Вы находитесь на странице: 1из 84

Energiewende 2030:

The Big Picture


Megatrends, Ziele, Strategien und eine 10-Punkte-­
Agenda für die zweite Phase der Energiewende

IMPULSE
Energiewende 2030:
The Big Picture

IMPRESSUM

IMPULSE

Energiewende 2030: The Big Picture

Megatrends, Ziele, Strategien und eine


10-Punkte-­Agenda für die zweite Phase der
Energiewende

ERSTELLT VON

Agora Energiewende
Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000
F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-energiewende.de
info@agora-energiewende.de

Lektorat:
INFOTEXT
Content & Grafikdesign
Lindenstraße 76 | 10969 Berlin

Satz:
Juliane Franz

Illustration:
Erfurth Kluger Infografik GbR
Elbestraße 35 | 12045 Berlin
Bitte zitieren als: Agora Energiewende (2017):
Energiewende 2030: The Big Picture. Megatrends,
117/01-I-2017/DE Ziele, Strategien und eine 10-Punkte-Agenda für
Veröffentlichung: Juni 2017 die zweite Phase der Energiewende.
Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser, ist, wer Mitläufer und wer Nachzügler. So haben China
und Kalifornien jüngst bei Erneuerbaren Energien und
die Energie- und Klimapolitik ist traditionell geprägt Elektromobilität sehr ehrgeizige Ziele beschlossen –
von zwei widersprüchlichen Weltsichten: Die eine hält und mit konkreter Politik unterlegt.
wirtschaftlichen Erfolg und Klimaschutz für Gegen-
sätze, die andere sieht Klimaschutztechnologien als In Deutschland steht nun die zweite Phase der
Motor für wirtschaftlichen Erfolg im 21. Jahrhundert. Energie­wende an. In dieser geht es darum, nicht nur
Die Investoren haben sich dabei längst entschieden: eine Stromwende, sondern auch eine Wärme- und
Seit 2013 werden mehr Erneuerbare-Energien-An- Verkehrswende in Gang zu setzen – und die ökono-
lagen zugebaut als alle anderen Kraftwerke zusam- mischen Chancen der Energiewende entschlossen
mengenommen, und in der Autoindustrie investieren zu nutzen. Vor diesem Hintergrund zeichnet dieses
Risiko­kapitalgeber nur noch in Elektromobilität und Impulspapier das Big Picture 2030 und legt Vor-
Smart Mobility, nicht mehr in Benzin und Diesel. schläge vor, wie das Gemeinschaftswerk Energie-
wende gleichzeitig Klimaschutz, ökonomischen Erfolg
Deutschland sieht sich beim Klimaschutz als Vorreiter. und Versorgungssicherheit gewährleisten kann.
Doch im Wettlauf um den Zukunftsmarkt der Energie-
wendetechnologien kann man sich nicht auf f­ rüheren Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre!
Erfolgen ausruhen. Vielmehr entscheidet sich jetzt, Dr. Patrick Graichen
wer in Zukunft Vorreiter der weltweiten Energie­wende Direktor Agora Energiewende

Die Ziele der Energiewende 2030 konkret: Der Agora-Energiewende-Vorschlag

Umweltverträglichkeit Wirtschaftlichkeit Versorgungssicherheit


THG-Emissionen sinken um ≥ 55 % Stromausfallindex dauerhaft unter
THG-Emissionen [Mio t. CO2e]

1.600 ggü. 1990 12 Energiekosten bleiben unter 10 % 24 20 Minuten pro Jahr


10 22
1.200 20
8
SAIDI [min]
Anteil [%]

18
800 6
Energieanteil Energie- 16
Sonstige Emissionen
4 an Konsum- stückkosten-
400 14
Energiebedingte ausgaben index der
2 12
Emissionen Industrie
0 0 10
1990 2010 2030 2000 2005 2010 2015 2006 2010 2015

Verkehr: 2015: Import-


95–98 quote 70 %
Mio. t CO2e
Importquote sinkt
Energie- Strom:
auf 60 %
Emissionen 159–166
2030: –60% Mio. t CO2e
Für besonders energieintensive Betriebe
ggü. 1990 und Haushalte mit sehr geringem
Wärme:
170–175 Einkommen gelten Ausnahmen und
Mio. t CO2e Sonderregelungen

EUROPA:
→ Engpässe bei Netzen an den Grenzen reduzieren
→ Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit europäisch gewährleisten

Eigene Darstellung nach BMWi (2017), BMUB (2016), Destatis (2016a), Expertenkommission zum Monitoringbericht „Energie der Zukunft“ (2016)

3
Zusammenfassung

1. Die sieben Ds der Energiewende: Diese Trends werden das Energiesystem prägen

1. Degression der Kosten 5. Dezentralität


Wind, Solar und Batterien werden immer günstiger Die Struktur des neuen Energiesystems ist viel
­dezentraler
2. Dekarbonisierung
Der ­Klimawandel ­zwingt zum Handeln 6. Digitalisierung
Energie wird smart und vernetzt
3. Deflation der Energiepreise
Kohle, Öl und Gas bleiben billig, werden aber volatiler 7. Demokratisierung
Energie betrifft Bürgerinnen und Bürger direkt
4. Dominanz der Fix­kosten
Die Energiewelt der Zukunft hat geringe Betriebs­
kosten

2. D
 ie Ziele der Energiewende 2030 konkret: Der Agora-Energiewende-Vorschlag

Umweltver­träglichkeit Versorgungs­sicherheit
Die Treibhausgasemissionen der Energie­sektoren Die Importquote für den Primärenergieeinsatz sinkt
liegen 2030 etwa 60 % unter dem Niveau von 1990. auf unter 60 %. Der Stromausfallindex SAIDI verbleibt
Der Ausbau der Erneuerbaren und die Rekulti­ dauerhaft unter 20 Minuten pro Jahr.
vierung der Braunkohlengruben erfolgen im Ein-
klang mit natur­schutzfachlichen Grundsätzen. Europäische Einbindung
Bestehende Engpässe bei Strom-, Gas-, und Ver-
Wirtschaft­lichkeit kehrsnetzen an den Außengrenzen werden redu-
Die Energiestückkosten der Industrie und der ziert. Mit den Nachbarländern erfolgt eine enge
Energie­anteil an privaten Konsum­ausgaben liegen Kooperation bei der Versorgungssicherheit, dem
unter 10 %. Für private Haushalte mit geringem Ein- Ausbau Erneuerbarer Energien und dem Strommarkt-
kommen und die energieintensive Industrie gibt es design.
besondere Ausgleichsregelungen.

3. Strategien zur kosteneffizienten Transformation der Energiesektoren bis 2030

2015 Strategien Ziel 2030


Energiebedingte Treibhausgasmissionen [Mio. t CO2e]

762
3.683
und Primärenergieverbrauch [TWh]

–1.060
149 1. Effizienz: Energieverbrauch um 30 %
457 senken
278 ~2.600
172 424–439
479
2. Erneuerbare: auf 30 % verdoppeln
413 ~820 ~75

246 ~85
~240
1.018 ~220
3. Fossile: Erdöl und Kohle halbieren,
~125
Erdgas um 20 % senken ~510

151 742 ~120


~590

CO2e TWh TWh CO2e

Stromexport Erneuerbare Steinkohle Mineralöl Kernenergie


Braunkohle Gas Sonstige Nicht-energetischer Verbrauch

Quelle: vgl. Kapitel 3

4
4. Die Energiewende bringt kostengünstigen Klimaschutz, wenn man sie richtig angeht

Nach einem Anstieg bis Anfang der 2020er Die Energiewende hat leicht positive gesamt­
Die Kosten
Jahre sinkenfür
dieden Ausbau
Kosten der
für den Erneuerbaren
Ausbau der Energienwirtschaftliche
im Stromsektor Effekte, weil inländische
steigen bis zum Zeitraum 2021–2023 weiter
­Erneuerbaren Energien im Stromsektor deutlich an und sinken dann
Die Wertschöpfungbis
Energiewendeden 2035 deutlich
hatImport
leicht Abbildung
positive
von Kohle, 17
gesamtwirtschaftliche
Öl und Gas E
EE-
ersetzt
hinzu kommen noch Zusatzeffekte durch steigende Exporte
Anteil: 32 % 45 % 52 % 62 % 68 % 32 % 45 % 52 % 62 % 68 %
35 12
4.000 9.000
+4,4 %

Börsenstrompreis und EEG-Umlage [ct_2017/kWh]


+1,1 %
Vergütungsansprüche der Anlagenbetreiber

30 +2,7 %
10

Bruttoinlandsprodukt [Mrd. Euro_2010]

Globales Marktvolumen [Mrd. Euro]


+0,1 %
3.000
25
8 6.000
[Mrd. Euro_2017]

6,9

6,3
6,4
20

4,2
6,9
2.0006

2,0
15

4 3.000
10
1.000

4,6
4,3
2

4,0
3,7
5

3,3
2,7
0 0
0 0
2015 2020 2025 2030 2035 2015 2020
2030 2025 2030
2050 2035

Solar Wind Onshore Sonstige EWI/Prognos/GWS: Referenzprognose


Börsenstrompreis EEG-Umlage

Biomasse Wind Offshore EWI/Prognos/GWS: Zielszenario

Öko-Institut/Fh ISI: Referenzszenario


Hinweis (linke Abbildung): Transparente Flächen zeigen Bestandsanlagen, gefüllte Flächen zeigen Neuanlagen
Quelle: vgl. Kapitel 4 Öko-Institut/Fh ISI: Klimaschutzszenario (KS80)
Hinweis (rechte Abbildung): Börsenstrompreis steigt bis 2035 annahmebasiert auf 4,6 ct/kWh (real), entspricht 6,0 ct/kwh nominal.
Eigene Berechnung auf Basis Öko-Institut (2017a)
5. Was jetzt zu tun ist: Zehn Punkte für eine Agenda EigeneEnergiewende 2030
Darstellung nach EWI/Prognos/GWS (2014a), Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015), R

1. Energiewenderahmen 6. Abgaben und Umlagen


Durch einen gesetzlichen Rahmen V
­ erlässlichkeit Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte grund­
und Planungssicherheit geben legend reformieren

2. Europa 7. Netze
Europas Energiewende unterstützen, die deutsche Stromzielnetz bauen, Wärme- und Gas­netze moderni-
Energiewende europäisch einbetten sieren, Verkehr elektrifizieren

3. Effizienz 8. Strommarkt
Efficiency First als Leitprinzip für Planungsprozesse Einen flexiblen und digitalen Strommarkt
und Investitionsentscheidungen verankern ­organisieren, der Investitionen anreizt

4. Erneuerbare Energien 9. Industrie


Mit Wind- und Solarenergie die Erneuerbaren Ener-  hancen nutzen, Risiken minimieren: Eine zukunfts­
C
gien im Stromsektor auf 60 % und am Primärener- zugewandte Energie­wende-Industriepolitik
gieverbrauch auf 30 % steigern
10. Gemeinschaftswerk
5. Fossile Energien Die Energiewende als Gemeinschaftswerk umsetzen
 ie CO2-intensiven Energieträger Kohle und Öl hal-
D
bieren, mit der Markteinführung strombasierter
Heiz- und Kraftstoffe beginnen

5
Inhalt
Vorwort3

Zusammenfassung4

Einleitung9

1 Die sieben Ds der Energiewende:


Diese Trends werden das Energiesystem prägen 11
1.1 Degression der Kosten:
Wind, Solar und B ­ atterien werden immer günstiger 12
1.2 Dekarbonisierung:
Der Klimawandel b ­ eschleu­nigt sich und zwingt zum Handeln  13
1.3 Deflation der Energiepreise:
Kohle, Öl und Gas bleiben billig, werden aber volatiler 14
1.4 Dominanz der Fixkosten:
Die Energiewelt der Zukunft hat geringe Betriebskosten 15
1.5 Dezentralität:
Die Struktur des neuen ­Energie­systems ist viel dezentraler 16
1.6 Digitalisierung:
Energie wird smart und ­vernetzt 17
1.7 Demokratisierung:
Energie betrifft ­Bürgerinnen und Bürger direkt 18

2 Umweltverträglich, wirtschaftlich, sicher, euro­päisch:


Die Energiewendeziele 2030 konkret 19

3 Energiewende 2030: Wie sich Strom, Wärme und Verkehr neu erfinden 25
3.1 Strategien zur kosteneffizienten ­Transforma­tion
der Energiesektoren bis 2030 26
3.2 Stromwende 2030 28
3.3 Wärmewende 2030 30
3.4 Verkehrswende 2030  32
3.5 Alternative Entwicklungen sind möglich, mehr Forschung ist nötig 34
3.6 Infrastruktur 2030: Netze der Zukunft 36

6
Inhalt
4 Was kostet die Energiewende? 39

5 Was jetzt zu tun ist: Zehn Punkte für eine Agenda Energiewende 2030 45
5.1 Energiewenderahmen 2030:
Verlässlichkeit und Planungssicherheit 46
5.2 Europa 2030:
Eine europäische Energiewende 48
5.3 Effizienz 2030:
Efficiency First als Leitprinzip 50
5.4 Erneuerbare Energien 2030:
Mit Wind und S ­ olar die Erneuerbaren Energien verdoppeln 52
5.5 Fossile Energien 2030:
Kohle und Erdöl ­halbieren, Power-to-Gas und -Liquid einführen 54
5.6 Abgaben und Umlagen 2030:
CO2 endlich angemessen bepreisen 56
5.7 Netze 2030:
Strom-, Wärme- und ­Verkehrs­netze ausbauen und modernisieren 58
5.8 Strommarkt 2030:
Digitalisierung, Flexibilität, verlässlicher Investitionsrahmen 60
5.9 Industrie 2030:
Die Energiewende als ­industriepolitisches Projekt organisieren 62
5.10 Gemeinschaftswerk 2030:
Mit der Energiewende das Gemeinwesen stärken 64

Fazit67

Anhang71

Literaturverzeichnis76

7
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

8
Einleitung

Die Energiewende ist spätestens seit 2015 politisch jüngst beschlossen, die Stromversorgung bis 2030 zu
und ökonomisch weltweit auf dem Vormarsch. So 60 Prozent und bis 2045 zu 100 Prozent auf Erneu-
haben im Juni 2015 die Staats- und Regierungs- erbare Energien umzustellen – während in Deutsch-
chefs der G7 in Elmau eine Dekarbonisierung der land bisher lediglich 80 Prozent als Zielmarke für
Weltwirtschaft bis Ende des Jahrhunderts gefordert. 2050 gilt. China hat allein im Jahr 2016 mehr als
Und auf der Weltklimakonferenz in Paris im Dezem- 64 Gigawatt Erneuerbare Energien ans Netz gebracht
ber 2015 haben 197 Staaten das Ziel formuliert, die – und damit so viel wie Deutschland in den vergan-
Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Cel- genen acht Jahren. Zudem gilt sowohl in Kalifornien
sius zu begrenzen. Beide Beschlüsse laufen letztlich als auch ab 2019 in China eine verpflichtende Quote
darauf hinaus, die Energiewirtschaft unabhängig zu für Elektroautos, um der inländischen Industrie auf
machen von Kohle, Öl und Gas – und sie umzubauen Basis eines nationalen Marktes eine zentrale Rolle auf
in Richtung Erneuerbare Energien und Energieeffi- dem globalen Zukunftsmarkt der Elektromobilität zu
zienz. sichern – während Deutschland eine klare Strategie
für die Markteinführung der Elektromobilität ver-
Nun hat die neue US-Administration im Mai 2017 missen lässt.
angekündigt, sich aus dem Weltklimaabkommen
zurückziehen zu wollen. Hauptbegründung war, dass Vor diesem Hintergrund beschreibt das hier vorge-
das Klimaabkommen der wirtschaftlichen Entwick- legte Impulspapier von Agora Energiewende die Ziele
lung der USA im Wege stehe. Die Kritik an dieser und Strategien für eine erfolgreiche zweite Phase der
Entscheidung aus dem In- und Ausland war flächen- Energiewende bis zum Jahr 2030. Denn das Jahr 2030
deckend und hat Gegenreaktionen in vielen US-Bun- stellt eine wichtige Wegmarke in der Energiewende
desstaaten und Kommunen ausgelöst. dar: Bis dahin soll die Hälfte des noch verbleibenden
Weges bis zu einer dekarbonisierten Energieversor-
Hintergrund hierfür sind nicht nur Sorgen um das gung im Jahr 2050 bewältigt sein.
globale Klima, sondern auch wirtschaftspolitische
Erwägungen. Denn die Kosten zentraler Energie- Die Energiewende war bisher vor allem eine Strom-
wendetechnologien sind in den letzten Jahren stark wende. Die zweite Phase der Energiewende wird
gesunken. In vielen Teilen der Welt sind Wind und dadurch geprägt sein, dass zur Stromwende die Wär-
Solar heute die kostengünstigste Art, Strom zu erzeu- mewende und die Verkehrswende hinzukommen.
gen. In Deutschland, Europa und USA übertrifft die Zudem werden die Erneuerbaren Energien nicht ein-
Zahl der Beschäftigten im Bereich der Erneuerba- fach nur, wie bisher, in das bestehende Energiesys-
ren Energien bereits deutlich die der Beschäftigten tem integriert werden, sondern im Stromsektor die
in Kohle, Öl und Gas. Eine Zeitenwende kündigt sich Mehrheit übernehmen und damit das Energiesystem
an: War Klimapolitik in der Vergangenheit oft eine grundlegend transformieren.
Debatte um die Verteilung von Lasten, geht es heute
darum, welche Region den größten Anteil haben Insgesamt geht es darum, die Energiewende in
wird an dem global stetig steigenden Energiewende-­ Deutschland zu einem Erfolg zu machen – sowohl in
Wachstumsmarkt. ökologischer Hinsicht als auch wirtschaftlich und als
Gemeinschaftswerk. So kann Deutschland auch in
Deutschland sieht sich bei Energiewende und Kli- der zweiten Phase der Energiewende Vorreiter blei-
maschutz als Vorreiter. Doch um den Zukunftsmarkt ben und Lösungen für die anstehenden energiewirt-
der Energiewendetechnologien hat längst ein Wett- schaftlichen Herausforderungen finden, die globale
lauf begonnen: So hat Kalifornien (für sich genom- Strahlkraft besitzen.
men die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt)

9
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

10
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

1 Die sieben Ds der Energiewende: Diese Trends


werden das Energiesystem prägen

Weltweit ändert sich die Basis der Energieversor- bar – sie verbindet jeweils der Buchstabe D. Die sie-
gung. Inzwischen wird in den größten Märkten der ben Ds, die wir als maßgeblich identifiziert haben,
Welt – USA, China und Europa – mehr in Erneuer­ lauten:
bare-Energien-Kapazitäten investiert als in alle
anderen Stromerzeugungstechnologien zusammen. 1. Degression der Kosten: Wind, Solar und Batterien
Weltweit stammten 2015 etwa 60 Prozent der neu werden immer günstiger.
installierten Kraftwerksleistung aus Erneuerbaren
Energien. Wind und Solar haben Kohle, Gas, Kern­ 2. Dekarbonisierung: Der Klimawandel beschleunigt
energie und Öl als zentrale Energieträger der Zukunft sich und zwingt zum Handeln.
abgelöst. Auch für Entwicklungsländer, die bisher
unter andauernder Energiearmut leiden, öffnen sich 3. Deflation der Energiepreise: Kohle, Öl und Gas
neue Perspektiven. Die Energiewende ist binnen bleiben billig, werden aber volatiler.
weniger Jahre zu einem weltumspannenden Phäno-
men geworden. 4. Dominanz der Fixkosten: Die Energiewelt der
Zukunft hat geringe Betriebskosten.
Einige übergeordnete Trends geben die Richtung
vor, in die sich die Energiesysteme national wie 5. Dezentralität: Die Struktur des neuen Energiesys-
international zukünftig bewegen. Die im Folgenden tems ist viel dezentraler.
beschriebenen Megatrends der Energiewende sind
physikalisch, gesellschaftlich, ökonomisch und durch 6. Digitalisierung: Energie wird smart und vernetzt.
neue technologische Entwicklungen bestimmt. Sie
existieren weitgehend unabhängig von nationalen 7. Demokratisierung: Energie betrifft Bürgerinnen
Energiepolitiken. und Bürger direkt.

Jede Energiepolitik muss diesen Megatrends Rech- Es ist keineswegs auszuschließen, dass in Zukunft
nung tragen – und das vor dem Hintergrund einer weitere übergeordnete Entwicklungen hinzukom-
wachsenden Weltbevölkerung mit einem in der glo- men, die sich heute noch nicht abzeichnen. Für
balen Perspektive auf absehbare Zeit steigenden die Gestaltung der Energiepolitik in den kommen-
Energiebedarf. Megatrends bedeuten jedoch nicht, den Jahren dürften diese sieben Trends dennoch die
dass Energiepolitik verzichtbar wird. Sie bilden viel- Grundlage bilden, die jegliche Politik zu beachten hat.
mehr die Grundlage, auf der jegliche Energiepolitik
aufbaut. Um das Energieversorgungssystem entspre-
chend des energiepolitischen Zieldreiecks wirt-
schaftlich, versorgungssicher und umweltfreundlich
auszugestalten, müssen diese Megatrends beach-
tet werden, um dann – auf ihnen aufbauend – kluge
Politik zu formulieren.

Aus Sicht von Agora Energiewende sind derzeit sie-


ben Megatrends der globalen Energiewende erkenn-

11
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

1.1 Degression der Kosten: Wind, Solar und


­Batterien werden immer günstiger
Strom aus Wind- und Solaranlagen ist in den vergan- degression findet auch bei Batterien statt. Die Kos-
genen Jahren drastisch günstiger geworden. In immer ten von Lithium-Ionen-Akkus sind in den vergange-
mehr Regionen der Erde kostet er bereits weniger als nen sechs Jahren um über 70 Prozent auf inzwischen
Strom aus neu errichteten Kohle-, Gas- oder Kern- 200 Euro je Kilowattstunde gesunken. Die Folge: Elek-
kraftwerken. Im Jahr 2016 haben neue Erneuerbare-­ troautos werden reif für den Massenmarkt, Solar- und
Energien-Projekte bis dato nicht für möglich gehal- Windanlagen werden mit Speichern kombiniert.
tene Tiefstpreisrekorde aufgestellt: 5,0 Cent je
Kilowattstunde für Strom aus Offshore-Windkraft in Weitere Kostensenkungen dieser Schlüsseltechno-
Dänemark, 2,7 Cent je Kilowattstunde für Strom aus logien bis 2030 sind schon heute absehbar. Das Bild
Onshore-Windkraft in Marokko und 2,6 Cent je Kilo- ändert sich auch dann nicht grundsätzlich, wenn die
wattstunde für Solarstrom in Chile. Dies gilt auch für mit Wind- und Solarstrom einhergehenden Inte­
Deutschland. Ausschreibungen für Onshore-Wind- grationskosten für Stromnetze oder Back-up-Kraft-
kraft, Offshore-Windkraft und Solarenergie erbrach- werke einkalkuliert werden.2 Eine auf Wind- und
ten Anfang 2017 Ergebnisse von nur noch 5 bis Solarstrom basierende Energiewelt steht somit
6 Cent je Kilowattstunde.1 Eine vergleichbare Kosten­ unmittelbar bevor.

Die Kosten der wichtigsten Energiewendetechnologien sind seit 2008


deutlich gesunken, Wind und Solar sind wettbewerbsfähig Abbildung 1

–20
Kostenreduktion [%]

–40 –41 %

–54 %
–60
–64 %

–73 %
–80

–94 %
–100
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

Wind Onshore Solar (Aufdach) Solar (Freifäche) Batterien LED

Department of Energy (2016)

12
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

1.2 Dekarbonisierung: Der Klimawandel


­beschleu­nigt sich und zwingt zum Handeln
Der vom Menschen verursachte Klimawandel ist Rea- vermehrte regionale Ernährungskrisen – und in der
lität. 2014, 2015 und 2016 waren jeweils die heißesten Folge Armut sowie zunehmende Migration und Flucht.
Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen; 16 der
17 heißesten Jahre fallen in die Periode seit der Jahr- Diese realen Effekte zwingen zum Handeln. Auf
tausendwende. Die Erde ist schon jetzt 1,1 Grad Celsius der Weltklimakonferenz in Paris 2015 hat sich die
heißer als vor Beginn der Industrialisierung.3 Haupt­ Staaten­gemeinschaft verpflichtet, die Erderwärmung
ursache ist die aufgrund der Verbrennung von Kohle, auf 2 Grad zu begrenzen. Unabhängig von einer oft
Erdöl und Erdgas stetig steigende Konzentration von wechselhaften Tagespolitik, wenn es um die Umset-
Kohlendioxid in der Atmosphäre. zung des Abkommens geht, gilt: Je öfter wetterbedingte
Schadens­ereignisse auftreten, desto stärker drängt
Die Folgen sind schon jetzt zu beobachten. Bei einem dies den Klimaschutz auf die politische Tagesordnung.
fortschreitenden Klimawandel drohen ein Anstieg des Die Folge: Jegliche Energiepolitik findet heute und
Meeresspiegels, zunehmende Wetterextreme, Wasser- auf absehbare Zukunft vor der Herausforderung der
mangel, ein Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten, Dekarbonisierung statt.

Der Klimawandel ist real: Seit 1970 steigt die Erderwärmung deutlich an,
seit 1980 haben sich die Extremwetterereignisse verdreifacht Abbildung 2

1,5 800

2016: +1,1 °C
Wetterbedingte Schadenereignisse weltweit

700

1 600
Erderwärmung in [°C]

500

0,5 400

300

0 200

100

–0,5 0
1880 1910 1940 1970 2000 1980 1990 2000 2010

Hydrologische Ereignisse Meteorologische Ereignisse

Klimatologische Ereignisse

Als klimatologische Ereignisse werden Wirbelstürme, Unwetter und Gewitter bezeichnet, als hydrologische Ereignisse Überschwemmungen,
Erdrutsche, Lawinen und Steinschläge, als meteorologische Ereignisse Dürren und Hitzeperioden.
MunichRE (2016), WMO (2017)

13
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

1.3 Deflation der Energiepreise: Kohle, Öl und Gas


bleiben billig, werden aber volatiler
Jahrzehntelang galt als ausgemacht, dass die fossi- →→ Die weiter sinkenden Kosten für Wind- und
len Energieträger infolge ihrer Verknappung immer Solar­energieanlagen wirken ebenfalls wie eine
teurer werden. Dieser Trend ist seit 2014 gebrochen. Preisobergrenze für Kohle und Erdgas. Um mit
Insbesondere Öl und Kohle kosteten 2016 auf den Wind- und Solarstrom konkurrieren zu können,
Weltmärkten deutlich weniger als in den zehn Jahren dürfen Kohle und Gas frei Kraftwerk nicht zu teuer
zuvor. Drei Gründe sprechen dafür, dass die früher werden.
erwarteten Preissteigerungen bei Kohle, Öl und Erd- →→ Fossile Rohstoffe sind nicht knapp, sondern
gas nie mehr eintreten werden: im Gegenteil im Überfluss verfügbar. Denn das
→→ Die Förderkosten bei Schieferöl und Schiefer- Zwei-Grad-Klimaschutzziel bedeutet, dass sehr
gas, die in den vergangenen Jahren durch Fracking große Anteile der fossilen Reserven unter der Erde
erheblich gesunkenen sind, bilden de facto die bleiben müssen (Kohle: 80 Prozent, Gas: 50 Prozent,
neue Preisobergrenze für Erdöl und Erdgas. Früher Öl: 30 Prozent).4
markierten hingegen die teuren Vorkommen in der
Tiefsee diese Obergrenze. Die Entwicklung schließt kurzfristige Preisaus-
schläge der fossilen Brennstoffpreise nicht aus. Sol-
che Preisausschläge sind jedoch nicht von Dauer.

Während die IEA weiterhin steigende fossile Rohstoffpreise erwartet,


dürfte die Realität sich eher an den Weltbank-Prognosen orientieren Abbildung 3

90
Brennstoffpreise [$_2015/MWh_th]

60

30

0
2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030

Rohöl Steinkohle Erdgas Weltbank: Commodity Market Price Forecast

Internationale Energie Agentur: Referenzszenario (CPS) New-Policies-Szenario (NPS) Klimaschutz-Szenario (450ppm)

IEA (2016), World Bank (2017a), World Bank (2017b)

14
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

1.4 Dominanz der Fixkosten: Die Energiewelt der


Zukunft hat geringe Betriebskosten
Der Systemwechsel hin zu Erneuerbaren ­Energien werke haben 50 Prozent oder mehr variable Kosten,
verändert fundamental die Kostenstruktur der Ener- vor allem für den Kauf der Brennstoffe und CO2-­
giesysteme: Erneuerbare Energien auf Basis von Zertifikate. Finanzierungs- und Strommarktstruktu-
Sonnen-, Wind- und Wasserkraft zeichnen sich ren waren bisher darauf ausgerichtet, dass die hohen
durch einen hohen Fixkostenanteil5 aus – und durch Betriebskosten der letzten zum Einsatz kommenden
sehr geringe variable Betriebskosten. Vergleichbares Kraftwerke dafür sorgten, dass die anderen Kraft-
gilt auch für andere Kernelemente des neuen Ener- werke ihre Betriebs-, Kapital- und Investitionskos-
giesystems, beispielsweise für Energiespeicher und ten refinanzieren konnten.
Effizienztechnologien und natürlich für die Strom-
netze. Die Entwicklung bedeutet einen tief greifenden Im neuen Stromsystem liegen die variablen Kosten
Paradigmenwechsel, da die bisherige, von fossilen einmal installierter Anlagen oft nahe null. Neben den
Brennstoffen geprägte Struktur der Energiewirt- Standortfaktoren des Wind- und Sonnenangebots
schaft gekennzeichnet ist durch einen relativ hohen entscheiden so vor allem die Investitions- und Kapi-
variablen Betriebskostenanteil: Kohle- und Gaskraft- talkosten über die Kosten der Stromerzeugung.

