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2008 16:12 Uhr Seite 58

DIE VIELEN GESICHTER


EINER FRAU
Sie war Schauspielerin und ein Weltstar. Geliebte, Ehefrau und Mutter. Mit

nur 43 Jahren starb ROMY SCHNEIDER 1982 in Paris. In diesem


Monat wäre sie 70 Jahre alt geworden. ANDREA LACHER erinnert
an eine ganz besondere Frau. MITTEL

„Rosemarie Albach“ steht Die Suche nach Ruhe, Glück, Anerken-


auf ihrem Grabstein in nung, beruflichem Erfolg, Liebe und Gebor-
Boissy-sans-Avoir. Darun- genheit zieht sich wie ein roter Faden durch
ter ihre Lebensdaten: 23- Romy Schneiders Leben. Ein Leben, in dem
9-38 – 29-5-82. In dem man die öffentliche Person von der Privat-
kleinen französischen person nur schwer trennen kann. Auch die
Ort, circa 50 Kilometer Schauspielerin selbst trennte nur selten
von Paris entfernt, ver- zwischen öffentlicher und privater Tragödie.
mutet man keinen Sie profitierte von den Medien. Aber sie litt
Weltstar – schon gar keinen, auch unter ihnen.
der mit Star-Regisseuren wie Claude Die in Wien geborene Tochter der Schau-
Chabrol, Orson Welles oder Luchino Viscon- spieler Magda Schneider und Wolf Albach-
Besondere Filme Mit 17 Jahren wurde
ti gearbeitet hat. Aber Rosemarie Albach Retty beginnt schon früh, ein öffentliches
Romy Schneider an der Seite von Karl- alias Romy Schneider hat sich dort auf dem Leben zu leben. Mit 14 spielt sie in ihrem
Heinz Böhm in Sissi weltberühmt (oben). Land im März 1982 ein Haus gekauft. Es soll- ersten Film, Wenn der weiße Flieder wieder
1981 spielte sie die Hauptrolle in ihrem
letzten Film Die Spaziergängerin von te ein neuer Anfang werden, wie schon so blüht, unter Ernst Marischka. 1955, sie ist 17,
Sans-Souci (unten). oft. Fünf Wochen später war sie tot. kommt Sissi in die Kinos. Romy Schneider ist
noch nicht erwachsen, aber schon ein Star.
Der Film über das Leben von Elisabeth Ama-
lie Eugenie von Wittelsbach, der Kaiserin
von Österreich, genannt Sissi, wird ein
Welterfolg. 1956 kommt Sissi, die junge Kai-
serin, 1957 Sissi – Schicksalsjahre einer Kai-
serin. Für Romy Schneider wird das Sissi-
Image aber bald zum goldenen Käfig.

der Grabstein, -e Stein auf dem Grab mit dem Namen und
den Lebensdaten des Toten
(das Grab, ¿er Platz, an dem ein Toter liegt)
schon gar kein(e/er) ≈ vor allem kein(e/er)
der Regisseur, -e franz. Leiter, der Schauspielern Instruktionen gibt
die [nerkennung ≈ positive Reaktionen
die Geb¶rgenheit Gefühl, sicher und geschützt zu sein
s“ch ziehen hier: ≈ sein
der rote Faden ≈ Motiv
profitieren Vorteile haben
leiden ¢nter hier: ≈ sehr traurig sein wegen
FOTOS: CINETEXT (5)

der Flieder, - ≈ Pflanze, die im Frühling kleine weiße


oder lila Blüten bekommt
(die Blüte, -n hier: Teil einer Pflanze, der eine schöne
Farbe hat und gut riecht)

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Hilfe kommt 1958 aus Frankreich: In dem rin auf einer Pariser Theaterbühne
Jahr soll Christine gedreht werden. Alain einen großen Erfolg. Visconti erklärt sie
Delon, ein zu dieser Zeit in den deutsch- zu einer der genialsten europäischen
sprachigen Ländern noch unbekannter Schauspielerinnen.
Schauspieler, ist ihr Filmpartner. Im Som- Nach den aristokratischen Rollen
mer 1958 fliegt Romy Schneider nach Paris. sieht das Publikum Romy Schneider
Sie soll Delon kennenlernen. „Ich fand den nun als verheiratetes Callgirl (Boc-
Knaben uninteressant“, erklärt sie später. caccio ‘70) und als Ehebrecherin
Das ändert sich schnell. Zum belgischen (Der Kampf auf der Insel ), außer-
Filmball reisen beide mit dem Zug. In Brüs- dem als sich prostituierende Vio-
sel steigt dann ein flirtendes Paar aus dem linistin in Die Sieger und als sexu-
Zug. Als die Dreharbeiten zu Christine zu ell freizügige Leni in Der Prozeß.
Ende gehen, zieht Romy Schneider zu Alain „Vom Deutschen hat diese junge
Delon nach Paris – obwohl ihre Eltern dage- Pariserin nichts mehr“, zitiert
gen protestieren. „Romy Schneider – Für Der Spiegel 1963 die Pariser
Deutschland verloren?“, fragt eine deutsche Wochenzeitschrift L’Express.
Zeitschrift. Sie sagt später über diese Zeit: Als Schauspielerin hat Romy
„Ich hatte immer dieselben Angebote, bis Schneider Erfolg. Anders ist es mit
ich dick und fett geworden wäre.“ Schnei- ihrem Privatleben. Als sie von
ders Familie versucht zu retten, was zu ret- einer Reise in die USA zurück-
ten ist. Auf Wunsch der Eltern verloben sich kommt, ist niemand mehr in der
die beiden am 22. März 1959 – es ist eine gemeinsamen Wohnung. Neben ein
paar Rosen liegt ein Zettel: „Ich bin
„Die Erinnerung ist oft das mit Nathalie nach Mexiko, alles Gute.
Schönste im Leben, glaube ich …“ Alain.“ Die Presse berichtet über die
private Katastrophe. Romy Schneider ist
Romy Schneider
verletzt. Sie hat das Gefühl, dass sie den
bürgerliche Farce. Aber der Streit mit der Erfolg damit bezahlt, „dass man keine
Familie ist wenigstens beendet. Ruhe mehr hat“. Ihr Problem: „Im Leben
Romy ist 21 und verliebt. Trotzdem sind bin ich eine ziemlich schlechte Schauspie-
diese ersten Jahre in Paris nicht ganz ein- lerin“, erklärt sie dem Hamburger Abend-
fach für sie. Alain Delon dreht mit Luchino blatt.
Visconti und Michelangelo Antonioni. Film- Im Frühjahr 1965 lernt Romy Schneider
angebote für seine Verlobte gibt es erst ein- den Schauspieler und Regisseur
mal keine. Im März 1961 ruft Luchino Harry Meyen kennen.
Visconti an. Er will sie für das Theaterstück Sie verliebt sich in den
„Schade, dass sie eine Dirne ist“. Romy 14 Jahre älteren Intel-
Schneider sagt nicht sofort Ja. Sie hat keine lektuellen. Die beiden
Erfahrungen auf der Theaterbühne. Trotz- heiraten im Juli 1966.
dem feiert sie mit dem Stück als Auslände- Knapp fünf Monate >

