch immer mehr Per- jeweiligen Art der Verallgemeinerung nicht außer Acht lassen.
sonen zu einer immer homogeneren Meinungsstruktur . Die
Wahlkampfthemen lassen sich bei der Untersuchung nach ihrer .. Allgemeine Aussagen dieser Art fassen die bisher gesammelten
Informationen zusammen, sie sind jedoch nicht nur Zusammen-
Anpassungsfähigkeit gliedern. Die Wahlabsicht ist am stabilsten; fassungen. Sie können der Forschung neue Wege weisen, denn
die Einstellungen zu spezielleren Themen stimmen meist mit der -wenn wir von ihnen ausgehen, wissen wir, wonach wir weiter
Parteilinie überein. Unter diesen Themen gibt es wiederum einige,- suchen müssen. Doch sind solche Verallgemeinerungen stets viel
die sich anscheinend im Schlepptau anderer befinden. Im Wahl- zu allgemein. Die Begriffe, die sie jeweils implizieren, müssen in
kampf von 1940 waren zum Bespiel die Meinungen über die Per- spezifische, der konkreten Situation angepaßte Meßwerkzeuge
sönlichkeit der Kandidaten relativ stabiler, während die Mei- übersetzt werden. Nur durch weitere Forschungen und das stän-
nungen über ganz spezielle Streitfragen, zum Beispiel über die dige Zusammenspiel von Empirie und Theorie kann ein systema-
Rolle der Regierung in Wirtschaftsfragen, wahrscheinlich dem tischer wissenschaftlicher Fortschritt erzielt werden. _
Bild angepaßt wurden, das man sich von dem betreffenden Kan-
didaten machte.

Dies sind nur einige der Prozesse, durch die Meinungen gebil-
det und verändert werden; sie helfen uns jedoch, die Frage zu

31
t
Wege künftiger Forschung

Vier Hauptfragen bedürfen der Weiter-Untersuchung und Klä-


rung. . .
I

Geldmittel nicht, so weit zu gehen, wie wir es gerne gewollt hät-
ten oder wie es notwendig wäre.
Ein drittes Problem betriffi das Verhältnis der von der Panel-
studie entdeckten Einflüsse zum Gesamtprozeß der Einflüsse und
Zunächst würden wir unsere Studie gern unter anderen poha-
Entscheidungen, die sich in der Gemeinde abspielen. Panelergeb-
schen Bedingungen wiederholen. Sind etwa bei Wahlentschei-
nisse lassen sich oft nur dann verstehen, wenn der allgemeine
dungen andere Prozesse mit im Spiel, wen~ bei de: .Wahl
Hintergrund der betreffenden Gemeinde in Betracht gezogen
wichtige Fragen zur Entscheidung stehen? Bel d.en. Prasldent-
wird. So wird die Aussagekraft der vorliegenden Untersuchung
schaftswahlen von 1940 und 1944 gab es zum Belsplel nur we-
zum Beispiel dadurch eingeschränkt, daß wir versäumten, die
nige Fragen, über die sich die beiden Parteien uneins wa:en. Bei
gesamte Gemeinde eingehender zu studieren. Als wir die Inter-
diesen Wahlen richteten sich daher die Wähler hauptsächhch nach
views bereits abgeschlossen hatten, erfuhren wir von den Be-
der Tradition und internen Struktur der Parteien. Aber die Be-
fragten, welchen Einfluß die Ortsgruppe der Republikaner auf
weise dafür mehren sich, daß es zwischen Republikanern und
die Meinungsbildung hatte. Aber nun war es nicht mehr möglich,
Demokraten zu schärferen Auseinandersetzungen über grundle-
die politische Situation entsprechend zu untersuchen.
gende Fragen, etwa über die Sozialgesetzgebung, ko:nm.t. Künf-
Ein ähnlicher Mangel war unser Versäumnis, die Meinungs-
tige Präsidenten wahlen könnten uns also Gelegenhelt bleten, zu
führer eingehender zu untersuchen. Wenn von den Befragten
untersuchen, wie sich Einstellungen zu bestimmten Problemen
eines Panels angegeben wurde, daß sie Informationen oder Rat
herauskristallisieren und welche Beziehungen zwischen ihnen, der
von anderen Personen erhalten hatten, dann wurde diese Tat-
Wahltradition und den jeweiligen Gruppeneinflüssen bestehen.
sache zwar protokolliert und das gesamte Vorkommen persön-
Fast dieselbe Art von Information kann aus ähnlichen Studien
licher Einflüsse festgestellt. Es wurde jedoch kein Versuch unter-
gewonnen werden, die über Wahlverhalten im kommunal:n Be-
nommen, die Meinungsführer selbst zu interviewen.
reich durchgeführt wurden. Hier ist die Aufmerksamkelt .vor
Dies wurde in einer späteren Untersuchung nachgeholt4-. Wie-
allem auf Probleme gerichtet, die von lokalem Interesse smd.
derum konzentrierte sich die Studie auf ein Panel von Befragten,
Lokal bedingte, zeitweilige Vereinigungen interessierter Grup-
diesmal in einer Gemeinde in Illinois. Aber hier wurde den Mei-
pen gehen, wie wir nach diesen Studien wissen, quer d?~ch die
nungsführern jetzt um so mehr Aufmerksamkeit geschenkt: Je-
Parteien und reduzieren deren Aktivität. Bevor das Indlvlduum
zu einer Wahlentscheidung gelangt, muß es sich über bestimmte
Probleme und politische Möglichkeiten eine Meinung bilde~.
Dabei ist es einer ganzen Reihe von Einflüssen ausgesetzt;dle
I der, der von einemPanelmitglied als einflußreich erwähnt wurde,
bekam eine Reihe VOn Sonderfragen gestellt, die so entworfen
waren, daß die Quellen seiner Information und Meinungen sich
feststellen ließen. Auf diese Weise vermochten wir ein deutliches
Prozesse, die schließlich zu einer Wahlentscheidung führen, kön-
Bild von dem Einflußstrom in dieser Gemeinde zu bekommen.
nen sich durchaus von denen unterscheiden, die wir bei den letz-
Wir sahen ihn nicht nur mit den Augen der einzelnen Panelmit-
ten Präsidentenwahlen feststellten.
glieder, sondern waren auch imstande, ihn bis in eine ganze Reihe
Zweitens würden wir gern mehr über Persönlichkeitsstruktur
von vertikalen und horizontalen Verzweigungen zu verfolgen.
und sozialen Hintergrund der Individuen erfahren, die ihre
Das vierte Problem, das sich uns stellt, ist methodologischer
Einstellung wechseln. Dies würde detaillierte Einzelfallstudien
Art. Weder Vorteile noch Grenzen der Panelmethoden sind bis
über die »Wechsler« wie die »Beständigen« erfordern. In der
jetzt völlig erforscht5• Wie lange kann zum Beispiel ein Panel in
Erie Co~nty-Studie wurden mit den» Wechslern« Sonderinter-
views durchgeführt, jedoch gestatteten es unsere beschränkten 4-Vgl. Katz. E. und P. F. Lazarsfeld. a.a.O. .
5 Vgl. jetzt Jiri Nehnevajsa: Analyse von Panel-Befragungen. In: Handbuch der

