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Autorin

Mag. phil. Dr. iur. Madeleine Fichtinger

Titel der Dissertation

Ökonomische Aspekte der universitären Bildungspolitik -


eine kritische Einschätzung
der bildungsökonomischen Situation
im Bereich der universitären Weiterbildung

Dissertation

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktorin der Philosophie

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Fakultät für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung
(IFF Wien)

1. Begutachter: Hofrat Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak


Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien
2. Begutachter: o. Univ.-Prof. Dr. Werner Lenz
Institut für Erziehungswissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz

November 2012
-2-

Ehrenwörtliche Erklärung für Masterarbeiten, Diplomarbeiten und Dissertationen

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende wissenschaftliche Arbeit selbstständig
angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre
weiters, dass ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus
gedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt
übernommenen Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche
Arbeiten zitiert und durch Fußnoten bzw. durch andere genaue Quellenangaben gekennzeichnet.

Die während des Arbeitsvorganges gewährte Unterstützung einschließlich signifikanter


Betreuungshinweise ist vollständig angegeben.

Die wissenschaftliche Arbeit ist noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt worden. Diese
Arbeit wurde in gedruckter und elektronischer Form abgegeben. Ich bestätige, dass der Inhalt
der digitalen Version vollständig mit dem der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Wien, ________________ _________________________________

Ort, Datum Unterschrift (Madeleine Fichtinger)


-3-

„Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine Standesunterschiede machen.“
(Konfuzius, 5. Jahrhundert vor Christus)

„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“


(Benjamin Franklin, 18. Jahrhundert)

„Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung.“
(John F. Kennedy, 20. Jahrhundert)

„Wer nichts im Boden hat, der muss was in der Birne haben.“
(Wolfgang Bosbach, 20. Jahrhundert)

„Das Recht auf Bildung gilt als besonderes Recht, da seine Wahrnehmung auch als
Voraussetzung für die Wahrnehmung anderer Rechte anzusehen ist.”1
(Karl-Peter Fritzsche, 21. Jahrhundert)

1
Fritzsche zitiert nach Achelpöhler/ Bender/ Himpele/ Keller, 10.
-4-

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich meinen Interviewpartnern Herrn HR Univ.-Doz. Dr. Johann
Dvořak, Herrn Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel, Herrn ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Arthur
Mettinger, dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abteilung Arbeitsmarktforschung und
Berufsinformation des AMS Wien und meiner Interviewpartnerin Frau ao. Univ.-Prof. Mag. Dr.
Christa Schnabl, meinen Dank für ihre Bereitschaft mit mir fachliche Gespräche zu führen,
aussprechen. Erst durch sie war es möglich, der vorliegenden Dissertation neben der Aktualität
des Themas die nötige Lebendigkeit zu verleihen, sodass diese wissenschaftliche Arbeit
Einblick in die Praxis geben kann und nicht auf einer bloßen Literaturrecherche basiert.

Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen und mich bei meiner Mutter und meinen Großeltern
bedanken, die sich die Zeit genommen haben, diese Arbeit gewissenhaft zu lesen, sowie mich in
administrativer, aber vor allem in psychischer Hinsicht zu unterstützen.

Besonderen Dank möchte ich meinem Betreuer Hofrat Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak dafür
aussprechen, dass er mich unterstützt hat, wo er nur konnte und bemüht war, meinen knappen
zeitlichen Anforderungen zu entsprechen.

Zu guter letzt bedanke ich mich ganz herzlich bei den beiden Begutachtern meiner Dissertation,
Hofrat Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak. und Univ.-Prof. Dr. Werner Lenz dafür, dass sie meine
Arbeit gewissenhaft und kritisch, aber dennoch in einem angemessenen Zeitrahmen gelesen
haben.
-5-

Inhaltsverzeichnis

Ehrenwörtliche Erklärung für Masterarbeiten, Diplomarbeiten und Dissertationen........................... 2


Danksagung......................................................................................................................................... 4
Inhaltsverzeichnis................................................................................................................................ 5
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................................ 9
Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................................... 10
Vorwort ............................................................................................................................................. 12
I. Einleitung.................................................................................................................................... 15
A. Plan der Arbeit........................................................................................................................ 16
B. Angewandte Methoden........................................................................................................... 18
C. Forschungsprozess.................................................................................................................. 19
D. Forschungsfragen und Hypothesen......................................................................................... 20
II. Hauptteil...................................................................................................................................... 23
A. Historischer Abriss ................................................................................................................. 23
1. Allgemeines........................................................................................................................ 23
2. Entstehung und Entwicklung der Universitäten sowie der „Universitätsgesetze“ in
Österreich ........................................................................................................................... 23
3. Entwicklung der Universitäten als AnbieterInnen wissenschaftlicher Weiterbildung -
von den volkstümlichen Universitätsvorträgen zum Konzept des lebenslangen Lernens.. 29
4. „Das Konzept“ der Fachhochschule - FH und Universität - Parallelkonzepte oder
Konkurrenzinstitutionen im Rahmen der Hochschulbildung? ........................................... 35
5. Wann und warum Bildung zum Inhalt der Politik wurde - ein kurzer
zusammenfassender Rückblick in die Vergangenheit........................................................ 37
B. Begriffliche Überlegungen und Definitionen ......................................................................... 39
1. Politik, Ökonomie und Bildung ......................................................................................... 40
2. Wissenschaftliche Weiterbildung (an Hochschulen).......................................................... 43
a) Überblick: Wo sind Hochschulbildung und (wissenschaftliche) Weiterbildung an
Hochschulen innerhalb des gesamten Bildungsbereichs einzugliedern? ....................... 43
b) „Weiterbildung“ - Begriffsklärung im Hinblick auf Hochschulen ................................ 46
c) Formales, non-formales und informelles Lernen ........................................................... 47
3. Effizienz und Effektivität von Bildungssystemen.............................................................. 50
4. Neoliberalismus.................................................................................................................. 52
C. Bildung als Gegenstand der Politik ........................................................................................ 57
1. Momentaufnahme............................................................................................................... 57
a) Internationale Ebene ...................................................................................................... 57
aa) Internationale Bildungspolitik in Europa vor den Europäischen Gemeinschaften.. 57
bb) Allgemeines zur EU-Bildungspolitik ...................................................................... 58
-6-

cc) Sorbonne-Deklaration.............................................................................................. 59
dd) Der Bologna-Prozess ............................................................................................... 61
ee) Lissabon Strategie.................................................................................................... 67
ff) Die Strategie Europa 2020....................................................................................... 69
gg) Bildungsprogramme der EU .................................................................................... 71
b) Nationale Ebene ............................................................................................................. 77
aa) Allgemeines ............................................................................................................. 77
bb) Lagerdenken und Bildungsreform in Österreich ..................................................... 78
cc) Bildung als Thema in den Programmen der österreichischen politischen Parteien. 80
dd) Ausgewählte Themenbereiche betreffend das universitäre Bildungswesen,
welche Gegenstand der Politik sind......................................................................... 84
aaa) Bildungsfinanzierung - „Ökonomisierung“ der Universitäten.......................... 84
bbb) Verteilungsgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit des Bildungswesens
(Chancengleichheit) .......................................................................................... 96
ccc) Hochschulbildung als wirtschaftliches Gut - Hochschulbildung, die freie
Marktwirtschaft und die Rolle des Staates...................................................... 101
c) Bildungspolitik als Sozialpolitik? - Die Schaffung von Sozialkapital und dessen
Zusammenspiel mit Humankapital .............................................................................. 105
d) Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik ..................................................................... 113
2. Staatliche und politische Motive sowie Intuitionen für die Erhebung von Bildung zu
einem Gegenstand der Politik........................................................................................... 116
a) Europäische Ebene....................................................................................................... 116
aa) Allgemeines ........................................................................................................... 116
bb) Wirtschaftliche und soziale Aspekte als politische Motive ................................... 117
cc) Qualitätssicherung von Lehre, Forschung und Organisation................................. 119
b) Nationale Ebene ........................................................................................................... 121
aa) Allgemeines ........................................................................................................... 121
bb) Chancengleichheit als politisches Motiv?.............................................................. 122
cc) Ökonomische Aspekte als politisches Motiv? ....................................................... 125
dd) Qualitätssicherung von Lehre, Forschung und Organisation................................. 128
c) Kritische Betrachtung der Motive der politischen EntscheidungsträgerInnen............. 131
3. Die Rolle des Neoliberalismus und sein Einfluss auf bildungspolitische
Entscheidungen ................................................................................................................ 133
4. Gesellschaftlicher Stellenwert der universitären Bildung - die Rolle der Universitäten
an den Schnittstellen zur Gesellschaft.............................................................................. 137
D. Rechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung ...................................................... 146
1. Internationale Ebene......................................................................................................... 146
a) Allgemeines ................................................................................................................. 146
-7-

b) Allgemeine Erklärung der Menschenrechte................................................................. 148


c) Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte..................... 149
d) EU-Bildungspolitik - die Entwicklung der Rechtslage - vom marginalen Stellenwert
zu einer beachtlichen Bedeutung von Bildung............................................................. 150
aa) Charta der Grundrechte der EU ............................................................................. 150
bb) Sonstiges primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht....................................... 152
cc) Die „Bildungsrechtsprechung“ des EuGH............................................................. 154
2. Nationale Ebene ............................................................................................................... 156
a) Verfassungsrechtliche Bestimmungen ......................................................................... 156
aa) Europäische Menschenrechtskonvention............................................................... 156
bb) Regelungen im B-VG, insbesondere kompetenzrechtliche Bestimmungen .......... 158
b) Sonstige rechtliche Bestimmungen.............................................................................. 159
aa) Das UG 2002 und New Public Management......................................................... 159
bb) AMSG.................................................................................................................... 165
c) Umsetzung der rechtlichen Vorgaben.......................................................................... 166
3. Wechselwirkungen zwischen der nationalen und internationalen Ebene......................... 168
E. Das komplexe Beziehungsgeflecht von Politik, Ökonomie und Bildung............................. 173
1. Die drei Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung - eine Analyse..................................... 173
a) Allgemeines ................................................................................................................. 173
b) Bildung, Beschäftigung und Wachstum....................................................................... 174
c) Universität und Arbeitsmarkt - insbesondere die Rolle des non-formalen und
informellen Lernens ..................................................................................................... 185
d) Der Kreislauf von Bildung, Weiterbildung und Arbeitslosigkeit ................................ 188
e) Zusammenhang von Studiengebühren und der Inanspruchnahme von
Hochschulbildung ........................................................................................................ 191
f) Spannungsverhältnis Bildung und Ökonomie.............................................................. 197
g) Wechselwirkungen zwischen den Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung................ 200
h) Kritik an den Wechselwirkungen zwischen Politik, Ökonomie und Bildung.............. 204
2. Rolle der Medien im Hinblick auf die drei Ebenen und die Gesellschaft ........................ 205
F. Lösungsansätze zur Schaffung einer „ökonomischen Bildungspolitik“ im
Hochschulbereich ................................................................................................................. 208
1. Ökonomisierung von Bildung - Was ist das?................................................................... 208
2. Allgemeines zu Studiengebühren, Zwischenfinanzierung durch zinsfreie Darlehen und
eine AkademikerInnensteuer............................................................................................ 213
3. Lösungsansatz Studiengebühren ...................................................................................... 214
4. Studieren auf Kredit ......................................................................................................... 217
a) Warum Studieren auf Kredit in Kontinentaleuropa nicht viele überzeugt................... 217
-8-

b) Der Verein Studienaktie.org ........................................................................................ 218


5. Lösungsansatz Studienplatzfinanzierung ......................................................................... 219
6. Lösungsansatz Bildungsgutschein.................................................................................... 219
7. Lösungsansatz AkademikerInnensteuer ........................................................................... 220
8. Lösungsansatz Alumni-Verbände .................................................................................... 222
9. Die neue Studieneingangsphase als das Ökonomisierungsmodell der rot-schwarzen
Regierung ......................................................................................................................... 224
III. Resümee.................................................................................................................................... 226
A. Ergebnisse der Arbeit ........................................................................................................... 226
B. Weiterführende (Forschungs-)Fragen und Thesen ............................................................... 240
C. Persönliche Stellungnahme................................................................................................... 243
IV. Bibliografie ............................................................................................................................... 245
A. Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 245
B. Allgemeines Quellenverzeichnis .......................................................................................... 254
C. Quellenverzeichnis der Abbildungen.................................................................................... 257
V. Annex........................................................................................................................................ 260
Übersicht ......................................................................................................................................... 260
A. Transkriptionen der geführten Interviews............................................................................. 261
1. Interview 1 - Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Arbeitsmarktforschung und
Berufsinformation des AMS Wien................................................................................... 261
2. Interview 2 - ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christa Schnabl .................................................. 279
3. Interview 3 - ao. Univ.-Prof .Mag. Dr. Arthur Mettinger ................................................ 294
4. Interview 4 - Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel......................................................... 315
5. Interview 5 - HR Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak ............................................................ 331
B. Forschungsnotiz 1................................................................................................................. 354
C. Dokumente............................................................................................................................ 355
1. Dokument 1: Europa 2020 - Ein Überblick...................................................................... 355
2. Dokument 2: Zielgebunden Entwicklung der Hochschulbildung: Haupt- und Teilziele . 356
3. Dokument 3: Hochschulbildung: Trends, Konsequenzen, Ziele...................................... 357
D. Abstract................................................................................................................................. 358
1. Zusammenfassung in deutscher Sprache.......................................................................... 358
2. Summary in English ......................................................................................................... 359
E. Lebenslauf............................................................................................................................. 360
-9-

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Cartoon aus der Tageszeitung „Der Standard“ im Jänner 2011............................................................. 12

Abb. 2: Kurzartikel aus der Tageszeitung „Der Standard“ im März 2011 ......................................................... 13

Abb. 3: Österreichisches Bildungssystem .......................................................................................................... 44

Abb. 4: Zeittafel zum Bologna-Prozess.............................................................................................................. 65

Abb. 5: Überblick über das EU-Bildungsprogramm .......................................................................................... 72

Abb. 6: Österreichische Erasmus-Studierenden Mobilität 1992/93 bis 2007/08 ................................................ 74

Abb. 7: In- und ausländische Studierende an Universitäten, FHs sowie Migrationshintergrund, 2009 ............. 75

Abb. 8: Wer für Bildung wie viel zahlt .............................................................................................................. 88

Abb. 9: Gesamtaufstellung der Ausgaben 2009 in Millionen Euro .................................................................... 88

Abb. 10: Zusammensetzung der Studierenden nach Schicht und Hochschulsektor ........................................... 100

Abb. 11: Anzahl der StudienanfängerInnen nach Hochschulsektor ................................................................... 110

Abb. 12: (Bildungs-)Zielviereck ......................................................................................................................... 122

Abb. 13: Notwendiger Kreislauf zu Erzielung von Wirtschaftswachstum ......................................................... 127

Abb. 14: Wissensdreieck .................................................................................................................................... 139

Abb. 15: Beispielhafte Aktivitäten der Universitäten an ihren Schnittstellen zur Gesellschaft.......................... 142

Abb. 16: Strukturindikator „Lebenslanges Lernen“: Österreich:1995-2009 ...................................................... 170

Abb. 17: Vergleich der Arbeitslosen mit Pflichtschulabschuss und der Arbeitslosen mit universitärem
bzw. Hochschulabschluss von 2004 bis 2010 in Prozent..................................................................... 178

Abb. 18: Arbeitslosenquoten nach Bildungsabschluss*) Jahr 2010 ................................................................... 180

Abb. 19: Rekrutierungskriterien der ArbeitgeberInnen aus der Sicht von HochschulabsolventInnen ............... 182

Abb. 20: Entwicklung der ordentlichen Studierenden im Zeitraum Wintersemester 2000/2001 bis
Wintersemester 2009/2010 .................................................................................................................. 193

Abb. 21: Verteilung des Ersatzes für den Entfall von Studienbeiträgen im Jahr 2009 - aufgeteilt nach
Sockelbetrag und Aktivitätstangente - sowie entfallene Studienbeiträge1 ........................................... 196
-10-

Abkürzungsverzeichnis

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AHS Allgemeinbildende höhere Schule

AK Arbeiterkammer

AMS Arbeitsmarktservice

AMSG Arbeitsmarktservicegesetz

AQA Österreichische Qualitätssicherungsagentur

Art Artikel

BB berufsbegleitend

BGBl Bundesgesetzblatt

BIP Bruttoinlandsprodukt

BMBWK Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

BMUK Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

BMWF Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung

B-VG Bundesverfassungsgesetz

BZÖ Bündnis Zukunft Österreich

ECTS European Credit Transfer System

ECVET European Credit System for Vocational Education and Training

EG Europäische Gemeinschaft

EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften

EMRK Europäische Menschenrechtskonvention

EU Europäische Union

EUC ERASMUS-Universitätscharta

EuGH Europäischer Gerichtshof

EuVerf Vertrag über eine Verfassung für Europa

EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

FH Fachhochschule

FORBA Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt


-11-

FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs

GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union

idF in der Fassung

IFF Interuniversitäres Institut für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung

IHS Institut für Höhere Studien

iVm in Verbindung mit

OECD Organisation for Economic Cooperation and Development

OEEC Organisation of Economic Education

ÖVP Österreichische Volkspartei

SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs

STEOP Studieneingangs- und Orientierungsphase

udgl und dergleichen

UG Universitätsgesetz

UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

UniStG Universitätsstudiengesetz

UOG Universitätsorganisationsgesetz

USA United States of America

VfGH Verfassungsgerichtshof

VZ Vollzeit

ZG zielgruppenspezifisch

ZP Zusatzprotokoll
-12-

Vorwort

Für die Themenwahl der vorliegenden Dissertation kann an dieser Stelle zum einen ein
konkreter Anlass genannt werden, nämlich die Veröffentlichung der Ergebnisse der
Budgetverhandlungen der rot-schwarzen Regierung am 23.10.2010 und die mit dem
Haushaltsplan 2011 einhergehenden Diskussionen in den Medien sowie Demonstrationen,
insbesondere im Hinblick auf die finanziellen „Kürzungen“ und „Ökonomisierungen“ im
universitären Bildungsbereich. Die folgende Abbildung sowie der Kurzartikel sind ebenso wie
die Schlagzeile „Der Homo oeconomicus studiert woanders“2 nur einige von vielen Impulsen,
auf die man nahezu täglich in den Medien gestoßen ist.

Abb. 1: Cartoon aus der Tageszeitung „Der Standard“ im Jänner 20113

2
Nimmervoll, Lisa: Der Homo oeconomicus studiert woanders <http://derstandard.at/1295571020572/Der-Homo-
oeconomicus-studiert-woanders>, 28.1.2011.
3
Horsch, Cartoon <http://derstandard.at/1293369849392/Der-Beginn-einer-wunderbaren-
Zusammenarbeit?sap=2&_slideNumber=2&_seite>, 19.1.2011.
-13-

Abb. 2: Kurzartikel aus der Tageszeitung „Der Standard“ im März 20114

Zum anderen kann ich aber auch von einer „Entstehung“ dieses Themas im Laufe meines
Diplomstudiums der Politikwissenschaft an der Universität Wien sprechen. Ich habe mich
nämlich bereits im Zuge meiner Diplomarbeit5 mit dem Thema Volksbildung, dem lebenslangen
Lernen und der Bildungspolitik im Allgemeinen auseinandergesetzt und großen Gefallen an
dieser Thematik gefunden. Diese Begeisterung hat bis dato angehalten, sodass es, abgesehen
von der erwähnten medialen Aktualität, in meinem ganz persönlichen Interesse liegt, mit meiner
wissenschaftlichen Arbeit einen kritischen Beitrag mit innovativen Lösungsvorschlägen im
Bereich der „ökonomischen Bildungspolitik“ zu leisten.
Unbedingt zu erwähnen gilt es hier Herrn Hofrat Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak. Ihm ist es
nämlich durch seine Vorlesungen und Seminare, welche er an der Universität Wien abhält,
gelungen, mein Interesse für Forschung im bildungspolitischen Bereich zu wecken. Ohne Herrn
Hofrat Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak wäre ich auch nicht auf das DoktorandInnenkolleg für
lebenslanges Lernen an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung in

4
Guha: Lern was Gscheits! in Der Standard (23.3.2011), 1.
5
Fichtinger, Madeleine (2010): Österreichische Volksbildung im 20. und 21. Jahrhundert. Eine vergleichende
Darstellung. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller.
-14-

Klagenfurt und damit auf den zu meinem Forschungsthema äußerst gut passenden Rahmen für
meine Dissertation aufmerksam geworden. Dieses Kolleg schafft einen Raum für
wissenschaftliche Diskussionen sowie Austauschmöglichkeiten mit Personen, welche in praxi
tagtäglich mit bildungspolitischen Fragen konfrontiert sind. Durch das in diesem Kolleg
erlangte Backgroundwissen und Feedback, habe ich im Laufe des Verfassens meiner
Dissertation nicht nur häufig neue Sichtweisen und Ansatzpunkte für das Verständnis relevanter
Problemfelder meiner Arbeit erlangt, sondern auch gelernt, einzelne, insbesondere strittige
Aspekte und Argumente von einem möglichst objektiven Standpunkt aus zu betrachten. Ich
möchte die Denkanstöße und Inputs der UniversitätsprofessorInnen und KollegInnen bei den
Kollegterminen keinesfalls missen, da sie wesentlich zur Qualität meiner wissenschaftlichen
Arbeit, insbesondere zu der nötigen Präzision und Einschränkung des Themas sowie der
Forschungsfragen, beigetragen haben.
Gewiss gibt es ausreichend Literatur, die sich ganz allgemein mit Bildung, Bildungspolitik,
Bildungsökonomie etc. auseinandersetzt, sodass es mir nicht zweckmäßig erschien, ein weitere
wissenschaftliche Arbeit zu verfassen, die leicht in einen derartigen Bereich eingeordnet werden
könnte. Ergo ist das grundlegende Ziel und damit auch das Zentralthema meiner
wissenschaftlichen Arbeit die Herausarbeitung des Zusammenspiels und der Wechselwirkungen
der drei Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung. Insbesondere möchte ich den Einfluss und die
Auswirkungen, die die Beachtung ökonomischer Gesichtspunkte auf bildungspolitische
Entscheidungen sowie deren Umsetzung in die Praxis haben, herausarbeiten.
Diese Dissertation stellt einen Mix dar zwischen der kritischen Beleuchtung und Darstellung
medialer sowie gesellschaftlicher Reflexion politischer Entscheidungen, der wissenschaftlich,
literarischen Untermauerung bzw. Widerlegung diverser (ökonomischer) Argumentationslinien,
mögen sie von InteressenvertreterInnen bestimmter Bevölkerungsgruppen oder politischen
EntscheidungsträgerInnen stammen, sowie der Herausarbeitung und kritischen Hinterfragung
des Status quo (auf politischer und rechtlicher Ebene). Mit anderen Worten soll die vorliegende
wissenschaftliche Arbeit ein Versuch sein, die bildungsökonomische Situation im Bereich der
Universitäten sowie deren Beitrag zum lebenslangen Lernen möglichst aktuell, wahrheitsgetreu
und damit objektiv darzustellen, sie aber dennoch zugleich mit einem kritischen Auge zu
betrachten.

Wien, im November 2012 Mag. Dr. Madeleine Fichtinger


-15-

I. Einleitung

Die Bildungspolitik hat in den letzten Jahren an öffentlichem Interesse dazu gewonnen, wobei
Bildung in einem Land wie Österreich mit knappen natürlichen Ressourcen schon traditionell
als ein wichtiger ökonomischer Faktor, welcher entscheidend zu hohem Wirtschaftswachstum
und Beschäftigungsstand beitragen kann, begriffen wurde.6 Bildung ist somit Garant für die
Erhaltung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und des Lebensstandards, insbesondere in
der heutigen Welt, die zunehmend auf Wissen, Qualifikationen und Fähigkeiten der Menschen
beruht. Mehrere Gesichtspunkte der Bildung können von einem ökonomischen Standpunkt aus
analysiert werden, wobei im Kontext der folgenden Arbeit insbesondere die nachstehenden vier
Gesichtspunkte von Interesse sind: Erstens kann der Bildungsoutput, also die „Produkte“ des
Bildungssystems und damit die an den Hochschulen erworbenen Qualifikationen, ökonomisch
analysiert werden. Zweitens können die Bildungseinrichtungen, hier insbesondere die
Universitäten selbst als ökonomische AkteurInnen angesehen werden, deren Art der
Leistungserbringung zum Gegenstand ökonomischer Analysen gemacht werden kann.7 Drittens
ist natürlich auch die Bildungsfinanzierung von einem ökonomischen Standpunkt aus zu
betrachten. Viertens darf universitäre Bildung nicht für sich isoliert betrachtet werden, sondern
muss im Zusammenspiel mit den volkswirtschaftlichen Zielsetzungen eines Staates, wie
beispielsweise der Verfolgung eines grundlegenden Ziels der Arbeitsmarktpolitik, nämlich der
Reduktion der Arbeitslosenquote gesehen werden. Es scheint „ökonomischer“ zu sein, eine
größere Zahl an jungen Studierenden aus dem staatlichen Pot zu finanzieren, als eine große Zahl
an jungen Arbeitslosen. Mit anderen Worten geht es um die ökonomische Analyse der
Intuitionen der politischen EntscheidungsträgerInnen im Bereich der Bildungspolitik.

Bei herkömmlichen privaten Gütern kann ein/e Konsument/in entscheiden, ob und wie viel
er/sie zu den angebotenen Konditionen von einem Gut nachfragen möchte, das ihm/ihr von
einem anderen privaten Wirtschaftssubjekt angeboten wird. In der Regel hat er/sie zudem noch
die Wahl zwischen unterschiedlichen Qualitäten oder Ausführungen des Gutes, doch muss
er/sie im Tausch für die Güter und Dienstleistungen einen Ausgleich in Form von Geld leisten.
In Österreich wird Hochschulbildung weitgehend staatlich angeboten, sodass die Ausbildung
durch öffentliche Haushalte über Steuergelder finanziert wird. Der Staat entscheidet hierbei

6
Kemnitz, 1.
7
Bildungsökonomie <http://e-campus.uibk.ac.at/planet-et-fix/M7/Bildungsoekonomie/Einfuehrung.htm>,
30.12.2010.
-16-

indirekt durch die zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln über die Qualität der
Ausbildung.8

In der vorliegenden Dissertation sollen die Investitionen in die Bildung, welche einen
erheblichen öffentlichen Ausgabeposten darstellen, aber auch deren Erträge, die für die
Entfaltung des langfristigen Wachstumspotenzials der Länder von Bedeutung sind, sowie deren
Reaktion auf den technologischen und demografischen Wandel, der die Arbeitsmärkte derzeit
verändert, herausgearbeitet werden.9

A. Plan der Arbeit

Die vorliegende Dissertation gliedert sich in ein Vorwort, eine Einleitung, einen Hauptteil, ein
Resümee, eine Bibliografie und einen Annex. Die Einleitung, der Hauptteil und das Resümee
sind wiederum in mehrere Kapitel untergliedert. Auch die Bibliografie und der Annex weisen
Unterpunkte auf.

Während im Vorwort die Beweggründe der Verfasserin dieser Dissertation für die Wahl des
Themas aufgezeigt sowie konkrete Anlässe für die Themenwahl angeführt werden, wird den
LeserInnen in der Einleitung das Thema abgesteckt sowie die Zielsetzung der Arbeit
überblicksartig umrissen. Weiters werden insbesondere die sozialwissenschaftlichen, aber auch
die angewandten rechtswissenschaftlichen Methoden aufgezeigt. Darüber hinaus werden auch
die grundlegenden Forschungsfragen und Hypothesen vorgestellt.
Der Hauptteil gliedert sich in die folgenden sechs Themenblöcke: Historischer Abriss
insbesondere betreffend die Entstehung und Entwicklung der Hochschulen in Österreich sowie
deren Rolle als AnbieterInnen wissenschaftlicher Weiterbildung; Begriffliche Überlegungen
und Definitionen; Bildung als Gegenstand der Politik; Rechtliche Rahmenbedingungen und
deren Umsetzung auf nationaler und internationaler Ebene; Das komplexe Beziehungsgeflecht
von Politik, Ökonomie und Bildung; Lösungsansätze zur Schaffung einer „ökonomischen
Bildungspolitik“ Hochschulbereich.
Für die Heranführung der LeserInnen an das Thema wird ein historischer Abriss als
zweckmäßig erachtet, nicht zuletzt deshalb, um die „Meilensteine“ in der Entwicklung
herauszuarbeiten, die erklären, wann und warum Bildung zum Inhalt der Politik wurde und die
auch verdeutlichen, warum der Status quo sich so gestaltet wie er ist und nicht anders. Die
Definition und Abgrenzung diverser Begriffe wird auch bewusst am Beginn der Arbeit

8
Stuchtey, 44.
9
Vgl. OECD Multilingual Summaries. Education at a Glance 2010: OECD Indicators
<http://www.oecd.org/dataoecd/46/23/45925284.pdf>, 7.1.2011, 2.
-17-

vorgenommen, um den Forschungsgegenstand der Dissertation deutlich anzusprechen und auch


wichtige grundlegende theoretische Konstrukte vorzustellen. Der folgende Part über die Bildung
als Gegenstand der Politik soll einerseits jene bildungspolitischen Aspekte hervorheben, welche
von politischen EntscheidungsträgerInnen, auf nationaler wie internationaler Ebene thematisiert
werden und andererseits staatliche und politische Motive sowie Intuitionen für die Erhebung
von Bildung zum Gegenstand von Politik vorgestellt werden. Es findet sich in diesem Block
auch eine Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus im Hinblick auf bildungspolitische
Entscheidungen. Darüber hinaus wird der gesellschaftliche Stellenwert universitärer (Weiter-)
Bildung behandelt. Das darauf folgende Kapitel setzt sich mit den rechtlichen
Rahmenbedingungen, auf nationaler sowie internationaler Ebene, und deren Umsetzung
auseinander, sodass ein prägnanter Überblick über die Rechtslage im universitären
Bildungsbereich geboten wird. Das vierte Kapitel, welches sozusagen das „Herzstück“ der
Dissertation darstellt und die wesentlichen sowie innovativen Erkenntnisse enthält, behandelt
die Wechselwirkungen zwischen den Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung und setzt sich mit
der Rolle der Medien im Hinblick auf diese drei Ebenen auseinander. Der letzte Block, der
einige mögliche Lösungsvorschläge für die Schaffung einer „ökonomischen Bildungspolitik“
vorstellt, soll Anregungen für die künftige Gestaltung der Bildungspolitik bieten.
Das Resümee ist eine überblicksartige Wiedergabe der Ergebnisse der Arbeit sowie die
Zusammenfassung deren Kernaussagen, sodass die LeserInnen die gesamte wissenschaftliche
Arbeit sozusagen im Schnelldurchlauf „Revue passieren“ lassen können. Außerdem ist dort eine
Stellungnahme der Verfasserin vorzufinden, in der sie sich persönlich und damit subjektiv zu
der sonst wissenschaftlich objektiven Arbeit äußert.
In der Bibliografie sind neben den der Arbeit zugrunde liegenden Lehrbüchern, Monografien,
Sammelbänden, Zeitschriften und Websites auch die relevanten Rechtsquellen sowie die
Quellennachweise für die Abbildungen angeführt.
Im Annex finden sich neben dem Abstract in deutscher und englischer Sprache sowie dem
Lebenslauf der Verfasserin, die Transkriptionen der geführten ExpterInneninterviews, diverse
Dokumente sowie ein Forschungsnotiz.
Abschließend sei hier darauf hingewiesen, dass in den Bereichen der Ausführungen betreffend
die Frage, inwiefern Bildung Gegenstand der Politik ist sowie der Beleuchtung des
Beziehungsgeflechtes von Politik, Ökonmie und Bildung ein beabsichtigter Schwerpunkt zu
erkennen ist. Insbesondere die staatlichen und politischen Motive im bildungspolitischen
Bereich sind stets von großer Aktualität und erfordern meines Erachtens vor allem im Konnex
mit den Auswirkungen auf die Volkswirtschaft im Allgemeinen, den Arbeitsmarkt und die
Wettbewerbsfähigkeit im Besonderen, eine detaillierte Betrachtung, da eine solche
-18-

Zusammenschau der Ebenen Politik, Bildung und Ökonomie auf diese Art und Weise derzeit
noch nicht vorhanden ist.

B. Angewandte Methoden

Der Dissertation werden grundlegende wissenschaftliche Methoden, wie eine Literaturrecherche


und eine Onlinerecherche, aber auch spezifisch sozialwissenschaftliche Vorgehensweisen, wie
quantitative und qualitative Methoden zugrunde gelegt. Es wurden keine eigenen quantitativen
Erhebungen vorgenommen, sondern wurde vielmehr auf vorhandene Daten und Analysen vom
AMS, von diversen Ministerien, der OECD und der Statistik Austria zurückgegriffen. Im
Bereich der qualitativen Methoden hat die Verfasserin Leitfaden-Interviews in der Form von
systematisierenden ExpertenInneninterviews mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der
Abteilung Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation des AMS Wien, mit einer
Vizerektorin und einem Vizerektor und mit zwei Studienprogrammleitern geführt, transkribiert
und anschließend ausgewertet. Ziel dieser Interviews war es, Kontextinformationen zu
Erkenntnissen aus anderen Methoden (wie etwa der vorgenommenen Literatur- und
Onlinerecherche) zu erlangen. Es war sowohl das Betriebswissen, dh die Auskünfte über den
Verlauf bestimmter Prozesse, als auch das Kontextwissen der Befragten, dh jenes
Hintergrundwissen, welches die Interviewten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit erworben
haben, von Interesse.10 Weiters liegt der Dissertation eine Art „Medienbeobachtung“ zugrunde.
Von Interesse waren für die Verfasserin lediglich die Printmedien, in welchen sich teilweise
täglich Berichte, Kurzberichte, Karikaturen und Dokumentationen zum Thema
„Ökonomisierung der Bildungspolitik“ gefunden haben. Die Verfasserin hat regelmäßig über
den gesamten Forschungszeitraum hinweg die Tageszeitungen „Der Standard“, „Die Presse“
und „Kurier“ hinsichtlich einschlägiger bildungspolitischer Beiträge analysiert und schließlich
auch aus den Medien gewonnene Informationen mit dem literarischen wissenschaftlichen
Material in Beziehung gesetzt und verarbeitet.

Außerdem hat sich die Verfasserin ihre juristischen Kenntnisse, die sie sich im Zuge ihres
Hauptstudiums der Rechtswissenschaften an der Universität Wien angeeignet hat, insofern zu
nutze gemacht, als das Verständnis der für die vorliegende wissenschaftliche Arbeit
grundlegenden Gesetzestexte auf juristischen Interpretationsmethoden basiert.

Die Anwendung von, in einem rechtswissenschaftlichen Studium erlernten Fähigkeiten gerade


im Bereich der Sozialwissenschaften im Allgemeinen, aber im Besonderen bei einer Thematik,
die über rein sozialwissenschaftliche Problem- und Fragestellungen hinausgeht, ist von großem

10
Vgl. Flick, 216.
-19-

Interesse und Nutzen. Diese Verbindung erlernter Methoden stellt für die Verfasserin insofern
eine besondere Herausforderung dar, als es bloß durch einen Blick über den
„sozialwissenschaftlichen Tellerrand“ heraus gelingen kann, möglichst viele Ergebnisse, die
sich aufgrund der politischen Prozesse nicht selten in den Gesetzen widerspiegeln, von den
verschiedensten Standpunkten zu erfassen.