blühen Blüten haben erklären zu … (offiziell sagen),


die Kaiserin, -nen oberste Monarchin dass jemand …
ist
das Sch“cksalsjahr, -e Jahr mit wichtigen Ereignissen im Leben
eines Menschen die Ehebrecherin, verheiratete
-nen Frau, die eine
der g¶ldene Käfig hier: ≈ Situation, dass eine Person sexuelle
unglücklich ist, obwohl sie viel Erfolg hat Beziehung mit
drehen hier: einen Film machen einem anderen
der Knabe, -n Junge; hier: junger Mann Partner hat
der F“lmball, ¿e Tanzfest von Firmen, die im Bereich Film der Sieger, - Gewinner
arbeiten sexu¡ll freizügig ohne sexuelle Tabus Privates Glück, beruflicher Erfolg
s“ch verloben sich versprechen, dass man heiraten wird zitieren Worte nennen, die Romy Schneider mit Sohn David und Harry
b•rgerlich hier: ≈ konservativ jemand anders gesagt Meyen (unten), mit Daniel Biasini (oben) und
oder geschrieben hat Orson Welles in Der Prozeß (Mitte)
verliebt sein ≈ lieben
kn„pp nicht ganz, fast
die D“rne, -n Prostituierte

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Aber die Popularität hat ihren Preis. Die Ehe


mit Harry Meyen ist in der Krise. 1975 lassen
sich die beiden scheiden. Wenig später hei-
ratet Romy Schneider ihren Sekretär, Daniel
Biasini. Zwei Jahre später wird Tochter Sarah
geboren. Für ihren fünften Film mit Claude
Sautet, Eine einfache Geschichte, bekommt
sie 1979 ihren zweiten César. Kurze Zeit spä-
ter bekommt sie die Nachricht von Harry
Meyens Selbstmord. 1980 werden Romy
Schneider und Alain Delon von den Lesern
von Paris-Match zu den „Stars des Jahres“
später wird Sohn David in gewählt. Noch knapp zwei Jahre bleiben
Berlin geboren. „Ich habe meinen krank- Romy Schneider da bis zu ihrem Tod. Zwei
haften Ehrgeiz verloren“, sagt Romy Jahre, in denen ihr eine Niere entfernt wird,
Schneider nun über ihren Beruf. „Natürlich sie von Biasini geschieden wird und das
gibt es etwas anderes: mein Leben.“ Ihr französische Finanzamt ein Verfahren
Leben, das ist David. Sie genießt es, Mutter wegen Steuerhinterziehung einleitet.
Comeback 1968 an der Seite von Alain
Delon in Der Swimmingpool (unten). zu sein – knapp zwei Jahre lang. Im Frühjahr 1981 trifft Romy Schneider
Für den Film Gruppenbild mit Dame 1968 klingelt das Telefon. Es ist ein Film- den Fotografen Robert Lebeck für eine Foto-
(oben) erhält Romy Schneider 1977 angebot – an der Seite von Alain Delon. Der serie an der bretonischen Küste. Ein Bild
das Filmband in Gold.
Swimmingpool heißt das Projekt. Es soll zeigt sie ungeschminkt, die Haare zu einem
ihre Rückkehr ins Filmgeschäft sein. Der Zopf zurückgekämmt. Sie hält die Hände vor
Plan funktioniert. Der Film wird auch kom- ihre Lippen, ihre Augen blicken an der
merziell ein großer Erfolg. Der Erfolg tut ihr Kamera vorbei, fixieren einen Punkt in der
gut. Anfang 1969 Ferne. Lebeck besucht sie kurze Zeit später
erklärt sie: „Ich auch in Paris. Er fotografiert sie, während
bin so glücklich Tochter Sarah auf ihr herumklettert. „Das
wie noch nie!“ sind meine liebsten Fotos von ihr“, sagt
Nun beginnt Lebeck später, „weil sie so entspannt ist
beruflich die er- und man ganz viel Liebe spürt.“ Wenige
folgreichste Zeit. Monate später bricht Romy Schneiders Welt
Sie dreht mit zusammen.
Claude Chabrol, Am 5. Juli 1981 kommt ihr Sohn David am
Andrzej Zulawski Nachmittag vom Spielen zurück, das Tor
und Claude Sautet zum Haus seiner Großmutter ist geschlos-
und wird in Frank- sen. Er klettert – wie so oft – über den Zaun
reich zu einem und rutscht aus. David wird mit schweren
großen Filmstar. inneren Blutungen ins Krankenhaus