32
33
Anspruch genommen werden? über welche Gegenstände können Kapitell
wiederholte Interviews sich als zuverlässig erweisen, und bei Einführung
welchen Themen werden mehrfach wiederholte Interviews die
Informationen allmählich verzerren? Wurden wir einen tieferen
Einblick gewinnen, wenn wir Panel ergebnisse mit den hochent- Dies ist ein Buch über politisches Verhalten in den Vereinigten
wickelten mathematischen Tec..~niken analysieren, die von den Staaten - insbesondere über die Bildung von Meinungen wäh-
Analytikern von Zeitreihen entwickelt worden sind? In welchem rend einer Präsidentschaftswahl. Alle vier Jahre inszeniert das
Zusammenhang stehen die gängigen Laboratoriumexperimente Land ein groß angelegtes Reiz-Reaktions-Experiment in politi-
über die Entstehung von Einstellungen zu jenen Feldstudien, in scher Propaganda und öffentlicher Meinung. Die Reize bestehen
denen mehrmalige Interviews angewandt wurden? aus all dem, was die beiden Parteien bei der Wahl ihres Kandi-
Glücklicherweise hatten wir Gelegenheit, einige dieser Fragen daten unternehmen. Die Reaktionen, die wir hier betrachten und
zu studieren. Das Komitee für die Messung von Meinungen, Ein- analysieren, bestehen aus dem, was die Menschen im Laufe dieses
\
stellungen und Verbraucherwünschen (The Committee on Mea- Wahlkampfes tun.
surement of Opinion, Attitudes and Consumer Wants), das vom Wir it:lteressierennns ruer'für alle Jene Bedirtgungen, die das
N adonaI Rese"trch Council und dem Social Science Research "ifpölitis:cheVerhalt.en bestimme:q:l'wir wollen herausbekommen,
Council gegründet wurde, erhielt von der Rockefeller-Stiftung una
c'lv'i! warii~1ttie betreffenden Personen sich für diese oder
Geldmittel zur Erforschung von Theorie und Anwendung der ~;~P~rtereii.ts"cliiedeIl,; Von welchen Einflüssen wurde ihre Ent-
Paneltechniken. ' scheidung w~hrend d~s Wahlkampfes von 1940 vor allem be-
Bereits bei der Vorbereitung der Studie in Erie County wurde stimmt? Wir glauben zwar einige Fragen beantworten zu kön-
klar, daß die Technik der mehrmaligen Interviews sich keines- nen; doch nicht in allen Fällen sind wir uns so sicher. Studien
falls auf die Untersuchung der politischen Propaganda beschrän- ähnlicher Art werden, zumal wenn man sie miteinander ver-
ken muß. Es handelt sich dabei um eine allgemeine Methode, die gleicht, die Gültigkeit der Ergebnisse dieses Berichtes bestätigen,
sich in allen möglichen Studien über die Entwicklung von Ein- seine Unzulänglichkeiten wettmachen und ganz allgemein unser
stellungen anwenden läßt. Wollen wir zum Beispiel Rassenvor- Wissen von den Determinanten politischer Meinung in einer mo-
urteile beseitigen, Verbraucherwünsche verändern oder zur in- dernen Demokratie klären und vervollständigen.
ternationalen Verständigung beitragen, dürfen wir uns nicht mit Man kann Wahlen auf verschiedene Weise untersuchen. Bis
bloßer Deskription begnügen. Wir müssen auch untersuchen, wie vor kurzem noch waren die offiziellen Wahlakten das einzige
derartige Einstellungen entstehen und wie sie beeinflußt werden zur Verfügung stehende Material. Sie waren zur Untersuchung
können. All dies sind Probleme der Art von dynamischer Sozial- der geographischen Streuung der politischen Stimmungen brauch-
forschung, wie sie in der vorliegenden Studie betrieben wird. bar, aber damit hatte es sich bereits. Dann führte eine Gruppe
von politischen Wissenschaftlern deryniversität von Chicago
Bureau of Applied Social Research Paul Lazarsfeld
die· sogenannte aofO@scne)V~Ell~$~' Sie untersuchten
Columbia University Bernard Berelson
die Wahlergebnisse ~twa ~i~er"Stadt oder eines Bundesstaates,
Sommer 1944. Hazel Gaudet
über die ihnen jeweils eine beträchtliche Anzahl von statistischen
Angaben (etwa aus Volkszählungen) zur Verfügung stand. Da-
durch waren sie in der Lage, die Wirkungen einzelner Faktoren
(der Religion, der Nationalität oder des allgemeinen wirtschaft-
empirischen Sozialforschung, Hrsg. R. König und H. Maus, ·Bd. I, Stuttgart
Enke, 1962 S. 197 ff. lichen Status) auf das Wahlverhalten einigermaßen zu isolieren.

34 35
Internationale Ereignisse
Periode Lokale Ereignisse Nationale Ereignisse K.apitel III
Letzte Wahlkamplrede: Soziale Unterschiede zwischen
Erste Siebentes Inter-
November- view des Panels
Roosevelt in Brooklyn Republikanern und Demokraten
und Cleveland; WiJ[kie
hälfte
in New York.
Jeder praktische Politiker, der sein Handwerk versteht, weiß ei-
nigermaßen über die soziale Schichtung der amerikanischen Wäh-
lerschaft Bescheid. Es gehört zum Rüstzeug seiner Alltagsarbeit,
daß er weiß, welche Gruppe aller Wahrscheinlichkeit nach aus
eingefleischten Republikanern oder traditionellen Demokraten
besteht. Er bliebe nicht lange im Geschäft, wüßte er nicht, wer für
die Argumente bei der Parteien am ehesten zugänglich ist.
In den meisten Gebieten kann der Politiker heute damit rech-
nen, daß der Bankier, der Geschäftsführer, der Farmer, der Bi-
schof und auch mancher aus seiner Herde republikanisch wählen
wird. In derselben Weise weiß er, daß der Einwanderer, der Ar-
beiter, der Priester und die meisten seiner Pfarrgemeinde - zu-
mal in den Städten die Hauptstütze der demokratischen Partei
bilden, vom »soliden Süden« abgesehen 5•
Die Merkmale, nach denen der Politiker einen Republikaner
und einen Demokraten unterscheidet, scheinen also ökonomischer
Status, Religion, Wohnort und Beruf zu sein. Hinzu kommt als
fünftes das Alter. Die Tradition lehrt, daß die Jugend dem Kon-
servativen sowohl in der Politik wie in der Kleidung, der Musik
und im allgemeinen Verhalten aus dem Weg geht.
Zum größten Teil bestätigt die Studie über das Wahlverhalten
im Jahre <940 in Erie County diese Erfahrung. Aber sie begnügt
sich nicht damit, dem gesunden Menschenverstand wissenschaft-
lichen Anstrich zu geben. Indem sie die Ergebnisse systematisiert,
indem sie den Einfluß jedes dieser Schichtungsfaktoren wirklich
mißt, stellt sie diese in eine Rangordnung und bringt ihre Inter-
dependenz ans Licht.

