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Gabriel Župčan

0102291
A 312

Das Duellwesen im Russland


der Neuzeit

KU, Kriminalität in Polen und Russland von 16. bis zum frühen 20. Jh
LV-Leiter: Angela Rustemeyer
LV-Nr.: 070412
Codierung: F
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 3
1.1 Quellen und Quellenkritik 3
1.2 Historiographie 4
2. Das neuzeitliche Duell in Europa 4
2.1 Kurzer Überblick über die Geschichte des europäischen Duells 4
2.2 Formen des Duells 6
3. Das neuzeitliche Duell in Russland 7
3.1 Die Entwicklung des Duells in Russland 7
3.2 Die „goldene Zeit“ des russischen Duells 8
4. Duell – Vebrechen oder Kavaliersdelikt? 10
4.1 Die russische Gesetzgebung bezüglich des Duells 10
4.2 Fazit 11
5. Literatur 12

2
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)

1. Einleitung
Diese kurze Arbeit soll einen Überblick über die Geschichte des Duells in Russland von
seinen Wurzeln im 17. Jh bis zu seinem Niedergang zu Anfang des 20. Jh geben. Eine
besondere Berücksichtigung ist – soweit erfassbar – dem kriminalgeschichtlichen Aspekt des
Duells gewidmet, da diese Arbeit im Rahmen eines Kurses zur Kriminalitätsgeschichte Polens
und Russlands in der frühen Neuzeit entstanden ist.

1.1 Quellen und Quellenkritik


Die meisten der neuzeitlichen Duelle sind von ihrer Natur her sehr private Angelegenheiten,
die prinzipiell nur zwei Leute betreffen. Alle anderen durch die Duellkultur, insbesondere des
18.-19. Jh, hinzugezogenen Leute sind durch ihre Ehre zu Verschwiegenheit und Diskretion
verpflichtet. Das ist vor allem bedingt durch die meist vorherrschende, offizielle Ächtung des
Duells durch die Verwaltung, die es zu einer geheimen Angelegenheit macht. Insbesondere in
Russland, wo die Behörden sich sehr unberechenbar verhalten konnten, waren Duellanten
angehalten lieber Stillschweigen über ihre Ehrenhändel zu bewahren. Wenig überraschend ist
demzufolge die Quellenlage was Duelle angeht, eher als karg zu bezeichnen. Die schriftlichen
Quellen die aufschlussreich sind, sind in der Regel private Aufzeichnungen wie Briefe,
Tagebücher, Memoiren und ähnliches. Aufzeichnungen die definitiv einen privaten Charakter
tragen. Es kann sich auch um offizielle Schriftstücke wie Gerichtsakten handeln, aber hier
handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs, da Duellvergehen im Verhältnis zu ihrer
Anzahl nur relativ selten verhandelt wurden. Viele Fälle sind nur registriert, es gibt aber keine
näheren Angaben zu den Umständen, die Akten sind unvollständig und oft nicht ausgewertet.
Demzufolge muss die Dunkelziffer der „verübten“ Duelle als sehr hoch eingeschätzt werden.1
Ebenfalls selten, aber nicht unbekannt, sind Zeitungsartikel die über stattgefundene Duelle
berichten.2 Die Quellenlage in Russland unterscheidet sich in der behandelten Zeit nicht
nennenswert von der im übrigen Europa.
Da die Quellen derart privater Natur sind, muss man besonders vorsichtig mit dem
subjektiven Blickwinkel des Quellenautors umgehen. Meistens hat man auch nicht die
Gelegenheit den Standpunkt durch eine andere Perspektive zu überprüfen, da es keine andere
Perspektive auf das Ereignis gibt.

1
Ute Frevert, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991, 15
2
Irina Reyfman, Ritualized Violence Russian Style. The Duel in Russian Culture and Literature, Stanford 1999,
7

3
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KU, Kriminalität in Polen u. Russland (Angela Rustemeyer)
1.2 Historiographie
Es fehlt bis dato eine allgemeine Monographie zur Geschichte des Duells in Russland.3
Generell ist das Thema „Duell“ an sich nur recht unvollkommen erschlossen. Das Interesse
am Duell als Thema tauchte erst lange Zeit nach dem Niedergang des Duells, nach dem
Ersten Weltkrieg, wieder auf.
In Bezug auf Russland ist das Duell ein Thema das besonders von russischen Literaten
aufgegriffen wurde und spätestens seit Alexander Puškins Tod im Duell untrennbar mit der
russischen Literatur verbunden ist. Dementsprechend ist dieser literarische Zusammenhang
immer ein zentrales Thema bei russischen Autoren, so auch bei der herangezogenen Arbeit
von Irina Reyfman. Da viele der russischen Literaten auch tatsächlich selbst Duellanten
waren, und somit wussten worüber sie schrieben, können auch ihre literarischen Texte als
Quellen wahrgenommen werden.