Dem/r einen oder anderen LeserIn werden die für eine wissenschaftliche Arbeit relativ
zahlreichen Abbildungen und Grafiken auffallen. Es sei an dieser Stelle gesagt, dass jede
einzelne von diesen Abbildungen bewusst gewählt ist, da sie den teilweise sehr komplexen
Inhalt der vorliegenden Dissertation verbildlichen sollen und somit den LeserInnen die
Möglichkeit geben, tatsächlich jene Informationen und Denkprozesse (anhand von
Darstellungen empirischer Daten) nachvollziehen zu können, welche die Verfasserin vermitteln
wollte.

C. Forschungsprozess

Der Forschungs- und Arbeitszeitraum erstreckt sich über 23 Monate, von Jänner 2011 bis
November 2012. Der Dissertation liegt eine umfangreiche Literaturrecherche zugrunde, wobei
die Hauptquelle der Ausführungen der Bestand der Universitätsbibliothek Wien darstellt.
Literaturhinweise und Material, welches die Verfasserin von Hofrat Univ.-Doz. Dr. Johann
Dvořak bekommen hat, boten darüber hinaus eine gute Arbeitsgrundlage. Hinzu kommt eine
komplexe Internetrecherche, bei der die Verfasserin auf viele statistische Informationen sowie
hilfreiche Dokumente (insbesondere viele Studien) und Plattformen gestoßen ist. Darüber
hinaus stellen die österreichischen Printmedien, im Besonderen die Tageszeitung „Der
Standard“, eine wichtige Informationsgrundlage für die Beleuchtung der aktuellen politischen
Entwicklungen dar.

Nach der kritischen Auseinandersetzung, Hinterfragung sowie Sortierung des gesammelten


Materials wurde eine Grobgliederung der Arbeit erstellt, die im Laufe des Arbeitprozesses in
Grundzügen zwar stets bestehen blieb, im Einzelnen jedoch öfters angepasst wurde.

Nochmals betont sei hier, dass die Feedbacks der UniversitätsprofessorInnen sowie der anderen
TeilnehmerInnen an den mehrmals jährlich stattfindenden Präsenzterminen des
DoktorandenInnenkollegs für lebenslanges Lernen äußerst hilfreich, prägend sowie
richtungsweisend für die Entwicklung der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit waren. Dieser
Input von außen trug dazu bei, dass die Verfasserin gewisse Aspekte näher beleuchtete, die ihr
selbst nicht als überaus bedeutsam erschienen, welche jedoch eine durchaus wichtige Rolle im
Rahmen der Arbeit spielen. Es wurden auf diese Art und Weise neue Perspektiven und
-20-

Standpunkte von der Verfasserin bewusster wahrgenommen. Bereits nach der ersten Teilnahme
an einem Kollegseminar und des dort erlangten wertschätzenden Feedbacks überarbeitete die
Verfasserin ihre Hypothesen und Fragenkomplexe. Dieser Überarbeitungsprozess erstreckte
sich über den gesamten Zeitraum des Verfassens der Dissertation und stellte sich als äußert
gewinnbringend heraus. Darüber hinaus verhinderten diese wissenschaftlichen
Zusammentreffen ein engstirniges, einseitiges und vielleicht sogar unverständliches sowie nicht
nachvollziehbares Forschungsergebnis, da etwaige Unverständlichkeiten und Unschlüssigkeiten
durch das laufende Feedback sofort beseitigt werden konnten.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass diese sich wiederholenden Zusammentreffen
von UniversitätsprofessorInnen und DoktorandInnen eine hervorragende Form der universitären
Weiterbildung darstellen, die den DoktorandInnen über ihr eigenes Forschungsprojekt hinaus
ein breites Hintergrundwissen im Bereich des lebenslangen Lernens vermitteln. Zu betonen ist,
dass sich die Verfasserin durch das Kolleg, neben dem Erwerb des akademischen Titels
unglaublich viel (Fach-)Wissen und die Fähigkeit, konstruktive Kritik zu formulieren, aneignen
konnte.

D. Forschungsfragen und Hypothesen

Durch die Nennung der grundlegenden Forschungsfragen und Hypothesen soll das
Erkenntnisinteresse der Verfasserin verdeutlicht werden. Die beiden „übergeordneten“
Grundfragen, die im Laufe der Dissertation möglichst umfassend beantwortet werden sollen,
lauten:

1. Durch welche Faktoren wurde bzw. wird (universitäre) Weiterbildung zum Gegenstand
der Politik?

2. Inwiefern beeinflussen ökonomische Faktoren, insbesondere die Verfügbarkeit


finanzieller Ressourcen sowie volkswirtschaftliche Zielsetzungen die Bildungspolitik?

Um diese weitreichenden Forschungsfragen zu konkretisieren, die Gedankengänge der


Verfasserin, die sich im Aufbau der wissenschaftlichen Arbeit widerspiegeln, nachvollziehbarer
zu machen und Zusammenhänge herzustellen, werden im Folgenden drei Fragenkomplexe mit
jeweils einer Hypothese gebildet:
-21-

1. Fragenkomplex/ 1. Hypothese: Bildung als Gegenstand der Politik

Da diese Dissertation eine sozialwissenschaftliche Arbeit verkörpern soll, gilt es als erstes zu
erforschen, wann und warum Bildung im Allgemeinen und Weiterbildung an Universitäten im
Besonderen zum Inhalt bzw. Gegenstand der Politik geworden sind. Von besonderem Interesse
sind in diesem Kontext folgende Fragen: Aufgrund welcher Motive und Faktoren wurde/ ist
Bildung Gegenstand der Politik? Steht für die politischen EntscheidungsträgerInnen lediglich
das Schaffen eines bestimmten Bildungsniveaus innerhalb der Bevölkerung im Vordergrund
oder übernimmt die Bildungspolitik vielmehr weitaus breitere Aufgaben wie etwa die Lösung
sozialpolitischer Probleme, insbesondere die Beseitigung bzw. Reduktion von
Chancenungleichheiten? Ist Bildung auf EU-Ebene gleichermaßen ein politisches Thema wie
auf nationaler Ebene?

Betreffend den Themenkomplex „Bildung als Gegenstand der Politik“, stellt die Verfasserin
folgende Hypothese auf: Durch die Politik (und in weiterer Folge durch die Medien) wird der
Bevölkerung mit Nachdruck vermittelt: „Wissen ist Macht, was du einmal gelernt hast, kann dir
keiner mehr wegnehmen, investiere Zeit (und auch Geld) in eine gute, fundierte Ausbildung, du
wirst sehen, es wird sich bezahlt machen“. Anders ausgedrückt, „je mehr (Aus-)Bildung
vorgewiesen werden kann, desto wahrscheinlicher ist die Erlangung einer (individuell sowie
gesamtgesellschaftlich) lukrativen Beschäftigung“. Für die Teilnahme an (höherer) Bildung ist
jedoch die Zugehörigkeit zu einer „sozialen Schicht“ innerhalb der Gesellschaft von
grundlegender Bedeutung, sodass es bestimmten Individuen aufgrund ihrer Wurzeln verwehrt
bleibt, über den Pflichtschulbereich hinaus am Bildungsangebot zu partizipieren. Die
Bildungspolitik übernimmt unter anderem auch sozialpolitische Aufgaben, indem die
politischen EntscheidungsträgerInnen versuchen, diese Chancenungleichheiten nach und nach
zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren (Stichwort: freier Hochschulzugang; Abschaffung
der Studiengebühren).

2. Fragenkomplex/ 2. Hypothese: Rechtsnormen, auf denen Bildungspolitik basiert

Die Beleuchtung des Konnexes Bildung und Politik innerhalb des ersten Themenkomplexes
wirft direkt die nächste Frage auf, nämlich jene nach den Rechtsnormen, auf welchen
Bildungspolitik basiert, und deren Umsetzung. Ist die universitäre Weiterbildung in klare
Rechtsnormen „gegossen“ und damit eindeutig in der Rechtsordnung verankert bzw. geschützt?
Welche Inhalte haben die vorhandenen Normen; ist beispielsweise die Ökonomisierung im
(universitären) Bildungssektor gesetzlich vorgesehen? Inwiefern wird tatsächlich
Ökonomisierung „betrieben“? Wie gestaltet sich die Umsetzung dieser Rechtsnormen?
-22-

Die zweite Hypothese geht davon aus, dass ein Geflecht an Rechtsnormen existiert, die sich mit
universitärer Bildung auseinandersetzen und „Idealvorstellungen“ politischer
EntscheidugnsträgerInnen widerspiegeln. Die wirksame Umsetzung, sodass die Norm
tatsächlich das leistet, was sie leisten sollte, ist jedoch nicht immer gegeben. Zurückzuführen ist
dies auf EU-Ebene insbesondere auf mangelnde Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten
sowie auf das Faktum, dass europäisches Primär- und Sekundärrecht sowie diverse
Bildungsprogramme stets Kompromisslösungen, kleinste gemeinsame Nenner sind, auf die sich
die politischen EntscheidungsträgerInnen aufgrund der unterschiedlichen nationalen
Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten einigen. Auf nationaler Ebene ist dieses „Manko“ vor
allem auf die starren Positionen der österreichischen Großparteien zurückzuführen.

3. Fragenkomplex/ 3. Hypothese: Wechselwirkungen zwischen Politik, Ökonomie und Bildung

Der dritte und somit letzte Fragenkomplex soll in gewisser Weise eine Verbindung der
vorangegangenen Themenbereiche darstellen. Zentral ist hier die Frage nach dem
Zusammenspiel von Politik, Ökonomie und Bildung. Inwiefern bestehen tatsächlich
Wechselwirkungen zwischen diesen Bereichen? Bestehen Widersprüche zwischen den Zielen
und Intuitionen der AkteurInnen der drei Felder?

Es wird davon ausgegangen, dass die politischen EntscheidungsträgerInnen die Rolle einer
„Drehscheibe“ zwischen Bildung und Ökonomie übernehmen. Einerseits zielen diese nämlich
darauf ab, die Arbeitslosenquote möglichst gering zu halten sowie den EU-Anforderungen zu
entsprechen, indem die AkademikerInnenquote innerhalb der Gesellschaft angehoben wird, um
ein hohes Wirtschaftswachstum sowie eine hohe Beschäftigungsfähigkeit zu gewährleisten.
Andererseits wird neben diesen sehr wirtschaftlich ausgerichteten Zielen, auch immer wieder
das Bildungsniveau der Gesellschaft und dessen Bedeutung für die Entwicklung sowie den
Fortschritt, und damit die Wichtigkeit des reinen Wissenserwerbes betont. Es gilt zu bezweifeln,
dass die politischen EntscheidungsträgerInnen stets diesen hohen Anforderungen gleichermaßen
und vor allem zeitgleich entsprechend gerecht werden können, nicht zuletzt deshalb weil sich
ein Bildungsmarkt entwickelt hat, der vom kleineren Teil der Bevölkerung intensiv frequentiert
wird, vom größeren Teil der Bevölkerung aber gemieden wird.11 Letztendlich werden von den
Bildungseinrichtungen und damit auch von den Universitäten Bildungsabschlüsse erteilt, die
wirtschaftlich gesehen, für den einzelnen durchaus förderlich sind. Bildung an sich tritt jedoch
demgegenüber in den Hintergrund. Mit anderen Worten steht die Employability im Vergleich
zur Criticizeability im Vordergrund.

11
Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 4/1994, 3.
-23-

II. Hauptteil

A. Historischer Abriss

1. Allgemeines

An den Beginn der folgenden wissenschaftlichen Arbeit soll ein historischer Abriss gestellt
werden, damit für die LeserInnen die heutigen Umstände leichter nachvollziehbar werden. Um
ein tatsächliches Verständnis der LeserInnen herzustellen, bedarf es nicht nur eines Rückblicks
in die Vergangenheit hinsichtlich der Bildung an Universitäten, sondern auch eines kurzen
Überblicks über die Entstehung der Universitäten sowie anderer Hochschulmodelle, wie etwa
der FHs. Darüber hinaus sollen durch einen Rückblick in die Vergangenheit hinsichtlich der
„Auslöser“ und „Ursachen“ dafür, warum Bildung zum Gegenstand der Politik wurde,
verdeutlicht werden, woher einzelne Rückschlüsse, und heute zum Teil noch weit verbreiteten
Vorurteile und Klischees stammen. Es sollen somit die Übergänge geschaffen werden, um die
Neuformierungen in Gesellschaft und Wirtschaft sowie die entstehenden neuen Strukturen,
Erwartungen und Kooperationen im Bildungswesen nachvollziehbarer zu machen. Auch der
Weg zum heutigen Trend, dass Bildungsprozesse nicht mehr isoliert und nur individualistisch
betrachtet werden, sondern Bildung vergesellschaftet und insofern im Zusammenhang mit
gesellschaftspolitischen und ökonomischen Bedürfnissen gesehen wird („Industrialisierung“ der
Bildung) sowie die Voraussetzung und Bedingung sozialer Kommunikation ist, soll aufgezeigt
werden.12

2. Entstehung und Entwicklung der Universitäten sowie der „Universitätsgesetze“ in


Österreich

Die Universität Wien wurde 1365 als älteste Universität im deutschen Sprachraum von Herzog
Rudolf IV. von Österreich gegründet. 1554 wurde die Universität Wien schrittweise an die
Jesuiten übergeben, nachdem sie einen schweren Verfall durch Pest, Türkenkriege, Reformation
und Gegenreformation erlitten hatte. 1585 ging die Universität Graz, ebenfalls im Zuge der
Gegenreformation, aus einem schon bestehenden Jesuitenkolleg hervor. 1669 wurde die
Universität Innsbruck gegründet, wobei Organisation und Lehrbetrieb auch den Jesuiten
übertragen wurden. Die Gründung der Universität Salzburg 1622 stand demgegenüber nicht im
Zeichen der Gegenreformation, sondern im Zusammenhang mit dem Streben des im

12
Dvořak/Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1993, 2.
-24-

Fürsterzbistum Salzburg dominierenden Benediktinerordens nach vermehrtem innerkirchlichem


Einfluss.13

Erst im Zuge der Bildungsexpansion der 1960er-Jahre wurden die beiden Landeshauptstädte
Klagenfurt und Linz in den Jahren 1964 bzw. 1966 jeweils zu Universitätsstandorten
ausgebaut.14

Im 17. und 18. Jahrhundert existierten im heutigen Österreich also vier Universitäten, die
aufgrund des kirchlichen Einflusses keine organisatorische oder inhaltliche Autonomie
genossen. Unter Maria Theresia und Josef II. wurden die Universitäten reorganisiert und in
staatliche Anstalten umgewandelt.15 Die erste Wende ist ab 1749 anzusetzen, als unter Gerald
von Swieten insbesondere das Prüfungswesen und die ProfessorInnenernennungen staatliche
Agenden wurden. Die kirchliche Einflussnahme durch den Erzbischof von Wien als
„Studienprotektor“ blieb aber noch erhalten. 1773 fand dann der definitive Bruch statt, indem
Josef II. den Jesuitenorden in den gesamten österreichischen Erblanden verbot. Dies bewirkte
die funktionale Transformation der Universitäten zu reinen Ausbildungsanstalten
staatsnotwendiger Berufe. Die Universität sank somit zu einer „einfachen Dressieranstalt“, in
welcher unter schlechten methodischen und organisatorischen Bedingungen das notwendige
Fachpersonal für Staat und Gesellschaft ausgebildet wurde. Diese Umstände waren letztlich das
Potential für die 1848er Revolution innerhalb der Studierenden, DoktorInnen und
ProfessorInnen.16

Durch die Revolution 1848 kam es zu einer Neugestaltung der Universitäten, da diese mit einer
neuen Verfassung ein gewisses Ausmaß an Selbstverwaltung erhielten. Unter anderem wurde
der Universitätszugang durch die Einführung der zur Matura führenden Gymnasialbildung neu
organisiert. Ein erheblicher fachlicher, personeller und materieller Ausbau der Universitäten
kam zu dieser Organisations- und Studienreform hinzu.17

Die Reform der österreichischen Universitäten 1849 stellte einen Kompromiss zwischen
Modernisierungszwang und Zugeständnissen an die katholische Korporationstradition dar. Zum
einen wurde das Humboldt’sche Modell übernommen, zum anderen wurden die
Ordinarienfakultäten durch die Ausweitung auf Extraordinarien und Privatdozenten bei der
Wahl des Rektors bzw. der Delegierung in den akademischen Senat modifiziert. In den

13
Kasparovsky/Wadsack, 7.
14
Statistik Austria 2011, 18.
15
Kasparovsky/Wadsack, 7.
16
Stimmer in Dvořak, 42; 44; 48.
17
Kasparovsky/Wadsack, 8.
-25-

Großuniversitäten Wien und Prag blieb im Gegensatz zu den übrigen Universitäten Österreichs
die Korporationsuniversität mit einigen Modifizierungen aufrecht.18

Außenpolitisch bedingt, kam es ab 1867 zu einem Aufstieg des Liberalismus und damit zur
dritten Reformphase in der Monarchie. Die Korporationsuniversitäten Wien und Prag wurden
aufgehoben und das Gesetz von 1849, welches bereits für alle anderen Universitäten in
Österreich galt, war nun auch auf die Universitäten Wien und Prag anwendbar.19

Nach dem Zerfall der Monarchie wurden die österreichischen Universitäten und Hochschulen
von der Republik als staatliche Anstalten weitergeführt, wobei sie in der Ersten Republik stark
in die politischen Auseinandersetzungen dieser Zeit einbezogen wurden. In der
Zwischenkriegszeit dominierte an den Hochschulen nicht nur der antiösterreichische
Deutschnationalismus, sondern auch der Antisemitismus war weit verbreitet. Mit dem
Anschluss Österreichs an das Dritte Reich wurde die deutsche Hochschulgesetzgebung
eingeführt und politische GegnerInnen sowie jüdische WissenschafterInnen und Studierende
wurden aus den Hochschulen ausgeschlossen. Nach Kriegsende wurden die österreichischen
Hochschulgesetze wieder in Kraft gesetzt und der Lehrbetrieb rasch wieder aufgenommen. Seit
1938 hatten die Universitäten jedoch mit folgenden „Schäden“ zu kämpfen: mit weitgehendem
Prestigeverlust, mit dem Makel der politischen Verführbarkeit und Machthörigkeit sowie dem
Mangel an einer Vielzahl politisch unbelasteter UniversitätslehrerInnen sowie der Vielzahl an
qualifizierten WissenschafterInnen.20

Erwähnenswert ist in diesem historischen Abriss auch, dass die europäischen Universitäten am
Ende des 19. Jahrhunderts im Vergleich zu heutigen Verhältnissen, erstaunlich niedrige
HörerInnenzahlen verzeichnen konnten. Beispielsweise studierten an der Universität Basel rund
300 und an der Universität Heidelberg etwa 400 StudentInnen. Mit anderen Worten war es vor
etwas mehr als 100 Jahren ein ganz besonderes Privileg, studieren zu dürfen.21

Auch wenn 1955 erstmals durch das Hochschul-Organisationsgesetz ein für alle
wissenschaftlichen Universitäten und Hochschulen geltendes Gesetz geschaffen wurde, brachte
es keine wesentlichen materiellen Neuerungen in der Organisationsstruktur mit sich. Die
Hochschulorganisation des 19. Jahrhunderts blieb daher teilweise unverändert bis zur
Neuorganisation der Universitäten in den 1970er Jahren bestehen.22

18
Stimmer in Dvořak, 59.
19
Stimmer in Dvořak, 67; 69.
20
Kasparovsky/Wadsack, 8-9.
21
Seyr, 17-18.
22
Kasparovsky/Wadsack, 9.
-26-

In den 1950er Jahren wurde der Bildungsbereich gegenüber den Anforderungen des
wirtschaftlichen Wiederaufbaus relativ vernachlässigt, sodass die Expansion in Österreich nach
intensiven bildungspolitischen Diskussionen erst relativ spät in den 1960er Jahren begann. Die
Argumente für die Expansion waren, dass ein zunehmender Fachkräftebestand das künftige
wissenschaftliche Wachstum fördere sowie dass das Ziel von mehr Chancengleichheit durch
mehr Bildung erreicht werden könne.23

In den 1960er Jahren bestand das Streben nach Rechtssicherheit und rechtlicher Transparenz,
welches sich auch auf die Universitäten erstreckte. Eine neue rechtliche Basis sowie
Modernisierung stellte das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz aus 1966 dar. Mit dem UniStG
von 1997 wurden neuerliche grundlegende Änderungen, wie etwa die Dezentralisierung in den
Zuständigkeiten, vorgenommen. 1975 trat ein neues UOG in Kraft, in welchem als Neuerungen
insbesondere die Neuorganisation der Institute sowie die Einbeziehung von
UniversitätslehrerInnen, Studierenden und Verwaltungspersonal in universitäre
Entscheidungsprozesse der Kollegialorgane zu nennen sind. Zunehmende Entscheidungs- und
Gestaltungsspielräume, die als erste Stufe zur vollen Autonomie geschaffen wurden, erhielten
die Universitäten durch das UOG von 1993. Mit dem UG 2002 erlangten die Universitäten eine
völlige Autonomie mit neuen Steuerungsinstrumenten wie Globalbudgets und
Leistungsvereinbarungen. Die Rechtspersönlichkeit der Universitäten änderte sich insofern, als
sie von Anstalten des Bundes zu juristischen Personen öffentlichen Rechts übergeführt, aus der
Bundesverwaltung ausgegliedert wurden und somit „Vollrechtsfähigkeit“ erlangten. Sie sind
daher weisungsfrei und regeln ihre Angelegenheiten autonom in der Satzung. Darüber hinaus
wurde das Haushaltsrecht des Bundes durch Elemente des Wirtschaftsrechts ersetzt, sodass eine
Grundlage für eine zukünftige „unternehmerische Universität“ geschaffen wurde. Aufgrund der
Vollrechtsfähigkeit ist es den Universitäten nun auch möglich, Vermögen zu erwerben,
Auftragsforschung durchzuführen etc., sodass sie neben der staatlichen Finanzierung noch über
zusätzliche Finanzquellen verfügen.24 Durch die erlangte „Finanzautonomie“ ist es den
Universitäten möglich, die Verwendung der vorhandenen finanziellen Mittel besser zu planen,
da sie direkt mit dem Bundesministerium die Leistungsvereinbarung eingehen. Es besteht sohin
eine gewisse Flexibilität des Mitteleinsatzes seitens der Universität, um die erforderlichen
Leistungen zu erbringen.25 Die Entscheidung, wie viel Geld in welche Bereiche fließt, trifft die
Universität also autonom auf der Basis des universitären Entwicklungsplans.26 2004 hat somit

23
Fischer in Braun/Knapp, 24-25.
24
Kasparovsky/Wadsack, 10-12; 16; 19.
25
Interview 3, 5-6.
26
Interview 2, 4.
-27-

durch die Herauslösung der Universitäten aus der Bundesverwaltung eine neue Ära der
Beziehung zwischen Universität und Staat begonnen und das UOG sowie das UniStG wurden
vom UG 2002 abgelöst.27
Hingewiesen sei hier noch kurz darauf, dass diese von der Rechtsordnung betrachtete
historische Entwicklung noch im Hinblick auf die tatsächliche Umsetzung all dieser normativen
Regelungen beleuchtet werden muss [mehr zur Umsetzung der rechtlichen Vorgaben siehe
II.D.2.c)].

Abgesehen von dem eben unter anderem erwähnten UOG aus dem Jahr 1975 wurde auch die
Hochschulexpansion einst in den 1970er Jahren als Beitrag zum gesellschaftlichen Fortschritt,
zu mehr sozialer Gleichheit und Demokratie angesehen. Die hierdurch entstehenden staatlichen
Bildungsausgaben wurden daher als Zukunftsinvestitionen höchster Priorität betrachtet. In der
ersten Hälfte der 1980er Jahre ließen erste Anzeichen von AkademikerInnenarbeitslosigkeit
grundsätzlich Zweifel an der Hochschulexpansion aufkommen. Während die programmatischen
Zielsetzungen nicht verändert wurden, wurde aber die finanzielle Unterstützung der Expansion
deutlich zurückgenommen. Diese Umorientierung wurde bis zu dem Informatikerstreik 1985,
der eine Welle an Protestmaßnahmen gegen die Unterausstattung der österreichischen
Universitäten einleitete, nicht wirklich wahrgenommen. In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre
folgten dann jedoch erste grundsätzliche Überlegungen über eine Neuorientierung der
Hochschulpolitik. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre fanden dann grundlegende
Veränderungen in der Hochschulpolitik statt. Auch wenn die Hochschulfinanzierung kein
unmittelbarer Gegenstand von Reformüberlegungen war, machte die Deregulierung des
Hochschulbereichs auch ein modifiziertes Verständnis der finanziellen Verpflichtungen des
Staates gegenüber den Universitäten plausibel. Sowohl eine Diversifizierung der
Finanzierungsquellen (wobei Studiengebühren eine der wichtigsten zusätzlichen
Einnahmequellen sind) als auch eine Veränderung der öffentlichen Finanzierungsmechanismen
wurden nun verstärkt Gegenstand der hochschulpolitischen Diskussion. Schon damals stellte
sich die Frage, welche begleitenden Maßnahmen gesetzt werden müssen, damit
Studiengebühren keine sozialen Barrieren für den Hochschulzugang errichten.28

Aus den Ausführungen ist deutlich ersichtlich, dass sich das Universitätswesen im 20. und auch
im 21. Jahrhundert in einem Stadium der Veränderung befindet, da es vor Herausforderungen in
dem sich wandelnden Umfeld der Universitäten, hervorgerufen durch Globalisierung und
technologische Einflüsse, steht. Außerdem besteht durch das Auseinanderdriften der

27
BMUK/BMWF, 137.
28
Pechar/Keber, 27-30.
-28-

Forschungs- und Lehraufgabe eine wachsende Lücke. Dies bedeutet in weiterer Folge ein
Abgehen von der Humboldt'schen Universitätsidee. Die sogenannten Massenuniversitäten, die
auf die gestiegenen Bildungsansprüche der Bevölkerung sowie die gestiegenen
Qualifikationsanforderungen des Arbeitsmarktes zurückzuführen sind, erfordern neue Modelle
der universitären Lehre und Qualitätssicherung. Weiters kommt dem Produktivitätsfaktor, der in
der neueren Literatur als sogenannte „Governance“ (Steuerung) sozialer Systeme, somit auch
der Universitäten umschrieben wird, entscheidende Bedeutung zu.29 Dass Hochschulstudien auf
EU-Ebene zur beruflichen Bildung zählen, entspricht daher der gesellschaftlichen Realität in
den Mitgliedstaaten. Selbst wenn Studierende einen Studiengang wie eine Sprache oder ein
geisteswissenschaftliches Fach wählen, welche nicht unmittelbar auf ein konkretes Berufsfeld
zugeschnitten sind, absolvieren sie diese als Vorbereitung auf eine spätere Berufstätigkeit. Das
Studium ist daher in der Regel und vorrangig auf einen berufsqualifizierenden Abschluss
ausgerichtet.30
Das angesprochene Abgehen von der Humboldt'schen Universitätsidee ist unter anderem auf die
Europäische Beschäftigungsstrategie zurückzuführen, deren zentrales Konzept „Employability“
ist. Diese Strategie orientiert sich auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes, was implizit eine
programmatische Abkehr von einem gesamtwirtschaftlichen „policy mix“ im Sinne einer
ausgewogenen Kombination aus nachfrage- und angebotsseitigen Maßnahmen bedeutet31 [siehe
dazu auch II.C.2.a)cc)].

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es in Österreich derzeit 22 Universitäten gibt, sechs
davon sind Universitäten der Künste, drei davon sind medizinische Universitäten. Insgesamt
werden 740 Studienmöglichkeiten angeboten.32 Den öffentlichen Universitäten kommt
hinsichtlich der akademischen Ausbildung die größte Bedeutung in Österreich zu, da über 80
Prozent der Studierenden an diesen Universitäten ausgebildet werden. Zu erwähnen ist darüber
hinaus noch, dass die Hochschulreform der 1990er-Jahre mit der Jahrtausendwende auch zur
Gründung meist kleiner Privatuniversitäten führte. Mit dem Studienjahr 2009/2010 sind in
Österreich zwölf Privatuniversitäten akkreditiert.33

29
Seyr, 17.
30
Günther, 135-136.
31
Chaloupek in Leutner, 61.
32
BMUK/BMWF, 59.
33
Statistik Austria 2011, 18; 35.
-29-

3. Entwicklung der Universitäten als AnbieterInnen wissenschaftlicher Weiterbildung -


von den volkstümlichen Universitätsvorträgen zum Konzept des lebenslangen Lernens

Den Terminus den es hier eingangs zu erwähnen gilt ist die sogenannte „University Extension“,
welche 1873 an der Cambridge University entstand. Zu Beginn der 1890er Jahre war die
University Extension eine weltweite Bewegung, die sich für Volksbildungsarbeit unter der
Autorität der Universität einsetzte. Auch in Wien wurde 1893 dieses System befürwortet, sodass
nach und nach volkstümliche Universitätskurse angeboten wurden.34 1895 öffnete die Wiener
Universität schließlich für die Arbeiterschaft das Tor zur Wissenschaft, indem sie aus dem
Elfenbeintum der Wissenschaft heraustrat und die bereits erwähnten Volkstümlichen
Universitätsvorträge einrichtete. Die anderen österreichischen Universitäten folgten dem Wiener
Beispiel bald nach. Durch diese Entwicklung wurde erstmals die Wissenschaft an das Volk
gebracht.35 Es sollte die traditionelle Kluft zwischen ExpertInnen und Laien durch ein
institutionalisiertes „Wissen für alle“ überbrückt werden.36 Als Ziel der Volkstümlichen
Universitätsvorträge galt „Denken lernen“. Der einzelne sollte sich selbst seine Weltanschauung
bilden, indem er zum Denken angeregt wurde. Auch wenn das Programm der Volkstümlichen
Universitätsvorträge den gesamten Kosmos der Wissenschaften umfasste, wurden alle Fragen,
die sich auf die politischen, religiösen und sozialen Kämpfe der damaligen Zeit bezogen,
ausdrücklich aus dem Programm ausgeklammert.37
Als ein Produkt des Spätliberalismus und der naturwissenschaftlichen Aufklärung waren die
Volkstümlichen Universitätsvorträge staatliche Einrichtungen. Sie bildeten rechtlich und
organisatorisch einen Teil der Universität und wurden zum überwiegenden Teil vom
Unterrichtsressort finanziert. Inhaltlich ging es um Allgemeinbildung und die Vermittlung der
Wissenschaften. Der „geistige Vater“ und Organisator dieser Vorträge war Ludo M.
Hartmann.38
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass der Terminus „Volkstümliche
Universitätsvorträge“ irreführend ist, da es zumindest an der Universität Wien keine
Einzelvorträge sondern ausschließlich Kurse mit sechs Abenden zu je 1,5 Stunden gab.39

Von diesen Ursprüngen der Volkstümlichen Universitätsvorträge ausgehend, stellt sich die
Frage, inwiefern die Universität heutzutage wissenschaftliche Weiterbildung nicht im Sinne

34
Fichtinger, 17-18.
35
Altenhuber in Erwachsenenbildung in Österreich 1/1993, 19.
36
Fichtinger, 18.
37
Altenhuber in Erwachsenenbildung in Österreich 1/1993, 19-20.
38
Altenhuber in Erwachsenenbildung in Österreich 1/1993, 19.
39
Altenhuber in Erwachsenenbildung in Österreich 1/1993, 19.
-30-

einer akademischen Ausbildung anbietet. Mit anderen Worten geht es um die Frage, ob bzw.
inwiefern Hochschulen einen Beitrag zum lebenslangen Lernen leisten. Grundsätzlich haben
Universitäten als letzte und höchste Stufe des „ersten“ Bildungsweges nämlich eine ganz andere
Zielgruppe für ihre Bildungsaufgabe als die Erwachsenenbildung im engeren Sinn, die alle
übrigen Arten von Bildung erfasst.40 Dennoch sind die Grenzen zwischen Hochschulbildung,
Berufsausbildung und Weiterbildung in den letzten Jahren immer unschärfer geworden.41 Die
Universitäten befinden sich in einem Prozess der tiefgreifenden Veränderungen ihrer
institutionellen Rahmenbedingungen, der höhere Effizienz in der Leistungserstellung und
stärkere marktliche Orientierung des Leistungsangebots zum Ziel hat. Damit wird unter
anderem auch das universitäre Angebot am Markt für Weiterbildung zu einer Herausforderung
für die Universitäten.42

Grundsätzlich ist der Bereich der Weiterbildung an Universitäten noch ausbaufähig, doch stellt
sich aufgrund der Komplexität dieses Feldes gleichzeitig auch die Frage, ob die Universität stets
die optimale Anbieterin für den postgradualen Ausbildungssektor ist, da private AnbieterInnen
bestimmte Nischen besser abdecken können. Dennoch sollte die Universität sich auf diesem
Gebiet stärker profilieren und Präsenz zeigen, um dieses Terrain nicht den FHs, privaten
Universitäten und sonstigen privaten AnbieterInnen völlig zu überlassen.43

Vor der Bildungsexpansion in den 1960er und 1970er Jahren war Weiterbildung an
Universitäten marginal und dem wissenschaftlichen Nachwuchs im Hinblick auf Lehr- und
Forschungsaufgaben vorbehalten. Der Weiterbildung wurde dann nach und nach eine gewisse
Bedeutung beigemessen, indem zum einen ein Anstieg der Hochschullehrgänge (von zehn auf
dreißig und das innerhalb von zwanzig Jahren) zu verzeichnen war und zum anderen der
Zugang zu Universitäten auch ohne Matura durch eine Studienberechtigungsprüfung möglich
war. Außerdem hat sich der Blickwinkel gegenüber universitärer Weiterbildung ein wenig
gewandelt: Weiterbildung muss nicht zwangsläufig auf Kosten von Forschung und Lehre gehen,
sondern kann diese umgekehrt vielmehr erst ermöglichen, da es für die Forschung mitunter
unabdingbar ist, mit dem Praxisfeld Kontakt zu haben. Es kann also auch die Forschung aus der
Weiterbildung profitieren, sodass es sich um eine Art wechselhaften Lernprozess handelt.44 Das
Interesse an universitärer Weiterbildung wurde in erster Linie von der allgemein akzeptierten
Einsicht gespeist, dass Wissensbestände und Qualifikationen, die im Studium erworben werden,

40
Bodenmiller/Knittler-Lux/Pfniß/Senzky/Tietgens/Vaucher in Die österreichische Volkshochschule 115/1980, 83.
41
BMBWK, 106.
42
Bodenhöfer in Knapp, 12.
43
Interview 4, 12-13.
44
Knapp/Krainer in Knapp, 84; 107.
-31-

einer kontinuierlichen Erneuerung und Ergänzung bedürfen. Die Universitäten sahen in den
Weiterbildungsangeboten die Möglichkeit, in ein Marktsegment vorzustoßen, das den direkten
Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die berufliche und gesellschaftliche Praxis
begünstigen konnte, welches darüber hinaus zusätzliche Einnahmen versprach. Außerdem
wurde auf eine Öffnung der Hochschulen für zusätzliche Bevölkerungsgruppen und damit auf
deren Teilhabe an akademischer Bildung abgezielt.45