Die Rolle des sozioökonomischen Status


Bevor wir die Rolle erörtern, die der sozioökonomische Status
bei der Zusammensetzung der beiden wichtigsten politischen Par-
teien spielt, betrachten wir den Index, mit dem wir dieses Merk-
mal messen.
""'"'"'---~---

~o
gen der verschiedenen sozialen Gruppen darstellen, denen die
Die Meinungsforschung macht im allgemeinen von Interview- Menschen angehören. So ist es zum Beispiel eine bekannte Tat-
ereinschätzungen des sozioökonomischen Status Gebrauch. Der sache, daß in vielen Gemeinden ein Jahrhunderte alter Familien-
Bequemlichkeit halber sprechen wir von SOS-Schätzungen. In-
name mehr Prestige einbringt, als Reichtum. Ein Befragter, der
terviewer werden ausgebildet, die Heim und Besitz, Auftreten
Geld und Familienstatus besitzt, wird von den Interviewern hö-
und Sprache der Befragten einschätzen und sie nach einer festge-
her eingeschätzt als einer, der sich nur in einem dieser beiden
legten Quote in die entsprechende soziale Schicht der Gemeinde
Merkmale qualifiziert. Und dieser wiederum würde noch vor
einordnen. Die Personen mit den besten Häusern, Möbeln, mit
jemanden eingeordnet werden, der weder Geld noch einen alt-
der besten Kleidung, also die Leute mit dem meisten Geld, fallen
ehrwürdigen Namen besitzt. Die SOS-Schätzungen können des-
in die Gruppe A, und die Personen auf dem anderen Extrem-
halb als Maß für die Anzahl der Qualifikationen betrachtet wer-
punkt fallen in die Gruppe D. In Erie County kam die Quote·
den, die jeder Befragte für eine Einordnung in die sozialökono-
folgender Verteilung nahe: A, 3 %; B, 140/0; C+, 33%; C-,
mische Skala mitbringt1o• In diesem Sinne stellen die SOS-Schät-
30 % und D, 20 % 6• zungen einen allgemeinen Schichtungsindex dar.
Eine solche Klassifikation enthüllt eine Anzahl allgemeiner·
überlegungen, die hier nur kurz zusammengefaßt werden kön-·
Abbildung 1 11
nen7.Das erste Problem betrifft die Zuverlässigkeit eines solchen
Klassifikationsverfahrens. Würden zwei voneinander unabhän-. Person.en mit h~h~ sozioökonomischen Status (SöS) wählen ;
gige Tests dieselben Ergebnisse liefern? Hierzu gibt es einige Be- eher d~e Repubhkamsche als die Demokratische Partei. • .
weise. Experimente haben gezeigt, daß zwei Schätzungen, näm-.
A B c+ C D
lich zwei unabhängige Einschätzungen der gleichen Gegenstände
durch die gleichen Interviewer, aber in Abständen von drei Wo-
29'4 32%
chen, eine starke Korrelation (0,8) haben. Werden die gleichen 44'4
Gegenstände von zwei verschiedenen Interviewern beobachtet, ,54"10
65'4
verringert sich die Korrelation auf 0,6 oder 0,7 8. Obwohl es ei-
nige Abweichungen gibt, liefern die Schätzungen also doch eine.
recht zuverlässige Klassifikation.
Aber klassifizieren diese Schätzungen die Personen so, daß das
Ergebnis auch der allgemeinen Erfahrung entspricht? Auch hier
gibt es Belege dafür, daß die SOS-Schätzungen in enger Bezie-
hung zum materiellen Besitz der Befragten stehen. Je höher di
Schätzung, desto höher das durchschnittliche Einkommen un
~ Republikaner Demokraten () Ge'amt. Föll.
die durchschnittliche Anzahl teurer Haushaltsgegenstände in ih
rem Besitz9 • Diese SOS-Schätzungen stehen auch in enger Bezie
In welchem Umfange differenzierten die SOS-Schichten die
hung zur Schulbildung der Testpersonen. Geschäftsleute und frei· partelStImmen?
" In welchem Maße wurden die Republikaner oder
Berufe werden höher eingesc.1tätzt, während Arbeiter und HUfs
die Demokraten von den verschiedenen sozialen Schichten unter-
arbeiter niedriger eingeordnet werden. St"utzt., DIe
. Antwort lautet, daß es doppelt soviel Republikaner
Kurzum, spezielle Untersuchungen haben gezeigt, daß dies
auf der A-Schicht gab wie auf der D-Schicht (Abb. I). Je wei-
qualitativen Schätzungen eine Art Durchschnitt von (bzw. eine
ter man auf der SOS-Skala nach unten geht, desto mehr nimmt
gemeinsamen Faktor für) die unterschiedlichen Statusschätzun

53
\ '

der Anteil der Republikaner ab und derjenige der Demokraten Als erste Grundlage für eine weitere Unterteilung (Abb. 2)
können uns die Berufe unserer Befragten dienen. Auf jeder SOS-
entsprechend zu.
Schicht neigten die »oberen« Berufsgruppen freie Berufe, Ge-
schäftsleute, Büroangestellte und Werbefachleute - mehr zur
Abbildung 2
Republikanischen Partei als die »unteren« Gruppen (gelernte
Die Republikani!lche Partei wird eher von Arbeitern als von An- Mechaniker, Fabrik- und Hilfsarbeiter)12.
gestellten gewählt; innerhalb der SOS-Schicht ist der Berufsun- Sind die Personen indessen einmal nach dem allgemeinen SOS-
terschied von geringer Bedeutung. Index klassifiziert, kann die weitere Klassifizierung nach Berufen
c o die Gruppen nicht mehr weiter verfeinern. Mit anderen Worten:
ATB c+
Personen mit gleichem allgemeinen sozioökonomischen Status be-
K.A. H.A. K,t;. H.A,
K.A. H.A. sitzen ungefähr die gleichen politischen Einstellungen, welchen
23% 2S~
Beruf sie auch ausüben. Innerhalb der SOS-Schicht ist der Beruf
45% 50% selbst für die Stimmabgabe in der Tat nur von geringer Bedeu-
67% 69%' tung.
Aber vielleicht ist der wichtigste Faktor nicht so sehr der ob-
jektive Beruf einer Person, sondern deren eigene Meinung über
ihren sozialen Status. Ein Arbeiter kann zum Beispiel ein Vor-
arbeiter sein oder danach trachten, einer zu werden und könnte
sich daher mit der Betriebsführung identifizieren. Er könnte der
(6) (72) Auffassung sein, daß sein persönliches Wohlergehen eher mit dem
(78) (101)