2. Das neuzeitliche Duell in Europa


2.1 Kurzer Überblick über die Geschichte des europäischen Duells
Das europäische Duell leitet seine Tradition und Herkunft aus dem Mittelalter her.4 Natürlich
ist die Tradition des Zweikampfs ungleich älter, und geht bis weit in die Antike zurück (z.B.:
Zweikämpfe in den Homerschen Epen, Gladiatorenkämpfe). Es soll hier allerdings zwischen
dem „gewöhnlichen“ Zweikampf und dem Duell unterschieden werden. Ein Duell versteht
sich als ein an bestimmte Regeln gebundener, bewaffneter Zweikampf, der gewisse ritualhafte
Formen annehmen kann. Ein zentrales Element ist dabei der Anlass für ein Duell: die
persönliche Beleidigung. Man darf dabei aber nicht außer Acht lassen, dass vor allem in der
Frühen Neuzeit, als die Transformation des Duells von der mittelalterlichen in die moderne
Form vor sich geht, diese Kriterien oft nicht oder nur sehr schwach gegeben sind.
Im europäischen Mittelalter waren insbesondere zwei Formen der ritualisierten
Gewaltausübung bekannt: Die Fehde und das Gottesurteil. Die Fehde war ein Mittel unter
Adeligen Streitigkeiten gewaltsam auszutragen und umfasste als Akteure ganze Familien und
deren Gefolgsleute.5 Sie erinnerte nicht von ungefähr an die seit der Antike bekannte
Blutrache, von deren germanischer Variante sie sich ableitete, war zu diesem Zeitpunkt
jedoch wie bereits gesagt den Adeligen vorbehalten. Das Gottesurteil hingegen galt für alle
die kampffähig waren oder einen stellvertretenden „Champion“ für sie antreten lassen

3
Reyfman, 5
4
Frevert, 19-20
5
Helga Schmiedel, Berüchtigte Duelle, Berlin u. Leipzig 1992, 8-9

4
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konnten (z.B. Frauen). Die Kämpfer mussten sich jedoch „gleichwertig“ sein, sprich aus
derselben sozialen Schicht kommen.6 Das Gottesurteil war in der Regel ein direkter
bewaffneter Zweikampf, ausgeführt um eine Entscheidung in einem Gerichtsprozess
herbeizuführen. Die Kämpfer stellten sich Gottes direkter Entscheidung, da der Kampf als
eine solche gesehen wurde. Der Unterlegene galt als schuldig.7 Da nicht selten die beiden
streitenden Parteien in einen persönlichen Ehrenhandel verwickelt waren, kann man das
Gottesurteil als direkte Vorform des neuzeitlichen Duells ansehen.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Bedeutung des ritterlichen Turniers für die Entwicklung
des Duells. Das bewaffnete Kräftemessen der damaligen militärischen Elite kann man
entweder als ein (trotz manchmal tödlichen Ausgangs) unblutiges Duell ansehen, dessen
Tugenden und Ideale – wenn auch nicht Kampfformen – neuzeitliche Duellanten stark
beeinflusst haben. Ab dem 16. Jh verbreitet sich in Europa, hauptsächlich von Italien
ausgehend, die neuzeitliche Duellkultur. Das frühneuzeitliche Duell umgeht im Vergleich
zum Gottesurteil gerichtliche Instanzen. Schon wegen Banalitäten greift man zur Blankwaffe.
Das tragen von langen Klingenwaffen zur Zivilkleidung, um stets kampfbereit zu sein, hält
sich bis lange in das 18. Jh. Das Duell versteht sich als ein Aufbegehren gegen den
Gewaltausübungsanspruch des Souveräns bzw. des sich formierenden Staates an sich. Ein
Duellant verteidigt seine Ehre persönlich und überlässt es nicht den Autoritäten. Es ist eine
reaktionäre Erscheinung, insbesondere des Adels der seine alten Rechte bedroht sieht. Die
Staatsgewalt stellt sich vehement gegen das Duell und verbietet es unter Androhung der
schwersten Strafen. Das hält die meisten nicht vom Duellieren ab, da es oftmals aufgrund von
Protegierung oder Sympathien seitens der Behörden gar nicht zu Prozessen gegen Duellanten
kommt. Im Verlauf des 17.-18. Jh wird das Duell eine vorrangig adelige Angelegenheit, da
durch Gesetze dem Adel das Recht Waffen zu tragen vorbehalten bleibt. Eine Änderung zum
16. Jh wo viele Bürger Träger des Duellantentums waren.8 Im Verlauf des 19. Jh nimmt das
Bürgertum durch seinen gesellschaftlichen Aufstieg wieder am Duell teil. Einer der Gründe
ist die nun zusehends nicht mehr dem Adel vorbehaltene Offiziersgesellschaft, sowie das
Begehren des Bürgertums sich auf eine Stufe mit dem Adel zu stellen. Vom Militär gefördert
wird das Duell innerhalb der Armee – gemeint ist das Offizierskorps – sogar in der zweiten
Hälfte des 19. Jh im Deutschen Reich und Russland legalisiert. Zu einer Zeit, wo es in der
Zivilgesellschaft nicht nur weiterhin illegal und beinahe „ausgestorben“ ist, sondern sich auch
immer mehr Duell-Gegner lautstark äußern. Die Umbrüche in der alten imperialen