kr„nkhaft hier: so stark, dass es nicht mehr normal einleiten beginnen


ist ¢ngeschminkt ohne Kosmetik
der Ehrgeiz sehr starker Wunsch nach Erfolg der Z¶pf, ¿e ≈ lange Haare, die man am Hinterkopf
genießen Freude haben an zusammennimmt
die R•ckkehr Zurückkommen zur•ckkämmen mit einem Kamm nach hinten nehmen
erf¶lgreich mit Erfolg die L“ppe, -n weicher, oberer oder unterer Teil des
s“ch scheiden l„ssen ≈ geschieden werden Mundes
der S¡lbstmord, -e Suizid die F¡rne £ Nähe
die Niere, -n Organ, das Wasser und Gifte aus dem her¢mklettern hier: hinauf- und hinuntersteigen
Körper nimmt entsp„nnt hier: erholt, ohne Stress
entf¡rnen hier: bei einer Operation herausnehmen spüren hier: fühlen
FOTOS: CINETEXT (3)

das Verfahren, - hier: Untersuchung zus„mmenbrechen hier: ≈ kaputtgehen


die Steuerhinter- kriminelles Tun, bei dem man Geld im der Zaun, ¿e Konstruktion aus Holz oder Metall, die die
ziehung, -en Geheimen behält und keine Steuern dafür Grenze zu einem privaten Stück Land
bezahlt markiert

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Auf der Suche nach tieferen Rollen


1961 macht Romy Schneider
den Episodenfilm Boccaccio ‘70.

gebracht und stirbt wenig später dort.


Romy Schneider bricht im Krankenhaus
zusammen. Fotografen kommen als Pfleger
verkleidet ins Krankenhaus und fotografie-
ren das tote Kind. „Wo ist die Moral?“, fragt
Romy Schneider später in einem Fernseh-
interview.
Im Oktober 1981 steht Romy Schneider
wieder vor der Kamera. In Berlin beginnen
die Dreharbeiten zu dem Film Die Spazier-
gängerin von Sans-Souci. Sie widmet den
Film David und Harry Meyen. Es wird ihr
BIOGRAFIE
letzter sein. Im Februar 1982 erholt sich 1938: 23. September, Geburt von Rosemarie 1975: 5. Juli, Scheidung von Meyen. 18. De-
Romy Schneider mit ihrem neuen Lebens- Magdalena Albach in Wien. zember, Hochzeit mit Daniel Biasini in Berlin.
gefährten Laurent Pétin und Tochter Sarah
auf den Seychellen. Den Kummer über 1955 - 1957: Als Kaiserin Elisabeth von Öster- 1977: 4. Juni, Filmband in Gold des Bundes-
ihren toten Sohn betäubt sie mit Schlaf- reich wird Romy Schneider durch die Sissi- filmpreises für Gruppenbild mit Dame. 21. Juli,
und Beruhigungsmitteln. „Ich bin eine Filme in ganz Europa bekannt. Geburt der Tochter Sarah.
kaputte Frau. Und das mit 43 Jahren“,
erklärt sie. In der Nacht vom 28. zum 29. 1959: 22. März, Verlobung mit Alain Delon in 1981: 5. Juli, Schneiders Sohn David stirbt
Mai 1982 stirbt Romy Schneider in ihrer Lugano. nach einem Unfall. Oktober bis Dezember,
Pariser Wohnung. Ein Herzversagen, wahr- Arbeiten an Schneiders letztem Film Die Spa-
scheinlich nach der Einnahme von Beruhi- 1963: Juni, Schneider bekommt in Frankreich ziergängerin von Sans-Souci.
gungsmitteln und Alkohol. den Preis als beste ausländische Schauspiele-
Am 2. Juni 1982 wird Romy in Boissy- rin für ihre Rolle in Der Prozeß. 1982: 29. Mai, Romy Schneider stirbt in Paris
sans-Avoir beerdigt. Alain Delon organisiert und wird am 2. Juni in Boissy-sans-Avoir beer-
die Beerdigung. Er sorgt auch dafür, dass 1964: Alain Delon löst die Verlobung. digt.
David an ihre Seite verlegt wird. Nach ihrem
die Kaiserin, -nen oberste Monarchin
Tod setzt eine Verehrung ein. Bis heute ist 1966: 15. Juli, Schneider heiratet den Schau- die Verlobung, -en Eheversprechen
das Interesse an dem Star groß: Zwei Filme spieler und Regisseur Harry Meyen. 3. Dezem- der Preis, -e hier: Gegenstand oder Geld, das
ein Gewinner bekommt
über ihr Leben sind zurzeit geplant. ber, Geburt des Sohnes David. lösen hier: beenden
In mehr als 60 Filmen, in vielen der Regisseur, -e Leiter, der Schauspielern
franz. Instruktionen gibt
Foto- und Bildbänden ist Romy Schneiders 1968: August, Alain Delon bietet Schneider drehen hier: bei einem Film mitmachen
Leben dokumentiert. Auch noch 26 Jahre eine Rolle in Der Swimmingpool an. Schneiders die Scheidung, -en ≈ offizielle Trennung
nach ihrem Tod berühren die Bilder den französische Karriere beginnt. das F“lmband, ¿er wichtigster deutscher Filmpreis
(bis 1999)
Betrachter. Vielleicht weil sie die Intensität (der F“lmpreis, -e Gegenstand oder Geld für sehr
gute Filme)
dieses kurzen, von Glück und Leid so vollen 1971: Januar bis April, Schneider dreht mit beerdigen ein Loch in die Erde machen und
Lebens spüren lassen, vor der Kamera und Luchino Visconti Ludwig II. einen Toten hineinlegen
privat. <