Bevor nun auf die Rolle der Hochschulen im Bereich des lebenslangen Lernens näher
eingegangen wird, soll der Terminus „lebenslanges Lernen“ kurz umschrieben werden: Für
lebenslanges Lernen im Hochschulbereich gibt es innerhalb der EU-Mitgliedstaaten keine
einheitliche Definition. In vielen europäischen Ländern ist lebenslanges Lernen aber eine
anerkannte Aufgabe von entweder allen oder einigen Hochschuleinrichtungen. In Ländern, in
denen lebenslanges Lernen zu den Aufgaben bestimmter Hochschulen zählt, steht dies häufig in
einem Zusammenhang mit Fragen der institutionellen Autonomie, wobei sich einige
Einrichtungen für die Schwerpunktlegung auf die Aufgabe lebenslangen Lernens entscheiden
und andere dies vermeiden. Der Umfang der Studiengänge und Kurse mit Ausrichtung variiert
daher erheblich. Demgegenüber wird die Aufgabe nahezu überall anerkannt. Österreich zählt zu
jenen Ländern, in denen zumindest an einigen Hochschuleinrichtungen das lebenslange Lernen
eine anerkannte Aufgabe ist.46
Der Begriff des lebenslangen Lernens impliziert schon, dass Bildung als berufliche und/oder
allgemeine Bildung über die gesamte Lebenszeit zu erfolgen hat und nicht auf angegrenzte
Phasen der beruflichen Biografie beschränkt werden kann. Dies ergibt sich, laut einem breiten
gesellschaftlichen Konsens, aus dem gesellschaftlichen Strukturwandel, der technologischen
Entwicklung sowie der Veränderung der internationalen Arbeitsteilung. Zu Beginn der
Ausarbeitung des Konzeptes lebenslangen Lernens bildeten die Säulen Beschäftigungsfähigkeit,
Unternehmergeist, Anpassungsfähigkeit und Chancengleichheit die Basis, sodass auch
definitorisch der Schwerpunkt auf der arbeitsmarktpolitischen Verwertbarkeit des zu Lernenden
lag. Nach und nach wurde lebenslanges Lernen zwar weiter definiert („alles Lernen während
des gesamten Lebens, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikationen und Kompetenzen
dient und im Rahmen einer persönlichen, bürgergesellschaftlichen, sozialen, bzw.
beschäftigungsbezogenen Perspektive erfolgt“47), aber dennoch wird das lebenslange Lernen
häufig eng in Verbindung mit den Lissabon-Zielen gebracht, denen zufolge die EU zum

45
Neuhold/Patscheider, 5.
46
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 35-36.
47
Mitteilung der Kommission. Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen, KOM 2001/678
endgültig, 9.
-32-

wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt gemacht


werden soll48 [näheres siehe II.C.1.a)ee)]. Lebenslanges Lernen dient in diesem Sinne als
Selbstanleitung, auf der Höhe der Zeit zu bleiben und so seine Arbeitsmarktfähigkeit zu
erhalten. Das Wissen sowie die Fähigkeiten des einzelnen sind daher nicht irgendwann
erworbenes und dann individuell verwaltetes Kapital, sondern Lernen gilt vielmehr als
unabschließbarer Prozess. Laut Tuschling könnte der Slogan „Man lernt nie aus“ als
gleichermaßen banale wie treffende Feststellung als Leitspruch über der heute allseits
beschworenen Strategie lebenslangen Lernens stehen.49

Lebenslanges Lernen an Hochschulen ist nichts anderes, als eine Reaktion darauf, dass tertiäre
Bildung nicht mehr primär nur von jungen Personen in Anspruch genommen wird, sodass die
Angebote so gestaltet werden müssen, dass sie ihre Zielgruppe, deren Alter bis zu den Senioren
reicht, ansprechen. Es bedarf neuer Wege der Anerkennung und der Zertifizierung auch von in
der Praxis erworbenen Qualifikationen, da sich diese Angebote teilweise aus den etablierten
Studienstrukturen bewegen müssen.50

Das Angebot lebenslangen Lernens ist meist deutlich marktorientiert und fußt häufig auf einem
intensiven Dialog mit externen Interessengruppen. Diese stärkere Marktorientierung wird von
vielen HochschullehrerInnen kritisch reflektiert, was einen Grund dafür liefert, dass Konzepte
für das lebenslange Lernen bisher ein eher randständiges Dasein an Hochschulen fristen und
bloß selten in allgemeine Entwicklungskonzepte sowie Entscheidungsprozesse einbezogen
werden.51 Auch wenn die staatlich organisierten und finanzierten Universitäten den wachsenden
Markt der Weiterbildung zwar erkannt haben, haben sie auf diese Verbreiterung ihres
Leistungsangebots eher zögernd und zurückhaltend reagiert. In der Phase der
Hochschulexpansion wurde die Zurückhaltung gegenüber Aufgaben der Weiterbildung vielfach
mit dem Argument einer Überlastung durch den grundständigen Studienbetrieb begründet. Den
Universitäten fehlt vor allem weitgehend der Anreiz, dem Wachstumsmarkt der Weiterbildung
und in Konkurrenz mit anderen AnbieterInnen aktiv zu werden.52 Dennoch sind Ansätze von
Weiterbildungsangeboten an Universitäten zu erkennen, wobei die organisatorische
Verankerung an den Universitäten sehr unterschiedlich ist. Es gibt Weiterbildungsbeauftragte,
Stabsstellen oder Zentren für Weiterbildung, eine Fakultät oder Ausgründungen

48
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 23-24.
49
Tuschling in Bröckling/Krasmann/Lemke, 152-153.
50
BMBWK, 106.
51
BMBWK, 72.
52
Bodenhöfer in Knapp, 21.
-33-

unterschiedlicher Gesellschaftsformen. Neben der Donau-Universität Krems als Universität für


Weiterbildung sind die Universitäten Salzburg, Klagenfurt und Wien sowie die
Wirtschaftsuniversität Wien die größten AnbieterInnen im universitären Weiterbildungsbereich.
Dies sind jene Universitäten, die sich seit Jahren aktiv im Weiterbildungsbereich positionieren,
etwa über spezielle Weiterbildungszentren bzw. Fakultäten innerhalb der Universität.53

Die Rolle der Hochschulen im Bereich des lebenslangen Lernens ist im deutschsprachigen
Raum noch weitgehend auf wissenschaftliche Weiterbildung reduziert. Die meisten Angebote
im Weiterbildungssektor richten sich nicht gezielt an HochschulabsolventInnen, aber dennoch
gibt es in Österreich sowie auch in Deutschland, Italien, Ungarn, der Türkei, Rumänien und
anderen südeuropäischen Ländern im europäischen Vergleich besonders wenige solche
Bildungsangebote. Herausragend ist die bereits erwähnte erste europäische
Weiterbildungsuniversität, die Donau-Universität Krems. Sie stellt ein neues
Organisationsmodell dar, welches sich in einem kurzen Zeitraum erfolgreich entwickelt hat.
Zwar ist das lebenslange Lernen ein fester Bestandteil politischer Programme, doch sind in den
Hochschulen selbst bislang nur wenige Fortschritte in diese Richtung zu verzeichnen. Dennoch
werden Entwicklungen hin zum lebenslangen Lernen an Hochschulen aufgrund der Dynamik
gesellschaftlicher Entwicklungen zwingend erforderlich sein.54 Es entspricht aber bereits jetzt
der Logik der Weiterbildungsangebote, die sich an breitere Bevölkerungsgruppen richten, dass
sie einen Versuch darstellen, wissenschaftliche Arbeitsergebnisse nicht nur bekannt, sondern
auch verständlich zu machen und auf diese Weise mit gesellschaftlichen Gruppen bzw. mit der
Bevölkerung „ins Gespräch“ zu kommen.55

Beispielhaft wird hier Norwegen angeführt. In diesem Staat ist es für BewerberInnen im Alter
von über 25 Jahren möglich, ohne höheren Sekundarabschluss an einer Universität oder
Hochschule zu studieren. Anhand der nichtformalen und informellen Lernerfahrungen der
Betreffenden bestimmen die einzelnen Einrichtungen, ob die BewerberInnen zu den
entsprechenden Studienprogrammen zugelassen werden können. Die BewerberInnen wiederum
erwerben mit Ablegung einer Prüfung für einen Studiengang die formalen allgemeinen
Zugangsqualifikationen. Dies entspricht im Wesentlichen der österreichischen
Studienberechtigungsprüfung. Die Besonderheit in Norwegen liegt jedoch darin, dass die

53
BMWF 2011, 145.
54
BMBWK, 71-72; 108.
55
Knapp/Krainer in Knapp, 82.
-34-

frühere Lernerfahrung des/der Bewerber/s/in zu einer Verkürzung des Studiengangs oder zu


einer Befreiung von Prüfungen führen kann. 56
Wissenschaftliche Weiterbildung erfüllt zwei wesentliche Funktionen in Österreich: Sie dient
einerseits der Weiterbildung von AbsolventInnen und gilt andererseits auch als „Einfallstor“ für
neu entstandene Berufsgruppen bzw. für Berufsgruppen, bei denen die Akademisierung noch
nicht eingesetzt hat. Damit bietet wissenschaftliche Weiterbildung eine wichtige
57
Übertrittsmöglichkeit für Personen mit Berufserfahrung. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass
sich Bildungsprozesse nach und nach diskontinuierlich gestalten werden, das heißt, dass
Personen, die bereits im Berufsleben stehen, wieder in den Bildungsprozess einsteigen.58 Diese
Entwicklung wird dazu führen, dass die Universität mit Lernergebnissen von non-formalem und
informellem Lernen wird umgehen lernen müssen, insbesondere werden
Zertifizierungsmöglichkeiten für non-formales und informelles Lernen [siehe dazu II.B.2.c)] zu
überlegen sein. Möglicherweise wird es auch zwei Typen von Master-Studiengängen geben,
nämlich jene, die stark berufsrelevant sind und jene, die stärker wissenschaftsrelevant sind.59

Hochschulen haben gegenüber anderen AnbieterInnen den „Vorteil“, dass sie kraft ihres
gesellschaftlichen Mandats einen unmittelbaren Zugang zu neuem Wissen und damit sowohl die
Möglichkeit als auch die Pflicht haben, neue Einsichten sowie Erkenntnisse dem Prozess des
lebenslangen Lernens ständig neu verfügbar zu machen. Dies ist eine besondere Form des
Wissenstransfers, dem große Bedeutung zukommt, da eines der primären Ziele von
Weiterbildung die Vermittlung aktualisierter Wissensstände ist.60

Zum lebenslangen Lernen an Hochschulen zählen aber auch Kongresse und Fachtagungen, bei
denen VertreterInnen der beruflichen Praxis mit Forschungsergebnissen und deren Nutzungs-
und Anwendungsmöglichkeiten vertraut gemacht werden sollen. Häufig organisieren
professionelle Vereinigungen jedoch derartige Weiterbildungsangebote und gewinnen
MitarbeiterInnen von Universitäten für die Durchführung. Demgegenüber blieben die
Initiativen, die von den Universitäten ausgingen, auf einen bescheidenen Umfang des
Weiterbildungsangebots beschränkt, vielfach ausgehend vom Engagement einzelner Institute
und HochschullehrerInnen.61

56
Generaldirektion für Bildung und Kultur/ Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales (2002): Ein
europäischer Raum des lebenslangen Lernens <http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/ll-
learning/area_de.pdf>, 22.2.2011, 86-87.
57
Pellert/Cendon in Hanft/Knust, 283.
58
Interview 2, 7.
59
Interview 3, 3-4; 12.
60
Weiler/Bensel/Heuer/Spieß/Wagner in Bensel/Weiler/Wagner, 71.
61
Bodenhöfer in Knapp, 18.
-35-

Summa summarum ist festzuhalten, dass Weiterbildung an den österreichischen Universitäten


keine Tradition hat und darüber hinaus universitätspolitisch keine relevante Größe darstellt. Im
UG 2002 ist Weiterbildung zwar als Aufgabe der Universität allgemein festgeschrieben, aber
eine entsprechende institutionelle und organisatorische Verankerung gibt es nicht. Die
untergeordnete Rolle der Weiterbildung spiegelt die Haltung des Großteils der
UniversitätslehrerInnen wider, die die Wichtigkeit der Forschung als den ausschlaggebenden
Faktor für die wissenschaftliche Karriere ansehen und den ständig steigenden Arbeitsaufwand
für die universitäre Arbeit, insbesondere Lehr- und Prüfungstätigkeiten, betonen. Die
Universitäten sichern aufgrund der prekären finanziellen Lage zunächst die Bereiche der
Forschung und der Lehre ab bevor der Bereich der Weiterbildung personell besetzt wird. Mit
anderen Worten werden Weiterbildungstätigkeiten vielfach als zusätzliche Belastung sowie als
Randbereich empfunden, der aufgrund des ständigen Geldmangels nur langsam aufgebaut
werden kann.62

Abschließend ist an dieser Stelle auf die Dokumente 2 und 3 des Annexes zu verweisen, welche
zum einen die zielgebundene Entwicklung der Hochschulbildung und zum anderen deren
Trends sowie Konsequenzen darstellen.

4. „Das Konzept“ der Fachhochschule - FH und Universität - Parallelkonzepte oder


Konkurrenzinstitutionen im Rahmen der Hochschulbildung?

1993 wurde mit dem Fachhochschul-Studiengesetz in Österreich der FH-Sektor eingeführt, mit
der Absicht, einen mehr berufsorientierten, nichtuniversitären Hochschulbereich zu schaffen
und eine Harmonisierung des österreichischen Bildungssystems mit jenen der EU-Staaten zu
erreichen.63 Mit dieser Erweiterung des Hochschulsektors wurde auch das regionale Angebot an
tertiären Ausbildungseinrichtungen weiter verdichtet. Nunmehr verfügt jedes Bundesland über
tertiäre Ausbildungseinrichtungen.64

Wie Universitäten ist es auch FHs gestattet, Lehrgänge zur Weiterbildung anzubieten. Der große
organisatorische Unterschied zu Universitäten ist die fehlende organisationsrechtliche
Verankerung von FHs und die Akkreditierung von Studiengängen, die von jeder
Erhalterorganisation angeboten werden können. Es gibt nur wenige Vorgaben, die auf das
notwendigste Maß beschränkt bleiben.65 Seit dem Studienjahr 1994/95 werden FH-

62
Vgl. Neuhold/Patscheider, 81-83.
63
Kasparovsky/Wadsack, 12; 35.
64
Statistik Austria 2011, 18.
65
Kasparovsky/Wadsack, 12; 35; 40.
-36-

Studiengänge angeboten, welche eine wissenschaftlich fundierte und praxisgerechte


Berufsausbildung auf Hochschulniveau bieten.66

Beim Angebot an FH-Studiengängen ist eine stärkere regionale Streuung zu verzeichnen als bei
Universitäten. Es sind auch Angebote außerhalb der Ballungsräume zu finden. Neben diesem
Unterschied der Streuung, unterscheiden sich auch die wesentlichen Ziele der FH-Studiengänge,
die bereits angesprochen wurden, nämlich die Gewährleistung einer praxisbezogenen
Ausbildung auf Hochschulniveau, die Vermittlung der Fähigkeit, die Aufgaben des jeweiligen
Berufsfeldes dem Stand der Wissenschaft und den Anforderungen der Praxis entsprechend zu
lösen, die Förderung der Durchlässigkeit des Bildungssystems und der beruflichen Flexibilität
der AbsolventInnen, von jenen der Universität. FH-Studiengänge haben einen praxisorientierten
Schwerpunkt. Daher beinhaltet der Studienplan ein verpflichtendes Berufspraktikum.67

Laut Holzinger,68 dem Präsidenten der FH-Konferenz, unterscheiden sich die FHs von den
Universitäten auch dadurch, dass sie eine überdurchschnittlich hohe soziale Durchmischung
aufweisen. Es studieren zehn Prozent ohne Matura an FHs, sodass die sogenannten
bildungsfernen Schichten durchaus ihre Wege an die FHs finden. Begründen lasse sich dies mit
der Organisation und Betreuungsquote, die zügiges Studieren ohne viel Drop-out an FHs
ermöglichen.

Anders als bei den Universitäten ist die gemischte Finanzierung nach einem Normkostensystem
für den FH-Sektor charakteristisch, da der Bund bei entsprechender Kriterienerfüllung die
Kosten pro Studienplatz übernimmt, die Kosten für Gebäude, Investitionen und ein Teil der
laufenden Kosten werden vom Erhalter des FH-Studienganges, wie üblicherweise der
Landesregierung, regionaler und überregionaler Gebietskörperschaften oder anderer öffentlicher
oder privater Institutionen, getragen.69

Mit den Augen eines Kritikers stehen FHs für eine speziellere Berufsbildung als Universitäten,
deren Aufgaben sich unterscheiden. FHs vermitteln wissensbasiertes Anwendungswissen,
sodass sie viel konkreter auf ein berufliches Feld vorbereiten. Die gegenwärtigen
Entwicklungen zeigen jedoch eine Angleichung der Universitäten an die FHs und eine
Angleichung der FHs an die Universitäten. Beide machen also ein bisschen Theorie und ein
bisschen Praxis. 70

66
BMUK/BMWF, 56.
67
Kasparovsky/Wadsack, 36; 41. vgl. auch Interview 3, 10.
68
Bauer, B2.
69
Kasparovsky/Wadsack, 38-39.
70
Krautz, 36-37.
-37-

Universitäten sollten nicht nur klar deklarieren, welche Kompetenzen ihre Studierenden
erworben haben, sondern sie haben auch darauf zu achten, welche Kompetenzen auf dem
Arbeitsmarkt gesucht werden. Diese Kompetenzüberlegungen werden jedoch nicht zu hundert
Prozent deckungsgleich sein, da die Universität sohin eine reine Ausbildungseinrichtung wäre.71
Laut Krautz kommt dann von beidem das Schlechtere heraus.72

Mettinger sieht demgegenüber eine gute Kombinationsmöglichkeit zwischen Universitäten und


FHs, sodass ein Wechsel von einem FH-Bachelor zu einem Uni-Master und umgekehrt
durchaus vorstellbar erscheint. Vorraussetzung für die Umsetzung dieser Idee ist jedoch die
Koordination diverser Sektoren der (tertiären) Bildungslandschaft Österreichs, nämlich der
staatlichen Universitäten mit pädagogischen Hochschulen, Privatuniversitäten und FHs. Hierzu
bedarf es wiederum der Herausarbeitung von Schnittstellen und Abgrenzungen, sodass die
Abdeckung aller Bereiche durch die jeweilig „optimalsten“ Kompetenzen erfolgt. Dies bedeutet
aber nicht, dass mehrere Sektoren gewisse Bereiche „doppelt“ abdecken, vorausgesetzt die
Nachfrage ist groß genug.73

Summa summarum wird aus dieser kurzen Abhandlung der Schluss gezogen, dass FHs und
Universitäten zwar grundsätzlich unterschiedliche Zielsetzungen und damit auch
unterschiedliche AdressatInnen haben, doch zeichnen sich bereits Überlappungen und
Kombinationsmöglichkeiten ab, die sich in Zukunft tendenziell noch verstärken werden.

5. Wann und warum Bildung zum Inhalt der Politik wurde - ein kurzer
zusammenfassender Rückblick in die Vergangenheit

In Folge der bürgerlichen Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts, war das Ziel, mit Bildung
die Befreiung von absolutistischer Unterdrückung und Bevormundung zu erreichen. Bereits am
Beginn der folgenden industriellen Revolution und dem mit ihr einhergehenden Aufkeimen des
wirtschaftlichen Liberalismus entsteht ein schwer zu lösender Widerspruch im Bildungsbegriff:
Das Idealbild der Befreiung von der Unterdrückung durch ProtagonistInnen göttlicher Ordnung
besteht zwar weiterhin, doch wird gleichzeitig eine neue Bildungs- und Leistungselite
geschaffen. Durch die ökonomische Macht, welche vom BürgerInnentum ausgeht, und durch
das Bildungsprivileg, welches das BürgerInnentum genießt, entsteht eine starke Vernetzung
dieser beiden gesellschaftlichen Ebenen. Während das ökonomische System von dieser

71
Interview 3, 4-5.
72
Krautz, 37.
73
Interview 3, 11.
-38-

Vernetzung profitiert, wird jedoch die Bildung um ihre Freiräume, die sie zur Befreiung der
Individuen reklamieren müsste, beschnitten.74

Bildung wurde durch die „Modernisierung der Gesellschaft“ Gegenstand der Politik. Von einem
soziologischen Standpunkt aus betrachtet, bedeutet dies, dass sich zum einen die Gesellschaft in
wirtschaftlicher Hinsicht transformiert und zum anderen die Säkularisierung fortschreitet, also
religiöse und mythische Vorstellungen zugunsten rationaler Auffassungen allmählich
zurückgewiesen werden. Besondere Kennzeichen einer modernen gegenüber einer traditionellen
Gesellschaft sind beispielsweise der Rückgang des landwirtschaftlichen Sektors, die Zunahme
von Technik, Industrie und Dienstleistungen, die höhere soziale Mobilität, der zunehmende
Stellenwert der Leistung und des Bildungsweges oder etwa eine größere Verantwortung und
Entscheidungsfreiheit des/der einzelnen.75 Es ist also innerhalb der letzten fünfzig Jahre ein
sozialer Wandel zu verzeichnen, da es zum Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungs-
und Informationsgesellschaft gekommen ist, welcher auch tiefgreifende demografische,
soziokulturelle und wirtschaftliche Veränderungen mit sich brachte. Im Kontext dieses
gesellschaftlichen Umbruchs sind auch Bildungsstrukturen, Bildungsinhalte und die Bedeutung
von Bildung neu zu bestimmen.76 Im Speziellen auf die Hochschulbildung bezogen, ist seit den
1960er Jahren ein massiver Anstieg des prozentualen Anteils der Studierenden an der
Gesamtzahl der Jugendlichen in Ausbildung zu verzeichnen. Diese Entwicklung hat zur
Entstehung der Massenuniversität geführt, was die Universitäten zu großen
Bildungsinstitutionen mit einem erhöhten Finanz- und Führungsbedarf gemacht hat, die
hiedurch ein erhöhtes Interesse der Politik ausgelöst haben.77

Die Entwicklung der österreichischen Hochschulpolitik in der Zweiten Republik lässt sich in
die folgenden drei Phasen unterteilen:

1. Zunftmodell bzw. Ordinarienuniversität

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist durch eine relativ geringe Studierendenzahl, einen
sozial selektiven Zugang zum Studium und einen wenig demokratischen inneruniversitären
Betrieb gekennzeichnet. Bis in die 1970er Jahre genossen die ProfessorInnen weitgehende
Rechte innerhalb eines ständisch organisierten Systems der Selbstverwaltung.78 Pechar spricht
von einer Art „Kleinfürstentum“, in dem alle MitarbeiterInnen dem Ordinarius unterstellt waren

74
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 89-90.
75
Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 4/1994, 2.
76
Statistik Austria 2011, 10.
77
Richli, 7.
78
Rogler, 41.
-39-

und in hohem Maße von ihm persönlich abhingen. „Die Ordinarienuniversität war eine
Professorenrepublik, die die soziale Figur des Zunftwesens bis ins späte 20. Jh. tradierte“. 79

2. Demokratische Selbstverwaltung

Während der SPÖ-Alleinregierung wurde durch das UOG 1975 die Macht der Ordinarien
eingeschränkt, eine Zentralisierung durch den verstärkten Einfluss des neu gegründeten
Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung sowie eine demokratische
Leitungsstruktur der Universität durch die Einrichtung vielfältiger drittelparitätisch
(ProfessorInnen-Mittelbau-Studierende) zusammengesetzter Gremien bewirkt. Trotz der
Abschaffung der Studiengebühren blieben die rigiden Kuriengrenzen und damit die
ständestaatliche Struktur intakt. Außerdem war die Reform wesentlich durch wirtschaftliche
Zielsetzungen motiviert. Die Massenuniversität wurde von der Bildungspolitik anerkannt und
die Universitäten wurden zu Orten gesellschaftlicher Kritik und zu TrägerInnen eines sozialen
Emanzipationsauftrags.80

3. Dienstleistungsorientiertes (Quasi-)Marktmodell

Seit Beginn der 1990er Jahre kam es zu einer neuerlichen Wende, die im UOG 1993 ihren
Ausdruck fand. Zentral sind die Zurückdrängung des Zentralismus zugunsten einer stärkeren
Autonomie der Universitäten sowie der Abbau des Mitbestimmungsmodells. Zauner folgend,
kann die aktuelle Phase als eine „Reform im neoliberalen Trend“ bezeichnet werden, wobei die
Universitäten weniger aus eigenem Antrieb sondern durch machtvolle Eingriffe des politischen
Systems, gipfelnd im UG 2002, so weit geraten sind.81 Es werden betriebswirtschaftliche
Instrumentarien in die Verwaltungsabläufe eingeführt, ohne dass sich aber grundsätzlich die
Eigentumsverhältnisse ändern. Die Hochschulen werden nach den Leitsätzen des New Public
Management künstlichen Anreizsystemen und Quasi-Märkten ausgesetzt.82

B. Begriffliche Überlegungen und Definitionen

Die folgenden begrifflichen Überlegungen und Definitionen sind für die darauf folgenden
Ausführungen grundlegend, da auf diese Art und Weise klar der Themenbereich, um den es
eigentlich gehen soll, abgesteckt wird. Würde auf derartige Grundlagen verzichtet werden,
könnte man beispielsweise auch, Lenz folgend, davon ausgehen, dass es de facto keine
ungebildeten Menschen gibt, sondern bloß unterschiedliche Reaktionen auf Bildungsangebote,

79
Pechar zitiert nach Rogler, 41.
80
Rogler, 41-42.
81
Zauner zitiert nach Rogler, 42.
82
Rogler, 43.
-40-

die Orientierung versprechen.83 Ein derartiges Verständnis von Bildung liegt dieser
wissenschaftlichen Arbeit jedoch nicht zugrunde.

1. Politik, Ökonomie und Bildung

Bevor nun auf die einzelnen, für die vorliegende Dissertation relevanten Termini näher
eingegangen wird, soll hier zunächst das Verständnis der drei großen Überbegriffe Politik,
Ökonomie und Bildung erläutert werden. Jeder dieser Termini ist ein äußerst weitläufiger
Begriff, der in viele unterschiedliche Richtungen interpretiert und argumentiert werden kann.
Das konkrete Verständnis der Verfasserin beschränkt sich auf Teilaspekte dieser Begriffe, die
jedoch in der Dissertation von zentraler Bedeutung sind.

Mit Politik sind in der folgenden wissenschaftlichen Arbeit immer nur die politischen
EntscheidungsträgerInnen und damit die Regierung und das Parlament sowie die politischen
Parteien auf nationaler Ebene und die politischen Organe der EU auf supranationaler Ebene
gemeint. Das Politikverständnis beschränkt sich aber nicht auf die reine Legislative, sondern
erstreckt sich vielmehr auch auf die Exekutive sowie Judikative und somit auf die drei
grundlegenden „Gewalten“ im modernen Staat. Gesondert zu erwähnen ist in diesem
Zusammenhang das AMS, welches vor allem ein Instrument der Regierung aber auch der
Interessensvertretungen und der Länder darstellt, wobei es nicht mehr ein Teil eines
Ministeriums ist, sodass der Einfluss der Politik durchaus „gefiltert“ ist. Der Vorstand des AMS
oder der Verwaltungsrat können sich nämlich durchaus gegen bestimmte Anliegen der
politischen EntscheidungsträgerInnen aussprechen.84

Der Begriff der Ökonomie ist an sich ein äußerst weiter, sodass dieser nicht als solches der
Dissertation zugrunde gelegt werden kann, sondern einer Einschränkung bedarf. Zunächst ist
anzumerken, dass Ökonomie im Kontext dieser Arbeit stets in Verbindung mit der (Hochschul-)
Bildung zu sehen ist. Einerseits steht Ökonomie für die ökonomische Gestaltung der
(Hochschul-)Bildung und damit für die Ökonomisierung der Bildungsinhalte, der
Bildungsdienstleistungen sowie der Bildungsinstitutionen, wobei die Finanzierung an sich ein
Kernthema ist, bei dem das grundlegende und ganz allgemeine „Problem“ besteht, dass die
beiden Fragen, WER finanziert und WIE finanziert werden soll, nicht selten unzulässigerweise
miteinander vermischt werden.85 Andererseits steht Ökonomie für die volkswirtschaftlichen

83
Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 4/1994, 3.
84
Interview 1, 9.
85
Wolter/ Nagel-Drdla in Wolter, 12.
-41-

Entwicklungen, wie das Wirtschaftswachstum, aber auch die Arbeitslosenquote in einem Staat,
insbesondere in Österreich.

In diesem Zusammenhang sei noch ergänzend in aller Kürze der Begriff der (freien)
„Marktwirtschaft“ erwähnt und erläutert, da dieser in einem Industriestaat wie Österreich und
im Hinblick auf „Bildung als Wirtschaftsgut“ von grundlegender Bedeutung ist: Eine
Marktwirtschaft ist nichts anderes als ein selbstregulierendes System von Märkten und damit
eine Wirtschaftsform, die einzig und alleine von Marktpreisen gesteuert wird. Gewinn und
Profit spielen jedoch erst etwa seit dem 20. Jahrhundert beim Güteraustausch in der
menschlichen Wirtschaftstätigkeit eine wichtige Rolle.86

Unter Bildung ist (vor allem im ökonomischen Diskurs) Folgendes zu verstehen: Auf der einen
Seite ist Bildung im ökonomischen Diskurs positiv konnotiert, indem sie als universales
Investitionsgut verstanden wird, welches zu einer ständigen Steigerung des Mehrwertes des
Humankapitals verwendet wird. Auf der anderen Seite steht hinter dem Terminus Bildung,
zumindest nach der universitären Lehre nach humboldtscher Tradition, die Vorstellung, dass
Bildung die Individuen zur Mündigkeit, Emanzipation sowie Eigenverantwortung befähigt.
Diese wohlmeinenden Umschreibungen können jedoch nur schwer mit der Denklogik der
kapitalistischen Zugehensweise auf Bildung in Einklang gebracht werden, da sie keine
ökonomischen Werte schaffen und daher auch nicht verwertet werden können. Es geht ein
kategorischer Wandel des Bildungsbegriffs vor sich, sodass die folgende kritische Betrachtung
von Erich Ribolits wesentlich passender erscheint:87 „Bildung ist eine Ware, seitdem der Besuch
von Schulen und Universitäten zum Aufstiegsvehikel im Kampf um vorteilhafte gesellschaftliche
Positionen geworden ist. Dass Bildungseinrichtungen zunehmend wie Kaufhäuser organisiert
sind, wo Lehrende ihre Waren feilbieten (…) ist bloß die logische Konsequenz der Vorstellung
von der gerechtfertigten Besserstellung der so genannten Tüchtigen in der Gesellschaft.“88
Von einem marxistischen Standpunkt aus betrachtet, könnte man sagen, dass der
Warencharakter, den Marx einst für den Faktor Arbeit verwendet hat, nun auf den Faktor
Bildung umgelegt wird.89 Steeruwitz umschreibt die Bedeutung der Bildung in der „modernen
Gesellschaft“ noch drastischer, indem er feststellt, dass eine vollkommene Verachtung der Rolle
der Bildung für die Entwicklung der Person herrscht.90

86
Polanyi, 71.
87
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 87-89.
88
Ribolits zitiert nach Pühringer/ Schmidt in Blaha/ Weinholzer, 88.
89
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 89.
90
Die österreichischen Universitäten sind bereits tot <http://derstandard.at/1297819371607/UniStandard-Interview-
Die-oesterreichischen-Unis-sind-bereits-tot>, 3.3.2011.
-42-

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass grundsätzlich Bildung, verstanden als


Kritikbefähigung („Criticizeability“) und Bildung, verstanden als ökonomische
91
Wissensverwertung („Employability“) zu unterscheiden sind. Während unter Employability
von einem ökonomischen Standpunkt aus betrachtet, die effiziente Verwertung und
Organisation der eigenen Persönlichkeitsressourcen verstanden wird, beschreibt Employability
von einer emanzipatorischen Perspektive aus, den Beitrag zur Verbesserung individueller
Entscheidungsfähigkeit und damit der Stärkung verantwortlichen Handelns. Meist wird
Employability mit Praxisorientierung oder –anteilen des Studiums gleichgesetzt. Von einem
kritischen Blickwinkel aus gesehen, wird durch dieses Konzept nicht Beschäftigungsfähigkeit
hergestellt, sondern lediglich auf Berufstätigkeiten vorbereitet.92 Es war auch Gegenstand von
zahlreichen Studierendenprotesten, dass durch das „neue System“ von Bachelor- und
Masterstudien nicht mehr Bildung im umfassenden Sinn vermittelt wird, sondern nur noch
Berufsausbildung erreicht werden soll. Reproduzierbares Auswendiglernen bzw. die
Ausrichtung an Noten und Klausuren stehe im Vordergrund. Selbstständiges Lernen und die
Entwicklung eines kritischen Bewusstseins sollten aber in sämtlichen Studienrichtungen
zentrale Bestandteile des Studiums sein. Zurückzuführen ist diese stärkere Ausrichtung auf
Berufsausbildung auf das Bologna-Ziel, das Hochschulstudium stärker „berufsorientierend“
anzulegen, da der nach dem ersten Zyklus erworbene Abschluss „relevant“ für den europäischen
Arbeitsmarkt sein soll. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Bildungsabschlüsse nur als
Arbeitsmarktqualifikation im engeren Sinn verstanden werden, da die Employability in den
Kontext des „lebenslangen Lernens“ zu stellen ist.93 Dennoch sollte Employability nicht auf
Berufsqualifikation beschränkt werden, sondern auch als Ability verstanden werden, also die
Fähigkeit, beschäftigbar zu sein, was auch impliziert, selbstständig zu werden und nicht
notwendigerweise nur angestellt zu sein.94
Es wird häufig argumentiert, dass unter der Ökonomisierung des Bildungsauftrages die
Umdeutung der Bildung in Ausbildung zu verstehen ist, sodass die Persönlichkeitsentfaltung
und der Umgang mit unterschiedlichen Lebenssituationen der Anforderung einer effizienten
Kapitalformation entgegenstehen. Der heutige Bildungsauftrag sei somit diametral
entgegengesetzt zu jenem, der „Criticizeability“ genannt wird.95 Ebenso wird aber der
Standpunkt vertreten, dass Bildung und Ausbildung nicht als Widerspruch angesehen werden
dürfen, sondern Hochschulbildung vielmehr nachhaltig zu sein hat, dh Kenntnisse und

91
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 89.
92
BMBWK, 64-65.
93
Borgwardt, 16-17.
94
Interview 3, 2.
95
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 95.
-43-

Fähigkeiten vermitteln sollte, die im gesamten Berufsleben immer wieder eingesetzt werden
können. Wenn im Studium nur die spezifischen, aktuell für ein bestimmtes Berufsbild
erforderlichen Fertigkeiten erworben werden, führt dies letztlich zu wachsenden Defiziten, die
der einzelne dann später – privat finanziert – ausgleichen muss.96

Es steht nun die Frage im Raum, ob es dem/r einzelnen Österreicher/in, der/die


Bildungsangebote „konsumiert“, tatsächlich primär um den Erwerb von Kritikfähigkeit und
damit Wissen an sich geht oder ob dieser „Aspekt“ der Bildung eher bloß sekundäre Bedeutung
hat und vielmehr der Erwerb eines akademischen Titels oder einer sonstigen Zertifizierung das
erstrebenswerte Ziel einer Ausbildung ist, welches in weiterer Folge zu sozialem Ansehen sowie
Wohlstand führt. Auch wenn diese Fragen im Raum stehen, soll nicht der Eindruck erweckt
werden, dass Criticizeability und Employability als Gegenpole zu verstehen sind, die einander
ausschließen, im Gegenteil, eine strikte Trennung von Bildung als Ware und Bildung als
Emanzipation gibt es in dem Sinn gar nicht. Es gestaltet sich hingegen in praxi so, dass einer
dieser beiden Aspekte verstärkt im Vordergrund steht und der andere eher vernachlässigt wird.
Die angeführten Definitionsansätze des Begriffs „Bildung“ geben schon einen Einblick in eine
wesentliche Fragestellung, die dieser Dissertation zugrunde liegt, nämlich die Bedeutung bzw.
die Rolle der Bildung in der Gesellschaft und in der Politik.