Die Kostenstruktur Erneuerbarer Energien ist durch einen


hohen Fixkostenanteil gekennzeichnet Abbildung 4

100
Kostenstruktur der Stromgestehungskosten im Jahr 2020 [%]

80

60

40

20

0
Braunkohle Steinkohle Gas (CCGT) Gas (OCGT) Wind Onshore Wind Offshore Photovoltaik

Konventionelle Erneuerbare

Investitions- und Kapitalkosten Fixe Betriebskosten Variable Betriebskosten

Variable Betriebskosten sind v. a. Kosten für Brennstoffe und CO2-Ausstoß, fixe Betriebskosten v. a. Personal, Wartung und Instandhaltung
Eigene Berechnungen auf Basis von IEA/NEA (2015)

15
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

1.5 Dezentralität: Die Struktur des neuen


­Energie­systems ist viel dezentraler
Ein Energiesystem auf Basis von Erneuerbaren kleinen und großen Erneuerbare-Energien-­Anlagen
Energien tendiert zu Dezentralität und Kleinteilig- auf allen Netz­ebenen Strom, teilweise um ihn als
keit. Grund für diese dezentralere Prägung ist, dass ­Prosumer vor Ort zu verbrauchen. Auch bei Wärme-
­Sonnen- und Windenergie weniger konzentriert und Gasnetzen ist eine vielfältige Einspeisestruktur
anfallen als die Energiegewinnung aus Kohle, Öl und das Zukunftsmodell.7
Gas. Die Stromproduktion verteilt sich daher über
eine größere Fläche.6 Die Skaleneffekte großer Kraftwerksblöcke im
alten System werden ersetzt durch Skaleneffekte
Die neuen Technologien verändern die traditio- der Massenproduktion bei Erneuerbaren Energien,
nelle Rollenverteilung im Energiesystem. Früher Speichern und Motoren. Diesem grundlegend ver-
haben wenige Großkraftwerke via Übertragungs- änderten energie­wirtschaftlichen Umfeld entsteht
und Verteilnetze den Strom zu den Verbrauchern daher bei Strom, Wärme und Verkehr eine Vielzahl
­transportiert. Auch Wärme- und Gasnetze kannten neuer Geschäftsmodelle mit einer Vielzahl neuer
nur wenige Einspeiser. Heute erzeugen Millionen von Akteure.

Das Stromsystem wandelt sich von einem Einbahnstraßensystem


hin zu einem dezentralen und vernetzten Geflecht Abbildung 5

Traditionelle Stromsysteme sind Erneuerbare Energien machen das


zentral ausgelegt Stromsystem dezentraler

Höchst-
spannung

Hoch- und
Mittel-
spannung

Nieder-
spannung

Eigene Darstellung

16
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

1.6 Digitalisierung: Energie wird smart und


­vernetzt
Die modernen Informations- und Kommunikations- schiedlichsten Transportmitteln gebucht werden und
technologien revolutionieren auch die Energie- und der Wärmebedarf kann je nach Bedürfnis flexibel
Verkehrsindustrie. Durch das Vernetzen von Erzeu- angepasst werden.
gung und Verbrauch in Echtzeit sind sie Enabler für
die Umstellung des Energiesystems auf eine kleintei- Zentrale Geschäftsmodelle werden auf der Digitali-
lige und volatile Stromerzeugung. So ermöglicht es die sierung aufbauen. Hierzu gehört die Makrosteuerung
Digitalisierung, ein zuverlässiges, von Sonnen- und einer Vielzahl von Erzeugern und Verbrauchern, aber
Windenergie geprägtes künftiges Energiesystem auf- auch die Mikrooptimierung des Einfamilienhauses
zubauen. beim Einsatz von Solardachanlage, Heizungssystem
und Stromspeicher sowie beim Laden des E-Autos.
Digitalisierung und die auf ihrer Basis ­mögliche Nicht mehr im Verkauf von Kilowattstunden oder
Echtzeitverarbeitung gewaltiger Datenmengen Autos, sondern in Smart Markets, Smart Home und
machen die Nutzung von Strom, Wärme und Ver- Smart Mobility liegen die wichtigsten Wertschöp-
kehr intelligenter und flexibler. So kann in Zukunft fungselemente der neuen Energiewelt. Der angemes-
in Echtzeit Strom gehandelt werden, Mobili­ sene Schutz dieser persönlichen Energiedaten wird
tätsdienstleistungen können kurzfristig mit unter- dabei eine große Rolle spielen.

Die Digitalisierung ermöglicht die enge Vernetzung von Strom, Wärme und Verkehr Abbildung 6

Strom

Wärme Verkehr

Eigene Darstellung

17
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

1.7 Demokratisierung: Energie betrifft


­Bürgerinnen und Bürger direkt
Strom kommt nicht länger einfach aus der Steckdose. Landwirtschaft rückt das neue Energiesystem näher
Solaranlagen, Blockheizkraftwerke, Batterie- und an die Bürgerinnen und Bürger. Besonders betroffen
Wärmespeicher eröffnen Millionen Bürgerinnen und ist der ländliche Raum. Insgesamt nimmt die Inter­
Bürgern die Möglichkeit, große Teile ihrer genutz- aktion zwischen Energiesystem und Bevölkerung zu.
ten Energie selbst zu erzeugen. Der Strom kommt also
auch in die Steckdose – aus Verbrauchern werden Als Folge der flächigen Allgegenwart des neuen Ener-
Prosumer. Zudem gibt es in immer mehr Regionen das giesystems, aber auch aufgrund eines gewachsenen
politische Interesse, Strom vor Ort zu erzeugen und so politischen Selbstbewusstseins melden viele Bürge-
Wertschöpfung in der Region zu behalten. rinnen und Bürger immer eindringlicher Mitspra-
cherechte an. Im Rahmen der Planung und Umset-
Gleichzeitig ist die Energiewende auch ein umfassen- zung der neuen Energieinfrastruktur werden Proteste
des Infrastrukturprojekt, das einhergeht mit erhebli- laut, gleichzeitig vertreten Bürgerenergiegenossen-
chen Eingriffen in das Lebensumfeld vieler Menschen, schaften und lokale Energie-und Verkehrsaktivisten
zum Beispiel durch Veränderungen traditioneller Kul- aktiv einen Gestaltungsanspruch. Die Folge: Energie-
turlandschaften. Mit Windenergie- und Solaranlagen, und Verkehrspolitik können nicht länger top-down
neuen Stromtrassen oder Nutzungsänderungen in der gemacht werden.

Der Mitbestimmungsbedarf von Bürgerinnen und Bürgern wächst zunehmend Abbildung 7

Bündnis Bürgerenergie e. V. (Jörg Farys), Ende Gelände, Boris Roessler/dpa, Nicolas Armer/dpa

18
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

2 Umweltverträglich, wirtschaftlich, sicher, euro­


päisch: Die Energiewendeziele 2030 konkret
Die Energiewende ist dann erfolgreich, wenn sowohl Deshalb müssen die politischen Rahmenbedingungen
Ökologie als auch Ökonomie von ihr profitieren; in den Legislaturperioden bis 2030 so gestaltet wer-
zudem muss die Versorgungssicherheit mit Energie den, dass Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit
während der Transformation und auch nach ihrem und Versorgungssicherheit gemeinsam mit den Nach-
Vollzug auf einem hohen Niveau gewährleistet blei- barländern dauerhaft sichergestellt werden – in einem
ben. Das ist das klassische Zieldreieck der Energie­ Energiesystem, das immer stärker auf Energieeffizi-
politik. Hinzu kommt noch eine vierte Dimension – enz, Erneuerbaren Energien und Flexibilität basiert.
die europäische Einbindung. Denn Deutschland hat,
als ein in der Mitte Europas gelegenes Land, so viele Damit die abstrakten Ziele in konkrete Politik mün-
Strom- und Gasleitungen zu Nachbarländern wie den können, gilt es, die Energiewendeziele für das
kein anderes in Europa. Deutschland ist daher eng Zwischenzieljahr 2030 zu konkretisieren. Dabei
mit der Energiepolitik seiner Nachbarn verbunden. sollten, wo immer möglich, quantifizierte Indikato-
ren verwendet werden. Im Folgenden werden hierzu
konkrete Vorschläge gemacht.

Perspektive 2030: Die Ziele der Energiewende konkret –


der Agora-Energiewende-Vorschlag
→→ Die Treibhausgasemissionen der Energiesektoren liegen 2030 insgesamt etwa 60 %
unter dem Niveau von 1990. Die Emissionen des Stromsektors werden maximal
Umweltver­ 166 Mio t, des Wärmesektors maximal 175 Mio. t und im Verkehr maximal 98 Mio. t CO2
träglichkeit betragen.
→→ Der Ausbau der Erneuerbaren und die Rekultivierung der Braunkohlengruben erfol-
gen im Einklang mit naturschutzfachlichen Grundsätzen.

→→ Die Energiestückkosten in der Industrie und der Energieanteil an den privaten


Wirtschaft­ Konsum­ausgaben liegen dauerhaft unter einem Anteil von 10 %.
lichkeit →→ Private Haushalte mit geringem Einkommen und die energieintensive Industrie erhal-
ten darüber hinaus besondere Ausgleichsregelungen.

→→ Die Importquote für den Gesamtprimärenergieeinsatz (Kohle, Öl, Gas, Erneuerbare) sinkt
Versorgungs­
2030 auf unter 60 %.
sicherheit →→ Der Stromausfallindex SAIDI verbleibt dauerhaft unter 20 Minuten pro Jahr.

→→ Die Engpässe bei den Strom-, Gas-, und Verkehrsnetzen an den Außengrenzen werden
Europäische reduziert.
Einbindung →→ Bei Versorgungssicherheit, Ausbau Erneuerbarer Energien und Strommarktdesign gibt
es eine enge Kooperation Deutschlands mit den Nachbarn.

19
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

Eine umweltverträgliche Energie­ Bundesregierung im November 2016 beschlossenen


wende 2030 Klimaschutzplan 2050 formuliert sind.9

Die Konkretisierung des Ziels der Umweltverträg- Diese Ziele sind nur durch den massiven Ausbau der
lichkeit für 2030 fokussiert sich auf die bereits Erneuerbaren Energien erreichbar. Damit nicht nur
beschlossenen Klimaschutzziele. So haben Bundestag Klimaschutz, sondern auch Umwelt- und Naturver-
und Bundesregierung festgelegt, dass Deutschland träglichkeit gewahrt werden, muss dieser Ausbau
seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindes- im Einklang mit naturschutzfachlichen Prinzipien
tens 55 Prozent unter das Niveau von 1990 redu- erfolgen. Dies gilt für die Planung von Onshore- und
zieren soll, bis 2040 um mindestens 70 Prozent und Offshore-Windparks sowie insbesondere für die Nut-
bis 2050 um 80 bis 95 Prozent. Um innerhalb des zung von Biomasse, wo aus Gründen der Artenvielfalt
klimapolitischen Zielkorridors für 2050 flexibel zu statt Maismonokulturen auch alternative Pflanzen
bleiben, also je nach den künftigen Notwendigkeiten zum Einsatz kommen sollten. Darüber hinaus entste-
sowohl seinen unteren als auch seinen oberen Rand hen durch die Rekultivierung der nicht mehr genutz-
ansteuern zu können, ist es sinnvoll, die Transfor- ten Braunkohlentagebaue neue naturschutzfachliche
mationsstrategie bis 2030 entlang eines mittleren Herausforderungen. Die bestehende Naturschutzge-
Reduktionspfads von minus 87,5 Prozent bis 2050 zu setzgebung bietet hierfür einen geeigneten Rahmen,
konzipieren. der jeweils vor Ort konkret ausgefüllt werden muss.

Der Beitrag der Energiesektoren zum Gesamtklima- Eine wirtschaftliche Energiewende 2030
schutzziel wird dabei größer ausfallen als der Durch-
schnittswert. Denn in den Sektoren Industrie und Um die Transformation des Energiesystems für alle
Landwirtschaft entstehen erhebliche prozessbe- Verbrauchergruppen – also für die Privathaushalte
dingte Emissionen, für die in der absehbaren Zukunft ebenso wie für die Wirtschaft – tragbar und das heißt
nur begrenzt kostengünstige Vermeidungstechno- vor allem auch bezahlbar zu gestalten, ist ihre volks-
logien zur Verfügung stehen. In einem aus heutiger wirtschaftliche Optimierung ein zentrales Ziel. Die
Sicht anspruchsvollen Szenario können Industrie und privaten Haushalte sollen, bezogen auf die verfügba-
Landwirtschaft ihre Emissionen bis 2050 um 60 Pro- ren Einkommen, nicht stärker belastet werden als in
zent gegenüber 1990 reduzieren.8 Dies bedeutet im der Vergangenheit. Für die deutsche Industrie müs-
Umkehrschluss, dass die energiebedingten Treib- sen die transformationsbedingten Kosten auf ein Maß
hausgasemissionen bis 2050 um mindestens 92 Pro- begrenzt bleiben, das ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht
zent sinken, wobei die verbleibenden Restemissio- gefährdet. Deutschland bleibt mit der und durch die
nen in den Energiesektoren zu großen Teilen von der Energiewende ein Land, dessen wirtschaftliche Stärke
Müllverbrennung und von flüchtigen Emissionen sich aus seiner hochentwickelten Industrie ableitet.
beansprucht werden.
Eine wettbewerbliche und europäische Ausrichtung
De facto heißt also ein mittlerer Klimareduktionspfad der Energiemärkte bleibt deshalb unverzichtbarer Teil
von minus 87,5 Prozent bis 2050, dass Strom, Wärme des Zielkatalogs der Energiewende. Schritte in die
und Verkehr bis 2050 fast vollständig dekarbonisiert richtige Richtung sind die Fokussierung der Energie­
sind. Für das Zwischenziel 2030 bedeutet dies eine wende auf die kostengünstigsten Erneuerbaren Ener-
Reduktion der energiebedingten Emissionen um etwa gien – Windkraft und Solarenergie –, die Umstel-
60 Prozent bis 2030 als Beitrag zum Minus-55-Pro- lung des Finanzierungssystems für Erneuer­bare auf
zent-Gesamtziel Deutschlands. Dieser Wert ent- Ausschreibungen sowie die Stärkung des Strom-
spricht den 2030-Sektorzielen wie sie im von der markts. Im Zuge des weiteren Ausbaus von Windkraft

20
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

und Solarenergie steigt der Flexibilitätsbedarf des Abschreibungszeiten nicht mit den Klimazielen ver-
Stromsystems weiter an. Damit dieser kosteneffizi- einbar sind (zum Beispiel weil sie über 2050 hinaus
ent gedeckt wird, braucht es einen diskriminierungs- reichen), sollten vermieden werden, da sonst hohe
freien Wettbewerb zwischen allen verfügbaren Flexi- volkswirtschaftliche Verluste drohen.
bilitätsoptionen: Stromhandel mit den europäischen
Nachbarn, flexible Kraftwerke, Speicher, Lastmanage- Energiekosten sind das Produkt aus Energiepreis und
ment, Power-to-X, Sektorkopplung. Eine einseitige Energieverbrauch. Einer verbesserten Energieeffizi-
Bevorzugung einzelner Technologien ist nicht sinn- enz kommt deshalb eine Schlüsselrolle zu. Fortschritte
voll, vielmehr soll der Markt sein Entdeckungspoten- bei der Energieeffizienz senken nicht nur die Gesamt-
zial entfalten. Der Stromnetzausbau, auch grenzüber- kosten des Energiesystems, sie stärken zugleich die
schreitend, ist dabei eine wesentliche Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts. Da nach
den Markt. Er muss sich jedoch in seiner Dimensio- wie vor kostengünstige Effizienzoptionen, gerade auch
nierung im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse in in der Industrie, nicht ausgeschöpft sind, liegt hier ein
ein Gesamtoptimierungskonzept einfügen. großes Potenzial, um die Energiewende wirtschaftli-
cher und kostengünstiger auszugestalten.
Für die Zukunft wird es notwendig sein, die Kosten­
effizienz dynamisch zu betrachten, das heißt, die Konkret bedeutet eine wirtschaftliche Energiewende
Kosten über die Zeit zu minimieren. Stranded Assets, 2030 daher, dass private und industrielle Verbrau-
das heißt Investitionen in fossile Technologien, deren cher auch im Jahr 2030 keine wesentlich höhere

Die Ziele der Energiewende 2030 konkret: Der Agora-Energiewende-Vorschlag Abbildung 8

Umweltverträglichkeit Wirtschaftlichkeit Versorgungssicherheit


THG-Emissionen sinken um ≥ 55 % Stromausfallindex dauerhauft
1.600 ggü. 1990 12 Energiekosten bleiben unter 10 % 24 unter 20 Minuten pro Jahr
THG-Emissionen [Mio t. CO2]

10 22
1.200 20
8
SAIDI [min]
Anteil [%]

18
800 6
Energieanteil Energie- 16
Sonstige Emissionen
4 an Konsum- stückkosten-
400 14
Energiebedingte ausgaben index der
2 12
Emissionen Industrie
0 0 10
1990 2010 2030 2000 2005 2010 2015 2006 2010 2015

Verkehr: 2015: Import-


95–98 quote 70 %
Mio. t CO2e
Importquote sinkt
Energie- Strom:
auf 60 %
Emissionen 159–166
2030: –60% Mio. t CO2e
Für besonders energieintensive Betriebe
ggü. 1990 und Haushalte mit sehr geringem
Wärme:
170–175 Einkommen gelten Ausnahmen und
Mio. t CO2e Sonderregelungen

EUROPA:
→ Engpässe bei Netzen an den Grenzen reduzieren
→ Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit europäisch gewährleisten

Eigene Darstellung nach BMWi (2017), BMUB (2016), Destatis (2016a), Expertenkommission zum Monitoringbericht „Energie der Zukunft“ (2016)

21
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

Energiekostenbelastung tragen sollten, als sie bis- Teilbereichen weiter zu verbessern, wie zum Bei-
her zu tragen hatten. Der bisherige Maximalwert des spiel bei der Abhängigkeit von Energieimporten aus
Anteils der Energiekosten an den Konsumausgaben Krisen­gebieten.
der privaten Verbraucher betrug 9 Prozent im Jahr
2013, im Jahr 2015 ging er auf 7,6 Prozent zurück.10 Im Jahr 2015 bezog Deutschland rund 70 Prozent
Im Bereich der Industrie kann der Energiestückkos- seiner gesamten Primärenergie aus dem Ausland.12
tenindex, der von den Sachverständigen zum Moni- Durch den schrittweisen Ersatz von Kernenergie,
toring der Energiewende ermittelt wird, als Indikator Kohle, Öl und Gas durch mehr Energieeffizienz und
herangezogen werden. Er misst den Anteil der Ener- Erneuerbare Energien nimmt die Abhängigkeit von
giekosten an der Bruttowertschöpfung der Industrie Energieimporten aus bestehenden oder potenziellen
und lag in den letzten Jahren bei etwa 8 Prozent.11 Als Krisenregionen ab. Das entlastet nicht nur die natio-
Ziel für 2030 könnte insofern sowohl für Industrie nale Energierechnung, sondern verlagert auch Wert-
als auch für Privathaushalte formuliert werden, dass schöpfung aus dem Ausland ins Inland.
die Ausgaben für Energie immer unter 10 Prozent der
Bruttowertschöpfung beziehungsweise der Konsum­ Insbesondere das deutsche Stromsystem zeich-
ausgaben liegen sollen. net sich aktuell durch hohe Zuverlässigkeit aus. Die
Werte des Stromausfallindex SAIDI13, das heißt die
Bei einer solchen Durchschnittsbetrachtung müs- durchschnittlichen ungeplanten Stromausfallzeiten
sen spezifische Situationen unterschiedlicher Ver- in den Verteilnetzen, haben sich während der ers-
brauchergruppen berücksichtigt werden. Einerseits ten Phase der Energiewende weiter verbessert. 2015
müssen etwaige Kostensteigerungen in Privathaus- erreichte er mit zwölf Minuten pro Jahr ein histo-
halten mit geringen Einkommen, die von jeher einen risches Minimum.14 Langfristiges Ziel muss es sein,
überdurchschnittlichen Energiekostenanteil an ihren die auch im Vergleich mit anderen Industrieländern
Gesamtausgaben aufweisen, über gute Sozialpolitik herausragende Zuverlässigkeit der Stromversorgung
begrenzt werden. Andererseits sind auch in Zukunft dauerhaft zu wahren.15
Ausnahmeregelungen für Teile der Industrie notwen-
dig und sinnvoll, um die Wettbewerbsfähigkeit des Hierzu sind zwei Akteure in der Pflicht: die Über-
Industriestandortes Deutschland abzusichern. Aus- tragungsnetzbetreiber und die Politik. Die Übertra-
nahmeregelungen dürfen jedoch nicht dem Ziel eines gungsnetzbetreiber sind für die Systemsicherheit
effizienten und flexiblen Energieverbrauchs in den verantwortlich. Die Politik muss die Rahmenbedin-
begünstigten Sektoren entgegenwirken. gungen im Energiewirtschaftsrecht mithilfe geeig-
neter Instrumente (zum Beispiel Kapazitätsreserven,
Eine versorgungssichere Energie­ Kapazitätsmärkte o. Ä.) so setzen, dass die Versor-
wende 2030 gungssicherheit jederzeit gewährleistet ist.16

Die zuverlässige Versorgung mit Energie hat für jede Als Konkretisierung des Ziels Versorgungssicher-
Volkswirtschaft höchste Priorität – insbesondere heit für das Jahr 2030 kann somit formuliert werden,
aber für einen im globalen Wettbewerb stehenden dass die Importabhängigkeit der Primärenergieträ-
Industriestandort wie Deutschland. Seit Jahrzehnten ger (Kohle, Öl, Gas, Erneuerbare) auf unter 60 Prozent
nimmt Deutschland bei der Versorgungssicherheit sinken soll und der Stromausfallindex SAIDI dauer-
im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. haft unter 20 Minuten Ausfallzeiten pro Kunde und
Dabei muss es bleiben. Die Aufgabe der Energiepolitik Jahr verbleiben soll.
besteht darin, die Versorgungssicherheit im Wandel
auf dem gewohnt hohen Standard zu halten und in

22
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Eine europäisch eingebettete Energie- →→ Bessere physikalische Integration: Der weitere


wende 2030 Ausbau von Grenzkuppelstellen im Strom-, Gas-
und Schienennetz ist wichtig als Basis für den
Das klassische Zieldreieck der Energiewende – grenzüberschreitenden Energie-, Personen- und
Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, Ver- Gütertransport. Zur Steigerung von Wirtschaft-
sorgungssicherheit – lässt sich durch europäische lichkeit und Versorgungssicherheit sollten bei allen
Kooperation besser und leichter erfüllen als durch drei Netzen die Engpässe an Deutschlands Gren-
rein nationale Maßnahmen. So gleichen sich wet- zen deutlich reduziert werden. So können etwa
terabhängige Wind- und Solarstromproduktion über die Grenzkuppelstellen bei Strom bis 2030 um ein
die größere geografische Verteilung besser aus und Viertel erhöht werden.
gesicherte Leistung kann gemeinsam zur Versor- →→ Bessere Integration der Märkte: Die Strommärkte
gungssicherheit genutzt werden. Außerdem ist es in Europa sind inzwischen miteinander gekoppelt,
möglich, verstärkt auf günstige Flexibilitätsoptionen aber gerade bei den Kurzfristmärkten wie Intra-
wie Pumpspeicherkraftwerke oder Lastmanagement day- und Regelenergiemärkten gelten oft unter-
in Nachbarländern zuzugreifen. Deshalb steigert eine schiedliche Regeln.20 Bis 2030 sollten diese wei-
Kooperation mit den Nachbarländern nicht nur die testmöglich angeglichen sein.
Wirtschaftlichkeit der Energiewende, sondern sorgt →→ Kooperation auf politischer Ebene: Grenzüber-
auch für ein höheres Maß an Versorgungssicherheit.17 schreitende Kooperationen bei Erneuerbare-­
Energien-Ausschreibungen und Kapazitätsins-
Diese Vorteile gelten sowohl für Deutschland als auch trumenten ermöglichen es beiden Seiten, Kosten
umgekehrt für die Nachbarländer Deutschlands, denn zu senken. Zudem sollen die EU-Mitgliedsländer
die Energiewende ist im Jahr 2030 auch ein europä- als Teil des neuen EU-2030-Energierahmens ihre
isches Projekt. So hat die Europäische Union klima- mittel- und langfristigen Energiestrategien mit
und energiepolitische Ziele für Europa für 2030 ihren Nachbarn abstimmen. Regionale Kooperatio-
beschlossen: mindestens 40 Prozent Treibhausgas- nen, zum Beispiel in Zentralwesteuropa oder in der
minderung gegenüber 1990, Steigerung der Energie- Ostseeregion, können hier wegbereitend sein.
effizienz um mindestens 27 Prozent, Erhöhung des
Anteils der Erneuerbaren Energien auf mindestens Die europäische Einbettung der Energiewende
27 Prozent am Gesamtenergieverbrauch.18 Modellie- bedeutet nicht, dass nationale Klima- und Energiepo-
rungen zeigen, dass dies aufgrund geringer Erneu- litik überflüssig wird. Nationale Ziele und Politi-
erbare-Energien-Potenziale im Wärme- und Ver- ken für Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Ver-
kehrssektor bedeutet, den Erneuerbaren-Anteil im sorgungssicherheit, gerade auch im Stromsektor,
Stromsektor Europas auf 50 Prozent zu steigern.19 bleiben hoch relevant, da nach europäischem Recht
Gleichzeitig ist es das Ziel der EU, die Wettbewerbs- unter anderem die Frage des Energiemixes in die
fähigkeit Europas zu erhöhen und im Rahmen der Zuständigkeit der Nationalstaaten fällt. Europäische
Energieunion die Versorgungssicherheit dauerhaft zu Klima- und Energiepolitik, wie etwa beim EU-Emis-
gewährleisten, gerade mit Blick auf mögliche Import- sionshandel, muss daher so organisiert werden, dass
risiken bei russischem Gas. sie nationale Maßnahmen und regionale Koopera-
tionen unterstützt. Ziel ist es, dass sich nationale
Für eine wirksame europäische Energiewende gilt und europäische Maßnahmen im Sinne eines klugen
es, die Integration der Energiesysteme über Länder- Policy-Mixes gegenseitig verstärken.
grenzen hinweg zu verstärken – und zwar auf drei
Ebenen:

23
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

24
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

3 Energiewende 2030: Wie sich Strom, Wärme


und Verkehr neu erfinden
Das Jahr 2030 stellt eine wichtige Wegmarke in der Die Energiewende 2030 bringt deutliche Verän-
Energiewende dar – als Mitte des noch zu gehenden derungen mit sich, aber keinen Komfortverlust. Im
Weges bis 2050. Denn als Teil eines mittleren Klima- Gegenteil: Energetische Sanierung und Digitalisie-
schutzpfads werden die energiebedingten Emissio- rung lassen Häuser zum richtigen Zeitpunkt warm
nen bis 2050 auf minus 92 Prozent unter das Niveau oder klimatisiert sein. Städte sind leiser und sauberer
von 1990 fallen müssen. Bis 2030 bedeutet das minus infolge der gesunkenen Luftschadstoffe, die Elektro­
60 Prozent – und 2015 sind erst minus 26 Prozent mobilität und Shared Mobility mit sich bringen.
erreicht. Industrieanlagen sind effizienter und flexibler und
profitieren von niedrigen Preisen bei hoher Wind-
Dies beinhaltet eine tief greifende Transformation: und Solarstromproduktion. Wie es gelingt, diese
Strom, Wärme und Verkehr erfinden sich neu. Statt technologischen Innovationen zugunsten von Klima,
weiter auf Kernenergie, Kohle, Erdöl und Erdgas zu Wirtschaft und Verbraucher tatsächlich zu realisie-
setzen, stehen Energieeffizienz und Erneuerbare ren, soll im Folgenden skizziert werden.
Energien, allen voran Wind- und Solarenergie, im
Zentrum des Energiesystems.