ausrutschen ≈ fallen das H¡rzversagen ≈ starkes Defizit des Herzens: Das Herz hört
die Blutung, -en Verlieren von Blut auf zu arbeiten.
zus„mmenbrechen hier: durch einen Schock körperliche und die Einnahme von: einnehmen = hier: trinken, nehmen
psychische Kraft verlieren beerdigen ein Loch in die Erde machen und einen
verkleidet „ls hier: in der Kleidung von Toten hineinlegen
w“dmen hier: symbolisch schenken s¶rgen für alles tun, was nötig ist, damit etwas
Bestimmtes passiert
der Lebensgefährte, -n Lebenspartner
verlegen hier: (an einen anderen Ort) bringen
der K¢mmer hier: große Traurigkeit
einsetzen hier: beginnen
betäuben machen, dass man einen Schmerz nicht
die Verehrung von: verehren = besonders lieben
mehr fühlt
der B“ldband, ¿e großes Buch mit vielen Bildern
das Beruhigungs- Medikament, damit man sich sicher und
mittel, - ruhig fühlt berühren hier: starke Emotionen wecken bei
der Betr„chter, - Person, die etwas ansieht
das Leid ≈ schlimme Probleme

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KURZ & KNAPP


LEICHT

WELTKULTURERBE AUS BERLIN


Diese Wohnsiedlung in Berlin-Neukölln ist jetzt Weltkulturerbe: Die UNESCO hat die sogenann-
te Hufeisensiedlung und fünf andere Berliner Wohnsiedlungen in die Liste der Kulturdenk-
WELTKULTURERBE AUS BERLIN mäler aufgenommen. Alle sechs Siedlungen sind aus den 20er- oder 30er-Jahren und Bei-
das Weltkulturerbe Häuser und Städte in
aller Welt: Sie sollen so spiele für den sozialen Wohnungsbau dieser Zeit. Die Stadt Dresden verliert den Titel „Welt-
bleiben, wie sie sind, kulturerbe“ aber vielleicht schon bald. Denn die Stadt will im Elbtal eine Brücke bauen (siehe
und man darf sie nicht
kaputt machen. Deutsch perfekt 10/2006). Die UNESCO will das verhindern. Ein Jahr hat die Stadt noch Zeit,
die Wohnsiedlung, Gruppe von Wohn-
-en häusern
die Arbeiten zu stoppen – wenn sie das nicht tut, nimmt die UNESCO Dresden von der Liste.
sogenannte(r/s) ≈ mit Namen
das Kulturdenkmal, ≈ historisches Objekt: Es
¿er soll bleiben, wie es ist,
und man darf es nicht
kaputt machen.
aufnehmen hier: ≈ schreiben
bauen
verh“ndern
hier: machen
hier: ≈ stoppen, dass die

6144
QUELLE: STATISTISCHES BUNDESAMT

Brücke gebaut wird

6144
der [nteil, -e hier: Zahl
Professorinnen unterrichten an deutschen Universitäten. Ihr Anteil wird seit rund zehn
ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 47/48 Jahren immer größer, liegt aber immer noch bei nur 16,3 Prozent.

6 DEUTSCH perfekt 9/08


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EIN PARTNER FÜR DEN GOLDFISCH


der G¶ldfisch, -e kleiner Fisch mit gelber
bis roter Farbe
das Meerschwein- kleines (Haus-)Tier
chen, -
der Käfig, -e Metallkonstruktion: Man
schließt Tiere dort
hinein.
h„lten hier: haben
der W¡llensittich, -e kleiner blauer oder
grüner Vogel
das Kaninchen, - kleines Tier mit langen
Ohren
das Pferd, -e Tier: Man kann auf ihm
sitzen und sich tragen
lassen. Kleines Pferd =
Pony

BUDDHISMUS IM FRANKENWALD
das Kloster, ¿ Kirche mit Wohn- und
Arbeitshäusern: Dort

FOTOS: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG PHOTO; FOTOLIA/L. SMOKOVSKI; MUTTODAYA


leben und arbeiten sehr
religiöse Männer oder
Frauen.
der Mœnch, -e Mann: Er lebt nur für
seine Religion, z. B.
heiratet er nicht.
EIN PARTNER FÜR DEN GOLDFISCH str¡ng hier: ≈ sehr genau
die Regel, -n ≈ Norm: Sie sagt, was
verboten und was
erlaubt ist.
Ein Meerschweinchen allein im Käfig, ein Goldfisch allein im Glas: Das ist in der
bes“tzen haben
Schweiz ab sofort verboten. Jetzt ist es nicht mehr erlaubt, diese Haustiere allei- die H•tte, -n kleines Haus aus Holz
ne zu halten. Denn Meerschweinchen und Goldfische leben in der Natur in bauen hier: machen

Gruppen zusammen. Allein sind sie unglücklich. Deshalb müssen die Schwei- ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 47/48
zer für ihre Haustiere jetzt mindestens einen Partner kaufen. Außer Meer-
schweinchen und Goldfischen müssen auch Wellensittiche, Kaninchen und
Pferde einen Partner bekommen. Katzen müssen jeden Tag Kontakt mit Men-
schen haben – oder wenigstens andere Katzen sehen können. Und jemand, der
sich einen Hund kaufen will, muss vorher 15 Stunden lang einen Kurs machen.