2. Wissenschaftliche Weiterbildung (an Hochschulen)

a) Überblick: Wo sind Hochschulbildung und (wissenschaftliche) Weiterbildung an


Hochschulen innerhalb des gesamten Bildungsbereichs einzugliedern?

Die folgende Grafik, welche das österreichische Bildungssystem als solches darstellt, soll
veranschaulichen, welchen Bereich die Hochschulbildung im gesamten Bildungsbereich
einnimmt und in welche Facetten sie sich gliedert:

96
Borgwardt, 18.
-44-

Abb. 3: Österreichisches Bildungssystem97

Das österreichische Bildungssystem gliedert sich in folgende fünf Stufen: den


Elementarbereich, den Primarbereich, den Sekundarbereich I, den Sekundarbereich II und den
Tertiären Bereich. Im Elementarbereich erfolgt die vorschulische Erziehung der Kinder im

97
BMWF 2010, 4.
-45-

Kindergarten bis zum sechsten Lebensjahr. Anschließend folgt der Primarbereich, der mit der
allgemeinen Schulpflicht beginnt, welche insgesamt neun Jahre dauert, wobei vier Jahre hiervon
die Volksschule in Anspruch nimmt. Im Sekundarbereich I haben die SchülerInnen die Wahl
zwischen AHS, neuen Mittelschulen und Hauptschulen. Im Sekundarbereich II stehen dann
mehrere Bildungswege zur Verfügung: die vierjährige Oberstufe in einer AHS mit
Maturaabschluss, fünfjährige berufsbildende höhere Schulen mit Maturaabschluss, vierjährige
berufsbildende mittlere Schulen oder die einjährige polytechnische Schule mit anschließender
Berufsschule. Die Bildungswege der Universitäten und Hochschulen sind im tertiären Bereich
angesiedelt.98

Kurz zusammengefasst, geht es bei der Hochschulbildung um die Aus- und Weiterbildung der
Menschen ab der Volljährigkeit. Wie aus der Grafik gut ersichtlich ist, steht der genannten
Personengruppe der Zugang zu Universitäten, FHs, Pädagogischen Hochschulen, diversen
Akademien und Kollegs etc. offen, wobei grundsätzlich die allgemeine Hochschulreife, also die
Reifeprüfung, Reife- und Diplomprüfung, Berufsreifeprüfung oder
Studienberechtigungsprüfung für den jeweiligen Studiengang Zugangsvoraussetzung für ein
universitäres Studium ist.99 Die Hochschulen stehen in einem engen Bezug zum primären und
vor allem sekundären Bildungsbereich, da das Studium und die Lehre auch von der
Leistungsfähigkeit, den Strukturen und Konzepten vorgelagerter Bildungswege abhängen. Für
die Weiterentwicklung der Hochschulen sind somit auch die Tendenzen in den anderen
Bildungsbereichen in kooperativer, kritischer Perspektive zu beachten.100

Abschließend ist an dieser Stelle auf die Dokumente 2 und 3 des Annexes zu verweisen, welche
zum einen die zielgebundene Entwicklung der Hochschulbildung und zum anderen deren
Trends sowie Konsequenzen darstellen. Aus diesen beiden Clustern lässt sich ablesen, wie
künftig Hochschulbildung gestaltet werden soll.

In der folgenden wissenschaftlichen Arbeit soll von den vielen Aufgaben der Hochschulen in
erster Linie die Weiterbildung an Universitäten behandelt werden, wobei auch die Institution
der FH nicht gänzlich „außen vor gelassen“ werden soll, sondern zumindest am Rande
mitbedacht und mitbehandelt werden soll. Besonderes Augenmerk soll auf die wissenschaftliche
Weiterbildung, die nicht im Sinne einer akademischen Hochschulausbildung erfolgt, gelegt
werden. Allgemeine und berufliche Erwachsenenbildung wird in Österreich in verschiedenen
Einrichtungen, hauptsächlich in gemeinnützigen Einrichtungen sowie Sonderformen von

98
Vgl. Neuber, 18-12; 22.
99
BMUK/BMWF, 59.
100
BMBWK, 17.
-46-

öffentlichen Schulen, angeboten. Universitäten und FHs kommt jedoch eine zunehmend
wichtige Rolle im Bereich der Erwachsenenbildung zu, da ein steigender formaler
Bildungsstand der Bevölkerung zu verzeichnen ist. Außerdem hat sich aber auch der Anteil der
gewinnorientierten BildungsanbieterInnen an der kursmäßigen Erwachsenenbildung erhöht.101

b) „Weiterbildung“ - Begriffsklärung im Hinblick auf Hochschulen

Bevor auf den spezifischen Terminus „Weiterbildung“ näher eingegangen wird, soll nun noch
kurz der Begriff der Bildung als solches, welchen die Verfasserin der gegenständlichen Arbeit
zurgrunde legt, umrissen werden. Um Bildung generell geht es dann, wenn unter Bildung nicht
nur Qualifikationserwerb zur Sicherung der Marktgängigkeit der individuellen Arbeitskraft
verstanden wird, sondern Bildung vielmehr als Ressource für Lebenschancen begriffen wird.102
Dieses Verständnis sollen die LeserInnen stets im Hinterkopf behalten.

Unter dem Begriff der universitären Weiterbildung werden unterschiedlichste


Weiterbildungsaktivitäten von Universitäten und Hochschulen für verschiedenste Zielgruppen
subsumiert. Es können somit praktisch WissenschafterInnen aller Disziplinen in die universitäre
Weiterbildung involviert sein. Die definitorische Weite des Terminus „universitäre
Weiterbildung“ erlaubt es den Universitäten noch in gewisser Weise, ihre Rolle im Bereich der
Weiterbildung auf universitärer Ebene zu bestimmen und zu klären, welche Aktivitäten für sie
unter diesen Begriff fallen sollen.103

Die Weiterbildung, insbesondere der AbsolventInnen zählt neben der wissenschaftlichen


Berufsvorbildung und der Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten, die die Anwendung
wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden fordern sowie der Heranbildung des
wissenschaftlichen Nachwuchses zu den Aufgaben der Universität. Die Weiterbildung im
Universitätssektor erfolgt vor allem durch Universitätslehrgänge, wobei der Senat der
jeweiligen Universität über das Weiterbildungsangebot entscheidet.104

Eine Einteilung der universitären Weiterbildungsangebote nach wissenschaftlichen Disziplinen


und Studienrichtungen fällt schwer, weil diese meist interdisziplinär ausgerichtet sind und
Bezeichnungen aufweisen, die direkt auf berufliche Tätigkeitsfelder bezogen sind. Inhalte und
Themen der Weiterbildungsangebote nehmen also von der beruflichen und wirtschaftlichen
Nachfrage ihren Ausgang, sodass für die Einrichtung universitärer Weiterbildungsangebote

101
BMUK/BMWF, 67-68.
102
Jakobi, 84.
103
Waxenegger in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 6; 8.
104
Kasparovsky/Wadsack, 16, 22.
-47-

nicht primär die neuesten Forschungsergebnisse und die neueren Entwicklungen der
Wissenschaften bzw. die Anpassung der Fachkenntnisse der AbsolventInnen an den aktuellen
Stand relevant sind. Vielmehr stellen neue wirtschaftliche sowie berufliche Anforderungen den
Orientierungsmaßstab für das universitäre Weiterbildungsangebot dar. Dieses Prinzip der
beruflichen Verwertbarkeit bringt die unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtungen der
Weiterbildungsangebote auf einen gemeinsamen Nenner: Für die ArbeitnehmerInnen steigen
die Chancen auf die Aufrechterhaltung der Beschäftigungsfähigkeit und den beruflichen
Aufstieg und für die Unternehmen steigt die Wettbewerbsfähigkeit durch marktgerecht
qualifizierte Arbeitskräfte.105

Der vorliegenden Dissertation liegt ein weites Verständnis des Begriffes „Weiterbildung“
zugrunde. Die erste Einschränkung, die sich bereits logisch aus dem Titel der Dissertation
ergibt, ist jene auf den Bereich der universitären Weiterbildung. Unter universitärer
Weiterbildung können wiederum „Grundstudien“ an der Universität, wie Diplomstudien oder
Bachelorstudien subsumiert werden, aber auch postgraduale Weiterbildung sowie
Weiterbildung in Form von non-formalem Lernen. Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt
sich grundsätzlich mit dem gesamten Bereich der universitären Weiterbildung, da gerade der
tertiäre Bildungssektor maßgeblich zur Umsetzung des Konzeptes „lebenslangen Lernens“
beiträgt. Dennoch oder gerade deswegen wird ein besonderer Fokus auf die postgraduale
Weiterbildung sowie auf non-formales Lernen und damit den Konnex von Universität und
(nicht universitär gebildeter) Gesellschaft gerichtet, da diese Weiterbildungsformen auch
Bevölkerungsgruppen ansprechen bzw. ansprechen sollten, die sich nicht unmittelbar in der
Phase der „Berufsvorbildung“ befinden, aber am Prozess des lebenslangen Lernens
partizipieren.

c) Formales, non-formales und informelles Lernen

Es erscheint zweckmäßig an dieser Stelle zumindest eine grobe Definition von formalem, non-
formalem und informellem Lernen vorzunehmen, sodass die LeserInnen ein Grundverständnis
dieser Begriffe erlangen. Sowohl im Bereich der (wissenschaftlichen) Weiterbildung im
Allgemeinen als auch im Bereich der Hochschulbildung im Besonderen ist diese
Differenzierung im Hinblick auf die Finanzierung und auch insofern von Bedeutung, ob bzw.
inwieweit formale, non-formale und informelle Bildung Gegenstand der Politik sind. In diesem
Bereich sind Unterschiede festzustellen, die die Bedeutung bzw. den Wert der jeweiligen
Bildungsform auf politischer und auch gesellschaftlicher Ebene verdeutlichen. Außerdem haben

105
Patscheider, 55; 58-59.
-48-

die in der Industriegesellschaft immer komplexer werdenden und sich immer rascher ändernden
beruflichen Anforderungen sowie die Veränderung der Aufgaben im Alltag die Überschneidung
von Einflüssen aus ganz verschiedenen Bereichen wie Technik, Wirtschaft, Natur, Geschichte,
Politik, Religion etc. zur Frage geführt, welche Form des Lernens auf welche Art und Weise auf
das Erfordernis vorbereitet, sich immer auf Neues einzustellen oder zu offenen
Auseinandersetzungen bereit zu sein. Die Institutionen der formalen Bildung müssen sich daher
damit auseinandersetzen, wie sie selbst den neuen Anforderungen gerecht werden und darüber
hinaus auch noch non-formales und informelles Lernen ins Blickfeld nehmen.106

In concreto wurde die Universität als AnbieterIn wissenschaftlicher Weiterbildung bereits unter
II.A.3. näher behandelt. Dort sollte geklärt werden, ob bzw. inwiefern die Hochschulen im
Allgemeinen und die Universitäten im Besonderen tatsächlich einen Beitrag zum lebenslangen
Lernen leisten. Um zwischen der formalen Hochschulbildung und der non-formalen bzw.
informellen (wissenschaftlichen) Weiterbildung der Hochschulen unterscheiden zu können,
bedarf des nun der folgenden Begriffsklärungen:
Unter formalem Lernen sind grundsätzlich alle institutionellen Formen des Wissenserwerbes zu
verstehen107 und damit das Lernen an öffentlichen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen
(zum Beispiel Schulen, Universitäten, FHs), die über öffentlich regulierte Curricula und
curriculare Kompetenzen verfügen. Formales Lernen wird durch öffentlich anerkannte
Bildungszertifikate und Berufsberechtigungen zertifiziert. Nur in wenigen Ausnahmefällen
treten Universitäten und FHs als VeranstalterInnen von Weiterbildungsangeboten auf, die
außerhalb der formal geregelten curricularen Studien und Lehrgänge abgehalten werden. Für
non-formales und informelles Lernen gibt es bis dato weder im politischen noch im
wissenschaftlichen Diskurs eine allgemein akzeptierte Definition. Diese Bezeichnungen
entstammen eher dem Diskurs um die berufliche Bildung und dem Konzept des lebenslangen
Lernens, welche von der Europäischen Kommission seit 1996 stark forciert werden. Die
Begriffe non-formales und informelles Lernen stammen ursprünglich aus dem politischen
Bereich und nicht aus dem wissenschaftlichen. Sie wurden erst nachträglich von der
wissenschaftlichen Seite definiert.108

Als ein Vorläufer zum Begriff des non-formalen Lernens wird der Terminus non-formal
education gesehen, der erstmalig in einem UNESCO-Report 1947 erwähnt wurde, und zwar im
Kontext von Bildung in Entwicklungsländern. Eine Erweiterung des formalen Schulsystems

106
Westphal/Friedrich, 13.
107
Tuschling in Bröckling/Krasmann/Lemke, 153.
108
Westphal/Friedrich, 10, 22; Spiel/Finsterwald/Schober in Westphal/Friedrich, 32.
-49-

wurde hinten angestellt, da man davon ausgegangen ist, dass die Durchführung von non-
formaler Bildung relevanter, flexibler und mit geringeren Ressourcen erfolgen kann. In den
folgenden Jahrzehnten wurden die Vorteile der non-formalen Bildung in der Politik immer
wieder propagiert, wobei heute non-formales Lernen im Rahmen der Diskussionen um
„lebenslanges Lernen“ in der EU bedeutsam ist.109

Unter non-formaler Bildung können alle organisierten und nachhaltigen Lernaktivitäten, die in
einem institutionalisierten Rahmen stattfinden, verstanden werden. Ausgenommen ist jedoch die
Bildung im regulären Schul- und Hochschulwesen als SchülerInnen, StudentInnen oder
Lehrlinge, die unter formale Bildung fällt. Die nicht-formalen Bildungsaktivitäten, die Personen
aller Altersgruppen ansprechen und von unterschiedlicher Dauer sein können, sind
facettenreich. Diverse Weiterbildungsveranstaltungen sind ihr zuzuzählen, wobei ihr Besuch
sowohl aus beruflichen als auch aus privaten Motiven erfolgen kann.110 Es zählen hierzu also
Bildungsvorgänge beispielsweise am Arbeitsplatz, im Ehrenamt oder in der Freizeit.111

Die Wurzeln des Begriffes des informellen Lernens gehen auf den Philosophen und
Psychologen Jahn Dewey zurück. Er spricht von informal education und versteht darunter im
Gegensatz zu formal education die Bildung außerhalb der Schule. In den 1980er Jahren wurde
informelles Lernen von BildungsexpertInnen internationaler Organisationen in der Politik
diskutiert. Im Zuge der EU-Diskussion über lebenslanges Lernen hat die Europäische
Kommission 2001 folgende Definition von informellem Lernen verfasst: Lernen, „das im
Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit stattfindet. Es ist (in Bezug auf
Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) nicht strukturiert und führt üblicherweise nicht zur
Zertifizierung. Informelles Lernen kann zielgerichtet sein, ist jedoch in den meisten Fällen
nichtintentional (oder inzidentiell/beiläufig).“ 112 Es zählen somit zum informellen Lernen auch
Aneignungsprozesse, die ein implizites Kontextwissen generieren, das nicht selten kaum
kommunizierbar ist.113

Spiel folgend ist unter informellem Lernen stark situiertes, beiläufiges und unbewusstes Lernen
zu verstehen, das eher problemgeleitet und nicht routinemäßig stattfindet. Informelles Lernen ist
also jene Aktivität, die außerhalb der Lernangebote und Einrichtungen zu neuen Erkenntnissen,

109
Spiel/Finsterwald/Schober in Westphal/Friedrich, 32.
110
Fichtinger, 68.
111
Tuschling in Bröckling/Krasmann/Lemke, 153.
112
Spiel/Finsterwald/Schober in Westphal/Friedrich, 33.
113
Tuschling in Bröckling/Krasmann/Lemke, 153.
-50-

mehr Wissen oder mehr Fähigkeiten führt. Diese Aktivität kann sowohl absichtlich gesetzt sein
als auch zufällig stattfinden, individuell oder in Gruppen.114

Trotz der hier vorgenommenen begrifflichen Dreiteilung, die auch derzeit in der europäischen
Bildungsdiskussion gängig ist,115 sei darauf hingewiesen, dass im internationalen bzw.
wissenschaftlichen Kontext nicht selten nur von formalem und informellem Lernen gesprochen
wird und unter informellem Lernen alles subsumiert wird, was als unabsichtliches, beiläufiges,
unbewusstes Lernen und als bewusstes absichtliches Lernen in der außerschulischen Umwelt
abläuft.116

Zunächst wurde der Kompetenzerwerb durch non-formales und informelles Lernen in


universitätsfernen Kontexten diskutiert. Erst gegen Ende der 1990er Jahre erfolgte die
Verbindung von non-formalem und informellem Lernen mit formalem Lernen. Auf
europäischer Ebene werden mit der Anerkennung und Wertschätzung des non-formalen und
informellen Lernens vor allem zwei Ziele angestrebt: Einerseits wird die Steigerung der
ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit durch die Stärkung der Fertigkeiten und der
Beschäftigungsbefähigung von ArbeitnehmerInnen mittels besserer Bildung, entsprechender
Trainings und der Transparenz der jeweiligen Bildungsabschlüsse im Hinblick auf
zwischenstaatliche Mobilität angestrebt. Andererseits soll auch eine Verbesserung des sozialen
Zusammenhalts und des Engagements gewährleistet werden. Das „Endziel“ soll die
ökonomische Nutzbarmachung aller Lernformen sein, wobei die Qualifizierung breiter (und
auch billiger) wird, wenn ein Teil davon in den informellen Sektor verlagert wird.117

3. Effizienz und Effektivität von Bildungssystemen

Der Terminus Effizienz ist ein ökonomischer Maßbegriff. Ein Prozess bzw. ein System wird
demnach hinsichtlich seines Input-Output, Kosten-Nutzen bzw. Ziel-Mittel-Verhältnisses
quantifizierend bewertet.118 Ein System ist dann effizient, wenn der Input zu einem
größtmöglichen Output führt. Konkret auf das Bildungssystem umgelegt, bedeutet das, dass
dessen relative Effizienz in der Regel auf Grundlage von Test- und Prüfungsergebnissen
festgestellt wird. Demgegenüber wird die Effizienz für Wirtschaft und Gesellschaft anhand der
privaten und sozialen Erträge ermittelt.119

114
Westphal/Friedrich, 23.
115
Spiel/Finsterwald/Schober in Westphal/Friedrich, 33.
116
Westphal/Friedrich, 23.
117
Westphal/Friedrich, 10-12.
118
BMBWK, 57.
119
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 2.
-51-

Zentral ist also das Erreichen eines guten Preis-Leistungs-Verhältnisses: Es soll möglichst viel
für einen günstigen Preis produziert werden, um damit einen guten Platz im Wettbewerb zu
ergattern. Es geht nicht mehr um die gute Beschaffenheit, und damit um die gute Bildung der
Studierenden an sich.120

Der Terminus Effizienz ist einer der Leitbegriffe der aktuellen Hochschuldebatte. Entgegen der
hochschulischen Selbstwahrnehmung geht es in vielen Fällen gar nicht um Effizienz, sondern
viel mehr um Effektivität oder um die Erzeugung von Legitimität.121 Effektivität bezeichnet den
Grad der Zielerreichung, also das Soll-Ist-Verhältnis. Dies zeigt sich im Hochschulbereich am
deutlichsten in den unterschiedlichen Bestrebungen, mit Zielvereinbarungen zu arbeiten und als
Voraussetzung dafür, Strategiebildung als Instrument zu verankern. Darüber hinaus zielen auch
Leitbildentwicklung oder Profilbildung, Qualitätsentwicklung und –sicherung eher auf eine
Effektivitäts- als auf eine Effizienzsteigerung hin.122
Um einen maximalen Ertrag durch die beschränkt vorhandenen Ressourcen einer
Volkswirtschaft zu erzielen, sollte das Bildungssystem aber nicht nur ein Maximum an
Effizienz sondern auch ein Maximum an Effektivität aufweisen.123

Auch im Hinblick auf die Bildungsfinanzierung, insbesondere hinsichtlich öffentlicher


Subventionen sind Effizienz und Effektivität ein Thema. Effizient sind öffentliche Subventionen
dann, wenn eine potentielle Pareto-Verbesserung ermöglicht wird, während sie effektiv sind,
wenn dieser Effekt mit möglichst geringem Aufwand erzielt wird.124
Wenn es um die Beantwortung der Frage geht, ob Kosten für Forschung und Bildung effizient
eingesetzt sind oder nicht, finden sich jedoch vielschichtige und zugleich eindimensionale
Antworten. Es ist beispielsweise davon die Rede, dass sie den Wettbewerb fördern sollen, wenn
die durch sie Ausgebildeten einen Beitrag zur Mehrung des materiellen oder immateriellen
Wohlstandes der Gesellschaft leisten können, wenn ihre Nützlichkeit gewährleistet ist oder
wenn sie sich stärker einer „Out-Put-Orientierung“ unterwerfen etc.125

Aus dem Blickwinkel der nachfrageorientierten Bildungsfinanzierung ist das Resultat bei einer
Finanzierung der Nachfrage anstelle der ProduzentInnen von Bildung und der Gewährung einer
möglichst freien Wahl der Bildungsstätte, dass die Angebotsseite derart beeinflusst wird, dass
die Qualität der Bildungseinrichtungen (Effektivität) zu gleich hohen oder sogar tieferen Kosten

120
Krautz, 124.
121
BMBWK, 57.
122
BMBWK, 57.
123
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 45.
124
Barbaro in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 46.
125
Heintel/Krainer in Heintel/Krainer, 80.
-52-

(Effizienz) resultieren müsste. Die Voraussetzung dafür, dass es aber tatsächlich zu einer
Qualitätssteigerung kommt, ist der Wille der NachfragerInnen, tatsächlich den/die (aufgrund
überprüfbarer oder objektiver Qualitätskriterien) bessere/n AnbieterIn zu wählen und nicht
ausschließlich auf Reputationen zu setzen.126

Konkret auf den Hochschulbereich bezogen, ist anzumerken, dass sich die Definition von
Output schwierig gestaltet, da Forschung und Lehre in verschiedenen Kombinationen
vorhanden sind. Durch die Reformen im Rahmen des Bologna-Prozesses kommt es zwar zur
Vereinheitlichung der Ausbildungsstruktur in Europa, doch ist die Effizienzmessung über die
Disziplinen hinweg weder sinnvoll, noch notwendig. Demgegenüber wäre es sehr wohl ein
aussagekräftiger Ansatz, Fakultäten der gleichen Disziplinen in ihrer Effizienz zu
vergleichen.127

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass es zur effizienten Gestaltung eines
Bildungssystems auch einer dazugehörigen effizienten Politik bedarf. Aufgrund von begrenzter
Zeit und unvollständigen Informationen im politischen Entscheidungsprozess wird häufig nicht
nach optimalen Lösungen gesucht, sondern vielmehr stückweise vorgegangen. Es bestehen
daher Zweifel an der Effektivität dieser externen Bildungsplanung und auch die Effizienz eines
zentral geplanten Bildungssystems scheint gering zu sein. 128

4. Neoliberalismus

Unter dem Neoliberalismus ist eher eine „Doktrin mit mehreren Gesichtern“ zu verstehen als
ein exakt definierter Terminus technicus im wissenschaftlichen Sinn. Den Neoliberalismus gibt
es somit nicht. Während das Entstehen des Begriffs auf die 1930er Jahre als positive
Selbstbezeichnung zurückzuführen ist, wird er spätestens ab Mitte der 1990er Jahre von
KritikerInnen verwendet. Trotz des Fehlens einer eindeutigen Definition besteht eine Einigung
hinsichtlich einiger Kernaspekte. Zentral ist jedenfalls die Ablehnung des Kollektivismus,
worunter der Kommunismus, Marxismus, Sozialismus, aber auch die Sozialdemokratie und
nach dem Zweiten Weltkrieg auch der Keynesianismus sowie der Wohlfahrtsstaat verstanden
werden. Der Neoliberalismus beruht auf der Grundüberzeugung, dass der Markt die
Koordinationsaufgabe prinzipiell besser bewältigen kann als der Staat. Mit anderen Worten wird
Wettbewerb zu einem Axiom neoliberalen Denkens, sodass mehr Markt und weniger Staat,

126
Vgl. Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 46-47.
127
Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007. 137.
128
Vgl. Weizsäcker in Weizsäcker, 6.
-53-

mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung und weniger Regulierung gefordert werden.129


Neoliberalismus bezeichnet hiernach „einen umfassenden, von ökonomischer Selbstregulierung
durch den Markt ausgedehnten Ordnungs- und Entwicklungsentwurf, er basiert auf
Unterordnung weiter gesellschaftlicher Bereiche unter die Dominanz des Marktes und die enge
Begrenzung staatlicher Aufgaben.“130 Aus dem Mund eines Kritikers: „Die neoliberale
Weltformel lautet schlicht: Überlasst alles den Marktkräften und haltet euch an den
Kapitalismus, wenn ihr in der besten aller Welten leben wollt. [...] Neoliberalismus ist der
Totalitarismus des Marktes und er ist inhuman, unsittlich und bei der Lösung der
Zukunftsaufgaben ineffizient. [...] Er zielt auf die Legitimation der globalen Vormachtstellung
der Reichen...“ 131

Der Neoliberalismus ist zunächst also einmal „eine Theorie politisch-ökonomischen Handelns,
die davon ausgeht, dass man den Wohlstand der Menschen optimal fördert, indem man die
individuellen unternehmerischen Freiheiten und Fähigkeiten freisetzt, und zwar innerhalb eines
institutionellen Rahmens, dessen Kennzeichen gesicherte private Eigentumsrechte, freie Märkte
und freier Handel sind. Die Rolle des Staates besteht darin, einen institutionellen Rahmen zu
schaffen und zu erhalten, der solchem Wirtschaftshandeln angemessen und förderlich ist.“ Der
Staat soll nur zur Schaffung von Märkten beitragen und dann in die bereits geschaffenen Märkte
nur minimal eingreifen, da der Staat nicht über ausreichende Informationen verfügt, um die vom
Markt ausgehenden Signale zu interpretieren. Außerdem können mächtige Interessengruppen
die Intervention des Staates beeinflussen und zu ihren Gunsten missbrauchen. 132

Neoliberale DenkerInnen gehen davon aus, dass die Maximierung des gesellschaftlichen
Nutzens durch die Maximierung der Reichweite und Frequenz der Markttransaktionen erreicht
werden kann. Aus diesem Grund wollen sie, dass der Herrschaftsbereich des Marktes auf alle
Felder menschlichen Handelns ausgedehnt wird. Laut Theorie sollte der neoliberale Staat das
individuelle Recht auf Privateigentum stärken, genauso wie den Rechtsstaat und die
Institutionen, welche funktionierende Märkte und freien Handel garantieren. In der Praxis
ergeben sich immer wieder systematische Abweichungen von diesem theoretischen Modell.
Beispielsweise wird die Zwangsgewalt des Staates verstärkt, um die Interessen der
Unternehmen zu unterstützen, die öffentliche Hand trägt einen Großteil des Risikos, während
der private Bereich den Löwenanteil des Profits einstreicht. Die Grenze zwischen Staat und
Unternehmen ist immer durchlässiger geworden. Die Neoliberalisierung hat außerdem eine

129
Rogler, 4-5.
130
Michalitsch zitiert nach Rogler, 5.
131
Zinn zitiert nach Rogler, 5.
132
Harvey, 8-9; 83.
-54-

starke evolutionäre Dynamik entwickelt, sodass die Anpassungsprozesse, die sie erzwingt, von
Ort zu Ort sowie im Lauf der Zeit erhebliche Unterschiede aufweisen.133

Ein neoliberaler Staat ist der Hauptagent einer Politik, die primär auf Privatisierungsprogramme
und eine Kürzung der Staatsausgaben, die für Soziales bestimmt sind, setzt. Selbst Maßnahmen,
die prima facie scheinbar den Unterklassen zugute kommen, können auf lange Sicht negative
Auswirkungen haben. Außerdem wird nach neoliberalem Verständnis alles als Ware behandelt,
da der Ausgangspunkt die Annahme ist, dass sämtliche Allokationsentscheidungen am besten
von den Märkten und Marktsignalen getroffen werden. Dies setzt voraus, dass es eindeutige
Eigentumsrechte an Prozessen, Dingen und sozialen Beziehungen gibt, dass man diese mit
einem Preis versehen und mittels rechtskräftiger Verträge kaufen und verkaufen kann.134
Zurückzuführen ist all dies auf das Faktum, dass der Mechanismus des Marktes über den
Begriff der Ware mit den verschiedenen Elementen der gewerblichen Wirtschaft verzahnt ist.
Waren werden als Objekte definiert, die für den Verkauf auf dem Markt erzeugt werden. Märkte
werden als die tatsächlichen Kontakte zwischen KäuferIn und VerkäuferIn definiert. Es wird
somit angenommen, dass jegliches Erzeugnis der gewerblichen Wirtschaft für den Markt
produziert wird, da es nämlich (nur) dann dem Angebots- und Nachfragemechanismus
unterliegt. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass Arbeit, Boden und Geld
wesentliche Elemente der gewerblichen Wirtschaft sind. Offensichtlich ist aber, dass Arbeit,
Boden und Geld gerade eben keine Waren im technischen Sinn sind, sodass die Behauptung,
dass alles, was gekauft und verkauft wird, zum Zweck des Verkaufes produziert wird,
schlichtweg falsch ist. Die Bezeichnung von Arbeit, Boden und Geld als Ware ist somit völlig
fiktiv. Um die Produktion in Gang zu halten, ist diese Umwandlung „notwendig“ und ist zum
Organisationsprinzip der Gesellschaft geworden.135 Diese Ausführungen betreffend Arbeit,
Boden und Geld gelten ebenso für die Bildung. Bildung wird nach neoliberalistischem Denken
(fiktiv) zu einer Ware umgewandelt, die aber eigentlich nicht für den Verkauf auf dem Markt
produziert wird. Bildung bekommt in Form einer Dienstleistung einen bestimmten Preis
zugeschrieben und wird stets „verkauft“, das heißt entgeltlich angeboten (unabhängig davon,
wer nun die Kosten trägt, das Individuum oder der Staat bzw. die Gesellschaft).
Das Herzstück neoliberaler Theorie ist die Notwendigkeit, kohärente Märkte zu etablieren,
beispielsweise für Arbeitskraft und Geld- also für Dinge, die ganz offensichtlich keine Waren
sind, da sie nicht produziert werden, um verkauft zu werden. Die Bezeichnung von Arbeitskraft
und Geld als Waren ist daher fiktiv. Hinter dieser „simplen Fiktion“ liegt jedoch eine äußerst

133
Harvey, 10; 90; 99.
134
Harvey, 203; 205.
135
Polanyi, 107-108; 111.
-55-

komplexe Realität, die nicht aus den Augen verloren werden darf, da sonst laut Polanyi ein
großer Schaden entsteht („Wenn man den Marktmechanismus als ausschließlichen Lenker des
Schicksals der Menschen und ihrer natürlichen Umwelt, oder auch nur des Umfangs und der
Anwendung der Kaufkraft, zuließe, dann würde dies zur Zerstörung der Gesellschaft
führen.“)136

Wesentliche theoretische Fundamente des Neoliberalismus werden der Neoklassik, der


Chicagoer Schule sowie Schumpeters Unternehmens-Modell entnommen, wobei all diese
Ansätze von der Annahme einer sich selbst regulierenden und steuernden Marktökonomie
ausgehen.137 Im Folgenden soll auf diese Ansätze nur überblicksartig eingegangen werden, um
den LeserInnen ein gewisses Grundverständnis für diese Thematik zu vermitteln.
Die Neoklassik stellt den derzeitigen Mainstream in der Ökonomie dar, wobei die Ökonomie
auf einer Mikroebene gedacht wird und somit aus der Aktivität einzelner erklärt wird. Das
Individuum versucht seinen Nutzen zu maximieren und damit seine Situation zu optimieren. Die
Gesellschaft wird somit als bloße Summe von Individuen gesehen. Dieser Sichtweise folgend,
steigt automatisch der gesellschaftliche Nutzen, wenn der Nutzen einzelner steigt.
Konfligierende Nutzen finden demgegenüber keine Beachtung.138
Die Chicagoer Schule, welche die weltweit dominanteste Denkschule des Neoliberalismus ist,139
betreibt die Universalisierung der Ökonomie, indem sie die Gesamtheit menschlichen
Verhaltens durch die Allokation knapper Ressourcen bei konkurrierenden Zielen beschreibt und
somit auch das Soziale als Form des Ökonomischen redefiniert. Der Markt wird hier zum
regulierenden Prinzip des Staates erklärt, wobei die Gesellschaft im Anschluss an die
Neoklassik als Summe von Individuen betrachtet wird. Zentrale Protagonisten der Chicagoer
Schule sind Friedrich August von Hayek, Milton Friedman und Gary S. Becker.140
Eine der maßgeblichen Thesen von Joseph Schumpeter (1883-1950) besteht in der Trennung
von UnternehmerInnen und KapitalistInnen. Die KapitalistInnen stellen bloß das Kapital zur
Verfügung und übernehmen somit das unternehmerische Risiko. Demgegenüber sind die
UnternehmerInnen zu ökonomischen Führungskräften berufen und führen Innovationen durch,
wodurch der Wirtschaft Dynamik verliehen wird. Die Innovation spielt somit eine zentrale
Rolle. Sie führt zu einer Monopolstellung, die Gewinne mit sich bringt, von anderen imitiert

136
Harvey, 206-207; Polanyi, 108.
137
Rogler, 7.
138
Rogler, 7.
139
Auer, 4.
140
Rogler, 11-12.
-56-

wird und somit neue Produkte, Verfahren, Reorganisationen etc. erfordert.141 Zerstört wurden
die Strukturen und die Macht mancher Institutionen sowie die alten Formen der Arbeitsteilung,
die sozialen Beziehungen und die sozialstaatlichen Regelungen, viele der bis dahin
angewandten Technologien, die Lebensweisen und Denkgewohnheiten, das Freizeitverhalten
etc. Dies bezeichnet Schumpeter als Prozess der „schöpferischen Zerstörung“, den er als
wesentliches Charakteristikum des Kapitalismus ansieht.142