~ ( ) Ge,amte Falle Wohlergehen der Arbeitgeber in Zusammenhang steht als mit


t:=J Demokraten
Republikaner
dem der Arbeiter. Vielleicht beeinflußt die "Klassen«-Identifi-
Ein solcher allgemeiner Index ist zwar brauchbar, wenn man zierung einer Person ihre Stimmabgabe mehr als ihr tatsächlicher
allgemeine Beziehungen feststellen will, er verdunkelt a~er oft Beruf. Zur Untersuchung dieses Problems wurde im Oktober
interessante Nuancen. Ein Soziologe, der sich für den Begnff der "und November die folgende Frage gestellt 13 : "ZU welcher der
"Klasse« interessiert, könnte zum Beispiel glauben, daß ein der- folgenden Gruppen rechnen Sie sich?« Denjenigen, die sich zu
artiger Index der sozialökonomischen Schichtu~g das Problem keiner der Gruppen rechneten, wurde die Frage gestellt: »Für
eher vernebelt als klärt. Er könnte darauf verweisen, daß es eher welche Gruppe interessieren Sie sich am meisten?« Die Ant-
auf die objektive und konkrete Position des Individuums im all- worten lieferten die Daten für unsere zweite Unterteilung.
gemeinen Wirtschafts- und Produktionssys:em .ankom~e. Für eine . Die Identifikationen, die die Menschen in ihrem Bewußtsein
statistische Behandlung dieses Problems 1st eme weitere Un~er­ .vornehmen, sind für die schließliche Wahl wichtiger als ihr ob-
teilung der Befragten innerhalb der verschiedenen. S?S-S~ch­ jektiver Beruf (Abb. 3)' Dies ist nicht überraschend da wir
ten notwendig. Obzwar es nicht Zwem. dieser Studie 1st, .Schlch- ~ier ein Element des Bewußtseins einführen, das in en~er Bezie-
tungssysteme ausführlicher zu behand.eln, soll d.och an em oder hung zu den anderen Faktoren der Einstellung steht, die die
zwei Beispielen einer solchen Unterteilung gezeigt werden, d~ß Stimmabgabe beeinflussen. Die Hinzunahme dieses Elements der
der allgemeine SOS-Index differenziertere Probleme der sozia- Identifikation erhöht die bereits - dank der Klassifizierungb der
len Schichtung nicht verschleiert, sondern deren Untersuchung ,SOS-Schichten (Abb. r) - vorhandene Voraussagbarkeit der
~litischen Bindung beträchtlich.
eher erleichtert.

55
54
Abbildung 3 'Religion und Alter
Während der tatsächliche Beruf nichts aussagt, was über die
Beziehung zwischen SOS-Stufe und Wahl hinausginge, ist es von In Erie County gab es einen anderen Faktor, der nicht weniger
großer Bedeutung, ob ein Wähler sich mit dem »Business« oder wichtig war als die SOS-Schichtung: die Religionszugehörigkeit.
mit der »Arbeit" identifiziert.
Abbildung 4
A+B c+ c- o
G.L.
Die Reli~ionszugehörigkeit bewirkt eine scharfe Trennung der
G.L. Arb. Arb. G.L. Arb. G.l, Arb.

20'1. Wählersttmm.en. Dies erklärt sich nicht aus der Tatsache, daß die
25%
47'l:o Katholtken In den USA auf der SOS-Skala im Durchschnitt
66%
70% nie~riger ~~~giere~ als die Protestanten. Der Zusammenhang
73%
ZWlscher:. WahlerStlmmen und Religionszugehörigkeit besteht auf
, jeder SOS-Schicht.

(53) (104) (lO) (85/


c::::J Demokrafen fZZ.lÄ Republikaner (I Ge.amte Föff.
G.l. GewerbsIeben Arb. Arbeiter

Fanden wir dort noch doppelt soviel Republikaner in den


höchsten SOS-Schichten (A + B) wie in den niedrigsten, so hat
nun, unter Einschluß der sozialen Identifikation, der Unterschied
sich im Verhältnis von nahezu drei zu eins vergrößert.
Der allgemeine SOS-Index kann also durch die Kombination (269) (42)
(:'l86l (113) (217). (76)
mit anderen sozialen Maßen - vor allem der Identifikation - ex- CJ Demokraten
akter gemacht werden. Sowie die soziale Kennzeichnung des Be- rzzzJ Republikaner ( ) vesamftl Fälle
"Prof. Protestanten
Kqlh. Kafholik~n
fragten detaillierter wird, kann eine engere Beziehung zur poli-
tischen Zugehörigkeit hergestellt werden. Die Wohlhabenderen,
" Semzig PrOZent der Protestanten und nur 23 Ofo der Katholi-
die über mehr und besseren Besitz verfügten' und wirtschaftliche
ken hatten im Mai die Absicht, die Republikaner zu wählen. Auf
Interessen hatten, waren gewöhnlich Republikaner. Die Ärme-
den ersten Blick smeint dies ein falsches Bild zu geben Die
ren, deren Wohnung und Kleidung weniger wert waren, die
"Ltholiken b '
eSltzen 1 1m a1
.. I'm'
nam 1'
gemelllen .
einen niedrigeren
sich selbst zur Arbeiterschicht zählten, stimmten für die Demo-
Status als die Protestanten, und daher wäre es
kraten. Unterschiedliche soziale Merkmale: unterschiedliche Wäh-
, daß dieses Ergebnis einfam die SOS-Schichtung wider-
lerstimmen.
Aber das tut es nimt. In jeder SOS-Smicht ist die Re-
Ills:~u~:ehIDr . ein wimtiger Bestimmungsfaktor des Wahl-
(Abb·4).
Untersmied zwismen Protestanten und Katholiken ist