Deutsch lernen in Österreich


Deutsch lernen mit Qualitätsgarantie

16 Schulen in ganz Österreich


BUDDHISMUS IM
FRANKENWALD
• Sommerkurse – Jahreskurse
Im Frankenwald, in der Nähe von Bayreuth (Bayern), gibt es seit kurzer Zeit ein
• Kinder- und Jugendkurse mit
buddhistisches Kloster. Drei Mönche (Foto, mit Besuch) leben dort nach stren-
Full-Package Programmen
gen Regeln. Sie stehen früh am Morgen auf, machen Meditationsübungen und
arbeiten viel. Sie essen nur am Vormittag, dürfen kein Geld besitzen und nicht
• Allgemeine Deutschkurse
selbst kochen. Mehrere Familien aus dem Dorf bringen ihnen Lebensmittel. Ein
auf allen Stufen
Koch kocht für sie. Jeder Mönch lebt allein im Wald – in einer Hütte, die er selbst • Österreichisches Sprachdiplom
gebaut hat. Auf der Internetseite des Klosters gibt es Fotos und Informationen mit Prüfungsvorbereitung
über das Leben der Mönche im Frankenwald (www.muttodaya.org). Die Seite • Kultur, Sport, Spaß
kann auf Deutsch, Englisch, Tschechisch und Thai gelesen werden.
9/08 DEUTSCH perfekt
www.campus-austria.at
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DIREKT ZUM PROBLEM


Wenig emotional, schnell zum Thema: Der Diskussionsstil der Deutschen gilt als sach-

lich und ernst. BARBARA DUCKSTEIN und DANIELA NIEBISCH geben Tipps
fürs Argumentieren auf Deutsch. MITTEL

ie haben es sicher auch schon einmal Leandra Pérez aus Spanien hat andere
S gehört: Alle Deutschen sagen offen und Erfahrungen gemacht: „Am Anfang habe ich
deutlich, was sie denken, sind sachlich und nicht verstanden, dass die Deutschen so ruhig
ernsthaft und wollen immer zu einem Ergeb- eine Meinung vertreten können. Das kam mir
nis kommen. Realität oder Klischee? „Ich kalt vor. In Spanien diskutieren wir viel emo-
finde, dass die Deutschen sehr direkt und tionaler. Deutsche bemühen sich auch mehr,
deutlich ihre Meinung sagen“, sagt Vivian dass es nicht so persönlich wird. Sie sagen
Bunge von den Philippinen. „Sie diskutieren Sätze wie ‚Das meine ich nicht persönlich.‘
auch viel lauter als die Philippinen. Aber sie Ich würde den deutschen Diskussionsstil klar
sind auch lauter, wenn sie sich freuen.“ In und sachlich nennen. Man weiß, woran man
einer Diskussion würde sich Bunge auch nach ist.“ Zwei Menschen, zwei Meinungen. Es
18 Jahren in Deutschland nicht als Erste zu zeigt: Verallgemeinerungen haben wenig
Wort melden. „Ich bin vorsichtig mit einer Sinn.
offenen Meinung, denn ich will niemanden Trotzdem können Tendenzen festgestellt
verletzen.“ werden. Das gilt vor allem für Diskussionen

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im Beruf. „In Spanien sind Diskussionen cha- auf Teamwork legen, wird erwartet, dass die
5 GOLDENE REGELN FÜR
otischer, und oft enden sie ohne Ergebnis“, Mitarbeiter eigene Ideen einbringen.
DISKUSSIONEN IM BERUF
beschreibt Pérez den Verlauf von Meetings in Nicht einfach für jemanden, der wie der
2 Zur Sache: In
ihrem Heimatland. Japaner Satoshi Morita aus einer Kultur mit
Meetings kommt man
Wie wichtig den Deutschen ein Ergebnis in klaren Hierarchien kommt. „Ich finde es
meistens schnell zum
beruflichen Gesprächen ist, weiß Stephan immer noch sehr schwierig, offen meine Mei-
Thema. Ein paar höf-
Petersen, Trainer für Interkulturelle Kommu- nung zu sagen. Bei uns widerspricht man
liche Fragen, zum
nikation aus Aachen: „Deutsche Diskussionen nicht so deutlich. Der andere muss zum Bei-
Beispiel zum Wetter,
sind ungeschlagen in der Geschwindigkeit spiel am Gesicht erkennen, ob man einver-
sind okay. Dann soll-
des Problemlösens.“ Dafür nehmen sich die standen ist. Wir verwenden auch seltener das
ten Sie sich aber ganz
Diskussionsteilnehmer weniger Zeit für ande- Wort ‚Ich’. Immer ‚Ich finde, …’, ‚Ich meine
auf das Diskussi-
re Aspekte der Kommunikation. „Amerikani- …’ zu sagen, das kommt mir unhöflich vor.“
onsthema konzen-
sche Studenten zum Beispiel sind oft über- Wer auf Deutsch mitdiskutieren will, muss
trieren.
rascht, wie schnell es in argumentieren ler-
2 Direkt: Nennen
Deutschland ans Ein- Auch für Kritik gibt es Regeln. nen. Dabei sind typi- Sie Ihren Standpunkt klar und deutlich. Sie
gemachte geht.“ Die sche Einleitungen
Phase des Small Talks,
„Du hast ja keine Ahnung!“ wie „Meiner Mei-
dürfen und sollten es auch sagen, wenn Sie