Um die Vielfältigkeit des Neoliberalismus zu verdeutlichen, wird hier noch das dreigliedrige
Modell des Neoliberalismus nach Auer kurz vorgestellt: Die ursprüngliche Idee des
Neoliberalismus war getragen von der Idee eines möglichst freien Marktes, aber auch eines
aktiven Staates, der sich um das soziale Wohlbefinden einer Gesellschaft sorgt. Es wird das
regulierende Eingreifen des Staates zur Sicherstellung funktionierender Märkte als notwendig
anerkannt. Dieser Neoliberalismus der Nachkriegszeit basierte auf der Forderung nach
„Wohlstand für alle“. Die zweite Bedeutungsmöglichkeit, die gegenwärtig am zutreffendsten
ist, geht von einer Ablehnung der sozialen Marktwirtschaft aus, sodass exakt jene Komponenten
des Neoliberalismus, die für ihn ursprünglich elementar waren, heute bekämpft werden und die
Ideologie der radikalen Herrschaft des freien Marktes demgegenüber forciert wird.
Zielsetzungen wie Privatisierung und Deregulierung werden nach diesem Verständnis
kompromisslos verfolgt. KritikerInnen sprechen nicht mehr von dem Motto „Wohlstand für
alle“, sondern vielmehr von der „Wirtschaft, die arm macht“. Die dritte Bedeutung des
Terminus „Neoliberalismus“ präsentiert eine klare Strategie für wirtschaftliches Wachstum,
Chancengleichheit und Fairness, anhand des freien Spiels der Marktkräfte, des Freihandels, von
Liberalisierung, Privatisierung, der positiven Anreizsysteme und der nicht durch behördliche
Schranken behinderten privaten Wirtschaftstätigkeit. Das Wirken des Staates als Unternehmer
wird grundsätzlich abgelehnt, da es zu ungünstigen und unwirtschaftlichen Ergebnissen führe.
Somit wird die Privatisierung von Staatsbetrieben und Staatsbeteiligungen in allen Bereichen
und somit auch in jenem der Bildung gewünscht.143

Zum Schluss soll hier abermals auf ein erklärtes öffentliches Ziel des Neoliberalismus, nämlich
das Wohlergehen aller Menschen, hingewiesen werden. Kritisch gesprochen, ist seine
tatsächliche „Folge“ jedoch die Restauration von Klassenmacht. Dies ist auf viele Widersprüche
zurückzuführen: Beispielsweise soll der Staat einerseits in den Hintergrund treten und den
Marktkräften den Vortritt lassen, andererseits soll er aber auch aktiv für ein gutes

141
Rogler, 11.
142
Rogler, 11.
143
Auer, 2-3; 9-11.
-57-

Geschäftsklima sorgen. Problematisch ist dies hinsichtlich der Sicherstellung der Loyalität
gegenüber den BügerInnen.144

C. Bildung als Gegenstand der Politik

1. Momentaufnahme

a) Internationale Ebene

aa) Internationale Bildungspolitik in Europa vor den Europäischen Gemeinschaften

Bereits vor dem Engagement der Europäischen Gemeinschaften gab es Bestrebungen um eine
europäische Integration durch die und in der Bildung. Eine der nennenswerten Organisationen
ist beispielsweise die UNESCO, die bereits 1945 in ihrer Verfassung niederschrieb, dass
Bildung und Erziehung für ein friedliches zwischenstaatliches Zusammenleben eine wesentliche
Rolle spielen.145 Die Forderung nach lebenslangem Lernen findet ihren Anfang in der Gründung
des UNESCO-Instituts für Pädagogik im Mai 1952, wobei im September 1952 eine Tagung
zum Thema „Die Erwachsenenbildung als Mittel zur Entwicklung und Stärkung des sozialen
und politischen Verantwortungsbewusstseins“ stattfand.146

Die 1948 gegründete OEEC, die seit 1946 die OECD ist, bemüht sich auch weltweit um den
Erfahrungsaustausch bezüglich des Bildungswesens. Der ständige Ausschuss für
Bildungsfragen und das Zentrum für Bildungsforschung und Innovation sind Organe der
OECD.147

1949 wurde der Europarat geschaffen, der auch von Beginn an kulturelle und wissenschaftliche
Anliegen zu seinen Aufgaben zählt.148

Zusammenfassend wird, Tuschling folgend, festgestellt, dass die dreißigjährige Geschichte des
lebenslangen Lernens zugleich eine Geschichte der großen bildungspolitischen AkteurInnen,
besonders der UNESCO, der OECD und der EU, ist, wobei sich in den 1990er Jahren vor allem
die EU die Strategien des lebenslangen Lernens zu Eigen gemacht hat.149

144
Harvey, 101.
145
Seyr, 31.
146
Donauer, 16.
147
Seyr, 32.
148
Seyr, 32.
149
Tuschling in Bröckling/Krasmann/Lemke, 154-155.
-58-

bb) Allgemeines zur EU-Bildungspolitik

In den 1980er und 1990er Jahren wurden innerhalb der EU zwar eine Reihe von Programmen
und Instrumenten zur Förderung von Mobilität im Hochschulbereich entwickelt, doch gab es
darüber hinaus keine europaweite Kooperation, da dieser rechtliche Bindungen wie zum
Beispiel das Subsidiaritätsprinzip entgegengestanden sind.150 Vor dem Bologna-Prozess und der
Lissabonner Strategie stellten Bildung und Weiterbildung daher nur einen Randbereich
innerhalb der EU-Politik dar. 1994 waren bloß 0,8 Prozent der Budgetmittel für den
Bildungsbereich vorgesehen.151 In der Zeit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften
sowie in der ersten Zeit danach erschienen die wirtschaftlich und militärisch wichtigen Faktoren
wie Kohle, Stahl, Atom und Außenhandel offenbar wesentlicher als Wissen. Diese Betrachtung
deckte sich mit der damaligen Macht- und Wirtschaftsstruktur der Mitgliedsstaaten. In den
letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hat diese Struktur jedoch einen stetigen,
grundlegenden Wandel erfahren, da Bildung und Forschung für die Wohlfahrt eines Landes
wesentlich bedeutender geworden sind als Urproduktion und Schwerindustrie.152 Mit den
wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen der stärkeren Integration und Mobilität auf den
Bildungs- und Arbeitsmärkten, die mit dem Bologna- und dem Lissabon-Prozess verbunden
sind, gehen neue Ansätze zur praktischen Umsetzung des lebenslangen Lernens einher.153 Der
Grundtenor ist, dass der Mensch in der EU so gebildet werden soll, dass er sein Leben lang
einsetzbar und ökonomisch verwertbar bleibt. Betont wird also die wirtschaftliche
Zweckdienlichkeit der Qualifikationen der EU-BürgerInnen.154 Die Befassung der EU mit
Bildungsfragen entwickelte sich also aus den praktischen Bedürfnissen der ursprünglichen
Wirtschaftsgemeinschaft. Die Bildungspolitik steht allerdings in einem Spannungsfeld, da auf
der einen Seite die bildungspolitischen Ambitionen der Gemeinschaft und auf der anderen Seite
die besondere Bedeutung dieses Bereichs für die nationalen Identitäten zu verzeichnen sind.155

Zunächst lag der Schwerpunkt der Bildungsökonomie meist auf den Strukturen der
Bildungssysteme. Die Frage der Effizienz der Bildungssysteme gewann erst in den letzten
Jahren an Bedeutung, wobei sich in diesem Zusammenhang immer auch die Frage stellt, ob
Effizienz im Bildungsbereich zu Lasten der Gleichberechtigung bzw. Chancengleichheit

150
BMBWK, 69.
151
Rosc in Erwachsenenbildung in Österreich 3/1994, 2.
152
Seyr, 30-31.
153
BMBWK, 18.
154
Donauer, 36.
155
Stefek, 77.
-59-

erfolgt.156 Aus der Mitteilung der Europäischen Kommission157 vom 8.9.2006 geht hervor, dass
sich Gerechtigkeit und Effizienz sogar gegenseitig verstärken können und dass eine
Qualitätsverbesserung des Bildungssystems nicht unmittelbar mit einer Mittelaufstockung
verbunden sein muss.158

Auch wenn durchaus Fortschritte zu erkennen sind, zeichnen sich das europäische
Bildungssystem, die Bildungsabschlüsse und Qualifikationen durch eine starke Heterogenität
aus, was sich im Hinblick auf die Internationalisierung und zunehmende Mobilität als nicht
unproblematisch erweist. Daher gibt es in der EU Bestrebungen nach der Herstellung einer
besseren Vergleichbarkeit. Es liegen nun seit längerem Klassifikationssysteme für
Bildungsabschlüsse vor, doch kann diesen zum einen nicht entnommen werden, über welche
Kompetenzen die einzelnen Personen verfügen und zum anderen wird auch nicht die Relation
zwischen Kompetenzen und Qualifikationen, das heißt, welche Kompetenzen für bestimmte
Qualifikationen vorliegen müssen, geklärt. Diesbezüglich bedarf es noch weiterer
159
Harmonisierungen. Der Umbruchprozess im europäischen Hochschulwesen ist also noch
nicht abgeschlossen, sondern zeigt vielmehr seine Fortsetzung in einem, wie ihn Seyr
bezeichnet, „Follow-Up-Prozess“.160

Erwähnenswert ist schließlich noch, dass das in Art 18 AEUV verankerte


Diskriminierungsverbot und damit auch der Grundsatz der InländerInnengleichbehandlung von
zentraler Bedeutung in der EU-Bildungspolitik sind. Demnach haben in jedem Mitgliedstaat für
alle EU-BürgerInnen dieselben Bedingungen zu gelten wie für die BürgerInnen des
betreffenden Staates. Jedem Staat steht es grundsätzlich frei, den Hochschulzugang über einen
Numerus Clausus zu regeln, den Hochschulen das Recht auf Eingangsselektion zu verleihen
oder Studiengebühren einzuheben, solange all dies gleichermaßen für „EU-AusländerInnen“
und InländerInnen gilt.161

cc) Sorbonne-Deklaration

Die vier für Bildung und Wissenschaft zuständigen Minister der Staaten Frankreich, Italien,
Großbritannien und Deutschland unterzeichneten am 25. Mai 1998 die Sorbonne-Erklärung.
Diese Deklaration zielt in erster Linie auf die Integration des europäischen Universitätswesens

156
Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 131.
157
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 2.
158
Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 131-132.
159
Vgl. Spiel/Finsterwald/Schober in Westphal/Friedrich, 37.
160
Seyr, 30.
161
Pechar/Keber, 77.
-60-

sowie aber auch des sonstigen postsekundären Bildungswesens ab. Zentral ist die Schaffung
eines „Europas des Wissens“. Die Forcierung von Aufenthalten an Universitäten anderer
europäischer Staaten für Studierende, Graduierte und Lehrende ist ein Eckpfeiler im
Integrationsprozess des Wissens. Bereits damals war das Erreichen einer Erhöhung der
Mobilität im Allgemeinen sowie einer immer enger werdenden Vernetzung und Kooperation
der Mitgliedstaaten das Ziel. In concreto werden in der Sorbonne-Erklärung ausdrücklich das
interdisziplinäre Lernen, die Entwicklung der fremdsprachlichen Kompetenz sowie die
Fähigkeit zur Nutzung neuer Informationstechnologien ausdrücklich hervorgehoben.162 Auf
diese „Gemeinsame Erklärung über die Harmonisierung der Architektur der europäischen
Hochschulbildung“ gehen die Grundsätze des Bologna-Prozesses zurück.163

In der Sorbonne-Erklärung findet auch die Bedeutung der wechselseitigen Anerkennung


postsekundärer Abschlüsse im Hinblick auf die Ausübung reglementierter Berufe Erwähnung.
Klar war auch, dass es einer Kompatibilität der Bildungssysteme bedarf, die nur im Rahmen
einer Harmonisierung erreicht werden kann, welche im Zuge eines Europa umfassenden
Rahmens der akademischen Grade bzw. postsekundären Bildungsgänge gewährleistet werden
soll.164

Ebenfalls wird die Multidisziplinarität der Studien angesprochen, was darauf hindeutet, dass
Einigkeit darüber herrscht, dass sich das insgesamt vorhandene Wissen in kurzer Zeit
vervielfacht und dadurch Wissensgebiete, die früher ein Ganzes gebildet haben, sich immer
mehr in spezialisierte Teilbereiche aufsplittern. Eine rein fachspezifische Berufsvorbildung auf
akademischem Niveau führt häufig zur fachlichen Einseitigkeit und damit zu einer engen
Einsetzbarkeit von AbsolventInnen akademischer Bildungsgänge.165

Ein wesentlicher Effekt der Sorbonne-Erklärung auf Österreich war die Einführung des
Bakkalaureats. Während im Zuge der Einführung des UniStG 1997 in den parlamentarischen
Materialien ein Bakkalaureat noch ausdrücklich ausgeschlossen wurde, wurde es in der Novelle
1999 im Gefolge der Sorbonne-Erklärung eingeführt.166

162
Seyr, 35-37.
163
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 9.
164
Seyr, 37.
165
Seyr, 38-39.
166
Seyr, 41.
-61-

dd) Der Bologna-Prozess

Beim Bologna-Prozess handelt es sich nicht um einen Prozess der EU, sondern vielmehr um
einen freiwilligen Zusammenschluss von ursprünglich 29 BildungsministerInnen, dem
außerhalb der EU-Mitgliedstaaten viele anderen europäische Staaten angehören. Auszugehen ist
davon, dass die Bologna-Erklärung im Juni 1999 vor dem Hintergrund einer sich immer mehr
verstärkenden Verflechtung Westeuropas mit Osteuropa entstand, weshalb sich ihr auch viele
osteuropäische Staaten angeschlossen haben.167 Heute sind 49 Länder Mitglieder dieses
zwischenstaatlichen Reformprozesses, wobei die Mitgliedschaft grundsätzlich allen Ländern
offen steht, die die europäische Kulturkonvention des Europarats unterzeichnet haben und sich
für ihr eigenes Hochschulwesen zu den Zielen des Bologna-Prozesses bekennen.168
Darüber hinaus waren am Entwurf der Bologna-Erklärung auch internationale Organisationen,
wie die Europäische Kommission und der Europarat sowie Vereinigungen von Hochschulen,
RektorInnen und europäischen Studierenden beteiligt.169 Es handelt sich bei der Bologana-
Erklärung, ebenso wie bei der Sorbonne-Erklärung, um eine bildungspolitische, freiwillig
eingegangene Arbeitsverpflichtung europäischer Staaten, wobei die Bologna-Erklärung
zielgerichteter ist als die Sorbonne-Erklärung und somit eher den Charakter eines
Arbeitsprogramms hat, nicht zuletzt deshalb, weil sie einen Zeitraum (bis 2010) für die
Umsetzung ihrer klar ausformulierten Ziele absteckt. Die Bologna-Erklärung selbst ist ein
programmatisches Papier, das auf angestrebte zukünftige Entwicklungen ausgerichtet ist und
eine grundsätzliche, hochschulpolitische Absichtserklärung darstellt. Es handelt sich also nicht
um einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen Einhaltung sanktionierbar wäre.170

Die Bologna-Erklärung entstand vor dem politischen Hintergrund eines weitergehenden


Zusammenwachsens der Mitgliedstaaten sowie von Erweiterungsbestrebungen der Union. Wie
in der Sorbonne-Erklärung wird auch in der Bologna-Erklärung die Bedeutung des
Bildungswesens bzw. der Universitäten für die europäische Integration hervorgehoben. Die
Bologna-Erklärung anerkennt die Akzeptanz der Sorbonne-Erklärung durch verschiedene
europäische Staaten, die sich den Absichten der Sorbonne-Erklärung angeschlossen haben.171

Im Jahr 1999 vereinbarten die europäischen BildungsministerInnen die Umstellung des


postsekundären Bildungssektors auf ein dreistufiges System, nach angloamerikanischem

167
Westphal/Friedrich, 14¸ BMWF 2009, 6.
168
Bologna Prozess <http://www.kmk.org/wissenschaft-hochschule/internationale-hochschulangelegenheiten/
bologna-prozess.html>, 2.7.2011.
169
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 10.
170
Seyr, 29; 35; 55.
171
Seyr, 43.
-62-

Vorbild: Bakkalaureat, Magisterstudium, Doktoratsstudium bzw. PhD-Programm. Ziel dieses


Prozesses ist die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraumes und die Schaffung von
Vergleichbarkeit, um die Mobilität von WissenschafterInnen und Studierenden zu erhöhen,172
wobei dies eine kontinuierliche Dynamik erfordert, die laut Bologna-Erklärung in konkreten
Maßnahmen für spürbare Fortschritte unterstützt werden möge.173 Außerdem wurde die
Unabhängigkeit und Autonomie der Universitäten als Garant für die Anpassung der höheren
Bildung und der Forschungseinrichtungen an sich wandelnde Anforderungen, gesellschaftliche
Notwendigkeiten und Fortschritte der Wissenschaft erkannt.174

Die Bologna-Erklärung aus dem Jahr 1999, in welcher die folgenden Ziele festgesetzt wurden,
brachte den Bologna-Prozess ins Rollen, welcher bis zur Schaffung eines Europäischen Raumes
für Hochschulen andauern wird:

1. Einführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse sowie


die Einführung von „Diploma Supplements“

2. Schaffung eines gestuften Studiensystems (Bachelor und Master/ Promotion)

3. Einrichtung eines Leistungspunktesystems (ECTS) auf der Grundlage von


Lernergebnissen und dem Arbeitspensum

4. Förderungen größtmöglicher Mobilität für Studierende, Lehrende, WissenschafterInnen


und Verwaltungspersonal

5. Förderungen der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung durch die


Erarbeitung vergleichbarer Kriterien und Methoden

6. Förderung einer „europäischen Dimension“ im Hochschulbereich (beispielsweise


hinsichtlich der Curriculumsentwicklung, Zusammenarbeit zwischen Hochschulen
etc.)175

Alle zwei Jahre fand bzw. findet ein Treffen der BildungsministerInnen statt, bei dem Bilanz
über die Fortschritte gezogen und neue Schritte bzw. Prioritäten für die nächsten Jahre gesetzt
wurden bzw. werden.176 Bei der ersten Folgekonferenz in Prag am 19. Mai 2001 trafen sich die
MinisterInnen, um eine Bilanz der bereits erzielten Fortschritte zu ziehen und weitere Ziele zur

172
Pühringer/ Schmidt in Blaha/ Weinholzer, 96.
173
Seyr, 43.
174
Seyr, 43.
175
Spiel/Finsterwald/Schober in Westphal/Friedrich, 42;
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 10.
176
Spiel/Finsterwald/Schober in Westphal/ Friedrich, 42.
-63-

ursprünglichen Bologna-Erklärung hinzuzufügen, sodass sie die Richtungen und die Prioritäten
für die Fortführung des Bologna-Prozesses für die darauf folgenden Jahre absteckten. Sie
bekräftigten insbesondere ihre Entschlossenheit, den Europäischen Hochschulraum bis 2010 zu
verwirklichen und beschlossen, eine Bologna Follow-up-Gruppe einzurichten, die für die
Gesamtleitung und Weiterentwicklung des Bologna-Porzesses zuständig ist. Eine
Schwerpunktsetzung erfolgte in drei Bereichen: Förderung des lebenslangen Lernens,
Mitwirkung der Hochschulen und der Studierenden sowie Steigerung der Attraktivität des
Europäischen Hochschulraums.177

Am 19. September 2003 beteiligten sich bereits 40 Staaten am Bologna-Prozess. Bei diesem
Zusammentreffen beauftragten die MinisterInnen die Bologna Follow-up-Gruppe, detaillierte
Berichte über die Fortschritte und die Umsetzung der mittelfristigen Schwerpunkte und Ziele zu
erarbeiten und eine Zwischenbilanz bis zur Folgekonferenz 2005 vorzubereiten, wodurch der
Bologna-Prozess eine zusätzliche Dynamik erlangte. Essentielle Keywords sind unter anderem
Qualitätssicherung auf institutioneller, nationaler und europäischer Ebene; Anerkennung von
Studienabschlüssen und Studienabschnitten etc. 178

Am 19. und 20. Mai 2005 fand ein Treffen der zuständigen BundesministerInnen in Bergen
statt, um eine „Halbzeitbilanz“ vorzunehmen und die Ziele und Prioritäten bis 2010 zu
definieren sowie um ihre Entschlossenheit zu bekräftigen, die Politiken der Länder im Rahmen
des Bologna-Prozesses zu koordinieren.179 Eine Erweiterung hinsichtlich der Prioritäten erfolgte
beispielsweise um das Ziel der Verstärkung der sozialen Dimension sowie der Schaffung von
flexiblen Lernangeboten im Hochschulbereich, einschließlich der Verfahren für die
Anerkennung früher erworbener Kenntnisse.180

Am 17. und 18. Mai 2007 kamen die MinisterInnen in London zusammen, wo zum ersten Mal
ein Rechtssubjekt im Rahmen des Bologna-Prozesses aufgestellt wurde, nämlich das
Europäische Register für Qualitätssicherung in der Hochschulbildung. Darüber hinaus nahmen
sie unter anderem auch eine Strategie für den europäischen Hochschulraum im globalen Kontext
an und verpflichteten sich, über nationale Maßnahmen zur Beseitigung von

177
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 11;
BMWF 2009, 17.
178
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 11.
179
BMWF 2009, 24; Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 12.
180
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 12.
-64-

Mobilitätshindernissen für Studierende zu berichten.181 Auch wurde die Bedeutung starker


vielfältiger, angemessen finanzierter, unabhängiger und verantwortlicher Hochschulen sowie die
Grundsätze der Nichtdiskriminierung und des gleichberechtigten Zugangs betont.182

Bei der Konferenz am 28. und 29. April 2009 in Leuven zogen die MinisterInnen Bilanz über
den Bologna-Prozess und stellten die Prioritäten für den europäischen Hochschulraum für die
nächsten zehn Jahre auf. Sie anerkannten, dass der europäische Hochschulraum noch nicht
vollständig realisiert ist und setzten die Prioritäten für die nächste Dekade bis 2020 fest. Sie
kamen überein, dass jedes Land messbare Ziele setzen solle, um die Teilhabe an
Hochschulbildung allgemein und die Teilhabe unterreprästentierter gesellschaftlicher Gruppen
besonders bis zum Ende der nächsten Dekade zu erhöhen; dass bis 2020 mindestens 20 Prozent
der Graduierten im Europäischen Hochschulraum eine gewisse Zeit ihres Studiums oder ihrer
Ausbildung im Ausland verbracht haben; dass lebenslanges Lernen und Beschäftigungsfähigkeit
wichtige Aufgaben von Hochschulbildung sind und dass studentenzentriertes Lernen das Ziel
der Lehrplanreform sein sollte.183

Die folgende Zeittafel gibt einen prägnanten Überblick über die inhaltliche Entwicklung des
Bologna-Prozesses innerhalb von einer Dekade:

181
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 12
182
BMWF 2009, 29.
183
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 23.
-65-

Abb. 4: Zeittafel zum Bologna-Prozess184

Die letzte reguläre Ministerkonferenz hat am 26. und 27. April 2012 in Bukarest stattgefunden,
wobei es dort unter anderem auch um die Umsetzung des Kommuniqués von Leuven 2009
gegangen ist.185 Die BildungsministerInnen haben die Fortschritte des Bologna-Prozesses
gewürdigt, aber auch auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung hingewiesen und die Ziele für die
kommenden Jahre definiert. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise
und ihrer teilweise gravierenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen haben
die Ministerinnen und Minister die Bedeutung der Hochschulbildung zur Überwindung der
Krise und zur langfristigen Entwicklung der europäischen Demokratien unterstrichen. Sie
bezeichneten dabei eine möglichst gute finanzielle Ausstattung der Hochschulen als eine
gewichtige Investition in die Zukunft.186

De facto fördert diese Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraumes primär die


Verwertbarkeit von Bildung. Es wurden und werden wirtschaftsnahe und praxisorientierte

184
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 14.
185
Bologna Prozess <http://www.kmk.org/wissenschaft-hochschule/internationale-
hochschulangelegenheiten/bologna-prozess.html>, 2.7.2011.
186
Bologna-Ministerkonferenz Bukarest
<http://www.bbt.admin.ch/aktuell/medien/00483/00594/index.html?lang=de&msg-id=44305>, 19.5.2012.
-66-

Kurzstudien flächendeckend eingeführt, wobei die Studienpläne des neuen dreistufigen Systems
vor allem zwei Entwicklungen zeigen: die Modularisierung und Strukturierung der
Studiengänge sowie die Verschulung derselben.187 Es wurde die Steigerung der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit des postsekundären Bildungssystems gefordert, da sie als bedeutend für
den Stellenwert der europäischen Kultur im internationalen Kontext gesehen wurde.188

Ein wesentliches Keyword im Bologna-Prozess ist auch die „Employability“, welche im


österreichischen tertiären Bildungssystem einerseits als Herausforderung ernst genommen wird,
andererseits jedoch samt den dahinter stehenden Konzepten auch sehr kritisch betrachtet
wird.189

Der Bologna Prozess brachte - wie bereits oben erwähnt - auch die Bewertung von
Studienleistungen nach dem ECTS mit sich. Mithilfe dieser Leistungspunkte wird der
Arbeitsaufwand gemessen, den Studierende für die Erreichung eines bestimmten Lernziels
benötigen.190 ECTS-Credits ergeben sich aus dem Workload (Arbeitspensum), das ein
durchschnittlich Studierender benötigt, um die Lernziele eines bestimmten Studienprogramms
zu erreichen. Bei einem Vollzeitstudium sollen in einem Jahr mindestens 60 ECTS-Credits
erworben werden.191
Pühringer/Schmidt zufolge könnte es künftig durchaus möglich sein, dass verschiedene Module,
in erster Linie jene, die ohnehin praxisorientiert sein sollten, „outgesourced“ und somit den
Universitäten entzogen werden. Die Universität werde zu einem Zertifizierungsorgan
degradiert, das für erbrachte Leistungen ECTS-Punkte vergibt, da bei privaten AnbieterInnen
gelernt werden könne. Dies spare Kosten und schaffe einen freien Markt von zusätzlichen
Bildungsdienstleistungen.192 Ob eine derartige Entwicklung tatsächlich zu verzeichnen sein
wird, gilt es abzuwarten.

Im Anschluss an Jarausch ist festzustellen, dass durch den Bologna-Prozess ein freier Markt für
AkademikerInnen in Europa geschaffen wird, der die Transferierbarkeit der Abschlüsse durch
Vereinheitlichung der Inhalte und Bezeichnungen zur Grundvoraussetzung hat. Ziel ist die
Verbesserung der „globalen Attraktivität“ durch Differenzierung, indem europaweite
Qualitätsstandards eingeführt werden. Der Bologna-Prozess ist aber auch, wie Korsch ihn
bezeichnet, ein klares Effizienz-Steigerungsprogramm, welches universitäre Ausbildungsgänge

187
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 88; 96.
188
Seyr, 43.
189
Schomburg/Flöther/Wolf/Kolb/Guggenberger, 217.
190
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 96.
191
Borgwardt, 32
192
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 97.
-67-

individueller, berufsspezifischer und kürzer gestalten soll, um gesellschaftliche Kosten zu


senken und die AbsolventInnenzahlen zu erhöhen. Summa summarum kann die Funktion des
Bologna-Prozesses also in der Ökonomisierung von Bildung verortet werden.193

Die praktischen Auswirkungen der Bologna-Reformen werden jedoch seit vielen Jahren
kontrovers diskutiert und zum Teil auch hart kritisiert. Folgende Kritikpunkte sind zentral:

• Verschulung des Studiums durch Modularisierung mit zu engen Vorschriften,


• zu hohe Arbeitsbelastung durch enormen Prüfungs-, Zeit- und Leistungsdruck
und zu große Stofffülle,
• mangelnde Qualität der Lehre und zu wenig Betreuung,
• einseitige Ausrichtung des Studiums an ökonomischen Interessen und
„Arbeitsmarktqualifikationen“ unter Vernachlässigung umfassender Bildung in
der Tradition des Humboldtschen Bildungsideals,
• ungenügende personelle und finanzielle Ressourcen der Hochschulen,
• zahlreiche Mobilitätshindernisse im Europäischen Hochschulraum,
• (zu hohe) Zugangshürden für das Master-Studium,
• mangelnde Akzeptanz von Bachelor-Abschlüssen auf dem Arbeitsmarkt,
• Verstärkung sozialer Ungleichheiten (u. a. durch Probleme der
194
Studienfinanzierung).

Abschließend ist hier der Vollständigkeit halber der Kopenhagen-Prozess, der sich auf die
Berufsbildung bezieht, zu erwähnen. Im Moment laufen der Bologna-Prozess und der
Kopenhagen-Prozess weitgehend getrennt, doch besteht durch das ECVET-System, einem
learning–outcome-basierten Punktesystem, die Bemühung die beiden Systeme der beruflichen
und der akademischen Bildung durchlässiger und miteinander kompatibler zu machen. Als
Schwierigkeit ist in diesem Kontext anzusehen, dass die Ziele akademischer Bildung im
klassischen Sinn und die Ziele beruflicher Bildung im klassischen Sinn (noch) nicht
deckungsgleich sind.195

ee) Lissabon Strategie

Mit der Lissabon Strategie, welche ein umfassendes System von zentralen wirtschafts- und auch
gesellschaftspolitischen Zielsetzungen ist, die vom Anspruch her, ein konsistentes System

193
Rogler, 46-47.
194
Borgwardt, 8.
195
Interview 3, 4.
-68-

bilden,196 wurden im Jahr 2000 Investitionen in Bildung zu einem zentralen europäischen


Thema. Im Rahmen der europäischen Initiative zur Koordinierung der Bildungspolitik
(„Bildung 2010“) wurden die finanziellen Aspekte der Bildungspolitik durch ein spezielles
Teilziel („Bestmögliche Nutzung der Ressourcen“) abgedeckt. In concreto bedeutet das, die
Investitionen in die Humanressourcen bei gerechter und effizienter Verteilung der verfügbaren
Mittel zu steigern und damit den offenen Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung zu
erleichtern sowie deren Qualität zu verbessern und die Entwicklung kompatibler
Qualitätssicherungssysteme unter Achtung der Vielfalt in Europa zu unterstützen und die
Potentiale öffentlich-privater PartnerInnenschaften zu entwickeln.197 Dieses Ziel der
„bestmöglichen Nutzung der Ressourcen“ ist in doppeltem Sinn zu betonen: Es müssen die
Ressourcen für das Bildungswesen nicht nur in Abwägung mit anderen gesellschaftlichen
Bereichen, besonders auch wichtiger sozialer Bereiche wie Arbeitsmarkt- und
Beschäftigungspolitik, Gesundheitspolitik oder Absicherung im Alter „bestmöglich“ eingesetzt
werden, sondern die Ressourcen müssen auch innerhalb des Bildungswesens bestmöglich
eingesetzt werden, wobei neben dem gesamten Ausmaß der Ressourcen auch ihre Verteilung
auf die verschiedenen Bereiche des Bildungswesens in Betracht zu ziehen ist.198

Diesen Investitionen in die wissensbasierte Gesellschaft steht der Stabilitäts- und


Wachstumspakt gegenüber, der von den EU-Mitgliedsstaaten solide Staatsfinanzen verlangt.
Außerdem werden die Staaten mit zunehmendem Ausgabendruck durch die Globalisierung und
dem demografischen Trend in Europa konfrontiert. Daher müssen die Staaten eine effiziente
Mittelverwendung sicherstellen.199 Ziel war bzw. ist es, Europa zum attraktivsten Bildungsraum
der Welt zu machen, sodass es in dieser Hinsicht mit den USA konkurrieren kann.200

Als eine Kernbedingung für den Erfolg der erweiterten Lissabonner Strategie wurde die
Modernisierung der europäischen Universitäten, einschließlich ihrer miteinander verknüpften
Aufgaben in Bildung, Forschung und Innovation anerkannt. Ziel soll die Verstärkung der
gesellschaftlichen Rolle der Universitäten in einem Europa mit kultureller und sprachlicher
Vielfalt sein. Erst die europäische Dimension bietet den potentiellen Vorteil an mehr Vielfalt
und intellektuellem Reichtum an Ressourcen sowie Gelegenheit zu Zusammenarbeit und
Wettbewerb zwischen Hochschulen.201 Auch im Hinblick auf den effizienten Einsatz von

196
Chaloupek in Leutner, 63.
197
Lassnigg in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 27-28.
198
Lassnigg in IHS, 30.
199
Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 131.
200
Lassnigg in IHS, 13-14.
201
Mitteilung der Kommission. Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und
Innovation, KOM 2006/208, 2.
-69-

Ressourcen liegt der Fokus auf den Hochschulen und nicht so sehr auf der Berufs- und
Erwachsenenbildung. Begründet wird dies mit der unbestritten großen Bedeutung von
Forschung und Entwicklung für die wissensbasierte Wirtschaft.202
Dennoch sollte die Bedeutung der non-formalen und informellen Bildung insbesondere im
Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht
unterschätzt werden. Häufig fehlt gerade bei der Ausarbeitung derartiger vom formalen Lernen
abweichender Bildungskonzepte die Einbeziehung eines/r wichtigen Akteurs/in, nämlich der
Hochschule. Hierauf wurde bereits mehrfach von europäischen Rektorenkonferenzen
hingewiesen.203
Diese mangelnde Einbeziehung lässt sich darauf zurückführen, dass Hochschulbildung
traditionellerweise eine nationale oder sogar föderale Angelegenheit ist bzw. war und es
vonseiten der Mitgliedstaaten eine große Zurückhaltung hinsichtlich Harmonisierungsstrategien
im Bildungsbereich gab.204

Hinsichtlich der Lissabon-Strategie ist an dieser Stelle schließlich noch kritisch anzumerken,
dass sie eigentlich gar keine Strategie ist, sondern eine Sammlung von meist durchaus achtbaren
Zielsetzungen. Es fehlen jegliche Angaben darüber, durch welche prozesspolitischen
Maßnahmen diese Ziele erreicht werden sollen. Außerdem entsteht durch die Systematik von 14
Indikatoren ein permanenter Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten, der sich in Form von
Ranglisten zeigt. Dieser Wettbewerb lenkt Chaloupek zufolge von einer ernsthaften Diskussion
ab.205

ff) Die Strategie Europa 2020

Das Modell Europa 2020, welches 2010 verabschiedet wurde und somit direkt als eine Art
„Nachfolgeprogramm“ auf die Lissabon Strategie folgt, soll zur Verwirklichung eines
intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums beitragen, neue Arbeitsplätze schaffen
und den europäischen Gesellschaften Orientierung vermitteln. Die Kommission schlägt fünf
messbare Leitziele für die EU-Ebene vor, die bis 2020 verwirklicht und in nationale Ziele
umgesetzt werden sollen, wobei sich eines der Ziele auf den Bereich Bildung bezieht: Im
Bildungsbereich soll das Problem der SchulabbrecherInnen angegangen und die
SchulabbrecherInnenquote von derzeit 15 Prozent auf 10 Prozent reduziert und gleichzeitig der

202
Lassnigg in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 30.
203
Westphal Friedrich, 13.
204
Westphal/Friedrich, 14.
205
Chaloupek in Leutner, 64-65.
-70-

Anteil der Bevölkerung im Alter zwischen 30 und 34, der ein Hochschulstudium abgeschlossen
hat, von derzeit 31 Prozent bis 2020 auf mindestens 40 Prozent gesteigert werden.206

Zentral sind diese drei sich gegenseitig verstärkenden Prioritäten: Es soll intelligentes,
nachhaltiges und integratives Wachstum geschaffen werden. Mit anderen Worten soll nicht nur
eine Entwicklung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft erfolgen, sondern auch
die Förderung einer ressourcenschonenden, ökologischeren und wettbewerbsfähigeren
Wirtschaft sowie die Förderung einer Wirtschaft mit hoher Beschäftigung und ausgeprägtem
sozialen und territorialen Zusammenhalt.207 Im Folgenden soll ein wenig auf das intelligente
und das integrative Wachstum eingegangen werden, da Bildung und Beschäftigung in diesen
beiden Prioritäten eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Ein detaillierter Überblick über die
Strategie Europa 2020 findet sich in Dokument 1 des Annexes.

