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FRANKFURTER ISRAELITISCHES
GEMEINDEBLATT
Die an einer Stelle 4) auftretende Erzählung von dem Pro¬ seinem Gespräch mit den Sodomitern, wie es die Bibel erzählt,
pheten Idris, der von Gott „an einen hohen Ort erhoben" hat Muhammed die Darstellung eines warnenden Gottesboten
worden sei, bezieht die islamische Tradition ohne nachweis¬ gemacht. 10) Die Erzählung stimmt im allgemeinen mit dem
baren Grund auf den biblischen H e n o c h, der ja in den biblischen Bericht überein; entsprechend dem in der Bibel er¬
Himmel entrückt wurde. haltenen Gespräch ist der Hauptinhalt der Predigt Lots an die
An zahlreichen Stellen des Korans wird die Geschichte von Sodomiter eine Warnung wegen ihrer Perversion. Auch die
Noah erzählt. Unter anderem ist ihm die 71. Sure gewidmet, Anbietung der Töchter anstatt der Gottesboten (Gen. 19, 8) wird
die davon ihren Namen trägt. Diese Sure schildert zunächst berichtet. Daß bei der Zerstörung der Städte Lots Weib run¬
die Predigt, mit der Noah sein „Volk" wegen ihrer Sünden kommt, wird von den Boten vorhergesagt. Von der Zerstörung
warnte; doch blieben sie hartnäckig und wollten -nichts hören. wird im Anschluß an einen biblischen Ausdruck (Deut. 29, 22)
Noah beklagt sich bei Gott, worauf die Menschen ersäuft und mehrfach in der Weise gesprochen, daß das Oberste zu unterst
ins Feuer geführt wurden. Die Sure schließt mit einem Gebet gekehrt wird. Die Zerstörung selbst geschieht teils durch
Noahs. An anderer Stelle 5) wird gesagt, daß Noah 1000 Jahre Regen — offenbar in Verwechslung mit der Sintflutsage —,
weniger 50 unter seinem Volke verweilte, und zwar offenbar teils durch einen Wirbelwind, teils durch große Steine, die die
vor der Sintflut. Nach der Bibel aber lebte Noah dm ganzen Ungläubigen treffen.
950 Jahre. Von der Arche ist oft andeutungsweise die Rede; Von Jakob weiß der Koran nur, daß er seine Söhne auf
die Flutgeschichte selbst Avird6) ausführlich erzählt. Noah baut dem Totenbette versichern ließ, daß sie seinem Gott treu
die Arche auf Befeld Gottes: die Ungläubigen, die das sehen, bleiben werden. 11) An anderer Stelle 12) wird von einem Bund
verspotten ihn. Auf Gottes Geheiß bringt Noah von allem ein Gottes mit den Israeliten gesprochen und dabei zwölf Führer
Pärchen in die Arche: einer seiner Söhne glaubt sich auf einem des Volkes erwähnt, die offenbar mit den Söhnen Jakobs
Berge vor dem Wasser schützen zu können, ertrinkt abei. Nach¬ identisch sind.
dem die Arche auf einem Berge zum Stehen gekommen ist,
bittet Noah wegen dieses Sohnes um Verzeihung, welche Gott Am ausführlichsten wird die Josefsgeschichte be¬
dadurch gewährt, daß er den Sohn nicht zu Noahs Familie handelt:-ihr ist die ganze 12. Sure gewidmet, die auch Josefs
rechnet. Darauf verläßt Noah mit den Seinen die Arche. An Namen trägt. Für die Umgestaltung "durch Muhammed können
anderer Stelle wird von Noahs Weib als einer Sünderin ge¬ hier nur einige Beispiele gegeben Averden. Die Brüder Josefs
sprochen. fordern Jakob auf. Josef mit ihnen zum Spielen auf das Feld
Abraham nimmt unter den im Koran erwähnten bibli¬ zu schicken. Jakob fürchtef. daß ein Wolf ihn fressen werde;
schen Persönlichkeiten eine besondere Stellung ein: nach ihm sie aber verbürgen sich für seine Sicherheit. Abends, nachdem
heißt die 14. Sure. In der mekkanisehen Zeit werden einzelne Ge¬ sie ihn in die Zisterne geworfen haben, bringen sie dem Vater
schichten von ihm nach Bibel und Midrasch berichtet; seit dei das mit Blut gefärbte Hemd: dieser aber glaubt, sie hätten den
Prophet aber in Medina zu den dort, lebenden Juden in scharfen Tod Josefs erdichtet, Später in der Episode mit Potiphars
Gegensatz getreten ist. wird Abraham für ihn der Stifter der Frau ergreift die Frau das Hemd des Fliehenden und zerreißt
wahren Urreligion. die Muhammed erneuert und die die Juden es hinten. Daran erkennt Potiphar. daß sie der schuldige Teil
verleugnet haben. Insbesondere erseheint Abraham ais der Be¬ ist. weil das Hemd hinten nur auf der Flucht zerrissen worden
gründer des Kultes der Kaaba, der großen Moschee in Mekka sein kann. Die Frau kommt ins Gerede und lädt alle Weiber
mit dem eingemauerten schwarzen Stein, die das Zentralheilig¬ der Stadt ein. um ihnen Josef vorzuführen; wie sie ihn sehen,
tum des Islam und bis heutigen Tages das Ziel der alljährlichen schneiden sie sich beim Essen vor Erstaunen mit den Messern
Wallfahrt bildet, nach der sich auch der Muslim im Gebet hin¬ in die Hände und halten Josef für einen Engel. Frau Potiphar
wendet und auf die hin sämtliche islamischen Moscheen so sieht sich gerechtfertigt und droht Josef mit dem Gefängnis,
orientiert sind wie unsere Synagogen nach Misrach. Diese falls er ihr nicht zu Willen ist; er aber bleibt standhaft und
Dinge hier weiter auszuführen, liegt außerhalb unseres Themas-, kommt ins Gefängnis. Nun geht es weiter wie in der Bibel. Die
ebenso müssen wir die Geschichten von Abraham. Nimrod und Träume Pharaos 13) deutet Josef dem Schenken, der ihn im
dem feurigen Ofen, von der Gottesverehrung. zu der Abraham Kerker besucht. Pharao schickt darauf einen Boten ins Ge¬
nach vorheriger Gestirnverehrung gelangt, oder von der Zer¬ fängnis, um Josef an den Hof zu holen: er aber vermutet eine
trümmerung der Götzen seines Vaters, die aus dem Midrasch List der Frauen, die sich bei Frau Potiphar in die Hände ge¬
stammen, programmgemäß übergehen. schnitten hatten, und läßt den Boten zunächst mit der Frage
Daß Abraham sich von seinem Vater lossagte, weiß auch zurückkehren, was jene Frauen -vorhatten. Da die Sache nun
der Koran. Der Name des Vaters ist Asar. offenbar eine Ver¬ dem König kund wird, muß Frau Potiphar abermals gestehen.
wechslung mit Abrahams Knecht Elieser. Als seine Söhne Josef kommt nun vor den König und wird zum Ernährungs¬
werden mehrfach Isaak und Jakob bezeichnet: doch kennt der minister gemacht. Die Geschichte mit den Brüdern Josefs, die
Koran auch Ismael als Abrahams Sohn. Von den biblischen um Getreide nach Aegypten kommen, geht mit mancherlei Ver¬
Geschichten über Abraham erscheint zunächst") der B u vid wechslungen vor sich. Die Verhaftung Simons auf der ersten
zwischen den Opferstücken (Gen. 15). allerdings .in seltsamer Reise fehlt: doch fordert Josef die Brüder auf, ihren Bruder
Entstellung. Statt daß wie in der Bibel drei Säugetiere zer¬ (Benjamin) zu bringen. Als sie mit ihm kommen, nimmt .Josef
teilt und zwei unzerteilte Vögel dazugelegt werden, nimmt •ihn beiseite und gibt sich ihm zu erkennen. Dann folgt die
Abraham im Koran vier Vögel, von denen er „auf jeden Berg" Geschichte mit dem Becher. Rüben (!) schickt die übrigen
ein Stück legt. Wenn Abraham sie ruft, werden sie zu ihm allein zurück zu Jakob; wie sie ihm berichten, klagt er erneut
kommen, zum Zeichen, daß Gott die Toten erwecken kann (!). um Josef und befiehlt den Söhnen. Josef und seinen Bruder zu
Die Opferung des Sohnes erzählt der Koran 8) ohne Nen¬ suchen. Dann folgt die Erkennungsszene. Die Söhne kehren
nung eines Namens. Dies gab den Muhammedanern die Mög¬ zu Jakob mit Josefs Hemd zurück, das er am Geruch erkennt
lichkeit, die Erzählung auf Ismael zu beziehen, den bei ihnen (dieser Zug aus der Geschichte von Jakob und Esau vor Isaak!);
bevorzugten Sohn Abrahams, umsomehr als an der betreffenden man wirft es ihm übers Gesicht so daß er sein Augenlicht
Stelle die Ankündigung der Geburt Isaaks mit ausdrücklicher wieder erhält, Josef nimmt seine Eltern bei sich auf und setzt
Namensnennung unmittelbar auf die Opferungsgesehichte folgt. sie auf den Thron, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß so sein
Die Opferung wird Abraham nach dem Koran im Traum be¬ eigener Traum (Gen. 37, 9—10) in Erfüllung gegangen ist. Mit
fohlen, zu einer Zeit, da der Sohn das arbeitsfähige Alter er¬ einem Gebet Josefs schließt die Geschichte.