die in Amerika oder ist nicht ehrlich, nung nach“ und „Ich
anderer Meinung sind. Das geht am besten
mit einleitenden Floskeln wie „Das sehe ich
auch in den arabischen sondern beleidigend. bin überzeugt, dass
nicht so.“ oder „Das finde ich nicht.“
Ländern sehr wichtig …“ eine Hilfe. Aber:
2 Logisch: Überzeugen Sie Ihren Gesprächs-
ist, ist relativ kurz: „In keiner anderen Kultur „Wenn Japaner den deutschen Gesprächsstil
partner mit sachlichen Argumenten und Fak-
kommt man so direkt zum Problem wie bei imitieren, passiert es immer wieder, dass
ten. Auf den Sammelkarten (Seite 35/36)
uns.“ ausgerechnet sie in deutschen Ohren unhöf-
finden Sie Redehilfen.
Dabei wollen die Deutschen den anderen lich klingen“, sagt die Deutschlehrerin Sonja
2 Respekt: Direkt bedeutet nicht respektlos!
nicht vor den Kopf stoßen. „Wir wollen ein- Krell, die ein Jahr in Japan studiert hat. „Das
Abwertungen des Gesprächspartners wie „Sie
fach etwas verstehen“, erklärt Petersen. Zum Problem ist, dass sie zwar versuchen, ihre
reden nur Unsinn!“ oder emotionale Aus-
Beispiel auch, warum der Projektentwurf Meinung deutlich zu sagen, aber Weichma-
brüche wie „Ohne mich! Das könnt ihr gleich
eines Mitarbeiters für die Firma von Vorteil ist. cher der deutschen Sprache nicht erkennen
vergessen!“ sind in einem Meeting fehl am
Kritische Fragen bedeuten deshalb keine per- oder verwenden.“
Platz.
sönliche Abwertung, sondern sollen oft hel- Weichmacher, das sind zum Beispiel For-
2 Tabus: Unter Geschäftspartnern sind Poli-
fen, die beste Lösung zu finden. Dabei zählen mulierungen im Konjunktiv („Ich hätte da
tik, Religion, Gehalt, persönliche Probleme
überzeugende Argumente und klare Fakten. einen Vorschlag.“, „Wir könnten es doch so
oder schwere Krankheiten keine passenden
In modernen Firmen und Branchen, die Wert machen.“) und abschwächende Wörter >
Themen.
g¡lten „ls nach Meinung vieler etwas Bestimmtes sein der M“tarbeiter, - Angestellter
s„chlich  emotional die [bwertung, -en hier: ≈ Kritik, durch die man sagt, dass der St„ndpunkt, -e ≈ Aspekt, Meinung
beleidigen Gefühle verletzen durch Worte oder Gesten jemand unwichtig ist oder nichts kann einleiten beginnen
¡rnsthaft  lustig zählen hier: wichtig sein die Fl¶skel, -n Standard-Kombination von
überzeugend hier: richtig, gültig Wörtern
s“ch zu W¶rt m¡lden hier: seine Meinung sagen
der F„kt / das F„k- Sache, die Wirklichkeit ist; auch: Informa- überzeugen ≈ mit Argumenten erreichen,
vertreten hier: ≈ sagen
tum, F„kten tion dass jemand seine Meinung
vorkommen hier: finden; meinen, dass etwas … ist ändert
die Branche, -n franz. Teilbereich der Wirtschaft
s“ch bemühen viel tun, damit etwas klappt s„chlich hier: objektiv
Wert legen auf meinen, dass etwas wichtig ist
M„n weiß, wor„n ≈ Man kann darauf vertrauen, dass der der F„kt / das Sache, die Wirklichkeit ist;
m„n “st. andere meint, was er sagt. erw„rten hier: wünschen
F„ktum, F„kten auch: Information
die Verallgemei- ≈ für alle geltendes Prinzip, Generalisierung einbringen hier: etwas vorschlagen, über das dann
der Resp¡kt ≈ Akzeptanz
nerung, -en diskutiert wird
resp¡ktlos ohne Respekt
der Verlauf, ¿e von: verlaufen = hier: (in einer bestimmten widerspr¡chen eine andere Meinung haben und diese
sagen die [bwertung, -en hier: ≈ Kritik, durch die man
Reihenfolge) passieren
sagt, dass jemand unwichtig
FOTOS: PROJECT PHOTOS/R. EISELE; FOTOLIA/D. CERVO

¢ngeschlagen hier: so, dass kein anderer besser ist die Einleitung, -en Beginn
ist oder nichts kann
die Geschw“ndig- Tempo überzeugt sein ≈ sicher sein, richtig finden
der Ausbruch, ¿e hier: plötzliche, emotionale
keit, -en ausgerechnet hier: ≈ überraschend Reaktion
dafür/dafür hier: ≈ aber kl“ngen hier: wirken fehl „m Pl„tz unpassend
]s geht „ns hier: Man kommt zum zentralen der Weichmacher, - Wort, das das Gesagte freundlich und weich der Geschæfts- hier: Angestellter, Manager
Eingemachte. Thema. wirken lässt partner, - oder Leiter einer anderen Fir-
vor den K¶pf stoßen unhöflich sein, Gefühle verletzen „bschwächen hier: freundlicher machen ma, mit dem man aus beruf-
der Proj¡ktent- Vorschlag/Plan für ein Projekt lichen Gründen zusammentrifft
wurf, ¿e