Bedingungen für intelligentes Wachstum sind unter anderem eine erhöhte Qualität des
Bildungssystems und die Gewährleistung, dass innovative Ideen in neue Produkte und Dienste
umgesetzt werden können, durch die Wachstum und hochwertige Arbeitsplätze entstehen. Die
Mitgliedstaaten sollen zu diesem Zweck beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen den
Hochschulen, der Forschung und den Unternehmen stärken, die Programmplanung gemeinsam
vornehmen, Sorge dafür tragen, dass es eine ausreichende Zahl an HochschulabsolventInnen in
den Bereichen Naturwissenschaften, Mathematik und Ingenieurwesen gibt, den Ausgaben für
Wissenserlangung und –verbreitung auch durch steuerliche Anreize und sonstige
Finanzinstrumente Vorrang einräumen und höhere private Forschungs- und
Entwicklungsinvestitionen fördern, sicherstellen, dass auf allen Ebenen (Vorschule bis
Universität) wirkungsvoll in Bildung investiert wird, die Ergebnisse der Bildungseinrichtungen
verbessern und zu diesem Zweck ein integriertes Konzept entwickeln, in dem jede einzelne
Stufe (Vor-, Grund-, Sekundar-, Berufs- und Hochschule) berücksichtigt wird,
Schlüsselkompetenzen festgelegt werden und mit dem der Schulabbruch eingedämmt wird; die
Offenheit und Bedeutung der Bildungssysteme durch die Einführung nationaler
Qualifikationsrahmen und besser auf den Bedarf der Arbeitsmärkte zugeschnittene
Bildungsergebnisse fördern; und die Berufseinstiegschancen junger Menschen durch integrierte
Maßnahmen, zu denen unter anderem Orientierung, Beratung und Praktika zählen, verbessern.
Die Kommission übernimmt demgegenüber die Integration und den Ausbau der Mobilitäts-,
Hochschul- und Forschungsprogramme der EU (wie ERASMUS, ERASMUS MUNDUS,

206
Mitteilung der Kommission. Europa 2020.Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 2-3; 13.
207
Mitteilung der Kommission. Europa 2020.Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 5.
-71-

TEMPUS und MARIE CURIE) und deren Verknüpfung mit nationalen Programmen sowie
Ressourcen; den Ausbau des Modernisierungsprogramms der Hochschulen (Lehrpläne,
Governance und Finanzierung), auch durch Benchmarking der Hochschulleistung und der
Ergebnisse der Bildungseinrichtungen im globalen Zusammenhang; Förderung der
Anerkennung des nichtformalen und informellen Lernens sowie die Einführung eines Rahmens
für die Beschäftigung junger Menschen, mit dem deren Arbeitslosigkeit abgebaut werden
soll.208

Durch integratives Wachstum sollen die Menschen durch ein hohes Beschäftigungsniveau,
Investitionen in Kompetenzen, die Bekämpfung von Armut, die Modernisierung der
Arbeitsmärkte, der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Sozialsysteme zur
Antizipation und Bewältigung von Veränderungen sowie zur Schaffung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts befähigt werden. Zentral ist, dass allen Menschen Zugangsmöglichkeiten und
Chancen über ihr gesamtes Leben hinweg geboten werden.209

gg) Bildungsprogramme der EU

1976 wurde das erste Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der
Bildung geschaffen. 1980 hat die europäische Hochschulpolitik einen Aufschwung genommen,
indem das Europäische Bildungsinformationsnetz EURYDICE geschaffen wurde. Seit 1995 ist
dieses Teil des SOKRATES-Programmes, wodurch es über eine solidere Rechtsgrundlage
verfügt. EURYDICE ist ein Informationsnetz, das den Informations- und Erfahrungsaustausch
zwischen den bildungspolitischen EntscheidungsträgerInnen fördert und die AkteurInnen des
europäischen Bildungswesens mit Informationen versorgt. Es geht um die Schaffung von
vergleichbaren Niveaus und nicht um eine zwangsweise Vereinheitlichung.210

Das Programm SOKRATES, in welches die früheren Programme ERASMUS, LINGUA,


COMETT und PETRA eingeflossen sind, beruht auf Art 126 des Maastrichter Vertrags und hat
ursprünglich drei Bereiche beinhaltet: die Hochschulbildung, die Schulbildung und
bereichsübergreifende Maßnahmen zur Förderung von Fremdsprachenkenntnissen, des offenen
Fernunterrichts, von Informationen und des Erfahrungsaustausches. Als übergeordnete und
umfassende Zielsetzungen dieses Programms galten ursprünglich die Verzahnung von
allgemeiner und beruflicher Bildung, das politische Konzept des lebenslangen Lernens,

208
Mitteilung der Kommission. Europa 2020.Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 14-16.
209
Mitteilung der Kommission. Europa 2020.Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 21.
210
Seyr, 32.
-72-

koordinierte Aktionen in den Bereichen der fremdsprachlichen Ausbildung, offener


Fernunterricht, Bildungs- und Berufsberatung sowie Hochschulen als zentrale AkteurInnen der
Kooperationsmaßnahmen im Bildungsbereich; sie sollten eine Schlüsselfunktion bei der
Entwicklung der Weiterbildung haben.211

Das Programm lebenslanges Lernen (2007 bis 2013), welches Maßnahmen zur Förderung der
allgemeinen und beruflichen Bildung umfasst und dazu beitragen soll, dass sich die EU zu einer
fortschrittlichen Wissensgesellschaft mit nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung, mehr und
besseren Arbeitsplätzen und größerem sozialem Zusammenhalt entwickelt, besteht aus den vier
sektoralen Programmen COMENIUS, ERASMUS, LEONARDO DA VINCI und
212
GRUNDTVIG. Dass Bildung auf der EU-Ebene Gegenstand der Politik war und ist, ist
eindeutig an den eben erwähnten vier Säulen des EU-Bildungsprogramms zu erkennen: 213

Abb. 5: Überblick über das EU-Bildungsprogramm214

Die Programme werden für einen vorher festgelegten Zeitraum beschlossen, evaluiert und in
Form einer neuen Programmgeneration weitergeführt. Die Ziele der Bildungsprogramme
werden auf die aktuellen Entwicklungen und die neuen Herausforderungen im Bildungs- und
Wissenschaftsbereich abgestimmt. Die Evaluierungen der abgeschlossenen Programme haben
bestätigt, dass sie zur Erreichung ihrer definierten Ziele und damit zur Entwicklung einer
fortschrittlichen Wissensgesellschaft mit nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung, mehr und
besseren Arbeitsplätzen und größerem sozialen Zusammenhalt beigetragen haben.215

Das Programm COMENIUS richtet sich an die Lehr- und Lernbedürfnisse aller Beteiligten in
der Vorschul- und Schulbildung bis zum Ende des Sekundarbereichs II sowie an Einrichtungen
und Organisationen, die entsprechende Bildungsgänge anbieten. Im Rahmen von COMENIUS
sind sowohl die Mobilität von Einzelpersonen als auch länderübergreifende
216
PartnerInnenschaften zwischen Schulen möglich.

211
Rosc in Erwachsenenbildung in Österreich 3/1994, 3.
212
BMWF 2008, 295.
213
BMUK/BMWF, 172.
214
BMUK/BMWF, 172.
215
BMWF 2008, 292.
216
BMUK/BMWF, 173.
-73-

Das Programm ERASMUS, dessen Teilnahmegrundlage die EUC ist, welche auf Antrag einer
Hochschuleinrichtung von der Europäischen Kommission verliehen wurde (Bis zum Studienjahr
2006/2007 haben bereits 83 österreichische Institutionen eine EUC erhalten, darunter alle
Universitäten.),217 läuft unter dem Motto „Studieren ohne Grenzen“. Die Mobilität von
Studierenden, Lehr- und Verwaltungspersonal an den Hochschuleinrichtungen soll gefördert
werden.218 Die Aktion richtet sich auch an nicht-universitäre Hochschuleinrichtungen und
erstreckt sich auf Studiengänge für Postgraduierte, wobei jede Hochschule ihre ERASMUS-
Tätigkeiten in einem mit der Europäischen Kommission geschlossenen Vertrag
zusammenfasst.219 Wie aus der folgenden Grafik gut ersichtlich ist, kann von einer stetig
steigenden Studierendenmobilität innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte gesprochen werden,
wobei seit Beginn der Teilnahme Österreichs am ERASMUS-Programm bereits 47.000
österreichische Studierende einen ERASMUS-Auslandsaufenthalt genützt haben.220 Es kann
aber nicht einfach jeder Studierende in ein ERASMUS-Austauschprogramm kommen, da es
eines Hochschulkooperationsabkommens mit der Austauschuniversität im EU-Ausland
bedarf.221 Derzeit kann dieses Mobilitätsangebot pro Studierenden auch bloß einmal in
Anspruch genommen werden. Was die Mobilität betrifft, gehört die größte Universität
Österreichs, die Universität Wien jedoch zu den „Spitzenreitern“ in Europa, wobei sich die Out-
Going und In-Coming-Zahlen in etwa die Waage halten.222

217
BMWF 2008, 293.
218
BMUK/BMWF, 174.
219
Pütz in Lechner/Pöggler, 236.
220
BMWF 2008, 295.
221
Pütz in Lechner/Pöggler, 236.
222
Interview 3, 9-10.
-74-

Abb. 6: Österreichische Erasmus-Studierenden Mobilität 1992/93 bis 2007/08223

Diese steigende akademische Mobilität bringt jedoch nicht nur einen beispielsweise für die
Qualitätssicherung positiven innereuropäischen Wettbewerb mit sich, sondern birgt auch
Probleme in sich, die unter anderem auf die Motive der Studierenden für ein Auslandsstudium
zurückzuführen sind. Im Wesentlichen ist zwischen den folgenden drei Motiven zu
unterscheiden: Eine Gruppe von Studierenden sieht einen längeren Auslandsaufenthalt als einen
Gewinn, da man eine Sprache erlernt, seinen Horizont erweitert, Auslandskontakte knüpft etc.
Eine andere Gruppe will eine Eliteuniversität mit internationalen Reputationen besuchen,
während die dritte Gruppe in ein anderes Land ausweicht, weil sie im eigenen Staat keinen
Studienplatz bekommt. Letzteres Motiv wird als Belastung empfunden, da sich viele „Numerus-
Clausus-Flüchtlinge“, speziell aus Deutschland, wo auch die Sprachbarriere wegfällt, die
freizügigen Zugangsbestimmungen des österreichischen Hochschulsystems zunutze machen.
Österreich ist nämlich eines der wenigen europäischen Länder, das seinen Hochschulen
grundsätzlich weder ein Recht auf Eingangsselektion verleiht noch zentral administrierte
kapazitätsorientierte Zugangsbeschränkungen kennt. Daher ist die Einführung diverser
Zugangsbeschränkungen, die gleichermaßen für alle EU-StaatsbürgerInnen gelten, ein stets
brisantes politisches und mediales Diskussionsthema.224

Das folgende Organigramm bestätigt die Vielzahl jener BildungsausländerInnen, deren


Muttersprache Deutsch ist. Von den 16 Prozent aller BildungsausländerInnen haben nämlich 61

223
BMUK/BMWF, 174.
224
Pechar/Keber, 77-78.
-75-

Prozent Deutsch als Muttersprache. Aus diesen Daten lässt sich gewiss nicht das bereits
angesprochene Klischee der „Numerus-Clausus-Flüchtlinge“ bestätigen, da aus dem
Organigramm nicht die Intuitionen der BildungsausländerInnen für ein Studium in Österreich
abgelesen werden kann. Was demgegenüber aber jedenfalls zum Ausdruck kommt, ist, dass das
Wegfallen der Sprachbarriere offensichtlich ein Kriterium für die Entscheidung für ein Studium
deutschsprachiger BildungsausländerInnen in Österreich ist. Ob dies tatsächlich dem
Verständnis von Mobilität und der Schaffung eines Europäischen Hochschulraumes entspricht,
sei dahingestellt.

Abb. 7: In- und ausländische Studierende an Universitäten,


FHs sowie Migrationshintergrund, 2009225

LEONARDO DA VINCI fördert die Berufsbildung und damit die europäische Zusammenarbeit
und grenzüberschreitende Berufspraktika in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Außerdem
wird für Institutionen die Möglichkeit geschaffen, an ausbildungs- und berufsbezogenen
PartnerInnenschaften mit anderen europäischen Institutionen teilzunehmen. Darüber hinaus
werden die Innovationsentwicklung und der Innovationstransfer durch multilaterale Projekte
ermöglicht.226

225
BMUK 2009, 14.
226
BMUK/BMWF, 174.
-76-

Spezifische Ziele des Programms GRUNDTVIG sind die Bewältigung der durch die Alterung
der Bevölkerung in Europa entstehende Bildungsherausforderungen und die Unterstützung der
Bereitstellung von Möglichkeiten für Erwachsene, ihr Wissen und ihre Kompetenzen
auszubauen. Zu den operativen Zielen zählen unter anderem die Verbesserung von Qualität und
Zugänglichkeit einer europaweiten Mobilität von an der Erwachsenenbildung beteiligten
Personen sowie die Verbesserung und die Ausweitung des Umfangs der Zusammenarbeit
zwischen den an der Erwachsenenbildung beteiligten Einrichtungen Europas.227

Abschließend wird hier noch auf ein Kooperations- und Mobilitätsprogramm im Bereich der
Hochschulbildung ERASMUS MUNDUS (2004 bis 2008) bzw. ERASMUS MUNDUS II
(2009-2013) eingegangen. Ziele des ursprünglichen Programms waren die Steigerung der
Attraktivität der europäischen Hochschulen für Graduierte und Lehrende aus Drittstaaten,
Förderung der Verflechtung zwischen europäischen Hochschulen und den Hochschulen aus der
ganzen Welt, um so eine bessere Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandortes
Europa zu erreichen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass das Programm vier Aktionen umfasst
hat: Aktion 1 – Erasmus Mundus Masterstudiengänge, Aktion 2 – Stipendienprogramme,
Aktion 3 - Partnerschaften, Aktion 4 - Steigerung der Attraktivität.228
Ebenso soll mit ERASMUS MUNDUS II die Attraktivität der europäischen Hochschulen für
Graduierte und Lehrende aus Drittstaaten gesteigert werden; eine bessere Qualität und
Wettbewerbsfähigkeit des Studierendenstandortes Europa durch Förderung der Verflechtung
zwischen europäischen Hochschulen und den Hochschulen aus der ganzen Welt soll erreicht
werden. Die spezifischen Ziele gestalten sich wie folgt: Es soll die strukturierte
Zusammenarbeit zwischen Hochschuleinrichtungen und eines qualitativ hochwertigen
Bildungsangebots im Bereich der Hochschulbildung mit einem ausgeprägten europäischen
Mehrwert gefördert werden, das sowohl innerhalb als auch außerhalb der Grenzen der EU
attraktiv ist, um Exzellenzzentren zu schaffen. Weiters soll ein Beitrag zur gegenseitigen
Bereicherung der Gesellschaften und zu diesem Zweck der Ausbau der Qualifikationen von
Männern und Frauen geleistet werden, damit sie über insbesondere an den Arbeitsmarkt
angepasste Fähigkeiten verfügen, aufgeschlossen sind und internationale Erfahrungen besitzen,
indem zum einen die Mobilität der begabtesten Studierenden und AkademikerInnen aus
Drittstaaten gefördert wird, damit sie in der Union Qualifikationen erwerben und/oder
Erfahrung sammeln und zum anderen die Mobilität der begabtesten europäischen Studierenden
und AkademikerInnen in Richtung von Drittstaaten gefördert wird. Darüber hinaus soll die

227
Fichtinger, 99-100.
228
BMWF 2008, 297-298.
-77-

Entwicklung der Humanressourcen und die Fähigkeit zur internationalen Kooperation von
Hochschuleinrichtungen in Drittstaaten durch erhöhte Mobilitätsströme zwischen der EU und
Drittstaaten unterstützt werden und der Zugang zur europäischen Hochschulbildung und die
Verbesserung ihres Profils und ihrer Sichtbarkeit in der Welt sowie die Steigerung ihrer
Attraktivität für Staatsangehörige aus Dritt- und europäischen Staaten erleichtert werden. Der
Vollständigkeit halber sei auch darauf hingewiesen, dass dieses Programm drei Aktionen
umfasst.: Aktion 1 - Master- und Doktoratsprogramme, Aktion 2 - Erasmus Mundus
PartnerInnenschaften zwischen europäischen Hochschuleinrichtungen und
Hochschuleinrichtungen in Drittstaaten als Basis für strukturierte Zusammenarbeit, Austausch
und Mobilität auf allen Ebenen der Hochschulbildung, einschließlich eines
Stipendienprogramms und Aktion 3 - Förderung der europäischen Hochschulbildung durch
Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der europäischen Staaten als Ziel für ein
Hochschulstudium und Zentrum weltweiter Exzellenz.229

b) Nationale Ebene

aa) Allgemeines

In den nachfolgenden Unterkapiteln wird herausgearbeitet, wie sich die Bildungspolitik in der
österreichischen Parteienlandschaft entwickelt hat und inwiefern Bildung Gegenstand der
Politik und damit auch Thema in den Parteiprogrammen der grundlegenden fünf Parteien
Österreichs, nämlich dem BZÖ, der FPÖ, der Grünen, der ÖVP und der SPÖ, ist sowie welche
„Bereiche“ des weiten Themas Bildung Gegenstand der Politik sind. Ziel soll an dieser Stelle
noch nicht die Herausarbeitung der Motive und Intuitionen der politischen
EntscheidungsträgerInnen dafür sein, warum Bildung Gegenstand der Politik ist, sondern es
sollen vielmehr die spezifischen Bereiche des breiten Feldes „Bildungspolitik“, welche die
Parteien insbesondere im Hinblick auf universitäre Bildung thematisieren, herausgearbeitet,
zusammengefasst und verglichen werden. Die folgende Übersicht, soll einerseits die LeserInnen
zum Nachdenken anregen, indem sie vielleicht etwaige Divergenzen zwischen den hier
besprochenen Parteiprogrammen und den Vorgehensweisen der Parteien in praxi erkennen.
Andererseits soll insbesondere die von der Verfasserin im ersten Fragenkomplex aufgestellte
Hypothese besser nachvollziehbar werden.

229
Erasmus Mundus II- Das Programm
<http://www.bmwf.gv.at/startseite/studierende/studieren_im_europaeischen_hochschulraum/eu_bildungsprogram
me/erasmus_mundus_ii/das_programm/>, 19.5.2012.
-78-

Einführend sei hier noch angemerkt, dass Bildungsmaßnahmen nach und nach zum politischen
Mittel demokratischer Gesellschaften geworden sind. Bildungsangebote gelten somit als Hilfe
zur Beantwortung diverser gesellschaftlicher Probleme wie Arbeitslosigkeit, Integration von
Ausländern etc. Mit Bildung soll eine Antwort auf Probleme gefunden werden, die ganz andere
Ursachen oder VerursacherInnen haben, sodass es immer wichtiger wird, festzustellen, ob
Bildungsmaßnahmen überhaupt adäquate Reaktionen auf die anstehenden Probleme sind.230 Das
„Tempo“ der AkteurInnen im Bereich der Bildungspolitik ist jedoch langsam, da
Partikularinteressen oftmals vorrangig gegenüber der Sicht des Ganzen sind.231
Im Kontext der vorliegenden Arbeit gilt dies vor allem im Hinblick auf die soziale Ungleichheit
und die Marginalisierung der (wissenschaftlichen) Weiterbildung, die durch entsprechende
Bildungsangebote überwunden oder zumindest reduziert werden sollen.

bb) Lagerdenken und Bildungsreform in Österreich

Die bildungspolitische Diskussion in Österreich ist durch einen hohen Grad an ideologischer
Polarisierung gekennzeichnet. In kaum einem anderen Politikfeld hat sich das parteipolitische
Lagerdenken so lebendig gehalten wie in der Bildungspolitik. Die früher unversöhnlich
erscheinenden Gegensätze sind längst einem pragmatischen Interessensabtausch gewichen.
Ganz anders in der Bildungspolitik. Hier hat sich in den aktuellen Debatten seit den
Konfrontationen der 1960er Jahre wenig geändert.232 Die enge Verbundenheit und
Verflechtung, insbesondere der SPÖ und ÖVP, mit den Verbänden führen zu dieser
ausgeprägten Lagerbildung. Auch das BZÖ, die FPÖ, und die Grünen verändern die Situation
nicht, selbst wenn ihre Anbindung an die Verbände weitaus schwächer ist, da sie entsprechend
ihrer politischen Koalitionspräferenz nur die Lager der beiden großen Parteien verstärken.233
Dieses Lagerdenken hat sich nicht vorteilhaft auf die bildungspolitische Entwicklung
ausgewirkt. Bildungsreformen waren immer dann erfolgreich, wenn es gelungen ist, die
ideologische Kluft partiell und wenigstens für kurze Zeit zu überbrücken. Auch wenn es in den
1970er Jahren Annäherungen der beiden Allianzen in Form von Kompromissen gab, wurde
dieser Konsens in den Folgejahren brüchig und es kam zu einer neuerlichen Polarisierung. Die
ÖVP tritt dafür ein, dass die gehobenen Bildungswege sozial exklusiv gehalten werden, um die
bildungsbürgerliche Klientel von der von unten nachdrängenden Konkurrenz zu schützen.
Demgegenüber stimmt die SPÖ gegen zahlreiche Reformmaßnahmen zur Anpassung des

230
Dvořak/Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1993, 2.
231
Sorger, Veit: Studienplätze beschränken oder ausweiten <http://derstandard.at/1330390309638/Industrie-und-
Bildung-Studienplaetze-beschraenken-oder-ausweiten>, 5.3.2012.
232
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 73.
233
Vgl. Albers, 325.
-79-

Tertiärsektors an die Rahmenbedingungen eines Massenhochschulsystems, wobei der Intention


nach diese Politik die Interessen der sozial schwachen und bildungsfernen Gruppen vertritt. Da
die ÖVP an ihrer kompromisslosen Haltung der konservativen Schulpolitik festhält, hält auch
die SPÖ im Wesentlichen an ihren traditionellen Positionen in der Hochschulpolitik fest.234
Hinsichtlich des Hochschulzugangs teilen sich die Lager auch ganz klar in BefürworterInnen
(ÖVP und FPÖ) und GegnerInnen (SPÖ und Grüne).235

Vereinfacht dargestellt, gestaltet sich der Gegensatz von Chancengerechtigkeit und


Elitenbildung wie folgt: Die links der Mitte angesiedelten politischen Kräfte drängen auf die
Inklusion bildungsferner Schichten in jene Bildungsstufen, von denen diese ausgeschlossen
sind. Dem steht die Sorge der konservativen Parteien gegenüber, dass weitere Inklusionsschritte
zu Qualitätsverlusten im Bildungssystem führen könnten.236

Im 19. und auch im frühen 20. Jahrhundert wurde der Gegensatz von Masse und Elite im Sinne
eines Nullsummenspiels interpretiert, man musste sich zwischen Inklusion oder Exzellenz
entscheiden, denn es sei ausgeschlossen, beides simultan zu erreichen. Während konservative
Ideologien von der Überzeugung geprägt waren, dass die herrschende Klasse ihre Position nur
halten kann, wenn sie keine Form der Bildung erlaubt, welche die Klassenschranken verwischt,
und die große Masse der arbeitenden Bevölkerung ihre subalterne Position als naturgegeben
hinnimmt, damit eine soziale Stabilität möglich ist, war aus der Sicht der Linken eine Besserung
der Lage nur durch eine Beseitigung der Klassengesellschaft möglich. Die Bildungsschicht
wurde als Teil des Herrschaftssystems betrachtet, aber die kollektive Intelligenz der Massen,
welche von den Linken betont wurde, könne sich freilich erst in einer klassenlosen Gesellschaft
voll entfalten.237

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Ideologie des Klassenkampfes von der „sozialen
Marktwirtschaft“ abgelöst, in welcher der Interessensausgleich von ArbeitgeberInnen und
ArbeitnehmerInnen zentral war. In der Bildungspolitik blieb jedoch der ideologische Ballast aus
den Zeiten des Klassenkampfes erhalten. Es dominieren in beiden Lagern Paradigmen, die in
wesentlichen Fragen im Widerspruch zur Logik einer funktional differenzierten Gesellschaft
stehen.238

234
Vgl. Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 73-74.
235
Albers, 321.
236
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 74.
237
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 75-76.
238
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 76.
-80-

cc) Bildung als Thema in den Programmen der österreichischen politischen Parteien

Die SPÖ sieht Bildung und Ausbildung als grundlegende Elemente einer Kultur des
Zusammenlebens und der Toleranz sowie zugleich als zentrale Voraussetzung, den
Lebensstandard auch unter den Bedingungen weltweiten Wettbewerbs zu halten. Ziel sei ein
Bildungssystem, das im Zusammenwirken mit Wirtschafts- und Sozialpolitik dazu beiträgt,
soziale Gerechtigkeit, Solidarität und aktive Mitgestaltung von politischen Prozessen zu
fördern. Stark betont wird von der SPÖ auch die Gewährleistung der Chancengleichheit, sodass
es als Ziel gilt, Behinderungen des gleichen Zugangs zu den Bildungseinrichtungen und ihre
Inanspruchnahme durch ökonomische, soziale, geografische, geschlechtsspezifische, sprachlich-
kulturelle oder andere Hürden oder Vorurteile zu beseitigen.239
Spezifisch auf den Hochschulbereich bezogen, tritt die SPÖ insbesondere für ein System ein,
dass Durchlässigkeit sichert und damit die individuellen Interessen bestmöglich verfolgt und die
Möglichkeiten der Studierenden im Interesse der Gesellschaft optimal genützt werden können.
Die SPÖ ist für einen offenen Hochschulzugang sowie die Autonomie von Universitäten,
fordert aber zugleich auch eine Einbettung in die Gesellschaft. Sie tritt für einen ständigen
Prozess der Qualitätskontrolle ein, der sicherstellt, dass den AbsolventInnen optimale Chancen
ermöglicht werden.240

Die ÖVP ist in ihrem Parteiprogramm der Ansicht, dass Bildung dem Menschen ein
begründetes Weltbild und Wertesystem vermittle, die ihn zu kritischer Weltbetrachtung, zu
verantwortlicher Entscheidung sowie zur Ausgewogenheit von persönlichem Lebensglück und
Gemeinwohl befähigen. Der Staat habe für wertbezogene Bildungsziele, für die Schaffung der
gesetzlichen Rahmenbedingungen der Bildungseinrichtungen, für die finanziellen Mittel und für
professionell ausgebildete LehrerInnen zu sorgen. Die Verschiedenheit der Menschen, die sich
in unterschiedlicher Begabung, Leistungsfähigkeit und Muttersprache ausdrückt, erfordere die
Anpassung des Bildungsangebotes an diese Verschiedenheit. 241
Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen staatlichen und privaten BildungsträgerInnen
bedürfe eines Systems von verbindlichen und kontrollierbaren Qualitätsstandards. Neue
Finanzierungsverfahren (wie zum Beispiel ein Bildungsgutschein) sollten erprobt werden. Das
staatliche Bildungswesen müsse nach den Prinzipien von Subsidiarität, Autonomie und
Effizienz aufgebaut werden. Im Mittelpunkt stehe die einzelne Bildungseinrichtung, die sich

239
SPÖ. Das Grundsatzprogramm <http://www.spoe.at/bilder/d251/spoe_partei_programm.pdf>, 9.1.2011, 21-22.
240
SPÖ. Das Grundsatzprogramm <http://www.spoe.at/bilder/d251/spoe_partei_programm.pdf>, 9.1.2011, 23.
241
ÖVP. Grundsatzprogramm <http://www.oevp.at/download/000298.pdf> , 9.1.2011, 22.
-81-

selbstverantwortlich die wissenschaftlichen, pädagogischen, personellen und finanziellen


Ressourcen organisiere.242
Angesprochen wird seitens der ÖVP auch die Gewährleistung der größtmöglichen
Chancengerechtigkeit durch einen leistungsbezogenen offenen Zugang zu den
Bildungseinrichtungen. Universitäten haben den StudentInnen die Möglichkeit zu geben, in
selbstständiger Arbeit eine qualifizierte wissenschaftliche oder künstlerische Ausbildung zu
erwerben. Universitäten seien der Ort, wo in Unabhängigkeit und Freiheit des Forschens und
des Lehrens die gesamte Lebenswelt der Erkenntnis und der Sprache eröffnet werde.243
Die ÖVP spricht als einzige der hier angeführten Parteien explizit die Weiterbildung in einem
gesonderten Punkt an. Da dieser im Kontext der vorliegenden Arbeit grundlegend ist, wird er im
Folgenden wörtlich angeführt: „Die dauernden und tiefgreifenden Veränderungen in der
Arbeitswelt verursachen stets neue Qualifikationsanforderungen. Weder eine praktische noch
eine akademische Erstausbildung garantieren eine erfolgreiche Berufsausübung oder einen
dem-entsprechenden Arbeitsplatz. Daher gewinnt die berufsbezogene Weiterbildung an
Bedeutung. Arbeitsmarkt und Bildungssystem müssen stark miteinander verbunden sein. Das
soll auch die Rückkehr der Eltern ins Berufsleben nach der Familienphase erleichtern.“ 244

Die Grünen sehen Bildung als zentrale Voraussetzung für eine selbstbestimmte Gestaltung des
Lebens sowie für ein verantwortungsvolles, solidarisches Miteinander in der demokratischen
Gesellschaft. Erst Bildung ermögliche die Entwicklung zu emanzipierten, freien, kritischen
Menschen. Um die Chancen aller so weit wie möglich anzugleichen und das Grundrecht auf
Bildung zu garantieren, müssen finanziell schwächere Gruppen gefördert werden, um soziale
Ungleichheiten zu reduzieren, sodass auch Studiengebühren abzulehnen seien, da sie den
Zugang einkommensschwächerer Schichten zu Bildungseinrichtungen erschweren. Öffentliche
Bildung habe auch dem Druck der Wirtschaft nach Verwertbarkeit verschiedener (Aus-)
Bildungen entgegenzuwirken und ein Zurückdrängen nicht unmittelbar am Arbeitsmarkt
verwertbarer und ökonomische nützlicher Fächer zu verhindern. 245
Universitäre (Aus-)Bildung im Speziellen solle berufsunabhängige wie berufsbezogene
interdisziplinäre Sichtweisen einüben und daher neben aller Spezialisierung ganzheitliche
Betrachtungsweisen vermitteln. Um die Qualifikationsprofile von AbsolventInnen zu
verbessern, müssen sich Studienpläne an einem umfassenden Bildungskonzept orientieren,
allgemeine Bildungsziele berücksichtigen und Schlüsselqualifikationen vermitteln. Zeitgemäße

242
ÖVP. Grundsatzprogramm <http://www.oevp.at/download/000298.pdf> , 9.1.2011, 22.
243
ÖVP. Grundsatzprogramm <http://www.oevp.at/download/000298.pdf> , 9.1.2011, 22-23.
244
ÖVP. Grundsatzprogramm <http://www.oevp.at/download/000298.pdf> , 9.1.2011, 24.
245
Grundsatzprogramm der Grünen <http://www.gruene.at/partei/grundsatzprogramm/>, 9.1.2011, 40-42.
-82-

Didaktik, team- und problemorientiertes Lernen erfordern bessere Betreuungsverhältnisse


zwischen Lehrenden und Studierenden. Dies sei auch ein Beitrag zu Verkürzung von
Studienzeiten.246

Die FPÖ betont zwei „Funktionen“ der Bildung besonders, nämlich dass sie einerseits „eine
entscheidende Voraussetzung für die Existenzsicherung des Einzelnen“ darstelle und
andererseits dass sie „für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen
Wirtschaft“ bedeutsam sei. Der Staat habe das Grundrecht auf Bildung sicherzustellen, aber
dennoch seien private Einrichtungen zu unterstützen, da nur so ein qualitätsfördernder
Wettbewerb möglich sei. Darüber hinaus wird zwar festgehalten, dass das Bildungssystem jeder
sozialen Schicht offen stehen müsse, aber dennoch bestünde die Forderung nach einer breit
gefächerten Begabtenförderung.247
Bezüglich der Gewährleistung des freien Zugangs zu den Universitäten nimmt die FPÖ Stellung
wie folgt: „Forschungsorientierte Lehre soll der hochqualifizierten Ausbildung für die
Forschung und für bestimmte Berufe dienen wie auch dem Wissenserwerb an sich. In diesem
Sinne haben die Universitäten dreierlei Lehraufgaben wahrzunehmen, wie dies vor Einsetzen
der Massenuniversität vielfach der Fall war: Wissensvermittlung in der Form des bloßen
Studiums ohne große Prüfungen mit Abschlußbescheinigung; gezielte Berufsausbildung in der
Form des Studiums mit spezifischen, theoretischen und zum Teil auch praktischen Prüfungen
(Magisterium); Wissenschaftsausbildung in der Form des Studiums mit theoretischen Prüfungen
sowie wissenschaftlicher Arbeiten (Doktorat). Durch die Möglichkeit, schon während des
Studiums berufsspezifische Prüfungen ablegen zu können, soll eine wesentliche Verringerung
der Gesamtausbildungszeiten für akademische Berufe erreicht werden.“248

Das BZÖ sieht Bildung unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens, welches
umfangreiche Chancen und Möglichkeiten für die Zukunft sichert. Es werden Zugeständnisse
hinsichtlich der Notwendigkeit der Reformbedürfnisse des Bildungswesens angestellt. Jede
Universität solle ihre Studien so organisieren, dass für alle Studierende ein schnelles und
zügiges Durchlaufen des Studienplans gewährleistet sei.249
Zur Qualitätsgewährleistung im universitären Bereich sieht das BZÖ die Wiedereinführung der
Studiengebühren mit gleichzeitiger Optimierung von Studienbeihilfe und Stipendien und die

246
Grundsatzprogramm der Grünen <http://www.gruene.at/partei/grundsatzprogramm/>, 9.1.2011, 43.
247
Das Parteiprogramm der Freiheitlichen Partei Österreichs
<http://www.fpoe.at/fileadmin/Content/portal/PDFs/2009/fp_parteiprogramm_neu.pdf>, 9.1.2011, 29-31.
248
Das Parteiprogramm der Freiheitlichen Partei Österreichs
<http://www.fpoe.at/fileadmin/Content/portal/PDFs/2009/fp_parteiprogramm_neu.pdf>, 9.1.2011, 32-33.
249
Programm des Bündnis Zukunft Österreich <http://www.bzoe.at/assets/files/Programm_BZOE_WEB.pdf>,
9.1.2011, 67; 69.
-83-

Umsetzung einer Studieneingangsphase von zwei Semestern vor, an deren Ende in Form einer
Gesamtbeurteilung aller in dieser Zeit erbrachten Leistungen festgestellt werde, ob der/die
Studierende für das gewünschte Studium geeignet ist.250

Summa summarum können aus den angeführten Ausschnitten der Parteiprogramme folgende
Schlüsse gezogen werden: SPÖ, ÖVP und Grüne treten für ein Bildungssystem ein, welches die
Entwicklung des/der einzelnen zu einem kritischen, freien, emanzipierten Menschen, der
verantwortliche Entscheidungen treffen kann, sein Leben selbstbestimmt gestaltet und auch an
der Gestaltung politischer Prozesse mitwirkt, fördert. Das BZÖ sieht Bildung unter dem
Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens und damit auch im Licht der ständigen
Weiterentwicklung. Demgegenüber betont die FPÖ als Funktionen der Bildung die
Existenzsicherung des/der einzelnen sowie die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der
österreichischen Wirtschaft. Ähnlich stellt laut SPÖ Bildung eine zentrale Voraussetzung für die
Erhaltung des Lebensstandards unter den Bedingungen des weltweiten Wettbewerbs dar.
Zusammengefasst ist für alle Parteien die Entwicklung des Individuums das grundlegende Ziel
von Bildung. Profite für die Gesellschaft als ganzes scheinen eher sekundär zu sein. Selbst die
FPÖ, die explizit die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft
betont, führt zuerst die Existenzsicherung des/der einzelnen und damit ein Individualinteresse
an.