57
auf verschiedene Weise zu erklären. Vielleicht ist er auf Unter- Katholiken, wenn sie mit den Protestanten insgesamt verglichen
schiede in der nationalen Herkunft der religiösen Gruppen zu- werden, in der Minderheit, und in den meisten nördlichen Ge-
rückzuführen. In den Großstädten haben die Iren, Polen, Ita- meinden waren die Demokraten, trotz ihrer günstigen Erfolge,
liener - die meist katholisch sind starke Sympathien für die eine Minderheitspartei, da »normalerweise« die Stimmen den
demokratische Partei. Aber dies reicht nicht aus, um das Wahl- Republikanern gegeben werden. Es könnte sein, daß die Katho-
verhalten der Katholiken von Erie County zu erklären. Denn es liken demokratisdl wählen, um diese gemeinsame Minderheits-
gab neben der angelsächsischen nur eine Nationalitätengruppe, identifikation 14 zu bestätigen.
die in Erie County Bedeutung besaß - die deutsche. Die religiöse
Zusammensetzung dieser Gruppe unterschied sich nicht von der Abbildung 51:;
restlichen Bevölkerung.
Die jüngeren Wähler verhalten sich innerhalb ihrer religiösen
Aber so ungenügend dieser Erklärungsversuch auch ist, er ent-
Gruppe oppositionell: Jüngere Protestanten wählen seltener als
hält im Keim eine andere Hypothese von zweifellos größerer
ältere Protestanten die Republikanische Partei, und jüngere Ka-
Gültigkeit. Die Katholiken sind dank den irischen, italienischen
tholiken wählen seltener als ältere Katholiken die Demokrati-
und polnischen Einwanderungswellen traditionsgemäß mit der sche Partei.
demokratischen Partei verbunden. Viele demokratische Partei-
Profesfanlcß Kalholik.n
führer sind Katholiken gewesen - so die Vorsitzenden des natio-
unfer 45 J.
nalen Komitees: Raskob, Farley, Flynn, Walker, Hannegan - 4S J. u. über
unter
4S J.
45 J.
u. über
und Al Smith, der demokratische Kandidat im Jahre 1928, war':-
der einzige, je für die Präsidentschaft nominierte Katholik. Die
43% 34%
politische Bindung der Katholiken erklärt sich in gewissem Gra-
de durch diese einfache historische Tatsache.
72%
Es ist auch denkbar, daß diese Tendenz noch durch die tradi- 84%
tionelle, aus der Einwanderungsgeschichte der verschiedenen eu-
ropäischen Nationalitäten sich entwickelnde Neigung der katho-
lischen Geistlichen zur demokratischen Partei verstärkt wird.
Obschon die Priester wohl keinen direkten Einfluß ausgeübt ha-
ben, sickerten ihre politischen Präferenzen doch in ihre Pfarrge-
meinden ein. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß manche Gemein-
demitglieder - zumal solche, die sich nicht allzusehr für Politik
c::::J Demokralen rzza Republi kaner () G.samle Fäll.
interessieren - einfach der Führung ihres Priesters folgen, in wel-
chem die so häufig unter Katholiken feststellbare Gruppensoli- Die unterschiedlichen politischen Neigungen der beiden religiö-
darität ihren Ausdruck findet. sen Gruppen führt uns zu einer neuen Kategorie: zum Verhält-
Eine andere Möglichkeit ist, daß die vorwiegend demokra- nis zwischen Alter und Wahlverhalten. Es heißt ja, daß ältere
tische Stimmabgabe der Katholiken nur ausdrückt, daß eine Menschen in den meisten Dingen, und so auch in der Politik,
»Fremdgruppe« (out-group) die »Minoritätspartei« (out-party) konservativer sind, einmal, weil sie ihre eigene idealisierte Ver-
unterstützt. In den meisten amerikanischen Gemeinden sind die gangenheit fortsetzen möchten, zum anderen, weil sie mehr zu
bewahren haben. Aus entsprechenden Gründen sollen jüngere
" bis Kennedy (A. d. 0.) ),fenschen liberaler und für Veränderungen empfänglicher sein.

59
Akzeptiert man die gebräuchlichen Stereotype - daß die Repu- von uns noch untersucht, doch nur einer erwies sich als statistisch
blikaner »konservativer« sind und die Demokraten »liberaler« - signifikant: Es gab 14 Ofo mehr republikanische Wähler im länd-
so scheint sich die Legende für Erie County im Jahre 1940 z: lichen Teil des Kreises als in Sandusky, der einzigen größeren In-
bewahrheiten. dustriestadt mit einer Bevölkerung von 25000.
Im Mai beabsichtigten 50 Ofo der Personen unter 45 Jahren Andere Unterschiede waren weniger bedeutsam. Frauen be-
und 55 Ofo der Personen über 45 Jahren, republikanisch zu wäh- vorzugten etwas mehr die republikanische Partei.
len. Dieses Ergebnis gilt indessen nicht, wenn wir Protestanten
und Katholiken getrennt betrachten (Abb. 5). Nur bei den
Abbildung 6
Protestanten gab es unter den älteren mehr Personen, die zur
Mitgliedschafi in einer hohen SÖS-Schicht, Zugehörigkeit zur
Republikanischen Partei neigten. Bei den Katholiken war das
protestantischen Religion und ländlicher Wohnort prädisponie-
Verhältnis umgekehrt: Unter den Älteren überwogen die Perso-
ren einen Wähler für die republikanische Partei; die gegenteili-
nen, welche die Demokratische Partei bevorzugten. Daß sich so
gen Faktoren führen zu demokratischen Prädispositionen. Die
das Verhältnis zwischen Alter und politischer Präferenz feiner
Wirkung dieser Faktoren veranschaulicht der Index der politi-
darstellt, dafür lassen sich zwei Gründe vermuten. Erstens zeigt
schen Prädisposition (IPP), der zeigt, wie hoch die Faktoren mit
sich bei den Jüngeren, die im allgemeinen weniger von der Kirche
der Wahlabsicht korrelieren.
beeinflußt sind als ihre Eltern, weniger Einfluß der Religion auf
das Wahlverhalten. Somit befinden sich unter den jungen Pro- politische Prädisposition:
testanten weniger Republikaner als unter den alten, und unter stark mä~ig $chwach schwach mä~ig stark
Rep. Rep. Rap. Dem. Dem. Dem.
den jungen Katholiken weniger Demokraten. Und zweitens 1 2 3
dürfte der Mythos - der sich hier als unrichtig erweist -, daß das
Alter politischen Konservatismus mit sich bringe, sich in einem 26% 27'_
39'_
anderen Sinne anwenden lassen. Wie der Appetit, so wächst auch 560;0.
die Gewohnheit mit dem Essen. Die religiösen Faktoren verstär- 700;0
63'_
ken sich mit den Jahren, so daß sie bei den Älteren schwerer wie-
gen. Sie ~eeinflussen die Befragten über längere Zeit hinweg, sie
können Ihn länger indoktrinieren und durch gemeinsame Ele-
m:nte auf die einwirken. Mit anderen Worten, das höhere Alter
bnngt zwar keinen politischen Konservativismus hervor wohl
aber sozialen. '
(148) (319) (263)