9/08 DEUTSCH perfekt 33


32-34_diskutieren_0908.qxd 07.08.2008 14:13 Uhr Seite 34

verb“ndlich hier: höflich wie „vielleicht“ und „vermutlich“ („Vermut- den. Formulierungen wie „Könnte es nicht
f¶lgen hier: nach etwas kommen lich haben Sie recht, aber …“). Auch Modal- auch so sein, dass …?“, „Wäre es nicht bes-
bed„cht sein auf hier: konsequent und
genau achten auf partikeln (siehe Deutsch perfekt 8/08) kön- ser, wenn wir …?“ oder „Ich glaube eher …“
gehören zu ≈ ein Teil sein von nen das Gesagte freundlicher und verbindli- wirken neutral. Sie geben dem anderen die
n“cken den Kopf auf und ab
bewegen und damit „Ja“ cher machen. Wer weiß, dass „Wie meinst du Möglichkeit, neue Argumente für seine Posi-
sagen das?“ in deutschen Ohren härter klingt als tion zu finden. Gut ist es, in der Ich-Form zu
nachfragen hier: noch einmal und in
Details fragen „Wie meinst du das denn?“, hat in Diskussio- sprechen. „Ich finde den Vorschlag nicht
eher ≈ mehr nen einen Vorteil. überzeugend.“, ist höflicher als „Dein Vor-
der Resp¡kt ≈ Akzeptanz
Außerdem ist es ja nicht so, dass in Diskus- schlag ist nicht überzeugend.“
der Einwand, ¿e andere Meinung, Kritik
unterbr¡chen hier: nicht weitersprechen sionen unter Deutschen ein Argument auf das Respekt vor der Meinung des anderen
lassen
nächste folgt und jeder immer nur darauf zeigt, wer seinen Einwand so einleitet: „Ich
einhalten hier: ≈ tun, was eine
Regel sagt bedacht ist, seine Meinung zu sagen. Im verstehe schon, was Sie meinen, aber …“
br¡chen hier: verletzen Gegenteil: „Deutsche hören besser zu und oder „Das stimmt schon, aber man muss auch
zur {rdnung rufen sagen, dass man aufhören
soll, Regeln zu verletzen verlieren sich nicht in ihren eigenen Ideen sehen, dass …“. Und schließlich: den ande-
ausreden hier: zu Ende sprechen und Emotionen“, hat Pérez festgestellt. Es ren zu Ende sprechen lassen! Auch das wird
gehört zu einem guten Diskussionsstil, als Respekt interpretiert.
zuzuhören und das auch durch „Aha“, Dass diese Regeln nicht immer funktionie-
„Mhm“ oder Nicken zu signalisieren. Wie- ren, ist in den Talkshows im Fernsehen zu
derholungen und Nachfragen wie „Wenn ich sehen. Dort wird emotional diskutiert, belei-
das richtig verstanden habe, meinen Sie, dass digt, gleichzeitig gesprochen und unterbro-
wir für den polnischen Markt eine andere chen. Die Deutschen, immer deutlich und
Marketingstrategie brauchen, oder?“ zeigen, direkt – aber gar nicht sachlich? Aber nein:
dass man zuhört und konzentriert beim Die Regeln werden vielleicht nicht eingehal-
Thema ist. ten, aber wer sie bricht, wird deutlich zur
Auch für Kritik gibt es Spielregeln: Wer Ordnung gerufen: „Herr Müller, darf ich bitte
glaubt, dass ein direktes „So ein Quatsch!“ meinen Satz zu Ende sagen? Ich habe Sie auch
oder „Du hast ja keine Ahnung!“ offen und ausreden lassen.“ Und Ordnung, das ist nun
ehrlich ist, wird beleidigte Gesichter sehen. wirklich typisch deutsch. Oder? <
Kritik sollte besser vorsichtig verpackt wer- MITARBEIT: LAURA HENRICI

DEUTSCHLAND DISKUTIERT

Wie in Deutschland diskutiert wird, können Sie am (Sat. 1) und „Oliver Geissen“ (RTL) über Liebe, Sex
einfachsten durch Beobachten und Mitmachen ler- und Freundschaft diskutiert (und oft heftig gestrit-
nen. Hier können Sie Ihre Meinung sagen oder ten). Politiker diskutieren bei „Anne Will“, „Hart
Diskussionen beobachten: aber fair“ (beide ARD) und „Maybritt Illner“ (ZDF).
2 Zeitungen und Zeitschriften: Viele Leser 2 Debattierclubs: Immer populärer werden Debat-
drücken ihre Meinung zu einem Thema oder Artikel tierclubs – eigentlich eine britische Erfindung. Das
in Leserbriefen aus. Die meisten Zeitungen und Diskussionsthema wird erst kurz vor der Debatte
Zeitschriften veröffentlichen eine Auswahl der Brie- genannt, Pro- und Contrapositionen werden ausge-
fe. Viele Leserbriefe publizieren zum Beispiel der lost. Adressen von Debattierclubs an Universitäten:
Stern und Der Spiegel. www.vdch.de.
2 Internet: Diskussionsforen gibt es zum Beispiel
auf den Internetseiten von Medien. Dort können die
Nutzer ihre Leserbriefe online schreiben und mit
beobachten hier: genau zusehen h¡ftig hier: intensiv
anderen Nutzern debattieren. ausdrücken hier: sagen die Erf“ndung, -en neue Idee
2 Fernsehen: Alltagsthemen, Privates, Politik: Im verœffentlichen publizieren auslosen durch das Los wählen
die Auswahl von: auswählen = hier: mehrere aus einem (das Los, -e kleiner Zettel, mit dem etwas zufällig
FOTO: NDR/W. BORRS

Fernsehen gibt es Talkshows zu fast allen Themen. großen Angebot wählen entschieden wird)
Am Nachmittag wird zum Beispiel bei „Britt“ der N¢tzer, - hier: Person, die ein Internetportal benutzt

34 DEUTSCH perfekt 9/08


11-Andrea Benda_0908.qxd 07.08.2008 14:08 Uhr Seite 11

KOLUMNE
MITTEL

ANDREA BENDA
über Einrichtung und Hysterie

Tag in den Baumarkt. Seine Frau möchte mehr Wänden, die Sabine aus dem Urlaub mitge-
„Pep“ in die Wohnung bringen, sagt er. „Sie bracht hat, um sich „mediterran“ zu fühlen.
muss nur noch die richtige Farbe finden.“ Sabine dachte immer, dass sie modern einge-
Man könnte glauben, die ganze Republik richtet ist. Dann fing sie an, Einrichtungsshows
soll einmal neu tapeziert werden. In Deutsch- anzuschauen. Jeden Tag sieht sie, wie helle
ls Bundeskanzlerin Angela Merkel in land ist eine Renovierungshysterie ausgebro- praktische Schrankwände auf dem Müll lan-