Bis 2030 sinken die energiebedingten Treibhausgasemissionen um


60 Prozent gegenüber 1990 Abbildung 9

1.500

2015: –28 % CO2e


1.250
davon
Energie: –26 % Ziel 2030:
Sonstige: –35 % ≥ –55 % CO2e
Mio. t CO2-Äquivalente

1.000

davon Ziel 2050:


Energie: –60 % –87,5 % CO2e (als Mitte
750 Sonstige: –40 % von –80 bis –95 %)

davon
Energie: –92 %
500
Sonstige: –65 %

250

0
1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050

Energiebedingte Treibhausgasemissionen Sonstige Treibhausgasemissionen

Mittlerer Zielpfad (–87,5 % bis 2050)

Basisjahr der Minderungen ist jeweils 1990


UBA (2017), eigene Berechnungen auf Basis BMUB (2016), Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015)

25
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

3.1 Strategien zur kosteneffizienten


­Transforma­tion der Energiesektoren bis 2030
Deutschland hat im Jahr 2015 etwa 3.700 Terawatt- nicht nur deutlich teurer, sondern würde an Akzep-
stunden Energie verbraucht. Während ein klei- tanzgrenzen stoßen, weil Zusatzanstrengungen bei
ner Teil stofflich genutzt wird,21 wird der Großteil Erneuerbaren Energien und Kohleausstieg notwendig
(93 Prozent) zur Energieerzeugung verwendet. Etwa werden würden. Insgesamt wird der Endenergiever-
30 Prozent entfallen dabei auf Erdöl, 27 Prozent auf brauch zwischen 2015 und 2030 um rund 22 Prozent
Kohle und 22 Prozent auf Erdgas. Erneuerbare Ener- sinken; aufgrund geringerer Umwandlungsverluste
gien tragen 13 Prozent bei.22 In puncto Emissionen ist sinkt der Primärenergieverbrauch sogar um rund
die Rangfolge der Energieträger anders: Kohle trägt 29 Prozent.27
mit 42 Prozent am meisten zu den energiebedingten
CO2-Emissionen bei, gefolgt von Erdöl mit 33 Prozent 2. Ausbau der Erneuerbaren Energien
und Erdgas mit 20 Prozent.23 Der Ausbau der Erneuerbarer Energien ist die
zweite wichtige Säule der Energiewende. Bis 2030
Aufgrund von Umwandlungsverlusten werden letzt- soll der Anteil der Erneuerbaren am gesamten
lich rund 72 Prozent als Endenergie genutzt.24 Rund Primärenergie­verbrauch auf etwa 31 Prozent mehr
die Hälfte der Endenergie wird dabei aktuell für als verdoppelt werden. Er unterscheidet sich aber
Wärme, ein Drittel als Kraftstoff und ein Fünftel als stark zwischen den Sektoren: Während im Strom-
Strom eingesetzt.25 Aufgrund der starken Kohlenut- sektor mit Wind- und Solarstrom große Potenziale
zung ist der Stromsektor der Sektor mit den meisten kostengünstig zu heben sind, gilt dies für Heizstoffe
Emissionen. nur noch teilweise (begrenzte Potenziale bei Solar­
thermie, Geothermie, Biomasse) und für Kraftstoffe
Drei Strategien bilden den Kern: Effizienz fast gar nicht (keine Steigerung bei Biokraftstoffen
steigern, Erneuerbare Energien aus- der ersten Generation aufgrund der Nachhaltigkeits-
bauen und den Abschied von Kohle und probleme, geringes Potenzial bei Biokraftstoffen der
zweiten Generation). Die Konsequenz hieraus ist der
Öl einleiten
verstärkte Einsatz von erneuerbar erzeugtem Strom
Zahlreiche Studien haben in den vergangenen Jah- im Wärme- und Verkehrssektor.
ren die Frage untersucht, mit welchen Strategien
und Maßnahmen das Klimaschutzziel für 2030 so 3. M
 inderungsfokus auf Kohle und Öl als CO2-­
kosteneffizient wie möglich erreicht werden kann.26 intensivste Energieträger
Die Studien weisen eine hohe Konvergenz auf – im Als dritte Strategie wird in jedem der drei Energie-
Wesentlichen lassen sie sich auf drei Kernelemente sektoren primär jeweils der CO2-intensivste Ener-
zusammenfassen, die gemeinsam den Erfolg der gieträger gemindert, da so pro reduzierter Kilowatt-
Energiewende ermöglichen. stunde am meisten CO2-Einsparung erfolgt. Dadurch
wird der Kohlen- und Ölverbrauch bis 2030 gegen-
1. Steigerung der Energieeffizienz über 2015 in etwa halbiert. Erdgas als der fossile
In allen Sektoren (Strom, Wärme, Verkehr) ist die Energieträger, der am wenigsten CO2 ausstößt, wird
Energieeffizienz ein Schlüssel zum Erfolg. Denn bis 2030 nur geringfügig reduziert.
wollte man das Klimaziel erreichen, ohne massiv in
Gebäudesanierung, effizienteren Stromverbrauch
und Verkehrseffizienz zu investieren, wäre dies

26
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Kopplung der Sektoren Strom, Wärme verluste haben. Diese neuen Verbraucher haben über
und Verkehr 2030: Alles dreht sich um ihren zusätzlichen Strombedarf und ihre Verbrauchs­
die effiziente Nutzung von Wind- und profile aber auch Folgewirkungen auf den Stromsek-
tor. Konsequenz: Die Trennung zwischen den Energie­
Solarstrom
sektoren Strom, Wärme und Verkehr verschwindet
Die Folge dieser drei Strategien ist die verstärkte Sek- zusehends, sie müssen gemeinsam betrachtet werden.
torkopplung. Zusätzlich zu Kraft-Wärme-Kopplungs-
anlagen und dem bestehenden Schienenverkehr wird Dieses Zusammenwachsen der Energiesektoren bei
jetzt erneuerbar produzierter Strom im Wärme- und gleichzeitiger Steigerung von Energieeffizienz und
Verkehrssektor immer stärker zum Einsatz kommen. vorwiegend heimischer Wind- und Solarstrompro-
In direkter Form durch einen zunehmenden Einsatz duktion ist aus volkswirtschaftlicher Perspektive
von Wärmepumpen und Power-to-Heat-Anlagen interessant, da es neue Marktchancen für Energie­
beziehungsweise Elektroautos, Schienenverkehr oder versorger und Energiedienstleister bietet und
Oberleitungs-Lkws oder indirekt durch den Einsatz zusätzliche Wertschöpfung im Inland schafft. Aus
von strombasierten Heiz- und Kraftstoffen wie Was- Klimaschutzsicht bedeutet es, dass die neuen Strom-
serstoff, Power-to-Gas oder Power-to-Liquid. Direk- verbräuche zwangsläufig einen zusätzlichen Ausbau
ter Stromeinsatz erhöht wiederum die Effizienz, da von Erneuerbaren Energien erfordern, da sonst die
Wärmepumpen und Elektromotoren bei der Erzeu- Emissionen nur aus dem einen Sektor in den anderen
gung von Wärme und Mobilität kaum Umwandlungs- verschoben würden.

Mit drei Strategien kann man die energiebedingten


Emissionen bis 2030 auf den Zielpfad bringen Abbildung 10

2015 Strategien Ziel 2030


Energiebedingte Treibhausgasmissionen [Mio. t CO2e]

762
und Primärenergieverbrauch [TWh]*

3.683
–1.060
149 1. Effizienz: Energieverbrauch um 30 %
457 senken
278 ~2.600
172 424–439
479

413 2. Erneuerbare: auf 30 % verdoppeln ~75


~820

246 ~85
~240
1.018 ~220
3. Fossile: Erdöl und Kohle halbieren, ~125
Erdgas um 20 % senken ~510

151 742 ~120


~590

CO2e TWh TWh CO2e

Stromexport Erneuerbare Steinkohle Mineralöl Kernenergie


Braunkohle Gas Sonstige Nicht-energetischer Verbrauch

* Energieträgerfarben stellen energiebedingte CO2-Emissionen bzw. energiebedingten Primärenergieverbrauch dar.


AGEB (2017a), UBA (2017a), eigene Berechnungen auf Basis EWI/Prognos/GWS (2014a)

27
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

3.2 Stromwende 2030


Im Jahr 2015 wurde die erste Phase der Energiewende gien überführt wird, der Ausstieg aus der Kernenergie
im Stromsektor abgeschlossen. So wurde die Strom­ vollendet wird und die Stromemissionen etwa halbiert
erzeugung aus Erneuerbaren Energien im Zeitraum werden.28 Windkraft und Solarenergie werden die
von 2000 bis 2015 verfünffacht; inzwischen werden Leittechnologien des Strommarkts. Windparks (on-
32 Prozent des Stromverbrauchs von Erneuerbaren und offshore) sowie Solarfreiflächenanlagen erzeu-
gedeckt. Parallel begann der Ausstieg aus der Kern- gen zwischen 2020 und 2030 kostengünstig Strom zu
energie. Im Jahr 2015 wurde nur noch halb so viel unter fünf Cent pro Kilowattstunde. Solarstrompro-
Strom aus Kernkraftwerken produziert wie im Jahr duktion auf dem eigenen Dach ist Standard nicht nur
2000. Insgesamt hat der Ausbau der Erneuerbaren für Einfamilienhäuser, sondern für jedes Gebäude mit
Energien den Rückgang der Kernenergie von 2000 geeigneten Dachflächen. Erneuerbar erzeugter Strom
bis 2015 um etwa das Doppelte übertroffen: Während wird auch im Wärme- und Verkehrssektor verstärkt
die Stromerzeugung aus Kernenergie um 78 Tera- eingesetzt. Intelligente Netze, die digitale Einbindung
wattstunden zurückging, stieg die der Erneuerbaren von Erneuerbare-Energien-Anlagen, Lastmanage-
um 150 Terawattstunden. Der Versorgungssicherheit ment und Speichern in die Strommärkte sowie eine
hat diese Entwicklung nicht geschadet. Betrug die stabile Kapazitätsreserve ermöglichen es zudem, die
mittlere Nichtverfügbarkeit von Strom pro Kunde im Versorgungssicherheit auch 2030 auf dem aktuell
Jahr 2006 noch 21,5 Minuten, lag dieser Wert 2015 sehr hohen Niveau zu gewährleisten.
bei nur noch 12,7 Minuten. Allerdings hat der Erneu-
erbare-Energien-Ausbau in den Jahren 2000 bis Vier Strategien bis 2030: Effizienz
2015 erhebliche Kosten für die Stromkunden verur- steigern, Kohle halbieren, Erneuerbare
sacht, vor allem aufgrund der hohen Technologieför- auf 60 Prozent, Atomausstieg vollenden
derkosten in den Anfangsjahren.
Konkret bedeutet eine kosteneffiziente Energiewende
Herausforderung Strom: Bei den Erneuer- im Stromsektor bis 2030 die Fokussierung auf die
baren ist das erste Drittel geschafft, aber folgenden vier Strategien:
die Kohle verursacht hohe Emissionen
1. E
 fficiency First: Stromverbrauch trotz Sektor-
Trotz der Ausbauerfolge bei den Erneuerbaren Ener- kopplung konstant halten
gien hat der Stromsektor eine schlechte Klimabilanz: Die effiziente Stromnutzung ist für eine kostengüns-
312 Millionen Tonnen CO2 , gut ein Drittel aller Emis- tige Energiewende elementar.29 Deshalb wird der
sionen Deutschlands, fielen 2015 bei der Stromer- traditionelle Stromverbrauch in Gebäuden, Industrie
zeugung an– nur vier Prozent weniger als im Jahr und Verkehr von heute rund 520 Terawattstunden auf
2000. Ursache hierfür sind Braun- und Steinkohle, noch etwa 470 Terawattstunden im Jahr 2030 redu-
die aufgrund der mangelnden Wirksamkeit des euro- ziert werden. Aufgrund der stärkeren Nutzung von
päischen CO2-Emissionshandels seit 2000 kaum Strom für die Wärmeerzeugung und im Verkehr (etwa
zurückgegangen sind und nach wie vor gemeinsam plus 70 Terawattstunden) steigt der Stromverbrauch
40 Prozent des Stroms produzieren. insgesamt bis 2030 leicht über das heutige Niveau.

In den Jahren bis 2030 geht es darum, die zweite 2. Kohleverstromung halbieren
Phase der Energiewende im Stromsektor erfolg- Wegen des hohen Anteils von Braun- und Steinkohle
reich zu absolvieren. Das bedeutet, dass bis 2030 das im Strommix bedeutet eine Halbierung der Strom­
Stromsystem in das Zeitalter der Erneuerbaren Ener- emissionen auch eine Halbierung der Kohleverstro-

28
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

mung bis 2030. Dies reduziert auch die aktuell hohen Onshore-Windkraft, 86 Gigawatt Photovoltaik und 20
Kohlestromexporte Deutschlands in seine Nachbar- Gigawatt Offshore-Windkraft sein. Ein großer Teil des
länder. Die alten Kohlekraftwerke werden im Laufe Zubaus im Zeitraum 2018 bis 2030 kann zu Strom-
der 2020er-Jahre stillgelegt. Dort, wo sie Wärme kosten von unter fünf Cent je Kilowattstunde realisiert
erzeugt haben, werden sie durch Gas-KWK-Anla- werden und verursacht daher keine Mehrkosten.
gen, kombiniert mit erneuerbarer Wärme, ersetzt. Ab
2025 werden zusätzlich Spitzenlast-Gasmotoren in 4. Atomausstieg vollenden
Modulbauweise errichtet, um die Versorgungssicher- Die noch verbleibenden acht Kernkraftwerke wer-
heit trotz des Wegfalls der Kohlekraftwerke jederzeit den zwischen 2017 und 2022 stillgelegt. Durch die
zu gewährleisten. Abschaltung von inflexiblen Kernkraftwerken ent-
steht mehr Platz im Netz für Erneuerbare Energien,
3. Erneuerbare Energien auf 60 Prozent anheben das reduziert Überschusssituationen. Da zwischen
Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduk- Dezember 2021 und Dezember 2022 innerhalb relativ
tion, der aktuell 30 Prozent beträgt, verdoppelt sich bis kurzer Zeit sechs Kernkraftwerke mit einer Leis-
2030. Neue Verbraucher aus Wärme und Verkehr wer- tung von über acht Gigawatt vom Netz gehen, müssen
den komplett durch zusätzliche Erneuerbare Energien Politik und Bundesnetzagentur hier vorausschauend
abgedeckt. Während im Jahr 2015 etwa 42 Gigawatt im Sinne der Versorgungssicherheit agieren. Hierzu
Onshore-Windkraft, 40 Gigawatt Photovoltaik und gehört gegebenenfalls eine kurzfristig höhere Kapa-
gut 3 Gigawatt Offshore-Windkraft installiert waren, zitätsreserve zur Absicherung möglicher Spitzensitu-
werden es im Jahr 2030 voraussichtlich 91 Gigawatt ationen in den Wintern 2021/22 und 2022/23.

Mit vier Strategien die Stromemissionen bis 2030 fast halbieren Abbildung 11

2015 Strategien Ziel 2030


312 Mio. t CO2e 159–166 Mio. t CO2e
Bruttostromerzeugung und -inlandsverbrauch [TWh]

700
647
~610
600 595
62 1. Strom effizient nutzen Verbrauch stabil trotz
~70 Sektorkopplung
500 118
~60
Nur noch rund 20 %
400 2. 3 GW Kohle p. a. stilllegen ~80 Kohle im Mix
155
300
3. Erneuerbare auf 60 % verdoppeln 60 % Erneuerbare
200 Energien
187 ~370

100
4. Atomausstieg vollenden
92 Atomausstieg 2022
0

Braunkohle Steinkohle Kernenergie Gas Erneuerbare Sonstige

Bruttoinlandsverbrauch

AGEB (2017a), BMUB (2016), eigene Berechnungen auf Basis Agora Energiewende (2016a), EWI/Prognos/GWS (2014a), UBA (2017c)

29
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

3.3 Wärmewende 2030


Der Wärme- und Kältesektor30 verbraucht von allen Öl wird im Gebäudesektor bis 2030 weitgehend durch
drei Energiebereichen die meiste Energie: Im Jahr emissionsärmere Heizungssysteme wie Erdgasheizun-
2015 wurden insgesamt 1.373 Terawattstunden gen oder Wärmepumpen ersetzt. Im Übergang nutzen
Wärme- und Kälteenergie verbraucht.31 Das ent- viele unsanierte oder teilsanierte Altbauten bivalente
spricht in etwa der Größe des Strom- und Verkehrs- Heizungen, die Wärmepumpen mit Öl- oder Gaskesseln
sektors zusammen. Bei den Emissionen belegt er Platz kombinieren. Diese nutzen je nach stündlichem Strom-
zwei; insgesamt entstanden 2015 im Wärmebereich preis und Wärmebedarfssituation den Strombetrieb
Treibhausgasemissionen in Höhe von 290 Millionen oder die Zufeuerung durch Öl oder Gas und senken so
Tonnen CO2e. Etwa 60 Prozent des Wärmeverbrauchs die Emissionen schon deutlich. Fernwärmenetze wer-
entfallen auf Gebäude, die restlichen rund 40 Prozent den durch eine Vielzahl von Wärmequellen gespeist, bei
werden in der Industrie insbesondere als Prozess- denen Gas-KWK-Anlagen mit erneuerbaren Energie-
wärme in der Produktion eingesetzt. trägern (Solarthermie, Geothermie, Biomasse, Groß-
wärmepumpen) und verstärkter Abwärmenutzung
Während in den Gebäuden im Zeitraum 2000 bis kombiniert werden. Kohleeinsatz wird in der Fern-
2015 durchaus Erfolge vorzuweisen waren (so sank wärme und bei der industriellen Wärmeerzeugung
hier der Energieverbrauch um 13 Prozent, die Emis- halbiert. Stattdessen werden in der Industrie Effizienz-
sionen verringerten sich sogar um 25 Prozent),32 technologien flächendeckend eingesetzt und Erdgas
sind im Bereich der industriellen Wärmenutzung in wird nach und nach durch den Bezug erneuerbaren
den letzten Jahren relativ wenig Klimaschutzfort- Stroms oder erneuerbar erzeugten Wasserstoffs ersetzt.
schritte zu erkennen. Fast die Hälfte der Wärme wird
aus Erdgas erzeugt (43 Prozent), gefolgt von Mine- Vier Strategien bis 2030: Gebäude
ralöl (15 Prozent) und Strom (13 Prozent). Der Rest sanieren, Kohle und Öl halbieren, Erneu-
wird zu etwa gleichen Teilen durch direkte Nutzung erbare erhöhen, Wärme elektrifizieren
der Erneuerbaren Energien (10 Prozent),33 Fern-
wärme (9 Prozent) und Steinkohle (8 Prozent) bereit- Der Wärmesektor muss seine Treibhausgasmissionen
gestellt.34 Der Wärmesektor ist der Sektor, in dem die bis 2030 um etwa 40 Prozent gegenüber 2015 redu-
langlebigsten Kapitalstöcke existieren – das Durch- zieren35 – vor allem im Gebäudebereich, aber auch im
schnittsalter der Wohngebäude beträgt etwa 50 Jahre. industriellen Wärmebedarf. Die folgenden vier Stra-
tegien machen dies möglich:
Herausforderung Wärme: Der größte
­Energiesektor hat die langlebigsten 1. E
 fficiency First: Gebäudewärme sinkt um ein
­Kapitalstöcke Viertel, Industriewärme um 10 Prozent
Um die Transformation kosteneffizient zu gestalten,
Im Jahr 2030 wird der Wärme- und Kältesektor viel muss die Energieeffizienz deutlich gesteigert werden.
effizienter und sauberer sein als heute. Knapp die Der Endenergieverbrauch von Wärme in Gebäuden
Hälfte aller Gebäude sind entweder Neubauten oder sinkt daher bis 2030 um ein Viertel. Dies bedeutet,
sanierte Altbauten, die hohe energetische Standards dass jährlich etwa zwei Prozent der Häuser energe-
erfüllen. Sie erfüllen gleichzeitig Komfortwünsche, da tisch saniert werden. Auch in der Industriewärme
sie Wärme lange in den Gebäuden halten, die Sonnen­ werden die vielen noch vorhandenen Effizienzpoten-
einstrahlung zur indirekten Beheizung nutzen und es ziale ausgeschöpft, sodass 2030 der Verbrauch etwa
den Bewohnern ermöglichen, ihre gesamte Wohnfläche 10 Prozent niedriger liegt als 2015. Im Ergebnis ver-
auch im Winter auf Wohlfühltemperatur zu halten. braucht der Wärmesektor dann etwa 1.100 Terawatt-

30
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

stunden, etwa jeweils zur Hälfte in Gebäuden und für Abfall-Biomasse. Diese sollen umfassend reali-
Industrieprozesswärme. siert werden, sodass 2030 etwa 200 Terawattstun-
den erneuerbare Wärme direkt genutzt werden. Dies
2. Kohle- und Ölverbrauch mehr als halbieren beinhaltet eine Modernisierung der Fernwärmenetze
Die CO2-intensivsten Energieträger sind Kohle und hin zu Niedertemperaturnetzen.
Öl. Deshalb werden diese bis 2030 deutlich reduziert.
Erdgas hingegen wird weiter genutzt und das Erdgas- 4. Elektrifizierung mit Wärmepumpen
netz wird vorgehalten für die Zeit erneuerbar herge- Wind- und Solarstrom mittels Power-to-Heat und
stellter Brennstoffe. Konkret bedeutet das: In Gebäuden Wärmepumpen auch im Wärmesektor zu nutzen, ist
werden einfache Ölheizkessel bis 2030 weitgehend effizienter Klimaschutz. Bis 2030 werden fünf bis
durch Öl-Hybrid-Wärmepumpen-Heizungen oder sechs Millionen Wärmepumpen eingebaut, die Hälfte
andere Technologien ersetzt; in den Fernwärmenetzen davon als Hybridlösungen mit Gas- oder Ölkesseln.
und der industriellen Wärmenutzung wird der Kohle- Da parallel ineffiziente Strom-Nachtspeicherheizun-
verbrauch halbiert. gen, die noch vielfach im Einsatz sind, ausgetauscht
werden, ist der zusätzliche Strombedarf begrenzt und
3. E
 rneuerbare Wärme ausbauen beträgt nur rund 20 Terawattstunden.
Sowohl im Gebäudesektor als auch in Fernwärme­
netzen und in der Industrie existieren noch viele Sollten diese Strategien nicht erfolgreich sein, müss-
Optionen zur Nutzung erneuerbarer Wärme wie ten erhebliche Mengen Power-to-Gas zum Einsatz
Geothermie, Solarthermie, Umweltwärme und kommen, um das Sektorziel zu erreichen.

Mit vier Strategien kann der Wärmesektor die Emissionen


bis 2030 um rund 40 Prozent senken Abbildung 12

2015 Strategien Ziel 2030


290 Mio. t CO2e 170–175 Mio. t CO2e

1.600
Endenergieverbrauch von Wärme/Kälte [TWh]

1.373

126 –250 –25 % Gebäudewärme,


1. Effizienz: Jährlich 2 % Gebäude sanieren
1.200 ~1.100 –10 % Industriewärme
205
~60
~90
2. Öl und Kohle halbieren Öl und Kohle werden
800 marginal, Erdgas ist
588 ~450 Übergangstechnologie

3. Elektrifizieren

400 ~200 5–6 Mio. Wärmepumpen


187

139 4. Erneuerbare Wärme ausbauen ~200 Erneuerbare stellen ein


115 Drittel der Wärme
~100
0

Fernwärme Erneuerbare Energien Strom Steinkohle Gas Kernenergie Sonstige

AGEB (2016a), BMUB (2016), UBA (2017a), eigene Berechnungen auf Basis EWI/Prognos/GWS (2014a), Fraunhofer IWES/IBP (2017)

31
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

3.4 Verkehrswende 2030


Der Verkehr ist der Sektor, in dem die Energiewende zieht sich im Verkehr ein rasanter Wandel, dessen
am wenigsten vorangeschritten ist: Lediglich 5 Pro- erste Vorboten heute schon zu sehen sind: So hat in
zent des Endenergieverbrauchs von 727 Terawatt- den Städten jüngst der Fahrradverkehr zugenom-
stunden wird durch Erneuerbare Energien gedeckt, men, während der Autoverkehr stagniert. Die Digi-
93 Prozent stammen aus Erdöl.36 Beim innerdeut- talisierung hat mobiles Carsharing und attraktive
schen Verkehr per Straße, Schiene, Schiff und Flug- ÖPNV-Angebote ermöglicht, die Kosten für Batterien
zeug sind die Emissionen in den letzten Jahren wieder und damit für Elektroautos sinken kontinuierlich.
gestiegen, die Klimaschutzerfolge im Zeitraum 2000
bis 2009 wurden zunichtegemacht. Der Verkehrs- Möglich wird dies durch die Verkehrswende, die auf
sektor ist der einzige Sektor, der im Jahr 2016 mit 166 zwei Entwicklungen basiert:41 der Mobilitätswende,
Millionen Tonnen mehr CO2 ausstößt als 1990.37 die Mobilität mit weniger Verkehrsaufkommen
ermöglicht, und der Energiewende im Verkehr, die
Herausforderung Verkehr: Der einzige dafür sorgt, dass der Energiebedarf im Verkehr immer
Sektor mit steigenden CO2-Emissionen stärker durch Erneuerbare Energien gedeckt wird.
Eine solche Strategie steigert auch die Lebensqualität:
Die Ursachen hierfür sind in zwei großen Trends zu So machen Elektroautos und neue Mobilitätsangebote
sehen: die Städte leiser und sauberer, da sie deutlich weniger
→→ Mehr Verkehr auf der Straße: Der Gütertransport Lärm und klassische Luftschadstoffe wie Feinstaub
stieg zwischen 2000 und 2015 um ein Viertel auf und Stickoxide verursachen.
650 Milliarden Tonnenkilometer; der Personen-
verkehr stieg im gleichen Zeitraum um 13 Pro- Die Verkehrswende ist auch deswegen entscheidend,
zent auf 1.180 Milliarden Personenkilometer. Etwa weil die Autoindustrie Deutschlands sehr exportori-
80 Prozent des Zuwachses bei den Gütern wurde entiert ist. Da der globale Trend insbesondere in den
durch Lkw gedeckt, etwa 70 Prozent des Zuwach- Leitmärkten China und Kalifornien massiv in Rich-
ses beim Personenverkehr durch Autos.38 tung Elektromobilität und Mobilitätsdienstleistungen
→→ CO2-Flottenverbräuche sinken nur auf dem geht, ist es für den Wirtschaftsstandort Deutschland
Papier: Eigentlich sollten nach der CO2-Pkw-Ver- zentral, dass die heimische Industrie hier vorangeht,
ordnung der EU die Kraftstoffverbräuche für neue anstatt den Entwicklungen hinterherzulaufen.
Autos kontinuierlich sinken. Zudem soll die Kfz-
Steuer CO2-arme Autos begünstigen. Tatsächlich Drei Strategien bis 2030: Effizienz
sinken die Verbräuche aber kaum. Ein wesentli- steigern, Elektromobilität vorantreiben,
cher Grund dafür ist, dass die Verbrauchsangaben Bahn und Bus stärken
der Hersteller immer mehr von den realen Werten
abweichen: So lag die Diskrepanz zwischen Test- Insgesamt reduzieren die folgenden Strategien den
und Realverbräuchen bei neuen Pkws im Jahr Benzin- und Dieselverbrauch (und damit die Emissi-
2000 noch bei 9 Prozent, stieg bis 2015 aber auf onen) bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2015:
42 Prozent.39
1. E
 fficiency First: Energieverbrauch um 30 Pro-
Im Jahr 2030 wird der Verkehrssektor diesen Trend zent senken
nicht nur gebrochen, sondern komplett umgekehrt Eingesparte Kilometer sind die günstigste Klima-
und die Emissionen auf 95 bis 98 Millionen Tonnen schutzmaßnahme. Durch eine bessere Städteplanung
reduziert haben.40 Im Zeitraum 2015 bis 2030 voll- bleibt Mobilität erhalten, aber Wege zwischen Arbeiten

32
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

und Wohnen werden verkürzt. Mithilfe von digitalen 3. Elektromobilität mit erneuerbarem Strom
Technologien lassen sich Transporte effizienter orga- Da Biokraftstoffe nicht weiter zunehmen, erfolgt die
nisieren und privater und öffentlicher Verkehr besser Nutzung Erneuerbarer Energien im Verkehrssek-
vernetzen. Neue Pkws und Lkws werden im Real- tor über Wind- und Solarstrom. So werden im Jahr
verbrauch tatsächlich sparsamer als ihre Vorgänger. 2030 etwa zehn bis zwölf Millionen Elektro- und
Insgesamt ist es so möglich, den Energieverbrauch im Wasser­stoffautos auf den Straßen fahren. Zudem sind
Verkehrssektor um etwa 30 Prozent zu reduzieren. 80 Prozent der Bahnstrecken statt bisher 60 Prozent
elektrifiziert. Um auch den Lkw-Verkehr sauberer zu
2. Stärkung von Bahn, Bus und Shared Mobility machen, werden bis 2030 erste wichtige Autobah-
Mehr Güter- und Personenverkehr auf der Schiene nen mit Oberleitungen ausgestattet, sodass auf diesen
reduziert den Verkehr auf den Straßen. Vorausset- Strecken Hybrid-Lkws mit Strom fahren. Im Ergebnis
zung hierfür ist ein schneller und deutlicher Aus- steigt der Strombedarf im Verkehr bis zum Jahr 2030
bau des Schienennetzes. Zudem kann der öffentliche um rund 50 Terawattstunden.
Nahverkehr durch attraktive Angebote, neue Trassen
und IT-Innovationen (zum Beispiel Sammeltaxis mit Sollten diese Strategien nicht erfolgreich sein, müss-
autonom fahrenden Autos) mehr Fahrgäste gewinnen. ten erhebliche Mengen strombasierte Kraftstoffe
So findet der bis 2030 erwartete weitere Zuwachs im zum Einsatz kommen. Eine schnell steigende Beimi-
Personen- und Güterverkehr weitestgehend auf der schungsquote von Power-to-Liquid bei Benzin und
Schiene und im öffentlichen Verkehr statt. Diesel wäre die Folge, um auf diesem Weg das Sektor-
ziel des Verkehrs zu erreichen.