reicht hat. Er teilt dem Sohn den Traum mit. der sich mit ihm Der letzte große Sagenkreis, der aus der Bibel in den Koran
in Gottes Willen ergibt. Die Unterbrechung der Opferhandlung übergegangen ist, betrifft Mose s; von nachmosaischen Persön¬
berichtet der Koran ohne Anführung von Einzelheiten: nur daß lichkeiten sind nur wenige und auch diese nur recht kurz be¬
ein Ersatzopfer stattfindet, wird erwähnt. Das Erscheinen der handelt. Die Mosesgeschichten kehren mit so viel Einzelheiten
Boten Gottes bei Abraham und ihre Bewirtung wird mehr¬ und an so vielen Stellen wieder, daß hier nur eine sachlich
mals 9) ausführlich erzählt. Besonderer Wert, wird auf den Zwei¬ geordnete Auswahl geboten werden kann. Die Geburts¬
fel an der Ankündigung Isaaks erwähnt, der einmal von Ab¬ geschichte 14) enthält alle wesentlichen Züge der Bibel; ebenso
raham, ein anderes Mal von seiner (ungenannten) Frau ge¬ weiß der Koran von dem Aegypter, den Moses erschlug, seiner
äußert wird; auch die Lachszene mit Sara (Gen. 18. 12—15) Flucht nach Midian und der Tränkung der Herden Jitros. Er
wird ausführlich beschrieben. Auch an anderer Stelle zeigt erhält eine der Töchter Jitros gegen achtjährige Dienste zur
Muhammed sich mit dem Umstand bekannt, daß Abraham erst Frau (aus der Jakob-Laban-Geschichte!). Daß den Anlaß zu
in hohem Alter Kinder bekam. Daß die Boten Abraham den Moses Errettung durch das Aussetzen im Wasser auf Pharaos
Untergang Sodoms verkünden und daß Abraham- für die Sünder Befehl zur Tötung der Knaben zurückzuführen ist, wird eben¬
bittet, ist auch dem Koran bekannt. falls berichtet; dieser Befehl Pharaos wird auch sonst an zahl¬
Eine, eigene Rolle als Prophet spielt L o t im Koran. Aus reichen Stellen zum Beweis von Pharaos Unglauben erwähnt.
<) Sure 19 v. 57—58. 10) Suren 7, 11, 15,26, 27, 29, 54.
°) Sure 29 r. 13. ") Sure 2 v. 126—27.
6) Sure 11 v. 27—50. 12) Sure 5 v. 15.
7) Sure 2, 262.
8) Sure 37 v. 96—111. *3) In der Sure heißt er stets „der König"; daß es sidi um einen
9) Suren 11, 15, 51. .Pharao" von Aegypten handelt, ist Muhammedunbekannt
14) Sure 20, 38—42;28, 6—28.
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einen Tag geschlafen zu haben glaubt, wird von der naeh- sie sich auf die im Koran genannten Personen beziehen, auf¬
koranischen Tradition auf Esra bezogen: vgl. Nehem. 2,12 ff. In' genommen; in späteren Jahrhunderten hat sich auf diese Weise
demselben Koranvers findet sich eine Anspielung auf die Wie¬ die ..Prophetengeschichte" als eigene Gattung der islamischen
derbelebung toter Gebeine, wohl eine Erinnerung an Ez. 37. Literatur entwickelt. Interessant ist, daß manche der iflamdschrn
Schließlich'wird auch Hiob mehrmals 48) im Koran erwähnt; Prophetengeschichten ihrerseits auf das Judentum zurücK-
von seiner Geschichte werden nur die Hauptpunkte berichtet, gewirkt haben; so finden wir z. B. im Sefer ha-Jaschar, dem
im wesentliche]! in Uebereinstinunung mit der Bibel. bekannten Legendenbuch 50), biblische Erzählungen, die deutlich
Damit äst der Kreis der im Koran genannten biblischen Per¬ islamischen Einfluß zeigen.
sönlichkeiten erschöpft In nachkoranischer Zeit hat der Islam
noch zahlreiche weitere 'biblische Legenden, besonders soweit. so)Neuere Ausgabev. Lazarus GoldsdimiiH;Berlin 1923.
Die Klage, die WTeh-Klage, das Lied des Leides, das laute Dein Geist die Fesseln der Macht. Der Kampf des Geistes gegen
Weinen, der fassungslos, hemmungslos ausbrechende Schmerz, die Uebermacht der Massen, das war Deine Geschichte, das ist
das wilde Weil der Verzweiflung bis in seine letzten, lallenden Dein Schicksal, das ist der Sinn Deines Daseins, das ist Dein
Laute, seine schluchzenden Stöße, das war K u 11 u r der Antike, Anrecht auf die Zukunft. Das ist Deine Aufgabe in der Mensch¬
das war Religion der Antike, das war Kunst der Antike. heit,
Immer wieder hat es den Anschein, als sei Dein letztes
Der griechische Kriegsgott Ares, als er verwundet wird,
erhebt bei Homer seine fürchterliche Stimme zum Gebrüll von Stündlein angebrochen. Immer wieder will die Mehrheit, will
zehntausend Stieren. die Masse gleichgültig, oder gar, wenn nicht gefühllös, über¬
heblich über Dich hinweg.
Der Priester Laokoon, als ihm, zur Strafe dafür, daß
er die Trojaner vor dem Danaer-Geschenk des hölzernen Pferdes Immer wieder geschieht ein Wunder:
warnen wollte: Vorgestern waren es die M ak k ab ä e r, die paar Leutchen,
..Was es auch sein mag, ich fürchte die Danaer, selbst, deren Heldentum gegen alle Wahrscheinlichkeit, gegen allen
wenn sie Geschenke bringen/' — Verstand und alle Voraussicht der Weltgeschichte eine andere
Richtung gab.
der Priester Laokoon, als ihn und seine beiden Söhne zwei
Riesen-Giftschlangen umzingeln und beißen, schreit und weint Gestern, unmittelbar vor der zweiten Zerstörung des jüdi-*
wild auf. Sein Priesterstand verbietet ihm nicht das schreiende sehen Staates, war es ein Mann ohne die geringste äußere
Weinen. Macht, der der Geschichte eine neue Wendung gab, indem
er den siegreichen römischen Imperator bat, den Imperator, an
Ja, eine ganze griechische Tragödie, und keine der schlech¬ dessen Macht und Triumph noch heute in Rom der Triumph¬
testen, erzielt ihre erschütterndste Wirkung auf der Bühne
bogen des Titus erinnert, indem er den Imperator ganz be¬
durch die immer wieder aus der Stille einer einsamen Insel scheiden bat — und die Bitte erfüllt bekam — außerhalb Jeru¬
hervorbrechenden Schmerzensschreie eines von seinen Kriegs¬
salems, irgendwo im Lande — eine Schule gründen zu dürfen.
kameraden ausgesetzten unheilbaren Kranken, des mit Aussatz Dieser Mann ist R a b b i Joe h a n a n b e n S a k k a i. Ohne
heimgesuchten unsichtbaren P h i 1o k t e t. ihn-wären wir nicht mehr da!
