Академический Документы
Профессиональный Документы
Культура Документы
0102291
A 312
KU, Kriminalität in Polen und Russland von 16. bis zum frühen 20. Jh
LV-Leiter: Angela Rustemeyer
LV-Nr.: 070412
Codierung: F
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3
1.1 Quellen und Quellenkritik 3
1.2 Historiographie 4
2. Das neuzeitliche Duell in Europa 4
2.1 Kurzer Überblick über die Geschichte des europäischen Duells 4
2.2 Formen des Duells 6
3. Das neuzeitliche Duell in Russland 7
3.1 Die Entwicklung des Duells in Russland 7
3.2 Die „goldene Zeit“ des russischen Duells 8
4. Duell – Vebrechen oder Kavaliersdelikt? 10
4.1 Die russische Gesetzgebung bezüglich des Duells 10
4.2 Fazit 11
5. Literatur 12
2
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
1. Einleitung
Diese kurze Arbeit soll einen Überblick über die Geschichte des Duells in Russland von
seinen Wurzeln im 17. Jh bis zu seinem Niedergang zu Anfang des 20. Jh geben. Eine
besondere Berücksichtigung ist – soweit erfassbar – dem kriminalgeschichtlichen Aspekt des
Duells gewidmet, da diese Arbeit im Rahmen eines Kurses zur Kriminalitätsgeschichte Polens
und Russlands in der frühen Neuzeit entstanden ist.
1
Ute Frevert, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991, 15
2
Irina Reyfman, Ritualized Violence Russian Style. The Duel in Russian Culture and Literature, Stanford 1999,
7
3
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
1.2 Historiographie
Es fehlt bis dato eine allgemeine Monographie zur Geschichte des Duells in Russland.3
Generell ist das Thema „Duell“ an sich nur recht unvollkommen erschlossen. Das Interesse
am Duell als Thema tauchte erst lange Zeit nach dem Niedergang des Duells, nach dem
Ersten Weltkrieg, wieder auf.
In Bezug auf Russland ist das Duell ein Thema das besonders von russischen Literaten
aufgegriffen wurde und spätestens seit Alexander Puškins Tod im Duell untrennbar mit der
russischen Literatur verbunden ist. Dementsprechend ist dieser literarische Zusammenhang
immer ein zentrales Thema bei russischen Autoren, so auch bei der herangezogenen Arbeit
von Irina Reyfman. Da viele der russischen Literaten auch tatsächlich selbst Duellanten
waren, und somit wussten worüber sie schrieben, können auch ihre literarischen Texte als
Quellen wahrgenommen werden.
3
Reyfman, 5
4
Frevert, 19-20
5
Helga Schmiedel, Berüchtigte Duelle, Berlin u. Leipzig 1992, 8-9
4
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
konnten (z.B. Frauen). Die Kämpfer mussten sich jedoch „gleichwertig“ sein, sprich aus
derselben sozialen Schicht kommen.6 Das Gottesurteil war in der Regel ein direkter
bewaffneter Zweikampf, ausgeführt um eine Entscheidung in einem Gerichtsprozess
herbeizuführen. Die Kämpfer stellten sich Gottes direkter Entscheidung, da der Kampf als
eine solche gesehen wurde. Der Unterlegene galt als schuldig.7 Da nicht selten die beiden
streitenden Parteien in einen persönlichen Ehrenhandel verwickelt waren, kann man das
Gottesurteil als direkte Vorform des neuzeitlichen Duells ansehen.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Bedeutung des ritterlichen Turniers für die Entwicklung
des Duells. Das bewaffnete Kräftemessen der damaligen militärischen Elite kann man
entweder als ein (trotz manchmal tödlichen Ausgangs) unblutiges Duell ansehen, dessen
Tugenden und Ideale – wenn auch nicht Kampfformen – neuzeitliche Duellanten stark
beeinflusst haben. Ab dem 16. Jh verbreitet sich in Europa, hauptsächlich von Italien
ausgehend, die neuzeitliche Duellkultur. Das frühneuzeitliche Duell umgeht im Vergleich
zum Gottesurteil gerichtliche Instanzen. Schon wegen Banalitäten greift man zur Blankwaffe.
