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Produktbezogene

Klimaschutzstrategien
Product Carbon Footprint verstehen und nutzen
IMPRESSUM

Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)


Referat Öffentlichkeitsarbeit • 11055 Berlin
E-Mail: service@bmu.bund.de • Internet: www.bmu.de

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)


Abteilung Klima und Nachhaltige Entwicklung
Breite Straße 29 • 10178 Berlin

Redaktion: Peter Blickwedel, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit


Gerhard Brankatschk, OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V.
Rainer Buchholz, WirtschaftsVereinigung Metalle e. V.
Dr. Tina Buchholz, Verband der Chemischen Industrie e. V.
Peter Feller, Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V. (BVE)
Prof. Dr. Marina Franke, Procter und Gamble Service GmbH
Dr. Rainer Grießhammer, Öko-Institut e. V. Institut für angewandte Ökologie
Norbert Hatscher, Stahlinstitut VDEh
Dr. Marita Hilgenstock, RWE Aktiengesellschaft
Christian Hochfeld, Öko-Institut e. V. Institut für angewandte Ökologie
Franz-Josef von Kempis, Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Bjoern Kulmann, Ball Packaging Europe Holding GmbH & Co. KG 
Christina Meßner, Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. 
Kerstin L. Ochs, Henkel AG & Co. KGaA
Holger Ortleb, Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e. V.
Nicola Paczkowski, BASF SE
Stefan Rössing, Verein der Zuckerindustrie e. V.
Dr.-Ing. Martin Ruhrberg, BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.
Dr. Eva Spindler-Raffel, Tetra Pak GmbH & Co. KG
Sheryl Webersberger, Bundesverband Glasindustrie e. V.

Gestaltung: Proesler Kommunikation GmbH


Druck: Silber Druck, Niestetal

Abbildungen: S. 1 Photo_Ma - Fotolia.com


S. 4 Matthias Lüdecke

Stand: Juni 2010


1. Auflage: 5.000 Exemplare
Inhalt 3

Inhalt

Vorworte des Bundesumweltministers und des


Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Einleitung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Hintergrund .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Herausforderung Produktbe­zogener Klimaschutz im Rahmen


des nachhaltigen Konsums.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Klimawandel als zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Klimaeffekte von Produkten und deren Konsum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Unternehmen und Verbraucher: Gemeinsame Verantwortung für den klimagerechten Konsum 16

Der Product Carbon Footprint. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18


Definition des Product Carbon Footprint. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Internationale Standardisierungsprozesse.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Nutzen des Product Carbon Footprint.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Product Carbon Footprint versus produktbezogene Ökobilanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Product Carbon Footprint in der Praxis: Organisation der Erhebung


und methodisches Vorgehen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Vorbereitungen zur Erfassung des PCF.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Erhebung und Berechnung des Carbon Footprint.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Spezifische methodische Empfehlungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Bewertung und Anwendung des PCF. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Aufwand zur Ermittlung eines PCF.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Kommunikation des Product Carbon Footprint. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42


Empfehlungen für eine klimabezogene Produktkommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

CO2-Label versus Umweltlabeling.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Perspektiven des Product Carbon Footprint.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Weiterführende Literatur und nützliche Links. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63


4 Vorwort des Bundesumweltministers

Vorwort von
Bundesumweltminister
Dr. Norbert Röttgen

Der Klimawandel ist eines der größten Herausforderungen, vor denen die internatio-
nale Gemeinschaft steht. Um dem begegnen zu können, haben wir uns ambitionierte
Klimaschutzziele gesetzt, die nur erreicht werden können, wenn alle einen Beitrag dazu
leisten. Das gilt auch für Produzenten und Konsumenten.

Eine Voraussetzung, um klimafreundlich produzieren und konsumieren zu kön-


nen, ist, die Klimabilanz von Produkten zu kennen. Daher haben sich in den letz-
ten Jahren verschiedene Initiativen zur Ermittlung der CO2-Bilanz von Produkten
entwickelt, um deren konkreten „CO2-Fußabdruck“, den Product Carbon Foot-
print, abzubilden. Allerdings existieren hierzu mittlerweile ganz unterschiedliche
Berechnungsverfahren. Ein einheitliches Verfahren, um den Product Carbon Foot-
print zu ermitteln und darzustellen, gab es bisher nicht. Das Bundesumweltminis-
terium und das Umweltbundesamt haben daher das Öko-Institut Freiburg beauf-
tragt, Vorschläge für eine belastbare Methodik zu entwickeln. Die Ergebnisse sind
in dem Ende 2009 veröffentlichten Memorandum zum Product Carbon Footprint
festgehalten, das Empfehlungscharakter hat. Das wichtigste Ergebnis ist: Der
„CO2-Fußabdruck“ ist für die Hersteller ein hilfreiches Instrument.

Auf Basis dieser Arbeiten haben das Bundesumweltministerium, das Umweltbundes-


amt und der Bundesverband der Deutschen Industrie jetzt einen Leitfaden heraus-
gegeben, der sich in erster Linie an Unternehmen richtet, die den Product Carbon
Footprint ihrer Produkte erheben und nutzen wollen. Damit geben wir ihnen ein Instru-
ment an die Hand, das praktische Empfehlungen zum Vorgeben enthält. Die Ermittlung
des „CO2-Fußabdrucks“ kann den Unternehmen dazu dienen, die Potenziale zu ermit-
teln und zu nutzen, um die Emissionen zu reduzieren. So können Impulse für eine eige-
ne Klimaschutzstrategie und für die klimafreundlichere Gestaltung der Produkte gege-
ben sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Klimawirkungen informiert
werden. Produktkennzeichen sind ein wichtiges Instrument, um den Konsumenten den
Weg zum umweltfreundlichen Konsum zu weisen. Dabei geht es nicht darum, für den
„CO2-Fußabdruck“ ein neues Kennzeichen auf den Markt zu bringen, sondern auf be-
währte Zeichen, wie z. B. den Blauen Engel, zurückzugreifen.

Der größte Nutzen des Product Carbon Footprint wird darin gesehen, dass es möglich
ist, die Treibhausgasemissionen der Waren und Dienstleistungen entlang des gesam-
ten Produktionsweges zu reduzieren. Den optimalen Nutzen kann die Analyse des
Product Carbon Footprint allerdings nur entfalten, wenn nicht nur eindimensional der
Treibhauseffekt bilanziert wird, sondern wenn auch andere Umwelt- und Nachhaltig-
keitskriterien berücksichtigt werden. So sollten z. B. bei Baumwollprodukten auch der
Vorwort des Bundesumweltministers 5

Wasserverbrauch in der Herstellung oder die eingesetzten Chemikalien berücksichtigt


werden. Eine Produktbewertung über den gesamten Lebensweg hinweg ist die beste
Voraussetzung, um ein Produkt umfassend auf seine Auswirkungen auf das Klima und
die Umwelt zu beurteilen und diese reduzieren zu können.

Dr. Norbert Röttgen, Bundesumweltminister


6 Vorwort des Präsidenten des BDI

Vorwort Des Präsidenten


des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Prof. Hans-Peter Keitel

Der Klimawandel ist eine der zentralen Herausforderungen, der sich Industrie und
­Gesellschaft gegenübersehen. Das Instrument des Product Carbon Footprint (PCF) ist als
Lösungsbeitrag dazu in den Fokus gerückt. Ein PCF beziffert die Emissionen von Treib-
hausgasen, die ein Produkt während seines gesamten Lebensweges verursacht. Zahl-
reiche Initiativen auf internationaler und nationaler Ebene haben sich zum Ziel gesetzt,
Methoden oder Empfehlungen zur Berechnung oder Kommunikation eines PCF zu
entwickeln bzw. zu harmonisieren. Der Prozess des Product Carbon Footprinting kann
Unternehmen unterstützen, Transparenz über ihre Treibhausgasemissionen entlang
ihrer Wertschöpfungskette zu erlangen und sinnvolle Reduktionspotenziale zu identi-
fizieren. Der größte Nutzen des Product Carbon Footprinting liegt daher in der Chance,
die Klimawirkungen eines Produkts entlang seines gesamten Lebensweges zu optimie-
ren.

Die Aussagekraft von PCFs haben aber auch Grenzen. So haben bisherige Erfahrungen
zahlreicher Hersteller gezeigt, dass PCFs kein zuverlässiges Instrument zur Produkt-
kennzeichnung mit dem Ziel der Verbraucherkommunikation sein können. Das liegt
vor allem an den methodischen Schwierigkeiten: den Datenstreubreiten, Unwägbar-
keiten und Annahmen sowie den wechselnden Parametern entlang der Lieferkette bei
der Erfassung und Aufbereitung von PCFs als aussagekräftigen Kenngrößen für Ver-
braucher.

Außerdem beschreiben sie nur eine ökologische Kenngröße – die Treibhausgasemissio-


nen – von Produkten. Ein reines PCF-Label insbesondere mit einer CO2-Ziffer hat daher
insbesondere für die Verbraucher keinerlei Aussagekraft hinsichtlich der Umwelt- und
Klimaverträglichkeit von Produkten.

Der vorliegende Leitfaden will Unternehmen daher unterstützen, ihre PCFs so zu er-
fassen und zu kommunizieren, dass sie daraus den größtmöglichen Nutzen ziehen kön-
nen.

Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Keitel


Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. (BDI)
Zusammenfassung 7

Zusammenfassung

Der Klimawandel ist eine der zentralen weltweiten Herausforderungen unserer Gesell-
schaft in diesem Jahrhundert. Um die Risiken der Erwärmung auf Mensch und Natur
überhaupt noch einzudämmen, muss der durchschnittliche Temperaturanstieg bis
zum Ende des Jahrhunderts weltweit auf zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindus-
triellen Niveau begrenzt werden. Das bedeutet nach dem heutigen Erkenntnisstand,
dass wir die Treibhausgasemissionen in den Industrieländern bis 2050 um mindestens
80 % im Vergleich zu 1990 reduzieren müssen. Das wiederum erfordert ein grundlegen-
des Umdenken nicht zuletzt bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen1 und
deren Konsum. Hersteller und Verbraucher sind gefordert, ihre Beiträge für eine klima-
gerechte Produktion und einen klimagerechten Konsum zu leisten.

Gemäß der Regel „Nur was messbar ist, kann auch gemanagt werden“ muss die Voraus-
setzung erfüllt sein, dass Unternehmen und Konsumenten verlässliche Informationen
zu den Treibhausgasemissionen, die mit ihren Produkten über den gesamten Lebens-
zyklus hinweg verbunden sind, vorliegen. Diese Informationen sind eine wichtige Basis,
um die Klimawirkungen der Herstellung, Nutzung und Entsorgung von Produkten zu
minimieren.

Der sogenannte Product Carbon Footprint (PCF) könnte derartige Informationen ver-
fügbar machen:

„Der Product Carbon Footprint bezeichnet die Bilanz der Treibhausgas­


emissionen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts in einer
­definierten Anwendung und bezogen auf eine definierte Nutzeinheit.“2

Der vorliegende gemeinsame Leitfaden des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-


schutz und Reaktorsicherheit (BMU) und des Bundesverbands der Deutschen Industrie
(BDI) verfolgt deshalb folgende Ziele:

»» interessierten Unternehmen Unterstützung und Empfehlungen bei der Ermitt-


lung des jeweiligen PCFs zu geben und

»» die Anforderungen an eine angemessene und erfolgreiche Kommunikation für


den Klimaschutz – bezogen auf die Produkte – zu formulieren sowie

»» eine gemeinsame Einschätzung des BMU und BDI zum Nutzen von PCF-Labeln
mit CO2 Ziffer zu vermitteln,

»» Grenzen und Probleme des PCF aufzeigen.

1 Im Rahmen dieses Leitfadens wird der Begriff „Produkt“ als Sammelbegriff für Waren und Dien-
stleistungen verwendet.
2 Definition aus dem Entwurf der ISO 14067 „Carbon Footprint of Products“.
8 Zusammenfassung

Der Leitfaden richtet sich in erster Linie an Unternehmen, die den Product Carbon Foot-
print ihrer Produkte erheben und kommunizieren wollen. Er veranschaulicht das prak-
tische Vorgehen bei der Erhebung und Kommunikation des Product Carbon F ­ ootprint.
Die Empfehlungen zum Vorgehen werden sowohl für Produkte für Konsumenten als
auch für Produkte, die zwischen Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette ge-
handelt werden, gegeben.

Zahlreiche Initiativen auf internationaler und nationaler Ebene haben sich in den
letzten Jahren zum Ziel gesetzt, Methoden und Empfehlungen zur Berechnung oder
Kommunikation eines PCF zu entwickeln bzw. zu harmonisieren. In Deutschland hat
das BMU das Öko-Institut beauftragt, eine systematische Analyse zum Entwicklungs-
bedarf der Erfassungsmethodik und der entsprechenden Kommunikation bis hin zur
Produktkennzeichnung vorzunehmen. Dabei werden auch die Erfahrungen aus dem
„PCF Pilotprojekt Deutschland“3 herangezogen, in dem eine Reihe von Unternehmen
aus dem produzierenden Gewerbe und dem Handel die praktische Anwendbarkeit
der Berechnungsmethoden getestet und auch erste Erfahrungen zur Kommunikation
des PCF gesammelt haben. Darüber hinaus arbeiten bereits auch zahlreiche einzelne
Unternehmen verschiedenster Branchen an der Bilanzierung der Klima- und Um-
weltwirkungen ihrer Produkte.

Die Ergebnisse und Erfahrungen dieser Arbeiten sind die Grundlage für den vorliegen-
den gemeinsamen Leitfaden des BMU und des BDI zum Product Carbon Footprint.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine Reihe von Methoden und Analyseinstru-
menten entwickelt, mit deren Hilfe die Umweltverträglichkeit bzw. Nachhaltigkeit von
Produkten über den gesamten Lebensweg analysiert und bewertet werden kann: Öko-
bilanzen, Ökoeffizienzanalysen, produktbezogene Sozialbilanzen und Produkt-Nachhal-
tigkeitsanalysen. Auch mit diesen Methoden lässt sich bereits heute z. B. die Klimabilanz
von Produkten über den gesamten Lebensweg darstellen. Der große Vorteil dieser ganz-
heitlichen Methoden ist, dass eine Optimierung der Produkte über verschiedene Umwelt-
oder zusätzliche Nachhaltigkeitskategorien und damit auch über Zielkonflikte zwischen
den einzelnen Kategorien bei der Verbesserung der Produkte hinweg erfolgen kann.

Die Beschränkung nur auf die Wirkungskategorie „Treibhauseffekt“ hingegen ist ge-
rade im Hinblick auf eine gesamthafte Optimierung der Produkte nicht ausreichend,
kann sogar in Einzelfällen kontraproduktiv sein. So könnten z. B. Produkte mit gutem
PCF bevorteilt werden, obwohl sie vielleicht eine schlechte Gesamtumwelt- oder Nach-
haltigkeitsbilanz aufweisen. Um derartigen Fehlentscheidungen vorzubeugen, bedarf
es einer umfassenden Analyse und Produktbewertung über den gesamten Lebensweg
hinweg.

Der genauere Blick auf die Wirkungskategorie „Treibhauseffekt“ über den Product
Carbon Footprint hat jedoch gezeigt, dass zusätzliche Erkenntnisse in Bezug auf die
Methodik der Analyse der Klimarelevanz zu berücksichtigen sind. Ein Beispiel: Wie sind

3 Ausführliche Informationen und Dokumentationen zu den Ergebnissen des PCF Pilotprojekts Deut-
schland finden sie unter www.pcf-projekt.de
Zusammenfassung 9

Landnutzungsänderungen beim Anbau von biogenen Produkten in Bezug auf die pro-
duktbezogenen Treibhausgasbilanz zu berücksichtigen? Diese neuen methodischen
Erkenntnisse sind für alle Formen der produktbezogenen Umwelt- oder Nachhaltig-
keitsbewertung über den Lebensweg der Produkte relevant.

Deshalb empfehlen BMU und BDI mit diesem Leitfaden, die folgenden Erkennt­
nisse zur Methode der Ermittlung des Product Carbon Footprint für die Pro­
duktbewertung zu nutzen. Die Ermittlung des Product Carbon Footprint wird
allgemein besonders dann als nützlich angesehen, wenn es darum geht, Möglich­
keiten zu ermitteln, wie Treibhausgasemissionen von Waren und Dienstleistun­
gen entlang des gesamten Produktlebensweges reduziert werden können.

Im Falle einer umfassenderen Bewertung, die alle Dimensionen der Nachhal­


tigkeit abdecken soll, müssen auch die relevanten sozialen und ökonomischen
Kriterien einbezogen werden. Dieses Vorgehen führt nicht unbedingt zu einem
Mehraufwand. Wohl aber verleiht es mehr Sicherheit bei Bewertungen und der
Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Optimierung der Produkte. Unter
Berücksichtigung aller relevanten Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien kann
der ermittelte PCF so den maximalen Nutzen entfalten.

Die Ermittlung von Product Carbon Footprints kann Unternehmen dann dabei unter-
stützen,

»» Transparenz in der Wertschöpfungskette im Hinblick auf die vor- und nachgela-


gerten Prozesse und beteiligten Akteure zu schaffen,

»» Bewusstsein für die Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette


zu schaffen und besonders emissionsreiche Phasen zu identifizieren,

»» Potenziale zu identifizieren, wie Emissionen reduziert werden können, begin-


nend mit der Produktentwicklung,

»» Dokumentation von Verbesserungen des PCF, zum Beispiel über Produkt­


generationen, zu erstellen,

»» Impulse für die (Weiter-)Entwicklung der eigenen Klimastrategie zu gewinnen,

»» die Relevanz von Treibhausgasemissionen im Vergleich zu anderen Umwelt­


wirkungen eines Produkts zu analysieren und zu bewerten.

Ein international verbindlicher ISO-Standard (ISO 14067) zum Product Carbon Footprint


und eine international harmonisierte Richtlinie mit dem Charakter eines Standards
(Greenhouse Gas Product Protocol) sind derzeit in Arbeit. Die Bestrebungen zur Erarbei-
tung einer international einheitlichen Methodik werden begrüßt. Mit abschließenden
Ergebnissen ist allerdings nicht vor Ende 2011 zu rechnen.
10 Zusammenfassung

Das stellt Anwender in der Praxis vor die Herausforderung, dass bis zu diesem Zeitpunkt
keine international verbindliche Methodik zur Erfassung des Product Carbon Foot-
print vorliegt. Gerade in diesem Zeitraum aber werden viele Unternehmen sich mit der
Klima­relevanz von Produkten auseinandersetzen müssen. Für diesen Zeitraum spricht
das BMU Empfehlungen zum methodischen Vorgehen ergänzend zur Ökobilanznorm
der ISO 14040 ff. aus4, die auch in die internationalen Standardisierungsprozesse einge-
speist werden. Die Public Available Specification 2050 (PAS 2050), die 2008 als Empfeh-
lung in Großbritannien publiziert wurde, wird nicht als hinreichend und zielführend
für die Erfassung des PCF angesehen.

Solange noch kein internationaler Standard zur Ermittlung eines PCF vorliegt, ist
die transparente Dokumentation des methodischen Vorgehens sowie der genutzten
Daten von höchster Bedeutung, um die Belastbarkeit und Glaubwürdigkeit der Ergeb-
nisse bewerten zu können. Das gilt insbesondere für den Fall, dass Unternehmen die
Ergebnisse eines PCF veröffentlichen wollen. Für den Fall der Veröffentlichung wird
zusätzlich eine kritische Prüfung (Critical Review) entsprechend den Anforderungen
bei der Erstellung einer Ökobilanz empfohlen.

Der Product Carbon Footprint als Grundlage für die Produktkennzeichnung insbeson-
dere über ein PCF-Label mit CO2-Ziffer wird international sehr kontrovers diskutiert. In
verschiedenen Ländern wie Großbritannien, Japan, Südkorea oder Thailand werden
entsprechende Labels bereits auf freiwilliger Basis getestet oder sind bereits probeweise
eingeführt. Auch eine Verpflichtung zur Produktkennzeichnung über ein PCF-Label mit
CO2-Ziffer ist in der Diskussion.