Und so haben wir heute abend soeben von einem deutsch¬ Immer wieder, wenn alle Ausgänge versperrt erscheinen,
jüdischen Dichter unserer Tage, von Stefan Zweig, neu geschieht ein Wunder:
gefaßt, und in deutsche Worte gekleidet, die gewaltigste Klage Spanien wird um 1492 geschlossen. In demselben Jahr
an unser Ohr schlagen hören — gesehen haben wir niemand —
wird, gegen alle Voraussicht der Mehrheit, A m e r i k a ent¬
die gewaltigste Klage, die religiöse Dichtung der Juden, ja
deckt und eröffnet, ein ganzer Erdteil, den Juden unbegrenzte
wohl religiöse Dichtung überhaupt, aufzuweisen hat: Die
Möglichkeiten geistiger und kultureller Entfaltung.
Klage des Jereinia, des Jeremia, dessen Name in die
Welt-Literatur eingegangen ist als Ueberschrift für alles, was Gleichzeitig steigt der Staat der Türken zu einer vorher
jemals religiöse Dichtung an hochgestimmter, wuchtiger, Erde nicht geahnten Machtfülle auf, und aus den verfolgten spani¬
und Himmel erbeben machender Wehklage hervorzubringen im¬ schen Juden werden die hochgeachteten türkischen Spaniolen,
stande war! aus deren Reihen einer sogar ein selbständiges jüdisches Für¬
Heute abend, zur Feier eines Festes der Freude, ein stentom geschaffen hat.
Motiv der Klage? Die jüdische Ueberlieferung will und verlangt, So geschahen Wunder für unsere Väter, so geschehen Wun¬
daß auch in der Stunde der Freude das Gedenken nicht fehle der für uns. „In jenen Tagen bis in diese Zeit".
an Leid und Schmerz und Not. So wollen wir fernbleiben dem A uch 1938 können W under g e s c Ii e Ii en ! Wir
Uebermut, der Unbesonnenheit! So sollen wir uns hüten, durch müssen nur den Mut haben, sie nicht abzulehnen! Wir müssen
allzu selbstsichere Einschätzung das Schicksal herauszufordern. nur den Mut haben, sie zu wollen! Und daß wir, in unserem
Aber nun zu C-hanukka! Zum Weihefest! Was ist sein Kreis des P h i 1a n t h r o p i n s , jener Schule, die vor 128 Jah¬
Sinn? Es ist der T r i u m p h , es ist das Wunder der Min¬ ren zu gründen — mit einem einzigen Schüler zu gründen! —
derheit! Das Weihefest sagt uns: Die Mehrheit mag ein 24jähriger Kaufmann, .Siegmund Geisenheimer, den Mut hatte,
lärmen und glänzen und blenden. Sei es unter dem Adler des im Vertrauen auf die „Aufgehende Morgenröte" der Aufklärung
Zeus, oder der vergotteten römischen Imperatoren, sei es unter und der Humanität, daß wir hier in unserem Kreis den Mut
dem Kreuz, dem Halbmond, dem Hakenkreuz oder dem Sowjet- haben, auch in diesen traurigsten Zeitläuften der Weltpolitik
Stern! Je größer die Mehrheit wird, desto mehr hat sie Recht, und der Weltwirtschaft zu arbeiten, froh zu arbeiten, und. der
nur weil sie groß ist. Jugend mit Freude zu dienen, von ganzem Herzen, von ganzer
Seele und mit aller Kraft, das möge Ihnen der heutige Abend
Du aber, so unscheinbar und klein und verborgen Du da¬ beweisen, an dem sich Ihre Wünsche und unsere Wünsche ver¬
stehst, fürchte Dich nicht! Wie David gegen Goliath, so bricht einen in der Bitte:
*) Mit der Veröffentlichungdieser Ansprachewird einem vielfachge¬ Unser Gott und Gott unserer Väter: Segne und beschütze
äußerten Wunschentsprochen. Schriftleitung. und erhalte unsere Jugend, die Zukunft unserer Gemeinschaft!
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geboten, daß die Bäckerei nur Mazzen von hervorragender Be¬ der neuesten populärwissenschaftlichen und Unterhaltungs¬
schaffenheit liefert, so daß die Gemeindemitglieder keine literatur, regen Gebrauch zu machen. Auch Bücherspenden
Veranlassung haben, ihre Mazzen von auswärts zu beziehen. sind erwünscht.
Vermehrter Umsatz wird sich auch auf die Gemeindefinanzen B ü c h e r a u s 1e i h e :
günstig auswirken und daher mittelbar den Gemeindemitglie¬ Montag bis Donnerstag 12—13 und 16—17 Uhr:
dern zugute kommen. Es wird dringend gebeten, den Bedarf Freitag und Sonntag 12—13 Uhr.
nur aus der Gemeindebäckerei zu decken. (Vgl. auch die An¬ Lesezeiten: September bis März:
zeige in dieser Nummer.)
Samstag und Sonntag 10K—13. 15 K—18 Uhr;
Bestellungen werden in der Mazzenbäckerei, Heidestr. 79 Dienstag und D o n n e r s t a g 19—21 Uhr;
(1. Benjamin) und in den unter Aufsicht der Ritualkommission
Freitag nach Schluß des Gottesdienstes bis 19 Uhr.
stehenden Bäckereien entgegengenommen. (Vgl. auch die
Anzeige in dieser Nummer.)
Zuwendungen
Bekanntmachungen des Friedhofsamtes Das G e m e i n d e a r c h i v erhielt von Frau Direktor Ed.
Grabsteine Oppenheim ein Bildnis, von Herrn Emil Carl Oppenheimer drei
Dokumente zum Geschenk.
Auf unseren Friedhöfen, insbesondere auf den Friedhöfen
an der Rat-Beil-Straße und in Bockenheim, befinden sich eine
Anzahl Grabsteine, die nicht mehr standsicher sind, so daß Sdiluss der amtlidien Anzeigen
sie umzustürzen drohen. Die Verfügungsberechtigten sind haft¬
pflichtig und werden aufgefordert, die Standsicherheit der
Denksteine einer Nachprüfung zu unterziehen und die erfor¬
derlichen Maßnahmen schnellstens in die Wege zu leiten. So¬ Jüdische Chronik
weit dieser Aufforderung nicht entsprochen wird, müssen die
nicht standfesten Grabsteine durch das Friedhofsamt umgelegt
werden.
Meldung von Sterbefällen Deutschland.
Bei vorkommenden Sterbefällen ist »umgehende Benachrichti¬
gung des Friedhofsamtes (Fernspr.-Sammelnummer Zepp. 52041) Berlin. Im Hinblick auf die immer mehr um sich greifenden A u -
erforderlich. Soweit die behördlichen Formalitäten (ärztlich ausgefüllter griffe ii u f j ii di.se Ii e G e s e k Ufte hat der Reichsmiuister des
Todesschein, Anmeldung beim zuständigen Polizeirevier und Standesamt) rnnern verfügt, dal? ..gegen solche Störungen der öffentlichen Ordnung
nicht von den Hinterbliebenen erledigt werden können, wird dies auf die Polizei auf Grund ihrer allgemeinen Befugnisse zum Einschreiten
Wunsch vom Friedhofsamt besorgt. Die Vorlage dieser Dokumente ist berechtigt und verpflichtet sei". Diese Verordnung bezieht sich nicht
Vorbedingung für die Festsetzung der Beerdigung. nur auf tatsächliche Angriffe auf jüdische Geschäfte, sondern auch auf
Friedhofsgärtnerei Aufreizungen zum Boykott jüdischer Firmen. — Der P r e u ß i s e h e
Landtag lehnte die von den Nationalsozialisten eingebrachten An¬
Das Friedhofsamt der Israelitischen Gemeinde ist durch die mit allen
träge auf Entfernung aller Juden von den Staatstheatern und Staats¬
neuzeitlichen Anlagen ausgestattete Friedhofsgärtnerei in der Lage, sämt¬ kapellen, vom Rundfunk und von den Rundfunk-Beiräten ab; dagegen
liche vorkommenden gärtnerischen Arbeiten auf den Fried¬
nahm er den ebenfalls von den Nationalsozialisten gestellten Antrag an.
höfen der Gemeinde auszuführen. Es übernimmt die Neubepflan- das Staatsmiiiisterhim zu beauftragen, dem Landtag alsbald eine genaue
zung der Grabstätten mit Efeu, Sedum, Immergrün und Blumen,
Aufstellung aller bei den Staatstheatern und Staatskapellen beschäf¬
sowie deren dauernde und jähr weise Pflege. Fachmännische
tigten Ausländer, sowie aller derjenigen vorzulegen, die die deutsche
Beratung und Kostenberechnungen werden gebührenfrei durch die Fried¬
Staatsangehörigkeit erst nach 1918 erworben haben. — Am 8. 1. tagte
hofsgärtnerei, Eckenheimer LandstraGe 238 (Fernspr. Zeppelin 52041 und
unter dem Vorsitz von Dr. Siegfried Moses der Landesverband der
52042) oder durch das Gemeindebüro, Fahrgasse 146, Zimmer 37 (Fernspr.