Verkehrswende 2030 bedeutet Effizienz steigern,


Bus und Bahn stärken und elektrifizieren Abbildung 13

2015 Strategien Ziel 2030


161 Mio. t CO2e 95–98 Mio. t CO2e
800
727
Endenergieverbrauch im Verkehr [TWh] 36

–220
Efficiency First:
1. Effizienz der Fahrzeuge steigern, IT-
Logistik nutzen, Verkehr vermeiden 30 % weniger Energie-
600
verbrauch
~500

400
685 Verbrauch von Benzin
2. Bus und Bahn stärken,
Shared Mobility einführen und Diesel sinkt um 40 %
~410
(alternativ: hohe PtL-Bei-
mischungsquote)
200

3. Elektrifizieren
~30
30 ~60 10–12 Mio. Elektroautos
0
12

Mineralölkraftstoffe (inkl. Gas) Strom Biokraftstoffe

AGEB (2016a), BMUB (2016), eigene Berechnungen auf Basis EWI/Prognos/GWS (2014a)

33
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

3.5 Alternative Entwicklungen sind möglich, mehr


Forschung ist nötig
Die in den Kapiteln 3.1 bis 3.4 beschriebenen Maß- Werden Energieeffizienz oder Elek-
nahmen ermöglichen eine kosteneffiziente Transfor- trifizierung nicht erreicht, braucht es
mation des Energiesystems bis 2030. Sie fokussie- deutlich mehr Wind- und Solarstrom
ren auf die Technologien, mit denen nach heutigem
Kenntnisstand die Energiewende am günstigsten zu Wichtig ist: Diese möglichen Entwicklungen können
realisieren ist. Es sind jedoch auch alternative Ent- am Einsatz der fossilen Energieträger nichts ändern,
wicklungen denkbar. Folgende Gründe könnten dazu denn die Klimaschutzziele beschränken direkt die
führen: Nutzung von Kohle, Öl und Gas. Da außerdem die
→→ Mangelnde Energieeffizienz: Die Steigerung der Potenziale zur Nutzung von Biomasse stark begrenzt
Effizienz ist eine zentrale Säule der Energiewende. sind, hätten alle drei Entwicklungen die Konsequenz,
Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt jedoch, dass dass bis 2030 deutlich mehr Wind- und Solaranlagen
die energetische Sanierung, die Vermeidung von errichtet werden müssten. Gelingt etwa die avisierte
Straßenverkehr und die Steigerung der Stromeffi- Steigerung der Effizienz bei Wärme und Verkehr nur
zienz mit einer Reihe von Hemmnissen verbunden zur Hälfte und müssten die fehlenden Einsparungen
sind – und dass die Politik diese Hemmnisse bis- durch strombasierte Heiz- und Kraftstoffe gedeckt
her nicht prioritär adressiert hat. Falls sich dies bis werden, würden hierfür zusätzliche Strommengen in
2030 fortsetzen würde, müssten andere Maßnah- Höhe von rund 470 Terawattstunden benötigt.44
men ergriffen werden, um das Klimaschutzziel zu
erreichen. Diese höhere Stromerzeugung aus Erneuerbaren
→→ Zu geringe Elektrifizierung: Die direkte Nutzung Energien verursacht Kosten: Zum einen direkte für
von Strom für Wärme und Verkehr ist kosten- die Errichtung zusätzlicher Windkraft- und Solar­
günstig. Im Optimum bedeutet dies fünf bis sechs energieanlagen, zum anderen Systemkosten in Form
Millionen Wärmepumpen und zehn bis zwölf Mil- von zusätzlichen Back-up-Kraftwerken und Strom-
lionen E-Autos bis 2030. Falls diese Mengen auf- netzen. Darüber hinaus stellen sich ­Akzeptanzfragen
grund mangelnder Anreize und/oder mangelnder für diese zusätzlichen Wind- und Solaranlagen –
Akzeptanz der Technologien nicht realisiert wür- schließlich wären sie nicht notwendig, wenn etwa
den, wären andere Optionen notwendig. die Verkehrseffizienzziele erreicht beziehungsweise
→→ Technologische Durchbrüche, zum Beispiel bei Elektroautos genutzt würden, anstatt Power-to-­
Power-to-Gas und Power-to-Liquid: Es ist denk- Liquid-Kraftstoffe zu erzeugen. Im Kern wären sol-
bar, dass neben den kostengünstigsten Klima- che zusätzliche Mengen an Wind- und Solarstrom
schutztechnologien aus heutiger Sicht – also Effi- zur Erzeugung von strombasierten Heiz- und Kraft-
zienztechniken, Wind- und Solarstrom, Batterien stoffen wohl nur außerhalb Deutschlands herstell-
und Wärmepumpen – bis 2030 noch andere Tech- bar, zum Beispiel in der Nordsee oder in ­Nordafrika
nologien einen Durchbruch erfahren. Dies könnte beziehungsweise im Nahen Osten. Diese Option
am ehesten bei Brennstoffzellen und stromba- erscheint für die über das Jahr 2030 hinausgehenden
sierten Heiz- und Kraftstoffen geschehen, da sie Klimaschutzziele deutlich wahrscheinlicher als für
bereits relativ gut erforscht sind und erste Anwen- den Schritt bis 2030. Bis 2030 werden Power-to-Gas
dungsfelder haben.42 Bislang handelt es sich dabei und Power-to-Liquid deshalb voraussichtlich keine
noch immer um teure Technologien, sie haben aber zentrale Rolle in der Energiewende spielen.
ein großes Kostensenkungspotenzial.43

34
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Power-to-X-Technologien sind der Schlüs- Für die Energiewende nach 2030 ist es daher zentral,
sel für die Energiewende nach 2030 und Power-to-X-Technologien (inklusive der Abschei-
müssen anwendungsreif werden dung von CO2 aus der Luft) rasch zur Anwendungs-
reife zu bringen. Während für viele Technologien
Nichtsdestotrotz zeigt das Thema Power-to-X, also die bereits die Grundsteine gelegt sind und lediglich die
Verwendung von Strom zur Herstellung von Produkten Marktreife erreicht werden muss, ist für andere noch
für andere Sektoren, dass technologieoffene Forschung Grundlagenforschung notwendig. Zudem ist auch
und Demonstration zwingend notwendig sind, um die eine gemeinsame internationale Strategie für die
Energiewende und den Klimaschutz auch langfristig Erzeugung und den Transport dieser Gase, Kraft-
zum Erfolg zu führen. Power-to-Heat ist bereits jetzt stoffe und Chemikalien nötig. Bundesregierung und
etabliert, weitere Power-to-X-Technologien müssen Industrie sollten deswegen ihre Energieforschungs-
folgen. Denn strombasierte Kraftstoffe, Gase und Che- aktivitäten in einem Pakt für Zukunftsforschung
mikalien sind Langzeitspeicher für Wind- und Solar- bündeln, sich auf eine Forschungs- und Demonstra-
strom und der Schlüssel für die Dekarbonisierung von tionsagenda einigen und diese Agenda mit gezielten
Flugzeugen, Schiffen und Lastwagen. Zudem können Markteinführungsprogrammen kombinieren – am
sie CO2-freie Energieträger für energieintensive Pro- sinnvollsten mit einem Fokus auf Netzengpassregio-
zesse in der Industrie sowie klimaschonende Basis­ nen, in denen Erneuerbaren-Strom sonst abgeregelt
chemikalien für die Chemieindustrie liefern. werden müsste.

Die Energieforschungsausgaben waren 1991 fast doppelt so hoch wie heute –


der Anteil der Privatwirtschaft ist deutlich zurückgegangen Abbildung 14

2.000

1.800
Energieforschungsausgaben [Mio. Euro_2010]

1.600

1.400

1.200

1.000

800

600

400

200

0
1991 1995 2000 2005 2010 2015

Ausgaben der Privatwirtschaft* Ausgaben des Bundes

* ausgewählte Schlüsselbranchen, geschätzt (siehe Originalquelle)


BMWi (2017), Basisjahr normiert mit Destatis (2017)

35
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

3.6 Infrastruktur 2030: Netze der Zukunft


Die Energiewende bedeutet nicht nur, dass sich Erneuerbaren-Integration zählt, bedeutet er Mehrkos-
Erzeugung und Verbrauch von Energie grundlegend ten: Bis 2030 werden insgesamt etwa 50 Milliarden
verändern, sondern auch, dass die Infrastruktur an Euro investiert, was zum Anstieg der Netzentgelte um
die Veränderungen angepasst werden muss. Dies etwa 3,5 Milliarden Euro pro Jahr führt.45
betrifft neben den Strom-, Wärme- und Gasnetzen
auch die Verkehrsinfrastruktur. Die Langlebigkeit Angesichts der Kosten, absehbarer technischer Inno-
dieser Infrastrukturen erfordert bereits bei ihrer Pla- vationen und der Akzeptanzfrage muss jedoch jeder
nung heute den Blick auf 2050, um sie für ein nahezu weitere Netzausbau grundlegend überdacht wer-
CO2-freies Energiesystem zu gestalten. den. Aufgabe ist es, ein Zielnetz 2050 zu planen, das
auf den bereits beschlossenen Stromtrassen beruht.
Stromnetze 2030: Ein Zielnetz Der über 2030 hinaus entstehende Stromtransport-
definieren, Innovationen vorantreiben bedarf wird dann primär durch Kapazitätserweite-
rungen bestehender Trassen, IT-Innovationen in der
Im Zuge der Energiewende ist im Übertragungs- Netz- und Systemführung sowie durch regulatori-
und Verteilnetz ein erheblicher Stromnetzaus- sche Anpassungen gedeckt. Smart Markets werden
und -umbau notwendig. Gerade der Übertragungs- beispielsweise Preissignale für eine regionale Ver-
netzausbau stößt jedoch auf erhebliche Kritik bei den wendung von Strom liefern und damit den Transport-
betroffenen Bürgern – mit der Folge, dass von den bedarf verringern. Auch im Verteilnetz sind erhebli-
beschlossenen 7.700 zusätzlichen Leitungskilometern che Investitionen notwendig – zum einen, um neue
erst 850 Kilometer gebaut sind. Wind- und Solarparks anzuschließen, zum anderen,
um neue Verbraucher wie Wärmepumpen und Elek-
Die Energiewende basiert auf dem Ausbau der Solar- trofahrzeuge einzubinden. Auch hier kann der reine
und Windenergie. Solarstrom wird dabei vorwiegend Netzausbaubedarf reduziert werden, indem intelli-
im Sommer- und Windstrom vorwiegend im Winter­ gente Steuerungen eingesetzt, neue Verbraucher in
halbjahr erzeugt. Optimal wäre daher ein räumlich Smart Markets eingebunden und neue Erzeugungs-
gleichmäßiger Ausbau von Wind- und ­Solaranlagen. anlagen gebündelt angeschlossen werden (beispiels-
Windkraft wird jedoch zu mehr als 75 Prozent in weise die Errichtung von Solaranlagen in Windparks
Norddeutschland und auf dem Meer zugebaut, wor- zur Nutzung desselben Netzanschlusses).
aus ein erheblicher Transportbedarf nach Süden
resultiert. Soll der Übertragungsnetzausbau vermie- Wärme- und Gasnetze 2030: Strukturen
den werden, müssten von nun an etwa 75 Prozent der anpassen und modernisieren
neuen Windkraftanlagen in Mittel- und Süddeutsch-
land errichtet werden. Hierfür gibt es jedoch abseh- Fern- und Nahwärmenetze sind zentrale Bestand-
bar keinen politischen Willen in den Bundesländern. teile jeglicher Klimaschutzstrategie im Wärmesektor.
Sie ermöglichen auch in Großstädten eine CO2-arme
Es ist daher richtig, die im Energieleitungsausbauge- Wärmeversorgung. Dafür müssen die bestehenden
setz und im Bundesbedarfsplangesetz 2016 beschlos- Wärmenetze umgebaut und an einen sinkenden Wär-
senen Leitungen zügig zu errichten. Im Jahr 2030 mebedarf angepasst werden. Bislang sind sie darauf
werden diese dann bei einem Erneuerbaren-Anteil ausgelegt, Wärme von zentralen Erzeugungsanla-
von 60 Prozent im Stromsektor für den überregionalen gen zu einem wenig gedämmten Gebäudebestand zu
Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch sorgen. Auch transportieren.
wenn der Netzausbau zu den günstigen Optionen der

36
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

In Zukunft werden zahlreiche CO2-arme Wärme- ler Bedeutung, bis 2030 kommunale Wärmekonzepte
quellen – Biomasseanlagen, Geothermie, Solarther- zu erstellen, die eine langfristig CO2-freie Wärme-
mie, Großwärmepumpen, Power-to-Heat-Anlagen, versorgung mit der jeweils benötigten Infrastruktur
industrielle Abwärme – in Wärmenetze einge- skizzieren, und diese dann umzusetzen.
bunden und reduzieren so sukzessive den fossilen
Anteil der Wärme. Gleichzeitig sinkt aufgrund der Verkehrsnetze 2030: Die Elektrifizierung
Gebäudesanierung der Wärmebedarf. Daher ist es der Verkehrswege vorantreiben
nötig, die Netze zu Niedertemperaturnetzen umzu-
bauen und sie hydraulisch so auszulegen, dass ver- Um den Verkehr zu dekarbonisieren, ist neben der
schiedene dezentrale Wärmeerzeuger ins Netz ein- Steigerung der Effizienz die Elektrifizierung die zent-
speisen können. rale Strategie. Hierfür ist die Verkehrsinfrastruktur
aber bei Weitem noch nicht ausgelegt; umfassende
Die Bedeutung der Gasnetze im Verlauf der Energie­ Investitionen sind notwendig. Dies beinhaltet vor
wende ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Der allem drei Maßnahmen:
Erdgasverbrauch wird bis 2030 nur leicht sinken, da
der primäre Fokus auf der Reduktion der CO2-inten- →→ Schienennetze ausbauen und elektrifizieren: Um
siveren Energieträger Kohle und Erdöl liegt. Auf dem mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, ist ein
Weg zu den Klimaschutzzielen im Jahr 2050 wird der zügiger Schienennetzausbau nötig. Die Teile des
Verbrauch von fossilem Erdgas nach 2030 nahezu Schienennetzes, die nach wie vor mit Dieselloks
vollständig reduziert. befahren werden, müssen zügig elektrifiziert wer-
den – bis 2030 ist ein Elektrifizierungsgrad von
Die zentrale Frage für die Zukunft der Gasnetze ist 80 Prozent möglich.
daher, in welchem Umfang Power-to-Gas zum Ein- →→ Ladeinfrastruktur für Elektromobilität: Die zehn
satz kommen wird. Synthetische CO2-freie Gase wie bis zwölf Millionen Elektroautos im Jahr 2030
Wasserstoff oder Methan eignen sich zum Heizen, als benötigen eine Ladeinfrastruktur. Sowohl an Auto-
Energieträger und Basisstoff in der Industrie sowie bahnen und Landstraßen, aber auch innerstädtisch
als Langzeitspeicher für Wind- und Solarstrom. Ihr und in Gewerbeimmobilien ist der Aufbau einer
Nachteil sind jedoch die Kosten in der Herstellung: entsprechenden Infrastruktur notwendig.
Die direkte Nutzung von Strom und Energieeffizi- →→ Oberleitungen an Autobahnen: Um den
enz werden nach heutiger Erkenntnis im Vergleich zu überregionalen Güterverkehr auf zentralen Stre-
einer Nutzung synthetischer Gase günstiger sein. Es cken Deutschlands zu elektrifizieren, bieten sich
ist insofern zu erwarten, dass das Gasnetz 2050 klei- Oberleitungs-Lkws an, die als Hybridfahrzeuge
ner sein wird als heute. Gasverteilnetze im ländlichen einen Teil ihrer Strecke mit Strom fahren. Hierfür
Raum werden sich vermutlich immer weniger rech- ist nach Abschluss der Pilotprojekte bis 2030 die
nen. Langfristig wichtig bleiben dürfte das Gasnetz Installation von Oberleitungen an Hauptverkehrs­
jedoch in Regionen mit hoher Industriedichte sowie adern nötig.
zur Belieferung von Kraftwerken, die die Versor-
gungssicherheit gewährleisten. Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan wurde vor
dem Klimaschutzplan 2050 mit seinem 2030-Ver-
Wo welche Wärme- und Gasnetze langfristig zum kehrssektorziel beschlossen und enthält daher nicht
Einsatz kommen, ist eine Frage, die nur anhand der diese notwendigen Investitionen. Es ist nötig, diesen
jeweiligen lokalen Potenziale für eine CO2-freie Wär- nach Erstellung eines Verkehrswendekonzepts 2030
meerzeugung im Abgleich mit den Wärmesenken grundlegend zu überarbeiten.
entschieden werden kann. Daher ist es von zentra-

37
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

38
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

4 Was kostet die Energiewende?


Die Frage, wie teuer die Energiewende wird, ist oft Zusammenhang getroffenen Annahmen bestimmen
ein Streitpunkt in der Debatte. Während die Energie­ letztlich darüber, ob und wann die Energiewende
wende auf der einen Seite als nicht bezahlbar und für Wirtschaft und Gesellschaft Zusatzkosten oder
als Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland Zusatz­nutzen liefert.
gebrandmarkt wird, wird sie von der anderen Seite als
kostengünstige Investition in die Zukunft gepriesen. Aktuelle Kosten und Nutzen der Energie-
wende
Die Kosten der Energiewende e ­ rgeben
sich aus dem Vergleich mit einem Die gesamten Energiekosten für die ­Endverbraucher
Nicht-Energiewende-Szenario in Deutschland (inklusive Steuern, Abgaben und
Umlagen, aber ohne Mehrwertsteuer) betrugen im
Will man eine seriöse Antwort auf die Frage der Kos- Jahr 2015 etwa 193 Milliarden Euro.46 Davon entfie-
ten der Energiewende geben, sind zwei Dinge wesent- len etwa 72 Milliarden Euro auf Kraftstoffe, 69 Mil-
lich: Zum einen muss man unterscheiden zwischen liarden Euro auf Strom und 52 Milliarden Euro auf
den bisher aufgelaufen und den künftigen Kosten der Wärme. Die Gesamtausgaben für Energie sind in den
Energiewende. Denn während die Förderkosten für vergangenen Jahren relativ konstant geblieben, sogar
die Erneuerbaren Energien in den ersten 15 Jahren leicht gesunken – so betrugen sie im Jahr 2011 etwa
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes teilweise sehr 204 Milliarden Euro, 2013 sogar 219 Milliarden Euro.
hoch waren (insbesondere bei Photovoltaik- und Verschoben haben sich hingegen die Verhältnisse:
Biogasanlagen), gilt dies nicht mehr für Neuanlagen. Während die Ausgaben für Kraftstoffe und für Wär-
Das Problem ist, dass die hohen, über 20 Jahre wäh- meenergie sanken, stiegen die Ausgaben für Strom.
renden Förderzusagen der Altanlagen einen schwe- Hintergrund sind hier auf der einen Seite die gesun-
ren Kostenrucksack gepackt haben. Dieser wird erst kenen Weltmarktpreise für Öl und Gas sowie auf der
ab dem Jahr 2023 leichter, bis er im Jahr 2033 ver- anderen Seite die gestiegenen Kosten für den Ausbau
schwunden ist. Der Blick auf diese Kostenvergan- der Erneuerbaren Energien im Stromsektor.
genheit darf daher nicht den Blick auf die zukünftige
Entwicklung verstellen. Privathaushalte tragen 60 Prozent der Gesamtener-
giekosten, etwa 117 Milliarden Euro im Jahr 2015. Dies
Zum anderen reicht es nicht, nur auf die Ausgaben­ entspricht dem Niveau von 2010 (115 Milliarden Euro)
seite zu schauen, um die Kosten der Energiewende und liegt deutlich unter den Kosten des Jahres 2013
abzuschätzen. Denn auch wenn ohne Energiewende, (132 Milliarden Euro).47 Der Anteil der Energieausga-
müssten Jahr für Jahr neue Kraftwerke gebaut, Häuser ben der Privathaushalte an den Gesamtkonsumaus-
saniert, Brennstoffe eingekauft, Autos angeschafft gaben ist über die letzten Jahrzehnte bemerkenswert
und Netze erneuert werden. Entscheidend sind inso- konstant. Verwendeten die Bürgerinnen und Bürger
fern nicht die Gesamtausgaben im Rahmen der Ener- Deutschlands im Jahr 1991 ihre Konsumausgaben zu
giewende, sondern die Zusatzkosten im Vergleich zu 7,3 Prozent für Strom, Wärme und Kraftstoffe, so lag
einem kontra­faktischen Nicht-Energiewende-Sze- dieser Wert im Jahr 2015 bei 7,6 Prozent.48
nario. Relevant sind zudem die aus den jeweiligen
Investitionen resultierenden gesamtwirtschaftlichen Industrie und Gewerbe tragen 40 Prozent der Gesamt­
Auswirkungen, um die Effekte auf Wachstum und energiekosten, etwa 75 Milliarden Euro im Jahr 2015.
Beschäftigung zu betrachten. Dies kann nur modell- Die Energiestückkosten der deutschen Industrie, das
theoretisch berechnet werden – und die in diesem heißt der Anteil der Energiekosten an der Brutto-

39
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

wertschöpfung, liegen leicht unter dem europäischen so nicht anfallen werden. So würden die Vergütungen
Durchschnitt und betragen im Jahr 2015 im Schnitt für Erneuerbare-Energien-Anlagen nur rund 10 statt
7 Prozent.49 Sie sind seit 2008 um knapp 10 Prozent heute 24 Milliarden Euro betragen, wenn die derzeit
zurückgegangen, wobei sie in der energieintensiven 32 Prozent Erneuerbare Energien auf Basis der aktu-
Industrie deutlich stärker gefallen sind als insgesamt. ellen Wind- und Solarstromtarife finanziert würden
Hintergrund sind die gesunkenen Börsenstrompreise statt wie tatsächlich zu den alten Vergütungssätzen.51
bei gleichzeitig weitreichenden Ausnahmetatbestän- Hinzu kommen die staatlichen Förderprogramme in
den für die energieintensive Industrie im Bereich der den Bereichen Wärme und Verkehr in Höhe von etwa
Steuern, Abgaben und Umlagen. Insgesamt konnte so 2 Milliarden Euro.52 Somit betragen die Mehrausga-
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen ­Industrie ben für die Energiewende im Jahr 2015 etwa 22 Mil-
gesichert werden: Zwischen 2000 und 2015 wuchs liarden Euro.
das Bruttoinlandsprodukt um 43 Prozent und die
Industrieproduktion stieg um 25 Prozent. Die energiewendebedingten Mehrausgaben haben
zusätzliche wirtschaftliche Impulse bei Anlagen-
Von den 193 Milliarden Euro Energiekosten des bau, Handwerk und technischen Dienstleistungen
­Jahres 2015 können grob etwa 20 Milliarden als ausgelöst. Die gesamtwirtschaftlichen Effekte dieser
Energiewendekosten im Stromsektor beziffert wer- Mehrausgaben und Investitionen gegenüber einem
den.50 Ein großer Teil hiervon sind die oben genann- kontrafaktischen Nicht-Energiewende-­Szenario
ten historischen „Rucksackkosten“, die in der Zukunft lassen sich modellhaft abschätzen. EWI/Prognos/

Die Letztverbraucherausgaben für Energie betrugen in den letzten Jahren


kontinuierlich rund 200 Milliarden Euro Abbildung 15

250
219
211
204 207
Letztverbraucherausgaben [Mrd. Euro]

200 193

84
86 83
83
72
150

100 64
61 54 52
57

50

64 64 71 70 69

0
2011 2012 2013 2014 2015

Strom Wärme Verkehr

Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ (2016)

40
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

GWS haben dies für die Energiewende der Jahre 2010 ganz entscheidend, ob die Energiewende Zusatz-
bis 2013 getan.53 Sie beziffern die Effekte in die- kosten verursacht oder nicht. Denn je geringer die
sem Zeitraum wie folgt: Wegen höherer Stromkos- Kosten für CO2 angesetzt werden, desto günstiger
ten lag die Inflation im Jahr 2013 um 0,25 Prozent wird das Nicht-Energiewende-Szenario.
über dem Niveau, das sie ohne Energiewende gehabt
hätte. Gleichzeitig stieg aber wegen der zusätzlichen Folgende sechs Kernergebnisse können dennoch aus
Investitionen auch das Wirtschaftswachstum, mit dem Studienvergleich herausdestilliert werden:
dem Effekt eines um 0,4 Prozent höheren Brutto­
inlandsprodukts im Zeitraum 2010 bis 2013. Dies 1. Die Energiewende bedeutet deutliche Zusatz­
führte im Durchschnitt zu einem Beschäftigtenzu- investitionen, diese sind jedoch tragbar
wachs von 70.000 Beschäftigten pro Jahr. Die Zusatz­investitionen, die durch die Energiewende
insgesamt pro Jahr notwendig werden, belaufen sich
Kosten und Nutzen der Energiewende je nach Studie zwischen 15 und 40 Milliarden Euro
im Jahr 2030 und 2050 pro Jahr. Zum Vergleich: Die Bruttoanlageinvestitio-
nen Deutschlands betrugen 2015 rund 600 Milliarden
Eine umfassende und vergleichende ­Analyse der Euro. Das bedeutet, dass die jährlichen Investitionen
Energiewendezusatzkosten haben bisher fünf ver- in einer Energiewendewelt im Mittel um +/- 5 Prozent
schiedene Studien vorgenommen.54 Dabei werden gegenüber dem Status quo gesteigert werden müssen.
jeweils die Kosten eines Business-as-usual-­Szenarios Dies erscheint grundsätzlich tragbar.
beziehungsweise eines Nicht-Energie­wende-
Szenario mit denen eines Energiewende­szenarios 2. Werden Klimaschäden mit 50 bis 60 Euro je
verglichen. Teilweise werden auch die gesamtwirt- Tonne CO2 bepreist oder steigen die Rohstoff-
schaftlichen Effekte beziffert. preise, ist die Energiewende die kostengünsti-
gere Option
Eine vergleichende Analyse dieser Studien zeigt, dass In Szenarien mit hohen Preisen für Kohle, Öl und Gas
es nicht eindeutig ist, ob die Energiewende Zusatz- führen die Zusatzinvestitionen nicht zu Zusatzkos-
kosten oder Zusatznutzen für Wirtschaft und Gesell- ten, sondern zu Zusatznutzen durch die Vermeidung
schaft mit sich bringt. Manche Studien kommen zu der teuren Importe. Geht man von gleichbleibenden
dem einen, andere zum gegenteiligen Ergebnis. Die Rohstoffpreisen aus, hängt die Antwort auf die Frage
Analyse ergibt vielmehr, dass die Antwort entschei- „Kosten oder Nutzen?“ davon ab, wie hoch der ange-
dend von zwei Annahmensets abhängt: setzte CO2-Preis ist. So beziffert etwa Fraunhofer ISE
→→ Kostenannahmen für Brennstoffe, Technologien bei einem CO2-Preis von null die Energiewendezu-
und Kapital: Da die Energiewende bedeutet, durch satzkosten auf 30 Milliarden Euro pro Jahr. Ab einem
Investitionen in neue Technologien den Verbrauch CO2-Preis von etwa 50 bis 60 Euro pro Tonne ver-
von Kohle, Öl und Gas zu vermeiden, sind zum kehrt sich in den meisten Szenarien das Verhältnis
einen die Preisannahmen für die fossilen Brenn- und die Energiewende führt zu Zusatznutzen.55
stoffe, zum anderen die erwarteten Kostenent-
wicklungen bei Energiewendetechnologien wie 3. Die Energiewende hat leicht positive gesamt-
Windkraft, Solarenergie, Batterien, Netzen oder wirtschaftliche Effekte, vor allem weil inländi-
Power-to-X-Anwendungen zentral. Entscheidend sche Effizienzwertschöpfung den Import von
sind auch die erwarteten Kapitalkosten zur Finan- Kohle, Öl und Gas ersetzt
zierung von Neuinvestitionen. In den Szenarien ergeben sich durch die Zusatzinves-
→→ Kostenannahmen für CO2: Was ist der Wert einer titionen der Energiewende leicht positive Effekte auf
vermiedenen Tonne CO2? Diese Annahme bestimmt das Bruttoinlandsprodukt. Haupttreiber ist dabei die

41
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

zusätzliche inländische Wertschöpfung im Bereich ausgebaut wird. Gelingt es, auf den globalen Energie-
der energetischen Gebäudesanierung, die den Import wende-Wachstumsmärkten stark zu sein (vgl. Abbil-
fossiler Energieträger (und damit den Abfluss von dung 16), kommen diese Effekte noch hinzu.
Mitteln ins Ausland) ersetzt. Der Wachstumseffekt ist
größer, je mehr man von steigenden Kohle-, Öl- und 5. Die Kapitalkosten bestimmen die Höhe der
Gaspreisen ausgeht: So erwarten EWI/Prognos/GWS Gesamtkosten der Energiewende massiv
bei Annahme konstanter Rohstoffpreise eine Steige- Da die Energiewende Zusatzinvestitionen bedeu-
rung des Bruttoinlandsprodukts durch die Energie- tet, sind die Finanzierungskosten für das einge-
wende im Jahr 2030 um 0,1 Prozent und im Jahr 2050 setzte Kapital zentral für die Höhe dieser Zusatzin-
um 1,0 Prozent.56 Bei Öko-Institut/Fraunhofer ISI vestitionen. In den Szenarien von Fraunhofer ISE
betragen die Steigerungen unter der Annahme stei- und Fraunhofer IWES wird deutlich, dass letztlich
gender Rohstoffpreise 2,5 Prozent im Jahr 2030 und die Kapitalverzinsung die Frage entscheidet, ob das
4,4 Prozent im Jahr 2050 (vgl. Abbildung 16).57 Energiewendeszenario günstiger oder teurer ist als
das Nicht-Energiewende-Szenario. Grund hier-
4. Zusatzeffekte durch steigende Exporte von für ist, dass die Energiewendetechnologien niedrige
Energietechnologien sind nicht berücksichtigt Betriebskostenanteile, aber hohe Investitionskos-
Keine der Analysen hat angenommen, dass durch tenanteile haben (vgl. Megatrend 6).
die Energiewende die Exportposition Deutschlands
als Vorreiter in klimaschutzrelevanten Technologien