6
Frevert, 21
7
Schmiedel, 8 und Baldick, 12-14
8
Man bedenke z.B. das Aufblühen bürgerlicher Fechtschulen im Heiligen Römischen Reich

5
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Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg versetzen dem Duell schließlich den Todesstoß. Es
verliert seine soziale Relevanz und verschwindet in seiner traditionellen Form so gut wie
vollständig.

2.2 Formen des Duells


Ausgehend vom Mittelalter basiert das Duell bis ins 18. Jh auf der Verwendung von
Blankwaffen. Dabei gibt es eigentlich keine Einschränkung. Duelle konnten mit Schwertern
allerlei Arten oder auch Dolchen gekämpft werden. Dies waren die Waffen die sich
effektivsten gegen andere ungepanzerte Zivilpersonen einsetzen ließen und in der Regel
mitgeführt wurden. Es kristallisierte sich jedoch im Verlauf des 16. Jh eine Präferenz für das
Rapier heraus, das im Prinzip als explizite Duellwaffe kreiert worden war. Die Länge und
somit Reichweite dieses schlanken Schwertes, sowie die Kampftechnik die den (zumeist
tödlichen) Stoß zu Kehle, Auge oder Herz präferierte, war ideal für Duelle geeignet. Rapier-
Fechtschulen sprossen von Italien ausgehend über den ganzen Kontinent. Im 18.-19. Jh ging
man aufgrund der Änderung der militärischen Bewaffnung vermehrt zum Säbel über. Zudem
kam im 18. Jh erstmals die Pistole als Duellwaffe auf, die sich ab da als gebräuchlichste
Duellwaffe des 19. Jh etablierte. Die Pistole sorgte für eine Egalisierung des Duellantentums.
Nicht nur verlangte ihre Benutzung kein so ausführliches Können wie das Führen einer
Blankwaffe, sondern auch die erstmals kodifizierten Regeln für verschiedene Duellpraktiken
mit Pistolen machten das Duell zu einer teils äußerst glücklich herbeigeführten
Entscheidung.9 Es gab Varianten bei denen dem Beleidigten der erste Schuss zugestanden
wurde, oder dieser gleich ausgelost wurde, Einigungen auf wie viele Schusswechsel man sich
duellieren wollte und verschiedenste Regeln für gleichzeitiges Feuern. Obwohl praktisch
jedes Duell individuell war, und nicht sklavisch diesen Regelwerken folgte, sondern mehr am
Konsens zwischen den Kontrahenten und ihren Sekundanten basierte, hielt man sich
weitestgehend an allgemein gebräuchliche Gewohnheiten. So hatte der Beleidigte in der
Regel die Wahl der Waffen und bestimmte darüber wann ihm denn Satisfaktion genug getan
wurde. Nicht unbedingt alle Duelle gingen tödlich aus. Eine Verwundung bei der Blut floss,
konnte schon als satisfaktionwürdig angesehen werden. Bei Pistolenduellen war es nicht
ungewöhnlich, dass alle vereinbarten Schüsse ihr Ziel – teils mit Absicht – verfehlten. Im 19.
Jh trieb das Duellwesen immer mehr seltsame Blüten. So kam unter anderem die so genannte
„amerikanische“ Variante auf, bei der man einfach durch Lose entschied wer der beiden
Kontrahenten Selbstmord begehen musste.