,,Z i o n i s t i > c Ii e u V e r e i u i g u n g für Deutschland"; an dem¬
Hansa 27544) zur Verfügung gestellt.
selben Tage hielt auch das Landeskoiniteo des ..\V e 1 t v e r b a n d e s
Die Gemeindemitglieder werden gebeten, sich bei Bedarf an Topf¬ für S a b b a t Ii s c: h u t z" eine Sitzung ab. Ebenfalls am 8. 1. fand
pflanzen und Schnittblumen der auf den Friedhöfen befind¬ der Delegiertentug der revisionistischen Gruppe innerhalb der
lichen Verkaufsstellen zu bedienen. Nähere Auskunft erteilen die Pfört¬ deutschen Zionisten statt. — Au Stelle Professor Sobernheim's wurde
ner. Mit Rücksicht auf das Verkaufsverbot am Sonntag werden die Fried¬ Professor Eugen M i 11 w o c h, der Direktor des orientalischen Seminars,
hofsbesucher gebeten, ihre Blumenbestellungen bis spätestens Freitag zum Berater des Auswärtigen Amtes in jüdisch-politischen Dingen im
nachmittag in der Friedhofsgärtnerei aufzugeben. Ehrenamt ernannt. — Kurz nach Vollendung seines 75. Lebensjahres starb
Auf-dem neuen Friedhof an der Eckenheimer der um die Rechtswissenschaft und Rechtspflege hochverdiente Geheime
Landstraße werden laut Ge m e i ndebesch1uß alle iustizrat Dr. Albert P i n n e r. Ehrendoktor der dortigen Universität. —
Im Alter von 6t Jahren verstarb in Berlin Legationsrat Professor Dr.
gärtnerischen Arbeiten in eigener Regie des Fried¬
Moritz Sobernheim. Ein Schüler Sachaus war er. ein Orientalist
hofsamtes der Gemeinde ausgeführt.
von Weltruf, sein hauptsächlichstes Arbeitsgebiet die semitische Epi-
Oeffnungszeiten der Friedhöfe graphik, für die er Materialien auf seinen mannigfachen Reisen nach
Die Friedhöfe an der Rat Beil-Straße und an der Ecken¬ Syrien und Palästina und während der von der preußischen Regierung
iii Baalbeck veranlaßten Ausgrabungen sammelte. Seine wissenschaft¬
heimer Landstraße sind in der Zeit vom 1. November 1932 bis lichen Verdienste im Verein mit grofien gesellschaftlichen Verbindungen
15. Februar 1933 von l¥i bis 17 Uhr geöffnet. — Freitags wird machten sein Haus zum Mittelpunkt der Berliner Orientalisten, und so
wurde er. der ganze Jude und ganze Deutsche, sowohl von großen,
eine Stunde vor Beginn des Sabbats geschlossen. Samstags und namentlich jüdischen wissenschaftlichen und Hilfsorganisationen, wie der
an den jüdischen Feiertagen sind die Friedhöfe geschlossen. ..Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft", dem ..Deutsch-Israelitischen
Gemeindebund" und der ..Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft
Gedächtnislichter des Judentums", an die Spitze, später von der preußischen Regierung
zum Referenten für jüdisch-politische Angelegenheiten in das Auswärtige
Zum Andenk e_n an Verstorbene können in den Gemeinde¬ Amt berufen. Sein unerwartetes Hinscheiden bedeutet einen schweren
synagogen Gedächtnislichter gebrannt werden. Die im Voraus zahlbaren Verlust für Deutschtum und Judentum. — In den letzten Wochen und
Gebühren betragen: Monaten fanden' in vielen Städten, vor den vers<hiedensten christlichen
tür ein Licht am Jahrzeit s tag Rm. 1.—
Personenkreisen und Berufsgruppen, aufklärende Vorträge durch den
für ein Licht während des Trauerjahres (11 Monate und am Centrai-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens statt,
ersten Jahrzeitstag) Rm. 75.— die überall lebhaften Widerhall fanden. — Sauitätsrat Dr. Simon
für ein ewiges Licht am Jahrzeitstag Rm. 100.— S c h e r b e 1 - Lissa. Verfasser bekannter populär-medizinischer Werke
für ein ewiges Licht am Jahrzeitstag einschließlich Ver¬ und des Buches .Jüdische Aerzte" beging am 27. Januar sein 5üjühriges
richtung des Kaddischgebets Rm. 200.— (Goldenes) Doktor-Jubiläum in seiner Heimatstadt Lissa i. P. Die
Berliner Universität überreichte ihrem ehemaligen Schüler aus diesem
Sprechstunden der Gemeinderabbiner Anlaß eine Ehrenurkunde. — In den früheren Räumen des Hospitals in
der Oranienburger Straße hat die Jüdische Gemeinde zu Berlin das erste
Dr. Hoffmann, Börneplatz 16, Fernspr. Hansa 22024, zentrale jüdische Jugendheim in Berlin errichtet. Am 2t. Januar
abends fand die feierliche Einweihung statt. — Am _'4. Januar übergab
15—16 Uhr — Dr. Horovitz, Staufenstraße 30, Fernspr. die Jüdische Gemeinde Berlin ihr Muse u m in seinen neuen Räumen
Maingau 77963, 15—16 Uhr (außer Montag; — Dr. Salz¬ mit einer Feier der Oeffentikhkeit. — Der Hilfs verein der
berg e r, Eschersheimer Landstr. 67, Fernspr. Zeppelin 56920, Deutschen Juden hielt am Montag, den F>. Januar, unter dem
Vorsitz von Generalkonsul Eugen Landau seine J a Ii r e s v e r s a in m -
1534—1634"Uhr — Dr. Seligmann, Böhmerstraße 9 pari., l u n g ab, die im Zeichen des Gedenkens au den verstorbenen Mit¬
Fernspr. 51184, 17—18 Uhr — Rabb. Kand. Dr. V o g e 1 s t e i n, begründer und Präsidenten. Dr. James Simon, stand. Der Vorsitzende
Altkönigstraße 10a bei Richter, Fernspr. Mainsau 74018, forderte die Versammlung auf. im Geiste seines Vorgängers zu arbeiten
9.15—10.15 Uhr (außer Mittwoch). und verlas Telegramme des Vizepräsidenten. Herrn Max M. Warburg.
Hamburg, und der Jewish Colonisatiou Association, die beide den
Rabbinatsassessor Kirschbaum, Eckenheimer- Wunsch nach erfolgreicher Arbeit aussprachen. Der Generalsekretär des
Landstr. 6, Fernspr. 58281, tägl. 14-15 Uhr; ferner in der Hilfsverein». Herr Dr. Mark Wischnitzer. erstattete den Bericht über
die Arbeit des Hilfsvereins im Jahre 1932. Nachdem noch einige Redner
Rabbinischen Lehranstalt „Jeschiwa" Theobaldstrasse 6, ihren Dank und ihre Bewunderung für die Arbeit des Hilfsvereins zum
Fernspr. 45673, Donnerstags 10—12 Uhr, Freitags 9—11 Uhr. Besten des Judentums und der leidenden Menschheit ausgedrückt hatten,
Andere Sprechzeiten können telephonisch vereinbart werden. wurde der Verwaltung Entlastung erteilt, woraufhin die Wahlen durch¬
geführt wurden. Mit tiefer Ergriffenheit hörte die Versammlung die
Gedenkworte von Max v. Wurburg über James Simon, eine Zeichnung
Wiedereröffnung der Gemeindebibliothek seines Lebens und Charakters, die mit einem persönlichen Bekenntnis
Ab 15. Dezember steht die Bibliothek der Israelitischen Ge¬ zum deutschen Vaterland tüul zum Judentum schlössen. — Giiterdirektor
S a 1 o in o n Dyk wurde aus der Geschäftsführung der Siedlungs- und
meinde den Besuchern wieder zur Ausleihe zur Verfügung. Die Treuhand G. m. b. H. entfernt, was durch Widerruf der Bestellung zum
Geschäftsführer durch eine Aiifsichtsratssit/uug gelungen ist. — Der Vor¬
Genieindemitglieder werden gebeten, von den reichen und viel¬ stand des Deutsdien Aerztebundes wendet >ich in einer Kundgebung i;egeii
seitigen Beständen der Bibliothek, vor allem auf dem "Gebiet nationalsozialistische Zersetzungsarbeit in der AerzteschaFt. — Im Alter
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GEMEINDEMITGLIEDER!
