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Politik

31. Juli 2018, 18:45 Gastbeitrag von Joschka Fischer

"Trump macht bitteren Ernst mit


der Zerstörung des Westens"
Der amerikanische Präsident rüttelt an der internationalen Ordnung. Will sich
die EU behaupten, muss sie ihre Souveränität zurückgewinnen und zur
globalen Macht werden.

Von Joschka Fischer

Spätestens nach seinen letzten Reisen zur Nato in Brüssel, nach Großbritannien
und zu seinem Treffen mit Putin in Helsinki gibt es nicht mehr den leisesten
Zweifel daran, was Donald Trump und seine Anhänger wirklich wollen, und das ist
nichts Geringeres als die Zerstörung der von den USA nach 1945 geschaffenen und
beschützten internationalen Ordnung und des freien Welthandels.

Donald Trump ist alles andere als eine Witzfigur, sondern er macht bitteren Ernst
mit der Zerstörung des Westens, was einer Revolution der globalen Ordnung
gleichkommt. Gewiss, Trump ist nicht das ganze Amerika und repräsentiert
wahrscheinlich nicht einmal dessen Mehrheit. Aber er ist dessen Präsident und
damit der mächtigste Mann der Welt. Seine Handlungen haben daher, wie
lächerlich im Einzelfall auch immer begründet, sehr ernste Konsequenzen, vor
allem für den engsten Partner der USA, für Europa, das der amerikanische
Präsident in Gestalt der EU offensichtlich als seinen Hauptfeind ansieht.

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Donald Trump möchte die große historische Disruption von allem, was seit dem
Ende des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs den Westen ausgemacht hat.
Damit markiert seine Präsidentschaft eine historische Zäsur. Diese re[ektiert
jedoch keinen Fundamentalkon[ikt zwischen den USA und der Europäischen
Union, der existiert nicht. Es geht in Wirklichkeit um eine andere globale
Machtverschiebung, die Europa und Amerika, zwar in unterschiedlicher Weise,
aber dennoch gemeinsam in Gestalt eines zumindest relativen Abstiegs, massiv
betreffen wird, nämlich um die Verschiebung von Macht und Reichtum von West
nach Ost, um die geopolitische, wirtschaftliche und technologische
Herausforderung der Vereinigten Staaten durch China als Nummer eins der Welt.
Das aber macht die Entwicklung alles andere als ungefährlich, denn diese sino-
amerikanische Rivalität um die globale Dominanz wird die Geopolitik des 21.
Jahrhunderts prägen.

Dabei geht es auch für Europa um sehr viel, nämlich um seine Zukunft, seine
Demokratie, seine Sozialstaaten, seine Art zu leben, seine Unabhängigkeit.
Verpasst Europa diesen geschichtlichen Augenblick, dann wird ihm nur noch eine
letzte Wahl bleiben, die Wahl von wem es abhängig sein will, von China oder den
USA. Transatlantismus oder Eurasien heißt dann die Alternative.

Bündnisse und Regeln schützen dabei nur sehr eingeschränkt. Diese Erfahrung
müssen die Europäer gerade in der Gegenwart machen. Und auch ein Rückfall in
das Denken der klassischen Mächtepolitik im Europa des 19. Jahrhunderts wird
nicht helfen. Es mag ja sein, dass sich, nach dem amerikanischen Jahrhundert, wie
damals im Europa des 19. Jahrhunderts, ein mehrpoliges System der großen
Mächte global durchsetzen wird, eine Welt ohne Hegemon und mehr oder weniger
auch ohne, oder zumindest mit einer allzeit prekären, Ordnung. Die Bedingungen
sind heutzutage jedoch andere und auch eine anhaltende Rivalität der beiden
Weltmächte um die Dominanz in Europa wäre für den alten Kontinent alles andere
als vorteilhaft.

Das 20. Jahrhundert wurde, aus europäischer Perspektive, durch die beiden
Weltkriege und den Kalten Krieg geprägt und durch die Nuklearisierung der
Waffentechnologie. Im 19. Jahrhundert waren es die Auswirkungen der
französischen und die industrielle Revolution gewesen, die den Kontinent
geformt hatten.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich die beiden Flügelmächte im alten
europäischen Staatensystem, die USA und die Sowjetunion, beides
nichteuropäische Mächte, durchgesetzt. Die Souveränität Europas, das bis dahin
in der Moderne die Welt durch seinen technologischen Vorsprung beherrscht
hatte, war mit dem Ausgang des letzten großen Krieges an ihr Ende gekommen.
Europa und Deutschland waren fortan zwischen den beiden Hauptsiegermächten
geteilt und die Souveränität Europas war in der Zeit des Kalten Krieges nach
Washington und Moskau übergegangen.

Frankreich und Großbritannien, den beiden europäischen Siegermächten des


Zweiten Weltkriegs, verblieb noch so etwas wie ein Rest an Souveränität als
ständige UN-Sicherheitsratsmitglieder und Atommächte. Gleichwohl handelte es
sich dabei mehr um eine Illusion angesichts der tatsächlichen globalen
Kräfteverhältnisse. Mit dem Ende des Kalten Krieges setzte sich die
transatlantische Ausrichtung Europas auf dem gesamten Kontinent - mit
Ausnahme Russlands - durch. Sicherheitspolitisch, zu Teilen auch technologisch,
verblieb die europäische Souveränität in Washington, wirtschaftlich und
weitgehend auch technologisch gewannen die Europäer ihre Souveränität zurück.
Nato und EU waren die institutionellen Formen dieser Arbeitsteilung, die jetzt
durch Donald Trump fundamental und ohne Not infrage gestellt wird.

Und dies alles geschieht in einer Zeit, in der ein dreifacher Wandel die Frage nach
Europas Zukunft aufwirft: die Infragestellung der amerikanischen
Sicherheitsgarantie (Nato), die Erschütterung des freien Welthandels (WTO) und
die Digitalisierung hin zur künstlichen Intelligenz, welche die globalen technischen
Hierarchien und die daran hängende Machtverteilung auf den Kopf stellen wird. In
diesen Fragen wird sich die europäische Souveränität zu beweisen haben.

Für Europa heißt dies, dass es durch diese Trends und durch Trump gezwungen
werden wird, entweder seine Souveränität wieder zu erlangen, das heißt als EU zur
Macht zu werden, die auf globaler Ebene ihre Interessen wird durchsetzen können,
oder aber in der Gegenwart den Anschluss zu verlieren und dauerhaft abgehängt
zu werden. Eine zweite Chance wird es für Europa nicht geben. Damit tritt die EU
aber in einen neuen Abschnitt ihrer Geschichte ein: Aus dem Handels- und
Friedensprojekt (das fortbestehen wird) wird ein Projekt der gemeinsamen
Souveränität werden müssen.

Nur die EU als Ganzes und nicht mehr die klassischen europäischen
Nationalstaaten, selbst die größten und stärksten nicht, wie Großbritannien,
Frankreich und Deutschland, wird in unserem Jahrhundert noch die Souveränität
Europas zurückgewinnen können. Und dazu wird es einer gewaltigen
Kraftanstrengung und großer Geschlossenheit und neuer Prioritäten
einschließlich eines neuen Denkens innerhalb der EU und ihrer Mitgliedstaaten
bedürfen. Gelingt dies, dann hat sich Donald Trump um die Einheit Europas
verdient gemacht. Die Geschichte kommt eben manchmal in komischen Figuren
und in seltsamen Gewändern daher. Man muss sie nehmen wie sie kommt.

URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/donald-trump-eu-joschka-fischer-1.4076743
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Quelle: SZ vom 01.08.2018
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