Die Energiewende hat leicht positive gesamtwirtschaftliche Effekte,


hinzu kommen noch Zusatzeffekte durch steigende Exporte Abbildung 16

4.000 9.000
+4,4 %
+1,1 %
+10 % p. a.
7.650
+2,7 %
Bruttoinlandsprodukt [Mrd. Euro_2010]

Globales Marktvolumen [Mrd. Euro]

+0,1 %
3.000
+7 % p. a.
5.900
6.000

2.000

3.064
3.000
1.000

0 0
2030 2050 Referenz Ambitioniert

EWI/Prognos/GWS: Referenzprognose 2015 2025

EWI/Prognos/GWS: Zielszenario Sonstige Erzeugung,


Klimatechnologien Speicher, Netze
Öko-Institut/Fh ISI: Referenzszenario
Nachhaltige Energieeffizienz
Öko-Institut/Fh ISI: Klimaschutzszenario (KS80) Mobilität

Eigene Darstellung nach EWI/Prognos/GWS (2014a), Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015), Roland Berger (2017)

42
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

6. Die Rucksackkosten der Erneuerbare- 2. Starke Position auf den globalen Energiewen-
Energien-­Markteinführung belasten die Verbrau- de-Wachstumsmärkten sichern
cher bis in den Zeitraum 2021–2023 Deutschland kann von deutlichen volkswirtschaftli-
Die Markteinführung bei Photovoltaik-, Biogas- und chen Zusatzeffekte profitieren, wenn es als Technolo-
Wind Offshore-Anlagen hat jeweils eine Zeitlang hohe gievorreiter seine Position auf den globalen Energie­
Kosten produziert – und aufgrund der 20-jährigen wendemärkten sichert und ausbaut. Denn dieser
Vergütungszusagen verschwinden diese erst nach und Markt wird sich bis 2025 auf etwa 6 bis 7,5 Billionen
nach aus dem System. Die neuen Wind- und Solaran- Euro mehr als verdoppeln. Hierzu ist eine gezielte
lagen sind demgegenüber sehr günstig. Der Peak der Energiewende-Industriepolitik nötig.
EEG-Kosten wird daher voraussichtlich im Zeitraum
2021–2023 liegen und danach kontinuierlich sinken. 3. CO2 braucht einen angemessenen Preis
Im Jahr 2030 liegt die Summe aus Börsenstrompreis Sobald die durch die Verbrennung von Kohle, Öl und
und EEG-Umlage dann unter dem Niveau von 2015, Gas verursachten Klimaschäden auch nur teilweise
obwohl sich der Erneuerbare-Energien-Anteil bis internalisiert werden, erweist sich die Energiewende
dahin etwa verdoppelt hat (vgl. Abbildung 17). Bis 2035 auch unter Kostengesichtspunkten als sinnvoll. Die
verstärkt sich dies nochmals deutlich, da im Zeitraum effizienteste Maßnahme für den Klimaschutz wäre
2030–2034 viele Solaranlagen aus dem EEG fallen. daher die rasche Einführung einer angemessenen
CO2-Bepreisung. Denn das EU-Emissionshandelssys-
Fazit: Die Energiewende bringt kosten­ tem mit seinem aktuellen Preis von 5 Euro pro Tonne
günstigen Klimaschutz, wenn man sie CO2 spiegelt die Kosten des Klimawandels in keiner
richtig angeht Weise adäquat wider und im Nicht-Emissionshan-
delsbereich sind die Effekte der Öko-Steuerreformen
Als Fazit der Analysen dieses und des vorangegange- von 1999 bis 2003 inzwischen verpufft. Aufgrund der
nen Kapitels lassen sich die folgenden sechs Schluss- zuletzt deutlich gesunkenen fossilen Brennstoffpreise
folgerungen für die Kosten der Energiewende ziehen: ist eine angemessene CO2-Bepreisung umso dringlicher
– aber auch möglich, da ja die Verbraucherausgaben für
1. Weder Hysterie noch Heilsversprechen: Die Energie in den letzten Jahren deutlich gesunken sind.
gesamtwirtschaftlichen Effekte der Energie-
wende im Inland sind begrenzt 4. Die Stromkosten vom Rucksack befreien
Bei stabilen Energiepreisen (vgl. Megatrend 3) verur- Die historischen Kosten des Erneuerbare-Energien-­
sacht die Energiewende je nach Höhe des angenom- Gesetzes belasten die Stromverbraucher noch
menen CO2-Preises leichte Zusatzkosten oder einen in erheblichem Umfang, mit der Folge, dass die
leichten Zusatznutzen. Unabhängig davon sind die EEG-Umlage bis etwa 2023 noch weiter steigen und
makroökonomischen Effekte für die deutsche Volks- erst danach sinken wird (vgl. Abbildung 17). Zudem
wirtschaft tendenziell positiv, da importierte Kohle führen sie dazu, dass die Strompreise hoch sind,
und importiertes Öl und Gas durch heimische Wert- während die Heizöl-, Erdgas-, Benzin- und Diesel-
schöpfung ersetzt werden. Insgesamt sind die Effekte preise aufgrund der stabil niedrigen fossilen Roh-
jedoch in allen Analysen nicht sehr groß, da der Anteil stoffpreise aktuell wieder auf das Niveau von 2005
der Energiewendeinvestitionen an den deutschen gefallen sind. Da aber die Elektrifizierung von Wärme
Gesamtinvestitionen im einstelligen Prozentbereich und Verkehr zentrale Klimaschutzstrategien sind
liegt. Letztlich kann die Energiewende als Versiche- (vgl. Kapitel 3), ist das Preisgefüge falsch gesetzt. Eine
rung gegen ein Szenario angesehen werden, in dem Reform der Abgaben auf Strom, Heiz- und Kraftstoffe,
die Preise fossiler Rohstoffe doch deutlich steigen. die diese Schieflage beseitigt, ist nötig.

43
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5. Entlastungen für energieintensive Betriebe 6. Bei der Umsetzung der Energiewende strikt
und einkommensschwache Haushalte sind nötig auf Kosteneffizienz achten
Die Energiekosten für Strom, Wärme und Verkehr Die jeweiligen Analysen sind davon ausgegangen,
liegen im Durchschnitt über alle Betriebe und alle dass die Energiewende kostenoptimal gesteuert wird.
Haushalte auf einem verträglichen Niveau. Dies wird Das bedeutet, dass die Energiewende entlang der in
auch in den kommenden Jahren aufgrund nur noch Kapitel 3 genannten Strategien fortentwickelt wird,
geringer Zusatzkosten der Erneuerbaren Energien so mit einem klaren Fokus auf die günstigsten Techno-
bleiben. Für im internationalen Wettbewerb stehende logien: Effizienz, Wind- und Solarenergie, Wärme-
energieintensive Betriebe und einkommensschwa- pumpen und Elektromobilität. Sollte von dieser Stra-
che Haushalte sind jedoch Entlastungen nötig, da hier tegie abgewichen werden, kann die Energiewende
die Energiestückkosten beziehungsweise der Anteil deutlich teurer werden. Damit die Energiewende also
der Energiekosten an den privaten Konsumausgaben für die deutsche Volkswirtschaft Zusatznutzen statt
deutlich über zehn Prozent liegen. Dies ist im Indus­ Zusatzkosten entfaltet, ist eine strikte Ausrichtung an
triebereich über die EEG-Ausnahmen bereits gege- Kosteneffizienz notwendig. Zudem muss durch klare
ben, bei einkommensschwachen Privathaushalten und verlässliche Rahmenbedingungen dafür gesorgt
jedoch noch nicht der Fall. werden, dass die Kapitalkosten für die notwendigen
Investitionen niedrig bleiben.

Die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor


steigen bis zum Zeitraum 2021–2023 weiter an und sinken dann bis 2035 deutlich Abbildung 17

EE-
Anteil: 32 % 45 % 52 % 62 % 68 % 32 % 45 % 52 % 62 % 68 %
35 12
Börsenstrompreis und EEG-Umlage [ct_2017/kWh]
Vergütungsansprüche der Anlagenbetreiber

30
10

25
8
[Mrd. Euro_2017]

6,9

6,3
6,4

20
4,2
6,9

6
2,0

15

4
10
4,6
4,3

2
4,0
3,7

5
3,3
2,7

0 0
2015 2020 2025 2030 2035 2015 2020 2025 2030 2035

Solar Wind Onshore Sonstige Börsenstrompreis EEG-Umlage

Biomasse Wind Offshore

Hinweis (linke Abbildung): Transparente Flächen zeigen Bestandsanlagen, gefüllte Flächen zeigen Neuanlagen
Hinweis (rechte Abbildung): Börsenstrompreis steigt bis 2035 annahmebasiert auf 4,6 ct/kWh (real), entspricht 6,0 ct/kwh nominal.
Eigene Berechnung auf Basis Öko-Institut (2017a)

44
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

5 Was jetzt zu tun ist: Zehn Punkte für eine


Agenda Energiewende 2030
Da die Transformation des Energiesektors nicht von →→ Massive Steigerung der Effizienz: In allen Sek-
heute auf morgen geschieht, werden die Weichen für toren (Strom, Wärme, Verkehr) ist Energieeffizi-
die Energiewende 2030 in den kommenden Jahren enz ein Schlüssel zum Erfolg, da es jeweils hohe
gestellt. In diesem Kapitel wird skizziert, wie eine Energie­einsparpotenziale gibt, die zu geringen
Agenda Energiewende 2030 aussehen könnte. Kosten ausgeschöpft werden können. Insgesamt
soll der Primärenergieverbrauch zwischen 2015
Ausgangspunkt sind die zentralen Megatrends, die und 2030 um rund 30 Prozent sinken.
die Energiewelt von morgen prägen werden. Diese →→ Ausbau der Erneuerbaren Energien: Der Ausbau
Trends – die sieben Ds – wurden in Kapitel 1 iden- der Erneuerbarer Energien ist die zweite wichtige
tifiziert: die Degression der Kosten von Windkraft, Säule der Energiewende. Bis 2030 soll der Anteil
Solarenergie und Batterien, die Dekarbonisierung, der Erneuerbaren am Primärenergieverbrauch auf
die Deflation der Preise für fossile Energien, die mindestens 30 Prozent in etwa verdoppelt werden.
Dominanz der Fixkosten, die stärkere ­Dezentralität, Der Fokus liegt dabei auf Wind- und Solarstrom als
die Digitalisierung und die Demokratisierung des mit Abstand kostengünstigste Erneuerbare Ener-
Energie­systems. gien – und auf ihrem verstärkten Einsatz auch im
Wärme- und Verkehrssektor.
Energiepolitik hat die Aufgabe, vor dem Hintergrund →→ Abschied von Kohle und Öl als CO2-intensivste
der Megatrends das Zieldreieck aus Umweltver- Energieträger: In jedem der drei Energiever-
träglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungs­ brauchssektoren sollte primär jeweils der CO2-in-
sicherheit zu erreichen. Das Zehn-Punkte-Pro- tensivste Energieträger gemindert werden, da
gramm für eine erfolgreiche Energiewende 2030 so pro reduzierter Kilowattstunde am meisten
führt daher die in Kapitel 2 konkretisierten Ener- CO2-Einsparung erfolgt. Der Kohle- und Ölver-
giewende-2030-Ziele zusammen: Minderung der brauch soll daher bis 2030 halbiert werden, wäh-
Emissionen der Energiesektoren bis 2030 um etwa rend der Erdgasverbrauch nur um 20 Prozent
60 Prozent unter das Niveau von 1990, Begrenzung zurückgeht.
der Energiekosten für Industrie und Privathaus-
halte auf einen Anteil unter 10 Prozent, Reduktion Das im Folgenden beschriebene Zehn-Punkte-Pro-
der Energie­importquote auf unter 60 Prozent und gramm zielt auf eine Agenda Energiewende 2030, die
Begrenzung des Stromausfallindex SAIDI auf unter den volkswirtschaftlichen Nutzen der Energiewende
20 Minuten pro Jahr. Diese Ziele lassen sich am bes- maximiert und die Kosten minimiert (vgl. Kapitel 4).
ten erreichen, wenn Deutschland seine Energiewen- Dabei geht es jeweils darum, konkrete Politikmaß-
destrategie europäisch einbettet und mit den Nach- nahmen vorzuschlagen, um die Energiewende zum
barländern koordiniert agiert (vgl. Kapitel 2). Erfolg zu führen.

Um diese Energiewendeziele 2030 zu erreichen,


braucht es eine kosteneffiziente Energiewendestra-
tegie, deren Kernelemente wie folgt beschrieben wer-
den können (vgl. Kapitel 3):

45
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.1 Energiewenderahmen 2030:


Verlässlichkeit und Planungssicherheit

1) Durch einen gesetzlichen Rahmen Verlässlichkeit schaffen


und Planungssicherheit geben
→→ Die Energiewende in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr stützt sich bis heute im
Kern auf das Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 sowie auf eine
Wo wir Reihe von Einzelgesetzen.
heute →→ Auf Bundesebene fehlt es – im Gegensatz zu etlichen Bundesländern – an einem ins-
titutionellen und prozessualen Handlungsrahmen, der das Erreichen aller drei Energie-
stehen wendeziele (Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit) sicher-
stellt.

→→ Die Generationenaufgabe Energiewende fußt auf einem rechtsverbindlichen Hand-


Wo wir lungsrahmen mit Stabilität bei den Zielen und Flexibilität bei der Umsetzung.
2030 →→ Bei Strom-, Wärme- und Verkehrswende haben alle beteiligten Akteure ausreichend
stehen Planungs- und Investitionssicherheit.
→→ Zum Handlungsrahmen gehören ein regelmäßiges Monitoring und Überarbeiten der
wollen Maßnahmen und Einzelgesetze – unter aktiver Beteiligung aller relevanten Gruppen.

→→ Verabschiedung eines Energiewenderahmengesetzes in einem breiten parlamentari-


Was wir schen Konsens
→→ Das Gesetz formuliert quantitative Umwelt-, Wirtschaftlichkeits- und Versorgungssicher-
dafür tun heitsziele für 2030, 2040 und 2050, legt Prozesse zum regelmäßigen Beschluss und zur
müssen Überarbeitung von Maßnahmenplänen unter Beteiligung der betroffenen Akteure fest
und beruft eine unabhängige Energiewendekommission für Monitoring und Kontrolle.

Wo wir heute stehen Wo wir 2030 stehen wollen


Das politische Fundament der Energiewende steht bis- Die Generationenaufgabe Energiewende hat einen
her in einem erheblichen Missverhältnis zur Größe des überparteilich abgestimmten gesetzlichen Rah-
Vorhabens. Geplant ist nicht weniger als der komplette men, der der Größe ihrer Herausforderung gerecht
Austausch der energetischen Basis einer hochdiffe- wird. Dieser Rahmen sichert auf der einen Seite das
renzierten und existenziell auf eine zuverlässige Ener- Erreichen der Ziele bei Umweltverträglichkeit, Wirt-
gieversorgung angewiesenen Industriegesellschaft schaftlichkeit und Versorgungssicherheit ab und
binnen einer Generation. Diese Transformation grün- etabliert auf der anderen Seite über Legislaturperio-
det jedoch lediglich auf einem im Jahr 2010 beschlos- den hinweg die hierfür notwendigen Management-
senen Energiekonzept der damaligen Bundesregierung prozesse und -strukturen. Dabei sollte der Entwick-
und auf dem 2011 unter dem Eindruck der Reaktorka- lungspfad zu den Zielen hinreichend offen gehalten
tastrophe von Fukushima erneuerten Beschluss zum werden für noch nicht absehbare technologische und
Ausstieg aus der Kernenergie. Auch wenn Bundesre- gesellschaftliche Entwicklungen. Es geht also um
gierung und Bundestag seither diese Ziele mehrfach Robustheit der Ziele einerseits und Flexibilität der
bekräftigt haben – zuletzt im Klimaschutzplan 2050 –, Umsetzung andererseits. Beides zusammen ergibt das
ist dies deutlich zu wenig. So unterbleiben die nötigen notwendige Maß an Planungssicherheit und Verläss-
Investitionen von Unternehmen und Privathaushalten lichkeit für alle Beteiligten in Wirtschaft und Gesell-
bei Strom-, Wärme- und Verkehrswende. Das Verfeh- schaft.
len der Ziele ist vorprogrammiert.

46
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Was wir dafür tun müssen dieser Ziele verpflichten sowie Verantwortlichkei-
Deutschland braucht ein umfassendes Klimaschutz- ten, Managementverfahren und Monitoringpro-
und Energiewenderahmengesetz, wie es in Großbri- zesse definieren, die notwendig sind, um die Ziele
tannien schon existiert und in Schweden ab 2018 in umzusetzen. So sollte etwa jeweils zu Beginn einer
Kraft treten soll. Etliche Bundesländer in Deutsch- Legislaturperiode in einem Energiewendeprogramm
land haben beziehungsweise planen ebenfalls solche angekündigt werden, welche Maßnahmen in den
Gesetze. Dieses Rahmengesetz würde keine konkreten kommenden vier Jahren beschlossen werden sollen.
Einzelmaßnahmen beinhalten, sondern vielmehr in Wichtig sind dabei auch geeignete Beteiligungspro-
einem breiten parlamentarischen Konsens den institu- zesse, damit vor Beschluss konkreter Maßnahmen
tionellen Rahmen für die Energiewende festlegen, der alle betroffenen wirtschaftlichen und gesellschaftli-
dann über Legislaturperioden hinweg tragen würde. chen Akteure ihre Vorstellungen einbringen können.

Kerninhalt des Gesetzes wäre, analog zu Kapitel 2, Sinnvoll wäre hier die Einführung eines Nationalen
eine quantitative Konkretisierung des energiepoli- Forums Energiewende, das jeweils für Strom (Forum
tischen Zieldreiecks (das heißt der Umwelt-, Wirt- Stromwende), Wärme (Forum Wärmewende) und Ver-
schaftlichkeits- und Versorgungssicherheitsziele, kehr (Forum Verkehrswende) alle zentralen Akteure
jeweils für 2030, 2040 und 2050) inklusive Einbet- einbindet und die mittel- und langfristigen Ziele und
tung dieser Ziele in den europäischen Kontext. Zudem Handlungsoptionen diskutiert.
würde das Gesetz die Verwaltung auf die Erfüllung

In der Hälfte der Bundesländer sind Klimaschutz- oder Energiewende-


rahmengesetze in Kraft oder in Vorbereitung Abbildung 18

Bundesländer mit Klima-


schutz- oder Energiewende-
gesetz in Kraft

Bundesländer mit Klima-


schutzgesetz in Vorbereitung

Bundesländer ohne
Klimaschutz- oder
Energiewendegesetz

Eigene Darstellung

47
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.2 Europa 2030: Eine europäische Energiewende

2) Europas Energiewende unterstützen, die deutsche Energiewende europäisch


einbetten
→→ Die EU-Treibhausgasemissionen liegen 2015 um 24 % niedriger als 1990. Das Niveau
der Versorgungssicherheit ist in den letzten Jahren relativ konstant. Die Wettbe-
werbsfähigkeit variiert stark zwischen den Mitgliedstaaten.
Wo wir →→ Die EU hat sich 2014 zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber
heute 1990 um mindestens 40 % zu senken und hierzu die Energieeffizienz um mindestens
27 % und den Erneuerbare-Energien-Anteil auf am Energieverbrauch auf mindestens
stehen 27 % zu steigern. Zudem sollen Europas Energiemärkte besser integriert werden.
→→ Bislang fehlt ein klarer EU-Gesetzgebungsrahmen, der die Mitgliedstaaten bei der
Erreichung der 2030-Ziele unterstützt.

→→ Europa hat seine Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 50 % gesenkt. Hierzu


Wo wir wurde die Energieeffizienz um 30 % erhöht und der Erneuerbare-Energien-Anteil am
Endenergieverbrauch auf 30 % angehoben.
2030
→→ Europas Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit sind 2030 jeweils besser
stehen als im Jahr 2015, die Mitgliedstaaten unterstützen einander bei der Energiesicherheit.
wollen →→ Strom- und Gasmärkte sind europäisch integriert, die transeuropäischen Netze für
Strom, Gas und Schienenverkehr sind deutlich ausgebaut.

→→ Verabschiedung eines stabilen EU-2030-Klima- und Energierahmens für Erneuerbare


Energien, Energieeffizienz, Marktdesign, Emissionshandel und Just Transition für die
Was wir Kohleregionen
→→ CO2 braucht europaweit einen Preis mit Steuerungswirkung – sowohl im Emissions-
dafür tun handel als auch im Nicht-Emissionshandelsbereich.
müssen →→ Umsetzung der Strategie für eine emissionsarme Mobilität, inklusive überarbeite-
ter CO2-Pkw- und CO2-Lkw-Verordnungen, mit denen die Klimaschutzziele im Verkehr
2030 erreicht werden

Wo wir heute stehen Erneuerbaren Energien abzielen. Alle drei Strategien


Deutschland ist mit seiner Energiewende nicht allein. dienen dem Ziel, Klimaschutz, Versorgungssicher-
Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz und Erneu- heit und Wirtschaftlichkeit in Europa zu stärken. Das
erbare Energien haben sich in Europa ähnlich wie in hierzu im November 2016 vorgelegte „Clean Energy
Deutschland entwickelt – so stieg etwa der Erneuer- for All Europeans“-Gesetzes­paket soll bis Ende 2018
bare-Energien-Anteil am EU-Stromverbrauch zwi- beschlossen werden.
schen 2005 und 2015 von 15 auf 29 Prozent, analog
zur Entwicklung in Deutschland. Und auch europa- Wo wir 2030 stehen wollen
weit ist der Verkehr der Sektor mit steigenden Emis- Bis 2030 sollte Europa seine Treibhausgasemissio-
sionen. Zudem interagiert die deutsche Energiewende nen im Vergleich zu 1990 um mindestens 50 Prozent
bereits heute stark mit den Energiesystemen seiner reduzieren. Dies bedeutet eine Erhöhung der Effizi-
Nachbarn, da durch die hohe Zahl an Interkonnektoren enz- und Erneuerbaren-2030-Ziele um jeweils drei
die Strom- und Gasmärkte eng verflochten sind. Ein Prozentpunkte, also in beiden Fällen von 27 Prozent
reger Handel mit Energie ist die Folge. Europa hat sich auf 30 Prozent.58 Angesichts der drastisch fallenden
im Rahmen der Energieunion Ziele für 2030 gesetzt, Kosten für Erneuerbare Energien (vgl. Kapitel 1) und
die auf eine bessere Integration der Energiesysteme des hohen Werts der Energieeffizienz (vgl. Kapitel 3)
sowie auf eine Steigerung von Energieeffizienz und ist dies auch für Wirtschaftlichkeit und Versorgungs-

48
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

sicherheit sinnvoll. Im Verkehrssektor bedeutet dies, verabschiedet werden. Das allein wird jedoch nicht
dass bis 2030 europaweit die Energieeffizienz im reichen, gerade im Bereich der Erneuerbaren Ener-
Verkehr drastisch erhöht wird und etwa ein Vier- gien müssen noch klare Ziele und verlässliche Rah-
tel der Fahrzeugflotte aus Elektrofahrzeugen besteht. menbedingungen hinzukommen. Zentral sind zudem
Für eine wirksame europäische Energiewende ist es ein wirksamer CO2-Preis im EU-Emissionshan-
nötig, die Integration der Energiesysteme über Län- del sowie zusätzliche Anstrengungen in den ande-
dergrenzen hinweg zu verstärken – und zwar auf drei ren Sektoren (Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft),
Ebenen: in physikalischer Hinsicht durch den weite- um effizienten Klimaschutz anzureizen. Ein europa-
ren Ausbau von europäischer Infrastruktur vor allem weiter CO2-Mindestpreis sowohl innerhalb als auch
bei Strom und Schiene, in ökonomischer Hinsicht außerhalb des Emissionshandels wäre hierfür eine
durch die bessere Integration der Strom- und Gas- geeignete Maßnahme. Zudem sind die Novellierungen
märkte sowie in politischer Hinsicht dadurch, dass der europäischen CO2-Verordnungen für Pkw und
jeder EU-Mitgliedstaat seine ­Energie- und Klima­ Lkw zentrale Schlüssel dafür, Klimaschutz und Ener-
strategien 2030 mit seinen Nachbarn abstimmt. gieeffizienz im Straßenverkehr zu erreichen. So kann
für europäische Autohersteller ein Heimatmarkt für
Was wir dafür tun müssen Elektrofahrzeuge entstehen, der sie auch auf dem
Die von der EU-Kommission im Clean-Energy-Paket Weltmarkt wettbewerbsfähig macht. Und es braucht
vorgeschlagenen Maßnahmen zur Harmonisierung Unterstützung für die Regionen Europas, die einen
der Energiesysteme in Europa sollten bis Ende 2018 Abschied vom Kohlebergbau organisieren müssen.

Nicht nur in Deutschland findet eine Energiewende statt: Ganz Europa wird 2030
einen Erneuerbare-Energien-Anteil am Stromverbrauch von mindestens 50 % haben Abbildung 19

Finnland

Estland
Schweden
Lettland

Vereinigtes Dänemark Litauen


Königreich über 80 %
Irland
Nieder-
lande Polen 61 %–80 %
Deutschland
Belgien
Tsche- 41 %–60 %
Luxem- chien
burg Slowakei Moldawien
Öster- 21 %–40 %
Frankreich reich Ungarn
Schweiz Rumänien
Slowenien
unter 20 %
Kroatien
Bulgarien
Portugal
Spanien Italien
Griechenland

Eigene Darstellung nach E3MLab/IIASA (2017)

49
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.3 Effizienz 2030: Efficiency First als Leitprinzip

3) Efficiency First als Leitprinzip für Planungsprozesse und Investitionsentschei-


dungen verankern
→→ Das Energiekonzept hat 2010 folgende Effizienzziele für 2020 formuliert: –10 % Strom-
Wo wir verbrauch (gegenüber 2008), –20 % Wärmebedarf Gebäude (gegenüber 2008), –10 %
Endenergieverbrauch des Verkehrs (gegenüber 2005).
heute →→ Stand 2015 ist: Bruttostromverbrauch –4 %, Wärmebedarf Gebäude –11 %, Endenergie­
stehen verbrauch Verkehr: +1 %. Die Flottenverbrauchsvorgaben für Pkws werden im Realbe-
trieb nicht erreicht, für Lkws existieren keine.

→→ Der Stromverbrauch liegt 2030 in etwa auf dem Niveau von 2015, da sich Energieeffi-
Wo wir zienz und zusätzlicher Strombedarf aus Wärme und Verkehr ausgleichen.
2030 →→ Der gesamte Wärmeverbrauch sinkt bis 2030 gegenüber 2015 um 18 % (Gebäude
stehen –25 %, Industrieprozesse –10 %).
→→ Der Endenergieverbrauch im Verkehr sinkt bis 2030 um ein Drittel gegenüber 2015.
wollen →→ Energieeffizienz und Flexibilität verschmelzen zu Flex-Efficiency.