Mögen CO2-Werte über ein entsprechendes Label auf Produkten auf den ersten
Blick als attraktive und wünschenswerte Information für Verbraucher erscheinen:
BMU und BDI kommen auf Basis der bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen
zu dem Schluss, dass die Angabe des rein numerischen Wertes für den PCF – also
PCF-Labels mit CO2-Ziffer – auf dem Produkt kein sinnvolles und zuverlässiges
Instrument für eine effektive Verbraucherkommunikation ist.

Die Gründe für diese Schlussfolgerung sind:

»» die noch nicht abschließend geklärten methodischen Herausforderungen.

»» die Varianzen in der Lieferkette in Bezug auf die verwendeten Annahmen, Daten
und Ergebnisse, die typisch sind für lebenszyklusbezogene Untersuchungen
und vor allen Dingen

»» die Streubreiten der Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zum


Beispiel über wechselnde Zulieferer,

4 Bundesumweltministerium, Umweltbundesamt, Öko-Institut: Memorandum Product Carbon Foot-


print, Berlin 2009 – Positionen zur Erfassung und Kommunikation des Product Carbon Footprint für
die internationale methodische Standardisierung und Harmonisierung, www.bmu.de.
Zusammenfassung 11

»» die fehlenden verbindlichen einheitlichen methodischen Standards für die Er-


fassung des Product Carbon Footprints.

Aus diesen Gründen ist es auf absehbare Zeit nicht vorstellbar, eine wettbewerbsrecht-
lich tragfähige vergleichende CO2-Kennzeichung von Produkten mit dem jeweiligen
numerischen Wert (PCF-Labels mit CO2-Ziffer) zu realisieren. – Dies gilt besonders für Le-
bensmittel, die momentan im Mittelpunkt der Diskussion stehen, aber auch für andere
kurzlebige Konsumgüter.

In der Praxis können Verbraucher zudem mit PCF-Label mit CO2-Ziffer wenig anfangen,

»» weil sie keinen Vergleichsmaßstab haben,

»» weil sich aus den Werten keine Handlungsempfehlungen für die optimale
­Nutzung der Produkte unter Klimagesichtspunkten ergeben,

»» weil die Bedeutung anderer Umweltaspekte nicht berücksichtigt wird und

»» weil es eine zunehmende Verwirrung durch eine Vielzahl von Umweltlabels


gibt.

Deshalb lehnen auch die europäischen Verbraucherverbände PCF-Labels mit CO2-Ziffer


ab5.

Sobald Untersuchungen gezeigt haben, dass der PCF eine aussagefähige Größe in Bezug
auf die Umweltverträglichkeit einer Produktgruppe ist, sollte dieser eher in anerkannte
Umweltzeichen (Typ 1 nach ISO 14024) integriert werden. Statt neue PCF-Labels mit CO2-
Ziffer mit beschränkter Aussagekraft einzuführen, sollte eine verbrauchergerechte Kom-
munikation mit bestehenden Umweltzeichen – wie dem Blauen Engel – erfolgen. Für das
Umweltzeichen Blauer Engel werden derzeit in einem Projekt bis 2011 die Vergabekrite-
rien für die aus Klimasicht wichtigsten einhundert Produktgruppen erarbeitet.

Jenseits einer Produktkennzeichnung mit Label wird dem Product Carbon Footprint
durchaus das Potenzial zugesprochen, eine tragfähige Grundlage für eine sinnvolle
Produktkommunikation gegenüber Unternehmenspartnern und den Konsumenten
zu bilden. Gerade dann, wenn auch weitere Nachhaltigkeitskriterien für die Produkte
mit erfasst und bewertet werden, lassen sich für die Verbraucher auf Basis des PCF hand-
lungsrelevante Botschaften ableiten, die einen nennenswerten Beitrag für einen klima-
gerechteren Konsum leisten können. Ein Beispiel sind die Handlungsempfehlungen im
Bereich des nachhaltigen Waschens, die gemeinsam von Herstellern, Verbraucher- und
Umweltorganisationen sowie dem Umweltbundesamt erarbeitet und in der Vergan-
genheit erfolgreich kommuniziert ­wurden.6

5 ANEC, BEUC, ECOS, EEB: Joint Position – Sizing up Product Carbon Footprinting, Brüssel 2009.
6 Mehr Informationen zur Initiative zur Förderung des nachhaltigen Handelns beim (Ab-)Waschen
finden Sie unter www.forum-waschen.de.
12 Zusammenfassung

BMU und BDI befürworten in diesem Sinne die Arbeit an glaubwürdigen Kommuni­
kationsformen jenseits der Produktkennzeichnung, die im Sinne der Klimarelevanz des
Konsums sensibilisieren und dabei helfen, Reduktionspotenziale auf der Nutzungsseite
der Produkte zu erschließen. Dabei regen sie ­Unternehmen zu Initiativen an, bei denen
möglichst frühzeitig die jeweils relevanten Experten für Umwelt- und Verbraucher-
schutz im Rahmen eines konstruktiven Dialogs eingebunden werden, um damit die
Akzeptanz, die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit der entwickelten Maßnahmen zu
steigern.
Einleitung 13

Einleitung

Hintergrund

In den letzten Jahren hat sich weltweit eine Vielzahl von staatlich oder privat getra-
genen Initiativen zur Erfassung und Kommunikation des Product Carbon Footprint
im Bereich produktbezogener Klimabilanzen entwickelt (z. B. mit dem PCF Projekt
Deutschland). Dabei wurde deutlich, dass erstens ein großer Bedarf für die Entwicklung
international verbindlicher harmonisierter Standards und Richtlinien für die Methodik
des Product Carbon Footprint besteht und dass zweitens eine angemessene Kommu-
nikation insbesondere im Hinblick auf den Nutzen von PCF-Labels mit CO2-Ziffer sehr
unterschiedlich bewertet wird.

Die British Standard Institution (BSI) hat zusammen mit dem britischen Umweltminis-
terium (defra) und dem Carbon Trust mit der Public Available Specification [PAS] 2050
„Specification for the assessment of the life cycle greenhouse gas emissions of goods and
­services“ als eine Empfehlung in Großbritannien eingebracht. Dies war ein erster umfas-
sender Vorschlag für die Methodik des Product Carbon Footprint in der internationalen
Debatte. Obwohl die PAS 2050 in der finalen Version vom Oktober 2008 überwiegend
auf der Ökobilanznorm ISO 14040 ff. aufbaut, weicht sie aber auch in einigen wichtigen
Aspekten deutlich davon ab. Mittlerweile wurden Prozesse zur Erarbeitung interna-
tionaler Standards bei der Internatio­nalen Standardisierungsorganisation (ISO) und
harmonisierter Richtlinien in Ergänzung zum Greenhouse Gas Protocol zum Product
Carbon Footprint initiiert. Mit Ergebnissen ist hier aber erst Ende 2011 zu rechnen.

Die Aktivitäten in zahlreichen Unternehmen zur Erfassung und Kommunikation des


PCF und entsprechender Maßnahmen zu seiner Reduktion finden also in
einer Zeit statt, in der noch keine ausgereiften internationalen Standards vorliegen und
bei der es gleichzeitig Unsicherheit über die angemessene Kommunikation gibt.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) hat da-


her das Öko-Institut beauftragt, im Rahmen des Projekts „CO2-Kenn­zeichnung von Waren
und Dienstleistungen“ eine systematische Analyse zum Weiterentwicklungsbedarf der
Methodik und zu CO2-Kennzeichungen vorzu­nehmen.

Parallel dazu haben sich zehn Unternehmen in Deutschland in Kooperation mit dem
WWF, dem Öko-Institut, dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung und Thema1 als
Projektträger zum PCF Pilotprojekt Deutschland zusammengefunden, um anhand von
praktischen Beispielen die Eignung bestehender Ansätze zur Erfassung und Kommunika-
tion des PCF zu erproben und Empfehlungen für die Weiterentwicklung zu erarbeiten.

In beiden Projekten wurden die Anforderungen an die Methodik des Product Carbon
Footprint und dessen Kommunikation theoretisch und an Fallbeispielen erörtert und
mit einer Vielzahl von Stakeholdern und Wissenschaftlern auf nationaler und interna-
14 Einleitung

tionaler Ebene diskutiert. Basierend auf den Erfahrungen in diesen Projekten und einer
Vielzahl von Aktivitäten in einzelnen Unternehmen haben das BMU und der BDI be-
schlossen, den vorliegenden gemeinsamen Leitfaden „Produktbezogene Klimaschutz-
strategien: Product Carbon Footprint verstehen, anwenden und nutzen“ zu erstellen.

Der Leitfaden fasst wesentliche Praxishinweise zur Erfassung und der Kommuni­kation
des Product Carbon Footprint zusammen. Er formuliert konkrete Em­pfehlungen für
den praktischen Umgang bei der Ermittlung und Bewertung von Product Carbon Foot-
prints, die mindestens für den Zeitraum, in dem noch keine verbindlichen internatio-
nalen Normen und Standards vorliegen, gelten sollten.

Darüber hinaus werden die wesentlichen Positionen im Hinblick auf die Kom­
munikation des PCF formuliert, die auf den Erfahrungen mit der Erfassungsmethodik
aufbauen.

Der Leitfaden richtet sich insbesondere an

»» Anwender bei Produktherstellern und Handelsunternehmen sowie Dienstleister,

»» Politik (produktbezogene Klimaschutzpolitik, Umweltkennzeichnung) und

»» interessierte Öffentlichkeit.

Darüber hinaus wird auch ein Nutzen für die laufenden Standardisierungsprozesse ge-
sehen.

Ziele

Das Ziel des Leitfadens ist es,

»» die Erfahrungen mit dem Instrument des Product Carbon Footprint aus unter-
schiedlichen Projekten in gemeinsamen Analysen und Positionen darzulegen,

»» interessierten Unternehmen unabhängig von Ihrer Größe und Branche prakti-


sche Empfehlungen bei der Ermittlung, Bewertung und Kommunikation eines
PCF zu geben, insbesondere in einer Übergangszeit, in der keine gemeinsamen
international harmonisierten Standards existieren,

»» die Anforderungen an eine gute und erfolgreiche Kommunikation im produkt-


bezogenen Klimaschutz zu formulieren,

»» eine gemeinsame Einschätzung zu dem PCF-Label mit CO2-Ziffer zu vermitteln,

»» die Grenzen und Probleme des PCF aufzuzeigen.


Herausforderung Produktbe­zogener Klimaschutz 15

Herausforderung Produktbe­zogener Klimaschutz im


Rahmen des nachhaltigen Konsums

Klimawandel als zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts

Der globale Klimawandel ist Realität und damit eine der zentralen Heraus­forderungen
für Gesellschaft, Politik, Industrie und Wirtschaft. Um die Auswirkungen der globalen
Erwärmung auf Mensch und Natur in einem möglichst kontrollierbaren Rahmen zu
halten, muss der mittlere weltweite Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad Celsius
gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden. Das bedeutet, so betont der
Weltklimarat IPCC, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen bis 2050 um mehr als
die Hälfte gegenüber dem Jahr 1990 gesenkt werden müssen. Dabei stehen Industrie-
länder besonders in der Pflicht – für sie leitet sich aus Klimamodellen eine erforderliche
Reduktion der jährlichen Treibhausgasemissionen von mindestens 80 % gegenüber dem
Jahr 1990 ab. Um das zu erreichen, sind auch erhebliche Änderungen bei Produkten
und Konsum – bei Produkt­entwicklung und Produktdesign, Produktion und Vermark-
tung wie auch bei der Nutzung von Produkten – erforderlich. Zur Ableitung von ökolo-
gisch und ökonomisch effizienten Maß­nahmen ist die Analyse der Klimaauswirkungen
von Produkten und Konsum essenziell.

Klimaeffekte von Produkten und deren Konsum

Der private Konsum über die Nutzung von Gütern, Nahrungsmitteln und Inanspruch-
nahme von Dienstleistungen ist für mehr als 40 Prozent der Pro-Kopf-Emissionen von
Treibhausgasen in Deutschland verantwortlich.7 Jeder Bürger in Deutschland emittier-
te im Jahr 2007 durchschnittlich rund elf Tonnen CO2-Äquivalente (ein Äquivalent ent-
spricht der Summe der im Kyoto-Protokoll erfassten Treibhausgase umgerechnet in die
Klimawirksamkeit von CO2). Diese Menge schließt die Emissionen aus Lebensbereichen
wie Wohnen, Mobilität und Ernährung und die Emissionen aus Herstellung und Kon-
sum von Gütern und Dienstleistungen aller Art ein.

Elf Tonnen pro Jahr ist deutlich zu viel. Denn die Klimaschutzziele bis 2050 erfordern rech-
nerisch eine Senkung der Treibhausgasemissionen pro Kopf im globalen Durchschnitt
von elf auf höchstens zwei Tonnen im Jahr. Dieser Vergleich macht deutlich: Um die Kli-
maziele zu erreichen, müssen insbesondere Industrieländer und darunter auch Deutsch-
land die Treibhausgasemissionen in allen Lebensbereichen erheblich senken. Während in
der Vergangenheit meist Energiewirtschaft und Industrie im Fokus der Emissionsdebat-
ten standen, wird mittlerweile auch die Bedeutung des privaten Konsums und den dahin-
ter stehenden Produkten für den Klimaschutz erkannt und diskutiert.

7 Quelle: Umweltbundesamt: Die CO2-Bilanz des Bürgers, Dessau 2007.


16 Herausforderung Produktbe­zogener Klimaschutz

Unternehmen und Verbraucher: Gemeinsame Verantwortung für den


klimagerechten Konsum

Unstrittig ist: Unternehmen und ihre Lieferanten sind für die Wertschöpfungskette und
das Design von Produkten verantwortlich. Unstrittig ist auch: Verbraucher haben durch
ihr Einkaufs- und Konsumverhalten einen erheblichen Einfluss darauf, welche Waren
nachgefragt und deshalb produziert werden. Sie bestimmen außerdem darüber, wie
und wie lange Güter und Dienstleistungen genutzt werden. Hersteller und Konsumen-
ten tragen also gemeinsam Verantwortung für weniger emissionsintensive und klima-
verträglichere Produkte und deren Konsum.

Hersteller von Produkten können die Emissionen entlang des Lebenszyklus von Waren
und Dienstleistungen auf vielfältige Weise mindern:

»» bei der Produktentwicklung über die verbesserte Energie- und Rohstoffeffizienz


inklusive der Nutzungsphase sowie durch Minderung des Materialverbrauchs
oder Optimierung der Materialauswahl im Produktdesign

»» beim Einkauf durch die Wahl emissionsärmerer Vorprodukte und die ent­
sprechende Kooperation mit Lieferanten entlang der gesamten Wert­
schöpfungskette

»» bei den Transporten entlang der Lieferkette über die Optimierung der Logistik
und klimagerechte Transportmittelwahl

»» bei der Herstellung, beispielsweise durch verbesserte Rohstoff- und Energie­


effizienz der Prozesse

Klimaverträglicher Konsum ist nur möglich, wenn Verbraucher die Klimaverträglich-


keit von Produkten einschätzen, bewerten und entsprechend handeln können. Wenn
Konsumenten und Unternehmen ein besseres Verständnis der Klimawirksamkeit von
Produkten und Dienstleistungen entwickeln, eröffnen sich damit Möglichkeiten, Emis-
sionen gezielt zu reduzieren. Konsumenten tragen zu einer Reduktion der Emissionen
bei, indem sie bevorzugt langlebige Waren kaufen und ganz bewusst nach umwelt- und
klimaverträglichen Geräten oder Produkten fragen bzw. ihr tägliches Einkaufs- oder
Nutzerverhalten überdenken und ändern.

In den vergangenen Jahren wurden einige nützliche Instrumente zur Information von
Konsumenten geschaffen, beispielsweise das europäische Energielabel für Haushalts-
großgeräte, der Energiepass für Gebäude oder die Vorgaben zum Ausweisen der Emis-
sionen von Personenkraftwagen (Pkw). Diesen Instrumenten liegt jeweils eine standar-
disierte Erfassungsmethodik zugrunde, sodass vergleichende Aussagen möglich sind.

Für Lebensmittel und kurzlebige Konsumgüter gibt es dagegen bislang kaum erprobte
und allgemein akzeptierte Instrumente, mit deren Hilfe gezielt über Klimaverträglich-
keit informiert werden kann. Es fehlen Informationen über die Bedeutung des privaten
Konsums für den Klimawandel, über klimaverträgliche Produkte und deren klima- und
Herausforderung Produktbe­zogener Klimaschutz 17

umweltverträglichen Gebrauch. Das heißt: Unternehmen haben derzeit kaum die Mög-
lichkeit, die Klimaverträglichkeit von Produkten ihren Kunden gegenüber glaubwürdig
darzustellen. Und Kunden und Konsumenten können klimaverträgliche Waren und
Dienstleistungen nicht nachvollziehbar identifizieren oder vergleichen. Es gilt deshalb
die wichtige Frage zu beantworten, wie die Ergebnisse des Product Carbon Footprint
transparent und wirksam an Konsumenten und Industriekunden kommuniziert wer-
den können.
18 Der Product Carbon Footprint

Der Product Carbon Footprint

Definition des Product Carbon Footprint

Der Begriff Product Carbon Footprint wird international noch unterschiedlich definiert
und verwendet. Im Rahmen dieses Leitfadens wird folgende Definition zugrunde ge-
legt, die sich auch im internationalen Verständnis immer mehr durchsetzt:

„Der Product Carbon Footprint bezeichnet die Bilanz der Treibhausgas­


emissionen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts in einer
­definierten Anwendung und bezogen auf eine definierte Nutzeinheit.“8

Dabei werden als Treibhausgasemissionen all diejenigen gasförmigen Stoffe verstanden,


für die vom Weltklimarat (IPCC) ein Koeffizient für das Treibhauspotenzial (THP; engl.:
Global Warming Potential = GWP) definiert wurde. Der Lebenszyklus eines Produkts
umfasst dabei die gesamte Wertschöpfungskette: von Herstellung und Transport der
Rohstoffe und Vorpro­dukte über Produktion und Distribution bis hin zu Nutzung und
Entsorgung. Der Begriff Produkt steht als Oberbegriff für Waren und Dienstleistungen.
Als deutsche Übersetzung für Product Carbon Footprint wird in der Regel der Begriff
„CO2-Fußabdruck“ verwendet.

CO2 SF6 HFCs


CH4 N2O PFCs

Rohstoff- Einkauf
gewinnung Produktion Distribution Nutzung Entsorgung

Gesamter Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen

Abbildung 1: Veranschaulichung zur Definition des Product Carbon Footprint

Internationale Standardisierungsprozesse

Bislang bestehen keine international verbindlichen Standards zur Erfassung oder Kom-
munikation des Product Carbon Footprint. Um diesen Bedarf zu decken, wurde auf der
Ebene der ISO ein Prozess zur Erarbeitung eines Standards für den „Carbon Footprint of
Products“ initiiert.

8 Definition aus dem Entwurf der ISO 14067 „Carbon Footprint of Products“


Der Product Carbon Footprint 19

ISO 14067 „Carbon Footprint of Products“

Das Technical Committee (TC) 207 „Environmental Management“ mit dem Subcom-
mittee 7 „Greenhouse Gas Management and related activities“ der Internationalen
Standardisierungs­organisation (ISO) hat 2008 den Auftrag angenommen, einen Stan-
dard für „Carbon Footprint of Products“ zu erarbeiten (ISO/NP 14067). Der Standard
wird zwei Teile umfassen: Teil 1 – Erfassung bzw. Quantifizierung des Product Carbon
Footprint; Teil 2 – Kommunikation des PCF. Wichtige Grundlagen für den Teil 1, die PCF-
Quantifizierung, sind die ISO-Normen 14040 ff. zur Ökobilanzierung. Teil 2, die PCF-
Kommunikation, wird sich auf die ISO 14025 zum Umweltlabeling von Produkten und
zur Produktdeklaration stützen. Es wird angestrebt, die Entwicklung des Standards bis
Ende 2011 abzuschließen.