9
Baldick, 33-36 und Schmiedel, 20-21

6
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3. Das neuzeitliche Duell in Russland


3.1 Die Entwicklung des Duells in Russland
In Russland macht man mit dem westlichen Duell im Verlauf des 16.-17. Jh durch
Westeuropäer Bekanntschaft. Insbesondere gegen Ende des 17. Jh als durch die Maßnahmen
Peters I. viele ausländische Spezialisten nach Russland geholt werden, wird das Duell
allmählich bekannt. In Russland sind zweikampfhafte Auseinandersetzungen nicht unbekannt,
treten aber in dieser Form und Häufigkeit nicht auf. In der Nestorchronik wird z.B. von einem
abgesprochenen Zweikampf zwischen einem Champion der Pečenegen und einem der Rus’,
die stellvertretend für ihre Armee kämpfen, berichtet.10 Solche Berichte sind aber eben die
Ausnahme. Obwohl man die Auseinandersetzungen zwischen den mittelalterlichen Fürsten
der Rus’ wohl als Fehden interpretieren könnte11, und auch gerichtliche Zweikämpfe bekannt
waren12, gab es nie so etwas wie Turniere und ein solides Fundament für die Duellmentalität,
die sich bei Westeuropäern entwickelte. Dementsprechend zögerlich und skeptisch reagierten
Russen auch auf das Duell. Bis weit ins 18. Jh dürfte es unter Russen nur sehr sporadisch
ausgefochten worden sein. Es stellt sich auch die Frage, inwieweit dabei den formalen Regeln
des Duells gefolgt wurde, oder ob es sich nur um spontane, bewaffnete Auseinandersetzungen
gehandelt habe. Hier einen klaren Trennstrich zu ziehen ist nicht so einfach, da auch die
frühen westeuropäischen Duelle beinahe keinen Formalitäten folgten, aber als solche
aufgefasst werden. Dass es erst im Verlauf des 17. Jh vermehrt zu solchen spontanen
bewaffneten Zweikämpfen kam, kann unter anderem dadurch erklärt werden, dass es in
Russland bis zu dieser Zeit nicht üblich war, Waffen zur Zivilkleidung zu tragen.13 Dies
änderte sich mit dem westlichen Einfluss, und dementsprechend öfter griff man bei
Streitigkeiten wohl zur Waffe, da sie eben zur Hand war. Man darf nicht vergessen, dass diese
Raufhändel in Russland jedoch schon immer weit verbreitet waren, und sich erst jetzt durch
das häufige Tragen von Waffen öfter radikalisierten. „Richtige“, also abgesprochene Duelle
bleiben jedoch nach wie vor selten.
Es kann auch argumentiert werden, dass durch das gesetzliche Reglement Duelle im
Moskauer Reich unnötig waren. Wer sich in seiner Ehre gekränkt fühlte, konnte diese
jederzeit vor Gericht als Kläger einfordern. Das galt für jeden Bewohner der Rus’, und war

10
Ludolf Müller (Hg.), Die Nestorchronik. Handbuch zur Nestorchronik Band IV, München 2001
11
Nancy Shields Kollmann, By Honor bound. State and Society in Early Modern Russia, Ithaca u. London 1999,
153
12
Reyfman, 45
13
Reyfman, 48-49

7
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kein Privileg des Adels. Durch Gesetze die die persönliche Ehre schützten, war es nicht
notwendig diese durch eigenmächtigen Waffeneinsatz wiederherzustellen.14
Andererseits bedeutete dies, eine körperliche Züchtigung durch eine übergeordnete Person
oder durch angeordnete Strafe hingenommen wurde. Geschlagen zu werden bedeutete keinen
Verlust an Ehre. Erst im Verlauf des 18. Jh mit der Verwestlichung des russischen Adels kam
das Konzept der physischen Unversehrtheit auf, das es zu wahren galt.15 Unter Katharina der
Großen kamen erstmals Gesetze auf, die die Züchtigung von Adeligen verbaten und
allmählich verbreitete sich auch das Bewusstsein innerhalb der Oberschicht, das sich gegen
körperliche Misshandlung wehrte. Die Ehre wird mehr personalisiert, das Duell wendet sich
gegen diese züchtigende Obrigkeit indem es die Justiz in die eigenen Hände nimmt.