→→ Verankerung von Efficiency First als maßgebliches Planungs- und Entscheidungsprin-


Was wir zip in allen energierelevanten Gesetzen
→→ Verabschiedung eines Energieeffizienzgesetzes, das a) Efficiency First als zentrales
dafür tun Leitprinzip verankert, b) Ziele formuliert für die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr,
müssen c) zentrale Maßnahmen (unter anderem Abschreibungen, Ausschreibungen, S ­ tandards)
bündelt und d) diese Maßnahmen dauerhaft mit 5 Mrd. Euro pro Jahr finanziert

Wo wir heute stehen und Regelungen existieren, ist dies bei der Energie-
Energieeffizienz ist zentral für das Gelingen der effizienz nicht der Fall. Die Folge: Die im Energie-
Energiewende. Alle Ziele der Energiewende – konzept 2010 beschlossenen Effizienzziele für 2020
Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Ver- werden vermutlich alle verfehlt, wobei dies im Ver-
sorgungssicherheit – werden durch mehr Energie- kehrssektor am eklatantesten sein wird.
effizienz befördert. Dies gilt auch in einer Welt mit
sehr hohen Erneuerbare-Energien-Anteilen. Denn Wo wir 2030 stehen wollen
Effizienz bedeutet weit mehr als das Nichtverbren- Zentral für eine erfolgreiche Energiewende ist es,
nen von Kohle, Öl und Gas: Energieeffizienz hat einen Efficiency First als umfassendes Leitprinzip der
System­wert. So spart jede nicht benötigte Kilowatt- Energiewende zu etablieren. Um die Energiewende
stunde Strom etwa 11 bis 15 Eurocent – als Ergebnis in Strom, Wärme und Verkehr kostenminimierend
nicht benötigter Brennstoffe, Erneuerbare-Energien-­ umzusetzen, wird der jeweilige Systemwert der Ener-
Anlagen, Back-up-Kraftwerke, Speicher und Netze.59 gieeffizienz zum Maßstab. Ziel ist es, den Wärme­
Gerade angesichts knapper werdender Flächen und verbrauch bis 2030 um rund 18 Prozent und den
sinkender Akzeptanz für neue Netze und Windkraft- Energieverbrauch im Verkehr um etwa 30 Prozent
anlagen ist dies ein zentraler Vorteil. unter das Niveau von 2015 zu senken (vgl. Kapitel 3).
Der Stromverbrauch soll bis 2030 in etwa konstant
Allerdings hat die allgemein akzeptierte große Bedeu- bleiben, was einer Senkung des traditionellen Strom-
tung der Energieeffizienz bisher kaum politische verbrauchs um etwa 15 Prozent gegenüber 2008 ent-
Folgen. Während bei Erneuerbare-Energien- und spricht, um im Gegenzug den zusätzlichen Stromver-
Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wirksame Gesetze brauch aus Wärmepumpen, Power-to-Heat-­Anlagen,

50
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Elektroautos und strombasierten Heiz- und Kraft- wirken Effizienzinvestitionen entgegen. Efficiency
stoffen zu decken. First in die Praxis umzusetzen, bedeutet daher:
→→ der Energieeffizienz (beziehungsweise Flex-­
Effizienz im Jahr 2030 verschmilzt mit ­Flexibilität zu Efficiency) in allen Planungsprozessen, Abwägun-
Flex-Efficiency. Denn Effizienz bekommt eine zeitli- gen und Investitionsentscheidungen dann den
che Komponente: Energieeinsparung ist dann beson- Vorzug zu geben, wenn sie zu niedrigeren System-
ders viel wert, wenn wenig Wind- und Solarstrom kosten führt als andere CO2-Vermeidungsoptionen
verfügbar ist. Insbesondere die neuen Stromverbrau- (Erweiterung des Wirtschaftlichkeitsgebots);
cher aus den Sektoren Verkehr und Wärme werden →→ die 2030-Energieeffizienzziele in allen drei Sekto-
ihren Bedarf flexibel steuern. So profitieren sie von ren gesetzlich in einem Energieeffizienzgesetz zu
niedrigen Strompreisen in Zeiten von hoher Wind- verankern und mit effektiven Maßnahmen (unter
und Solarstromproduktion und machen gleichzeitig anderem steuerliche Abschreibungen, Ausschrei-
das System insgesamt kostengünstiger. bungen, Bürgschaftsprogramme, Förderungen,
Standards) zu unterlegen;
Was wir dafür tun müssen →→ der Energieeffizienz auch finanziell den richti-
Eine aktive Effizienzpolitik ist nötig. Denn die erwart- gen Stellenwert zu geben, das heißt, entsprechende
bar moderaten Preise fossiler Rohstoffe (vgl. Kapitel 1) Maßnahmen dauerhaft und verlässlich mit Mitteln
von fünf Milliarden Euro pro Jahr zu finanzieren.

Durch die konsequente Umsetzung des Leitprinzips Efficiency First sinkt der
Endenergieverbrauch bis 2030 in allen Sektoren deutlich Abbildung 20

2015 Ziel 2030


2.466
2.500
–530

715*
2.000 ~ 1.900
Endenergieverbrauch [TWh]

Verkehr: ca. –30 Prozent** ~420*


1.500

1.195*
1.000 Wärme: ca. –18 Prozent** ~920*

500 ~70

520 Strom (traditionell): ca. –10 Prozent ~470

0
2015 2030
Strom (traditionell) Strom (neu) Wärme Verkehr Sonstige

*exkl. Stromanteil; **inkl. Stromanteil


Die Endenergieverbräuche bei Wärme und Verkehr sind hier ohne den Stromanteil ausgewiesen. Dieser liegt im Wärme-/Kältesektor bei 2015
178 TWh und soll 2030 etwa 200 TWh betragen; der Stromanteil im Verkehr beträgt 2015 12 TWh und soll 2030 etwa 60 TWh betragen.
AGEB (2016a), eigene Berechnungen auf Basis Agora Energiewende (2016a), BMUB (2016), EWI/Prognos/GWS (2014a) Fraunhofer IWES/IBP 2017,
UBA (2017c)

51
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.4 Erneuerbare Energien 2030: Mit Wind und


­Solar die Erneuerbaren Energien verdoppeln

4) Mit Wind- und Solarenergie die Erneuerbaren Energien im Stromsektor auf 60 %
und am Primärenergieverbrauch auf 30 % steigern
→→ Erneuerbare Energien haben sich von 2000 bis 2015 vervierfacht, ihr Anteil am
Primär­energieverbrauch lag 2015 dennoch nur bei 13 %.
Wo wir →→ Wind- und Solarstrom haben den Technologiewettbewerb innerhalb der Erneuerbaren
heute Energien gewonnen: Sie sind kostengünstig und haben das größte Potenzial.
→→ Als Folge ist der Anteil der Erneuerbaren Energien in den Energiesektoren 2015 sehr
stehen unterschiedlich. Im Stromsektor liegt er bei 32 %, im Wärme/Kälte-Sektor bei 13 %, im
Verkehrssektor bei 5 %.

→→ Erneuerbare Energien stehen im Zentrum des Energiesystems. Sie stellen 60 % des
Wo wir Stromverbrauchs und 30 % des Primärenergieverbrauchs.
→→ Wind- und Solarenergie sind die Leittechnologien nicht nur für Strom, sondern auch
2030
für Wärme und Verkehr. Sie stehen bei ausreichendem CO2-Preis voll im Markt und
stehen erbringen Systemdienstleistungen zur Stabilität des Stromnetzes.
wollen →→ Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas haben zunehmend steigende Anteile von strom­
basierten Kraft- und Heizstoffen auf Basis von Wind- und Solarstrom.

→→ Anpassung des 2030-Ziels im Erneuerbare-Energien-Gesetz auf 60 %, damit neuer


Stromverbrauch im Wärme- und Verkehrssektor vollständig CO2-frei abgedeckt wird
Was wir →→ Anpassung der Zubaumengen im Erneuerbare-Energien-Gesetz: Onshore-Windkraft:
dafür tun 2,5 GW pro Jahr netto; Offshore-Windkraft: 20 GW im Jahr 2030; Photovoltaik: 2,5 GW
pro Jahr netto
müssen →→ Beimischung von Power-to-Gas- bzw. Power-to-Liquid zu Erdgas, Heizöl, Benzin und
Diesel

Wo wir heute stehen energie in Deutschland bei nur noch fünf bis sechs
Erneuerbare Energien sind heute fester Bestandteil des Cent pro Kilowattstunde.
Energiemixes. Ihr Anteil am Primärenergieverbrauch
ist in den Jahren 2000 bis 2015 von 3 auf 13 Prozent Wo wir 2030 stehen wollen
gestiegen.60 Dabei prägen sie die Energiesektoren sehr Erneuerbare Energien sind im Jahr 2030 die Leit-
unterschiedlich: Bei Strom haben Erneuerbare inzwi- technologien des Energiesystems. Ihr Anteil am
schen einen Anteil von 32 Prozent, bei Wärme/Kälte gesamten Primärenergieverbrauch liegt 2030 bei
sind es 13 Prozent und bei Verkehr 5 Prozent.61 30 Prozent, wobei der Anteil am Stromverbrauch mit
60 Prozent am höchsten sein wird. Der Anteil Erneu-
Ursache ist, dass Wind- und Solarstrom die kosten- erbarer Energien am Wärmeverbrauch steigt auf
günstigsten und mit größtem Potenzial verfügbaren 30 Prozent, im Verkehrssektor auf 15 Prozent.
CO2-freien Energieträger sind. Alle anderen Tech-
nologien – ob Kernenergie, CCS (­Carbon Capture and Mit Erzeugungskosten von drei bis fünf Cent pro
Storage), oder andere Erneuerbare Energien – sind Kilowattstunde sind Wind- und Solarstrom im
entweder deutlich teurer und/oder nur sehr begrenzt Jahr 2030 extrem günstig und können sich – einen
verfügbar. So lagen die jüngsten Auktionsergebnisse angemessenen CO2-Preis vorausgesetzt – selbst am
bei Windkraft (offshore und onshore) sowie Solar­ Strommarkt behaupten. Erneuerbare Energien, kom-

52
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

biniert mit Speichern, übernehmen zudem zusehends Verkehr CO2-frei abgedeckt werden. Die jährlichen
Systemdienstleistungen. Wind- und Solarstrom stel- Zubaumengen (netto) werden daher bei Onshore-­
len 2030 die Hälfte der Stromerzeugung und wirken Windkraft und Photovoltaik auf 2,5 Gigawatt ange-
über Wärmepumpen, Power-to-Heat-Anlagen und hoben. Offshore-Windkraftanlagen sollen im Jahr
Elektromobilität auch in den Wärme- und Verkehrs- 2030 einen Bestand von 20 Gigawatt haben.62
sektor. Ergänzt wird dies durch weiteren Zubau bei
Solar- und Geothermie. Dort, wo Wind- und Solar- Zur Erhöhung der Erneuerbaren-Anteile im Wärme-
strom nicht direkt genutzt werden kann (insbe- sektor wird ein Bundesprogramm „CO2-freie Wärme-
sondere Flug-, Schiffs-, Teile des Lkw-Verkehrs versorgung“ aufgelegt, das die Wärmenetze auf Nie-
sowie Hochtemperaturprozesse in der Industrie und dertemperaturnetze umrüstet und nach und nach mit
KWK-Anlagen), werden strombasierte Treib- und höheren Erneuerbaren-Anteilen ausstattet. Zudem
Heizstoffe im Zentrum stehen. Ihre Anteile werden erfolgt eine flächendeckende Einführung von Elek­
sukzessive steigen. troautos und von Wärmepumpen (entweder als reine
Wärmepumpen oder als Hybridsysteme mit fossil
Was wir dafür tun müssen betriebenen Kesseln). Um Heiz- und Kraftstoffe suk-
Das Ausbauziel des Erneuerbare-Energien-Geset- zessive CO2-ärmer zu machen, werden PtG und PtL
zes wird auf einen Erneuerbaren-Anteil von 60 Pro- beigemischt. Diese strombasierten Heiz- und Kraft-
zent am Stromverbrauch 2030 angepasst, damit stoffe werden entweder im Inland hergestellt oder
die zusätzlichen Stromverbräuche aus Wärme und importiert.

Im Zentrum stehen Wind und Solar: Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren


Energien wird sich bis 2030 in etwa verdoppeln Abbildung 21

500
Ziel 2030:
60 % Erneuerbare
Energien
400
2015:
Bruttostromerzeugung [TWh]

32 % Erneuerbare
Energien
300

200

100

0
2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030

Wasserkraft Biomasse Wind Offshore PV Wind Onshore

AGEB (2017b), eigene Berechnungen auf Basis Öko-Institut (2017a)

53
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.5 Fossile Energien 2030: Kohle und Erdöl


­halbieren, Power-to-Gas und -Liquid einführen

5) Die CO2-intensiven Energieträger Kohle und Öl halbieren, mit der Markteinfüh-


rung strombasierter Heiz- und Kraftstoffe beginnen
→→ Über 80 % Emissionen im Stromsektor stammen von Braun- und Steinkohlekraft­werken.
Wo wir →→ Im Wärmesektor verteilen sich die Emissionen wie folgt: Kohle 23 %, Erdöl 28 %,
heute ­Erdgas 44  %.
→→ Der Verkehr ist fast vollständig von Mineralöl abhängig, 99 % der Emissionen stam-
stehen men aus Benzin, Diesel und Kerosin.

→→ Die energiebedingten Treibhausgasemissionen liegen 60 % unter dem Niveau von


1990. Dies bedeutet eine Halbierung des Kohle- und Ölverbrauchs gegenüber 2015.
Wo wir →→ Energieeffizienz sowie Wind- und Solarstrom ersetzen Kohle und Öl, u. a. durch erfolg-
2030 reiche Sanierung von 50 % der Gebäude, Senkung des Verbrauchs von Diesel- und
stehen Benzin-Pkw, den Einsatz von zehn bis zwölf Millionen E-Autos sowie fünf bis sechs
Millionen Wärmepumpen.
wollen →→ Strombasierte Kraft- und Heizstoffe durchdringen verstärkt den Markt für D­ iesel,
Kerosin, H
­ eizöl und Erdgas (Power-to-Liquid und Power-to-Gas).

→→ Intelligenter Instrumentenmix aus CO2-Bepreisung, Standards, Förderprogrammen und


Quotenregelungen
Was wir →→ Im Jahr 2018 Vereinbarung eines Kohlekonsenses mit Reduktion der Kohlenutzung
um 50 % bis 2030, gesetzlichem Ausstiegsfahrplan für Kraftwerke (3 GW pro Jahr) und
dafür tun Tagebaue sowie Strukturhilfen für betroffene Regionen
müssen →→ Im Jahr 2020 Vereinbarung eines Öl- und Gaskonsenses mit Reduktion der Ölnutzung
um 50 % bis 2030, Elektromobilitäts- und Wärmepumpenoffensive sowie Markteinfüh-
rungsstrategie für strombasierte Kraft-und Heizstoffe

Wo wir heute stehen scheidung und -Speicherung weitaus teurer ist als
Die energiebedingten Treibhausgasemissionen sind Effizienz und Erneuerbarer Energien. Für den Kohle-
unmittelbar an die Verbrennung fossiler Brennstoffe und Erdölverbrauch bedeutet dies eine Reduktion
gekoppelt. Braun- und Steinkohle sind die CO2-in- um 50 Prozent bis 2030 gegenüber 2015. Der Koh-
tensivsten Energieträger, gefolgt von Öl. So sind im leausstieg im Stromsektor ist damit etwa zur Hälfte
Jahr 2015 82 Prozent der Treibhausgasemissionen im vollzogen, der Ölausstieg im Wärmesektor zu zwei
Stromsektor auf Kohle zurückzuführen, 51 Prozent Dritteln und im Verkehr zu 40 Prozent. Erdgas wird
der Emissionen im Wärmesektor auf Kohle und Erdöl als Brückentechnologie bis 2030 noch weiterhin eine
und 99 Prozent der Emissionen des Verkehrssek- wesentliche Rolle im Strom- und Wärmesektor spie-
tors auf Erdöl.63 Von diesen fossilen Energieträgern len und daher weniger reduziert.
ist einzig die Braunkohle ein relevanter inländischer
Wirtschaftsfaktor.64 Dies bedeutet neben einer massiven Erhöhung der
Energieeffizienz eine deutliche Elektrifizierung des
Wo wir 2030 stehen wollen Wärme- und Verkehrssektors auf Basis von Wind-
Eine deutliche Reduktion des Verbrauchs der CO2-in- und Solarstrom. Im Jahr 2030 werden zehn bis zwölf
tensivsten Energieträger ist die logische Konsequenz Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen
jeglicher kostenbewussten Klimapolitik, da CO2-Ab- fahren und in den Häusern fünf bis sechs Millionen

54
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Wärmepumpen für die Wärmeversorgung eingesetzt, Ordnungsrecht (wie etwa ein Gebäudeenergiege-
die Hälfte davon als bivalente Heizungssysteme mit setz beziehungsweise novellierte CO2-Pkw- und
einem gas- oder ölbetriebenen Zusatzkessel. CO2–Lkw-Verordnungen), Quotenregelungen (etwa
für Null-Emissionsfahrzeuge) sowie Beimischungs-
Im Jahr 2030 spielen strombasierte Heiz- und Kraft- quoten zur Markteinführung von Power-to-Gas und
stoffe bereits eine relevante Rolle. Zentrale Anwen- Power-to-Liquid (denkbar etwa im Bereich Heizöl,
dungsfelder sind Hochtemperaturprozesse in der Erdgas, Lkw-Diesel und Kerosin).
Industrie, Flug-, Schiffs- und Teile des Lkw-Ver-
kehrs. Sie werden teilweise durch eigens installierte Darüber hinaus steht zügig, das heißt noch 2018, im
Offshore-­Windparks produziert, teilweise aber auch Stromsektor ein Kohlekonsens auf der Tagesordnung,
importiert. der mit allen beteiligten Akteuren einen schritt-
weisen und sozial verträglichen Ausstieg aus den
Was wir dafür tun müssen Braunkohletagebauen sowie den Braun- und Stein-
Eine Reform der CO2-Bepreisung (vgl. Programm- kohlekraftwerken vereinbart. Vergleichbares gilt für
punkt 6) ist wesentlicher Bestandteil jeder effizien- den Wärme- und Verkehrssektor: Hier ist 2020 ein
ten 2030-Strategie. Begleitet wird dies durch einen Öl- und Gaskonsens nötig, gerade auch, um der Auto-
Instrumenten-Mix aus Auktionen bei Erneuerba- mobil- und Heizungsindustrie klare Signale für die
ren Energien und Energieeffizienz, intelligenten künftige Strategie bei Elektrifizierung und stromba-
Fördermaßnahmen, steuerlichen Abschreibungen, sierten Kraft- und Heizstoffen zu geben.

Damit die energiebedingten Treibhausgasemissionen bis 2030


um rund 60 Prozent gegenüber 1990 zurückgehen, muss der
Verbrauch von Kohle und Öl gegenüber heute halbiert werden Abbildung 22

2015 Ziel 2030

762
energetischer Primärenergieverbrauch [TWh]
Energiebedingte Treibhausgasemissionen

149
2.732
[Mio. t CO2e] und fossiler,

479
172
424–439
431
1.600 ~75
~240
246 1.018 ~125
~220

~510 ~125

151 742 ~590 ~120

CO2e TWh TWh CO2e

Gas Mineralöl Braunkohle Steinkohle Sonstiges

AGEB (2017a), UBA (2017a), eigene Berechnungen auf Basis EWI/Prognos/GWS (2014a)

55
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.6 Abgaben und Umlagen 2030:


CO2 endlich angemessen bepreisen

6) Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte grundlegend reformieren

→→ Deutschland hat aufgrund von historisch gewachsenen Abgaben und Umlagen die
zweithöchsten Strompreise in Europa.
Wo wir →→ Heizöl ist im europäischen Vergleich sehr billig, während Erdgas, Benzin und Diesel im
heute Durchschnitt liegen.
→→ Aufgrund dieser Preisverzerrung kann kein effizienter Klimaschutz über die Sektoren
stehen Strom, Wärme und Verkehr hinweg stattfinden.
→→ Die Stromnetzentgelte sind in Deutschland zudem regional sehr ungleich verteilt.

Wo wir →→ CO2 hat einen wirksamen Preis in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Der
Stromverbrauch wird dadurch günstiger, fossile Energien werden teurer.
2030
→→ Die Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelte auf Energie sind komplett umstruktu-
stehen riert, sodass in allen Sektoren die jeweils kostengünstigste Klimaschutzoption zum
wollen Zuge kommt.

→→ Einführung eines CO2-Mindestpreises im EU-Emissionshandel


→→ Vereinheitlichung der klimarelevanten Abgaben (EEG-/KWK-Umlage sowie die Öko-
Was wir steuern auf Strom, Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel) über Sektorengrenzen hinweg
auf einer gemeinsamen CO2-Basis
dafür tun →→ Stromnetzentgelte verursachergerecht umstrukturieren
müssen →→ Relevante Steuern bei Verkehr und Wärme (Kfz-Steuer, Dienstwagenbesteuerung,
Grundsteuer, Grunderwerbsteuer) werden aufkommensneutral nach CO2-Kriterien
umgestaltet

Wo wir heute stehen teuer gemacht wird, während fossile Energieträger


Das historisch gewachsene System von Strom- und kaum besteuert werden und dauerhaft billig bleiben.
Energiesteuern, Abgaben und Umlagen ist ein zen- Darüber hinaus verhindert die Art der Erhebung der
trales Hindernis für eine kosten­effiziente Energie- Abgaben, Umlagen und Netzentgelte, dass Strom-
wende. So trägt der Stromverbrauch hohe Steuern, verbraucher flexibel darauf reagieren, ob viel oder
Abgaben und Umlagen. Hingegen werden der Ver- wenig Wind- und Solarstrom im Netz ist. Stattdessen
brauch von Heizöl und Erdgas kaum belastet und finanzieren sich Eigenerzeugungsanlagen verstärkt
der Verbrauch von Benzin und Diesel nur mäßig. Im darüber, dass sie staatlich veranlasste Preisbestand-
Ergebnis hat Deutschland die zweithöchsten Strom- teile vermeiden. Die Netzentgelte sind zudem in den
preise in Europa, liegt bei für Diesel, Benzin und Erd- Regionen Deutschlands, in denen das Stromnetz
gas im Mittelfeld und bei Heizöl im untersten Drittel. ausgebaut wird, am höchsten, da die Netzkosten nur
regional gewälzt werden.
Die aus ökonomischer Sicht effizienteste Strategie für
den Klimaschutz, CO2 einen (einheitlichen) Preis zu Wo wir 2030 stehen wollen
geben, scheitert damit eklatant. Das Ergebnis ist, dass Im Jahr 2030 hat CO2 einen einheitlichen Preis über
Strom aus Wind- und Solarenergie etwa für Elektro- die Sektorengrenzen hinweg. Die jeweils effizien-
mobilität oder Wärmepumpen an der Steckdose sehr teste Klimaschutztechnologie setzt sich aufgrund

56
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

des Preiswettbewerbs durch. Im Ergebnis wird der gung der Steuern, Abgaben und Umlagen zugrunde zu
Stromverbrauch, der immer stärker auf Erneuerbaren legen. Kernelemente einer Reform sind daher:65
Energien basiert, günstiger und der Verbrauch fossi- →→ die Einführung eines CO2-Mindestpreises im
ler Energien wird teurer. EU-Emissionshandel;
→→ die Ökosteuern auf Strom, Heizöl, Erdgas, Benzin
Die Abgaben, Umlagen und Entgelte auf Strom werden und Diesel (inklusive der EEG- und KWK-Umlage)
dabei so erhoben, dass sie die Preissignale des Börsen- so neu zu justieren, dass sie sich auf eine einheitli-
strommarkts möglichst wenig verzerren. Dies belohnt che CO2-Bepreisung stützen;
Flexibilität beim Stromverbrauch, sodass der Strom- →→ die Netzentgelte auf Strom auf eine verursacherge-
verbrauch in Zeiten hoher Wind- und Solarstrompro- rechte Basis zu stellen.
duktion steigt und in Knappheitssituationen sinkt.
Im Wärme- und Verkehrssektor sind noch andere
Was wir dafür tun müssen steuerliche Regelungen einen wesentlich, etwa die
Eine grundlegende Reform der Steuern, Abgaben und Kraftfahrzeugsteuer, die Dienstwagenbesteuerung,
Umlagen auf Energie ist dringlich. Solange das Preis- die Grunderwerbsteuer und die Grundsteuer. Diese
gefüge der Energieträger aus dem Lot ist, kann die sollten aufkommensneutral nach CO2-Kriterien
Energiewende kaum gelingen. Am sinnvollsten ist umgestaltet werden und so die Wärme- und Ver-
es, den CO2-Gehalt der Energieträger für die Festle- kehrswende ermöglichen.

Die Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelte im Energiesektor sind


sehr ungleich verteilt – und der Stromverbrauch ist am stärksten belastet Abbildung 23

20
18,7
Staatlich veranlasste und regulierte Energie-
preisbestandteile 2017 [ct/kWh]

10

7,3

4,7

2,2

0,3 0,6
0
Erzeugung Verbrauch Diesel Benzin Erdgas Heizöl (leicht)
Strom Verkehr Wärme

Sonstige Umlagen Netzentgelte EEG-Umlage

Energiesteuer (Ökosteuer) CO2-Zertifikate (Preis 2016) KWK-Umlage

Energiesteuer Konzessionsabgabe Stromsteuer


(Anteil Infrastruktur, Staatsfinanzierung etc.)

Agora Energiewende (2017a)

57
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.7 Netze 2030: Strom-, Wärme- und


­Verkehrs­netze ausbauen und modernisieren

7) S
 tromzielnetz bauen, Wärme- und Gasnetze modernisieren,
Verkehr elektrifizieren
→→ Stromnetz und -markt folgen dem Konzept der „Kupferplatte“ und der einheitlichen
Preiszone.
Wo wir →→ Der Stromnetzausbau ist stark umstritten und erfolgt bislang nur schleppend; von
7.700 beschlossenen neuen Übertragungsnetzkilometern sind bislang 1.400 geneh-
heute migt und 850 gebaut.
stehen →→ Gas- und Wärmenetze sind bislang von der Energiewende kaum betroffen und nach
wie vor weitestgehend auf fossile Energieträger ausgelegt.
→→ Im Verkehrssystem fehlt eine ausreichende elektrische Infrastruktur.

→→ Auf Basis des beschlossenen Netzausbaus wird ein Zielnetz 2050 geplant, das ohne
Wo wir weitere Stromtrassen auskommt. Innovative Netzsteuerung, Smart Markets und mehr
Kapazität in bestehenden Stromtrassen optimieren die Auslastung der Stromnetze.
2030
→→ Niedertemperaturwärmenetze nehmen die stetig steigenden Anteile von erneuer-
stehen barer Wärme auf. Gasnetze werden mit Blick auf einen sinkenden Wärmebedarf und
wollen steigende Power-to-Gas-Anteile neu ausgelegt.
→→ Die Infrastruktur für mehr Bahnverkehr und mehr Elektromobilität steht.

→→ Novellierung der gesetzlichen Planung des Stromnetzausbaus mit Blick auf die Pla-
nung eines Zielnetzes 2050 sowie auf die Einführung innovativer Netzsteuerung und
die Etablierung von regionalen Smart Markets
Was wir →→ Flächendeckende Erarbeitung und Umsetzung von kommunalen Wärmestrategien
dafür tun 2050, um die Wärme- und Gasnetze kontinuierlich auf sinkenden Wärmebedarf und
CO2-arme Technologien umzurüsten
müssen →→ Ausbau und verstärkte Elektrifizierung der Schienennetze, Bau einer flächende-
ckenden Ladeinfrastruktur für Elektroautos, Installation von Oberleitungstrassen für
Hybrid-­Lkws an zentralen Autobahnen

Wo wir heute stehen tiertes Erdgas; der Erneuer­bare-Energien-Anteil


Das Stromsystem folgt dem Konzept der „Kupfer- ist gering. Und bei den Verkehrsnetzen hat eine
platte“, sodass Netzengpässe innerhalb Deutschlands Beschäftigung mit der Frage, welche Infrastruktur im
auf dem Strommarkt nicht berücksichtigt werden. Zuge der Verkehrswende nötig wird, noch gar nicht
Dieses Prinzip, das die Kosten des Stromsystems richtig begonnen.
minimieren soll, sowie die Tatsache, dass der Wind-
kraftzubau vor allem im Norden Deutschlands statt- Wo wir 2030 stehen wollen
findet, erzeugen einen Ausbaubedarf im Übertra- Im Jahr 2030 ist der heute beschlossene Übertra-
gungsnetz. Dieser stößt jedoch auf Widerstand – so gungsnetzausbau realisiert. Auf dieser Basis existiert
sind von den beschlossenen 7.700 zusätzlichen Netz- ein Zielnetz 2050, das ohne neue Stromtrassen aus-
kilometern erst 850 Kilometer gebaut. Während bei kommt und das Prinzip der Kupferplatte aufgibt. Statt-
den Stromnetzen über den Aus- und Umbau heftig dessen wird der Stromtransportbedarf, der durch den
diskutiert wird, ist dies bei den Wärme- und Gasnet- Schritt von 60 auf 90 Prozent Erneuerbarer Energien
zen kaum der Fall. Diese sind nach wie vor ausgelegt entsteht, alternativ gelöst: durch innovative Netzsteu-
auf fossile Heiz(kraft)werke beziehungsweise impor- erung, eine Erhöhung der Kapazität auf bestehenden

58
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Stromtrassen sowie regionale Smart Markets.66 Um die baupläne auf Übertragungsnetzebene ein Zielnetz
Wärmeinfrastruktur langfristig CO2-frei zu gestalten, 2050 erarbeitet wird. Zudem wird im die automati-
sind 2030 alle Wärmenetze Niedertemperaturnetze, sierte Systemführung als Standard der Netzsteue-
die viele CO2-arme Wärmequellen einbinden (Solar- rung ab 2030 etabliert. Das Strommarktdesign wird
und Geothermie, Großwärmepumpen, Elektrodenkes- so ergänzt, dass regionale Smart Markets etabliert
sel, Biomasseanlagen, Abwärme). Gasnetze werden neu werden.
ausgelegt auf einen sinkenden Wärmebedarf und auf
steigende Power-to-Gas-Anteile. Alle Kommunen erarbeiten mit finanzieller Unter-
stützung des Bundes kommunale Wärmestrategien
Die Verkehrsnetze im Jahr 2030 haben einen hohen 2050. Diese Strategien planen die Wärme- und Gas-
und stetig steigenden Elektrifizierungsgrad. Schienen- netze in einer Welt mit sinkendem Wärmebedarf und
netze sind ausgebaut und elektrifiziert, die Infrastruk- stetig steigenden Erneuerbare-Energien-Anteilen.
tur für zehn bis zwölf Millionen Elektroautos wurde
geschaffen und auf zentralen Autobahnen in Deutsch- Der Bundesverkehrswegeplan 2030 wird im Lichte
land sind Oberleitungs-Lkws inzwischen Standard. einer Verkehrswendestrategie überarbeitet. Dabei
werden Ausbau und Elektrifizierung der Schienen-
Was wir dafür tun müssen netze, der Bau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos
Die gesetzliche Planung des Stromnetzausbaus wird sowie die Installation von ersten Oberleitungstrassen
grundlegend geändert, sodass statt zweijähriger Aus- für Hybrid-Lkws prioritär finanziert.