Wenn Ihr nicht wollt, dafj durch die Grippe-Epidemie Scharen jüdischer Kinder ge¬
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von 54 Jahren verstarb in Berlin RcgierungsratAlphons Fedor C o Ii n. England. Auf der Tagung der ,,Anglo Jewisli Association"teilte
Referent für Skandinavienim AuswärtigenAmt. — Breslau. Vom 13.bis Sir Leonard L. Cohen, Präsident der „Jewish Colonisation Association
15. 1. hielt die „Arbeitsgemeinschaftjüdisch-liberaler Jugendvereine (ICA)" mit, daß diese Gesellschaftsich in Zukunft in verstärktem Maße
(Arge)" ihre diesjährige Delegiertentagungab. Hierbei konnte der Bres¬ an der Kolonisationin Palästina beteiligen werde. — Der König
lauer liberale Jugendverein..AbrahamGeiger" auf ein 20jiihrigesWirken
zurückblicken.— Darmstadt. Das hessische Innenministeriumhat den lon England ernannte den Generalgouverneurvon Australien, Sir Isaac
untergeordnetenBehördendie Anweisunggegeben,den Boykott jüdischer 1s a a c s. und denKunstsammlerund PhilanthropenSir Joseph D u v e e n.
Geschäftevon seiten der Nationalsozialistenmit allen Mitteln zu ver¬ einen der Kuratoren der „National Gallcry" zu Pairs von England. —
hindern. — Dessau. An dem vor einigen Tagen nach längerer Krankheit Au Stelle des aus Gesundheitsrücksichten zurückgetretenenO. E. d'Avigdor
im Alter von 64 Jahren verstorbenen Justizrat Dr. Hermann Cohn Goldsmidwurde Neville J. Laski zum Präsidenten des „Jewisli Board
verliert das deutsche Judentum einen seiner hervorragendsten Führer, of Dcputies" gewählt. — Salomon Abrahams, bisher Oberstaatsanwalt
die deutsche Demokratie einen ihrer fähigsten und stets opferbereiten
Vertrauensmänner und die deutsche Anwaltschafteines ihrer geschätz¬ von Uganda und früher Oberlichter von Zanzibar, ist nun zum Obersten
testen Mitglieder. Schon in jungen Jahren in die Verwaltung seiner Hiditcr in Uganda. Britisch-Ostafrika,ernannt worden.
Heimatstadt und ihrer jüdischen Gemeinde berufen, hat er nach der
Revolution in seinem engeren Vaterland das Amt eines Staatsrats be¬ Italien. Dem jüdisdien Maler Ulvi Licgi wurde die goldene
kleidet. Sein Tod reißt eine schwereLückein allen bedeutendenjüdischen Medailleder Provinz Livorno verliehen. — Advokat Angelo Sercni, der
Gesamtorganisationen,wie dem Centralverein deutscher Staatsbürger von 1895bis 1951an der Spitze der jüdisdien Gemeindein Rom stand,
jüdischen Glaubens, der deutschen Grofilogedes U. O. B. B. und allen wurde zu ihrem Ehrenpräsidentengewählt.
die deutsch-jüdischenGemeinden zusammenfassendenVerbünden. — In
Größen-Lindenbei Gießen wurde auf dem jüdischen Friedhof eine Griechenland. Nach einer Mitteilung des Generalgouverncurs
Schändungvon Gräbern entdeckt. von Saloniki haben im Jahre 19322000 Juden Saloniki verlassen; der
größte Teil derselben ging nach Palästina. — Das Gericht in Saloniki
verurteilte den Redakteur der „MakedoniaNea". Missolonghittis,wegen
Europa Ausland fortgesetzter judenhefzerischerVeröffentlichungen.
Oesterreich. Im Alter von 5" Jahren verstarb der ordentliche Türkei. Der jüdische Historiker der Universität Konstantinopel,
Professor für klassischePhilologiean der Universität Wien. Dr. Alfred Abraham Galaute, hat zwei bisher unbekannte jüdische Sekten entdeckt:
Kappelmacher,der durch seine ..Geschichteder römischenLiteratur" sich die eine, ein unter dem Namen „Pakraduni", in der Hauptsache in
einen bedeutendenNamen in der Fachwelterworben hat. — Der Wiener Konstantinopellebender, armenischerStamm, dei von den babylonischen
Polizeipräsidentveröffentlichtin der ..Keichspost"eine' scharfe Warnung Juden abstammenwill, und zwar christlichenGlaubensist, aber z. B. den
an jene Polizisten, die ' sich nationalsozialistischbetätigen, und Sabbat hält, sich des Genusses von Schweinefleischenthält, und Hin¬
kündigte ihre Entlassung aus dem Polizeidienstan. — Der langjährige unter sich heiratet: die andere, die sogenannten ..Juden-Kurden",die in
Präsident der Wiener IsraelitischenAllianz. Dr. Arttir Kiirand a-. ist der Stadt Sind in Turkestan wohnen und z. B. Pcssachund einige unter
im Alter von 80 Jahren verstorben. den heutigen Juden fast ganz vergessene jüdische Feiertage halten und
Niederlande. Der berühmte Physiker Dr. L. S. O r n s i e i n, am Pcssadi nur Mazzotessen.
Professor an der Staatsuniversität Utrecht, begeht am 26. März sein Polen. Aul Anordnung der Rabbiner der jüdischen Gemeinde
25jähriges Doktorjubiläum. Er ist Präsident des Kuratoriums der Krakau wurde der 26. Januar als Tag des Fastens und der Fürbitte um
HebräischenUniversität in Jerusalem. Linderung der Wi r t s e h a f t s n o t begangen.
Frankreich. Vom~.bis9. 1.veranstaltete der ..Verbandjüdischer Rumänien. Dem Verband der israelitischen Gemeinden
Gesellschaften Frankreichs" eine Konferenz, die die Vertreter der spaniolischenRitus wurde der Charakter einer Körperschaftöffentlichen
jüdischen Vereine in Paris und der Provinz mit den Bedürfnissen,ins¬ Hechtszuerkannt, das Obcrrabbinal wurde als zentrale religiöse Behörde
besondereden materiellen und kulturellen, der während der letztenJahre des Verbandes bestätigt.
in Frankreidi eingewanderten Juden vertraut machen wollte. Es wird
bezweckt,eine Annäherungder verschiedenenVereineim Interesse Frank¬
reichs und des französisdien Judentums herbeizuführen. — Nachdemin Amerika
Paris die Bnc B r i s s - L o g e ..France'" entstanden ist. ist nun auch
Amerika.
in Mülhausen eine zweite Loge. ..Alsace". begründet worden. Außer¬ Kaschruth-System Im Staate New York trat am 1. Januar das neue
dem steht in Aussicht,daß die Mitgliederder früheren ..Unitas"-Logein kosdieren Lebensmittelnin Kraft, wonachdie Herstellung und der Verkauf von
einer staalicheii Kontrolle unterworfen wurde.
Straßburg sidi wieder in irgend einer Form zu einer neuen Loge zusam¬ Diese Maßregel ist geeignet, dem Gesetz, wonach das Feilbieten von
menschließen. nicht-kosdierenLebensmittelnals „koscher" unter Strafe fällt, auf das
glücklichstezur Durchführung zu verhelfen.
Palästina
Palästina. Wie das Einwandcrungsbiuoder Jewisli Agencvmit¬
U &tchtaugFmutit.
Kk**rigiplagt.
M teilt, sind i. J. 19328819Juden in Palästina eingewandert. — Der
ttcJcrniimL
M M «ekml
Kilo»,
daleicht
gegenKopfschmerzen,
nnagl.M • ff/M/M
Zahnschmerzenv'Rheuma,
Emir von T r a n s j o r d a n i e n. Abdullah, veröffentlidit eine Erklä- .
rung. daß er den vor kurzem mit einer jüdischen Gemeinschaftabge-
sdilessencn Vertrag über die A'erpaditungvon 70000 Dunum Boden an
eine jüdische Gesellschaftfür ungültig erklärt. Abdullah gibt ausdrück¬
lich bekannt, daß die Annullierung des Vertrages unter dem Druck der
Hexenschuß,Grippe,Erkältung.B*oS^\^wJ^ft Palästinaregierungerfolgl. — Die Arabische Executive ließ dem
IbR6hrehen
zu«5PI.«0PI.o.IJ5RM.