3.2 Die „goldene Zeit“ des russischen Duells


Mit dem Amtsantritt Alexanders I. kam es zu einer regelrechten Entladung an Duellen. Zum
einen war dies der lockereren Handhabung der Gesetze innerhalb des Militärs zu verdanken,
zum anderen kam die russische Armee durch die napoleonischen Kriege vermehrt in Kontakt
zu Militärs anderer Länder. Das Offizierskorps, die wichtigste Stütze des Duellantentums
wurde dadurch stark beeinflusst und geprägt. Nicht zuletzt aus Nationalstolz wurden
zahlreiche Duelle mit fremden Offizieren ausgefochten.16 Es bricht das an, was man als die
„goldene Zeit“ des russischen Duells bezeichnen kann.
Das 19. Jh erlebt eine Hochblüte des Duells in Russland. Nicht nur ist es die Zeit wo das
Duell endgültig in Russland Fuß fasst, sondern auch Russland der Institution seinen eigenen
spezifischen Stempel aufdrückt. Besonders dafür verantwortlich dürften die weithin
bekannten Tode der Literaten Aleksandr Puškin und Michail Lermontov sein, die beide im
Duell getötet wurden.17
Eine neue Art des Duellanten tauchte auf, der sogenannte bretteur.18 Dem bretteur ging es vor
allem darum ein Duell zu provozieren und sich der tödlichen Gefahr auszusetzen.
Dementsprechend gingen bretteurs aus nichtigsten Trivialitäten Duelle ein. Oftmals hatten sie
kein Interesse dem Gegner Schaden zuzufügen, sondern nur ihn zu verspotten. Dieses
Phänomen ist bezeichnend für das Russland der ersten Hälfte des 19. Jh. Viele bretteurs
kamen aus den Reihen der revolutionären Dekabristen und ihr Verhalten war Ausdruck ihrer
Herausforderung an die politischen Verhältnisse und sie sahen das Duell als ultimativen

14
Kollmann, 237-238 und Reyfman, 53
15
Reyfman, 110-111
16
Reyfman, 73-75
17
Schmiedle, 51-67
18
Reyfman, 5, 26 u. 80

8
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Gleichmacher. Andere Duellanten waren auch bemüht sich als gesellschaftlich gleichwertig
zu beweisen. Das waren zum einen Auseinandersetzungen innerhalb des Adels (provoziert
durch die Rangtabellen, die unter Peter I. eingeführt wurden) und der erstarkenden
Mittelschicht (intelligencija) die sich dem Adel gleichwertig fühlen wollte.
Gesteigerte Popularität genoss das Duell durch das umfangreiche Aufgreifen des Themas in
der russischen Literatur. Autoren wie Puškin und Lermontov waren selbst erfahrene
Duellanten und stellten Duelle und deren Protagonisten romantisierend in ihren Werken dar.
Dies hatte nachhaltige Wirkung auf die russische Literatur, bis zu dem Punkt, wo russische
Dichter und Schriftsteller ihren Vorbildern dadurch nacheiferten, indem sie selbst zumindest
jemanden zu einem Duell forderten.19
Nach der Dekabristen-Revolte von 1825 beteiligten sich wie schon erwähnt zunehmend
Angehörige der Mittelschicht an Duellen. Diese kannten das Duell jedoch eben oft nur aus
literarischen Texten und hatten eine dementsprechend naive Auffassung vom Ritual. Bis zum
Ausbruch des Ersten Weltkriegs hält sich im zaristischen Russland die Duelltradition, unter
anderem begünstigt durch die Gesetzgebung. Die Duellpflicht für Offiziere wird 1894 ein
Gesetz. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie im Jahr 1917 und dem Aufkommen der
absolut dem Adel und dem Bürgertum entgegenstehenden Kulturideal der Kommunisten,
verschwindet auch das Duell weitestgehend aus dem Bewusstsein. Interessante Überbleibsel
der bretteur-Mentalität die aus Langeweile Duelle anzettelt, finden sich jedoch sehr wohl bis
zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.20
Eine Eigenheit des russischen Duells ist die übermäßige Anwendung von physischer Gewalt
bereits bei der Forderung. So führt oftmals eine Ohrfeige oder Schläge mit Stöcken, oder
anderen Gegenständen zu einer Duellforderung. Der Schlag ins Gesicht, oder generell Schläge
sind die gröbste Art der Beleidigung die zu einem Duell führen kann. Sie sind nicht
unbekannt, dennoch ist auffällig wie auffällig überpräsent solche Aktionen in Russland sind.
Manchmal bleibt es auch nur beim Schlagabtausch und gegenseitigen Drohungen ein Duell
auszutragen, zum selbigen kommt es jedoch dann gar nicht. Die bereits seit dem Mittelalter
bekannte unformalisierte Variante des Zweikampfs bleibt somit neben dem etablierten Duell
bestehen.21