Das tragen von langen Klingenwaffen zur Zivilkleidung, um stets kampfbereit zu sein, hält
sich bis lange in das 18. Jh. Das Duell versteht sich als ein Aufbegehren gegen den
Gewaltausübungsanspruch des Souveräns bzw. des sich formierenden Staates an sich. Ein
Duellant verteidigt seine Ehre persönlich und überlässt es nicht den Autoritäten. Es ist eine
reaktionäre Erscheinung, insbesondere des Adels der seine alten Rechte bedroht sieht. Die
Staatsgewalt stellt sich vehement gegen das Duell und verbietet es unter Androhung der
schwersten Strafen. Das hält die meisten nicht vom Duellieren ab, da es oftmals aufgrund von
Protegierung oder Sympathien seitens der Behörden gar nicht zu Prozessen gegen Duellanten
kommt. Im Verlauf des 17.-18. Jh wird das Duell eine vorrangig adelige Angelegenheit, da
durch Gesetze dem Adel das Recht Waffen zu tragen vorbehalten bleibt. Eine Änderung zum
16. Jh wo viele Bürger Träger des Duellantentums waren.8 Im Verlauf des 19. Jh nimmt das
Bürgertum durch seinen gesellschaftlichen Aufstieg wieder am Duell teil. Einer der Gründe
ist die nun zusehends nicht mehr dem Adel vorbehaltene Offiziersgesellschaft, sowie das
Begehren des Bürgertums sich auf eine Stufe mit dem Adel zu stellen. Vom Militär gefördert
wird das Duell innerhalb der Armee – gemeint ist das Offizierskorps – sogar in der zweiten
Hälfte des 19. Jh im Deutschen Reich und Russland legalisiert. Zu einer Zeit, wo es in der
Zivilgesellschaft nicht nur weiterhin illegal und beinahe „ausgestorben“ ist, sondern sich auch
immer mehr Duell-Gegner lautstark äußern. Die Umbrüche in der alten imperialen
6
Frevert, 21
7
Schmiedel, 8 und Baldick, 12-14
8
Man bedenke z.B. das Aufblühen bürgerlicher Fechtschulen im Heiligen Römischen Reich
5
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg versetzen dem Duell schließlich den Todesstoß. Es
verliert seine soziale Relevanz und verschwindet in seiner traditionellen Form so gut wie
vollständig.
9
Baldick, 33-36 und Schmiedel, 20-21
6
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
10
Ludolf Müller (Hg.), Die Nestorchronik. Handbuch zur Nestorchronik Band IV, München 2001
11
Nancy Shields Kollmann, By Honor bound. State and Society in Early Modern Russia, Ithaca u. London 1999,
153
12
Reyfman, 45
13
Reyfman, 48-49
7
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
kein Privileg des Adels. Durch Gesetze die die persönliche Ehre schützten, war es nicht
notwendig diese durch eigenmächtigen Waffeneinsatz wiederherzustellen.14
Andererseits bedeutete dies, eine körperliche Züchtigung durch eine übergeordnete Person
oder durch angeordnete Strafe hingenommen wurde. Geschlagen zu werden bedeutete keinen
Verlust an Ehre. Erst im Verlauf des 18. Jh mit der Verwestlichung des russischen Adels kam
das Konzept der physischen Unversehrtheit auf, das es zu wahren galt.15 Unter Katharina der
Großen kamen erstmals Gesetze auf, die die Züchtigung von Adeligen verbaten und
allmählich verbreitete sich auch das Bewusstsein innerhalb der Oberschicht, das sich gegen
körperliche Misshandlung wehrte. Die Ehre wird mehr personalisiert, das Duell wendet sich
gegen diese züchtigende Obrigkeit indem es die Justiz in die eigenen Hände nimmt.
14
Kollmann, 237-238 und Reyfman, 53
15
Reyfman, 110-111
16
Reyfman, 73-75
17
Schmiedle, 51-67
18
Reyfman, 5, 26 u. 80
8
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
Gleichmacher. Andere Duellanten waren auch bemüht sich als gesellschaftlich gleichwertig
zu beweisen. Das waren zum einen Auseinandersetzungen innerhalb des Adels (provoziert
durch die Rangtabellen, die unter Peter I. eingeführt wurden) und der erstarkenden
Mittelschicht (intelligencija) die sich dem Adel gleichwertig fühlen wollte.
Gesteigerte Popularität genoss das Duell durch das umfangreiche Aufgreifen des Themas in
der russischen Literatur. Autoren wie Puškin und Lermontov waren selbst erfahrene
Duellanten und stellten Duelle und deren Protagonisten romantisierend in ihren Werken dar.
Dies hatte nachhaltige Wirkung auf die russische Literatur, bis zu dem Punkt, wo russische
Dichter und Schriftsteller ihren Vorbildern dadurch nacheiferten, indem sie selbst zumindest
jemanden zu einem Duell forderten.19
Nach der Dekabristen-Revolte von 1825 beteiligten sich wie schon erwähnt zunehmend
Angehörige der Mittelschicht an Duellen. Diese kannten das Duell jedoch eben oft nur aus
literarischen Texten und hatten eine dementsprechend naive Auffassung vom Ritual. Bis zum
Ausbruch des Ersten Weltkriegs hält sich im zaristischen Russland die Duelltradition, unter
anderem begünstigt durch die Gesetzgebung. Die Duellpflicht für Offiziere wird 1894 ein
Gesetz. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie im Jahr 1917 und dem Aufkommen der
absolut dem Adel und dem Bürgertum entgegenstehenden Kulturideal der Kommunisten,
verschwindet auch das Duell weitestgehend aus dem Bewusstsein. Interessante Überbleibsel
der bretteur-Mentalität die aus Langeweile Duelle anzettelt, finden sich jedoch sehr wohl bis
zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.20
Eine Eigenheit des russischen Duells ist die übermäßige Anwendung von physischer Gewalt
bereits bei der Forderung. So führt oftmals eine Ohrfeige oder Schläge mit Stöcken, oder
anderen Gegenständen zu einer Duellforderung. Der Schlag ins Gesicht, oder generell Schläge
sind die gröbste Art der Beleidigung die zu einem Duell führen kann. Sie sind nicht
unbekannt, dennoch ist auffällig wie auffällig überpräsent solche Aktionen in Russland sind.