Mit Ausnahme des BZÖ sprechen sich alle Parteien für einen freien Hochschulzugang aus, da
allen sozialen Schichten der Zugang zum Bildungssystem ermöglicht werden soll, sodass eine
möglichst hohe Chancengleichheit gewährleistet werden kann. Das BZÖ tritt demgegenüber für
eine Wiedereinführung der Studiengebühren ein, aber mit gleichzeitiger Optimierung des
Beihilfesystems. Ziel soll somit nicht die Ausbildung einer „Elite“ sein. Vielmehr soll der
Zugang zur Universität „jedermann“ offen stehen. An die Frage des Hochschulzugangs ist meist
auch die Frage nach der passenden Finanzierungsform durch staatliche und/ oder private Mittel
geknüpft. Dies gilt es in diesem Zusammenhang hervorzuheben, da das Zusammenspiel von
Politik, Ökonomie und Bildung das Kernthema dieser Dissertation darstellt.

Die Grünen und die FPÖ sprechen explizit die Ausbildungszeiten an.251 Während sich die
Grünen ausdrücklich für eine Verkürzung der Studienzeiten aussprechen,252 tritt die FPÖ
vielmehr für eine Verringerung der Gesamtausbildungszeit ein, indem während des Studiums

250
Programm des Bündnis Zukunft Österreich <http://www.bzoe.at/assets/files/Programm_BZOE_WEB.pdf>,
9.1.2011, 69.
251
Vgl. Das Parteiprogramm der Freiheitlichen Partei Österreichs
<http://www.fpoe.at/fileadmin/Content/portal/PDFs/2009/fp_parteiprogramm_neu.pdf>, 9.1.2011, 32-33.
252
Grundsatzprogramm der Grünen <http://www.gruene.at/partei/grundsatzprogramm/>, 9.1.2011, 43.
-84-

bereits berufsspezifische Prüfungen abgelegt werden können. Durch diese Praxisbezogenheit


mag sich zwar die Gesamtausbildungszeit verkürzen, doch kommt es zu einem Anstieg der
Studienzeit selbst, da nun mehr Kenntnisse erworben werden sollen als in einem bloß
„wissenschaftlich-theoretischen“ Studium. Diese Sichtweise ist im Kontext meiner Arbeit von
besonderem Interesse, da es zu hinterfragen gilt, ob die möglichst kurzen Studienzeiten, die
unter anderem die Grünen fordern, als „ökonomisch effizient“ anzusehen sind oder ob vielmehr
die eher längeren Studienzeiten mit Praxisbezug als wirtschaftlicher zu qualifizieren sind. Die
Conclusio, die aus längeren Studienzeiten folgt, ist einerseits der Anstieg der staatlichen
Ausgaben für Bildung, aber andererseits auch die Reduktion der Arbeitslosen innerhalb der
JungakademikerInnen, da zeitgleich mehr Studierende und weniger AbsolventInnen zu
verzeichnen sind. Demgegenüber können bei kurzen Studienzeiten die Kosten, die im Bereich
der Hochschulbildung anfallen, reduziert werden, wobei zugleich jedoch die
AbsolventInnenzahl und damit auch jene der potentiellen Arbeitslosen zunimmt.
Auch die Europäische Kommission empfiehlt, dass Universitäten innovative Curricula,
Lehrmethoden und Schulungs- sowie Umschulungsprogramme anbieten, die neben den eher
disziplinenspezifischen Kenntnissen auch breitere, beschäftigungsbezogene Fertigkeiten
umfassen. Anrechenbare Industriepraktika sollten in die Curricula integriert werden.253

dd) Ausgewählte Themenbereiche betreffend das universitäre Bildungswesen, welche


Gegenstand der Politik sind

aaa) Bildungsfinanzierung - „Ökonomisierung“ der Universitäten

Allgemeines zur Finanzierung und den anfallenden Kosten

Im Herbst 2010, vor allem im Zuge der Budgetverhandlungen für 2011, war Bildung an
Universitäten als politischer Gegenstand meist im Zusammenhang mit der Frage der
Finanzierung dieses Bildungsbereichs ein Thema unter den politischen
EntscheidungsträgerInnen und auch in der breiten Öffentlichkeit. Gut 1,5 Jahre später, im März
2012 ist die Stagnation der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft immer noch ein aktuelles
Thema in den Medien. Es ist gemessen an den staatlichen Gesamtausgaben kein Anstieg
ablesbar. Die Aufwendungen für Wissenschaft und Forschung stehen bei knapp sechs Prozent
Tendenz leicht sinkend.254 Im Folgenden sollen einige Hintergründe und Fakten zur Situation

253
Mitteilung der Kommission. Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und
Innovation, KOM 2006/208, 8.
254
John, Gerald: Ausgaben für Bildung und Wissenschaft stagnieren
<http://derstandard.at/1330390577680/Ministerrat-Ausgaben-fuer-Bildung-und-Wissenschaft-stagnieren>,
7.3.2011.
-85-

geschildert werden, um nachvollziehbarer zu machen, warum Hochschulbildung nicht selten vor


einem finanziellen Hintergrund diskutiert und behandelt wird.

Vorwegzunehmen ist an dieser Stelle, dass die Finanzierung universitärer Bildung eine zentrale
Bedeutung im tertiären Bildungsbereich spielt. Von ihr hängen nicht nur die Verteilungseffekte
des Bildungssystems entscheidend ab, sondern sie ist auch ein wichtiger Bestimmungsfaktor für
den Grad der Chancengleichheit im und durch den Bildungsbereich. Darüber hinaus haben Art
und Umfang der Finanzierung auch Auswirkungen auf die Effizienz der Volkswirtschaft
insgesamt, insbesondere aber auf jene des Bildungsbereichs.255

Der europäische Bildungssektor ist traditionell überwiegend durch staatliche Mittel finanziert,
da Bildung nicht selten als öffentliches Gut angesehen wurde und wird. Aber auch wenn die
Finanzierung meist von staatlicher Seite erfolgt, sind die verwendeten Finanzierungsmodelle in
Europa doch unterschiedlich (zum Beispiel direkte Staatsausgaben an Bildungseinrichtungen,
Transfers zu privaten Haushalten, steuerliche Abschreibmöglichkeiten etc.).256 Die Europäische
Kommission hat vorgeschlagen, die Ausgaben für ein modernisiertes Hochschulwesen in der
EU innerhalb der nächsten zehn Jahre auf zwei Prozent des BIP zu steigern, um den Aufbau der
wissensbasierten Gesellschaft zu stützen.257 Weiters hat sich die Kommission für einen
wirksamen und wirtschaftlichen Mitteleinsatz insgesamt ausgesprochen. Dies bedeutet, dass
öffentliche und private Investitionen insgesamt gesteigert werden müssen, wofür Regierungen
und staatlichen Stellen, ArbeitgeberInnen, SozialpartnerInnen und BürgerInnen gemeinsam
verantwortlich zeichnen sollten. Darüber hinaus müssen ausreichend Mittel bereitgestellt bzw.
verfügbare Ressourcen neu aufgeteilt werden über das gesamte Spektrum formalen, nicht-
formalen und informellen Lernens, einschließlich vorschulischen Lernens. Zugleich ist auf
Transparenz bei der Mittelverteilung zu achten, damit sichergestellt ist, dass festgelegte
Prioritäten bei der Finanzierung auch berücksichtigt werden. Neue Investitionskonzepte sind
erforderlich, um den Bedarf an neuen Kenntnissen und Kompetenzen – im Hinblick auf
LernfördererInnen und (potenziell) Lernende – abzudecken, den die Wissensgesellschaft mit
sich bringt. Steuerliche und sonstige Lernanreize für alle, ob in den Arbeitsmarkt integriert oder
nicht, sind Ansätze, die weiterverfolgt werden sollten.258
Um mit den höheren Investitionen eine optimale Wirkung zu erzielen, müssen sie in geeignete
Strategien auf lokaler Ebene eingebunden werden. Insbesondere angesichts des prognostizierten

255
Sturn/Wohlfahrt, 363.
256
Vgl. Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 133-134.
257
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 8.
258
Mitteilung der Kommission. Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen, KOM 2001/678
endgültig, 13.
-86-

Einstellungsbedarfs muss geklärt werden, wie man im Bildungs- und Ausbildungssektor neue
Aufgaben und Funktionen abdecken und qualifizierte LehrerInnen und DozentInnen finden und
halten kann.259

Die OECD-Länder wenden im Durchschnitt 13,3 Prozent ihrer öffentlichen Gesamtausgaben für
Bildung auf, wobei auch in jenen Ländern, in denen die Staatsquote insgesamt niedrig ist, die
öffentliche Finanzierung der Bildung eine vorrangige gesellschaftspolitische Aufgabe
darstellt.260
Die OECD-Studie „Education at a glance“ hat gezeigt, dass der öffentliche Anteil der
Finanzierung in Österreich überdurchschnittlich hoch ist (BIP-Anteil von 1,2 Prozent - OECD-
Durchschnitt 1 Prozent; die jährlichen Ausgaben des Bundes für den gesamten
Hochschulbereich sind seit 2007 um rund 22 Prozent gestiegen, die Ausgaben eingeschränkt auf
den Universitätsbereich um 18 Prozent. 2010 beliefen sich die jährlichen Bundesausgaben für
den Universitätsbereich auf rund 3 Milliarden Euro),261 während die private Finanzierung
überdurchschnittlich gering ist.262 Weiters entsteht im internationalen Vergleich der Eindruck,
dass Österreich überdurchschnittlich hohe Mittel im Primär- und Sekundarbereich einsetzt und
demgegenüber der postsekundäre Bildungsbereich unterdurchschnittlich dotiert ist.263
Ausgehend von der Annahme, dass die Bildungsausgaben in der Volksschule am niedrigsten
und an Universitäten am höchsten sind, wird die Forderung begründet, dass sich die
Studierenden an den hohen Kosten ihrer Ausbildung in Form von Studiengebühren beteiligen.
Diese These stimmt in Österreich schon seit den 1970er Jahren nicht mehr. Die institutionellen
Kosten pro SchülerIn sind wesentlich höher als pro StudentIn, wobei ein weitaus besseres
Betreuungsverhältnis an Schulen herrscht als an Universitäten. Die teuersten
Bildungsinstitutionen in Österreich sind die Berufsbildenden Schulen, gefolgt von AHS und
Hauptschulen. Berufsbildende Schulen verursachen in etwa doppelt so hohe Lehrkosten wie
Universitäten.264
Im Bereich der Erwachsenenbildung und Weiterbildung sind die öffentlichen Investitionen im
engeren Sinn demgegenüber gering. Es bestehen in diesem Bereich Zuordnungsprobleme,
insbesondere hinsichtlich privater Investitionen. Es bestehen aber auch unterschiedliche

259
Mitteilung der Kommission. Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen, KOM 2001/678
endgültig ,13.
260
OECD Multilingual Summaries. Education at a Glance 2010: OECD Indicators
<http://www.oecd.org/dataoecd/46/23/45925284.pdf>, 7.1.2011, 2.
261
BMWF 2011, 12.
262
Aigner, Lisa: Wer mehr studiert, soll auch mehr zahlen<http://derstandard.at/1285199796213/Akademikerabgabe-
Wer-mehr-studiert-soll-auch-mehr-zahlen>, 5.10.2010.
263
Sturn/Wohlfahrt, 44.
264
Sturn/Wohlfahrt, 30-32.
-87-

Möglichkeiten der Zuordnung der Investitionen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zu den


öffentlichen oder privaten Ausgaben. Außerdem bestehen auf der tertiären Ebene Fragen über
die sinnvolle Zuordnung der Investitionen (zum Beispiel die Abgrenzung von Lehre und
Forschung).265
Die öffentlichen Ausgaben für Weiterbildung in Österreich belaufen sich für das Jahr 2009 auf
rund 362 Millionen Euro, wobei die verschiedenen Gebietskörperschaften (Bund, Länder,
Gemeinden, Gemeindeverbände) berücksichtigt sind. Die Gesamtausgaben der staatlichen
Weiterbildungsbudgets weisen jedoch zwischen 1999 und 2004 eine rückläufige Tendenz auf.
Zwischen 2006 und 2009 kam es real zu einem Anstieg der öffentlichen Budgets um rund 18
Prozent.266
In Österreich werden ohne Berücksichtigung der Lohnausfallkosten der Betriebe sowie
Opportunitätskosten der Privatpersonen knapp 2,6 Milliarden Euro für Weiterbildung
aufgewendet. Die Ausgaben der privaten Haushalte für berufliche und private bzw. allgemeine
Weiterbildung liegen bei rund 530 Millionen Euro, was etwas mehr als ein Fünftel ist.267 Dies
ist der höchste Anteil Privater im Vergleich mit den Ländern, die in der folgenden Abbildung
angeführt sind. Aus der Grafik ergibt sich, dass in Österreich Unternehmen in etwa ein Drittel
der Ausgaben tragen und dass 37 Prozent über die aktive Arbeitsmarktpolitik finanziert werden.
Das staatliche Weiterbildungsbudget beläuft sich auf die übrigen 8 Prozent, wobei dieser Anteil
der Finanzierung von Bund und Ländern vergleichsweise der geringste Anteil an staatlicher
Finanzierung ist:

265
Lassnigg in IHS, 23.
266
Lassnigg/Vogtenhuber/Osterhauser, 35.
267
Lassnigg/Vogtenhuber/Osterhauser, 39.
-88-

Abb. 8: Wer für Bildung wie viel zahlt268

Die folgende Tabelle verbildlicht die soeben beschriebenen Gesamtausgaben für


Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung in Österreich im Detail:

Abb. 9: Gesamtaufstellung der Ausgaben 2009 in Millionen Euro269

268
Ostermann, Gudrun: Hohe private Kosten, geringe Beteiligung in Der Standard, 12.5.2012.
269
Lassnigg/Vogtenhuber/Osterhauser, 40.
-89-

Insgesamt sind die Ausgaben für Weiterbildung in Österreich hoch, doch ist die
Gesamtbeteiligung niedrig. Der eigene Betrag, den Lernende zur Weiterbildung leisten, ist
vergleichsweise groß, der Anteil staatlicher Weiterbildungsbudgets ist jedoch gering. Der hohe
Kostenanteil Privater führt dazu, dass sich niedrig Qualifizierte und Ältere weniger stark an
Weiterbildung beteiligen.270

Es ist in diesem Kontext auch klar und offen anzusprechen, dass es eine „freie“ oder
„kostenlose“ Bildung nicht gibt. Die anfallenden Kosten müssen entweder von der
Allgemeinheit oder von den konkreten NutzerInnen getragen werden.271 Die Kosten, die für die
Ausbildung an Hochschulen anfallen, lassen sich in drei Kategorien unterteilen, nämlich die
institutionellen Kosten (das sind all jene Kosten, die für die Lehre an Hochschulen anfallen),
Lebenserhaltungskosten der Studierenden (inklusive der individuell zu tragenden Kosten für
Bücher, Lernmaterialien etc.) und Opportunitätskosten (Einkommensverlust von Studierenden,
Verlust an Steuern und Abgaben seitens des Staates). Während letztere bloß kalkulatorische
Kosten sind, handelt es ich bei den beiden anderen um monetäre Kosten, die sich in öffentlichen
und privaten Ausgaben niederschlagen.272 Obwohl Opportunitätskosten im Hochschulbereich
die bedeutendste Kostenkomponente darstellen, werden sie oft vernachlässigt. Ein Teil wird in
Form von Studienbeihilfen, Familienbeihilfen und anderen Leistungen staatlich
273
subventioniert. Mit 3.269,4 Millionen Euro zeigen sich im Bereich der Universitäten die
höchsten staatlichen Bildungsausgaben, wobei ein Großteil davon auf die
Personalaufwendungen entfällt.274

Der Frage der Bildungsfinanzierung kommt in der wirtschaftspolitischen und


sozioökonomischen Betrachtung eine widersprüchliche Stellung zu. Auf der einen Seite sind
Bildungsausgaben ein wesentlicher Teil der öffentlichen Haushalte, wobei in den letzten
Jahrzehnten eine Verkleinerung dieser aus Gründen der Stabilisierung der öffentlichen
Haushalte selbst und auch aus weitergehenden wirtschaftspolitischen Argumenten angestrebt
wurde, da ökonomische Wachstumsmodelle der Größe des öffentlichen Haushalts eine gewisse
wachstumshemmende Wirkung zurechnen. Auf der anderen Seite sind für Bildungsinvestitionen
seit langem deutliche wachstumsfördernde Wirkungen nachgewiesen. OECD-Studien haben
gezeigt, dass der positive Beitrag der Bildungsinvestitionen jedenfalls beträchtlich größer ist als
der negative Beitrag der Größe des öffentlichen Sektors. Das Verhältnis der öffentlichen und

270
Ostermann, Gudrun: Hohe private Kosten, geringe Beteiligung in Der Standard, 12.5.2012.
271
Barbaro in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 45.
272
Pechar/Keber, 32.
273
Sturn/Wohlfahrt, 9.
274
Statistik Austria 2011, 77.
-90-

privaten Bildungsinvestitionen wird bis zu einem gewissen Grad als Ausweg aus dem
„Dilemma“ zwischen der Höhe der Staatsausgaben und Wirksamkeit der Bildungsinvestitionen
gesehen.275

Hinsichtlich des erforderlichen Umfangs und des Einsatzes der Bildungsinvestitionen wird
grundsätzlich eine Erhöhung der gesamten Investitionen, also der öffentlichen und privaten
Investitionen als erforderlich angesehen, wobei jedoch die Höhe der Bildungsinvestitionen
alleine nicht über deren Wirksamkeit entscheidet, sondern vielmehr sind Allokation und
Lenkung in diejenigen Bereiche vorzunehmen, die die deutlichsten Wirkungen erwarten lassen,
die Identifikation von Anzeichen für ineffiziente Bereiche durchzuführen und entsprechende
Maßnahmen zu setzen sowie die Sicherung eines effizienten Managements der Ressourcen
unter Verwendung geeigneter Benchmarks zu gewährleisten.276

Wie sich im Folgenden zeigen wird, wird die Frage nach der „besten“ Form der
Bildungsfinanzierung sehr kontroversiell diskutiert. Dies ist insofern verwunderlich, als
fundamentale politische Ziele der Bildungspolitik, wie etwa, dass der Zugang zu
Bildungseinrichtungen nur von den individuellen Fähigkeiten, nicht aber vom finanziellen und/
oder kulturellen Hintergrund des Elternhauses abhängig sein darf oder dass der Einsatz
öffentlicher Mittel nicht zu einer regressiven Verteilungswirkung führen darf, mehr oder minder
konsensual getragen werden.277

Bildung als öffentliches Gut? - Der in der Bildungsfinanzierung liegende „Nutzen“ des Staates

Für den Staat „lohnt“ sich die Bildungsfinanzierung aus öffentlichen Mitteln auch, insofern als
er von einem/r ausgebildeten Akademiker/in nahezu das Dreifache des Betrages der öffentlichen
Investitionen pro Studierende/n im Tertiärbereich durch Steuereinnahmen generieren kann.278
Darüber hinaus darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den sozialen Kosten, die der Staat
den Privatpersonen in Form von öffentlichen Bildungsausgaben abnimmt, auch ein sozialer
Nutzen der Bildung gegenübersteht, der als sogenannter externer Effekt nicht dem/der sich
Bildenden, sondern anderen zugutekommt, ohne dass der/die sich Bildende dafür eine
Gegenleistung erhält.279 Es ist also der gesellschaftliche Gesamtnutzen größer als der private
Nutzen für den/die einzelne/n. Dies begründet ein Marktversagen, da das gesellschaftliche
Gesamtinteresse größer ist als die Summe der Einzelinteressen. Es käme zu einer suboptimalen

275
Lassnigg in IHS, 16.
276
Lassnigg in IHS, 19.
277
Barbaro in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 46.
278
OECD Multilingual Summaries. Education at a Glance 2010: OECD Indicators
<http://www.oecd.org/dataoecd/46/23/45925284.pdf>, 7.1.2011, 2.
279
Wößmann in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 20; vgl. auch Pechar/ Keber, 48.
-91-

Versorgung der Gesellschaft mit akademischen Qualifikationen, wenn das Hochschulwesen


marktmäßig organisiert werden würde und das Studienverhalten somit ausschließlich von den
privaten Nutzenkalkülen der Nachfrageseite bestimmt werden würde.280
Zu den erwähnten externen Effekten zählen beispielsweise geringere Kriminalität, gesteigertes
StaatsbürgerInnentum (etwa Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung, Information über
politische Themen, Unterstützung der Meinungsfreiheit und ehrenamtliche Tätigkeiten und
damit Stärkung der Funktionsfähigkeit der Demokratie sowie Stabilität der demokratischen
Ordnung), aber auch positive Veränderungen im Bereich Gesundheit (beispielsweise erhöht
höhere Bildung der Mutter die Gesundheit der Kinder, unter anderem durch eine verstärkte
Nutzung von Mutterschaftsvorsorgemaßnahmen und verringertes Rauchen während der
Schwangerschaft) und die individuelle Produktivitätssteigerung sowie positive Auswirkungen
auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Die externen Effekte stellen daher einen guten
ökonomischen Grund für eine öffentliche Rolle in der Bildung dar, wobei aufgrund des
momentanen Standes der empirischen Erhebungen nicht klar gesagt werden kann, ob der
öffentliche Nutzen größer, kleiner oder etwa gleich den öffentlichen Kosten ist. Aus empirischer
Sicht ist außerdem die Identifikation des kausalen Effektes von Bildung beispielsweise auf
Kriminalität problematisch, da ein einfacher Vergleich der Kriminalitätsraten von Hoch- und
Niedrig-Gebildeten nicht unbedingt eine Antwort darauf gibt, was passieren würde, wenn man
Niedrig-Gebildeten mehr Bildung zukommen lassen würde. Für dieses empirische
Identifikationsproblem haben Lochner/ Moretti eine Lösung gefunden, auf die hier nicht weiter
eingegangen werden soll. Fakt ist jedenfalls, dass sich aus ihrer Studie tatsächlich ergibt, dass
Bildung im Hinblick auf kriminelles Verhalten einen signifikanten Einfluss hat.281
Auch wenn diese externen Effekte prima facie äußert positiv für den Staat erscheinen,
rechtfertigen sie noch nicht eine Vollfinanzierung der Bildung durch diesen. Man darf nämlich
nicht außer Acht lassen, dass mit zunehmender Höhe und Differenzierung der Bildungsgänge
der private Nutzen der darin erworbenen Qualifikationen an Bedeutung gewinnt. Dennoch
erwirbt man während eines Hochschulstudiums eine Reihe von Fähigkeiten und Einstellungen,
die vom Arbeitsmarkt weder nachgefragt noch honoriert werden, die aber der Gesellschaft einen
Gewinn bringen. Gemeint sind hiermit im Wesentlichen die Sozialisationseffekte des Studiums,
die dem „Habitus des/der Gebildeten“ zugrunde liegen. Diese sind unspezifische Eigenschaften,
deren Auswirkungen auf die Gesellschaften als „atmosphärische Effekte“ bezeichnet werden
können. Eine staatliche Subventionierung lässt sich also damit begründen, dass dieser
akademische Habitus jenem anderer Bildungsschichten überlegen ist und somit für die

280
Pechar/Keber, 48-49.
281
Wößmann in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 20-21.
-92-

Gesellschaft wertvoller ist, dies auch deshalb, weil HochschulabsolventInnen ihre Einstellungen
und Werte auch innerhalb des Familien-, Freundes- und Bekanntenkreises übertragen.282
Unabhängig davon, welche Bedeutung man dem externen Effekt beimisst, wird
Hochschulbildung von den meisten ÖkonomInnen als ein „gemischtes Gut“ betrachtet, welches
gleichermaßen dem einzelnen und der Gesellschaft Vorteile bringt. Dieses Verständnis legt auch
eine gemischte Finanzierung aus öffentlichen und privaten Quellen nahe.283
Das Argument, dass Hochschulbildung ein öffentliches Gut sei und daher auch eine öffentliche
Vollfinanzierung angebracht sei, sei hier insofern entkräftet als ein öffentliches Gut zwei
„Eigenschaften“ aufzuweisen hat, nämlich Nichtausschließbarkeit und Nichtrivalität. Die
Hochschulbildung erfüllt jedoch keines der genannten Kriterien. Nichtausschließbarkeit
bedeutet, dass keine individuelle Person von dem Konsum eines Gutes ausgeschlossen werden
kann. Es bedarf in Österreich der Matura oder einer Studienberechtigungsprüfung für den
Zugang zu einer Hochschule, sodass Personen ohne eine derartige Zugangsberechtigung, vom
Studium ausgeschlossen sind. Unter Nichtrivalität versteht man, dass ein Gut von allen
KonsumentInnen be- oder genutzt werden kann, ohne dass der Konsum irgendeines/r
Konsumenten/in beeinträchtigt wird. Dies trifft auf die Hochschulbildung insofern nicht zu, als
die Hochschulen nur beschränkte Kapazitäten im Hinblick auf Räumlichkeiten und Lehrende zu
Verfügung haben.284

Hinsichtlich der Finanzierung der universitären Weiterbildung im Speziellen ist an dieser Stelle
zu erwähnen, dass sich der Staat sowohl aus der organisatorischen sowie inhaltlichen
Normierung als auch aus der Finanzierung der universitären Weiterbildung heraushält. Dadurch
nimmt die universitäre Weiterbildung eine Ausnahmeposition in der österreichischen
Bildungslandschaft ein, die sich sonst weitgehend durch staatshoheitliche Regulierung und
Subventionierung auszeichnet. Das Fehlen der staatlichen Finanzierung von universitärer
Weiterbildung hat zur Folge, dass sich Weiterbildungsangebote im Spannungsfeld von Angebot
und Nachfrage bewähren müssen. Es können nur jene Weiterbildungsangebote durchgeführt
werden, die auch genügend zahlungswillige TeilnehmerInnen anziehen, sodass Entscheidungen
über die Einrichtung von universitären Weiterbildungsangeboten und deren Nachfrage fast
ausschließlich auf Basis des ökonomischen Kosten-Nutzen-Kalküls erfolgen. Dies wiederum
hat zur Folge, dass die Weiterbildungsinhalte auf unmittelbare berufliche Verwertbarkeit
reduziert sind und keine Spielräume für anders gelagerte Weiterbildungsangebote bestehen.
Wenn sich aber der Staat an der Finanzierung der Nachfrage universitärer

282
Pechar/Keber, 49-50.
283
Pechar/Keber, 16; 51.
284
Sinn, 4-5.
-93-

Weiterbildungsangebote stärker beteiligen würde, hätten die Universitäten die Möglichkeit,


auch universitäre Weiterbildungsangebote jenseits der ausschließlichen Orientierung an
Arbeitsmarkterfordernissen einzurichten.285
Den größten Teil der Finanzierung, der Planung und Entwicklung neuer
Weiterbildungsangebote trägt die Hochschule als Gesamtorganisation, gefolgt von den
Fakultäten/ Fachbereichen und der Querfinanzierung durch Entgelte der Teilnehmenden.
Ebenso scheint Fundraising einen wichtigen Stellenwert zu haben, gefolgt von Drittmitteln.286
Im Zusammenhang mit Drittmittel wird stets das Thema der wirtschaftlichen Abhängigkeit der
Universität von externen Geldgebern, diskutiert. Drittmittel werden stets so dargestellt, als ob
durch sie auf den freien Markt tatsächlich eingewirkt werden würde. Dvořak zufolge ist das in
Österreich jedoch „absurd“, weil in Österreich dieser freie Markt nicht existiert, auf welchem
Unternehmen bereit sind, einen Teil ihres Stiftungsvermögens für Wissenschaft an
Universitäten zur Verfügung zu stellen. Die österreichischen KapitalistInnen wirtschaften
vielmehr in bloß persönlichem Interesse und sämtliche öffentlichen Angelegenheiten werden als
Angelegenheiten des Staates deklariert. De facto ist es daher so, dass zwar der Terminus
„Drittmittel“ verwendet wird, aber dann versucht wird, Mittel aus Forschungsförderungsfonds
einzuwerben, die wiederum staatlich finanziert sind. Insofern bedeutet „Drittmittel“, dass
nochmals staatliche Mittel, zum Teil sogar direkt aus dem Ministerium für Projekte zur
Verfügung gestellt werden.287

Hinsichtlich der Finanzierung des Gutes Bildung schlagen VertreterInnen der


nachfrageorientierten Bildungsfinanzierung Folgendes vor: Die Finanzierung von Bildung soll
nicht über die anbietenden Institutionen, sondern über die die Bildung nachfragenden
Individuen erfolgen. Dies führe dazu, dass die AnbieterInnen von Bildung in einen verstärkten
Wettbewerb um die Nachfrage treten, was der Effizienz und Effektivität des Bildungswesens
insgesamt förderlich wäre. Wichtig zu betonen ist, dass das Konzept der nachfrageorientierten
Bildungsfinanzierung das rein öffentliche Bildungswesen nicht durch ein rein
marktwirtschaftliches Bildungswesen ersetzt, sondern dieses vielmehr bloß um
marktwirtschaftliche Elemente und damit Wettbewerb anreichern möchte. Die Diskussion soll
sich also nicht auf ein triviales ordnungspolitisches „Entweder-oder“, also entweder auf eine
rein staatliche oder auf rein marktwirtschaftliche Finanzierung reduzieren. Es geht vielmehr
darum den optimalen Mix dieser beiden Finanzierungskonzepte zu finden.288

285
Patscheider, 65; 78.
286
Pellert/Cendon in Hanft/Knust, 293.
287
Interview 5, 3-4.
288
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 9.
-94-

Förderungsmaßnahmen als Teil der Bildungsfinanzierung

Die Finanzierung betreffend, ist in diesem Kontext noch anzumerken, dass auch diverse
Förderungsmaßnahmen eine nicht unbedeutende Rolle spielen, wobei zwischen direkten und
indirekten Förderungsmaßnahmen zu unterscheiden ist, die größtenteils aus öffentlichen Mitteln
gespeist werden.289

2010 betrugen die gesamten Sozialaufwendungen des BMWF für Studierende 203,9 Millionen
Euro. Den überwiegenden Anteil (89 Prozent) macht dabei die Studienförderung aus, für die
2010 181,3 Millionen Euro aufgewendet wurden. Direkte und indirekte
Studienförderungsmaßnahmen sollen förderungswürdigen Studierenden ein Studium ohne
finanzielle Belastungen ermöglichen.290

Indirekte Förderungsmaßnahmen, wie etwa die Familienbeihilfe, der Kinderabsetzbetrag,


Mitversicherung bei den Eltern oder Selbstversicherung, gesetzliche Unfallversicherung,
steuerliche Berücksichtigung studierender Kinder, Förderungen von StudentInnenheimen und
Subventionen für die Österreichische Hochschülerschaft291 sind von der sozialen Bedürftigkeit
unabhängig und sind vom Umfang her, der weitaus größte Teil der staatlichen
Förderungsmaßnahmen. Demgegenüber richten sich direkte Förderungsmaßnahmen, die gemäß
Studienförderungsgesetz gewährt werden, nach der sozialen Bedürftigkeit und dem
Studienerfolg der Studierenden.292 Zu den direkten Förderungsmaßnahmen zählen die
Studienbeihilfe, Studienzuschüsse, Fahrtkostenzuschüsse, Versicherungskostenbeiträge,
Studienabschluss-Stipendien, Beihilfen für Auslandsstudien, Reisekostenzuschüsse,
Sprachstipendien, Mobilitätsstipendien, andere Stipendien und Zuschüsse, die Waisenpension
für Studierende, die Studienunterstützung, geförderte Studiendarlehen, Leistungsstipendien,
Förderungsstipendien und Würdigungspreise.293 Darüber hinaus erhalten die Universitäten vom
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung Mittel zur Vergabe von Leistungs- und
Forschungsstipendien zur Förderung besonders erfolgreicher Studierender.294

Wegen der Einschränkung der Inanspruchnahme der Familienbeihilfe durch den Haushaltsplan
2011, soll hier ein wenig näher auf diese indirekte Förderungsmaßnahme eingegangen werden.