Von deutscher Seite wird die Erarbeitung des Standards „Carbon Footprint of Products“
von einem Spiegelgremium beim Deutschen Institut für Normung (DIN) vom Normen-
ausschuss Grundlagen im Umweltschutz (NA 172 NAGUS) begleitet.

Greenhouse Gas Protocol Product Initiative des WRI/WBCSD

Über die Initiative zur Erarbeitung eines ISO-Standards hinaus haben das World Re-
source Institute (WRI) und das World Business Council for Sustainable Development
(WBCSD) im Herbst 2008 eine Initiative angestoßen, um die Lücken des Greenhouse-
Gas-Protokolls (GHG Protocol) zu schließen. Das GHG Protocol repräsentiert eine in der
Praxis weitverbreitete Richtlinie zur Berechnung der Treibhausgasemissionen von
Unternehmen und anderen Organisationen.

Neben einer Richtlinie für die Wertschöpfungsketten (im GHG-Protocol-Duktus: Sco-


pe 3) wird auch an einer produktbezogenen Richtlinie gearbeitet: dem Product Life Cyc-
le Accounting and Reporting Standard.

Ziel des Standards ist es, die Möglichkeit zu schaffen, über Treibhausgasemissionen
entlang des Lebenszyklus von Produkten zu berichten. Damit sollen Unternehmen und
andere Organisationen in die Lage versetzt werden, Entscheidungen zu treffen, wie
klimarelevante Emissionen durch Produktdesign, bei Herstellungsprozesssen, der Dis-
tribution, der Nutzung durch den Verbraucher und der Entsorgung gesenkt werden
können. Es wird bereits jetzt darauf verwiesen, dass der Standard keine hinreichenden
Grundlagen für direkte Produktvergleiche oder eine Produktkennzeichnung liefern
wird. Ebenfalls wird darauf verwiesen, dass der Standard nicht darauf ausgerichtet ist,
die Bilanzierung der Kompensation von Treibhausgasemissionen („Klimaneutralität“)
zu unterstützen.

Ende 2009 wurde ein erster Entwurf des Standards (erarbeitet in einem Multi-Stakehol-
der-Prozess) zur öffentlichen Kommentierung publiziert. Es ist vorgesehen, dass dieser
Standard von Unternehmen im Verlaufe des Jahres 2010 getestet, dann überarbeitet
und in der finalen Version etwa Ende 2011 publiziert wird.
20 Der Product Carbon Footprint

Geplante Veröffentlichung Geplante Veröffentlichung


Ende 2011 bis Mitte 2012 Ende 2010

WRI / WBCSD
ISO TC 207 „GHG Protocol product
„Carbon Footprint of accounting and reporting
Products“ standard“

ISO 14040 / 44 Ökobilanzen

Abbildung 2: Standardisierungs- und Harmonisierungsansätze für den Product Carbon Footprint von
­Produkten

Public Available Specification 2050 (PAS 2050)

Eine der ersten Aktivitäten zur Erarbeitung der Methodik des PCF wurde in Groß­
britannien von BSI British Standards Solutions in Kooperation mit dem Department for
Environment, Food and Rural Affairs (defra) und dem Initiator des Carbon Trusts an-
gestoßen. Im Oktober 2008 wurde diese Initiative mit der Veröffentlichung einer Public
Available Specification, „Specification for the assessment of the life cycle greenhouse gas
emissions of goods and services“, einer Empfehlung unterhalb eines britischen Standards
(PAS 2050:2008), abgeschlossen9.

Darüber hinaus gibt es in verschiedenen Ländern wie Frankreich, Japan oder Thailand
Ansätze, in denen an Methodikansätzen für die Erfassung des Product Carbon Footprint
gearbeitet wird; meistens als Grundlage für nationale Ansätze zur Produktkennzeich-
nung. BMU und BDI sehen derartige nationale Ansätze nicht als den richtigen Weg zur
internationalen Standardisierung und Harmonisierung. Sie haben deshalb auch von
der Erarbeitung eines nationalen Standards abgesehen und streben an, dass die vom
BMU und im Rahmen des PCF Pilotprojekts Deutschland erarbeiteten Empfehlungen
in die internationalen Standardisierungs- und Harmonisierungsprozesse insbesondere
auf der Ebene der ISO eingebracht werden.

Beide Prozesse zur Erarbeitung von Standards und Leitlinien werden als sinnvoll und
unterstützenswert angesehen. Sie sollten so schnell wie möglich vorangetrieben wer-
den, um allen Akteuren möglichst rasch Richtungssicherheit geben zu können und da-
mit einen verbindlichen Rahmen zu schaffen, der die Potenziale des PCF als Beitrag zum
Klimaschutz in Produktion und Konsum voll ausschöpft, aber auch „Missbräuchen“ in
der Anwendung insbesondere in der Nutzung in der Kommunikation vorbeugt.

Aber auch ohne einen internationalen Standard ist schon heute eine wissenschaftlich
fundierte und konsistente Erhebung des PCF möglich, in erster Linie, um management-

9 http://www.bsigroup.com/en/Standards-and-Publications/Industry-Sectors/Energy/PAS-2050/
Der Product Carbon Footprint 21

bezogene Anwendungsziele zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks zu erfüllen. Allerdings


geht es beim Product Carbon Footprint derzeit noch um „work in progress“. Mit fort-
schreitender internationaler Harmonisierung der Methoden wird sich der PCF durch
Weiterentwicklung bzw. Konkretisierung der Methodik verändern. Das ist insbesonde-
re für die Kommunikation mit Konsumenten wichtig und verdeutlicht die Bedeutung
einer transparenten Dokumentation der Ergebnisse eines PCF.

Die Auseinandersetzung mit dem PCF liefert schon heute eine ganze Reihe von wichti-
gen Hinweisen für Nutzen und Grenzen des PCF in der unternehmens- oder produktbe-
zogenen Kommunikation zur Klimaverträglichkeit von Waren und Dienstleistungen.

Nutzen des Product Carbon Footprint

Die Ermittlung von Product Carbon Footprints kann Unternehmen dabei unterstützen,

»» Transparenz in der Wertschöpfungskette im Hinblick auf die jeweils vor- und


nachgelagerten Prozesse und beteiligten Akteure entlang der Lieferkette zu
schaffen,

»» Bewusstsein für die Treibhausgasemissionen entlang der Lieferkette zu schaffen


und besonders emissionsintensive Phasen bzw. Prozesse zu identifizieren,

»» Potenziale zu analysieren, wie Emissionen möglichst effizient, teilweise auch


verbunden mit einer Kostensenkung, reduziert werden können,

»» Impulse für die (Weiter-)Entwicklung der eigenen Klimastrategie zu gewinnen,

»» die Relevanz von Treibhausgasemissionen im Vergleich zu anderen Umweltwir-


kungen eines Produkts zu analysieren und zu bewerten.

In der Kommunikation entlang der Lieferkette – mit Produktherstellern, Handelsunter-


nehmen und Verbrauchern – kann die Kenntnis des PCFs dazu genutzt werden, um

»» die Klimarelevanz alltäglicher Produkte und Dienstleistungen zu verdeutlichen


und daraus die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten für den Klima-
schutz abzuleiten,

»» gemeinsam mit Unternehmenspartnern Teile der Wertschöpfungskette


emissions­ärmer zu gestalten,

»» Konsumenten über Handlungsalternativen bei Einkauf und Nutzung von Pro-


dukten zu informieren und sich somit vom Wettbewerber positiv abzuheben,
22 Der Product Carbon Footprint

»» über eine Kompensation des PCF z. B. durch Klimaschutzprojekte zu informie-


ren,

»» am Beispiel eines konkreten Produkts die gesellschaftliche Verantwortung des


Unternehmens für den Klimaschutz zu verdeutlichen.

Der größte Nutzen des Product Carbon Footprint wird darin gesehen, Unter­
nehmen in die Lage zu versetzen, Transparenz über die produktbezogenen Treib­
hausgasemissionen zu erlangen und sinnvolle Reduktionspotenziale über den
gesamten Lebenszyklus zu identifizieren und zu erschließen. Den Nutzen entfaltet
der PCF dann am besten, wenn andere Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien mit­
berücksichtigt werden, da damit Fehlentscheidungen im Hinblick auf die ganz­
heitliche Produktoptimierung vorgebeugt werden können.

Grenzen des Product Carbon Footprint

Aufgrund des Stands der methodischen Entwicklung, der nicht ausreichenden inter-
nationalen Ab­sprachen bzw. Harmonisierungen, vor allem aber aufgrund einer un-
zureichenden Datenbasis, unzureichendem Datenzugang und Streubreiten der Daten
entlang der Lieferkette können derzeit nicht alle möglichen Ziele des Product Carbon
Footprinting metho­disch sauber bearbeitet werden.

Dies betrifft im Besonderen die beiden Ziele:

»» Produktvergleiche, insbesondere wenn diese von unterschiedlichen Auftragge-


bern und unterschiedlichen Bearbeitern durchgeführt werden

»» öffentlicher und wettbewerbsrechtlich vertretbarer Vergleich von Pro­dukten


(z. B. durch Ausweisung von CO2e-Werten oder CO2e-Labels)

Beim PCF, wie bei Ökobilanzen generell, besteht immer ein gewisser Grad an Unsicher-
heit bzw. die Möglichkeit, dass Varianzen bzgl. Genauigkeit und Reproduzierbarkeit
auftreten.

Gründe hierfür sind zum Beispiel:

»» unterschiedliche Herkunft und Qualität der verwendeten Daten(-basen)

»» uneinheitliche Definition bestimmter Annahmen in einzelnen Lebenszyklus-


phasen des Produkts

»» aber auch einfach verschiedene EDV-Tools

»» unterschiedliche Systemgrenzen
Der Product Carbon Footprint 23

Ob alle daraus resultierenden Unsicherheiten mit einer international einheitlichen Me-


thodik behoben werden können, ist eher unwahrscheinlich. Diese Tatsache ist insbeson-
dere für die Kommunikation des PCF von Bedeutung.

Der Product Carbon Footprint wird nicht für alle Produkte eine sinnvolle Variante zur Be-
wertung der Klimarelevanz sein. Gerade im Hinblick auf Energie verbrauchende Güter
haben sich bereits hinreichende Leitindikatoren herausgebildet (Energieeffizienzklas-
sen), die weiterentwickelt, aber nicht zwangsweise durch den PCF ersetzt werden können.
Umgekehrt sollte das Portfolio derjenigen Produkte klarer umrissen werden, für die ein
PCF ein geeignetes Instrument ist, das in Management und Kommunikation sinnvoll und
zielgerichtet eingesetzt werden kann.

Product Carbon Footprint versus produktbezogene Ökobilanzen

Im Fokus des Product Carbon Footprinting steht die Ermittlung und Bewertung der
Klimarelevanz von Produkten. Andere Umweltwirkungen oder soziale Aspekte werden
dabei häufig nicht berücksichtigt. Für bestimmte Anwendungen könnte diese Tatsache
die Aussagekraft und die Belastbarkeit von Empfehlungen und Handlungsoptionen ein-
schränken.

Wenn es darum geht, die Klimarelevanz von Produkten zu vergleichen, und dies aus-
schließlich über eine öffentliche Kommunikation des PCF geschehen soll, stellt sich die
Frage, ob andere Umweltkriterien hierdurch nicht vernachlässigt werden. Daher wird
empfohlen, auch andere Umweltwirkungen zu berücksichtigen. Dazu gehört beispiels-
weise die Eutrophierung, Flächennutzung, der Energie- und Rohstoffverbrauch, die
Toxizität oder Versauerung von Böden und Gewässern. Werden auch andere Umweltka-
tegorien mit einbezogen und auf ihre Relevanz geprüft, erhöht sich die Zuverlässigkeit
von PCF-bezogenen Aussagen und Fehlentscheidungen werden verhindert. In den Fall-
studien des PCF Pilotprojekts wurden andere Umweltkategorien berücksichtigt.

Wichtig ist, dass eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten allein auf
Basis des PCF nicht möglich ist. Hierfür wurde in den letzten Jahrzehnten bereits eine
Reihe von Produktbewertungsmethoden entwickelt, die die Umweltverträglichkeit
oder auch die Nachhaltigkeit von Produkten über den gesamten Lebenszyklus berück-
sichtigen: Ökobilanzen, Ökoeffizienz- und Nachhaltigkeitsanalysen (z.B.: PROSA). Sie
haben nicht nur eine Umweltkategorie im Blick – wie die Treibhausgasemissionen beim
Product Carbon Footprint –, sondern schauen umfassender auf die relevanten Umwelt-
kategorien bzw. im Falle einer Nachhaltigkeitsbilanz auch auf die ökonomischen und
sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit (wie bei der social LCA) und beziehen diese mit in
die Bewertung ein.

In der Ermittlung sind sie in der Regel nicht viel aufwendiger als der PCF alleine. Aber
natürlich ist die Bewertung komplexer, da Zielkonflikte zwischen den einzelnen Wir-
kungskategorien abgebildet werden und zu bewerten sind. Zielkonflikte deuten aber
immer auch auf Interessenkonflikte hin, was die letztendliche Interpretation des Er-
24 Der Product Carbon Footprint

gebnisses komplexer macht. Einigen Stakeholdern ist die Komplexitätsreduktion nicht


weitreichend genug, sodass sie  vor einer breiten Anwendung der Produktbewertungen
zurückschrecken. Die Realität ist i. d. R. komplexer, als es die Modelle abbilden können.
Aus diesem Grund bestehen Interessenkonflikte auch dann, wenn sie nicht im Rahmen
der Bewertung offen dargestellt werden (können).

Hilft der Product Carbon Footprint als „Klimabilanz“ von Produkten als neue Methode
der Produktbewertung weiter? Aus den umfangreichen Erfahrungen mit der Öko­bilanz
ist die Problematik einer objektiven Bewertung bekannt, insbesondere wenn nur eine
der möglichen Umweltkategorien bewertet wird, ohne die anderen Aspekte zu be-
rücksichtigen. Entscheidungen, die auf einer eindimensionalen Bewertung beruhen,
bergen die Gefahr der Fehlinterpretation der Ergebnisse. So können auf der Basis der
Ergebnisse falsche Entscheidungen getroffen werden, die diejenigen Produkte benach-
teiligen, die vielleicht in der CO2-Bilanz schlechter aussehen, aber von der Gesamtum-
weltperformance Vorteile haben. Um derartigen Fehlentscheidungen vorbeugen zu
können, bedarf es einer umfassenderen Produktbewertung der Umwelt- und auch der
Nachhaltigkeitsperformance.

Muss also die Empfehlung lauten: zurück zur Ökobilanz oder zur Ökoeffizienzanalyse?
Nun, ganz so einfach ist es nicht. Denn das besondere Augenmerk auf die Klimawirkun-
gen bei der Produktbilanz hat dazu geführt, dass eine Reihe von wichtigen methodi-
schen Herausforderungen neu hinzugekommen ist, die in der bisherigen Ökobilanz-
diskussion noch nicht beantwortet worden sind. Das heißt, wenn teilweise noch offene
methodische Fragen geklärt sind, wird sich auch die Ökobilanzdebatte weiterentwi-
ckelt haben.

Dementsprechend wird es als sinnvoll angesehen, sich frühzeitig mit dem Product
Carbon Footprint auseinanderzusetzen, um die Möglichkeiten zur Optimierung
der Klimabilanz und deren Kommunikation zu evaluieren. Die Diskussion zum
PCF setzt quasi auf dem aktuellen Stand der Methodikdiskussion zur Ökobilanz an.
Sollen weitergehende Entscheidungen zur Optimierung der Nachhaltigkeitsper­
formance von Produkten auf Basis eines PCF getroffen werden, so sollten immer
auch die anderen in der Öko- und auch in der Nachhaltigkeitsbilanz relevanten
Umweltwirkungskategorien mitberücksichtigt werden. – Somit kann ohne viel
größere Aufwendungen sichergestellt werden, dass man sich nach dem aktu­
ellsten Stand der Bilanzierungsmethodik richtet, ohne relevante Umwelt- und
Nachhaltigkeitskategorien aus dem Blick zu verlieren. Nur in diesem Fall kann das
Potenzial des PCF sinnvoll genutzt und kommuniziert werden.
Product Carbon Footprint in der Praxis 25

Product Carbon Footprint in der Praxis:


Organisation der Erhebung und methodisches
Vorgehen

Im folgenden Abschnitt wird das praktische Vorgehen bei der Analyse des Product Car-
bon Footprint beschrieben.

Der Leitfaden ist an dieser Stelle gegliedert in drei wesentliche Abschnitte:

»» Vorbereitung zur Erfassung des PCF,

»» Berechnung des PCF und

»» Bewertung und Anwendung des PCF.

Rohstoff- Einkauf
Produktion Distribution Entsorgung
gewinnung Nutzung

Produktauswahl, Festlegung von Ziel und funktioneller Einheit

Aufstellen der Prozessnetze, Festlegung der Systemgrenzen

Sammlung der Primär- und Sekundärdaten; Allokation

Berechnung des PCF

Validierung der Ergebnisse und Dokumentation

Abbildung 3: Schematischer Ablauf der Erhebung eines Product Carbon Footprint

Das Vorgehen ist grundsätzlich gültig für

»» Business-to-Business (B2B)-Produkte, bei denen der Kunde ein weiteres Unter-


nehmen ist, das das Produkt als Grundlage für eigene Aktivitäten nimmt
(weiter­verarbeitet),

»» Business-to-Consumer (B2C)-Produkte, bei denen der Kunde der Konsument =


Endverbraucher ist oder

»» Dienstleistungen (B2B, B2C) untersucht werden.


26 Product Carbon Footprint in der Praxis

Vorbereitungen zur Erfassung des PCF

In diesem Abschnitt sind die wesentlichen Schritte zur Vorbereitung der eigentlichen
Berechnung des PCF zusammengefasst. Sie sind eine wichtige Voraussetzung dafür,
dass die Erfassung des PCF effektiv und effizient durchgeführt werden kann und die Er-
gebnisse die angestrebten Entscheidungsprozesse optimal unterstützen. – Bei der Vor-
bereitung sind folgende Arbeitsschritte wichtig:

»» Zieldefinition

»» Auswahl des Produkts

»» Einbindung von Lieferanten und Unternehmenspartnern

Zieldefinition

Das häufigste Motiv eines Unternehmens zur Erfassung des Product Carbon Footprint ist
es, die Treibhausgasemissionen eines Produktes über den gesamten Lebenszyklus zu sen-
ken. Unabhängig davon können Unternehmen weitergehende Ziele haben, die sie ver-
anlassen, einen PCF zu erfassen. Die Definition und Darstellung dieser Ziele im Vorfeld
der Untersuchung bildet die Basis für einen effektiven und effizienten Prozess, der auch

»» eine gut begründete Produktauswahl,

»» die Wahl des Anwendungsbereichs (Scope), der Systemgrenzen und der


­Datenerhebung und

»» die Wahl des Validierungsverfahrens einschließt.

Die Definition des Ziels der Untersuchung bestimmt in ganz wesentlichen Teilen das
Vorgehen bei der Erfassung des PCF. Gerade bei der Zieldefinition, wie auch später bei
der Erfassung eines PCF generell, ist es sinnvoll, alle relevanten Unternehmensbereiche
und Funktionen mit einzubeziehen. Welche Unternehmensbereiche einzubinden sind,
hängt mit von der Größe des Unternehmens ab. In größeren Unternehmen kann es sinn-
voll sein, Kollegen aus den folgenden Bereichen zu involvieren: Einkauf, Energie, Finan-
zen, Kommunikation, Logistik, Marketing, Produktion, Senior Management, Umweltab-
teilung. Die Koordination der Aktivitäten zur Erfassung des PCF wird von Unternehmen
zu Unternehmen in unterschiedlichen Abteilungen liegen.