Manchmal bleibt es auch nur beim Schlagabtausch und gegenseitigen Drohungen ein Duell
auszutragen, zum selbigen kommt es jedoch dann gar nicht. Die bereits seit dem Mittelalter
bekannte unformalisierte Variante des Zweikampfs bleibt somit neben dem etablierten Duell
bestehen.21
19
Reyfman, 94-95
20
Reyfman, 96: Beschreibung eines Duells zweier betrunkener Offiziere der Roten Armee 1945.
21
Reyfman, 97-98, 107-108
9
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
22
Kollmann, 238 und Reyfman, 51
23
Reyfman, 51-52
24
Reyfman, 52-53
10
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
offensichtlichen Unwillen die Gesetze auch umzusetzen. Trotz Verurteilungen kam es gleich
anschließend zu Begnadigungen.
Um den ritterlichen Geist des Militärs neu zu beleben, entschloss man sich 1894 ein Gesetz
einzuführen, das einen Offizier dazu zwang eine Duellforderung stets anzunehmen. Lehnte er
ab, verlor er sein Offizierspatent. Der Zweikampf wurde als integraler Bestandteil einer
Offiziersidentität verstanden. Die wichtigste Gruppe der Duellanten, die Offiziere, konnten so
legale Duelle ausfechten. Hier tun sich Parallelen zum Deutschen Reich auf, wo das Duell
innerhalb des Offizierskorps ebenfalls quasi verpflichtend war. Die Anzahl an aktenkundlich
erfassten Duellen steigt in dieser Zeit an, liegt aber niedriger als z.B. in Frankreich!25 Die
Frage ist, ob es weiterhin innerhalb des Offizierskorps zu geheimen Duellen kam – obwohl
jetzt kein wirklicher Grund mehr dafür bestand – oder ob die Zahl der Duelle ohnehin zu
dieser Zeit derart niedrig war. Einer der Gründe für die „niedrige Zahl“ könnte die
Vervollkommnung von Feuerwaffen sein, die zusehends zu rein tödlichen Duellen führte.
Man kann das Duell durchaus als sprichwörtliches Kavaliersdelikt sehen. Obwohl es verboten
ist, kann man meist davonkommen. Vor allem wenn es sich um eine bedeutende Person
handelt, die Beziehungen zu anderen wichtigen Persönlichkeiten hat, oder selber über viel
Einfluss verfügt. Wenn jemand von Bedeutung im Duell getötet wird, dann fällt der andere
Duellant in Ungnade und wird verbannt (Sibirien) oder strafversetzt (Kaukasus), aber so gut
wie nie wegen Mordes oder ähnlichem belangt. So geschehen auch beim berühmtesten
Duellfall der russischen Geschichte, Puškin: sein Kontrahent, Georges d’Anthès verließ
einfach das Land.
4.2 Fazit
In der Bevölkerung wurde das Duell kaum als Verbrechen gesehen. Als „barbarische“,
unkultivierte Sitte unter denen die es negativ sahen, aber nicht als Verbrechen. Erst Ende des
19. Jh nach Einführung des Gesetzes von 1894, kam eine öffentlich geführte Diskussion auf,
in der sich Stimmen allerlei Lager meldeten. Unter den Kommunisten schließlich wurde das
Duell als Totschlag gewertet und verlor seine einzigartige Stellung in der Rechtsprechung.26
Eine interessante Wandlung vollzieht sich, als das Duell zuerst streng unter Strafe gestellt ist
(jedoch nicht unbedingt aus humanitären als aus politisch-ideologischen und praktischen
Gründen), und zum Ende der Periode legalisiert ist. Dieser, wenn man so will, Anachronismus
verwirrt, hat aber bedeutende politische und gesellschaftliche Gründe. Die Anpassung
25
Reyfman, 93
26
Reyfman, 95
11
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
Russlands an den Westen, die Wandlung des Ehrbegriffs und die Militarisierung im Zeitalter
des Imperialismus spielen alle zusammen.
Als recht zeitspezifisches Phänomen im Vergleich zu anderen Vergehen durchgeht es auch
eine vielschichtige Wandlung aufgrund verschiedenartiger Motivation: persönliche Ehre,
politische Agitation, gesellschaftliche Zwänge etc. Im Mittelpunkt stehen dennoch stets zwei
Personen, die man nicht einfach in Opfer und Täter aufteilen kann.
5. Literatur
-) Irina Reyfman, Ritualized Violence Russian Style. The Duel in Russian Culture and
Literature, Stanford 1999
-) Ute Frevert, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991
-) Robert Baldick, The Duel. A History of Duelling, London 1965
-) Nancy Shields Kollmann, By Honor bound. State and Society in Early Modern Russia,
Ithaca u. London 1999
-) Helga Schmiedel, Berüchtigte Duelle, Berlin u. Leipzig 1992
12