A ihr neues Büro zog, wollte sie den


Schreibtisch ihres Vorgängers raus-
schmeißen. Das ging aber nicht so einfach.
chen. Daran ist wahrscheinlich mal wieder den. Und durch kleine Regalbretter ersetzt
das Fernsehen schuld. In allen Programmen werden. Auf die nur eine Kerze passt. Das ist
wird ohne Pause renoviert. nicht mehr praktisch, sieht aber toll aus.
Denn das Ding war fest in den Boden Das Prinzip ist immer gleich: Eine Mode- Irgendwann wird Sabine einen großen Eimer
geschraubt. Warum sie das überhaupt wollte? ratorin besucht die Wohnung, die renoviert Farbe kaufen. Und zu Ikea fahren.
Ganz einfach: Die Deutschen richten sich werden soll. Und macht sich über die Einrich- Die Shows zeigen Wirkung. Das merkte
gerne neu ein. Jeden Samstag sind die Straßen tung lustig. Die Leute, die dort leben, lachen ich auf der Party eines Freundes. Er hatte eine
leer und die Möbelhäuser voll. Ich kenne Men- verlegen. Und sagen: „Ja, die Couch ist WIRK- Wand in der Farbe „Florentiner Rot“ gestri-
schen, für die ist die Suche nach einer neuen LICH hässlich!“ Eigentlich denken sie: „So chen. „Hab ich auch so“, sagte ein Gast. „Ich
Couch schwieriger als die nach einem Lebens- schlimm ist sie auch nicht.“ Aber das sagen sie auch“, sagte meine Freundin Steffi. „Hab ich
partner. Mein Nachbar fährt jeden zweiten nicht. Schließlich gibt das Fernsehen viel Geld im Fernsehen gesehen!“ Insgesamt hatten sie-
für ihre neuen Möbel aus. Wenn das Einrich- ben Leute die Farbe an der Wand. Angela Mer-
tungsteam fertig ist, weinen die Besitzer ein kel würde sich freuen, dass wir Deutschen so
die Couch, -s/-en engl. ≈ Sofa bisschen. Weil alles so schön geworden ist. konsensfähig sein können. Als ich in dieser
der Vorgänger, - Person, die vorher die Position Vielleicht auch, weil sie merken, dass es in der Nacht nach Hause kam, nahm ich den Eimer
und die Aufgaben hatte
rausschmeißen hier: wegwerfen neuen Wohnung ein störendes Element gibt: „Florentiner Rot“, den ich am Tag vorher
f¡st “n den Boden mit kleinen Stiften aus Metall sie selbst. Aber sie beschweren sich nicht. gekauft hatte, und stellte ihn ungeöffnet in
geschraubt stabil in den Boden gemacht
der Baumarkt, ¿e Geschäft, in dem man Material
Denn unmodern zu wohnen ist vielen Deut- den Keller. <
zum Bauen kaufen kann schen inzwischen peinlich. Auch wenn sie es
der P¡p engl. ≈ modernes Design
tapezieren Tapeten an eine Wand kleben
eigentlich gemütlicher finden.
ausbrechen hier: plötzlich beginnen Eigentlich hatten wir Deutschen schon zu
die Moderatorin, -nen hier: Frau, die in einer einem eigenen Einrichtungsstil gefunden.
Fernsehsendung Renovie-
rungstipps gibt Nicht gerade im schlichten Bauhaus-
s“ch l¢stig m„chen über ≈ lachen über Stil. Aber auch nicht mehr nur im
verlegen hier: ≈ unsicher
peinlich unangenehm pompösen „Gelsenkirchener Ba-
schl“cht hier: ≈ funktional, einfach rock“. Wie das aussieht, zeigt die
pompös ≈ zu schwer, zu groß und
luxuriös
Werbeagentur Jung von Matt.
die W¡rbeagentur, -en Firma, die für andere Firmen die Sie hat in Hamburg ein typisch
Werbung macht
deutsches Wohnzimmer auf-
aufbauen hier: Möbel an einen bestimm-
ten Platz stellen gebaut (siehe Deutsch per-
die Schr„nkwand, ¿e ≈ sehr breiter, hoher Schrank
fekt 4/2006). Dort wohnt
das S¡ktglas, ¿er Glas für ein alkoholisches
Getränk, z. B. Champagner die Durchschnittsfamilie:
l„chsfarben ≈ in hellem Rot Sabine, Thomas und ihr
die Couchgarnitur, -en Sofa mit Sesseln
die Schw„mmtechnik ≈ Technik, bei der man mit
Sohn Alexander. Alles, was
einem Schwamm die Farbe auf in diesem Zimmer steht,
die Wand macht
(der Schw„mm, ¿e ≈ weiches Material, das große passt zu den Statistiken und
Mengen Wasser speichern kann)
Umfragen, wie die Deut-
das Regalbrett, -er hier: langes, flaches, geschnitte-
nes Stück Holz als Regal schen wohnen. Die helle,
FOTO: A. BENDA; ILLUSTRATION: B. FÖRTH

ers¡tzen hier: etwas anderes an die Stelle


einer Sache bringen
praktische Schrankwand. Wo
W“rkung zeigen einen Effekt haben der Fernseher Platz hat. Und
streichen Farbe auf die Wand malen die Sektgläser. Die lachsfar- „Für manche ist die Suche nach einer
kons¡nsfähig sein ≈ eine gemeinsame Meinung
finden können bene Couchgarnitur. Die neuen Couch schwerer als die nach
„Schwammtechnik“ an den einem Lebenspartner.“
9/08 DEUTSCH perfekt 11

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