Nicht alle genannten Unternehmensbereiche und -funktionen müssen in gleichem


Maße in die Erfassung des PCF eingebunden sein. Es sollte jedoch eine einvernehmliche
Verständigung zum Ziel der Untersuchung, zu der Verteilung der Aufgaben und zur
Interpretation der Ergebnisse bzw. zu möglichen daraus abzuleitenden Schritten erzielt
werden. Ist es das Ziel der Untersuchung, die Machbarkeit der Methodik zu testen und
ggf. auf mehrere Produkte auszuweiten, sollten von vornherein relevante Stakeholder
(Anspruchsgruppen) beteiligt werden.
Product Carbon Footprint in der Praxis 27

Kleinere Unternehmen haben in der Regel nicht für alle Unternehmensfunktionen je-
weils eigene Abteilungen, deren Mitarbeiter einbezogen werden könnten. Es sollte aber
dennoch versucht werden, zu gewährleisten, dass die relevanten unterschiedlichen Be-
reiche innerhalb des Unternehmens in den Prozess einbezogen werden.

Wichtige Fragen bei der Vorbereitung des PCF, die im Rahmen der Zielstellung beant-
wortet werden sollten, können sein:

»» Warum wird der PCF erhoben? Was sind die konkreten Ziele und die erwarteten
Ergebnisse?

»» Was sind – auf der Basis der Ziele – die Kriterien für die Produktauswahl?

»» Welche Produkte aus dem eigenen Produktportfolio können diese Kriterien


­erfüllen?

»» Welche sind die wichtigsten Lieferanten in Bezug auf die relevanten


­Wertschöpfungsketten?

»» Welche Ressourcen (personell, zeitlich) und welches Budget kann zur


­Verfügung gestellt werden?

»» Sind ausreichend Kompetenzen in der Organisation vorhanden? – Müssen


­ xterne Kompetenzen einbezogen werden? Welche Aufgaben werden nach
e
außen vergeben, welche sollten intern bearbeitet werden?

»» Wie lange wird das Projekt dauern?

Die Erfassung des PCF erfordert grundlegende Kompetenzen in der Durchführung


von Ökobilanzen. In größeren Unternehmen sind diese Kompetenzen häufig bereits
vorhanden. Kleinere Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass diese Kapazi-
täten häufig nicht vorhanden sind und auch nicht finanziert werden können. Sollten
intern keine entsprechenden Kapazitäten und Kompetenzen vorhanden sein, sollte die
Einbindung externer Experten erwogen werden. Bei der Entscheidung darüber sind die
vorhandenen Kapazitäten und Kompetenzen gegenüber den Kosten für externe Berater
abzuwägen. Die notwendigen internen oder externen personellen und finanziellen Res-
sourcen hängen sehr stark von der Komplexität und dem Umfang der Produkte ab, für
die ein Carbon Footprint erstellt werden soll.

Auswahl des Produkts und Bestimmung der funktionellen Einheit

Die Auswahlkriterien für die Produkte sollten sich an den Zielen des PCF orientie-
ren. Schlüsselfragen, die bei der Auswahl von Produkten für den PCF berücksichtigt
­werden sollten, können die folgenden sein:
28 Product Carbon Footprint in der Praxis

»» Welcher Zeitraum und welche finanziellen Mittel stehen für die Untersuchung
des PCF zur Verfügung?

»» Wie transparent und stabil sind die Lieferketten für die unterschiedlichen Pro-
dukte?

»» Wie wird die Bereitschaft der Lieferanten und Unternehmenspartner einge-


schätzt, die Erfassung des PCF zumindest über die Bereitstellung von Daten zu
unterstützen?

»» Zu welchen Produkten können auch innerhalb des Unternehmens gut Primär-


bzw. Sekundärdaten erhoben werden? Bei welchen Produkten bestehen die
größten methodischen Herausforderungen?

»» Welche Produkte sind im Hinblick auf die Treibhausgasemissionen über den ge-
samten Lebenszyklus vermeintlich am bedeutsamsten?

»» Bei welchen Produkten werden die größten Möglichkeiten zur Emissionsminde-


rung gesehen?

»» Welche Produkte haben eine besondere Relevanz im Hinblick auf die Marktposi-
tionierung im Wettbewerb und die Differenzierung des Unternehmens?

»» Für welche Produkte des Unternehmens könnte der Product Carbon Footprint
die größte Bedeutung für die Marken- und Marktpositionierung haben?

»» Welche Bedeutung kann der PCF für wichtige Anspruchsgruppen des Unterneh-
mens haben?

Bestimmung der sogenannten funktionellen Einheit


Nach der Auswahl der Produkte gilt es, die funktionelle Einheit zu bestimmen. Die
­Definition der funktionellen Einheit ist ein sehr wichtiger Schritt für die Berechnung
des Product Carbon Footprint. Sie ist auch die Basis für jeglichen Vergleich eines Pro-
dukts mit einem anderen Produkt, wenn es das Ziel innerhalb einer Untersuchung sein
sollte, einen Produktvergleich anzustreben. Die funktionelle Einheit reflektiert die
Menge bzw. Art und Weise, wie ein Produkt von Endkonsumenten oder auch Unterneh-
menskunden angewendet wird und welcher Nutzen damit verbunden ist.

Beispiele hierfür können sein:

»» 500 ml eines Erfrischungsgetränks in einer PET-Flasche

»» 1.000 Stunden/Jahr Licht von einer Glühbirne

»» 1 t eines chemischen Lösemittels für die Herstellung eines Farblacks


Product Carbon Footprint in der Praxis 29

Für viele Produkte eines Unternehmens mag es unterschiedliche Anwendungen bzw.


Anwendungsformen geben. Die Bedeutung dieser Anwendungen für die Produkte des
Unternehmens sollte bei der Bestimmung der funktionellen Einheit berücksichtigt
werden. Häufig bestehen bereits über die Industrieverbände oder beispielsweise über
Produktnormen Anhaltspunkte zu wichtigen Anwendungen und damit funktionellen
Einheiten von Produkten.

Die Wahl der funktionellen Einheit ist auch besonders für die Berechnung eines PCF für
eine Dienstleistung von Bedeutung:

»» Was wird vom Kunden als gekaufte „Einheit“ einer Dienstleistung verstanden
(z. B. eine Übernachtung in einem Hotel)?

»» Welche Menge der Dienstleistung ist repräsentativ (z. B. Führung eines Giro-
kontos für ein Jahr)?

»» Mit welchem anderen Produkt vergleicht der Kunde die Dienstleistung (z. B.
Windeldienst versus Einwegwindeln)?

Einbeziehung von Lieferanten und Unternehmenspartnern

Die Einbeziehung von Lieferanten und Unternehmenspartnern mit Bezug zu den rele-
vanten Wertschöpfungsketten ist wichtig für das Verständnis des Lebenszyklus des Pro-
dukts und die Datenerhebung. Typischerweise kennen die Unternehmen ihre eigenen
Produktionsprozesse sehr gut, während das Wissen jenseits der eigenen Werkstore in
Bezug auf Prozesse, eingesetzte Materialien, Energiebedarfe, Transporte oder auch Ab-
fallmengen sehr unterschiedlich sein kann.

Deshalb sollten bereits bei den internen Vorbereitungen zur Erfassung eines PCF fol-
gende Fragen für die ausgewählten Produkte erörtert werden:

»» Welches sind die wichtigsten Lieferanten oder Vertriebs- bzw. Entsorgungspart-


ner in der Lieferkette?

»» Wie und mit welchen Informationen können diese die Erfassung des PCF unter-
stützen?

»» Wie wird die Bereitschaft zur Unterstützung des Prozesses eingeschätzt? Wie
sensibel sind die von ihnen bereitzustellenden Informationen im Hinblick auf
die Positionierung der Partner im Wettbewerb?

»» Wer stellt sicher, dass die wesentlichen Lieferanten und Unternehmenspartner


eingebunden sind ?

Bereits im Vorfeld zur Erhebung und Berechnung des PCF sollte entschieden werden, wel-
che Partner in welcher Art und Weise in die Untersuchung einbezogen werden sollten.
30 Product Carbon Footprint in der Praxis

Zusammenfassend lässt sich sagen, je sorgfältiger und umfassender die Vorbereitung


zur Erfassung des PCF ist, desto effizienter wird die eigentliche Erhebung und Berech-
nung und desto wahrscheinlicher ist, dass die angestrebten Ziele und der Nutzen des
PCF auch in vollem Umfang erreicht werden.

Erhebung und Berechnung des Carbon Footprint

Die Erhebung und Berechnung des PCF folgt im Wesentlichen den Prinzipien der Öko-
bilanz bei der Analyse der Treibhausgasemissionen, die mit Produkten verbunden sind.
Hiermit soll es Unternehmen ermöglicht werden, diese Emissionen über den gesamten
Produktlebenszyklus möglichst kosteneffizient zu minimieren.

Der Prozess kann grundsätzlich in fünf Arbeitsschritte unterteilt werden, die ebenfalls
stark an die Erstellung von Ökobilanzen angelehnt sind:

»» Erstellen der Prozessnetze

»» Festlegung der Systemgrenzen

»» Sammlung der Primär- und Sekundärdaten

»» Berechnung des PCFs nach Festlegung der Allokationsregeln

»» Einschätzung der Unsicherheiten und Durchführung von Sensitivitätsüber­


legungen

Erstellen der Prozessnetze

Das Ziel dieses Schrittes im Rahmen der Erstellung eines PCF ist es, alle Materialien,
Aktivitäten und Prozesse zu identifizieren, die zum Lebenszyklus des untersuchten Pro-
duktes zählen. Um mit der Erstellung der Prozessnetze zu beginnen, ist es hilfreich, die
gewählte funktionelle Einheit entsprechend der wesentlichen Lebenszyklusphasen her-
unterzubrechen. Die wesentlichen Lebenszyklusphasen eines Produkts sind:

»» Gewinnung der Rohstoffe

»» Produktion

»» Distribution

»» Produktnutzung

»» Entsorgung/Recycling
Product Carbon Footprint in der Praxis 31

Bei der Erhebung des PCF im B2B-Verhältnis kann es sinnvoll sein, diesen nur bis zur
Distribution abzubilden. Dies entspricht in der Ökobilanznorm ISO 14040 und folgende
dem „cradle to gate“-Ansatz.

CO2 SF6 HFCs


CH4 N2O PFCs

B2B-Produkte:
B2B-Produkte: „cradle
„cradle to gate“
to gate“
Rohstoff-
Produktion Distribution
gewinnung

B2C-Produkte: „cradle to grave“


Rohstoff- Einkauf
Produktion Distribution Entsorgung
gewinnung Nutzung

Gesamter Lebenszyklus der Produkte und Dienstleistungen

Abbildung 4: Lebenszyklusphasen von B2B- und B2C-Produkten

Die Betrachtung des Lebenszyklus nur bis zur Distribution kann insofern sinnvoll sein,
da B2B-Produkte in vielfältige Anwendungen und Endprodukte für Konsumenten ein-
fließen können (z. B. kann Glas als Fensterglas im Auto eingesetzt werden).

Für Dienstleistungen unterscheiden sich Prozessnetze nicht grundsätzlich von denen für
Waren. Sie werden abgeleitet von den Prozessnetzen für die Kombination der Aktivitäten
und Waren, die für die Erbringung bzw. Nutzung einer Dienstleistung erforderlich sind.

Hat man erst einmal einen kompletten Überblick (siehe Abbildung 5, folgende Seite)
über die Prozessnetze des relevanten Produktlebenszyklus, geht es darum, die System-
grenzen festzulegen und innerhalb derer die Prozesse zu priorisieren.

Festlegung der Systemgrenzen

Die Systemgrenzen definieren den Anwendungsbereich (Scope) eines Product Carbon


Footprint, das heißt, sie definieren, welche Prozesse (Inputs und Outputs) in die Untersu-
chung einbezogen werden sollen. Für einige Produkte gibt es bereits – in sogenannten
Product Category Rules (PCR) – Vorgaben dazu.
32 Product Carbon Footprint in der Praxis

Verpackungssystem: TBA with light cap 1.0L Gutschrift

Fossile Verschluss-
HDPE produktion
Ressourcen
Verschlüsse (wfd)
Kartons (wfd)
Zweit- u. Drittverpackung (wfd)

Strom
Kartons u. Verschlüsse Entsorgung Wärme
Mineralische Aluminium- Paletten
Ressourcen folie Schrumpffolie

Abfüll-
Fossile anlage Verbraucher
LPB Paletten
Ressourcen

Flächen- Holz (wfr)


LDPE Karton-
nutzung C02 produktion Abfall für die LPDE (wfr)
Rückgewinnung (wfr) Sortierung Recycling
Topliner (wfr)
Ausschuss (wfr)
Verschlüsse (wfr)
Fossile Drucker- Kartons (wfr)
Ressourcen farbe Zweit- u. Drittverpackung (wfr)

Flächen-
nutzung C02 Sammel-
packung

Flächen-
nutzung C02 Palette

Fossile PE-Folie
Ressourcen

Wellpappe (wfr)

Emissionen in Luft und Wasser; Abfall

Abbildung 5: Beispielhafte Darstellung eines Prozessnetzes für den Product Carbon Footprint eines 1-Liter-
Getränkekartons10

10 Die Darstellung entstammt einer Fallstudie der Tetra Pak GmbH im Rahmen des PCF Pilotprojekts
Deutschland.
Product Carbon Footprint in der Praxis 33

Definition: Product Category Rules (PCR) beschreiben einen Satz spezifischer Regeln,
Anforderungen und Richtlinien zur Entwicklung von Umwelt-Produktdeklarationen
für ein oder mehrere Produktgruppen, die die gleiche Nutzeneinheit beschreiben. PCR
stellen einen konsistenten, international akzeptierten Ansatz zur Beschreibung des
Produktlebenszyklus dar. Sie befinden sich international im raschen Aufbau (auch an-
getrieben durch die aktuelle Debatte zum PCF), sind allerdings immer noch nur für eine
begrenzte Gruppe von Produkten verfügbar. Ob für das untersuchte Produkt bereits
PCR existieren, kann unter der folgenden Webadresse überprüft werden:
www.environdec.com

Liegen derartige PCR nicht vor, gilt es, die Systemgrenzen produktspezifisch festzu­
legen. Dabei gilt das Prinzip, dass alle Prozesse, die materiell zum Ergebnis des PCF bei-
tragen, innerhalb der Systemgrenzen zu berücksichtigen sind. Als materiell in Bezug
auf die Ergebnisse werden in der Regel mindestens solche Prozesse angesehen, die
mehr als 1 % in Bezug auf die Treibhausgasemissionen pro untersuchte funktionelle Ein-
heit zum Ergebnis beitragen

In der Praxis ist es sehr wahrscheinlich, dass die Erstellung und Verfeinerung der Pro-
zessnetze zusammen mit der Festlegung der Systemgrenzen ein Vorgang ist, der ite-
rativ in mehreren Schleifen verlaufen wird. Das Verständnis für den Lebenszyklus der
Produkte und die dahinterliegenden Prozesse wird kontinuierlich steigen, und man
wird ein gutes Gefühl dafür entwickeln, wie das zu untersuchende Prozessnetz und die
Systemgrenzen in Einklang gebracht werden können.

Systemgrenzen sind so zu setzen, dass diejenigen Treibhausgasemissionen erfasst wer-


den, die einen „materiellen“ Beitrag zu den direkten und indirekten Emissionen des
untersuchten Produkts bei der Herstellung, Nutzung oder Entsorgung leisten. In der
Praxis heißt dies, dass versucht wird, alle Emissionen mitzuerfassen, die einen Anteil am
zu erwartenden Gesamtergebnis von mindestens 1 % haben.

Datenerhebung

Die Sammlung der Daten entspricht im Wesentlichen dem Vorgehen bei Ökobilanzen.
Beim PCF erfolgt allerdings über die entsprechenden Treibhausgasemissionen eine Ein-
schränkung auf eine Wirkungskategorie – die des Treibhauseffekts. Da die Erfassungs-
prozesse aber so gleichartig sind, wird empfohlen, möglichst auch die Daten zu anderen
Umweltwirkungskategorien bzw. zu den zusätzlichen Nachhaltigkeitskriterien mit-
zuerfassen. Das ermöglicht es später, den Carbon Footprint ins Verhältnis zu anderen
Umweltauswirkungen bzw. Auswirkungen auf ökonomische und soziale Faktoren zu
setzen und damit Minderungsmaßnahmen im Sinne einer gesamtheitlichen Optimie-
rung vornehmen zu können.

Die Datensammlung erfolgt auf der Ebene der einzelnen Prozesse, die innerhalb des
Produktlebenszyklus stattfinden.
34 Product Carbon Footprint in der Praxis

In Bezug auf die Bewertung der Qualität der Daten sollten die folgenden Fragen syste-
matisch beantwortet werden:

»» Wie spezifisch sind die Daten für den gewählten Untersuchungszeitraum?

»» Wie spezifisch sind die Daten in Bezug auf den regionalen Anwendungsbereich?

»» Wie spezifisch sind die Daten in Bezug auf die konkreten Technologien im Rah-
men des untersuchten Produktlebenszyklus?

»» Wie genau sind die Daten und welche Unsicherheiten sind zu berücksichtigen?

»» Sind die vorliegenden Daten vollständig?

»» Sind die Datensätze konsistent?

»» Sind die Daten reproduzierbar?

»» Aus welchen Quellen kommen die Daten?

Datenauswahl
Grundsätzlich werden zwei verschiedene Typen von Daten unterschieden: Aktivi-
tätsdaten und Emissionsfaktoren. Aktivitätsdaten beziehen sich auf alle Material-,
Energie- und Transportmengen als Input und Output im Rahmen des Lebenszyklus.
Emissionsfaktoren hingegen beschreiben den Link dieses Mengengerüsts zu den
Treibhausgasemissionen pro untersuchte Einheit. Als Beispiel: Die Höhe des Strom­
bedarfs in einem Prozess wird als Aktivitätsdatum verstanden, während die Emissionen
bezogen auf eine Kilowattstunde als Emissionsfaktor bezeichnet werden.

Sowohl Aktivitätsdaten als auch Emissionsfaktoren können von primären als auch se-
kundären Datenquellen kommen:

»» Primärdaten beziehen sich auf direkte Messungen im Rahmen des spezifisch


untersuchten Produktlebenszyklus.

»» Sekundärdaten beziehen sich auf externe Messungen außerhalb des konkreten


Prozessnetzes, das im Rahmen des PCF untersucht wird. Sie sind weniger spezi-
fisch, sondern stellen eher einen Durchschnitt dar oder eine generelle Größe zu
vergleichbaren Prozessen.

Im Rahmen der Diskussion zur PCF-Methodik wird intensiv diskutiert, ob Primärdaten


generell besser zu bewerten sind als Sekundärdaten. Ohne eine detaillierte Bewertung
der Datenqualität ist diese Frage allerdings nicht zu beantworten. Generell sollte ver-
sucht werden, zumindest in Bezug auf die Aktivitätsdaten möglichst Primärdaten zu
gewinnen und deren Qualität unter Einbeziehung von Sekundärdaten zu bewerten,
um die bestmögliche Datengrundlage für die Berechnung des PCF zu schaffen. Je mehr
Primärdaten zur Verfügung stehen, desto mehr Verständnis für die konkreten Prozess-
Product Carbon Footprint in der Praxis 35

netze kann geschaffen werden. In diesem Falle ist auch das Potenzial zur Reduktion von
Umweltwirkungen am größten. Grundsätzlich ist es aber möglich, Primär- und Sekun-
därdaten für die Erstellung des PCF zu verwenden.

Quellen für Sekundärdaten


Wo keine Primärdaten zur Verfügung stehen oder die Qualität nicht als gut einge-
schätzt werden kann, sind Sekundärdaten aus anderen Quellen zu verwenden. Relevan-
te Datenbasen werden kontinuierlich aufgebaut und ausgeweitet.