19
Reyfman, 94-95
20
Reyfman, 96: Beschreibung eines Duells zweier betrunkener Offiziere der Roten Armee 1945.
21
Reyfman, 97-98, 107-108

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4. Duell – Verbrechen oder Kavaliersdelikt?


4.1 Die russische Gesetzgebung bezüglich des Duells
Das Duell wurde von Anfang an kriminalisiert, und das nicht nur in Russland. Scharfe
Gesetze gegen Duelle finden sich bereits in seiner Frühphase vor allem in Frankreich. Duelle
bedrohen die sich etablierende Staatlichkeit und das Gewaltmonopol der absolutistischen
Souveräne. Die ersten Verbote das Duell betreffend treten in Kraft, als es noch weitgehend
keine Bedeutung erlangt hat: unter Peter I. 1702 wird ein Gesetz erlassen, das auch die in
Russland ansässigen Ausländer (die ohne Frage viel anfälliger für ein Duell sind) unter
Strafandrohung stellt.22 Die Strafe ist drakonisch: Tod oder Amputation eines Arms. 1716
folgt das Duellpatent der Militärgesetzgebung (ustav voinskij), das konsequent am bereits
etablierten festhält. Als zusätzliche Abschreckung werden auch die sterblichen Überreste
eines eventuell im Duell getöteten noch geschändet indem sie ebenfalls gehängt werden. Der
Ausgang eines Duells ist unbedeutend, alleine die Teilnahme an einem ist strafbar. Auch
„gewöhnliche“ bewaffnete Kämpfe werden als Duelle geahndet (und sind wohl zu dieser Zeit
weit häufiger). Selbst der Überbringer einer Forderung muss sich wegen Beihilfe einer
Prügelstrafe aussetzen.23
Der Staat sichert Satisfaktion vor Gericht, statt auf dem Kampffeld zu. Man kann diese
harschen Gesetze als Peters Versuch auslegen das Duell im Kampf zu ersticken. So sehr er
sich auch um Verbreitung westlicher Sitten bemühte, diese Sitte war ihm unerwünscht, und er
sah wohl das Potenzial welche sie unter den Russen hatte.
Unter Katharina der Großen folgte ein weiteres bedeutendes Gesetz bezüglich des Duells: das
sogenannte „Manifest über Duelle“ aus dem Jahr 1787. Die Strafen hier wurden revidiert und
fielen weitaus harmloser aus. Es wurde zwischen verschiedenen Graden der Beleidigung
unterschieden, die verbal, schriftlich oder tätlich erfolgen konnte. Den Kontrahenten konnte
vor Gericht Genüge getan werden. Dieses Gesetz stand deutlich im Geiste der Aufklärung und
basierte auf dem rationalen Ideal. Ein Gesetz war definitiv rationaler als archaische
Kampfrituale, da es (hoffentlich) demjenigen Recht gibt, der tatsächlich Recht hat, und nicht
dem der besser kämpfen kann.
Die Praxis scheint jedoch eine andere Sprache zu sprechen. Die genannten Gesetze kamen
anscheinend so gut wie gar nicht zur tatsächlichen Anwendung.24 Einerseits lag das an der für
gewöhnlich vorherrschenden Verschwiegenheit der Teilnehmer, andererseits an einem