Inallen
Apor-ieken. High Comissioner,Sir Arthur Waudiope,ein Memorandumüberreidien.
in dem der Erlaß einer Verordnung gefordert wird, nadi der es den
Juden verb.piensein soll, weiteren Boden in Palästina zu kaufen.
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unentgeltlich und streng vertraulich. Auskunft erteilen: die Leiterin Frau
Dr. Alice Schau niberg, Eckenheimer Ldstr. 17, Tel. 56561, sowie die
Mitglieder des pädagogisch-psychologischen Ausschusses des israelitischen
Lehrervereins, Mittelschullehrer Julius Flörsheim, Günthersburg-Allee 43, Barmizwa-Feiern
und Lehrer Alfred Speyer, Baustraße 5. Um unnötiges längeres Warten
in der Sprechstunde zu vermeiden, ist vorherige Anmeldung erwünscht. Synagoge am Börneplatz: Fritz Nathan Nußbaum, Bleichstraßu 4 —
Bertram Vorchhcimcr, Lersnerstraße 30 a.
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— —
4
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b) Mischehen. . . — — --
— —
— — 2. „
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2 i 7. " _ _ _ _
6. Kind
__ _ _
1.jüd. Vater. .
— — —
— — —
3. „ 1 1
_ . __
2.jäd. Mutter .
c) unehel.Gebarten — — —
5. „
— —— — — 10. u ————- — —
Summe • 4 4 8 10 4 10 4 — -
Le b e n s 3h r e
IL Todesfalle: bis 1 1 1—3 | 3-6 6-15 | 15—20 20- 30 30—40 40- A' 50-60 60- 70 | 70-80 | 80—90|üb. 90| Summe Dez.31
a) Männer "' 11 ~~ _ _ — 1 1 5 1 4 1 1 12 _
-16
— 3 2 1 6 1 3 1 15 17
c) Todesursache: MännerFrauen MannerlFrauen
d) Bestattungsart: III. Einsegnungen:
1. Krankheit . (Barmizwos und Konfirmationen):
2. Unfall . . 1. Erdbestattungen .
3. Selbstmord. a) Knaben......
2. Feuerbestattungen
A 1t e r der Ehega Ifen Zahl Dez. Mlsdieben
unier 20 20--25 25--30 30-35 1 35—40 . 40—501 50—60 60--70 der Jude mif Jüdinmit Dez. 31
IV. Eheschliessungen: Ml F M F M F M| F 1 M | F MI F 1 M | F M1 F Ehen 1931 Nichtjüd.Nichtjude
_ _ 3 1 3 1 1 — 1 — - —
— —
a) Nach kons. Ritus ■ . . — — — 1 3 2
— 1 2
1- ~ — 1.— — — — 8 3
— — —
bj nach lib. Ritus ....
c) ohne Mitwirkung der Gem.
— 2 2
3
3
3
4 2
1
3 2-2 2 1 | 1
— — — 4
12
5
13 4 5 2 1
er Ehe atten Zahld. hiervonin
V. ^Ehescheidungen: 30—35 PN Schei- 2. Ehe ] 3.Ehe
M | F I M35y-40 | düngen MI F | M |
a) Nach kons. Ritus.....
b) nach lib. Ritus......
c) ohne Mitwirkung der Gemeinde
VI. Austritte: VII. Wiedereintritte:
a) aus dem Judentum .... a) in das Judentum.....
b) aus der Gemeinde..... 13 b) in die Gemeinde.....
c) von den Ausgetretenen gehören c) von den Eingetretenen gehören
einer 'anderen Gemeinde an . 3 einer anderen Gemeinde an
Ledige Verh a**»1e Summe
VUI. Aufnahmen: IX. Zuzüge und Wegzüge: M Zahl der Zahl d. Personen
Familien I F M | F
a) Zuzüge von auswärts
Summe Dez. 31 1. aas Deutschland. . . ■ .
2. ans dem Ausland ....
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leisten will, daß er nicht nur den -allerdings unbedingt not¬ heit gegenüber der Not jedes Mitmenschen und den Wallen
wendigen Willen hat, seinem Mitmenschen zu helfen, sondern zur Veränderung der Gesamtsituation. Wenn wir mit
daß er sich auch politisch entscheidet oder zum mindesten den dieser Haltung an die Arbeit herangehen, wird es uns klar
Willen zur politischen Entscheidung mitbringt. Die Sphären werden, wie sehr soziale Arbeit fast in jedem Einzelfall heute
des Politischen und Sozialen sind nicht von einander Stückwerk bleibt, wie wenig wir in Wirklichkeit tun können.
zu trennen — das beweist zum Beispiel jede Etatberatung in Gewiß, wir werden jede, auch die kleinste Möglichkeit zur
Reich. Ländern oder Gemeinden — und wer behauptet, ledig¬ Hilfe ausnützen — dazu gehört übrigens, nebenbei gesagt, eine
lich aus ..reiner Menschlichkeit" Sozialarbeit zu leisten, ganz gründliche Sachkenntnis; der Glaube aber an eine Bes¬
schafft sich damit eine Ideologie, die dazu dient, den eigenen serung und an ein erstrebenswertes Ziel wird uns davor be¬
Standpunkt zu verdecken und als den absolut richtigen und hüten, verzweifelt über unsere Ohmnacht dem Elend gegen¬
menschenwürdigen erscheinen zu lassen. Wir fordern damit, über die soziale Arbeit aufzugeben. Erst von unserem Ziel her
daß Menschen, die in der Sozialarbeit beruflich oder ehrenamt¬ erhält die Sozialarbeit heute ihren Sinn.
lich tätig sind, zweierlei mitbringen: Aufgeschlossen¬ Rosy Epstein
Vom Menschlichen
We.im man mit irgendwelchen Illusionen von Helfen¬ keine wirkliche Antwort. Von dem Augenblick an, wo wir
können und Aendernkönnen an die Menschen herankommen ernsthaft gespürt haben, daß uns das fremde Leben angeht
wollte und in diesem Glauben an die Arbeit — Fürsorge für und fordert, kommt es nicht nur darauf an, die Bedingtheit
gefährdete Jugendliche — gegangen ist, so ist die erste Aus¬ zu seilen und zu verstehen, sondern die Bedingungen, die zu
wirkung, daß einem diese Illusionen gründlich vergehen. Und all diesem Leid geführt haben, zu ändern. Sicher ist vieles
zwar so gründlich, daß nicht der 'kleinste Rest Glauben an erbbedingt, viel mehr aber milieubedingt. Man, braucht nur zu
den Sinn irgendwelcher Bemühung übrig bleibt. Ich sage ab¬ sehen, aus welchen Kreisen fast alle gefährdeten Mädchen
sichtlich „irgendwelcher", denn das Entsetzen, das einen da und die meisten Hilfsschulkinder kommend Wieviel Schuld hat
befallen kann, ein Entsetzen vor soviel Unwürdigkeit und Ent¬ an allen „Verfehlungen" das Leben in den engen, häßlichen,
artung, kann einen Zusammenbruch des ganzen bisherigen überfüllten Altstadtwohnungen? Und vor allem, wieviel Schuld
Welt- oder besser Menschenbildes veranlassen. Man will gar hat- der Druck der Arbeitslosigkeit, die — oft unbewußte —
nicht mehr helfen. Das ist ja so sinnlos. t Man möchte nur da¬ Verzweiflung über die Sinnlosigkeit eines Daseins, dem nicht
vonlaufen, weit weg. mehr die Möglichkeit gegeben ist, die eigene Existenz aus
Doch das geht nicht. All das läßt einen zunächst wider eigener Kraft zu erhalten? Nichts aber zerfrißt mehr Mut
Willen nicht mehr los. Aber je mehr man die tieferen Zu¬ und Glauben, Selbstvertrauen und Selbstachtung als das Ge¬
sammenhänge -erkennt, desto mehr sieht man ein, daß es einen fühl, nicht gebraucht zu werden, noch nicht einmal zur Be¬
ja auch nicht loslassen darf, daß es keine Dinge gibt, vor streitung des eigenen Unterhalts. Wieviel Schuld hat das
Nicht-mehr-Wissen wohin mit sich, und seiner freien Zeit? Und
denen man weglaufen darf, daß .man sich allem stellen muß
und versuchen soll, Antwort zu geben. Zunächst kann man zu all der inneren Ausweglosigkeit kommt noch der Hunger.
nur die Erfahrung registrieren, sein Bild vom Menschen um¬ Es ist eigentlich unnötig zu sagen, welche Konsequenzen wir
daraus ziehen müssen. Oder sollte dies alles uns etwa nicht
bauen und immer tiefer merken: dies alles gibt es, so trübe
sieht die Schattenseite aus und solche Möglichkeiten sind im dazu aufrufen, mitzuhelfen eine Wirtschaftsordnung
Menschen! Das führt aber schließlich immer stärker zu dem zu ändern, die zu solcher Not und Ausweglosigkeit geführt hat?