Derzeit sollen bis 2025 rund 7.700 km neue Leitungen gebaut werden –
der Ausbau der Strom-Übertragungsnetze kommt jedoch nur schleppend voran Abbildung 24

Bestehendes Übertragungsnetz Geplanter Ausbau bis 2025

bestehendes Netz geplante Freileitung geplante Erdkabel

Eigene Darstellung auf Basis BNetzA (2016), Tennet (2017), Tennet (2017), TransnetBW (2017)

59
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.8 Strommarkt 2030: Digitalisierung, Flexibilität,


verlässlicher Investitionsrahmen

8) Einen flexiblen und digitalen Strommarkt organisieren, der Investitionen anreizt

→→ Der Strommarkt 2.0 ist mit einer liquiden Strombörse und vielen Anbietern und Pro-
Wo wir dukten sehr wettbewerblich organisiert. Regelenergie und Flexibilität kommen aber
meist von fossil betriebenen Kraftwerken.
heute →→ Erneuerbare Energien finanzieren sich über Ausschreibungen im EEG, Back-up-Kraft-
stehen werke sollen sich am Strommarkt über Peakpreise refinanzieren.
→→ Das Niveau an Versorgungssicherheit ist sehr hoch.

Wo wir →→ Der Strommarkt ist äußerst kurzfristig und digital. Alle Anbieter und Nachfrager sind
vernetzt und liefern Flexibilität sowie Regelenergie.
2030
→→ Erneuerbare Energien, Back-up-Kraftwerke, Stromspeicher und Lastmanagement
stehen finanzieren sich weitestgehend über den Strommarkt.
wollen →→ Das Versorgungssicherheitsniveau ist so hoch wie heute.

→→ Flächendeckende Digitalisierung, inklusive Smart Metern und variablen Stromtarifen


→→ Reform der Abgaben, Umlagen und Regelenergie, damit Nachfrage und Speicher flexi-
Was wir bel am Markt agieren
→→ CO2-Mindestpreis von 30 bis 50 EUR/t, der einen marktgetriebenen Erneuerbare-­
dafür tun Energien-Zubau ermöglicht
müssen →→ Auktionen auf Leistung sichern Ausbauziele bei den Erneuerbaren ab.
→→ Kapazitätsreserve gewährleistet Versorgungssicherheit und wird nur dann von Kapa-
zitätsmarkt abgelöst, falls sie zu groß wird (z. B. >15 GW).

Wo wir heute stehen zitätsreserve geschaffen. Zudem sollen ab 2017 nach


Der Strommarkt ist geprägt von einer liquiden Strom- und nach alle Verbraucher Smart Meter erhalten.
börse. Kunden können aus einer Vielzahl von Strom-
vertrieben auswählen. Allerdings ist er in seinem Wo wir 2030 stehen wollen
Kern immer noch in der alten Welt: Die Flexibilität In einer Welt mit 50 Prozent Wind- und Solarstrom-
wird fast ausschließlich von Kohle- und Gaskraft- produktion organisiert der Strommarkt in jeder
werken geliefert, Erneuerbare-Energien-­Anlagen Minute den optimalen Ausgleich zwischen dem
erhalten feste Vergütungen, und die meisten Strom- schwankenden Stromangebot und der Stromnach-
nachfrager reagieren nicht flexibel auf die Schwan- frage. Minutengenaue Abrechnungs- und Preismo-
kungen des Börsenstrompreises. delle binden digital alle Stromanbieter, -nachfra-
ger und -speicher ein. Aktive Stromvertriebe bieten
Das 2016 beschlossene Strommarktdesign reagiert ihren Kunden individuelle Lösungen an, die je nach
hierauf:67 Die Förderung von Erneuerbare-Energien-­ Situation (mit/ohne Solaranlage, Elektroauto, Wärme-
Anlagen erfolgt von nun an vor allem über Ausschrei- pumpe, Stromspeicher) Preis, Eigenverbrauch und
bungen. Stromhändlern drohen hohe Strafzahlungen Komfort optimieren. In diesem hochflexiblen Strom-
(20.000 Euro je Megawattstunde), falls sie ihre Strom- markt finanzieren sich Erneuerbare Energien, Back-
nachfrage nicht decken können. Um kein Risiko für die up-Kraftwerke, Stromspeicher und Lastmanagement
Versorgungssicherheit einzugehen, wurde eine Kapa- weitestgehend am Markt. Staatliche Eingriffe redu-

60
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

zieren sich auf ein Minimum, um die CO2-Ziele und bis 2030 unterstützt, sondern es auch Erneuer-
Versorgungssicherheit zu gewährleisten. bare-Energien-Anlagen ermöglicht, in einer Welt
niedriger Preise für fossile Brennstoffe mit Kohle-
Was wir dafür tun müssen und Gasbestandskraftwerken zu konkurrieren.68
Damit der Ausgleich von Stromangebot und -nach- Diese sollten jedoch von Kilowattstunden auf Kilo-
frage auf Minutenbasis funktioniert und sich Inves- watt-Prämien umgestellt werden, damit Erneuer-
titionen in Neuanlagen tragen, müssen folgende bare Energien ihren Einsatz am Strom- und Regel­
Schritte erfolgen: energiemarkt effizient optimieren.
→→ Flächendeckende Einführung von Smart Metern →→ Es kommt regelmäßig zu einer ausreichenden Zahl
und variablen Stromtarifen: Bis 2030 müssen von Stunden mit (potenziellen) Peakpreisen, um
alle Kunden mit variabler Last (Industriebetriebe, Back-up-Kraftwerken und Speichern zu refi-
aber auch Privathaushalte mit Wärmepumpen, nanzieren. Geschieht dies nicht oft genug, dürften
PV-Speichersystemen oder Elektroautos) durch Kraftwerke stillgelegt und in die Kapazitätsreserve
eine minutengenaue Bepreisung des Stroms flexi- übernommen werden. Sollte die Kapazitätsreserve
bel auf die Marktsituation reagieren können. Die zu groß werden (z. B. >15 Gigawatt), ist es sinn-
Abgaben und Umlagen dürfen dabei nicht die Fle- voller, sie von einem Kapazitätsmarkt abzulösen.
xibilitätssignale des Strommarkts verzerren. Dieser dürfte dann jedoch nicht dem Kohleausstieg
→→ Einführung eines angemessenen CO2-Preises, der zuwiderlaufen.
nicht nur die Halbierung der Kohleverstromung

Der kosteneffizienzte Strommarkt im Jahr 2030 ist digital,


flexibel und gewährleistet ein hohes Maß an Versorgungssicherheit Abbildung 25

Angebot Nachfrage

Angebot Angebot
Strom

Wärme Verkehr
Nachfrage 15:06 Nachfrage

Eigene Darstellung

61
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.9 Industrie 2030: Die Energiewende als


­industriepolitisches Projekt organisieren

9) Chancen nutzen, Risiken minimieren: Eine zukunftszugewandte Energie­wende-


Industriepolitik
→→ Die deutsche Industrie ist international wettbewerbsfähig. Dies gilt auch im Bereich
der Energiekosten, da hier für die betroffene Industrie ausreichende Ausnahmerege-
Wo wir lungen geschaffen wurden.
→→ In weiten Teilen der Industrie herrscht Verunsicherung über den weiteren Fortgang
heute der Energiewende und den Fortbestand der Ausnahmeregelungen.
stehen →→ Die Automobilindustrie hat auf dem Zukunftsmarkt Elektromobilität eine starke glo-
bale Konkurrenz.
→→ Global wird doppelt so viel in Erneuerbare wie in fossile Energien investiert.

→→ Die Industrie ist in Deutschland auch bei einem Anteil von 60 Prozent Erneuerbaren
Wo wir im Stromsektor wettbewerbsfähig, insbesondere mit Blick auf Energiekosten und Ver-
sorgungssicherheit.
2030
→→ Moderne Fertigungsprozesse, die auf dem Konzept von Flex-Efficiency beruhen, sind
stehen Standard.
wollen →→ Die deutsche Industrie nutzt die Wachstumschancen, die die Energie- und Verkehrs-
wende und die globalen Transformationen der Energie- und Automärkte bieten.

→→ Wirtschaft und Politik vereinbaren einen „Zukunftspakt Energiewende und Industrie­


politik“. Darin erkennt die Industrie die Klimaschutzziele an und unterstützt die Politik
Was wir bei ihrer Umsetzung. Im Gegenzug garantiert die Politik in Deutschland dauerhaft
wettbewerbsfähige Energiekosten.
dafür tun →→ Gezielte Anreize sorgen dafür, dass Produktionsprozesse effizienter und flexibler wer-
müssen den, eine gemeinsame Forschungsagenda sorgt für die notwendigen Innovationen
und Investitionen am Industriestandort Deutschland.
→→ „Energy Transition made in Germany“ wird zum Markenkern einer Exportoffensive.

Wo wir heute stehen perioden hinweg bestehen bleiben. Diese Unsicher-


In den letzten 15 Jahren stieg der Anteil der Erneu- heit kann Investitionen hemmen und die positive
erbaren Energien an der Stromversorgung von 6 auf Gestaltung der Energiewende verzögern.
über 30 Prozent und die deutsche Industrieproduk-
tion um 25 Prozent. Bisher verliefen also Energie- So entsteht das Risiko, dass die deutsche Industrie an
wende und industrielle Entwicklung weitgehend dem global stetig wachsenden Energiewende- und
parallel. Ein Grund hierfür ist, dass die deutschen Bör- Verkehrswendemarkt nicht ausreichend partizipiert.
senstrompreise wettbewerbsfähig sind und dass bei Im Jahr 2015 wurden weltweit 260 Milliarden US-Dol-
Abgaben, Umlagen und Steuern für die Industrie aus- lar in Erneuerbare Energien investiert – doppelt so viel
reichende Ausnahmeregelungen geschaffen wurden. wie in neue fossile Kraftwerke. Eine ähnliche Entwick-
lung steht im Bereich der Elektromobilität bevor.
Teile der deutschen Industrie stehen der Energie-
wende dennoch skeptisch gegenüber. Eine Ursache Wo wir 2030 stehen wollen
ist die Unsicherheit, ob diese wettbewerbssichern- Auch bei einem Anteil von 60 Prozent Erneuer-
den, Ausnahmeregelungen über mehrere Legislatur- baren Energien im Stromsektor ist die Industrie in

62
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Deutschland wettbewerbsfähig, insbesondere mit dere die energieintensiven Branchen, auch während
Blick auf Energiekosten und Versorgungssicherheit. der Transformation wettbewerbsfähige Energiekos-
Sie hat moderne Produktionsanlagen, die auf dem ten vorfinden wird. Auf der anderen Seite identifiziert
Konzept von Flex-Efficiency beruhen, das heißt, sie sich die Industrie mit dem Pariser Klimaschutzabkom-
sind sowohl auf niedrigen Stromverbrauch als auch men und unterstützt die Politik bei dessen Umsetzung
auf Flexibilität optimiert.69 Die deutsche Wirtschaft in Deutschland durch die Klimaziele von Bundesre-
nutzt im Jahr 2030 die vielfältigen Wachstumschan- gierung und Bundestag, insbesondere für die Zieljahre
cen, die die ­Energie- und Verkehrswende bieten. 2030, 2040 und 2050.
Insbesondere die Automobilindustrie hat die mit der
Verkehrswende verbundenen Herausforderungen Gemeinsam vereinbaren Industrie und Politik einen
gemeistert und bietet global erfolgreich CO2-arme Aktionsplan, um der deutschen Wirtschaft im global
Fahrzeuge und Mobilitätsdienstleistungen an. wachsenden Energiewendemarkt eine gute Position
zu sichern. Unter anderem konkretisiert dieser Akti-
Was wir dafür tun müssen onsplan die Kernelemente des Zukunftspakts, treibt
Politik und Wirtschaft vereinbaren einen „Zukunfts- Effizienz und Flexibilität bei neuen industriellen Pro-
pakt Energiewende und Industriepolitik“, 70 der die duktionsanlagen voran, entwirft eine Forschungs­
Chancen der Energiewende nutzt und die Risiken agenda für Low-Carbon-Technologien in der
vermeidet. Dieser verlangt auf der einen Seite von Industrie und forciert die Exportoffensive „Energy
der Politik die Garantie, dass die Industrie, insbeson- Transition made in Germany“.

Mit einer Charta für eine Energiewende-Industriepolitik die Energiewende


auch industriepolitisch zu einem Erfolg machen Abbildung 26

Die Energiewende: Chance und Risiko für den Industriestandort Deutschland

Risiken minimieren Chancen nutzen

1. Zukunftspakt für eine Energiewende-Industriepolitik

3. Investitionssicherheit durch 6. Industrieprozesse und Produk-


dauerhaft konkurrenzfähige 2. Kern des Paktes: tionsanlagen auf Effizienz und
Energiekosten für die Industrie Politik garantiert international Flexibilität optimieren
4. Die Energiewende an wettbewerbsfähige Energiekosten 7. Mit Energiewende-
Kosteneffizienz und für die Industrie Industriepolitik gezielt
Marktnähe ausrichten Exportmärkte erschließen
5. Das System von Steuern, Ab- Industrie unterstützt Umsetzung 8. Forschung und Innovationen
gaben und Umlagen auf Ener- der internationalen und für die Treibhausgasneutralität
gie grundlegend überarbeiten nationalen Klimaziele zielgerichtet fördern

Agora Energiewende/Roland Berger (2017)

63
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

5.10 Gemeinschaftswerk 2030: Mit der


Energiewende das Gemeinwesen stärken

10) Die Energiewende als Gemeinschaftswerk umsetzen

→→ Die Energiewende im Stromsektor ist bei Bürgerinnen und Bürgern fest verankert. Bei
Wärme- und Verkehrswende fehlt bislang ein entsprechender Konsens.
Wo wir →→ Akteursvielfalt und innovative Konzepte bei Strom, Wärme, Verkehr haben deutlich
heute zugenommen.
→→ Nach Jahren des Anstiegs sinken die Energiekosten für Privathaushalte seit 2013 wieder.
stehen →→ Landschaftseingriffe durch die Energiewende in Gestalt von Windrädern und Strom-
trassen sind unübersehbar und vielen Menschen ein Dorn im Auge.

→→ Die Energiewende als Stromwende, Wärmewende und Verkehrswende genießt hohe


Wo wir Zustimmungsraten und schafft Mehrwert vor Ort.
→→ Die breite Akteursvielfalt bleibt erhalten, Stadtwerke werden zu Dienstleistern einer
2030
sektorübergreifenden Energiewende in den Kommunen.
stehen →→ Die Energiekosten für Privathaushalte, gerade auch für einkommensschwache Haus-
wollen halte, sind verträglich.
→→ Konflikte bei Landschaftseingriffen aufgrund von Netzen und Windparks sind minimiert.

→→ In der Energie- und Verkehrsregulierung den Stellenwert von Akteursvielfalt, Prosu-


Was wir mer-Lösungen sowie Vor-Ort-Stromerzeugung und -nutzung erhöhen
→→ Reform der Abgaben und Umlagen auf Energie; Effizienzstrategie mit Fokus auf ein-
dafür tun kommensschwache Haushalte
müssen →→ Bei Netzen und Windparks findet eine kluge Öffentlichkeitsbeteiligung statt; Kommu-
nen erhalten Konzessionseinnahmen bei neuen Windparks.

Wo wir heute stehen Energiewende auch die Wärme- und Verkehrswende


Die Energiewende wird von einer breiten Mehr- gehören, ist bislang noch nicht weit verbreitet.
heit der Bevölkerung kontinuierlich unterstützt:
Seit 2012 halten bei einer jährlich wiederholten Wo wir 2030 stehen wollen
Umfrage 90 Prozent der Befragten die Energiewende Im Jahr 2030 ist die Energiewende ein Gemein-
für „wichtig“ oder „sehr wichtig“. Bemerkenswert ist schaftswerk der ganzen Gesellschaft in allen drei
auch, dass sich viele Bürger an der Energiewende Bereichen: Strom, Wärme und Verkehr. Hierfür wird
beteiligt haben – durch Solaranlagen auf den eigenen die Nähe des neuen Energiesystems zu den Men-
Dächern, durch Bürgerenergiegenossenschaften oder schen dazu genutzt, dass jeweils vor Ort ein Mehr-
mittelbar über kommunale Stadtwerke. wert entsteht. Eigenstromerzeugung ist Standard
auf Einfamilien- und Mietshäusern. Neue Mobili-
Gleichzeitig verändern neue Stromleitungen und tätskonzepte, die öffentlichen und privaten Verkehr
Windparks das Landschaftsbild, was vor Ort regel- durch intelligente Technik kombinieren, machen den
mäßig zu Protesten führt. Zudem wird unter der Verkehr in den Städten leiser und komfortabler. Eine
Energiewende vor allem die Stromwende verstan- Vielzahl von Akteuren – Bürger, innovative Start-ups
den. Das Bewusstsein, dass zu einer vollständigen bis hin zu den Stadtwerken – trägt zu einer vernetz-
ten und sektorenübergreifenden Energieversorgung

64
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

vor Ort bei und schafft so lokale Wertschöpfung. Die dere, Selbstversorgung, Mieterstrommodelle und
Energiekosten für die Verbraucher haben auch im Shared-­Mobility-Konzepte durch einen klaren
Jahr 2030 einen Anteil von weniger als zehn Prozent Ordnungsrahmen zu ermöglichen. Stadtwerke
an den Konsumausgaben. Bei einkommensschwa- werden bei Stromnetzen, Fernwärme und ÖPNV zu
chen Haushalten gilt die 10-Prozent-Grenze für die kommunalen Energiewendedienstleistern.
Strom- und Wärmeausgaben. Neue Öffentlichkeits- →→ Um die Energiekosten für die Verbraucher zu
beteiligungskonzepte bei der Planung neuer Infra- begrenzen, ist eine Reform der Abgaben und Umla-
struktur sowie die finanzielle Beteiligung von Kom- gen auf Energie notwendig, in deren Zuge manche
munen an neuen Windparks haben dazu geführt, dass Kostenbestandteile aus dem Staatshaushalt finan-
die Konflikte rund um neue Netze und Windkraftan- ziert werden. Zudem sollten spezielle Effizienzpro-
lagen minimiert wurden. gramme den Energieverbrauch bei einkommens-
schwachen Haushalten deutlich senken.
Was wir dafür tun müssen →→ Eine Reform der Öffentlichkeitsbeteiligung bei
Damit die Energiewende als Gemeinschaftswerk neuen Windparks und Stromnetzen ermöglicht
funktioniert, sind drei Maßnahmen notwendig: es den Betroffenen vor Ort, bei den Planungs-
→→ Bei der Weiterentwicklung des Energie- und und Genehmigungsprozessen aktiv mitzuwir-
Verkehrsrechts wird der Akteursvielfalt und ken. Zudem wird eine neue Konzessionsabgabe für
Vor-Ort-Versorgungslösungen ein großer Stellen­ Windanlagen beschlossen, die Kommunen lokalen
wert beigemessen. Dies bedeutet insbeson- Mehrwert durch neue Windparks beschert.

Die Energiewende genießt kontinuierlich große Zustimmung bei den


Bürgerinnen und Bürgern – viele sind auch direkt beteiligt durch eigene Anlagen Abbildung 27

Bürgerbeteiligungen Energieversorger:
2016
überregional, Minder- 9 GW
heitsbeteiligung: 8 GW

2015
Bürgerenergie-
gesellschaften:
7 GW
2014

insgesamt
73 GW (2012)
2013

2012 Einzel-
eigentümer:
18 GW
0% 50 % 100 %
Zustimmung zur Energiewende: Die Energiewende ist... Institutionelle
und strategische
sehr wichtig weniger wichtig
Investoren:
wichtig gar nicht wichtig weiß nicht 30 GW

BDEW (2016), trend:research/Leuphana Universität Lüneburg (2013)

65
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

66
Fazit

Die Energiewende weg von Kohle, Erdöl und Erdgas gilt es, den noch bestehenden Startvorteil zu ­nutzen –
hin zu Erneuerbaren Energien und ­Energieeffizienz für das eigene Land ebenso wie für den globalen
ist in den vergangenen Jahren zu einer weltwei- Erfolg der Energiewende.
ten Entwicklung geworden, die mit großer Dynamik
immer mehr Anhänger gewinnt. Inzwischen werden Die zweite Phase der Energiewende, die von heute bis
etwa 60 Prozent der jährlich neu installierten Kraft- 2030 reicht, ist gleichzeitig einfacher und schwie-
werkskapazität von Erneuerbaren Energien gedeckt riger als die erste Phase, die sich von 2000 bis heute
(vgl. Abbildung 28). Fast im Monatsrhythmus werden erstreckte: Sie ist einfacher, weil mit den Energie-
neue Tiefstpreisrekorde bei neuen Windkraft- oder wendemegatrends – den sieben Ds (vgl. Kapitel 1) –
Solarenergieprojekten überall auf der Welt gemeldet die technologischen und ökonomischen Rahmen-
(vgl. Abbildung 29). bedingungen jeglicher Energiepolitik relativ klar
beschrieben werden können. So haben sich Wind-
Deutschland sieht sich als Vorreiter bei Energie- kraft und Solarenergie als die Sieger des Technolo-
wende und Klimaschutz. Und weil es die erste Phase giewettbewerbs herausgestellt: Sie sind heute nicht
der Energiewende bereits absolviert hat, kann nur die kostengünstigsten CO2-freien Energieträ-
Deutschland einen Startvorteil für die zweite Phase ger, sondern in immer mehr Regionen der Welt auch
verbuchen. Doch andere Länder holen beim Zubau günstiger als Strom aus Kohle, Öl und Gas. Die Ener-
von Erneuerbare-Energien-Anlagen auf; und im giewende bei Strom, Wärme und Verkehr wird inso-
Bereich der Elektromobilität gehört Deutschland eher fern auf Wind- und Solarstrom basieren – entwe-
zu den Nachzüglern als zu den Vorreitern. Umso mehr der direkt durch die Nutzung dieser fluktuierenden

Seit 2013 wird jährlich mehr Leistung Erneuerbare Energien installiert als
alle konventionellen Technologien zusammen Abbildung 28

100
Globaler Anteil an neu installierten Kraftwerkskapazitäten [%]

81 %
80
69 %

59 % 59 %
60
50 %

41 % 50 % 41 %
40
31 %

19 %
20

0
2001 2006 2011 2016

Erneuerbare Energien Konventionelle Energieträger

IRENA (2014), IRENA (2015), FS UNEP (2017)

67
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

Strom­erzeugung in Echtzeit oder indirekt über Batte- auf 30 Prozent) und die Nutzung von Kohle und Erdöl
riespeicher und Power-to-X-Technologien. Daneben gegenüber 2015 zu halbieren.
werden Dezentralität, Digitalisierung und Demokra-
tisierung ebenfalls zentrale Faktoren der künftigen Andere Pfade, wie etwa die verstärkte Nutzung von
Energiewirtschaft darstellen. strombasierten Heiz- und Kraftstoffen, sind nach
heutigem Kenntnisstand deutlich teurer als die skiz-
Schwieriger ist die zweite Phase der Energiewende zierten Strategien. Damit die Energiewende insge-
aber gleichzeitig auch, weil nun die Transformation samt für die Volkswirtschaft mehr Nutzen als Kos-
des Energiesystems ansteht. Konnte in den vergan- ten bietet (vgl. Kapitel 4), stehen daher bis 2030
genen Jahren der Zuwachs an Erneuerbaren Energien Effizienztechnologien, der Ausbau von Wind- und
(sowohl bei Strom als auch bei Wärme und Verkehr) Solarenergie sowie die verstärkte Elektrifizierung
relativ einfach in das bestehende Energiesystem von Wärme und Verkehr über Wärmepumpen und
integriert werden, übernehmen Wind- und Solar- Elektro­mobilität im Zentrum der Energiewende. Da
strom im Zeitraum bis 2030 die Rolle der Leittechno- Power-to-Gas- und Power-to-Liquid-Technolo-
logien des Energiesystems und werden im Stromsys- gien aber in der dritten Phase der Energiewende ab
tem sogar mehr als die Hälfte der Versorgung decken. 2030 eine wesentliche Rolle spielen werden, sollten
Zudem muss die Energieeffizienz, die bisher in der in der Zeit bis dahin Forschungs- und Markteinfüh-
Energiepolitik nur eine Nebenrolle gespielt hat, jetzt rungsprogramme dafür sorgen, dass die Kosten dieser
im Rahmen des Efficiency-First-Prinzips ins Zent- Technologien noch stärker sinken.
rum der Energiewende rücken.
Diese Ziele und Strategien verwirklichen sich nicht
Es ist daher wichtig, einen klaren Kompass zu haben, von allein. Die Zehn-Punkte-Agenda für die Ener-
um die Energiewende sicher durch die kommende giewende 2030 (vgl. Kapitel 5) beschreibt zehn kon-
Phase zu navigieren. Mit der quantitativen Konkre- krete Handlungsfelder der Energiepolitik, um die
tisierung des bekannten energiepolitischen Zieldrei- Energiewende zum Erfolg zu führen. Hierzu gehören
ecks Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und neue oder novellierte Gesetze (unter anderem zu den
Versorgungssicherheit für das Jahr 2030 (vgl. Kapi- Energiewendezielen, zum Ausbau der Erneuerba-
tel 2) hat Agora Energiewende hierfür einen konkre- ren Energien und zur Energieeffizienz), der Bau einer
ten Vorschlag vorgelegt. So sollen die energiebeding- neuen Infrastruktur, Änderungen bei den Steuern,
ten Emissionen bis 2030 um 60 Prozent unter das Abgaben und Umlagen, aber auch Konsensvereinba-
Niveau von 1990 sinken; die Energiekostenanteile bei rungen mit den betroffenen Regionen und Indust-
Privat­verbrauchern und in der Industrie sollen unter rien zum schrittweisen Rückgang des Einsatzes von
10 Prozent bleiben; die Stromausfallquote soll weiter- Kohle, Erdöl und Erdgas. Nicht zuletzt geht es darum,
hin unter 20 Minuten pro Kunde und Jahr liegen; und die Energiewende gemeinsam mit der Industrie und
die Importquote bei den Primärenergieträgern soll auf gesellschaftlichen Akteuren zu einem industriepo-
unter 60 Prozent sinken. litischen Erfolg zu machen, der auch von der Gesell-
schaft als Gemeinschaftswerk verstanden wird.
Diese Ziele kosteneffizient zu erreichen, resultiert
letztlich in drei Strategien bis 2030 (vgl. Kapitel 3): Die Energiewende ist nicht allein Sache der Ener-
die Energieeffizienz so zu steigern, dass der Energie- giepolitik. Sie ist auch eine Gemeinschaftsaufgabe, die
verbrauch um etwa 30 Prozent gegenüber 2015 sinkt, die Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger verän-
die Nutzung der Erneuerbaren Energien gegenüber dert. Auf der einen Seite werden durch Windkraft-
2015 fast zu verdoppeln (bei Strom auf 60 Prozent zu anlagen und neue Stromtrassen Landschaften ver-
erhöhen und beim gesamten Primärenergieverbrauch ändert, oft zum Ärger betroffener Anwohner. Hierfür
sind neue Konzepte notwendig, die die Landschafts-

68
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

eingriffe minimieren und dort, wo sie nötig sind, die nologien und Konzepte, die notwendig sind für die
negativen Auswirkungen durch bessere Öffentlich- zweite Phase der Energiewende, sind vorhanden. Es
keitsbeteiligung möglichst gering halten. Auf der ist möglich, die Energiewende bis 2030 so voranzu-
anderen Seite liefert die Energiewende, besonders treiben, dass nicht nur das Klima etwas davon hat,
im Bereich der Wärme- und Verkehrswende, einen sondern auch der Industriestandort Deutschland und
umfassenden Beitrag für eine bessere Lebensqualität. die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Dies ist aber
Vor allem in den Städten werden die Beeinträchtigun- auch nötig, denn der Klimawandel schreitet wei-
gen durch schlechte Luftqualitäten und hohe Lärm- ter voran (so betrug die Erderwärmung im Jahr 2016
belastung dank Elektromobilität und Shared Mobi- bereits 1,1 Grad Celsius) und die Konkurrenz für den
lity spürbar verbessert. Aber auch im individuellen Industriestandort Deutschland im Bereich der Ener-
Bereich werden Smart-Home-Technologien dafür giewendetechnologien ist stark.
sorgen, dass die Solarstromerzeugung auf dem Dach,
die Strom- und Wärmeversorgung im Haus sowie die Richtig ist: Deutschland trägt mit seinen Treib-
Einbindung von Elektromobilität und Wärmepum- hausgasemissionen zur globalen Klimabelastung
pen optimal gesteuert werden, sodass die Bewohner nur noch etwas mehr als zwei Prozent bei. Doch die
höchstmöglichen Komfort genießen können. Energiewende in Deutschland bleibt für andere eine
Richtschnur. Auch deshalb muss sie erfolgreich blei-
Zukunftsoptimismus gilt gemeinhin nicht als Kern- ben – im wohlverstandenen eigenen Interesse, im
bestandteil der deutschen Kultur. Doch beim Thema Interesse anderer Länder und im Interesse künftiger
Energiewende ist sie durchaus angebracht: Alle Tech- Generationen.