22
Kollmann, 238 und Reyfman, 51
23
Reyfman, 51-52
24
Reyfman, 52-53

10
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offensichtlichen Unwillen die Gesetze auch umzusetzen. Trotz Verurteilungen kam es gleich
anschließend zu Begnadigungen.
Um den ritterlichen Geist des Militärs neu zu beleben, entschloss man sich 1894 ein Gesetz
einzuführen, das einen Offizier dazu zwang eine Duellforderung stets anzunehmen. Lehnte er
ab, verlor er sein Offizierspatent. Der Zweikampf wurde als integraler Bestandteil einer
Offiziersidentität verstanden. Die wichtigste Gruppe der Duellanten, die Offiziere, konnten so
legale Duelle ausfechten. Hier tun sich Parallelen zum Deutschen Reich auf, wo das Duell
innerhalb des Offizierskorps ebenfalls quasi verpflichtend war. Die Anzahl an aktenkundlich
erfassten Duellen steigt in dieser Zeit an, liegt aber niedriger als z.B. in Frankreich!25 Die
Frage ist, ob es weiterhin innerhalb des Offizierskorps zu geheimen Duellen kam – obwohl
jetzt kein wirklicher Grund mehr dafür bestand – oder ob die Zahl der Duelle ohnehin zu
dieser Zeit derart niedrig war. Einer der Gründe für die „niedrige Zahl“ könnte die
Vervollkommnung von Feuerwaffen sein, die zusehends zu rein tödlichen Duellen führte.
Man kann das Duell durchaus als sprichwörtliches Kavaliersdelikt sehen. Obwohl es verboten
ist, kann man meist davonkommen. Vor allem wenn es sich um eine bedeutende Person
handelt, die Beziehungen zu anderen wichtigen Persönlichkeiten hat, oder selber über viel
Einfluss verfügt. Wenn jemand von Bedeutung im Duell getötet wird, dann fällt der andere
Duellant in Ungnade und wird verbannt (Sibirien) oder strafversetzt (Kaukasus), aber so gut
wie nie wegen Mordes oder ähnlichem belangt. So geschehen auch beim berühmtesten
Duellfall der russischen Geschichte, Puškin: sein Kontrahent, Georges d’Anthès verließ
einfach das Land.

4.2 Fazit
In der Bevölkerung wurde das Duell kaum als Verbrechen gesehen. Als „barbarische“,
unkultivierte Sitte unter denen die es negativ sahen, aber nicht als Verbrechen. Erst Ende des
19. Jh nach Einführung des Gesetzes von 1894, kam eine öffentlich geführte Diskussion auf,
in der sich Stimmen allerlei Lager meldeten. Unter den Kommunisten schließlich wurde das
Duell als Totschlag gewertet und verlor seine einzigartige Stellung in der Rechtsprechung.26
Eine interessante Wandlung vollzieht sich, als das Duell zuerst streng unter Strafe gestellt ist
(jedoch nicht unbedingt aus humanitären als aus politisch-ideologischen und praktischen
Gründen), und zum Ende der Periode legalisiert ist. Dieser, wenn man so will, Anachronismus
verwirrt, hat aber bedeutende politische und gesellschaftliche Gründe. Die Anpassung

25
Reyfman, 93
26
Reyfman, 95

11
Das Duellwesen im Russland der Neuzeit Gabriel Župčan, 0102291
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Russlands an den Westen, die Wandlung des Ehrbegriffs und die Militarisierung im Zeitalter
des Imperialismus spielen alle zusammen.
Als recht zeitspezifisches Phänomen im Vergleich zu anderen Vergehen durchgeht es auch
eine vielschichtige Wandlung aufgrund verschiedenartiger Motivation: persönliche Ehre,
politische Agitation, gesellschaftliche Zwänge etc. Im Mittelpunkt stehen dennoch stets zwei
Personen, die man nicht einfach in Opfer und Täter aufteilen kann.

5. Literatur

-) Irina Reyfman, Ritualized Violence Russian Style. The Duel in Russian Culture and
Literature, Stanford 1999
-) Ute Frevert, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991
-) Robert Baldick, The Duel. A History of Duelling, London 1965
-) Nancy Shields Kollmann, By Honor bound. State and Society in Early Modern Russia,
Ithaca u. London 1999
-) Helga Schmiedel, Berüchtigte Duelle, Berlin u. Leipzig 1992

Titelbild: Belgische Duellpistolen, 18. Jh

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