Datenbasen, die typischerweise für die Berechnung von PCFs genutzt werden, sind:

»» übergreifende Ökobilanzdatenbanken, die frei zugängig sind oder kommerziell


vertrieben werden

»» sektorspezifische Datenbanken (z. B. für Kunststoffe und Metalle)

»» Durchschnittsdaten der Verbände

»» länderspezifische Datenbanken (z. B. PROBAS des Umweltbundesamtes11)

In der Zukunft ist zu erwarten, dass weitere Datenbasen aufgebaut und zugänglich ge-
macht werden, wie die International Reference Life Cycle Data System (ILCD), die schon
heute Ökobilanzdatensätze für ausgewählte Materialien und Prozesse enthält.
Es ist zum aktuellen Zeitpunkt kaum möglich, eine abschließende Empfehlung zur
Nutzung spezieller Datenbanken für Sekundärdaten zu geben. Diese Entscheidung ist
jeweils im spezifischen Einzelfall zu treffen. Die Auswahl sollte aber später nachvollzieh-
bar sein und mit einer Einschätzung zur Datenqualität (entsprechend der oben als Fra-
gen formulierten Qualitätskriterien) dokumentiert werden.

Es wird empfohlen, die Datenerhebung mit standardisierten Erfassungsbögen zu syste-


matisieren und zu formalisieren. Diese können helfen, um

»» die Befragung von Lieferanten zu strukturieren,

»» die Vollständigkeit der Datenerhebung zu sichern,

»» die Priorisierung für potenzielle Emissionsminderungen zu unterstützen.

Ist die Datensammlung vorläufig abgeschlossen, kann die Berechnung des PCF nach der
Festlegung der Allokationsregeln erfolgen.

11 Mehr Informationen zu PROBAS unter www.probas.umweltbundesamt.de. – Eine Liste weiterer


Ökobilanzdatenbanken, die von der EU publiziert wurde, finden sie unter http://lca.jrc.ec.europa.
eu/lcainfohub/databaseList.vm.
36 Product Carbon Footprint in der Praxis

Allokation

Die Allokation beschreibt ein Verfahren, das in der gesamten Diskussion um Ökobilan-
zen von großer Bedeutung ist. Im Kontext einer Ökobilanz bedeutet Allokation die Zu-
ordnung der über den Lebensweg auftretenden Umweltbelastungen – im Falle des PCF
die Treibhausgasemissionen – bei Koppelproduktion, Recycling und Abfallentsorgung.

Klassische Beispiele sind Fragestellungen wie

»» die Aufteilung der Emissionen der Kraft-Wärme-Kopplung auf die genutzte


Elektrizität und die genutzte Wärme oder

»» die Aufteilung der Emissionen eines Recyclingprozesses auf das rezyklierungs-


fähige Beiprodukt und das Produkt, in welchem das rezyklierte Material einge-
setzt wird.

Generell ist bei Anwendung des Allokationsverfahrens zu beachten, dass dieses Ver-
fahren das Ergebnis und die Höhe des Product Carbon Footprint im besonderen Maße
beeinflusst.

Im Grundsatz gelten bei der Berechnung des PCF die gleichen Regeln wie bei der Öko-
bilanz. Nach den Regeln der Ökobilanzierung ist besteht die Priorität darin, die ent-
sprechend gekoppelten Prozesse in einzelne Subprozesse herunterzubrechen. Wenn
das nicht möglich ist, wird eine Systemerweiterung vorgeschlagen. Erst wenn weder die
eine noch die andere Methode möglich ist, ist eine Aufteilung der Emissionen nach phy-
sikalischen (Masse oder Energie) oder ökonomischen Kriterien vorgesehen.

In einigen Fällen sind diese Regeln bereits für bestimmte Produktgruppen in den soge-
nannten Product Category Rules (PCR) festgeschrieben. Wo das nicht der Fall ist, sollten
auch beim PCF die Regeln für die Ökobilanzierung Anwendung finden und die vorge-
nommenen Allokationen transparent dokumentiert werden. Es wird empfohlen, den
Einfluss verschiedener Allokationsmethoden auf das Endergebnis über Alternativrech-
nungen bei der Berechnung des PCF, sogenannte Sensitivitätsanalysen, zu dokumentie-
ren und zu bewerten.

Berechnung des PCF

Die Berechnung bzw. Bilanzierung des Product Carbon Footprint kann grundsätzlich
auf Basis von ISO 14040 ff. erfolgen (perspektivisch auf Basis des ISO 14067). Die Berech-
nung des Product Carbon Footprint entspricht der Summe aller Massen-, Energie- und
Abfallströme über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts multipliziert mit den ent-
sprechenden Emissionsfaktoren. Die Berechnung selbst besteht im Wesentlichen aus
der Multitplikation der Aktivitätsdaten mit den zugehörigen Emissionsfaktoren.

Zur Prüfung der Konsistenz des PCF ist bei der Ökobilanz eine Energie- und Massenbi-
lanz vorgesehen. Sie vergleicht die Menge aller Stoffe und Energien, die in das Produkt-
Product Carbon Footprint in der Praxis 37

system hineingehen mit den Stoffen und Energien, die das System wieder verlassen.
Die Massenbilanz liefert eine Bestätigung, dass alle Materialien und Energien adäquat
bilanziert worden sind und keine Ströme vergessen wurden.

Am einfachsten ist es, die Massenbilanz im Kontext der Datenerhebung vorzunehmen.

1000 Waschgang bei 46 °C (durchschnittliche Waschtemperatur in Deutschland)


Waschgang bei 30 °C
Waschgang bei 60 °C

800

600

400

200

0
g

rt

ng

al
tio

tio
un

un

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h

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zu

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Pr

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Ei

Einheit: gCO2e / Waschgang


st

Pr
h
Ro

Abbildung 6: B eispielhafte Ergebnisse der Berechnung eines PCF für einen Waschmaschinengang mit
Waschmittel12.

Wie bereits erläutert, gibt es zum aktuellen Zeitpunkt, zu dem noch kein international
harmonisierter Standard zum PCF vorliegt, an einigen Stellen noch offene Fragen in
Bezug auf eine konsistente Methode für die Berechnung von Product Carbon Footprints.
Bei einigen methodischen Elementen widersprechen sich aktuell ISO 14040 ff. und be-
stehende methodische Ansätze wie der PAS 2050, oder die Elemente sind unzureichend
beschrieben oder methodisch und praktisch nicht sinnvoll.

Gerade aus diesem Grunde und für diese Fälle hatten das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und das Umweltbundesamt (UBA) das Öko-In-
stitut beauftragt, im Rahmen des Projekts „CO2-Kennzeichnung von Waren und Dienstleis-
tungen“ eine systematische Analyse zum Weiterentwicklungsbedarf der Methodik und
zu CO2-Kennzeichungen vorzunehmen. Im Projekt wurden die Anforderungen an die Me-
thodik des Product Carbon Footprint und deren Kommunikation erörtert und mit einer
Vielzahl von Stakeholdern und Wissenschaftlern auf der nationalen und internationalen
Ebene diskutiert. Weiter wurden im Projekt zwei Experten-Workshops zur Methodik und

12 Die Darstellung entstammt einer Fallstudie der Henkel AG & Co. KGaA im Rahmen des PCF Pilot­
projekts Deutschland.
38 Product Carbon Footprint in der Praxis

zwei Kongresse durchgeführt. Die Erfahrungen und Einschätzungen von Unternehmen


und Verbänden wurden darüber hin­aus in einer ausführlichen Befragung ermittelt, an
der sich etwa 50 nationale und internatio­nale Verbände und Unternehmen beteiligt ha-
ben. Von dem Kooperationspartner Systain Consulting wurden in enger Kooperation mit
der Otto Group mehrere PCFs in der textilen Kette erstellt. Hierbei wurden die praktischen
und methodischen Herausforderungen, zum Beispiel bei der Datenbeschaffung oder bei
Allokationen, beleuchtet und für die übergreifenden Arbeiten verfügbar gemacht.

Ergänzt und unterstützt wurde dieses Projekt durch das PCF Pilotprojekt Deutschland,
bei dem die Projektträger Öko-Institut, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
(PIK), Thema1 und WWF Deutschland zusammen mit 10 Unternehmenspartnern, die
Machbarkeit bei der Erhebung und Berechnung des PCF anhand von mehr als 15 Fall-
studien unterschiedlicher Produkte untersuchte.

Aus diesen Vorhaben können praktische Empfehlungen in Bezug auf Erfassungsmetho-


dik und Kommunikation des PCF abgeleitet werden.

Spezifische methodische Empfehlungen

Die wesentlichen Positionen zum Product Carbon Footprint, die auf den Ergebnissen
der genannten Projekte beruhen, sind in einem Memorandum Product Carbon Foot­
print zusammengefasst13. Das Memorandum stellt die wesentlichen methodischen He-
rausforderungen aus Sicht der Beteiligten dar und formuliert konkrete Empfehlungen
für die Standardisierungsprozesse und den praktischen Umgang mit diesen Punkten
bei der Erstellung von Product Carbon Footprints in der Übergangszeit bis zum Vorlie-
gen der internationalen Standards.

Das BMU empfiehlt interessierten Unternehmen, bzgl. der noch nicht abschließend
geklärten und harmonisierten methodischen Fragen der Ökobilanznorm ISO 14040 ff.
und der laufenden Normungsdebatte zur ISO 14067 zu folgen und zusätzlich die metho-
dischen Empfehlungen des Memorandums zu beachten.

Die wichtigsten Positionen aus dem Memorandum adressieren folgende Punkte:


1. Einbeziehung anderer Umweltkategorien
2. Product Category Rules (PCR)
3. Behandlung besonderer Quellen und Senken, hier insbesondere die Bilanzie-
rung von erneuerbaren Energien, die Speicherung von Kohlenstoff bzw. CO2 in
Produkten sowie Landnutzungsänderungen
4. Berechnung der Nutzungsphase

Die genauen Positionen zu diesen Punkten sind in dem genannten Memorandum aus-
führlich beschrieben.

13 Das Papier ist auf der Seite des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
veröffentlicht: www.bmu.de
Product Carbon Footprint in der Praxis 39

Bewertung und Anwendung des PCF

Prüfung der Unsicherheiten

Die Prüfung der Unsicherheiten (Uncertainty Analysis) der Ergebnisse der Berechnung
eines PCF ist eine wesentliche Voraussetzung, um Maßnahmen zur Verringerung des
PCF effektiv und effizient ausgestalten und auch die Möglichkeiten und Grenzen in Be-
zug auf die Kommunikation des PCF einschätzen zu können.

Die Untersuchung von Unsicherheiten hilft:

»» die Sinnhaftigkeit von Entscheidungen zu überprüfen, die auf Basis des PCF zur
Reduzierung des CO2-Fußabdrucks umgesetzt werden sollen,

»» zu identifizieren, wo ggf. Bedarf besteht, die Datenqualität zu verbessern,

»» die Robustheit der Ergebnisse besser einschätzen und darstellen zu können – so-
fern eine Kommunikation des PCF vorgesehen ist,

»» generell beim Verständnis der Modellerstellung von Ökobilanzen.

Grundsätzlich sollte die Berechnung des PCF so angelegt werden, dass die Unsicherhei-
ten minimiert werden.

Validierung des PCF über ein Critical Review

Im Vorfeld einer vorgesehenen Veröffentlichung ist bei Ökobilanzen nach ISO 14044 die
Durchführung einer „Kritischen Prüfung“ (Critical Review) erforderlich. Diese Form der
Validierung der Ergebnisse hat sich weitestgehend bewährt und sollte auch für den PCF
übernommen werden. Der PAS 2050 sieht hierfür ergänzend auch die Möglichkeit einer
Eigenüberprüfung vor (PAS 2050: 2008, p. 25 „Self Verification“). Dies sollte bei der inter-
nationalen Standardisierung nicht übernommen werden, da die Glaubwürdigkeit einer
Eigenüberprüfung (self-verification) nicht gegeben ist.

Bei Produktvergleichen und Fragen übergreifender Bedeutung (z. B. Produktpolitik)


sollte gemäß ISO 14044 eine „Kritische Prüfung durch einen Ausschuss interessierter
Kreise“ („Critical review by panel of interested parties“) erfolgen.

Dokumentation und Berichterstattung

Wie bereits erläutert, ist nicht vor Ende des Jahres 2010 – eher erst in der ersten Jahres-
hälfte 2011 – damit zu rechnen, dass international verbind­liche Standards (ISO 14067.1)
bzw. harmonisierte Richtlinien (GHG Product Protocol) exis­tieren werden. Bis zu diesem
Zeitpunkt wird es über die Ökobilanznorm ISO 14040 ff. hinaus keine Methodenkonven-
tion geben, die international verbindlich anerkannt ist. Man wird daher nicht verhin-
40 Product Carbon Footprint in der Praxis

dern können, dass das methodische Vorgehen beim Product Carbon Footprint und den
zahlreichen zu erwartenden Fallstudien nicht einheitlich sein wird.

Das hat zur Folge, dass die Nutzbarkeit des Product Carbon Footprint insbesondere in
der Kommunikation der Ergebnisse bis hin zum Vergleich von Produktgruppen oder
sogar einzelnen Produkten nur eingeschränkt möglich sein wird. Damit steht auch die
kurzfristige Integration des PCF als ein Indikator für die Umweltperformance von Pro-
dukten in den Kanon umweltpolitischer Instrumente (etwa Standards für die private
und öffentliche Beschaffung bis hin zur Deklaration und dem Labeling) vor sehr großen
Herausforderungen.

Um die Nutzbarkeit der PCF-Berechnungen für verschiedene der genannten Anwen-


dungen überprüfen zu können, ist eine transparente, öffentlich zugängige und aussa-
gefähige Dokumentation des PCF neben dem oben beschriebenen Critical Review eine
essenzielle Voraussetzung.

Wie oben beschrieben, wird die hinreichende Dokumentation wesentlich die Validität
und Nutzbarkeit von PCF-Fallstudien definieren. Dies gilt insbesondere für den Über-
gangszeitraum bis zum Vorhandensein einer international verbindlichen Standardi-
sierung und Harmonisierung der Richtlinien. Deshalb wird gerade für diese Zeit eine
transparente, öffentlich zugängliche und aussagekräftige Dokumentation em­pfohlen.
Die Dokumentation sollte einleitend die Organisation und den Ablauf der Studie zum
PCF darstellen. Zentral wird die Beschreibung der Zielstellung und der Rahmensetzung
(Goal und Scope) in der Untersuchung zu dokumentieren sein.

Folgende Elemente werden dabei als wichtig angesehen:

»» Definition der Ziele der Studie

»» Definition der funktionellen Einheit

»» Beschreibung der Systemgrenzen

»» Darstellung der Datenquellen und Beschreibung der Datenqualität (s. o.)

»» Beschreibung der Auswahl der Allokationskriterien

Im Rahmen der Dokumentation des Inventars und der Berechnung sollten die einzel-
nen Lebenszyklusphasen erläutert und die zugehörigen Berechnungen dargestellt wer-
den. Dabei sind insbesondere für die Nutzungsphase der Produkte die Empfehlungen
des Memoran­dums gerade in Bezug auf die klare Definition der Nutzungsprofile und
möglicher Szenarien zu berücksichtigen. Darüber hinaus sollten in der Dokumentation
– wie auch bei Ökobilanzen – Sensitivitätsanalysen, Untersuchungen zur Unsicherheit
und eine Fehlerschätzung vorgestellt werden. Ferner sollte explizit transparent ge-
macht werden, ob und in welcher Detailtiefe andere Umweltkategorien der Ökobilanz
mit untersucht wurden.
Product Carbon Footprint in der Praxis 41

Aufwand zur Ermittlung eines PCF

Die Ermittlung eines PCF kann je nach Produkt mit erheblichen Aufwendungen in
Bezug auf Zeit, Personal und Geld verbunden sein und erfordert ähnlich wie bei Öko-
bilanzen Fachwissen und Erfahrung. Dies wird sich in absehbarer Zeit auch durch
erweiterte Datenbanken nicht ändern. Viele Unternehmen, insbesondere kleine und
mittlere, haben bislang keine eigene Expertise auf diesem Gebiet aufgebaut und sind
auf entsprechende externe Beratungsleistungen angewiesen. Die Forderung nach
einer breiten Anwendung von PCFs ist daher insbesondere bei einer erstmaligen Er-
hebung mit hohem Aufwand verbunden. Damit ist ein PCF derzeit vor allem für stra-
tegische oder exemplarische Produkte interessant, deren Ergebnisse auf andere Waren
der gleichen Produktgruppe oder gar auf andere Produktgruppen übertragbar sind.
Für Unternehmen mit einem breiten Produktportfolio ist es schwer vorstellbar, dass in
akzeptabler Zeit und zu vertretbaren Kosten für jedes einzelne Produkt ein PCF ermit-
telt werden kann. Die Entscheidung über die Auswahl der Produktkategorien liegt in
der Verantwortung der Unternehmen und erfolgt im Dialog mit den Stakeholdern.
42 Kommunikation des Product Carbon Footprint

Kommunikation des Product Carbon Footprint

Die Entscheidung darüber, ob und wie die Ergebnisse des PCF kommuniziert werden
(können), hängt auf der einen Seite von der Zielstellung ab, aber auch ob die Zielstellung
über den Stand der Methoden und die Qualität der einzelnen Fallstudie gedeckt ist. Vor
dem Hintergrund fehlender internationaler Standards werden die kommunikativen
Potenziale des PCF noch als recht eingeschränkt angesehen. Dies gilt insbesondere in
Bezug auf die Diskussion der grundsätzlichen Anforderungen an eine adäquate und
glaubwürdige klimabezogene Produktkommunikation.

Eine produktbezogene Ausweisung von Treibhausgasemissionen kann dann sinnvoll


sein, wenn einige grundlegende Anforderungen bei der Kommunikation erfüllt wer-
den, die im Wesentlichen vom PCF Pilotprojekt Deutschland als Prüffragen herausge-
arbeitet wurden:

1. Handlungsrelevanz

Eine Ausweisung der Treibhausgasemissionen sollte so gestaltet sein, dass die Entschei-
dung des Verbrauchers tatsächlich einen Beitrag zur Verringerung von Treibhausgas-
emissionen und der Gesamtumweltwirkung leisten kann.

Folgende Fragen geben dafür wichtige Anhaltspunkte:

»» Ist CO2 das relevante Thema im Lebenszyklus des Produkts? Oder sind andere
Faktoren wichtiger (wie z. B. der Wasserverbrauch?)

»» Kann die Art der dargestellten Information dem Verbraucher helfen, bewusst
einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten?

»» Gibt die Art der Darstellung Hinweise und Hilfestellung, wie der Verbraucher
klima­bewusst handeln kann?

»» Sind die Informationen zur Klimarelevanz so dargestellt, dass sie die Entschei-
dungen zu Kauf und Gebrauch eines Produkts beeinflussen?

»» Stellt die Kommunikation sicher, dass die Ausweisung des CO2-Fußabdrucks


andere umweltrelevante Wirkungen eines Produkts nicht in den Hintergrund
drängt?

2. Glaubwürdigkeit

Kommunikation muss glaubwürdig sein, um Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen und


somit Erfolg sicherzustellen.
Kommunikation des Product Carbon Footprint 43

Für das Kriterium Glaubwürdigkeit sind folgende Fragen relevant:

»» Besteht Transparenz über die verwendete Methodik, über den Prozess zur Bilan-
zierung des PCF und über die beteiligten Akteure?

»» Wurden alle relevanten Treibhausgasemissionen entlang des gesamten Lebens-


zyklus eines Produkts berücksichtigt?

»» Wurden die Vorgaben zur Bewertung der Klimarelevanz von unabhängigen


Dritten überprüft und ggf. mitbestimmt?

»» Sehen die Vorgaben zu Ermittlung und Kommunikation des CO2-Fußabdrucks


auch Angaben zur Gesamtumweltwirkung eines Produkts vor?