Bewußtsein: solche Möglichkeiten sind in allen Menschen, Kann man aber nicht mehr tun als Erfahrungen machen
auch in mir: denn je mehr man erfährt und lernt von dem und persönliche und politische Konsequenzen ziehen? Gibt es
Leben dieser Menschen, desto mehr weiß man, wie sehr alles also doch keine direkten Möglichkeiten in der Jugendwohl¬
bedingt ist, abhängig von Vererbung und Milieu. Wie wäre fahrtspflege? Zunächst meinte ich wirklich, es gäbe keine sol¬
ich, wenn ich dies alles erlebt hätte, wenn ich diese Eltern chen im heutigen Wirtschaftssystem. Aber immer mehr merke
gehabt und in diesem Milieu aufgewachsen wäre? Diese Frage ich, wie unwirklich eine solche Meinung ist. Ich glaube heute,
taucht dann notwendig auf. Von diesem Augenblick an ist das daß eine Antwort, die nur im Erfahrungen machen und daraus
Sichstellen kein bloßes Registrieren mehr. Durch die Erkennt¬ Konsequenzen ziehen besteht, nur eine halbe Antwort ist, selbst
nis der Bedingtheit jedes Menschen überwindet man mehr und wenn die Konsequenzen ernsthaft im Hinblick auf das Schick¬
mehr das sinnlose, ungerechte Sichdistanzieren und Abwenden¬ sal des andern gezogen werden (politische Arbeit). Dasein
wollen, das aus dem instinktiven Schrecken eines bürger¬ .-.und sich ganz zum.andern hinwenden und ihm das
lichen, wohlbehüteten Menschen kam und sieht dann im An¬ Bewußtsein geben, daß seine Not einen angeht, trotz dem
dern den Menschen, dessen Schicksal einen angeht. Und dieses Wissen, daß damit nur selten etwas geschieht, ist erst die
Bewußtsein wird umso stärker, je mehr man Menschen be¬ rechte Antwort. Wir wissen ja nicht, wann etwas geschieht.
gegnet und nicht nur Vorgänge aus Akten liest. Immer deut¬ Ich weiß nicht, ob nicht z. B. doch etwas damit geschehen
scher weiß man: all das, was der andere trägt, trägt er ja ist, daß ein kleines Mädchen, das ein sehr liebloses Zuhause
für mich mit. Es ist nicht mein Verdienst, daß ich nicht in hat, und mit dem ich mich einmal länger beschäftigte, als es_
diese schwierige Situation geboren bin. aber meine Sache ist auf seine Mutter wartete, mich jetzt immer freudig begrüßt,
es, mich davon anrufen zu lassen und damit fertig zu werden. wenn es mich auf der Straße sieht. Aber sich etwas zugute
Denn da all dies Dunkle, Schwere meistens nicht nur persön¬ tun auf seine -Wirksamkeit, ein Aufgehen in Vielgeschäftigkeit
liche Schuld ist, kann es auch nicht nur persönliches Schick¬ mit dem Gefühl, daß maa lauter wichtige und welterschüt¬
sal sein, sondern muß eine Frage an uns alle sein, an alle, ternde Sachen tut, das ist meiner Meinung nach das Schlimmste,
die die Welt im Sinn haben wollen und nicht ihr unwichtiges was es in der Wohlfahrtspflege geben kann. Immer dann, wenn
Kinzelleben. Eine Frage, die man beantworten muß, indem man man das Gefühl hat, man ist der gebende Teil, ist es schief
Konsequenzen aus dieser Wirklichkeit zieht. und der Wirklichkeit nicht -ent.T-piechend. Und dabei ist jene
Konsequenzen? Zunächst, indem man sich müht, dauernd gewisse „Menschlichkeit und Güte", die sich nicht zu dem
standzuhalten und sich treffen zu lassen. Man merkt dann, wie andern hinwendet, sondern zu dem armen Menschen „her¬
leicht man immer wieder ausweicht, und wie überall Menschen unterbeugt", so schief und entwürdigend und bewirkt ganz
ausweichen. Oder ist es kein Aus-deni-Wege-Gehen, wenn man das Gegenteil des Gewollten. Es ist nicht entwürdigend, sich
sich allmählich innerlich bedeckt hat mit einer Kruste von helfen 'zu lassen. Aber ahhäigig zu'sein, sijh helfen lassen
Gleichgültigkeit und Gewöhnung. Wenn n.m müssen von einem Menschen, der sich darauf etwas zugute tut,
„Fälle" sieht, die nur in den Dienststunden vorhanden sind, mit einer wohlwollenden Gönnermiene einem, dem man
und die in den Innenraiun in dem das „private" Leben sich ab¬ Recht und Menschenwürde gestohlen hat, das gibt, was nur
ein kleiner Teil des ihm Zustehenden ist, das ist entwürdigend.
spielt, nicht eindringen. Das ist keine besondere Eigenschaft Und ein paarmal schon habe ich, wenn ich außerhalb des
vieler Wohlfahrtsbeamter. Ueberall kann man ja mit der
Wirklichkeit zusammenstoßen, und überall haben Menschen Dienstes mit solchen Menschen sprechen konnte, den Haß er¬
Schutzvorrichtungen, um nicht getroffen zu werden. Es kommt lebt, der in ihnen durch eine gewisse „Behandlung" aufge¬
darauf an, dauernd wach zu sein. Wir dürfen also unsere so wacht ist, und der sie sich zuschließen und unnahbar machen
gegebene Situation nicht zu leicht nehmen, das ist die eine läßt, wenn sie hören, daß man von der „Fürsorge" kommt.
wichtige Konsequenz. Aber diese Konsequenz reicht nicht aus. Dies alles, was für die berufsmäßige Wohlfahrtsarbeit gilt,
Es kommt für uns ja nicht nur darauf an, unser persön¬ gilt natürlich auch für die freiwillige Hilfe. Auch hieT gibt es
liches Leben verantwortlich zu gestalten, das wäre noch Möglichkeiten. Aber immer, wenn wir Hortarbeit :r.:ic!:e.i, Pfleg-
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schatten oder Schutzaufsiehten übernehmen, und ähnliches tun, die mau bekommt, wenn man merkt, daß die Erfahrung, die
müssen wir zunächst einmal unsere Illusionen, unsere unbe¬ uns aus dem Wissen von dem Leben dieser Menschen kommt,
scheidenen Forderungen begraben. Wir müssen herangehen viel mehr ist als das, was wir im besten Falle tun.
mit dem deutlichen Wissen' um die Begrenztheit un¬ Helene Kahn
serer Möglichkeiten und mit der Bescheidenheit,
wie ich, stellte einen Antrag für Schuhe. Das Wohlfahrtsamt den ganzen Mittag im Volksbildungsheim, um nicht zu frieren.
lehnte .dies ab mit der Begründuag: Du hast ja früher .daheim Kohlengeld und vieles andere habe ich nicht bekommen.
(in Rußland) auch keine Schuhe getragen. Dieser Fall ist Materielle Not ist auch geistige Not. Literatur, Geschichte,
einer von vielen. Musik und Theater — alles ist einem mehr oder weniger egal.