l?222'.awöhllc repub1ikanisch~ wäh1fe demokratisch ( ) Gesamte Fälle

Ein Index der politischen Prädisposition


Die multiple Korrelation zwischen der Stimmabgabe und den
erörterten sozialen Faktoren ist ungefähr 0,5 16 • Aber der größte
Bis zu diesem Punkt haben wir festgestellt, daß das Wahlverhal-
Teil des Voraussagewertes aller dieser Faktoren leitet sich von
ten mit zwei sozialen Faktoren zusammenhängt: der SOS-Schicht
drei Faktoren her: SOS-Schicht, Religion und Wohnort. Von al-
und der Religionszugehärigkeit. Und nebenbei haben wir gese- len reichen, protestantischen Farmern wählten fast 75 % republi-
hen, daß das Alter sich bei Katholiken und Protestanten politisch kanisch, während 90 % der katholischen, in Sandusky wohnen-
unterschiedlich auswirkt. Eine Anzahl weiterer Faktoren wurde den Arbeiter demokratisch wählten.

60 61
Um diese Faktoren auf eine einfache Weise zusammenzufassen, Kapitel IV
entwarfen wir einen Index der politischen Prädispositon (IPP)17. Ideologische Unterschiede zwischen
Damit konnten die Befragten auf eine Skala eingeordnet werden. Republikanern und Demokraten
An einem Ende wurden die eingetragen, die stark republikani-
sche Prädispositionen zeigten, am anderen die Wähler mit stark Wir haben einige objektive Merkmale festgestellt, die den durch-
demokratischen Prädispositionen. Ein Index ist natürlich gröber schnittlichen republikanischen Wähler vom demokratischen Wäh-
als ein Koeffizient multipler Korrelation, aber er erleichtert die ler unterscheiden. In welchem Umfange unterscheiden sich die
Unterscheidung zwischen den Wahlen und der unterschiedlichen heiden Gruppen nun in ihren Vorstellungen über öffentliche An-
Kombination der Merkmale der einzelnen Personen (Abb. 6) ... gelegenheiten, zumal über die Streitfragen, um die es bei der
Das Verhältnis der Republikaner sinkt durchweg und signifikant ' Wahl ging?
von einem Extrem der politischen Prädisposition zum anderen " Unsere erste Ergge war, ob sich die soziale Schichtung der bei..;
ab. Die einfache Verbindung dreier primärpersönlicher Merk- den Parteien in den 'Einstellungen zu sozialen und wirtschaftli- .
male ist also zur »Erklärung« politischer Präferenzen bereits chen Angelegenheiten widerspiegelte. Auf Grund zahlreicher
von beträchtlichem Nutzen. Quellen können wir sie wohl bejahen. Tatsächlich war der Un-
In Amerika gibt es das Sprichwort, daß ein Mensch nur das terschied der sozialphilosophischen Ansichten bei der Wähler-
sei, was er selbst von sich halte, ein Sprichwort, das die typisch gruppen sogar noch ausgeprägter als ihre soziale Zusammen-
amerikanische Vorstellung von den unbegrenzten Möglichkeiten, setzung.
das ständige Arbeiten an sich selbst usw. widerspiegelt. Wir ha- .
ben jedoch festgestellt, daß das Gegenteil der Fall ist: Ein Mensch
denkt politisch entsprechend seinem sozialen Sein. Soziale Merk- ökonomische und soziale Einstellungen
male bestimmen die politischen Präferenzen.
Die Aufgabe der Propaganda in einer pol i tischen Kampagne ist es,
Erwartungen bei den Wählern zu wecken. Ihre Meinung darüber,
welche Bedeutung dem Sieg ihres Kandidaten für das Land oder für
sie selbst zukomme, diente uns als Hinweis auf die Sozialphiloso-
phie der bei den Parteigruppen. Deshalb stellten wir unserem Panel
die beiden folgenden Fragen: »Welche Bevölkerungsgruppe wür-
de Ihrer Meinung nach durch die Wahl Roosevelts am meisten
begünstigt?« » Welche Bevölkerungsgruppe würde Ihrer Meinung
nach durch die Wahl Willkies am meisten begünstigt?«
Das Bild der bei den Kandidaten, wie es von den Wählern ge-
sehen wurde, war bei Republikanern und Demokraten nicht all-
zu unterschiedlich. Eine sehr große Mehrheit war in beiden
Gruppen der Meinung, daß vor allem gewöhnliche Menschen,
daß die einfachen Leute und die Arbeiterschicht begünstigt wür-
den, wenn Roosevelt gewählt würde. Beide Gruppen stimmten,
Wenn auch nicht in demselben Ausmaß, darin überein, daß Will- \
kies Sieg für die Geschäftswelt das beste sein würde. Aber es gab .
Rundfunkhören und Zeirunglesen. Einer enthält nämlidJ. einen B. Die Konstruktion der Indizes
GedädJ.tnisfaktor. Rundfunkreden sind redn deudidJ. bestimmte
Ereignisse, und es ist nicht wahrscheinlidJ., daß sidJ. die Leute
viele anhören. Wenn sie daher aufgefordert werden, sidJ. an die
Personen zu erinnern, denen sie sich ausgesetzt hatten, ist es In unseren Ausführungen bezogen wir uns an vielen Stellen auf
sicher, daß sie nicht allzu v iele Fehler machen werden . Mit Zei- Indizes, die wir entworfen hatten, um damit politische Prädis-
tungen ist es noch einfacher, weil wir ihnen die ganze Zeitung positionen, Tätigkeiten und Einstellungen zu erfassen. Hier
vorlegen können. Wie wir in versdJ.iedenen Studien, die diese wollen wir diese Indizes erklären.
Methode benutzen, gesehen haben, ist es ziemlich sicher, daß
,
sie sich wieder erinnern. Die Leute treffen aber den ganzen Tag
lang andere Leute, und daher ist es bei weitem nicht so wahr- Der Index der politischen Prädispositionen (IPP)
scheinlich, daß sie sidJ. an alles erinnern können, worüber sie ge-
sprodJen haben. Zumindest wäre es zunächst notwendig, mit Eine nähere Untersudtung der Wahler zeigte, daß Religion,
TagebüdJ.ern über persönlidJ.e Konukte zu experimentieren, wie SöS-Schidtt und Wohnort die Faktoren mit dem besten Voraus-
sie im Text angeregt wurden. sagewen für die sdtließlime Wahl waren. Dieser Index wurde
Hinzu kommt noch ein weiteres Element: das Selbst-Bewußt- gebildet, indem innerhalb jeder SOS-Schicht nach Religion und
sein. Wenn die Menschen wissen, daß sie niedersdtreiben sollen, Wohnort gesdJ.ichtet wurde. Ein wohlhabender protestantischer
worüber sie mit anderen Leuten gesprochen haben, könnte sie Farmer erhielt etwa einen IPP-Punktwert von I; dies bedeutet,
dies in ihrer Themenauswahl stark beeinflussen. Rundfunktage- daß er eine stark republikanische Prädisposition hatte. Ein im
bücher, die daraufhin geprüft wurden, scheinen zu zeigen, daß städtischen Zentrum von Erie County wohnender Katholik auf
das Führen soldter Tagebücher die Hörer dazu veranlaßte, ihre der niedrigsten SöS-Sdticht erhielt die Zahl 7, und dies bedeu-
Rundfunkkost festzuhalten. Aber dies könnte auf die Tatsache tet, daß er eine stark demokratische Prädisposition hatte.
zurüdtzuführen sein, daß das Rundfunkhören eine viel stärker
standardisierte Beschäfl:igung ist; das Sprechen mit anderen Men- Das Einstufungsverfahren :
schen ist eine viel flexiblere Tatigkeit und könnte deshalb durch ProtesuntisdJ. Katholisch
eine Bitte, darüber Kontrolle zu führen, mehr beeinflußt wer- LändlidJ. Städtisch LändlidJ. Städtisch
, •,
den.
Es ist zu hoffen, daß in Zukunft in dieser Richtung mehr Ex-
A,B
C+ ,
,
l ,,
l