»» Geht die Kommunikation von produktbezogenen Treibhausgasbilanzen über ein-


zelne Idealfälle hinaus?

3. Einheitlichkeit

Instrumente für die Kommunikation mit Kunden, Konsumenten oder Geschäftspart-


nern werden nicht nur von einzelnen Unternehmen verwendet. Daher sind einheitliche
Grundlagen wichtig:

»» Gelten für alle vergleichbaren Güter und Dienstleistungen die gleichen metho-
dischen Vorgaben für die Bilanzierung des PCF?

»» Sind die gemachten Annahmen transparent, vergleichbar oder einheitlich be-


schrieben und dokumentiert?

»» Sind individuelle Veränderungen (z. B. nachträgliche Änderung von Einheiten


oder Systemgrenzen) eindeutig und nachvollziehbar dargestellt?

4. Verständlichkeit

Kommunikation muss für die jeweiligen Empfänger verständlich sein. Verwendete


Informationsinstrumente müssen daher auf die Zielgruppe und Nutzungssituation an-
gepasst werden bzw. flexibel sein:

»» Treffen die Informationen den Informationsbedarf der Zielgruppe?

»» Orientieren sich die Informationen an den Kommunikationsfähigkeiten


­(Abstraktionsfähigkeit, Sprachkenntnisse etc.) der Zielgruppe?

»» Ist eine der Situation gerechte Informationsdichte und -form gewählt?


44 Kommunikation des Product Carbon Footprint

5. Vergleichbarkeit

Informationen über die Klimarelevanz von Produkten machen oft erst dann Sinn, wenn
ein Vergleich mit Alternativen möglich ist:

»» Ermöglichen die angegebenen Informationen (z. B. Werte oder Wertespanne)


einen Vergleich mit alternativen Produkten, die einen identischen oder ähnli-
chen Nutzen haben?

»» Ist ein produktübergreifender Vergleich oder ein Vergleich verschiedener Ge-


brauchsformen möglich?

»» Geben die Informationen Hinweise für klimaverträglichere Handlungsalterna-


tiven?

Unter Beachtung dieser Anforderungen können PCFs Instrumente für eine sinnvolle
klimabezogene Produktkommunikation sein. Allerdings: Um einen klimaverträglichen
Konsum langfristig zu fördern, müssen zukünftig auf Basis einer harmonisierten Erfas-
sungsmethodik einheitliche und international akzeptierte Leitlinien für eine klimabe-
zogene Produktkommunikation etabliert werden.

Empfehlungen für eine klimabezogene Produktkommunikation

Aus eigenen praktischen Erfahrungen der gemeinsamen Bewertung verschiedener


internationaler Kommunikationsansätze und nach intensivem Dialog mit relevanten
Stakeholdern kamen die Beteiligten im PCF Pilotprojekt Deutschland zu folgenden
Empfehlungen:

»» Informationen über den CO2 -Fußabdruck eines Produkts oder einer Dienstleis-
tung sollten differenziert dargestellt werden: zum einen für den gesamten Le-
benszyklus, zum anderen nach einzelnen Phasen aufgeschlüsselt, beispielsweise
nach der Produktions-, Nutzungs- und Entsorgungsphase. Auf diese Weise sind
Aussagen möglich, beispielsweise über Reduktionspotenziale aufseiten des Her-
stellers oder über CO2-Minderungen in der Produktnutzung durch verändertes
Verbraucherverhalten.

»» PCF-Labels mit einer CO2-Ziffer (Angabe einer aggregierten Grammzahl auf dem
Produkt) – wie sie bereits von einigen Unternehmen getestet werden – sind nicht
sinnvoll und wenig handlungsrelevant. Eine solche Zahl suggeriert dem Ver-
braucher eine Genauigkeit und Aussagekraft, die nach dem derzeitigen Stand
der Methodik nicht erreicht werden kann.

»» Product Carbon Footprints sind ein Instrument, mit dem Hersteller über in-
dividuell erreichte oder geplante Minderungen von Emissionen informieren
können – allerdings nur dann, wenn der PCF über eine bestimmte Zeitspanne
Kommunikation des Product Carbon Footprint 45

konsistent ermittelt und dokumentiert wurde. Besonders wichtig ist dabei eine
Offenlegung der zugrunde liegenden Annahmen.

»» Nach dem heutigen Stand der Methodikentwicklung bestehen Spielräume für


Auslegung, Interpretation und Spannbreiten in der Berechnung. Daher muss klar
dokumentiert werden, zu welchem Zweck ein PCF ermittelt wird und welche An-
nahmen und Gewichtungen zugrunde liegen. Die Veröffentlichung aller Daten
muss klar, verständlich, aussagekräftig und wissenschaftlich nachvollziehbar
sein. Nicht zuletzt ist von Bedeutung, welche Verlässlichkeit bzw. Unsicherheit der
PCF-Berechnung anhaftet und ob noch andere bedeutende Umweltwirkungen
berücksichtigt wurden.

»» Es ist wichtig, dass die Dokumentation der PCF-Berechnung transparent und


zugänglich ist. Die Projektpartner haben sich darauf verständigt, in der Kommu-
nikation von Ergebnissen aus den Fallstudien auf die zentrale Dokumentation
im Internet (www.pcf-projekt.de) zu verweisen und optional die gemeinsam ab-
gestimmte visuelle Referenz zu verwenden.

»» In der externen Produktkommunikation eingesetzte Informationen über die


Umwelt- und Klimaverträglichkeit von Produkten und Dienstleistungen sollten
durch unabhängige Dritte überprüft werden. Sobald ein allgemein anerkannter
Standard vorliegt, sollte die Überprüfung im Rahmen eines „Critical Review“ er-
folgen.

»» Vor dem Hintergrund der dynamischen internationalen Entwicklung sind pro-


dukt- und branchenübergreifende Ansätze hilfreich, um Glaubwürdigkeit her-
zustellen, isolierte Aussagen zu vermeiden und der jeweils aktuellen Methoden-
entwicklung Rechnung zu tragen.

Unter Beachtung dieser Empfehlungen können Product Carbon Footprints eine trag-
fähige Grundlage für eine sinnvolle Produktkommunikation bilden. Im Idealfall lassen
sich auf Basis des PCF einfache und handlungsrelevante Botschaften für die Verbrau-
cher ableiten.

CO2-Label versus Umweltlabeling

Bei den Initiativen zur CO2-Kennzeichung oder CO2-Labels gab es anfangs wenig Bezug
auf andere bestehende Labels und auf Erfahrungen mit diesen Labels. Derzeit gibt es
ca. 400 unterschiedliche Labels und Kennzeichnungen. Die große Mehrheit der Ver-
braucher ist damit überfordert und setzt die Informationen nur wenig dahin gehend
um, vorteilhaftere Produkte mit entsprechendem Label zu kaufen. Das Angebot von
CO2e-Kennzeichnungen oder CO2–Labels trifft daher auf ein bereits übersättigtes In-
formationsangebot. Innerhalb der Labels und Kennzeichnungen gibt es einige wenige
Labels und entsprechend gekennzeichnete Produkte, die sowohl stärker be­achtet als
auch häufiger gekauft werden. Dies sind das Umweltzeichen Blauer Engel (in a­ nderen
46 Kommunikation des Product Carbon Footprint

­ ändern andere nationale Umweltzeichen), das Biosiegel, die Energieeffizienz-


L
kennzeich­nung, der Energy Star und das Fair-Trade-Label. Zu prüfen ist, wie mögliche
CO2-Labels im Vergleich zu diesen bekannten und anerkannten Labels gesehen werden.

Nachfolgend werden typische Initiativen für CO2-Labels und -Kennzeichnungen darge-


stellt und deren Bedeutung für verschiedene Produktgruppen erörtert.

Beispiele für CO2-Labels und klimabezogene Produktkenn­zeichnungen

Die Zahl der internationalen Initiativen zum CO2-Labeling und zur klimabezogenen
Produkt­kennzeichnung hat im Verlauf des Jahres 2008 enorm zugenommen. Die Initia-
tiven können im Rahmen dieses Leitfadens nicht alle vorgestellt und ausführlich erläu-
tert werden. An dieser Stelle sollen lediglich die wichtigsten grundsätzlichen Typen der
Labels und Produkt­kennzeichnungen eingeführt werden.

CO2-Label bzw. Carbon Reduction Label


Die wohl aktuell am intensivsten, aber auch am kontroversesten diskutierten Labels
sind die CO2-Labels (oder auch Carbon-Labels) bzw. Carbon Reduction Labels. Das
Carbon Reduction Label des Carbon Trust ist wohl das bekannteste dieser Vertreter.
Das L­ abel weist einen konkreten Wert des Product Carbon Footprint aus, muss aber
nicht alle Lebenszyklusphasen des Produkts erfassen14. Zusätzlich wird zur Bedingung
gemacht, dass das Label nur an die Produkte vergeben wird, wenn sich die herstel-
lenden Unternehmen zu einer Reduzierung des entsprechenden PCF über zwei Jahre
ver­pflichten. Dazu werden erläuternde Hinweise über das Label vermittelt, wie etwa
Produkt­vergleiche oder Kundeninformationen, wie der PCF in der Nutzungsphase re-
duziert werden kann.

Das Label wird auf der Verpackung der Produkte genutzt werden, zum Beispiel im Han-
del (am Point of Sale) oder beispielsweise im Internet auf entsprechenden Websites der
Unternehmen. Das Label ist freiwillig und wird durch den Carbon Trust bzw. akkredi-
tierte Dienstleister geprüft.

Das Carbon Reduction Label ist Vorbild für eine Reihe vergleichbarer internationaler
Ansätze wie in Südkorea oder Japan, wo ähnliche Label eingeführt wurden.

CO2-Siegel
Darüber hinaus gibt es Ansätze, die den Product Carbon Footprint als Grundlage neh-
men, um die besten Produkte einer Produktgruppe (z. B. Waschmittel) mit einem Siegel
auszu­zeichnen. Eine der prominenten Ansätze ist das Pilotprojekt um das CO2e-Siegel
„approved by climatop“, das von der schweizerischen Handelskette Migros genutzt
wird. Damit werden die Produkte einer Produktgruppe ausgezeichnet, die – gemessen
am PCF – mindestens 20 Prozent besser abschneiden als ein vergleichbares durch-

14 So weist Continental Clothing den Product Carbon Footprint eines T-Shirts über das Carbon Reduc-
tion Label lediglich für die Erzeugung der Rohmaterialien, die Produktion und den Transport in das
Vereinigte Königreich aus. Die Nutzungsphase bzw. die Entsorgung des Produkts wird dabei nicht
berücksichtigt.
Kommunikation des Product Carbon Footprint 47

schnittliches Produkt. Es wird dabei der gesamte Lebenszyklus der Produkte inklusive
der Nutzung und Entsorgung bilanziert15. Migros nutzt dieses Siegel allerdings lediglich
für Eigenmarken16. Die dem Labeling zugrunde liegenden Berechnungen werden von
einem externen Forschungspartner („climatop“) durchgeführt. Die größten Herausfor-
derungen werden von den Beteiligten im Bereich der Lebensmittel gesehen.

Klimaneutral-Label
Zusätzlich zu den genannten Labelformen auf Basis des PCFsgibt es auch immer mehr
Initiativen, die Produkte als klimaneutral kennzeichnen. Dabei wird der PCF für die
Produkte ermittelt und über Investitionen in Klimaschutzprojekte kompensiert. Die An-
sätze sind noch sehr unterschiedlich.

Wichtige Differenzen gibt es in Bezug auf die Fragen:

»» Welche Treibhausgase wurden bilanziert?

»» Wurden alle Lebenszyklusphasen berücksichtigt oder nur bestimmte Abschnitte?

»» Gibt es Anforderungen an die Reduzierung des PCF vor der Kompensation?

»» Welche (Qualitäts-)Anforderungen werden an die Kompensationsprojekte ge-


stellt?

Ein bekanntes Beispiel in Deutschland ist das Label „Stop Climate Change“. Dabei werden
die THG-Emissionen während der gesamten Produktion inklusive der Transporte bis
zum Point of Sale bilanziert (Nutzung und Entsorgung ist nicht eingeschlossen). Es wird
die Reduzierung der THG-Emissionen geprüft, wobei die verbleibenden Emissionen
über Klimaschutzprojekte verifiziert werden, die transparente Standards erfüllen. Die
Berechnungen der THG-Bilanzen werden von AGRA-TEG GmbH vorgenommen, die wie-
derum von einem unabhängigen Zertifizierer (Gesellschaft für Ressourcenschutz mbH)
aus dem Umwelt­bereich geprüft werden. Bisher haben hauptsächlich Lebensmittelher-
steller ihre Produkte aus dem Bioanbau freiwillig mit diesem Siegel gekennzeichnet.

Umweltkennzeichen mit Klimafokus


Neben diesen Produktkennzeichnungen, die hauptsächlich auf THG-Bilanzen aufbau-
en, findet auch eine Ausdifferenzierung der „klassischen“ Umweltlabels (Typ1 nach
ISO 14024) statt, unter anderem mit dem Schwerpunkt Klimaschutz. Dabei werden
Vergabekriterien für diverse Produktgruppen erarbeitet, die die Klimarelevanz der
Produkte charakterisieren. Das ist nicht notwendiger­weise der PCF, sondern insbeson-
dere bei Energie verbrauchenden Produkten in der Regel der Energiebedarf. Darüber
hinaus werden aber auch andere Umweltkategorien in Form von Mindestkriterien bei
der Vergabe des Umweltlabels berücksichtigt. Ausgezeichnet werden etwa die besten
20 % einer Produktgruppe im Markt, vorausgesetzt, der Hersteller bewirbt sich um die-

15 Wurden zu Beginn des Projekts lediglich CO2e-Bilanzen erstellt, fußt das System inzwischen auf
Ökobilanzen unter der Berücksichtigung der anderen relevanten Umweltkategorien.
16 Fremdmarken werden bei Migros nicht mit dem Siegel gekennzeichnet, auch wenn sie eine ver-
gleichbar gute Performance hätten wie die gelabelten Produkte.
48 Kommunikation des Product Carbon Footprint

ses freiwillige Label. Die Kriterien werden zunehmend regelmäßig aktualisiert und da-
durch dynamisiert, sodass ein Top-Runner-Ansatz verfolgt wird.

Das prominenteste und auch neueste Beispiel für ein derartiges Umweltlabel ist das
deutsche Umweltzeichen („Blauer Engel“).

Das Umweltzeichen Blauer Engel wird künftig in vier unterschiedlichen Clustern ver-
geben: „Schützt das Klima“, „Schützt die Ressourcen“, „Schützt das Wasser“ und „Schützt
die Gesundheit“. Die Schwerpunktsetzung wird jeweils als Zusatz im Logo des Blauen En-
gel ergänzt. Unabhängig von dieser Schwerpunktsetzung berücksichtigt der Blaue Engel
auch weiterhin alle relevanten umwelt- und gesundheits­bezogenen Eigenschaften von
Waren und Dienstleistungen. Schließlich achten Verbraucher­innen und Verbraucher
auch auf andere Umwelt- und Gesundheitsaspekte, wie etwa Schutz vor Schadstoffen,
Lärm oder Wasserverbrauch. Ein weiterer Vorteil des Umweltzeichens ist, dass die auf
Basis von Ökobilanzen abgeleiteten Kriterien – bevor sie in einem Stakeholder-Gremium
festgelegt werden – zunächst von einem Expertengremium diskutiert werden.

Für das Cluster Klimaschutz werden in einem laufenden Projekt bis 2011 die Vergabe­
grundlagen für die 100 wichtigsten klimarelevanten Produktgruppen erarbeitet. Für
die ersten neun Produktgruppen wurden bereits die fachlichen Expertenanhörungen
durchgeführt: Netbooks, DVD-Rekorder/Blu-Ray-Disk-Rekorder, Kühl- und Gefriergerä-
te, Wäschetrockner, Waschmaschinen, Gasherde, Espressomaschinen, Wasserkocher
und automatische Steckerleisten (Masterslaves).

Neben dem Umweltzeichen gibt es weitere laufende Prozesse zum produktbezogenen


Klimaschutz, wie etwa die Ökodesign-Richtlinie und die geplante Neufassung der ge-
setzlichen EU-Vorgaben zur Energieeffizienzkennzeichnung. Insbesondere angesichts
der Änderungen bei der EU-Energieeffizienzkennzeichnung in den nächsten Jahren
könnte bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Verunsicherung bei der Kaufent-
scheidung entstehen, wohingegen das lang etablierte Umweltzeichen Blauer Engel für
Verbraucher eine verlässliche Orientierung darstellen wird.

Eine vergleichbare Vorgehensweise ist auch aktuell beim europäischen Umweltzeichen


(„Euro-Blume“) verankert. Auch in China werden derartige Ansätze diskutiert (Sack
Reis). Die meisten Initiativen zu den oben genannten Produktlabels sind derzeit auf
freiwilliger Basis angelegt. In einigen Fällen – zum Beispiel in Frankreich – wird aber
auch über verpflichtende Formen des Labeling diskutiert. Im Rahmen der sogenannten
Umwelt-Grenelle wurde ein Vorschlag erarbeitet, dass ab Januar 2011 die Konsumen-
tinnen und Konsumenten mit einem Label oder anderen geeigneten Prozessen über die
Treibhausgas­emissionen und andere Umweltauswirkungen sowie den Verbrauch an
Ressourcen im Lebenszyklus der Produkte informiert werden müssen. Diese Regelung
ist bisher noch nicht vom französischen Parlament verabschiedet. Auch steht noch nicht
fest, welche Umwelteigenschaften der Produkte mit dem Labeling erfasst werden sol-
len und in welcher Form die Kennzeichnung erfolgen soll. Um diese Fragen zu klären,
wurde eine Plattform initiiert unter der Leitung von Ademe (der französischen Umwelt-
agentur) mit Unterstützung der französischen Standardisierungsorganisation Afnor
und unter Beteiligung aller relevanter Anspruchsgruppen (wissenschaftliche Experten,
Kommunikation des Product Carbon Footprint 49

Handelsunternehmen, NGOs, Produzenten). Die Arbeit erfolgt in Arbeitsgruppen ge-


trennt nach Produktgruppen. In 12 Arbeitsgruppen werden zu betrachtende Umwelt-
kategorien, sinnvolle Erfassungs­methoden und mögliche Kommunikationsformen
produktgruppenspezifisch diskutiert, bevor dann das weitere Vorgehen möglichst noch
2010 auf Basis der Ergebnisse vereinbart werden soll.

Zusätzlich zu den genannten Kategorien von Produktkennzeichnungen gibt es eine


große, inzwischen unübersichtliche Anzahl von Lösungen einzelner Unternehmen, wie
besonders klimagerechte Produkte aus ihrem Portfolio gekennzeichnet werden – auch
jenseits von Labels der oben genannten Formen.

In den kommenden Jahren ist zu erwarten, dass noch weitere Initiativen hinzukom-
men. Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, dass Verbraucherinnen und Verbrau-
cher aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen Informationen eher verwirrt oder
sogar zu Fehlentscheidungen geführt werden, als eine Orientierung zu erhalten . Um
dem vorzubeugen, braucht es gerade in Bezug auf die Klima- und Umweltrelevanz noch
deutlich mehr Wissen in Bezug auf die folgenden Fragen:

»» Welche glaubwürdigen und belastbaren Informationen und Aussagen in Bezug


auf die Klimarelevanz von Produkten sind auf der derzeitigen Basis unseres Wis-
sensstandes zur Methodik der Ermittlung möglich?

»» In welcher Form können diese Informationen an die Verbraucherinnen und


Ver­braucher am besten kommuniziert werden, sodass sie handlungsleitend
und zugleich richtungssicher im Sinne des Klimaschutzes verstanden werden
können?

Aus diesen Fragen ergeben sich wichtige Anforderungen an die Kommunikation zur
Klima­relevanz von Produkten und deren Nutzung.

