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tagesanzeiger.ch
Eines ist sonnenklar: Priti Patel ist definitiv kein Fan von Jeremy
Corbyn. Von ihrem Twitteraccount verschickt sie just an jenem Tag,
der das neue, zarte Band zwischen Tories und Labour festigen soll
und an dem die konservative Premierministerin sich mit dem
Sozialisten Corbyn treffen will, ein Foto. Es ist eine Collage aus den
Gesichtern von May und Corbyn, eine bärtige May also, mit Corbyns
skeptischem Blick und seinem schiefen Mund und mit ihren
Ohrringen und ihrem vollen, grauen Haar.
Patel, so viel ist spätestens jetzt klar, ist auch kein Fan des neuen
Der Tweet von Priti Patel ist noch eine der harmloseren
Kampfansagen, da sie sich prima vista gegen Corbyn richtet. Man
muss aber dazu wissen, dass Patel, die aus einer indisch-
ugandischen Familie stammt und unter Mays Vorgänger, Premier
David Cameron, Karriere machte, wegen eigenmächtiger
Verhandlungen mit israelischen Gesprächspartnern, die sie daheim
in London verschwiegen hatte, vergangenes Jahr zurücktreten
musste. Seither ist sie auch eine Kritikerin von Theresa May, und vor
allem ist die scharfzüngige Politikerin eine der wenigen Frauen im
Lager der ganz harten Brexiteers. Sie glüht für Britannien, sie hasst
Labour, sie hasst Corbyn, und sie kommt nicht darüber hinweg, dass
Tory-Chefin May, so sieht sie es zumindest, einen Kotau vor den
Sozialisten gemacht hat.
Die Zeitungen titeln bereits Stunden vor dem ersten Treffen von May
und Corbyn, dem noch Treffen mit den Regierungschefs von
Stattdessen bekommt May es von den eigenen Leuten ab, und sie
wehrt sich, das muss man sagen, mit Würde. Wieso sie jemanden
mitentscheiden lasse, fragt ein Abgeordneter, über den sie noch
unlängst gesagt habe, er sei «die grösste Gefahr für
Grossbritannien»? Wieso sie nicht lieber No Deal zulasse, als sich
ins Bett zu legen mit einer «marxistischen, antisemitischen Co-
Regierung»? Wieso sie heute einen Deal mit Corbyn wolle, wo sie
doch immer gesagt habe, kein Deal sei besser als ein schlechter?
Alle seien verantwortlich, sagt May, und alle sollten mitreden. Aber
auch ihr schwant: Versöhnung sieht anders aus.
Die ERG, die European Research Group, ist jene Gruppe, die sich
dem reinen Brexit, gern auch ohne Deal, verschrieben hat. Ihr Ober-
VIP, Jacob Rees-Mogg, hatte den Tag in der BBC mit der
Kriegserklärung eröffnet, der sich dann zahlreiche Kollegen
anschlossen: Er habe unwesentlich mehr Vertrauen in May als in
Corbyn. «Aber da liegt die Messlatte ja auch schon sehr niedrig.»
Dem Parlament ist, etwas mehr als eine Woche vor Ablauf der
Austrittsfrist, mit Mays Vorstoss ein wenig Wind aus den Segeln
genommen. Man wollte in aller Eile ein Gesetz verabschieden, das
die Premierministerin zwingen soll, im Falle eines drohenden No
Deal eine weitere Verschiebung des Austrittstermins in Brüssel zu
beantragen – und diesen späteren Termin dann wieder vom
Parlament absegnen zu lassen. Das sei doch alles gar nicht mehr
nötig, sagen einige Abgeordnete, May mache das doch nun
sowieso. Aber dabei wollen es nicht alle Kollegen bewenden lassen.
Was, wenn May und Corbyn scheitern?
Just hier zeigt sich das nächste Problem, das in der ersten
Fragestunde Mays nach dem Plädoyer für eine nationale
Anstrengung überdeutlich wurde: Wie hellrosa sind eigentlich die
May jedenfalls antwortet auf die Frage, was sie mit Corbyn gemein
habe beim Brexit, man wolle Arbeitnehmerrechte schützen. Man
wolle der Wirtschaft nicht schaden. So weit, so gut. Aber dann sagt
sie, beide Seiten wollten kontrollierte Immigration und wüssten, wie
eminent wichtig der Austrittsvertrag sei. Übersetzt hiess das: Mays
rote Linien sind die Unterzeichnung ihres Deals und ein Modell für
die Zukunft, das den Briten die Kontrolle über die Einwanderung
zurückgibt. Was Corbyn nicht unbedingt will. Der schaute denn auch
überrascht über seine schwarzrandige Brille. Und sehr skeptisch
schaute er auch. (Redaktion Tamedia)
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