perimente unternommen werden. C-


D ,
l
S 6
6
7

Die Verteilung der Befragten im Mai nach diesem Index ist da-
nadJ. folgendermaßen:

Punktwert Häu6gkeit
",
I
Vorwiegend
, ", RepublikanisdJ.e
l ,67 Prädispositionen

'" "s
Punktwert Häufigkeit Der Index des Meinungsumfanges

•, 3" Vorwiegend

6
"J
.7 ) Demokratische
Prädispositionen
Während der Untersuchung wurden den Befragten viele Fragen
gestellt, die von aktuellem öffentlichem Interesse waren. Da-
mit wollten wir ihren Standpunkt eruieren. Es gab immer einige
Personen, die keine Meinung hatten. Dies suchte der Index zu
Der Index der politischen Aktivität ermitteln. Um den Umfang ihrer Meinung zu ermitteln, kümm-
, erten wir uns hier nicht darum, welche Ansichten sie vertraten,
Die Teilnahme am Wahlkampf wurde gemessen, indem die Ant- sondern nur darum, ob sie eine Ansicht vertraten.
worten auf folgende Fragen zusammengestellt wurden: Wir benunten fünf Fragen, die der Panelgruppe und fünf,
die der Kontrollgruppe gestellt wurden. Hatte ein Befragter zu
.. Haben Sie in der letzten Zeit versucht, irgend jemanden von allen fünf Fragen eine Meinung, erhielt er einen Punktwert von
Ihren politischen Ideen zu überzeugen?« fünf. Jedesmal, wenn er .Weiß nichte sagte, verlor er einen
Punkt. Der Punktwert für jeden Befragten gibt also seinen .. Mei-
Häufigkeit Punktwert
nungsumfang .. an.
Ja a 74
Weiß nicht
Nein 0 4"
Folgende Fragen wurden dabei verwendet
.. Haben Sie irgend etwas getan, um Ihrem Kandidaten zur Wahl
Im Panel:
zu verhelfen? ..
. Was glauben Sie, ist wichtiger - ein Präsident, der fähig ist,
Ja , 6. sich mit der europäischen Situation zu befassen, oder einer, der
Weiß nicht , fähig ist, unsere eigenen wirtschaftlichen Probleme zu behan-
Nein o deln? ..
. Was meinen Sie zum Inkrafttreten der Einberufungsvorlage
. WeldJe von den folgende n Außerungen entspricht am genaue- - billigen oder mißbilligen Sie sie ?..
sten dem, was Sie über die Weahl denken? .. . Was meinen Sie zu Präsident Roosevelts Kandidatur für
. Ich bin sehr daran interessiert, daß eine dritte Amtszeit - billigen Sie sie, mißbilligen Sie sie, oder
mein Kandidat gewählt wird .. , JO' macht es Ihnen nichts aus?«
.. Es gefiele mir, wenn er gewinnt, .Was sollten die Vereinigten Staaten in der gegenwärtigen
aber es ist mir nicht besonders wichtig .. "7 Lage tun, um England zu helfen? ..
. Mir macht es wenig aus, wer gewinnt« o 86 .. Was hahen Sie von den Gewerkschaften _ sind sie etwas Gu-
tes oder Schlechtes? ..
Die nach jeder der möglichen Antworten eingefügten Punktwene In der Kontrollgruppe
zeigen die Beiträge zum Teilnahmeindex an. Ein Punktwert von . Was glauben Sie, ist wichtiger - ein Präsident, der fäh ig ist,
sechs stellt den höchsten G rad von politischem Interesse und Ak- sich mit der europäischen Situation zu befassen, oder einer, der
tivität dar, und ein Punktwert von Null bedeutet nahezu voll- fähig ist, unsere eigenen wirtschaftlichen Probleme zu behan-
kommene Gleichgültigkeit. deln?«