Systematische Analyse für unterschiedliche Produktgruppen

Wie oben dargelegt, liegt der Schwerpunkt der derzeitigen Aktivitäten und der Kom-
munikation zum Product Carbon Footprint bei der Produktgruppe Lebensmittel und
nicht bei den aus Klimasicht weit wichtigeren Energie verbrauchenden Produkten (wie
etwa Heizungen, Pkw oder Elektrogeräte). Dies ist auch deshalb überraschend, weil
man eine Nicht-Berücksichtigung anderer Umweltkategorien, wenn überhaupt, dann
noch am ehesten bei den Energie ver­brauchenden Produkten begründen könnte, aber
viel weniger bei Lebensmitteln. Interes­santerweise wird in den Medien vergleichsweise
wenig über die bestehenden Kennzeich­nungspflichten für Strom und Pkw berichtet, da-
gegen sehr ausführlich über vorgeschlagene Kennzeichnungen von Lebensmitteln.

Bislang gibt es auch keine klaren Vorstellungen, wie CO2e-Labels zu anderen Labels oder
Kenn­zeichnungspflichten wie etwa dem EU-Energieeffizienzlabel positioniert werden
sollten. Nachfolgend wird die Sinnhaftigkeit von CO2e-Labels für verschiedene Produkt-
gruppen er­örtert.
50 Kommunikation des Product Carbon Footprint

Klimarelevante Produkte
Bei den Pro-Kopf-Emissionen an Treibhausgasen haben einige wenige Produkte einen
besonders hohen Anteil. Dies sind Heizungen (mit Brennstoffen wie Öl und Gas), Pkw
und Flüge sowie Strom (bzw. die Strom verbrauchenden Elektrogeräte). Mit wenigen
Produkten und Kaufentscheidungen werden hier von einem Bundesbürger und pro Jahr
etwa 5–6 Tonnen CO2e verursacht, wohingegen sich die Treibhausgasemissionen aus
Lebensmitteln (insgesamt etwa 1,5 bis 2 Tonnen CO2e) aus dem Kauf Tausender unter-
schiedlicher Lebens­mitteln in jährlich 100 oder mehr Einkäufen zusammensetzen.

Bei Strom und Pkw bestehen hier bereits klimarelevante Kennzeichnungspflichten


(Gramm CO2/km bei Pkw17 und Art der Stromproduktion bei Strom).

Elektrogeräte mit großem Energiebedarf


Energieeffizienzkennzeichnung
Ausgewählte Elektrogeräte müssen gemäß ihrer Energieeffizienz ausgezeichnet
werden. Bei der laufenden Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie wird die Kennzeich-
nungspflicht über die großen Haushaltsgeräte hinaus auf weitere große Geräte wie
etwa IT-Geräte, perspektivisch aber auch auf kleinere Geräte (z. B. Staubsauger oder
Espressomaschinen) ausgeweitet. Ökobilanzen zeigen, dass bei den meisten Energie
verbrauchenden Geräten der Anteil des Energiebedarfs in der Nutzungsphase am Ge-
samtenergiebedarf sehr hoch ist (meist 80–90 %) und entsprechend der Energiebedarf
bei der Her­stellung und Entsorgung weniger relevant ist. Dies gilt in ähnlichem Maße
für die Klimabilanz bzw. den PCF. Der PCF der großen Elektrogeräte liegt in der Größen-
ordnung von hundert bis einigen Hundert kg CO2e pro Jahr und über die gesamte Le-
bensdauer meist oberhalb von 1.000 kg CO2e.

Obwohl die Produkte also einen hohen PCF haben, gibt es derzeit keine wesentlichen In-
itiativen, den PCF der Geräte zu erfassen und am Gerät auszuweisen oder die Geräte mit
einem Label mit CO2e-Ziffer zu versehen.

Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Angabe des PCF ohne eine Vergleichs-
skala für Verbraucher wenig aussagekräftig wäre. Ist ein Kühlschrank mit einem PCF
von 3.000 kg (Angabe für 15 Jahre Lebensdauer) ein guter oder schlechter Kühlschrank?
Man müsste also für die Elektrogeräte jeweils eine Vergleichsskala aufstellen und wäre
dann nahe beim bestehenden Energieeffizienzsystem. Ein PCF-Label mit Ausweisung
eines CO2-Werts wäre wenig sinnvoll. Denkbar ist allenfalls beim Energieeffizienzlabel
die zusätzliche Angabe des durchschnittlichen Stromverbrauchs, des Stromverbrauchs
für wichtige einzelne Programme beim Betrieb der Geräte und die Angabe des durch-
schnittlichen PCF für Strom.

Umweltzeichen
Für mehrere Elektrogeräte gibt es über die Energieeffizienzkennzeichnung hinaus auch
nationale Umweltzeichen (in Deutschland den Blauen Engel) oder das europäische Um-
weltzeichen (die Euro-Blume). Bei den Kriterien für die Umweltzeichen werden meist

17 Angegeben werden hier allerdings nur CO2-Emissionen ohne Vorkette. Der PCF wird damit um ca.
15 % unterschätzt.
Kommunikation des Product Carbon Footprint 51

anspruchsvolle Anforderungen an den Energiebedarf, aber auch Anforderungen an


weitere Umweltaspekte gestellt (Kriterien für Lärm, Wasserverbrauch, eingesetzte Ma-
terialien, Schadstoffe, Strahlung etc.). Umweltzeichen wie der Blaue Engel stellen eine
umfassende und integrierte Umweltbewertung dar (nicht nur Bewertung des PCF) und
sind damit aussagekräftiger und höherwertiger als die Energieeffizienzkennzeichnung.
Der PCF selbst wird bisher bei Umweltzeichen nicht ausgewiesen, dies könnte aber – wie
oben bei der Energieeffizienzkennzeichnung beschrieben – problemlos ergänzt werden.

Empfehlung: Bei Elektrogeräten mit hohem Energiebedarf sollte die Energieeffizienz­


kennzeichnung um die Angabe relevanter Stromverbräuche oder Leistungswerte er-
gänzt werden. Die Elektrogeräte sollten darüber hinaus in das Umweltzeichen-System
aufgenom­men werden.

Elektrogeräte mit geringem Energiebedarf


Hier stellt sich die Sachlage ähnlich dar wie bei den Elektrogeräten mit dem hohen
Energie­bedarf – mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Herstellungsphase einen
größeren Anteil haben kann und dass die Bedeutung anderer Umweltaspekte eher zu-
nimmt. Dies spricht noch mehr für eine integrierte Umweltbewertung bzw. Umweltzei-
chen.

Neben dem absoluten Energieverbrauch kann das Einsparpotenzial von großer Bedeu-
tung sein. Beispielsweise hat eine Untersuchung zu Espressomaschinen gezeigt, dass das
Einsparpotenzial zwischen durchschnittlichen und Best-Geräten bei rund 100 kWh pro
Jahr liegt – das entspricht etwa dem Unterschied von Kühlschränken der Klasse A++ und A.

Energiesparende Produkte
Produkte wie Dämmmaterialien, Steckerleisten oder 20-Grad-Waschmittel können
in der Nutzungsphase zu erheblichen Einspareffekten führen und den PCF anderer
Produkte reduzieren. Der PCF der energiesparenden Produkte selbst ist im Vergleich
dazu meist klein und weniger relevant. Die Bilanzierung der indirekten Einsparung ist
methodisch anspruchs­voll und nicht einfach mit dem energiesparenden Produkt in
Bezug zu setzen (das ist auch der Grund, warum der PAS 2050 eine solche Bilanzierung
ausschließt!).

Die Angabe des PCF von energiesparenden Produkten ohne Angabe des PCF-Einspar­
effekts würde keinen Sinn machen. Dies gilt vergleichbar für ein denkbares CO2e-Label.

Energiesparende Produkte werden aber oft bereits mit einem Umweltzeichen gekenn­
zeichnet. Dabei werden das Treibhausgaspotenzial des Produkts selbst und der Einspar­
effekt berücksichtigt, aber auch andere Umweltkriterien wie etwa Schadstoffe (Beispiel
Dämmmaterialien!).

Technische Produkte ohne Energiebedarf in der Nutzungsphase


Bei diesen Produkten spielen meist mehrere Umweltaspekte und nicht nur der Energie-
bedarf bei der Herstellung eine wichtige Rolle. Dies spricht für eine integrierte Umwelt-
bewertung bzw. Umweltzeichen und gegen isolierte CO2e-Labels. Angesichts der Viel-
zahl der Produkte sollte zuvor eine Relevanzprüfung erfolgen.
52 Kommunikation des Product Carbon Footprint

Lebensmittel
Herausforderungen der Datenerhebung
Der Anteil von Lebensmitteln an den Pro-Kopf-Emissionen liegt in Deutschland in der
Größenordnung von etwa 2,0 Tonnen CO2e und damit bei etwa 20 %. Je nach Abgren-
zung (mit oder ohne Getränke, mit oder ohne Außer-Haus-Verzehr, mit oder ohne Ver-
packungen, mit und ohne Kühlung und Kochen) finden sich dazu unterschiedliche Zah-
len. Dieser durchaus hohe Wert verteilt sich allerdings auf Tausende unterschiedlicher
Lebensmittel und Hunderte von Einkäufen. Der PCF einzelner Lebensmittel liegt in der
Größenordnung von einigen Dutzend Gramm bis mehreren Kilo CO2e. Sehr hohe Werte
hat beispielsweise Rindfleisch mit rund 13 kg CO2e pro Kilo.

Die Bestimmung des PCF von Lebensmitteln ist in der Regel aufwendig und erfordert
vor allem dann viel Aufwand und Kosten, wenn spezifische (und nicht generische)
Daten erhoben werden sollen – was ja die Ursprungsidee der Tesco-Initiative war.

Die Gründe für den hohen Datenaufwand sind:

»» sehr viele und unterschiedliche große Agrarbetriebe

»» häufige Wechsel der Zulieferer

»» starke Unterschiede in der Art des Anbaus

»» jährlich und saisonal schwankende Erträge

»» viele unterschiedliche Verarbeitungstechniken und -betriebe

»» eine Bandbreite von relativ einfachen Produkten wie Äpfel oder Bananen bis hin
zu komplexeren Convenience-Produkten

»» sehr unterschiedliche Transportwege – von regional bis global, vom Traktor bis
zum Flugzeug

»» hoher und zeitabhängiger Einfluss von Lagerhaltung und Kühlung

»» eine Vielzahl unterschiedlicher Packungsgrößen und Verpackungen

»» unterschiedliche Zubereitungsarten und große Unterschiede zwischen Conve-


nience-Produkten und selbst zubereiteten Produkten

Aus den genannten Gründen können die PCF-Werte von Lebensmitteln erheblich
schwan­ken und es können zum Teil erhebliche Reduktionspotenziale abgeleitet werden.
Es ist daher sinnvoll, den PCF von Lebensmitteln zu bestimmen und Optimierungspoten-
ziale beim Anbau, bei der Verarbeitung, bei Transporten oder Lagerung abzuleiten und
zu realisieren. Weitaus schwieriger ist es dagegen für Handelsunternehmen, den PCF von
Tausenden unterschied­licher Lebensmittel kontinuierlich und wettbewerbsrechtlich ver-
lässlich auszuweisen und den Verbrauchern adäquate Vergleichsmaßstäbe zu bieten.
Kommunikation des Product Carbon Footprint 53

Die Schwierigkeit zur Ermittlung des spezifischen PCF von Lebensmitteln und Auszeich-
nung mit CO2e-Ziffer kann schon an einem „einfachen“ Produkt verdeutlicht werden  –
an Äpfeln:

Der Energieaufwand zur Produktion und Lagerung von Äpfeln schwankt von Betrieb
zu Betrieb und kann zwischen großen und kleinen Betrieben um den Faktor 2–3 unter-
schiedlich sein. Die Transportentfernung kann ebenfalls sehr unterschiedlich ausfallen
– das Boden­see-Obst wird am Bodensee verkauft, aber auch in Kassel oder Berlin. Die Äp-
fel können aber auch aus Neuseeland oder Chile importiert werden. Die in Deutschland
erzeugten Äpfel werden bis ins späte Frühjahr hinein gelagert und dabei gekühlt. Der
PCF steigt damit von Monat zu Monat.

Um den PCF von Äpfeln in einer Verkaufsstätte auch nur einigermaßen spezifisch anzu­
geben, müssten jeweils die Produktionswerte vom Anbaubetrieb, die Transportentfer-
nung und -mittel sowie die Dauer und Art der Kühlung bekannt und individuell berech-
net werden – und das für jede verkaufte Apfelsorte. Das ist grundsätzlich möglich, aber
sehr aufwendig und sollte ja nicht nur für Äpfel, sondern Tausende anderer Produkte
durchgeführt werden.

Damit Verbraucher die Angabe des spezifischen PCF adäquat bewerten können, müss-
ten darüber hinaus – wie bei den Elektrogeräten – für vergleichbare Produkte Ranking-
systeme entwickelt werden – zum Beispiel für Äpfel der Klimaklasse A, B, C … (wenn man
wirklich alle Äpfel in eine Klasse werfen wollte).

Angesichts der oben genannten Schwierigkeiten ist es offensichtlich, dass in absehbarer


Zeit (und vermutlich auch zukünftig) kein System entstehen wird, bei dem Tausende
unter­schiedlicher Lebensmittel in den Handelsgeschäften regelmäßig und wettbe-
werbsrechtlich zuverlässig mit ihrem jeweiligen und aktuellen CO2e-Wert gekennzeich-
net bzw. gelabelt und zudem auch jeweils entsprechende Rankingsysteme entwickelt
werden.

Biosiegel
Bei Lebensmitteln spielen darüber hinaus weitere Umweltaspekte eine große Rolle:
Flächenverbrauch, Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, Wasserverbrauch, Einsatz von Pes-
tiziden, schädliche Inhaltsstoffe, Zusatzstoffe. Gerade deshalb wurde ja das Biosiegel
entwickelt. Die isolierte Angabe des PCF stellt dagegen keine ausreichende Verbrau-
cherinformation dar. Denkbar ist dagegen, das Biosiegel um das Kriterium Treibhaus-
gaspotenzial zu ergänzen. Aufgrund der oben genannten Schwierigkeiten dürfte aber
auch dies eine erhebliche Herausforderung darstellen.

Verbraucherinformationen zur Umwelt- und Klimarelevanz


Die unvollständige und unsystematische Veröffentlichung von CO2e-Werten ohne Ver­
gleichsmaßstäbe und ohne Bezug auf andere Umweltaspekte von Lebensmitteln trägt
NICHT zur Verbraucherorientierung, sondern zur Verwirrung von Verbrauchern bei.
Stattdessen sollten für die aus Klimasicht wichtigsten Produktgruppen Ökobilanzen
durchge­führt werden, bei denen alle relevanten Umweltaspekte (Durchschnittswerte
und Band­breiten) erhoben werden. Auf dieser Basis können – wenn die Datenlage be-
54 Kommunikation des Product Carbon Footprint

lastbar ist – für die Verbraucherinformation Grundaussagen und Handlungsoptionen


abgeleitet und typische Fragen beantwortet werden:

»» Sind Ökobilanz und Klimarelevanz von Regional-Äpfeln oder Äpfeln aus Übersee
besser? Sind Bioäpfel aus Übersee besser als konventionelle Regional-Äpfel? Gibt
es Regional-Bioäpfel, die nicht gekühlt werden? Welche sind die aus Umwelt-
sicht besten Äpfel? Stimmt es, dass bei der Herstellung und Sterilisierung von
Apfelsaft in kleinen Kelteranlagen meist viel mehr Energie verbraucht wird als
in großen Anlagen?

»» Ist es aus Umwelt-, Gesundheits- und Klimasicht sinnvoll, weniger Fleisch zu


essen? Soll man beim Fleischverzehr aus Klimasicht eher auf Hühnerfleisch
setzen? Ist Biofleisch auch aus Klimasicht besser als konventionell erzeugtes
Fleisch?

»» Ist industriell gefertigte Tiefkühlkost aus Klimasicht schlechter als im Privat-


haushalt frisch zubereitete Lebensmittel? Oder gibt es hier deutliche Unter-
schiede je nach Lebensmittel und Kühlzeit im Privathaushalt?

»» Wie fällt aus Umwelt- und Klimasicht der Vergleich unterschiedlicher Ernäh-
rungsstile aus? Stimmt es, dass ein höherer Anteil von Milchprodukten einen
niedrigeren Anteil von Fleischprodukten aus Klimasicht kompensiert?

Die Qualität der ernährungsbezogenen Verbraucher/ -innen-Information würde erheb-


lich zu­nehmen, wenn diese Fragen auf der Basis von Ökobilanzen (geprüft mit Critical
Reviews) beantwortet werden könnten. Allerdings ist auch hier der Aufwand erheblich,
sodass vorab eine Schwerpunktsetzung für die zu untersuchenden Produktgruppen
erfolgen sollte. Bei der Frage des Einsatzes zusätzlicher Informationen sind neben den
Aspekten der technischen Machbarkeit auch die Aspekte der Aufnahme- und Verarbei-
tungskapazitäten von Informa­tionen bei den Verbraucher/-innen selbst zu berücksichti-
gen. Je nach kognitivem Involvement (handelt es sich beispielsweise eher um Alltagsrou-
tinen wie bei Lebensmitteln oder um besondere Investitionen wie bei Haushaltsgeräten)
nutzen Verbraucher/-innen unterschied­liche Informationskanäle und Anlässe, um sich
zu informieren – und müssen dement­sprechend differenziert angesprochen werden.

Die vorgenannten Überlegungen sprechen klar dafür, Umweltzeichen nach ISO 14024
(Typ 1) wie das Umweltzeichen Blauer Engel beizubehalten. Die Vorteile gegenüber
Labels mit Ausweisung von CO2-Werten sind nachfolgend noch einmal für das Umwelt-
zeichen zusammen­gefasst (die Argumente gelten sowohl für den Blauen Engel als auch
sinngemäß für andere nationale Umweltzeichen und das europäische Umweltzeichen):

»» einfach zu verstehende und verlässliche Information für Verbraucher: Das mit


dem Umweltzeichen ausgezeichnete Produkt ist aus Gesamtumweltsicht deut-
lich besser als vergleichbare Produkte

»» Einbeziehung aller relevanten Umwelt- und Gesundheitsaspekte


Kommunikation des Product Carbon Footprint 55

»» Ableitung der Kriterien auf der Basis von Ökobilanzen und ökotoxikologischer
Bewer­tungen

»» anschließende Diskussion in einem Expertengremium

»» abschließender Beschluss in der „Jury Umweltzeichen“, in der die relevanten


gesell­schaftlichen Gruppen vertreten sind

»» zertifizierte Vergabe und Überprüfung der Kriterien für die mit dem Umwelt­
zeichen ausgezeichneten Produkte

Die Herausgeber dieses Leitfadens kommen auf Basis der bisherigen Erkenntnisse
und Erfahrungen zu dem Schluss, dass der numerische Wert des PCF kein sinnvolles
und zuverlässiges Instrument zur Produktkennzeichnung mit dem Ziel der Verbrau-
cherkommunikation ist.

Deshalb ist es auf absehbare Zeit nicht vorstellbar, eine wettbewerbsrechtlich trag-
fähige vergleichende CO2-Kennzeichung von Produkten mit dem numerischen Wert
zu realisieren. Dies gilt besonders für Lebensmittel, die momentan im Mittelpunkt der
CO2-Label-Diskussion stehen, aber auch für andere Konsumgüter.

In der Praxis können Verbraucher zudem mit Labels mit CO2-Ziffer wenig anfangen,

»» weil sie keinen Vergleichsmaßstab haben,

»» weil sich aus den Werten keine Handlungsempfehlungen für die wichtige Nut-
zungsphase ergeben,

»» weil die Bedeutung anderer Umweltaspekte unklar bleibt und

»» weil es eine zunehmende Verwirrung durch eine Vielzahl von Umweltlabels


gibt.