Weltweit sinken die Kosten für Strom aus Wind und Sonne auf Rekordwerte Abbildung 29

Deutschland Dänemark
57,1 €/MWh 49,9 €/MWh

USA Niederlande Deutschland Dänemark


42,0 €/MWh 55,0 €/MWh 50–60 €/MWh 53,8 €/MWh

USA Deutschland
59 €/MWh Jordanien
30–40 €/MWh Spanien
54,5 €/MWh
43,0 €/MWh
Indien
Peru 34,1 €/MWh
33,1 €/MWh Mexiko Marokko
VAE
31,7 €/MWh 26,8 €/MWh
26,7 €/MWh Indien
Peru 48,3 €/MWh
42,9 €/MWh

Chile Australien
26,0 €/MWh Südafrika 27 €/MWh
Brasilien 45,5 €/MWh
Wind Onshore 43,8 €/MWh Australien
Südafrika 61,6 €/MWh
Wind Offshore 58,0 €/MWh

Photovoltaik

Dargestellt sind Auktionsergebnisse bzw. PPA aus 2016/2017


Fortum (2016), eigene Zusammenstellung

69
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

70
Anhang

Datenübersicht 

2015* Ziel 2030**

TWh TWh

Primärenergieverbrauch 3.683 ~ 2.600

Energetischer Verbrauch 3.418 ~ 2400

Steinkohle 479 ~ 240

Braunkohle 431 ~ 220

Mineralöl 1.018 ~ 510

Gas 742 ~ 590

Kernenergie 278 0

Erneuerbare 457 ~ 820

Sonstige 61 ~ 40

Strom –48 0

Nicht-energetischer Verbrauch 265 ~ 200

Stromsektor TWh TWh

Bruttostromerzeugung 647 ~ 610

Erneuerbare 187 ~ 370

Kernenergie 92 0

Braunkohle 155 ~ 80

Steinkohle 118 ~ 60

Erdgas 62 ~ 70

Sonstige 34 ~ 30

Stromverbrauch 647 ~ 610

Endenergie Strom (traditionell) 520 ~ 470

Endenenergie Strom (neu) 0 ~ 70

Verluste/Pumparbeit 38 ~ 40

Kraftwerkseigenverbrauch 36 ~ 30

Exporte 54 0

Wärmesektor TWh TWh

Endenergieverbrauch 1.373 ~ 1.100

71
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

Kohle 126 ~ 60

Mineralöl 205 ~ 90

Gas 588 ~ 450

Fernwärme 115 ~ 100

Erneuerbare Energien 139 ~ 200

Sonstige 21 ~ 20

Strom 178 ~ 200

Verkehrssektor TWh TWh

Endenergieverbrauch 727 ~ 500

Mineralölkraftstoffe (inkl. Gas) 685 ~ 410

Biokraftstoffe 30 ~ 30

Strom 12 ~ 60

Treibhausgasemissionen Mio. t CO2e Mio. t CO2e

435
Energiebedingt 762
(424–439)

nach Energieträgern Steinkohle (nur CO2) 149 ~ 75

Braunkohle (nur CO2) 172 ~ 85

Mineralöl (nur CO2) 246 ~ 125

Gas (nur CO2) 151 ~ 120

Sonstige 46 ~ 30

nach Sektoren ~ 165


Strom 312
(159–166)***

~ 170
Wärme 289
(170–175)***

~ 95
Verkehr 161
(95–98)***

~ 130
Nicht-energiebedingt 140
(119–123)***

Summe 902 ~ 560


(543–562)

* AGEB (2016a), AGEB (2017a), UBA (2016), UBA (2017a), UBA (2017b), eigene Berechnungen nach BMUB (2016), UBA (2017c)
** e
 igene Berechnungen auf Basis Agora Energiewende (2016), BMUB (2016), EWI/Prognos/GWS (2014a), Fraunhofer IWES/IBP (2017),
UBA (2017a), UBA (2017c)
*** W erte in Klammern stellen die Bandbreiten entsprechender Sektorziele für Strom, Wärme und Verkehr im Einklang mit dem Klimaschutz-
plan 2050 dar (eigene Berechnung auf Basis BMUB (2016), Ö­ ko-Institut/Fraunhofer ISI (2015), UBA (2017a), UBA (2017c))

72
Endnotenverzeichnis

1. Auch die Null-Cent-Gebote bei den Auktionen 17. consentec/r2b (2015)


für Offshore-Windparks Anfang 2017 gehen von 18. (Europäischer Rat 2014). Die EU-Kommission hat
Börsenstrompreisen von 5 bis 6 Cent je Kilowatt- im November 2016 als Teil des „Clean Energy for
stunde aus. all Europeans“-Gesetzespakets vorgeschlagen,
2. Agora Energiewende (2015) das Effizienzziel auf 30 Prozent zu erhöhen.
3. WMO (2017) 19. Knopf et. al (2015), Europäische Komission (2014)
4. McGlade und Ekins (2015) 20. CE Delft/Microeconomix (2016)
5. Fixkosten beinhalten Investitions- und Kapital- 21. Rund 7 Prozent des Primärenergieverbrauchs
kosten sowie die fixen Betriebskosten. werden stofflich genutzt. Dabei handelt es sich
6. Agora Energiewende (2017c) insbesondere um Erdöl in der Chemieindustrie.
7. Dies bedeutet nicht, dass das neue Energiesystem 22. Bezogen auf den energetischen Primärenergie-
ausschließlich dezentral strukturiert sein wird. verbrauch AGEB (2017a).
Sowohl bei der Erzeugung (zum Beispiel in Offsho- 23. UBA (2017a)
re-Windparks) als auch in der Steuerung des 24. Bezogen auf den energetischen Primärenergie-
Systems (zum Beispiel mittels Leitwarten) spielen verbrauch (AGEB 2017).
zentralistische Elemente nach wie vor eine Rolle. 25. Bei den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr
8. Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015) handelt es sich aufgrund der bereits bestehenden
9. Eigene Berechnungen auf Basis BMUB (2016), Verflechtungen nicht um trennscharfe ­Sektoren.
Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015). Dabei wur- So wird etwa ein Teil des Stroms letztlich zur
den die Sektorziele für Energiewirtschaft, weiteren Wärme-/Kälteerzeugung (zum Bei-
Gebäude, Verkehr sowie der Energie-Anteil des spiel Kochen, Warmwasser, Klimatisierung etc.)
Industrie-­Sektorziels betrachtet. genutzt. Die Angaben zur Größe der einzelnen
10. Statistisches Bundesamt (2016a) Sektoren dienen somit lediglich der groben Ori-
11. Expertenkommission zum Monitoring-Prozess entierung.
„Energie der Zukunft“ (2016) 26. vgl. insbesondere EWI/Prognos/GWS (2014a),
12. BMWi (2017) Fraunhofer ISE (2013), Fraunhofer IWES et al.
13. SAIDI = System Average Interruption Duration (2015), Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015)
Index 27. Der energiebedingte Primärenergieverbrauch
14. BNetzA (2017) sinkt dabei um rund 29 Prozent, der nicht-
15. Es wird in der Fachliteratur kritisch diskutiert, energie­bedingte Primärenergieverbrauch um
ob der SAIDI-Wert ein geeigneter Maßstab für etwa 24 Prozent.
die Versorgungssicherheit ist. Da aber ungeplante 28. Eigene Berechnungen auf Basis BMUB (2016),
Stromausfallzeiten ein zentrales Problem der Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015), UBA (2017c)
Versorgungssicherheit sind und vermutlich auch 29. Prognos/IAEW (2015)
andere Stromqualitätswerte mit dem SAIDI posi- 30. Der Wärmesektor umfasst hier sämtliche End­
tiv korrelieren, wird hier auf diesen Wert zurück- energie, die in den Sektoren Haushalte, Gewerbe/
gegriffen. Handel/Dienstleistungen (GHD), Industrie und
16. Versorgungssicherheit im Stromnetz ist als Verkehr für die Anwendungen Raumwärme,
Quasi-­Kollektivgut (Allmendegut) nicht vollstän- Warmwasser, Prozesswärme, Klimakälte und
dig privatisierbar, da es im Falle einer Unter- Prozesskälte genutzt wird (inklusive Fernwärme).
deckung im Stromnetz nicht möglich ist, genau 31. AGEB (2016a). Davon wurden 178 Terawattstun-
diejenigen Kunden abzuschalten, deren Vertriebe den durch Strom bereitgestellt.
keine ausreichenden Stromlieferverträge für ihre 32. Neben der Modernisierung von Heizungsanla-
Stromnachfrage abgeschlossen hatten. gen spielt hier insbesondere die stärkere Nut-

73
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

zung von Fernwärme und die damit einherge- auf Kraftstoffe (43 Prozent beziehungsweise
hende bilanzielle Verlagerung der Emissionen aus 51 Milliarden Euro), gefolgt von Strom (31 Prozent
dem Gebäudesektor in die Energiewirtschaft eine beziehungsweise 36 Milliarden Euro) und Wärme
Rolle. (26 Prozent beziehungsweise 31 Milliarden Euro).
33. Entsprechend AGEE-Stat (2017) wird zur Berech- 48. Destatis (2016a). Der Mittelwert seit 1991 beträgt
nung des EE-Anteils im Wärme-/Kältesektor der ebenfalls 7,6 Prozent, wobei die Energiekostenan-
EE-Anteil des Stroms sowie der Stromverbrauch teile an den Gesamtausgaben durchaus schwank-
nicht berücksichtigt. ten: Das Maximum lag bei 9 Prozent im Jahr 2013
34. AGEB (2016a) und das Minimum bei 6,5 Prozent im Jahr 1998.
35. Eigene Berechnungen auf Basis BMUB (2016), 49. Expertenkommission zum Monitoring-Prozess
Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015) „Energie der Zukunft“ (2016)
36. AGEB (2016a). Der Energieverbrauch des Ver- 50. Grob kalkuliert: 22 Milliarden EEG-Differenz-
kehrs enthält auch den Kerosinverbrauch des kosten zuzüglich 0,6 Milliarden KWKG-Kosten,
internationalen Flugverkehrs, dessen Emissionen abzüglich Merit-Order-Effekt (1,0 ct/kWh, ent-
in der Bilanzierung für 2015 sowie für das Ziel spricht 4,5 Milliarden Euro), zuzüglich EE-be-
2030 nicht enthalten sind. dingte Netzkosten (circa 2 Milliarden Euro).
37. UBA (2017b) 51. Eigene Berechnungen auf Basis BMWi (2016a),
38. Destatis (2016b) BMWi (2016b), Öko-Institut (2017c),
39. TNO/ICCT (2016) 52. Diese Summe wächst laut den Haushaltsplänen
40. BMUB (2016). Das entspricht einer Reduktion der Bundesregierung ab 2017 auf etwa 3 Milliar-
von 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990. den Euro jährlich an.
41. Agora Verkehrswende (2017) 53. EWI/Prognos/GWS (2014b)
42. Andere Technologien, wie etwa Kernfusion, 54. EWI/Prognos/GWS (2014b), Fraunhofer ISE
Osmose- und Gezeitenkraftwerke oder Bio- (2015a), Fraunhofer IWES (2015), Öko-Institut/
kraftstoffe der zweiten Generation sind derzeit Fraunhofer ISI (2015), Öko-Institut (2017a)
noch so sehr im Forschungsstadium, dass nicht 55. Die externen Kosten des CO2 liegen weit oberhalb
zu erwarten ist, dass sie bis 2030 – wenn über- dieser volkswirtschaftlichen Vermeidungskos-
haupt – ihre Kosten so sehr reduzieren könn- ten von 50–60 EUR/t CO2. Das Umweltbundesamt
ten, dass sie konkurrenzfähig zu Windkraft und empfiehlt (vgl. Umweltbundesamt (2013)), hier
Solar­energie werden würden. kurzfristig einen mittleren Wert von 80 EUR/t
43. Frontier Economics (2017) CO2 und für das Jahr 2030 einen mittleren Wert
44. Wird im Wärme- und Verkehrssektor nur die von 145 EUR/t CO2 anzusetzen.
Hälfte der angestrebten Verbrauchsreduktion 56. (EWI/Prognos/GWS 2014b)
erreicht (ca. 240 TWh), sind bei einem angesetz- 57. (Öko-Institut/Fraunhofer ISI 2015). Die Unter-
ten PtL-/PtG-Gesamtwirkungsgrad von 50 Pro- schiede in den Ergebnissen haben neben den
zent zusätzliche Strommengen aus Erneuerbaren unterschiedlichen Brennstoffannahmen auch
Energien in Höhe zu rund 480 TWh erwarten. eine Ursache in unterschiedlichen Modellie-
45. Aufgrund der zwischenzeitlich abgesenkten rungslogiken; so sind die Investitions-Multipli-
Eigenkapitalverzinsung wurde mit niedrigeren katoreffekte im Fraunhofer-ISI-Modell generell
Netzentgelten gerechnet, BNetzA (2015). größer als im GWS-Modell.
46. Expertenkommission zum Monitoring-Prozess 58. Das aktuelle EU-Klimaschutzziel von 40 Pro-
„Energie der Zukunft“ (2016) zent Emissionsminderung bis 2030 gegenüber
47. Destatis (2016a). Der größte Teil der privaten 1990 stellt angesichts des Stands von minus
Energieausgaben des Jahres 2015 entfällt dabei 24 Prozent im Jahr 2015 keinen ­glaubwürdigen

74
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Zwischen­schritt auf einem stetigen Pfad hin


zum europäischen 2050-Ziel (Reduktion um 80
bis 95 Prozent) dar. Denn während von 2015 bis
2030 jährlich nur ein Prozentpunkt Emissions-
reduktion anstünde, müssten die Klimaschutzak-
tivitäten von 2030 bis 2050 dann schlagartig
mindestens verdoppelt werden (2,0 bis 2,75 Pro-
zentpunkte Emissionsreduktion pro Jahr nach
2030).
59. Prognos/IAEW (2014),
Agora Energiewende (2017b)
60. AGEB (2017a)
61. AGEE-Stat (2017)
62. Eine alternative Verteilung der Zubaumengen
zwischen Wind Onshore, Wind Offshore und
Photovoltaik ist ebenso denkbar. Entscheidend
ist, dass die jährliche, zusätzliche Nettostrom­
erzeugung aus diesen Anlagen im Mittel etwa
12 Terawattstunden pro Jahr beträgt.
63. Eigene Berechnungen auf Basis von AGEB
(2017a), BMUB (2016), UBA (2016), UBA (2017a),
64. Öko-Institut (2017b)
65. Agora Energiewende (2017a)
66. Ecofys/Fraunhofer IWES (2017)
67. Agora Energiewende (2016b)
68. Dies ist auch die Annahme der Anbieter, die bei
den Offshore-Windkraft-Auktionen ein Ange-
bot von „Null-Marktprämie“ geboten haben. Da
die Projekte erst im Jahr 2025 realisiert werden
müssen, setzen die Anbieter darauf, dass die Poli-
tik bis dahin einen angemessen hohen CO2-Preis
durchgesetzt hat, der die Refinanzierung von
Erneuerbaren Energien auf Basis von Marktprei-
sen ermöglicht.
69. Ecofys (2016)
70. Agora Energiewende/Roland Berger (2017)

75
Literaturverzeichnis

AGEB – AG Energiebilanzen (2016a): Anwendungs- Agora Verkehrswende (2017): Mit der Verkehrs-
bilanzen für die Endenergiesektoren 2013 bis 2015. wende die Mobilität von morgen sichern. 12 Thesen
zur Verkehrswende.
AGEB – AG Energiebilanzen (2016b): Auswertungs-
tabellen zur Energiebilanz für die Bundesrepublik BDEW – Bundesverband der Energie- und Wasser-
Deutschland 1990 bis 2015. wirtschaft (2016): Energiemonitor.

AGEB – AG Energiebilanzen (2017a): Energiebilanz BMUB – Bundesministerium für Umwelt, Natur-


der Bundesrepublik Deutschland 2015. schutz, Bau und Reaktorsicherheit (2016): Klima-
schutzplan 2050.
AGEB – AG Energiebilanzen (2017b): Bruttostromer-
zeugung in Deutschland ab 1990 nach Energieträgern. BMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie (2016a): Erneuerbare Energien in Zahlen
AGEE-Stat. – Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-­ 2015.
Statistik (2017): Zeitreihen zur Entwicklung der
erneuerbaren Energien in Deutschland. BMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie (2016b): EEG in Zahlen: Vergütungen, Diffe-
Agora Energiewende (2015): The Integration Cost of renzkosten und EEG-Umlage 2000 bis 2017.
Wind and Solar Power.
BMWi – Bundesministerium für Wirtschaft und
Agora Energiewende (2016a): Elf Eckpunkte für Energie (2017): Energiedaten - Gesamtausgabe.
einen Kohlekonsens. Konzept zur ­schrittweisen
Dekarbonisierung des deutschen Stromsektors BNetzA – Bundesnetzagentur (2015): Bericht zur
(Langfassung). Netzentgeltsystematik Elektrizität.

Agora Energiewende (2016b): Energiewende – was BNetzA – Bundesnetzagentur (2016): Leitungs-


bedeuten die neuen Gesetze? vorhaben nach Bundesbedarfsplangestez (BBPlG)
und Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) (Stand:
Agora Energiewende (2017a): Neue Preismodelle Dezember 2016).
für Energie. Grundlagen einer Reform der Entgelte,
Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom und fossile BNetzA – Bundesnetzagentur (2017): Versorgungs-
Energieträger. qualität - SAIDI-Werte 2006–2015.

Agora Energiewende (2017b): Wie sieht ein effizien- CE Delft/Microeconomix (2016): Refining Short-
tes Energiesystem in Zeiten der Sektorkopplung aus? Term Electricity Markets to Enhance Flexibility.
Study on behalf of Agora Energiewende.
Agora Energiewende (2017c): Energiewende und
Dezentralität. Zu den Grundlagen einer politisierten consentec/r2b (2015): Versorgungssicherheit in
Debatte. Deutschland und seinen Nachbarländern: länder-
übergreifendes Monitoring und Bewertung.
Agora Energiewende/Roland Berger (2017): Entwurf
einer Charta für eine Energiewende-Industriepolitik. Department of Energy (2016): Revolution ... Now.

76
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

Destatis - Statistisches Bundesamt (2016a): Pri- Expertenkommission zum Monitoring-Prozess


vate Konsumausgaben und verfügbares Einkommen. „Energie der Zukunft“ (2016): Stellungnahme zum
Beiheft zur Fachserie 18 der volkswirtschaftlichen fünften Monitoring-Bericht der Bundesregierung für
Gesamtrechnungen. das Berichtsjahr 2015.

Destatis – Statistisches Bundesamt (2016b): Verkehr Forschungsstelle für Energienetze und Energie-
im Überblick 2015. Fachserie 8, Reihe 1.2. speicher/Energy Brainpool (2015): Bedeutung und
Notwendigkeit von Windgas für die Energiewende in
Destatis - Statistisches Bundesamt (2017): Volks- Deutschland.
wirtschaftliche Gesamtrechnung. Lange Reihen.
Fortum (2016): View on the Future Energy Market
E3MLab/IIASA (2017): Technical Report on Member and Strategic Choices.
State results of the EUCO policy scenarios – Corrected
version dated 25 January 2017. Fraunhofer ISE (2013): Energiesystem Deutschland
2050.
Ecofys (2016): Flex-Efficiency. Ein Konzept zur Inte-
gration von Effizienz und. Flexibilität bei industriel- Fraunhofer ISE (2015): Was kostet die Energiewende?
len Verbrauchern. Studie im Auftrag von Agora Ener-
giewende. Fraunhofer IWES et al. – Fraunhofer IWES/Fraun-
hofer IBP/IFEU/Stiftung Umweltenergierecht (2015):
Ecofys/Fraunhofer IWES (2017): Smart-Market-­ Interaktion Strom, Wärme und Verkehr.
Design in deutschen Verteilnetzen.
Fraunhofer IWES (2015a): Geschäftsmodell Energie-
Europäische Kommission (2014): Impact Assessment wende.
accompanying the document “A policy framework
for climate and energy in the period from 2020 up to Fraunhofer IWES (2015b): Wie hoch ist der Strom-
2030”. verbrauch in der Energiewende? Energiepolitische
Zielszenarien 2050 – Rückwirkungen auf den Aus-
Europäischer Rat (2014): Schlussfolgerungen der bau von Windenergie und Photovoltaik. Studie im
Tagung des Europäischen Rates vom 23./24. Oktober Auftrag von Agora Energiewende.
2014.
Fraunhofer IWES (2015c): The European Power Sys-
EWI/Prognos/GWS - Energiewirtschaftliches Ins- tem in 2030: Flexibility Challenges and Integration
titut an der Universität zu Köln/Prognos AG/Gesell- Benefits. An Analysis with a Focus on the Pentalateral
schaft für wirtschaftliche Strukturforschung mbH Energy Forum Region. Analysis on behalf of Agora
(2014a): Entwicklung der Energiemärkte - Energie- Energiewende.
referenzprognose.
Fraunhofer IWES/IBP – Fraunhofer IWES/Fraun-
EWI/Prognos/GWS - Energiewirtschaftliches Ins- hofer IBP (2017): Wärmewende 2030. Schlüsseltech-
titut an der Universität zu Köln/Prognos AG/Gesell- nologien zur Erreichung der mittel- und langfristigen
schaft für wirtschaftliche Strukturforschung mbH Klimaschutzziele im Gebäudesektor. Studie im Auf-
(2014b): Gesamtwirtschaftliche Effekte der Energie- trag von Agora Energiewende.
wende. 2014.

77
Agora Energiewende | Energiewende 2030: The Big Picture

Frontier Economics (2017): Aktuelle und künftige wirkungen. Studie im Auftrag von Agora Energie-
Kosten von Power-to-Gas und Power-to-­Liquid. wende und der European Climate Foundation (ECF).
­Studie im Auftrag von Agora Energiewende und
Agora Verkehrswende (erscheint Herbst 2017). Öko-Institut (2017c): EEG-Rechner. Berechnungs-
und Szenarienmodell zur Ermittlung der EEG-Um-
FS UNEP – Frankfurt School UNEP Collaborating lage. Erstellt im Auftrag von Agora Energiewende.
Centre for Climate & Sustainable Energy Finance
(2017): Global Trends in Renewable Energy Invest- Öko-Institut/Fraunhofer ISI (2015): Klimaschutz-
ment 2017. szenario 2050. 2. Endbericht.

FS UNEP (2017): Global Trends in Renewable Energy Prognos (2013): Ermittlung der Wachstumswirkun-
Investment gen der KfW-Programme zum Energieeffizienten
Bauen und Sanieren.
IEA/NEA – International Energy Agency/Nuclear
Energy Agency (2015): Projected Cost of Generating Prognos/IAEW – Prognos AG/Institut für Elektri-
Electricity. sche Anlagen und Energiewirtschaft (2014): Posi-
tive Effekte von Energieeffizienz auf den deutschen
IEA – International Energy Agency (2016): World Stromsektor. Studie erstellt im Auftrag von Agora
Energy Outlook 2016. Energiewende, RAP und ECF.

IRENA (2014): Rethinking Energy Roland Berger (2017): Abschlussbericht Dialog Ener-
giewende und Industriepolitik. Erstellt im Auftrag
IRENA (2015): Green Quality Dialogue von Agora Energiewende.

Knopf, et al. – Knopf, Brigitte/Nahmmacher, Paul/ Tennet (2017): Südostlink Vorschlagskorridor.


Schmid, Eva (2015): The European renewable energy
target for 2030 – An impact assessment of the elec- TNO/ICCT (2016): From Laboratory to road. A 2016
tricity sector. in: Energy Policy, 2015, 85, S. 50–60. Update of official and ‘real-world’ fuel consumption
and CO2 values for passenger cars in Europe 2016.
McGlade/Ekins - McGlade, Christopher/Ekins, Paul
(2015): The geographical distribution of fossil fuels TransnetBW (2017): Ultranet. 2017
unused when limiting global warming to 2 °C. in:
Nature, 517, S. 187–190. trend:research/Leuphana Universität Lüneburg
(2013): Definition und Marktanalyse von Bürge-
MunichRE (2016): NatCatSERVICE. renergie in Deutschland.

Öko-Institut (2017a): Erneuerbare vs. fossile UBA –Umweltbundesamt (2013): Schätzung der
Stromsysteme: ein Kostenvergleich. Studie im Auf- Umweltkosten in den Bereichen Energie und Verkehr.
trag von Agora Energiewende.
UBA – Umweltbundesamt (2016): Entwicklung der
Öko-Institut (2017b): Die deutsche Braunkohlen- spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deut-
wirtschaft. Historische Entwicklungen, Ressourcen, schen Strommix in den Jahren 1990–2015.
Technik, wirtschaftliche Strukturen und Umweltaus-

78
IMPULSE | Energiewende 2030: The Big Picture

UBA – Umweltbundesamt (2017a): CO2-Emissionen


aus der Brennstoffnutzung.

UBA – Umweltbundesamt (2017b): Nationale Trend-


tabellen für die deutsche Berichterstattung atmo-
sphärischer Emissionen.

UBA – Umweltbundesamt (2017c): Klimaschutz im


Stromsektor 2030.

WMO – World Meteorological Organization (2017):


WMO confirms 2016 as hottest year on record, about
1.1 °C above pre-industrial era.

World Bank (2017a): Commodity Price Data (The Pink


Sheet).

World Bank (2017b): Market Price Forecast January


2017.

79
Publikationen von Agora Energiewende

AUF DEUTSCH

Die deutsche Braunkohlenwirtschaft


Historische Entwicklungen, Ressourcen, Technik, wirtschaftliche Strukturen und Umweltauswirkungen

Charta für eine Energiewende- Industriepolitik


Ein Diskussionsvorschlag von Agora Energiewende und Roland Berger

Neue Preismodelle für Energie


Grundlagen einer Reform der Entgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom und fossile Energieträger

Smart-Market-Design in deutschen Verteilnetze


Entwicklung und Bewertung von Smart Markets und Ableitung einer Regulatory Roadmap

Energiewende und Dezentralität


Zu den Grundlagen einer politisierten Debatte

Wärmewende 2030
Schlüsseltechnologien zur Erreichung der mittel und langfristigen Klimaschutzziele im Gebäudesektor

Eigenversorgung aus Solaranlagen


Das Potenzial für Photovoltaik-Speicher-Systeme in Ein- und Zweifamilienhäusern,
Landwirtschaft sowie im Lebensmittelhandel

Elf Eckpunkte für einen Kohlekonsens


Konzept zur schrittweisen Dekarbonisierung des deutschen Stromsektors
(Lang- und Kurzfassung)

Erneuerbare vs. fossile Stromsysteme: ein Kostenvergleich


Stromwelten 2050 – Analyse von Erneuerbaren, kohle- und gasbasierten Elektrizitätssystemen

Der Klimaschutzbeitrag der Stromsektors bis 2040


Entwicklungspfade für die deutschen Kohlekraftwerke und deren wirtschaftliche Auswirkungen

Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2016


Rückblick auf die wesentlichen Entwicklungen sowie Ausblick auf 2017

Wie hoch ist der Stromverbrauch in der Energiewende?


Energiepolitische Zielszenarien 2050 - Rückwirkungen auf den Ausbaubedarf von
Windenergie und Photovoltaik

Ein Kraftwerkspark im Einklang mit den Klimazielen


Handlungslücke, Maßnahmen und Verteilungseffekte bis 2020

80
Publikationen von Agora Energiewende
Transparenzdefizite der Netzregulierung
Bestandsaufnahme und Handlungsoptionen

Die Entwicklung der EEG-Kosten bis 2035


Wie der Erneuerbaren-Ausbau entlang der langfristigen Ziele der Energiewende wirkt

Netzentgelte in Deutschland
Herausforderungen und Handlungsoptionen

Stromspeicher in der Energiewende


Untersuchung zum Bedarf an neuen Stromspeichern in Deutschland für den Erzeugungsausgleich,
Systemdienstleistungen und im Verteilnetz

12 Thesen zur Energiewende


Ein Diskussionsbeitrag zu den wichtigsten Herausforderungen im Strommarkt, (Lang- und Kurzfassung)

AUF ENGLISCH

FAQ EEG – Energiewende: What do the new laws mean?


Ten questions and answers about EEG 2017, the Electricity Market Act, and the Digitisation Act

Reducing the cost of financing renewables in Europe


A proposal for an EU Renewable Energy Cost Reduction Facility ("RES-CRF")

Refining Short-Term Electricity Markets to Enhance Flexibility


Stocktaking as well as Options for Reform in the Pentalateral Energy Forum Region

Energy Transition in the Power Sector in Europe: State of Affairs in 2016


Review on the Developments in 2016 and Outlook on 2017

A Pragmatic Power Market Design for Europe's Energy Transition


The Power Market Pentagon

Eleven Principles for a Consensus on Coal


Concept for a stepwise decarbonisation of the German power sector (Short Version)

The Integration Costs of Wind and Solar Power


An Overview of the Debate of the Effects of Adding Wind and Solar Photovoltaics into Power Systems

Alle Publikationen finden Sie auf unserer Internetseite: www.agora-energiewende.de

81
117/01-I-2017/DE

Wie gelingt uns die Energiewende?


Welche konkreten Gesetze, Vorgaben
und Maßnahmen sind notwendig,
um die Energiewende zum Erfolg
zu führen? Agora Energiewende will
helfen, den Boden zu bereiten, damit
Deutschland in den kommenden
Jahren die Weichen richtig stellt.
Wir verstehen uns als Denk- und
Politiklabor, in ­dessen ­Mittelpunkt
der Dialog mit den ­relevanten
energiepolitischen Akteuren steht.

Agora Energiewende
Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000
F +49 (0)30 700 14 35-129
www.agora-energiewende.de
info@agora-energiewende.de

Agora Energiewende ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.

Вам также может понравиться