H6 H7
F W(

_Wie ist Ihres Eramtens Roosevelt als Präsident gewesen _ gut, Aufmerksamkeit gegenüber politischem, über den Rundfunk
leidlich, oder nicht gut?« vermitteltem Material anzeigte, trug zu einem hohen Punktwert
_Was meinen Sie zu Präsident Roosevelts Kandidatur für bei.
eine dritte Amtszeit - billigen Sie sie, mißbilligen Sie sie, oder
mamt es Ihnen nichts aus? •
_Wie würde Ihres Erachtens Willkie als Präsident sein _ gut, Der Index der allgemeinen oder gesamten Aufgeschlossenheit
leidlich oder nimt gut? für den Wahlkampf
. Wenn Sie zwischen einem Mann, der vor allem Regierungs.
erfahrung, und einem Mann, der vor allem GeschäAserfahrung Der allgemeine Index der allgemeinen Aufgeschlossenheit
hätte, wählen müßten, welmen würden Sie wählen? summiert lediglich die speziellen Indizes. Er zeigt also: die An·
zahl der gelesenen Zeitschriftenartikel. den Umfang der Lektüre
von politischem Material und anderen Nachrichten in den Zei·
Der Index der Zeitsdtriftenlektüre über den Wahlkampf tungen, das Ausmaß des Hörens politischer und anderer Rund·
funknachrichten und den Grad der Aufgeschlossenheit gegen·
Der Befragte wurden über mehrere Artikel befragt, die in ver. über Wochenschauen. politischen Diskussionen und öffentlichen
schiedenen Zeitschriften erschienen waren. Der Index zählt ein- Kundgebungen. Ein einfacher Durmschnitt der einzelnen Indi-
fam die Anzahl der Artikel mit politischen Themen, von denen zes ergab den allgemeinen Index der Aufgeschlossenheit.
der Befragte angab, daß er sie gelesen hatte. Fragen folgender Art wurden in diese Indizes eingeschlossen:
_Wieviellasen Sie darüber (über den republikanismen bzw. den
demokratischen Parteitag) in den Zeitungen - ziemlich viel,
Der Index der Zeitungslektüre über den Wahlkampf nur ein bißchen, nur die Schlagzeilen oder überhaupt nimts?
_Lasen Sie den Artikel in --- (Zeitschrift) --- über ___•
Interviewer fragten nach den Gewohnheiten der Befragten. die der vor kurzem erschienen ist?
das Zeitungslesen betrafen. Wie oft lasen sie die verschiedenen _Wie oft hören Sie die Nachrichtensendungen im Rundfunk
Kolumnisten der Lokalzeitungen? Wie viele Leitartikel über die - häufig, gelegentlich oder nie? _Stellen Sie gewöhnlich die
Wahl kannten sie? Lasen sie in der Zeitung über die Panei- Nachrichten selbst ein. oder macht dies jemand anderer?
tage? Je umfangreicher die Zeitungslektüre war, desto höher der _Hörten Sie - - - (Name) - - -. als er neulich über den Rund-
Punktwert für die Aufgeschlossenheit gegenüber dem politischen funk sprach?«
Material der Zeitungen. _Haben Sie irgend jemanden (Familie oder Freunde) die Po.-
litik unseres Landes erörtern hören, seit wir das letzte Mal hier
waren?«
Der Index des Rundfunkhörens -Sahen Sie Willkie. als er am Bahnhof sprach?
. Welche von diesen Titelgeschichten über die Wahl haben Sie
Die Befragten wurden gefragt, ob sie bestimmte Rundfunkre· gestern gelesen?«
_Hören Sie während des Wahlkampfs politische Rundfunk-
den angehört hätten. Sie erhielten jedesmal einen positiven
Punktwm, wenn sie bejahend antworteten. Sie wurden auch • reden : sehr viel, gelegentlich, selten oder nie?
über das Hören von Sendungen über die Parteitage und de[. _Mit wem haben Sie in letzter Zeit über die Politik unseres
politischen Reden im allgemeinen befragt. Jede Antwort, die Landes gesprochen?

,,' "9
.. Wie oA: gehen Sie gewöhnlim ins Kino? Haben Sie die fol- Der Index der übereinstimmung mit den Argumenten beider
genden Wochensmauen gesehen? Seiten
.. Worüber sprechen Sie mehr mit Ihrer Familie (Freunden)_
über den Wahlkampf oder den Krieg? • Im Oktober-Interview wurde jede Person gefragt, ob sie mit
Für jede Antwort, der zu entnehmen war, daß der Befragte ' den folgenden acht Argumenten übereinstimmte, die damals im
politische Informationen gelesen oder gehört hatte, erhielt er Wahlkampf geläufig waren:
einen höheren Punktwert als für eine, aus der hervorging, daß .. Roosevelt hat eine starke persönliche Anziehungskraft, ist
er sich derartigen Informationen nicht ausgesetzt hatte: Wir zu harter Arbeit fahig und besitzt eine smarfe Intelligenz.•
konnten auf diese Weise die aUgemeine Aufgeschlossenheit für , ,. Willkie in ein aus eigener Kraft emporgekommener Klein-
zwei Perioden des Wahlkampfs ermitteln _ von Mai bis August städter, der seine Karriere seinem Organisationstalent zu ver-
und von September bis November. danken hat...
.. Willkie ist ein Anwalt der Großunternehmen, und seine
wirklichen Sympathien sind bei der Geschäftswelt .•
Der Index für die Richtung der politismen Aufgesdalossenheit _Das New Deal hat sim zu sehr in das Freie Unternehmertum
eingemismt.•
Dieser Index zeigt an, ob der Befragte vorwiegend republikani- _Rooseveh treibt das Land in einen Krieg gegen den größten
smem oder demokratismem Material ausgesetzt war. Um diesen f: Teil der übrigen Welt .•
Index zu bilden, war es notwendig, den politischen Inhalt der
Reden, Zeitschriften- und Zeitungsarriltcl Ztl u.:tersumen, die
J - Wir sollten die demokratisme Tradition nidn umstoßen, in-
dem wir einen Präsidenten für eine dritte Amtszeit wählen .•
der Befragte gehört oder gelesen hatte.
Der Befragte erhielt wiHkürlim einen positiven Punktwert
für jede Einzelheit demokratischer Färbung, die er gelesen oder
I
1
_Mit Roosevelt als Präsidenten werden die Vereinigten Staa-
ten Hitler kaum nachgeben .•
_Willkie wird die Produktion erhöhen, weil er das Vertrauen
gehört hatte. Hörte er Reden von Roosevelt, Wallace oder Idtes, der Geschäftswelt hat .•
las er in einer Zeitschrift oder Zeitung einen Artikel, der für Stimmte ein Wähler mit einem Argument überein, das seine
den New Deal war, oder gab er an, daß er sich den Parteitag eigene Partei unterstützte oder war er gegen ein Argument, das
der Demokraten angehört habe oder darüber gelesen habe, er- die Opposition unterstÜtzte, so erhielt er einen Punktwert von
hielt er einen Punktwen, der eine demokratische Neigung an- ;, + I. Stimmte er nidlt mit seiner eigenen Partei oder mit dem
zeigte. Hörte er jedodl WiUkie oder John L. Lewis, las er die Argument der Opposition überein, erhielt er einen Punktwert
Leitartikel einer republikanischen Zeitung oder verfolgte er am von - I. Unsdtlüssigkeit bei einem Argument wurde als Null ge-
Radio oder in der Zeitung den Parteitag der Republikaner, remnet. Somit konnte jeder Befragte theoretisdt Punktwerte
dann erhielt er einen positiven Punktwert für die republikani- von + 8 bis - 8 bekommen. Die Z J °/0, die den Argumenten voll-
schen Neigungen. Die Summe dieser Punktwerte zeigt die Rim- ständig oder nahezu vollständig zustimmten, bekamen Punkt-
tung der Aufgesdalossenheit des Befragten.
Dieser Index wurde für jede der Wahlkampfperioden ge-
. werte zwischen + 6 und + 8. Die 35°/. _lauer. Eingestellten
bekamen Punktwerte von + 1 bis - 5.
trennt ausgearbeitet: Einer für die Periode der Parteitage (zwi-
schen Mai und August) und danach wieder für den Zeitraum
zwischen September und November.

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