Deshalb lehnen auch die europäischen Verbraucherverbände Labels mit Ausweisung


von CO2 -Werten ab18.

Wenn Untersuchungen gezeigt haben, dass der PCF eine aussagefähige Größe in Bezug
auf die Umweltverträglichkeit einer Produktgruppe ist, sollte dieser eher in Umwelt-
qualitätssiegel oder andere anerkannte Umweltlabels (Typ 1 nach ISO 14024) integriert
werden. Statt neue Labels mit CO2-Ziffer mit beschränkter Aussagekraft einzuführen,
sollte eine verbrauchergerechte Kommunikation mit der Aufwertung bestehender
Umweltzeichen – wie dem Blauen Engel – erfolgen. Beim Umweltzeichen Blauer En-
gel werden die einbezogenen Produktgruppen derzeit erweitert, so dass es für die aus
Klimasicht wichtigsten einhundert Produktgruppen Vergabegrundlagen für den soge-
nannten „Klimaengel“ geben wird.

18 ANEC, BEUC, ECOS, EEB: Joint Position – Sizing up Product Carbon Footprinting, Brüssel 2009.
56 Kommunikation des Product Carbon Footprint

Jenseits der Produktkennzeichnung über Labels hinaus wird jedoch das Potenzial des
Product Carbon Footprint gesehen, eine tragfähige Grundlage für eine sinnvolle Pro-
duktkommunikation gegenüber Unternehmenspartnern und den Endkonsumenten
zu bilden. Gerade wenn auch andere Nachhaltigkeitskriterien der Produkte miterfasst
und bewertet werden, lassen sich auf Basis des PCF handlungsrelevante Botschaften für
die Verbraucher ableiten, die einen nennenswerten Beitrag für einen klimagerechteren
Konsum leisten können. Ein Beispiel sind die Handlungsempfehlungen im Bereich des
nachhaltigen Waschens, die gemeinsam von Herstellern, Verbraucher- und Umwelt-
organisationen sowie dem Umweltbundesamt abgeleitet und in der Vergangenheit
erfolgreich kommuniziert wurden.19

Die Herausgeber befürworten in diesem Sinne die Arbeit an glaubwürdigen Kommu-


nikationsformen jenseits der Produktkennzeichnung, die für die Klimarelevanz des
Konsums sensibilisieren und helfen, Reduktionspotenziale auf der Nutzungsseite der
Produkte zu erschließen. Dabei regen sie interessierte Unternehmen zu Initiativen an,
bei denen Unternehmenspartner, aber vor allen Dingen auch Anspruchsgruppen der
Unternehmen im Bereiche des Umwelt- und Verbraucherschutzes frühzeitig eingebun-
den werden, um damit die Akzeptanz, die Glaubwürdigkeit und die Wirksamkeit zu
steigern.

19 Mehr Informationen zur Initiative zur Förderung des nachhaltigen Handelns beim (Ab-)Waschen
finden Sie unter www.forum-waschen.de.
Perspektiven des Product Carbon Footprint 57

Perspektiven des Product Carbon Footprint

In den nächsten Jahren sollten folgende Aktivitäten durchgeführt werden:

»» zügiger Abschluss der internationalen Standardisierung (wie geplant)

»» wissenschaftliche Aufbereitung offener methodischer Punkte und Füllen von


Daten­lücken

»» Durchführung weiterer PCF-Analysen, unter Berücksichtigung der Empfehlun-


gen des Memorandums für PCF im Übergangszeitraum

»» transparente Dokumentation von PCF sowie begleitende Durchführung von Cri-


tical Reviews

»» besondere Hervorhebung von Reduktionen gegenüber dem Status quo, Umset-


zung und Erfolgskontrolle

»» Erarbeitung von Product Category Rules für besonders relevante Produkte

»» Identifizierung und Priorisierung von Produktgruppen, bei denen der PCF ein
guter Indikator zur Bewertung der Klima- und Umweltrelevanz ist

»» Arbeit an Kommunikationsformen jenseits von Labels, um für die Klimarelevanz


des Konsums zu sensibilisieren und Reduktionspotenziale auf der Nutzungsseite
zu erschließen
58 Glossar

Glossar

Aktivitätsdaten
Aktivitätsdaten bezeichnen alle Material-, Energie- und Transportmengen, die als Input
und Output im Produktlebenszyklus relevant sind.

Allokation
Die Allokation ist ein Zurechnungsverfahren, das zur Anwendung kommt, wenn bei
einem Prozess zwei oder mehr Produkte beteiligt sind und die ökologischen Aufwen-
dungen oder Belastungen auf die beteiligten Produkte verteilt werden müssen. Beispie-
le sind: Anbau von Weizen (Produkte: Weizenkörner und Stroh); Chloralkalielektrolyse
mit den Produkten Natronlauge, Chlor und Wasserstoff; Lkw, der mehrere unterschied-
liche Produkte transportiert.

Biosiegel
Das Biosiegel ist ein Prüf- und Gütesiegel, das Produkte kennzeichnet, die nach den
Richtlinien des ökologischen Landbaus erzeugt und verarbeitet werden. Ein Biosiegel
entspricht mindestens den Anforderungen der Europäischen Öko-Verordnung Nr.
834/2007, die Einhaltung der Kriterien wird durch die jeweils zuständige Öko-Kontroll-
stelle überwacht.

Business-to-Business (B2B)
Der aus dem Bereich des Marketings stammende Begriff bezeichnet Geschäftsbeziehun-
gen entlang der Wertschöpfungskette zwischen zwei oder mehr Unternehmen.

Business-to-Consumer (B2C)
Business-to-Consumer bezeichnet sämtliche Kommunikations- und Handelsbeziehun-
gen zwischen Unternehmen und Privatpersonen (Konsumenten).

Carbon Trust
Die seit 2001 existierende Carbon Trust ist eine von der britischen Regierung ins Leben
gerufene gemeinnützige Organisation. Sie berät Unternehmen und den öffentlichen
Sektor, um Strategien zur Minderung von àTreibhausgasemissionen zu entwickeln
und Umwelttechnologien zu fördern.

Critical Review
Ein Critical Review („kritische Begutachtung“) ist die Überprüfung oder Kommentie-
rung einer Ökobilanz oder eines PCF durch unabhängige Gutachter. Für normkonforme
Ökobilanzen ist die Art des Critical Review in der ISO-Norm 14040 Abschnitt 7.3.3 be-
schrieben.

Emissionsfaktor
Ein Emissionsfaktor stellt bei PCF das Verhältnis von àTreibhausgasemissionen zur ein-
gesetzten Menge eines Ausgangsstoffs (z. B. Benzin) dar, der in einem Prozess eingesetzt
wird (z.B. Treibhausgasemissionen von Heizöl bei der Wärmebereitstellung bzw. Hei-
zung).
Glossar 59

Energieeffizienzkennzeichnung
Die seit 1998 eingeführte verpflichtende Produktkennzeichnung auf Elektrogeräte,
auch als europäisches EU-Energie-Label oder Energieetikett bekannt, gibt Auskunft
über die relative Energieeffizienz der Produkte. Die Geräte werden danach in Energie-
effizienzklassen (A+++, A++, A+, A, B, C …) unterteilt.

Energy Star
Energy Star ist eine Produktkennzeichnung für energiesparende Haushaltsgeräte, elek-
tronische Geräte und Bauprodukte (wie Fenster oder Baustoffe). Der Energy Star wurde
von der Amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA), dem U.S. Department of Energy
(DOE) und Herstellern entwickelt. Seit 2001 wird das Energy-Star-Programm auch in der
EU eingesetzt und vom Energy-Star-Büro der Europäischen Gemeinschaft (EGESB) ver-
waltet.

Fair-Trade-Label
Der seit 1992 existierende gemeinnützige Verein TransFair vergibt das Fair-Trade-Label
an Produkte (überwiegend Lebensmittel) nach den Standards der Fairtrade Labeling
Organizations International (FLO). Die Standards setzen Kriterien zur Verbesserung
der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Produkten. Bisher werden Fair-Trade-Labels
hauptsächlich für landwirtschaftliche und kleingewerbliche Produkte sowie Textilien
eingesetzt.

Funktionelle Einheit
Die funktionelle Einheit beschreibt den Nutzen des untersuchten Produkts und die
Basis, auf die die Ergebnisse der Ökobilanz oder des PCF bezogen werden (Beispiele: Ver-
packung für 500 ml Mineralwasser; 1.000 kg gewaschene und getrocknete Haushalts-
wäsche; 100 km Pkw-Fahrt).

Global Warming Potential (GWP)


Die Treibhausgase (àTreibhausgasemissionen) werden anhand des Treibhausgas-
potenzials (engl.: àGlobal Warming Potential) in Kohlendioxid-Äquivalente (CO2-Äqui-
valente) umgerechnet, um eine Vergleichbarkeit und Verrechnung verschiedener
Treibhausgase zu ermöglichen. Das Treibhausgaspotenzial von Kohlendioxid wird da-
bei als 1 gesetzt.

Greenhouse Gas Protocol


Das Greenhouse Gas Protocol (GHP) ist eine in der Praxis weitverbreitete Richtlinie zur
Berechnung von àTreibhausgasemissionen von Unternehmen und Organisationen.
Das GHP wurde vom World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council
for Sustainable Development (WBCSD) 1998 entwickelt. Das GHG Protocol erfasst die
direkten Emissionen der unternehmerischen Kernbereiche (Scope 1) und die indirek-
ten Emissionen (z. B. zugekaufter Strom) (Scope 2). Seit 2008 wird das GHG-Protokoll
hinsichtlich zugekaufter Güter und Dienstleistungen (Scope 3) und einer produktbezo-
genen Richtlinie (Product Life Cycle Accounting and Reporting Standard) weiterentwi-
ckelt.
60 Glossar

International Reference Life Cycle Data System


Das International Reference Life Cycle Data System (ILCD) ist eine Datenbank, die im
Auftrag der Europäischen Kommission entwickelt wird. Die ILCD soll einheitliche und
überprüfte Ökobilanzdatensätze für ausgewählte Materialien und Prozesse enthalten.

Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)


Der 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der World Me-
teorological Organization (WMO) gegründete Zwischenstaatliche Ausschuss für Klima-
änderungen (engl.: Intergovernmental Panel on Climate Change) mit Sitz in Genf stellt
alle fünf Jahre einen Sachstandsbericht zu globalen Klimaveränderungen vor. Der IPCC,
auch Weltklimarat genannt, analysiert die Ergebnisse von wissenschaftlichen Veröf-
fentlichungen und bewertet die Folgen und Risiken der Klimaveränderung.

Koppelprodukt
Wenn bei einem landwirtschaftlichen chemischen oder technischen Prozess zwei oder
mehrere Produkte gleichzeitig entstehen, werden die entstandenen Produkte als Kop-
pelprodukte bezeichnet (Beispiel: Natronlauge, Chlor und Wasserstoff bei der Chlor-­
Alkali-Elektrolyse).

Life Cycle Assessment (LCA)


siehe àÖkobilanz

Ökobilanz
Eine Produkt-Ökobilanz20 (engl. àLife Cycle Assessment) erfasst und analysiert systema-
tisch die ökologischen Auswirkungen von Produkten während des gesamten Lebens-
weges („von der Wiege bis zur Bahre“). Dazu zählen die Umweltauswirkungen (wie
z. B. umweltrelevante Entnahmen aus der Umwelt sowie Emissionen in die Umwelt)
während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung des Produktes sowie
die damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozesse (z. B. Herstellung der Roh-
stoffe). Die Normenreihe DIN EN ISO 14040 ff. legt allgemeine Grundsätze für die Durch-
führung von Ökobilanzen fest.

Ökoeffizienzanalyse
Bei Produkten beschreibt die Ökoeffizienz das Verhältnis zwischen der Umweltaus-
wirkung eines Produkts bzw. einer Alternative und den damit verbundenen Kosten. Im
Gegensatz zur CO2-Effizienz oder Energieeffizienz werden hier mehrere Umweltauswir-
kungen zusammen betrachtet, sodass es notwendig ist, im ersten Schritt die Umwelt-
auswirkungen nach einem zu beschreibenden Bewertungsmodell auf einen Wert bzw.
eine Maßeinheit zu aggregieren.

PCF-Pilotprojekt Deutschland
Das PCF-Pilotprojekt wurde unter der Trägerschaft von THEMA1, Öko-Institut e. V.,
WWF, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Kooperation mit Unternehmen aus
dem produzierenden Gewerbe und dem Handel durchgeführt (www.pcf-project.de).

20 Im Vergleich z. B. zu einer Betriebsökobilanz, einer Verfahrensökobilanz oder Dienstleistungsökobi-


lanz.
Glossar 61

Ziel ist es, Praxiserfahrungen mit dem àProduct Carbon Footprint zu sammeln (Erstel-
lung, Reduktionspotenziale, Kommunikation) und die internationale Methodenent-
wicklung zu begleiten. Die erste Phase des PCF-Pilotprojekts wurde 2009 abgeschlossen,
die zweite Phase wurde 2010 begonnen.

Primärdaten
Unter Primärdaten versteht man bei Ökobilanzen und PCF die Daten, die direkt und
spezifisch bei einem Unternehmen oder Prozess erhoben bzw. gemessen werden (z. B.
Lösemittelemissionen aus einer bestimmten Lackierung). Die von den Primärdaten
abgeleiteten oder zusammengefassten Daten nennt man àSekundärdaten (Beispiel:
durchschnittliche Emissionen bei der Herstellung von Strom in Deutschland).

Product Carbon Footprint (PCF)


Der Product Carbon Footprint (sog. „CO2-Fußabdruck“) bezeichnet die Bilanz der
àTreibhausgasemissionen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts in einer
definierten Anwendung und bezogen auf eine definierte Nutzeinheit (Entwurf der
ISO 14067 „Carbon Footprint of Products“). Der PCF stellt ein geeignetes Instrument dar,
um Möglichkeiten der Reduzierung von àTreibhausgasemissionen von Produkten ent-
lang des gesamten Produktlebensweges zu ermitteln.

Product Category Rules (PCR)


Product Category Rules beschreiben einen Satz spezifischer Regeln, Anforderungen
und Richtlinien zur Entwicklung von Umwelt-Produktdeklarationen für ein oder meh-
rere Produktgruppen, die die gleiche Nutzeneinheit beschreiben. PCR stellen einen
konsistenten, international akzeptierten Ansatz zur Beschreibung des Produktlebens-
zyklus dar.

Produktbezogene Sozialbilanz
Bei der Erstellung einer produktbezogenen Sozialbilanz (Social Life Cycle Assessment
– SLCA) werden die sozialen Auswirkungen von Produkten über den gesamten Lebens-
weg analysiert und bewertet.

Produkt-Nachhaltigkeitsanalyse (PROSA)
Bei PROSA handelt es sich um eine vom Öko-Institut e. V. entwickelte und an Fallbeispie-
len erprobte Methode zur integrierten Analyse und Bewertung ökologischer, sozialer
und ökonomischer Aspekte von Produkten, Produktportfolios und Dienstleistungen
(siehe www.PROSA.org).

Prozessnetz
Das Prozessnetz beschreibt die für die Bilanzierung eingesetzten Materialien, Aktivitä-
ten und Prozesse, die zu den einzelnen Lebenszyklusphasen eines Produktes gehören.

Public Available Specification (PAS) 2050


Der PAS 2050: „Specification for the assessment of the life cycle greenhouse gas emissions of
goods and services“, wurde vom British Standards Institution (BSI), dem britischen Um-
weltministerium (defra) und dem Carbon Trust entwickelt und im Oktober 2009 veröf-
fentlicht. Er liefert eine methodische Grundlage für die Erfassung des àProduct Carbon
62 Glossar

Footprint und basiert, abgesehen von spezifischen Modifikationen, überwiegend auf


der Ökobilanznorm ISO 14040.

Scope
Der Scope beschreibt das Ziel und den Untersuchungsrahmen für die Erstellung einer
Ökobilanz oder eines PCF (vgl. ISO 14040). Er definiert die Bereiche der zu erfassenden
Treibhausgasemissionen im Rahmen eines Produktlebenszyklus und beschreibt, welche
Prozesse in die Untersuchung mit einbezogen werden. Imà Greenhouse Gas Protocol
bezieht sich der Begriff auf drei unterschiedliche Erfassungsbereiche (Scope 1, 2, 3).

Sekundärdaten
Unter Sekundärdaten versteht man bei der Ökobilanz oder PCF-Daten, die aus àPrimär-
daten abgeleitet oder zusammengefasst werden (Beispiel: durchschnittliche Emissio-
nen bei der Herstellung von Strom in Deutschland).

Top-Runner-Ansatz
Als Top-Runner-Ansatz wird ein produktpolitischer Ansatz verstanden, der auf die
Durchdringung des Marktes mit der umweltverträglichsten bzw. ressourcen- und/oder
energieeffizientesten Technologie abzielt. Für seine Umsetzung stehen unterschied-
liche Instrumente zur Verfügung. Der Top-Runner-Ansatz wurde erstmals in Japan ein-
gesetzt bzw. als solcher benannt.

Treibhausgasemissionen
Treibhausgase sind Stoffe, die zum Treibhauseffekt beitragen. Das bekannteste und
wichtigste Treibhausgas ist Kohlendioxid. Beispiele für weitere Treibhausgase sind
Methan oder Lachgas. Gasförmige Stoffe in der Atmosphäre, die zum Treibhauseffekt
beitragen- werden als Treibhausgasemissionen bezeichnet. Treibhausgas-Emissionen
bezeichnen dabei diejenigen Gase, für die der Weltklimarat das àTreibhausgaspoten-
zial bestimmt hat.

Umweltzeichen Blauer Engel


Das Umweltzeichen Blauer Engel ist ein Prüf- und Gütesiegel, das 1978 vom Bundesmi-
nister des Inneren und den für Umweltschutz zuständigen Ministern der Bundesländer
ins Leben gerufen wurde. Es wird nach bestimmten Kriterien von der unabhängigen
Jury Umweltzeichen (Vertretern aus Umwelt- und Verbraucherverbänden, Industrie,
Wissenschaft etc.) für umweltschonende Produkte vergeben. Seit Ende 2008 wird der
Blaue Engel mit Schwerpunktsetzungen („Cluster“) auf Klima, Wasser, Ressourcen und
Gesundheit vergeben.
Weiterführende Literatur und nützliche Links 63

Weiterführende Literatur und nützliche Links

Literatur

ANEC, BEUC, ECOS, EEB: Joint Position – Sizing up Product Carbon Footprinting, Brüssel
2009

British Standard Institution (BSI), Public Available Specification [PAS] 2050 „Specification
for the assessment of the life cycle greenhouse gas emissions of goods and services“,
2008

Bundesumweltministerium, Umweltbundesamt, Öko-Institut: Memorandum Product


Carbon Footprint – Positionen zur Erfassung und Kommunikation des Product Carbon
Footprint für die internationale methodische Standardisierung und Harmonisierung,
Berlin 2009

Thema 1 (Hrsg.), „Product Carbon Footprinting – ein geeigneter Weg zu klimaverträg-


lichen Produkten und deren Konsum?“, Ergebnisbericht des PCF-Pilotprojekts, Berlin
2009

Umweltbundesamt: Die CO2-Bilanz des Bürgers, Dessau 2007

Links

www.blauer-engel.de
www.bsigroup.com/en/Standards-and-Publications/Industry-Sectors/Energy/PAS-2050/
www.energystar.gov
www.environdec.com (zu Product Category Rules)
www.forum-waschen.de
www.ghgprotocol.org
www.iso.org
www.pcf-project.de
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen
Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen ...“

Grundgesetz, Artikel 20 a

BESTELLUNG VON PUBLIKATIONEN:

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)


Postfach 30 03 61
53183 Bonn
Tel.: 0228 99 305 -33 55
Fax: 0228 99 305 -33 56
E-Mail: bmu@broschuerenversand.de
Internet: www.bmu.de

Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum
Verkauf bestimmt. Gedruckt auf Recyclingpapier.

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