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Tradition statt Ideologie

Von Stilian K. Ariston

Immer wieder werden wir in Griechenland mit Fragen konfrontiert, die eine indigene
Tradition eigentlich nicht beschäftigen: Der Nationalstaat, die Parteien, die
Ideologien. Nicht selten werden wir von den Anhängern des Nationalismus als
Internationalisten und von den Anhängern des Internationalismus als Nationalisten
bezeichnet, weil wir ihre jeweiligen Ideologien aus mehreren Gründen ablehnen. So
nach dem Motto: Wenn du nicht mit der einen Seite des Totalitarismus bist, bist du
mit der anderen. Was eigentlich unlogisch ist, da unsere Welt weit vielfältiger ist, als
die Anhänger der Homogenisierung vermuten. Wir selbst stehen nicht der einen oder
der anderen Seite des Totalitarismus und Absolutismus entgegen, lehnen nicht das
eine oder andere Nebenprodukt des Monotheismus ab, sondern den Monotheismus
selbst und damit auch den Totalitarismus. Unsere Ablehnung ist selbstverständlich
nicht ideologisch, sondern kulturell begründet. Es ist eine Haltung, die aus dem
hellenischen Wertesystem resultiert. Daher kann der künstliche Dualismus zwischen
Nationalismus und Internationalismus oder zwischen Faschismus und Leninismus für
uns nicht von Bedeutung sein. Es sind Geschöpfe der christlichen Welt und darum
gehen sie uns nichts an. Wir wissen aber auch, dass es außer unserer Perspektive noch
andere gibt.

Für uns mögen die politischen Begriffe «links» und «rechts» zwar abgelebt und
wertlos sein, jedoch besitzen sie für einen großen Teil der Gesellschaft in
Griechenland einen großen, emotional aufgeladenen Wert, über den sich viele
Menschen definieren und politisch orientieren. Daher wird unser Desinteresse am
Parlamentarismus, den Parteien und Ideologien mit einem großen Fragezeichen,
manchmal sogar mit Unbehagen aufgenommen. Das ist verständlich. Verständlich ist
aber auch, dass unser Interesse an dem, was sich heute «Politik» nennt, nicht über das
Maß des Notwendigen bzw. über unsere Interessen hinausgeht. Denn was wir unter
«Politik» verstehen, hat mit dem heutigen Verständnis von «Politik» wenig zu tun,
zumal die von uns präferierte Herrschaftsform die Demokratie und nicht der
Parlamentarismus ist. Das allein ist schon ein enormer Unterschied, der in einer
politischen Diskussion oder was man auch immer heute darunter verstehen mag, wie
eine Barriere wirken kann. Außerdem kreist unser politisches Denken um
Institutionen und nicht um Personen. Und an Stelle der Ideologien haben wir wie jede
andere Ethnie unsere indigene Tradition und Weltanschauung, die sich nicht nach
Ideologien orientieren, sondern an der Natur. Wir sind also gar nicht auf eine
säkularisierte monotheistische Ideologie angewiesen, um die Welt um uns herum zu
deuten und uns darin zurecht zu finden. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir die
moderne Welt oder ihre technologischen oder anderen Errungenschaften aufgeben. Es
bedeutet lediglich, dass wir uns allem verweigern, das die monotheistischen
Stereotype reproduziert und das zu einer Kolonialisierung unserer mentalen
Landschaften durch den Monotheismus und Autoritarismus führt. Aber abgesehen
davon lassen sich die ethnischen oder indigenen Weltanschauungen und Ontologien
gar nicht mit den modernen Ideologien vereinbaren. Das hat seine Gründe.