Wie lebe ich von :uei:ier ..großen" Unterstützung? Ich Die einzige Ausnahme bildet das Problem Arbeit. Es ist heute
gehe abends um 10 Uhr ins Bett, stelle mittags gegen 11 oder das aktuellste Thema für den Arbeitslosen. Der jüdische Ar¬
12 Uhr auf. Warum nicht früher'? Ich darf nicht, habe kein beiter ist größtenteils hoffnungslos, weil er auch nirgends mehr
Geld zum Frühstücken. Also schlafe, damit du keinen Hunger eine Beschäftigung erlangen kann. Die einzige Sehnsucht eines
verspürst. Um 12 Uhr gehe ich in die Suppeuanstalt essen. Arbeitslosen ist Arbeit und nochmals Arbeit. Wenn .diese nicht
Auch das Essen hat an Qualität nachgelassen. Früher bekam bald kommt und man uns nicht hilft, so wird aus dem. jungen
man es umsonst, heute bezahlt man 20 Pfg. dafür, alles ver¬ jüdischen Arbeiter ein energieloser Lumpenproletarier werden.
kehrt. Es wäre besser, wenn man uns das Essen umsonst geben Vermeidet das! Alfred Lorch
würde, da die Unterstützungen zu knapp sind. Ich sitze fast
Jüdischer Faschismus?
Diskussionsbeitrag zur Augustnummer von „Jugend und Gemeinde".
Die innerjüdische Auseinandersetzung ist um ein neues als eine faschistische zu betrachten. Nunmehr, nachdem vor¬
Schlagwort bereichert worden: „Kampf gegen den Jüdischen stehend klargestellt worden ist, was Faschismus bedeutet, er¬
Faschismus". Damit erheben sich die Fragen: was ist „Jüdischer kennt man ohne weiteres, daß diese Behauptung völlig gegen¬
Faschismus", gibt es überhaupt etwas Derartiges, und worin standslos ist. Das jüdische Volk kennt keinen Staat und kann
bestellt der Kampf dagegen? somit keine faschistische Bewegung haben. Insbesondere aber
Um auf diese Fragen eine Antwort zu geben, empfiehlt es lehnt die revisionistische Bewegung das hierarchische Prinzip wie
sich, vorderhand einmal auf©das einzugehen, was gemeinhin das Prinzip der korporativen Idee ab. Nichts bleibt also von einem
unter Faschismus verstanden wird. Faschismus ist in Italien jüdischen Faschismus übrig. Es kommt hinzu, daß kein Ge¬
entstanden und ist typisch italienisches Produkt. Mussolini hat ringerer als der Führer der revisionistischen Bewegung, Wladi¬
mehr als einmal erklärt, daß „der Faschismus kein Export¬ mir Jabotinsky, auf der vor kurzem in Wien veranstalteten
artikel" sei und nur unter den besonderen politischen Bedingun¬ revisionistischen Konferenz folgendes erklärt hat: „Ich halte
gen Italiens verstanden werden könne. Inzwischen scheint aber an der demokratischen Form der Organisation unbedingt fest,
so etwas wie ein Export des Faschismus nach dem übrigen und ich kann sagen, daß ich den Hitlerismus in jeder Form ver¬
Europa eingesetzt zu haben, und man spricht daher von den achte, eine Bewegung, die die Gleichberechtigung des jüdischen
verschiedenartigsten Faschismen in Europa. Was ist an all Volkes angreift." Zur Frage der Diktatur erklärt Jabotinsky
diesen Systemen gemeinsam? In erster Linie das Bekenntnis wörtlich: „Ich bedaure, wenn in der Außenwelt daraus eine
zum ..totalen S t a a t". Der Staat umfaßt alles, er ergreift Theorie des Staatslebens gemacht wurde." Kann man anderer¬
die individuelle Lebenssphäre des Menschen, welche ihm im seits stärker sich zur Demokratie bekennen als mit den Worten:
Zeitalter des Liberalismus zur freien Gestaltung überlassen war. „Ich würde lieber verschwinden, als eine Weltanschauung an¬
Der Staat wird Allmacht, und die Staatsgewalt wird die zen¬ nehmen, derzufolge mein Sohn und der Sohn eines anderen
trale Kraft des Zusammenlebens. Ohne Staat und ohne Staats¬ nicht gleichberechtigte Menschen sind: daß mein Sohn und mein
gewalt ist kein Faschismus denkbar: daher ist es absurd, bei Schuster nicht gleich sind."
Organisationen, die auf freiwilliger Grundlage aufgebaut sind, Wenn man also über die sehr durchsichtige Phrase von
und bei denen Menschen nur deshalb sich zusammenfinden, weil einem jüdischen Faschismus zur Tagesordnung gehen kann,
sie wollen, von Faschismus zu reden. Faschismus ohne zentrale muß andererseits festgestellt werden, daß häufig etwas als
Staatsgewalt, d. h. ohne die Möglichkeit einer Diktatur, ist faschistisch bezeichnet wird, was mit Faschismus nichts, aber
Widerspruch in sich selbst. auch gar nichts zu tun hat. Die revisionistische Bewegung
Hinzu kommt ein weiteres: Wesentlich für den Faschismus beispielsweise anerkennt uneingeschränkt die politische
ist der hierarchische Aufbau der Verwaltung. Keine nationale jüdische Idee. Sie fordert die politische Normalisie¬
Selbstverwaltung, kein Aufbau von unten nach oben, keine rung des jüdischen Volkslebens und des jüdischen Volks¬
demokratische Verantwortlichkeit, sondern Befehlsgewalt von charakters. Sie ist der Ansicht, daß eine derartig nationale
oben nach unten. Der Untergebene untersteht dem nächsten Lösung der jüdischen Frage nur durch Schaffung eines
Vorgesetzten bis zur höchsten diktatorischen Spitze. Auch jüdischen Staates möglich ist. Demzufolge ist der ganze Kampf
dieses System ist nur möglich in einer Staatsorganisation, nicht auf Schaffung irgend eines geistigen oder kulturellen
welche in der Lage ist, sich auf eine Macht zu stützen und Zentrums allein gerichtet, sondern auf Schaffung einer poli¬
ihren Willen notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Unmöglicli ist tischen Lösung der Judenfrage durch den jüdischen
eine derartige Verwaltungsstruktur in einer freiwilligen Staat. Sie erzieht den Menschen zu einer Staatsgesinnung und
Organisation, die von dem Vertrauen der breitesten Massen empfindet zugleich, daß der Kampf um ein derartiges Ziel mit
getragen werden muß. Und als Drittes muß bemerkt werden: ganz anderen aktivistischen Methoden geführt werden muß als
Dem Faschismus ist wesentlich die besondere Organisation der bisher. Sie bejaht das Irdische stark und verlegt die Schwer¬
Wirtschaft und des sozialen Zusammenlebens. kraft der Aktion von der Metaphysik in die Gegenwart. Sie ist
Aehnlich wie der kommunistische Staat, bekennt sich der sich andererseits darüber im klaren, daß ein derartiges Ziel die
faschistische Staat gewissermaßen zur klassenlosen Gesellschaft. Konzentration aller jüdischen Kräfte erfordert und betrachtet
Organisationen der Klassen werden zerschlagen und die soziale daher alle anderen politischen Wunschbilder nur mit distan¬
Organisation wird, da der Staat total alles erfaßt, vom Staate ziertem Interesse. Jede andere Einstellung — Sozialismus,
durchgeführt. Der faschistische Staat kennt keine Klassen, er Pazifismus usw. — hat sich dem Judenstaatsgedanken unter¬
kennt nur Berufe, und er organisiert diese Berufe vertikal in zuordnen, Synthesen sind undenkbar, da alle diese Bewegungen
Verbänden, denen er nur in einem beschränkten Maße eine die jüdische Schlagkraft lähmen, wenn nicht zuvor der Normal¬
Autonomie zugesteht. Die Zusammenarbeit mehrerer Berufs¬ zustand des jüdischen Lebens mit Schaffung des jüdischen
verbände miteinander, also die horizontale Verbindung, das ist Staates herbeigeführt ist. So erklärt sich auch der revisio¬
Sache des Staates und diese horizontale Zusammenarbeit nennt nistische Kampf gegen klassenkämpferische Zersetzungstenden¬
der Faschismus „Korporation". zen im jüdischen Volke, die nur geeignet sind, den Aufbau des
Wenn man sich nunmehr Klarheit darüber gemacht hat, jüdischen Lebens zu hindern. Das hat alles nicht das Geringste
was man gemeinhin unter Faschismus zu verstehen hat, dann mit faschistischen Ideologien zu tun, sondern entspricht einer
kommt man zwangsläufig zur Antwort auf die Frage: „Gibt es zionistischen Auffassung, wie sie klar- und heilig durch
einen jüdischen Faschismus?" Man ist in letzter Zeit häufig Trumpeldor proklamiert worden ist.
dazu übergegangen, die revisionistische Bewegung Dr. Paul Arnsberg
Schluss der Beilage. Verantwortlich für die Schriftleitung der Beilage: Ernst Holzer in Frankfurt a. M.
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