Die Ideologien der Moderne sind Botschafter einer anderen Kultur, die vom
Christentum und seinen säkularisierten Ableitungen geprägt sind. Genau genommen
sind die Ideologien die säkularisierten Versionen des globalen Monotheismus. (Wobei
der Begriff der Moderne selbst problematisch ist, weil im öffentlichen Diskurs
«modern» und «westlich» synonym verwendet werden und der Begriff der
«Modernisierung» oft nichts weiter als ein Euphemismus für «Abendlandisierung»
oder «Verwestlichung» ist. Denn im Rahmen des linearen Zeitverständnisses des
Westens wird das Abendland zum Maßstab erhoben, an dem alle anderen gemessen
werden. Und je mehr sich diese anderen dem Westen anpassen, als desto «moderner»,
«fortschrittlicher» werden sie dann angesehen. Dabei kann es schon sein, dass sie
irgendwann im Westen ankommen, dabei aber sich selbst verlieren.) Demnach wäre
es fatal, wenn wir uns diesen öffnen und uns damit der Gefahr einer schleichenden
Assimilation an das Abendland oder die Romiosini aussetzen würden. Die heutige
Kultur ist nicht unsere eigene. Viele von uns Hellenen sind aber in ihr groß geworden,
haben gelernt in ihren Kategorien und Normen zu denken, weshalb es uns später
umso schwerer fällt, von dieser Kultur, ihren Selbstverständlichkeiten und Klischees
loszukommen und unsere Rezeptoren in die hellenische Tradition «einzuweihen».
Der Nationalismus oder Internationalismus wären nur weitere Hindernisse auf diesem
Weg, die unsere Quest nur unnötig in die Länge ziehen würden. Und doch tauchen sie
immer wieder auf unserem Weg auf, wie Sphinxen, die uns immer wieder die
gleichen Fragen oder in unserem Falle die gleichen Vorwürfe an den Kopf werfen,
um die gleichen Antworten zu bekommen, mit denen sie sich offensichtlich nicht
zufrieden geben wollen. Es werden Themen an uns herangetragen, die für uns keine
sind. Und wie könnte es auch anders sein? Der Nationalismus ist eine moderne
Ideologie. Der Internationalismus ist ebenfalls eine moderne Ideologie. Es handelt
sich hierbei um zwei säkularisierte Versionen des Monotheismus, die unsere
Sichtweise und damit unsere Auffassung der Welt beeinflussen und verändern. Wenn
wir durch die Scheuklappen der Ideologien auf die Welt blicken, sehen wir sie
verkehrt. Somit werden auch unsere Schlussfolgerungen verkehrt sein, da wir das uns
Fremde, die hellenische oder andere indigene Kulturen auf der Basis von Kriterien
beurteilen oder deuten, die in der Moderne heimisch, der Moderne vertraut sind,
wobei das Eigene auf das Fremde, das Bekannte auf das Unbekannte projiziert wird.
Das Ergebnis wäre die Schaffung einer Karikatur statt die Wiederherstellung der
indigenen hellenischen Tradition.

Wir müssen uns also mit dem Hellenismos vertraut machen, um die Welt mit antiken
Augen zu sehen. Dies wird nur durch das Studium der überlieferten griechischen
Texte erreicht. Ohne dies notwendige Studium und die anschließende Veränderung
unseres Ethos, würden wir bloß die Kolonialisierung unseres Geistes durch den
globalen Monotheismus, das Abendland oder die Romiosini reproduzieren und uns
dabei auch noch mitten im Kampf um die Befreiung unseres Verstandes von den
Denkschablonen, Sichtweisen und Klischees der heute dominierenden Kultur
wähnen. Ohne dass sich unsere Fußfesseln um ein bisschen gelockert hätten. Der
unglückliche Mensch, der seine Ketten hinter sich herschleift, mag sich frei wähnen,
aber in Wirklichkeit ist er unfreier als je zuvor. Der Ideologe mag dies Freiheit
nennen, aber es bleibt eine Illusion, Selbsttäuschung.

Vor langer Zeit haben einige Menschen auf den Ionischen Inseln versucht, das Joch
der Rhomäer und Osmanen abzuschütteln. Heute müssen wir die Stereotypen der
Moderne, die säkularisierten Versionen des Monotheismus und die Imagination der
herrschenden Kultur von uns abschütteln.

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