289
BMUK/BMWF, 60.
290
BMWF 2011, 26.
291
BMWF 2008, 222.
292
BMUK/BMWF, 60.
293
BMWF 2008, 222.
294
BMUK/BMWF, 60.
-95-

Die Studierenden haben bereits nach dem ersten Studienjahr einen Leistungsnachweis zu
erbringen. Der Anspruch auf Familienbeihilfe bestand bis 1. Juli 2011 grundsätzlich innerhalb
der Regelstudienzeit inklusive ein Toleranzsemester pro Studienabschnitt bis zur Vollendung
des 26. bzw. 27. Lebensjahres (Bis zum 27. Lebensjahr nur dann, wenn der/die Student/in den
Präsenz- oder Zivildienst bereits geleistet hat bzw. die Studierende vor dem 26. Lebensjahr ein
Kind bekommen hat.)295 Ab 1. Juli 2011 ist die maximale Bezugsdauer für die Familienbeihilfe
grundsätzlich mit dem vollendeten 24. Lebensjahr begrenzt (vgl. § 2 Abs 1
Familienlastenausgleichsgesetz idF BGBl. I Nr. 76/2011), wobei das Gesetz jedoch
Sonderregelungen normiert, wie beispielsweise für die Absolvierung des Präsenz- oder
Zivildienstes (bis längstens zum vollendeten 25. Lebensjahr).
Etwa 60 Prozent der BildungsinländerInnen erhielten im Sommersemester 2009 irgendeine
Form an finanzieller Förderung. Die Familienbeihilfe wurde von 55 Prozent der
BildungsinländerInnen bezogen und ist damit die mit Abstand am weitesten verbreitete Form
von Förderungen für Studierende. Aus der Studierendensozialerhebung 2009 geht jedoch auch
hervor, dass zwar etwa 91 Prozent der unter 21-jährigen und circa 81 Prozent der 21- bis 25-
jährigen BildungsinländerInnen noch Familienbeihilfe beziehen, aber nur 11 Prozent der 26- bis
30-Jährigen.296

Um die Bedeutung der bereits in Kürze vorgestellten Förderungsmaßnahmen zu verdeutlichen,


werden hier nun Ausführungen zur Erwerbstätigkeit Studierender, deren Notwendigkeit sowie
Vereinbarkeit mit dem Studium gemacht:

61 Prozent der Studierenden sind während des Semesters erwerbstätig, wobei rund zwei Drittel
durchgehend während des ganzen Semesters beschäftigt sind, und ein Drittel gelegentlich
während des Semesters. 39 Prozent der Studierenden sind nicht oder ausschließlich in den
Ferien erwerbstätig. 10 Prozent aller Studierenden sind Vollzeiterwerbstätige. Die meisten
Studierenden, die während des Semesters erwerbstätig sind, geben an, dass sie dies aus
finanziellen Motiven sind. 76 Prozent der erwerbstätigen Studierenden geben an, ihre
Erwerbstätigkeit sei zur Bestreitung des Lebensunterhalts notwendig und 69 Prozent sind
erwerbstätig, um finanziell unabhängig zu sein. Das Erhöhen der Chance, nach dem Studium
einen passenden Arbeitsplatz zu finden ist demgegenüber nur für 39 Prozent der Studierenden,
die auch eine Erwerbstätigkeit nach dem Studium anstreben, ein Motiv. Erwerbstätigkeit wird
oft auch dann notwendig, wenn staatliche Beihilfen wegfallen, wie folgender Anmerkung
eines/r Studierenden zu entnehmen ist: „(...) Ein Fehler, eine nicht bestandene Prüfung, kann

295
Sinn, 101.
296
Unger/Zaussinger et al., 303; 309.
-96-

dazu führen, dass auf einen Schlag alle Unterstützungen vom Staat wegfallen! Und dann steht
man mittellos da! Dann muss man natürlich einer Erwerbstätigkeit nachgehen, und somit
verlängert sich das Studium wie-der und wieder und man kommt aus dem Teufelskreis Studium-
Arbeit-Geld nicht mehr he-raus und muss sich überlegen, seine Prioritäten anders festzulegen.“
(6685) 297
47 Prozent der erwerbstätigen Befragten berichten von Vereinbarkeitsschwierigkeiten und 37
Prozent würden den Umfang ihrer Erwerbstätigkeit gerne reduzieren, um mehr Zeit für das
Studium zu haben. Umgerechnet auf alle Studierenden sind knapp 30 Prozent aller StudentInnen
von Vereinbarkeitsproblemen zwischen Studium und Erwerbstätigkeit betroffen.298
Sieben Prozent aller Studierenden sind an ihrer Hochschule beschäftigt, wobei etwa die Hälfte
der an Hochschulen beschäftigten Studierenden eine Tätigkeit ausübt, die Bezug zum Studium
hat. Zu solchen Vermischungen zwischen Studium und Erwerbstätigkeit kommt es zum Beispiel
wenn der/die Studierende bei Forschungsprojekten mitarbeitet. Bei der anderen Hälfte ist
demgegenüber eine klare Trennung von Studium und Erwerbstätigkeit zu verzeichnen, da sie
beispielsweise in der Verwaltung oder der Bibliothek tätig ist.299
Aus den verbreiteten erwähnten Vereinbarungsschwierigkeiten zwischen Job und Studium
sowie aus dem nur marginal feststellbaren Bezug des Berufs zum Studium kann die
Maßgeblichkeit staatlicher Förderungsmaßnahmen für die Bewältigung des täglichen
Lebensbedarfs abgeleitet werden. Eine „Entgegenkommen“ des Staates durchs derartige
finanzielle Unterstützungsmaßnahmen, findet seinen Ausgleich in den bereits oben näher
erläuterten externen Effekten.

bbb) Verteilungsgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit des Bildungswesens


(Chancengleichheit)

Einleitend wird hier ein äußerst treffendes Zitat aus der Enzyklika über die christliche Liebe von
Papst Benedikt XVI. angeführt. Es wird dort die im folgenden Kapitel zu behandelnde
Problematik sehr gut auf den Punkt gebracht: „Die gerechte Ordnung der Gesellschaft und des
Staates ist zentraler Auftrag der Politik. Ein Staat, der nicht durch Gerechtigkeit definiert wäre,
wäre nur eine große Räuberbande wie Augustinus einmal sagte. (…) Gerechtigkeit ist Ziel und
daher auch inneres Maß aller Politik. Die Politik ist mehr als Technik der Gestaltung
öffentlicher Ordnungen: Ihr Ursprung und Ziel ist eben die Gerechtigkeit, und die ist ethischer

297
Unger/Zaussinger et al., 134; 151; 155.
298
Unger/Zaussinger et al., 174.
299
Unger/Zaussinger et al., 191-192.
-97-

Natur. So steht der Staat praktisch unabweisbar immer vor der Frage: Wie ist Gerechtigkeit
hier und jetzt zu verwirklichen?“300
Laut Oelkes lässt sich Bildung „als persönliches Attribut verstehen. In dieser Hinsicht ist
Bildung sicher das Ungerechteste, was es gibt. Nicht nur ist sie total ungleich, (…), sie ist nicht
sozial. Jeder Gerechtigkeitstheoretiker müsste sich mit Grausen abwenden. Bildung ist weder
als Proportion fassbar noch unterliegt sie Fairnessregeln, sie ist moralisch kaum zu
disziplinieren und sie setzt starke Hierarchien voraus (…). Bildung ist einzig individuell
möglich, also nicht zweimal in gleicher Weise vorhanden.“301 Auch diesem Zitat würden viele
Stimmen aus der Gesellschaft beipflichten. Es fasst kurz und knapp, auf den Punkt gebracht, die
Problematik der Gerechtigkeit im Bildungswesen zusammen. Im Hinblick auf das
österreichische Bildungswesen stellt sich die Frage der Gerechtigkeit insbesondere in zwei
Bereichen, die eng miteinander verbunden sind: Verteilungsgerechtigkeit sowie soziale
Gerechtigkeit (Chancengerechtigkeit).

Die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit tritt meist im Zusammenhang mit der Frage der
Bildungsfinanzierung auf. Staatliche Eingriffe sind aus verteilungspolitischen Gründen
notwendig, da eine reine Marktsteuerung den Hochschulzugang auf die zahlungsfähige
Nachfrage beschränken und viele Jugendliche aus einkommensschwachen Familien von einer
Hochschulausbildung ausschließen würde. Strittig ist aber dennoch, ob sich mit dem Argument
der Verteilungsgerechtigkeit ein „Nulltarif“ an Hochschulen rechtfertigen lässt.302
Man unterscheidet zwischen zwei Dimensionen der Verteilungsgerechtigkeit, auf der einen
Seite die Zugangsgerechtigkeit und auf der anderen Seite die Belastungsgerechtigkeit. Bei
ersterer gilt es zu erzielen, dass alle gesellschaftlich relevanten Gruppen im Hochschulsystem
gleich repräsentiert sind, während bei letzterer die Frage im Mittelpunkt steht, wie man eine
ausgewogene Lasten- und Nutzenverteilung zwischen HochschulbesucherInnen und
NichthochschulbesucherInnen herstellen kann, also mit anderen Worten, wie man die Kosten
des Hochschulsystems gerecht zwischen denen verteilen kann, die unmittelbar und stark und
jenen, die nur mittelbar und schwach davon profitieren.303 In diesem Zusammenhang ist zu
erwähnen, dass das primäre Ziel jener Finanzierungsvorschläge der tertiären Bildung, die eine
verstärke Überwälzung der Bildungskosten auf den BildungsnachfragerInnen bezwecken, nicht
der Wettbewerb zwischen den AnbieterInnen ist, sondern vielmehr das Ziel einer höheren

300
Papst Benedikt XVI. (2005): Enzyklika Deus Caritas est
<http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/encyclicals/documents/hf_ben-xvi_enc_20051225_deus-caritas-
est_ge.html>, 14.4.2011.
301
Oelkers in Münk, 23.
302
Pechar/Keber, 54.
303
Pechar/Keber, 55.
-98-

Equity (zwischen BildungsnachfragerInnen und jenen Personen, die keine höhere Bildung
nachfragen) und die Disziplinierung der NachfragerInnen, um diese beispielsweise zu einem
kostensparenden Umgang mit den Bildungsressourcen zu bringen.304

Eine weit verbreitete Proklamation mit langer Tradition lautet „Die Reichen studieren auf
Kosten der Armen“. Abgesehen von diesem globalen Statement ist es vorteilhaft, zwischen den
Verteilungseffekten im Querschnitt und im Längsschnitt zu unterscheiden. Im Querschnitt geht
es um die Verteilungswirkung zwischen armen und reichen Haushalten, also darum, welche
Haushalte zur Finanzierung der öffentlichen Hochschulausgaben beitragen
(Einnahmeninzidenz) und welche Haushalte von dieser (direkt) profitieren (Ausgabeninzidenz).
Der Längsschnitt ist eine Lebenszeitbetrachtung, in der es um die Verteilungswirkungen
zwischen AkademikerInnen und NichtakademikerInnen geht. Es wird unter anderem
argumentiert, dass sich potentiell alle Beteiligten besser stellen, wenn es durch eine
Studiensubvention zu einem Effizienzgewinn kommt. Die NichtakademikerInnen würden dann
statt in Sachkapital in Humankapital der Studierenden investieren, um von den
Humankapitalerträgen zu profitieren.305 Außerdem profitieren Haushalte mit geringem,
mittlerem und gehobenem Einkommen vom gebührenfreien Hochschulstudium, wobei
Haushalte mit geringem Einkommen vom gebührenfreien Studium noch stärker profitieren.
Insgesamt zeigt sich daher, dass ein gebührenfreies Hochschulstudium zu einer Umverteilung
von reicheren Haushalten zu ärmeren Haushalten beitragen kann.306

Das Ideal der Chancengleichheit geht davon aus, dass nicht die soziale Herkunft über die
gesellschaftliche Positionierung entscheiden soll, sondern die individuelle Leistung. Das
Konzept der formalen Chancengleichheit im Speziellen verfolgt ein Konzept der
Leistungsgerechtigkeit. Sie ist verwirklicht, wenn allen Gesellschaftsmitgliedern durch die
gesellschaftlichen Institutionen dieselben rechtlichen Möglichkeiten geboten werden, durch
eigene Anstrengungen erstrebenswerte gesellschaftliche Positionen zu erreichen. Voraussetzung
dafür ist, dass niemand durch gesetzliche Bestimmungen daran gehindert wird, eine gewünschte
Ausbildung aufzunehmen oder einen bestimmten Beruf zu erreichen, wenn er/ sie die jeweils
einschlägigen Anforderungen erfüllt.307

Es ist ein Faktum, dass Bildungschancen sowie Erwerbs- und Einkommenschancen in


Österreich ungleich verteilt sind. Wichtig wäre es jedoch zu erkennen, dass dies nicht nur den

304
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 118-119.
305
Barbaro in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 48; 51.
306
Nagel, 69; 71.
307
Neuhoff in Dabrowski/Wolf, 10.
-99-

Benachteiligten selbst Probleme bringt, sondern auch gesamtwirtschaftliche Nachteile damit


verbunden sind. Bildung, die auch weniger privilegierte Bevölkerungsgruppen erreicht, trägt
somit nicht nur dazu bei, soziale Unterschiede zu verringern. Sie stärkt auch die
Wettbewerbsfähigkeit und das Wirtschaftswachstum eines Landes.308

Das österreichische Bildungswesen ist im Vergleich mit anderen Industrieländern als sozial
selektiv zu bezeichnen. Es ist nicht möglich, einmal eingeschlagene Wege leicht zu korrigieren.
Es wird eine altersmäßig sehr frühe, gravierende Vorentscheidung über den einzuschlagenden
und später schwer korrigierbaren Bildungsweg verlangt. Es bindet den Zugang zu höherer
Bildung fast ausschließlich an bestimmte vorher zu durchlaufende Bildungswege. Außerdem hat
es den postsekundären Bereich fast ausschließlich für universitäre Studien reserviert und bietet
nicht, wie andere Industrieländer, ein vielfältiges Spektrum an Lernmöglichkeiten.309
Die einzelnen Gesellschaftsmitglieder sind hinsichtlich ihrer Bildungsorientierungen, ihrer
Haltung zu Bildung sowie ihrer Teilnahme an institutionalisierter Weiterbildung verschieden.
Durch die Rolle der subjektiven Perspektive des/der einzelnen wird die sozial-strukturelle
Komponente, die hinter den jeweiligen Bildungsentscheidungen steht, deutlich. Nicht selten
besteht ein Informationsdefizit über die Bedeutung von Weiterbildung im
Lebenszusammenhang der einzelnen. Nicht selten wird auch eine Verallgemeinerung
dahingehend vorgenommen, dass Menschen aus der Mittel- und der Oberschicht (Weiter-)
Bildung als etwas Positives und Wünschenswertes ansehen und somit ein anderes
Bildungsverständnis haben als „Niedrigqualifizierte“. Im Konzept des lebenslangen Lernens
wurde diese Vorstellung zum ersten Mal in eine gesellschaftliche (An-)Forderung für alle
übersetzt. Es wird von einem einheitlichen Bildungssubjekt ausgegangen, das ein prinzipielles
Interesse an Weiterbildung hat. Ziel ist es, Brücken zwischen den unterschiedlichen sozialen
Positionen in der Gesellschaft zu bauen, um ein wenig dem Faktum entgegen zu wirken, dass
die jeweilige soziale Position in der Gesellschaft eine große Rolle dafür spielt, welches
Verhältnis jemand zur Bildung hat, was wiederum Konsequenzen für die Entscheidung der
Beteiligung an Weiterbildung nach sich zieht.310 Faktum ist, jedenfalls wenn dem Resümee der
Statistik Austria gefolgt wird, dass „ausschlaggebende Faktoren für den Bildungsverlauf und
das Bildungsniveau die soziale und die regionale Herkunft, das Geschlecht einer Person sowie
frühe Richtungsentscheidungen an den Weichenstellungen unseres Bildungssystems sind.“311

308
Statistik Austria 2011, 91,
309
Dvořak/Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1993, 3.
310
Vgl. Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance
oder Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte
Wien <http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 35.
311
Nimmervoll (9.3.2011), 8.
-100-

Es ist eine Unterscheidung hinsichtlich des Zugangs zu den einzelnen Hochschulsektoren nach
sozialer Herkunft (gemessen an der Schulbildung des Vaters) zu verzeichnen. An der sozialen
Herkunft der inländischen StudienanfängerInnen – gemessen am Bildungsstand der Eltern – hat
sich innerhalb der vergangenen 15 Jahre kaum etwas verändert. Inländische Studierende aus
bildungsferneren Schichten sind an FH-Studiengängen wesentlich stärker vertreten als an
Universitäten. Umgekehrt beträgt an Universitäten die Überrepräsentanz der
AkademikerInnenkinder das Zweieinhalbfache, an FHs dagegen „nur“ das Eineinhalbfache. Der
Unterschied hat sich in den letzten Jahren aber etwas angeglichen.312
Nicht nur bei der Schullaufbahnentscheidung spielt also die Herkunftsfamilie, der
Bildungsstatus der Eltern sowie deren sozioökonomische Situation eine Rolle, sondern auch
hinsichtlich der Entscheidung für die Aufnahme eines Studiums bzw. für die Studienfachwahl.
Außerdem beeinflusst die soziale Herkunft auch die Rahmenbedingungen für das Studium, da
die sozioökonomische Situation der Eltern die finanzielle Absicherung sowie den
Lebensstandard während der Studienzeit beeinflusst.313

Abb. 10: Zusammensetzung der Studierenden nach Schicht und Hochschulsektor314

Insgesamt kommt etwa ein Fünftel der Studierenden aus niedriger sozialer Schicht, knappe 31
Prozent aus mittlerer Schicht und ein Drittel aus gehobener Schicht. Bloß 17 Prozent aller
Studierenden stammen aus hoher sozialer Schicht. Zwischen den einzelnen Hochschulsektoren
sind zum Teil deutliche Unterschiede festzustellen: Während an FH-Studiengängen, vor allem
an berufsbegleitend organisierten, der Anteil von Studierenden aus niedriger oder mittlerer
Schicht weit über dem Gesamtdurchschnitt liegt, sind an Kunstuniversitäten Studierende aus
gehobener oder hoher Sicht überdurchschnittlich vertreten.315

312
Unger/Zaussinger et al., 52; 452.
313
Unger/Zaussinger et al., 50.
314
Unger/Zaussinger et al., 69.
315
Unger/Zaussinger et al., 69.
-101-

Zu betonen gilt es noch, dass die soziale Position nicht alleinig auf soziodemografische
Faktoren, wie Bildungsniveau, Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund etc. reduziert werden
darf, auch wenn diese Aspekte durchaus eine gewichtige Rolle spielen. Vielmehr kommt es
auch auf den Lebensstil, die Einstellung und (Wert-)Haltung zu Beruf, Bildung, Kultur,
Freizeitverhalten und Konsumgewohnheiten an. Mit anderen Worten sind nicht nur die
Umweltbedingungen prägend, sondern auch die aktiven Strategien und Handlungsmuster der
Personen.316 Dennoch sind Bildungserfolge nicht einfach den jeweiligen Personen
ausschließlich als eigenes Verdienst anzurechnen, sondern vielmehr bilden sie zu einem großen
Teil die sozialen Voraussetzungen der Personen und ihre jeweiligen Zugangsmöglichkeiten zum
Bildungssystem ab. Bildungsungleichheiten, die sich in Form von Bildungszertifikaten
materialisieren, drücken nicht aus, dass Bildungserfolge aus den Begabungen der Personen
resultieren, sondern sind viel mehr ein Indiz für soziale Ungerechtigkeiten.317
Außerdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass chancenegalisierende Bildungspolitik
nicht alle Gerechtigkeitsprobleme in der Gesellschaft löst, was auch die Studie von Jencks
(1973) zeigt: Sie kommt zu dem Ergebnis, dass neben dem Bildungsabschluss auch
schichtspezifische Einflussfaktoren auf Karriereerfolg und soziale Position weiterhin dauerhaft
und in großem Ausmaß wirksam bleiben.318

Aus den Ausführungen geht deutlich hervor, dass der „soziale Status“ der Eltern in der
Gesellschaft für den Bildungsweg des Kindes eine ausschlaggebende Rolle spielt. Ebenso kann
aus den Ausführungen aber auch geschlossen werden, dass die jeweilige Bildung die
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht innerhalb der Gesellschaft bedingt. Mit
anderen Worten kann man von einer Wechselwirkung zwischen sozialer Schicht und
Bildungsniveau sprechen. Drastischer formuliert, handelt es sich um einen Teufelskreis, den es
(von der Politik) zu durchbrechen gilt.

ccc) Hochschulbildung als wirtschaftliches Gut - Hochschulbildung, die freie


Marktwirtschaft und die Rolle des Staates

Rein ökonomisch betrachtet, ist Hochschulbildung ein wirtschaftliches Gut, welches von
Hochschulen durch knappe Ressourcen wie Personal und Sachmittel angeboten und im
Wesentlichen von Studierenden nachgefragt wird. Nicht außer Acht gelassen werden darf
jedoch, dass an Universitäten aufgrund der von Humboldt entworfenen Idee der Einheit von

316
Vgl. Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance
oder Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte
Wien <http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 35-36.
317
Neuhoff in Dabrowski/Wolf, 11.
318
Sturn/Wohlfahrt, 147-148.
-102-

Forschung und Lehre neben der akademischen Ausbildung auch Forschung und Weiterbildung
betrieben werden.319

Auch heute sind, ausgehend vom UG 2002, Forschung und Lehre zwei Bereiche der
Universitäten, die miteinander verknüpft sind und sich wechselseitig befruchten. Dennoch ist
(wissenschaftliche) Berufsvorbildung, gerade in Studien wie den Lehramtstudien, den
Pharmaziestudien oder den Rechtswissenschaften, deren Abschluss die Voraussetzung für
bestimmte Berufstätigkeiten ist, neben Vermittlung von bestimmten Methoden, Arbeits- sowie
Denkweisen ein Bestimmungsfaktor, den es bei der Gestaltung der Lehre zu berücksichtigen
gilt.320 Jedenfalls ist es nicht Aufgabe der Universitäten Studierende direkt für den Arbeitsmarkt
auszubilden, sondern eher auf der Basis von wissenschaftlicher Methodologie und
wissenschaftlichen Fakten zu bilden, sodass die fachlich kompetenten AbsolventInnen die
Fähigkeit erlangen, langfristig am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Universitäten sollen nicht nur
den Wissenstransfer und Empowerment fördern, sondern auch die Wissensgenerierung.321

Im Idealfall wirken somit Employability und Criticizeability zusammen, da es nicht allein um


die Vermittlung von verwertbarem Wissen geht, sondern auch das selbstständige Denken erlernt
werden soll.322 Sowohl Employability als auch Criticizeability sind somit Aufgabe der
Universität, wobei durch die „neuen Studienregelungen“ die Employability stärker in den
Vordergrund rückt. Dies zeigt sich auch in der Gestaltung der Studienpläne. In der
Studienrichtung Politikwissenschaft an der Universität Wien war man beispielsweise bemüht,
bereits in der Studieneingangsphase möglichst viel an Qualifikationen zu vermitteln.323
Die Grundausrichtung der Universität steht für wissenschaftsorientierte, forschungsgeleitete,
forschungsorientierte Lehre, aber mit spezifischem Fokus auf Bereiche, die praktisch relevant
sind.324 Es sollte daher nicht die Vermittlung von Grundqualifikationen gescheut werden, die es
dem einzelnen ermöglichen, sich besser am Arbeitsmarkt zurechtzufinden.325 Dennoch sollte
diese „optimale Kombination“ nicht absolut verallgemeinert werden, da es auch stets auf die
spätere professionelle Rolle ankommt, welche Ausbildung im Vordergrund stehen sollte.326

Von einem rein wirtschaftlich betrachteten Standpunkt aus, muss hier festgestellt werden, dass
im Bereich der Hochschulbildung nicht die „gewöhnlichen Strukturen“ einer freien

319
Stuchtey, 47.
320
Interview 4, 2; Interview 3, 2.
321
Interview 3, 2-3.
322
Interview 4, 3.
323
Interview 5, 2.
324
Interview 2, 3; Interview 5, 2.
325
Interview 5, 2.
326
Vgl. Interview 4, 3.
-103-

Marktwirtschaft zu finden sind, wie die privatwirtschaftliche Herstellung von Gütern und
Dienstleistungen, deren Tausch auf Märkten zwischen Individuen und der Verbrauch bzw. die
Nutzung durch den/die Käufer/in. Jeder hat die verursachten Kosten selbst zu tragen, sodass das
Äquivalenzprinzip herrscht. Außerdem besteht grundsätzlich Kontrahierungsfreiheit sowie die
Möglichkeit der VertragspartnerInnen sich auf bestimmte Konditionen zu einigen. Die Aufgabe
des Staates ist nach Eucken hierbei lediglich die Schaffung eines Ordnungsrahmens, der dazu
beiträgt, dass das System relativer Preise die tatsächlichen Knappheiten gut abbildet und der
Markt dem Zustand der vollständigen Konkurrenz nahe kommt. Im Bereich des Gutes
Hochschulbildung versagt dieses Modell des Marktes als Koordinationsinstrument jedoch,
sodass eine stärkere Einflussnahme auf das Wirtschaftsleben notwendig ist, um ein solches
Kollektivgut bereitstellen zu können. Mit anderen Worten werden das Äquivalenzprinzip und
damit die KonsumentInnensouveränität durchbrochen,327 indem der Staat interveniert. Diese
Intervention kann zweierlei Formen annehmen: der Staat produziert das Gut (weil die
Produktion auf dem Markt nicht gewährleistet ist) oder der Staat finanziert das Gut (weil keine
ausreichende private Nachfrage nach diesem Gut besteht)328 mit Steuergeldern. Die Gesamtheit
der SteuerzahlerInnen und damit ein Gutteil von älteren Individuen, insbesondere die
Erwerbstätigen kommen für die Kosten des Bildungssektors auf, dessen Angebote primär
jungen Individuen zugute kommen. Öffentliche Bildungsausgaben sind daher mit einem
intergenerationellen Transfer von Alt zu Jung verbunden, sodass von einem Spiegelbild zum
umlagefinanzierten Alterssicherungssystem gesprochen werden kann, in welchem die Transfers
von den Erwerbstätigen zu den PensionistInnen und damit von Jung zu Alt erfolgen.329 Somit
entscheidet der Staat auch über die Menge und die Qualität der Kollektivgüter, die aus dem
großen Topf der Staatseinnahmen finanziert werden.330

Im Hinblick auf die Hochschulbildung bedeutet das in concreto, dass sich ein/e angehende/r
Student/in nur entscheiden kann, ob er/sie das Angebot, so wie es sich ihm/ihr darstellt,
nachfragen will oder aber auf ein Studium verzichtet. Der Souveränitätsverlust, den der/die
angehende Student/in hierdurch erleidet, wird dadurch entschärft, dass für das in Anspruch
genommene Gut keine Gegenleistung erbracht werden muss, da die gesamte Gesellschaft über
Steuergelder für die Finanzierung aufkommt.331 Diese öffentliche Hochschulfinanzierung stellt
die universitäre Humanvermögensbildung insofern auf eine breitere Basis als mit einer

327
Stuchtey, 44-45.
328
Pechar/Keber, 46.
329
Kemnitz, 13-14.
330
Stuchtey, 45.
331
Stuchtey, 45.
-104-

steigenden Zahl an HochschulabsolventInnen der gesellschaftliche Verlust geringer ist, wenn


das individuell erworbene Humanvermögen nicht der Gesellschaft zugute kommt oder aufgrund
von Fehlinvestitionen wertlos wird.332

Derartige staatliche Eingriffe können, ausgehend von der Wohlfahrtstheorie, aus zwei Gründen
gerechtfertigt sein: Einerseits können private Entscheidungen insofern ineffizient sein, als
manche Investitionen in Humankapital unterlassen werden, obwohl sie allen Mitgliedern der
Gesellschaft zum Vorteil gereichen könnten. Andererseits, von einem verteilungspolitischen
Standpunkt aus betrachtet, mag das Ergebnis privater Bildungsmärkte als unerwünscht
angesehen werden. Wenn dem Nutzen nachfolgender Generationen aus sozialer Sicht
hinreichende Wichtigkeit beigemessen wird, so ist es zweckmäßig eine öffentliche Finanzierung
beizubehalten.333 Außerdem belegt die neue Wachstumsforschung empirisch die zunehmende
Wichtigkeit von Humankapitalinvestitionen für die Wohlfahrt einer Gesellschaft, wobei die
Basis für die Entwicklung des Humanvermögens im Bildungs- und Wissenschaftssystem gelegt
wird. Dennoch sind die positiven externen Effekte, die eine finanzielle Förderung des
Hochschulstudiums durch den Staat rechtfertigen, schwer nachweisbar.334

Hinzu kommt noch, dass Hochschulstudien in vielfältiger Weise mit der Hochschulforschung
verbunden sind, deren Erträge sich häufig nicht individuell aneignen lassen. Die
Grundlagenforschung hat daher die Eigenschaft eines öffentlichen Gutes, für das eine rein
private Finanzierung unzureichend wäre, sodass sich hieraus die Notwendigkeit ergibt, es
zumindest teilweise öffentlich zu finanzieren. Weiters ergibt sich die Notwendigkeit staatlicher
Eingriffe bei rein privaten Gütern immer dann, wenn unvollkommene Kapitalmärkte bestehen.
In der Regel lassen sich Bildungsinvestitionen über den Kapitalmarkt nicht vorfinanzieren,
wobei dies vor allem mit den unzureichenden Sicherheiten des Investors zusammenhängt. Dies
ist wiederum auf die spezifischen Eigenschaften von Humankapitalinvestitionen
zurückzuführen, da Humanvermögen beispielsweise nicht pfändbar ist.335

Was die Rolle des Staates betrifft, verpflichtet sich dieser, die Universität zu finanzieren und
schließt daher der/die zuständige Bundesminister/in mit jeder Universität einen Leistungsvertrag
mit dreijähriger Laufzeit ab. Während der Entwurf der Leistungsvereinbarung, über den
verhandelt wird, von der Universität vorgelegt wird, wird das Universitätsbudget des Bundes
auf Vorschlag der Bundesregierung mit dem jährlichen Bundesfinanzgesetz vom Parlament

332
Nagel, 23.
333
Kemnitz, 11; 15.
334
Nagel, 21-22.
335
Nagel, 23; 27.
-105-

beschlossen. 20 Prozent des Gesamtbetrags für alle Universitäten werden formelgebunden auf
der Basis von Leistungsindikatoren und Indikatoren für gesellschaftliche Zielsetzungen
vergeben. Die übrigen 80 Prozent werden demgegenüber an die einzelnen Universitäten auf der
Basis von Verhandlungen über die Leistungsvereinbarung nach folgenden Kriterien verteilt:
Bedarf, Nachfrage, Leistung und gesellschaftliche Zielsetzungen.336 Die einzelnen Fakultäten
verhandeln nur über einen kleinen Spielraum der gesamten Leistungsvereinbarung. Erkennbar
ist, dass in gewisse Bereiche der Forschung, die kapitalintensiver sind, mehr investiert wurde.337
Nicht unbedeutend ist in diesem Zusammenhang, dass die jeweils über die
Leistungsvereinbarung verhandelnden Personen keine Kenntnis und damit auch keinen
Vergleich haben, welche Mittel andere Fakultäten erhalten, da die Universität in diesem Bereich
sehr stark zentralistisch gesteuert ist, sodass nur das Rektorat in alle Bereiche Einblick hat.338

Summa summarum ist hier festzustellen, dass Hochschulbildung kein rein wirtschaftliches Gut
ist, sondern neben wirtschaftlichen Aspekten auch rein wissenschafts- und forschungsorientierte
Facetten in sich birgt. Mit anderen Worten ist Hochschulbildung eine Kombination von
Employability und Criticizeabilty (näheres siehe II.B.1.) und ist nicht bloß auf ersteres zu
reduzieren. Das reine Modell der freien Marktwirtschaft versagt im Bereich des Gutes
Hochschulbildung. Ebenso erscheint ein „stark staatlicher“ Eingriff in die Hochschulbildung
nicht zweckmäßig. „Optimal“ ist die Kombination von Markt und Staat, indem der Staat eine
Art Ordnungsrahmen schafft und insofern interveniert, als er das Gut Hochschulbildung
grundsätzlich mit Steuergeldern finanziert. Die Bereitstellung dieses Kollektivgutes durch den
Staat, welche keine Gegenleistung verlangt, rechtfertigt auch den Souveränitätsverlust, welchen
das Individuum erleidet.

c) Bildungspolitik als Sozialpolitik? - Die Schaffung von Sozialkapital und dessen


Zusammenspiel mit Humankapital

Bevor nun auf die Fragestellung, ob Bildungspolitik einen Bereich der Sozialpolitik darstellt
bzw. Bildungspolitik in gewisser Weise Sozialpolitik ist, näher eingegangen wird, soll hier kurz
eine Definition von Sozialpolitik angeführt werden. Im Kern aller Definitionen von
Sozialpolitik steckt das Ziel, durch entsprechendes politisches Handeln die soziale sowie
wirtschaftliche Situation von gesellschaftlichen Gruppen zu verbessern. Es geht darum den

336
Kasparovsky/Wadsack, 19.
337
Interview 4, 10.
338
Interview 5, 16,
-106-

Eintritt einer systematischen Benachteiligung zu verhindern oder zumindest darum, die


wirtschaftliche und soziale Situation von benachteiligten Personengruppen zu verbessern.339

Im Allgemeinen zählt das Bildungswesen in Europa nicht zum Sozialstaat. Laut Streissler
führen eine zu stark vergangenheitsorientierte Sozialpolitik und nachhaltig konservative
Familienmuster dazu, dass dem Bildungswesen in der Sozialpolitik ein ganz geringer
Stellenwert zukommt. Die EU, welche nach angelsächsischem Vorbild stark auf Ausbildung
und lebenslanges Lernen setzt, könnte helfen, den notwendigen Zusammenhang von Bildung
und Sozialstaat zu fördern und auf diese Art und Weise sozialpolitische Reformen mit
bildungspolitischen Reformen koppeln und nicht trennen.340

Im Hinblick auf die Frage, inwiefern Bildung zur Sozialpolitik zu zählen ist, gibt es aber keine
eindeutige Lösung, sondern nur eine Einigung auf Standards in der statistischen Erfassung. Die
Sozialausgaben werden in der EU-einheitlichen Erfassung nach folgenden acht Funktionen
gegliedert: Alter, Hinterbliebene, Invalidität, Krankheit, Familie, Arbeitslosigkeit, Wohnen und
341
Sonstiges. Auffällig ist, dass Bildung hier eben nicht als eine Funktion genannt wird und
daher nicht zu den Sozialausgaben gezählt wird. Arbeitslosigkeit zählt demgegenüber zu den
klassischen sozialen Risiken wie auch Krankheit, Alter und Unfall, denen mit umfangreichen
soziapolitischen Maßnahmen begegnet wird.342 Derartige Maßnahmen sind auch die
Dienstleistungen des AMS und das Arbeitslosengeld. Die Weiterbildung an sich wird
demgegenüber nicht als sozialpolitische Maßnahme angesehen, die die Gefahr der
Arbeitslosigkeit reduzieren könnte.
Auch wenn der Bildungsbereich nun grundsätzlich nicht zur Sozialpolitik zählt, werden in
einem wissenschaftlichen Bericht für das BMBWK Universitätsmodelle als „historisch
gewachsene und interdependente Sozialsysteme“ beschrieben.343 Darüber hinaus ist auch der
Zusammenhang von Bildung und sozialer Ungleichheit offensichtlich. Bildungspolitische
Entscheidungen definieren mit der Rahmung von Lebensläufen und Chancen Zusammenhänge,
die als soziale Ungleichheit von sozialpolitischer Bedeutung sind.344

Der sozioökonomische Wandel, der mit dem Übergang zur Wissensgesellschaft einhergeht,
birgt für die EU und die BürgerInnen Europas nicht nur Chancen und damit neue Möglichkeiten
zu kommunizieren, zu reisen und zu arbeiten, sondern auch Gefahren wie beispielsweise mehr

339
Badelt/Österle (1998), 11.
340
Vgl. Streissler in Leutner, 91.
341
Badelt/Österle, 18; 22.
342
Badelt/Österle (1998), 14.
343
BMBWK, 49.
344
Opielka in Opielka, 137.
-107-

Ungleichheit sowie soziale Ausgrenzung.345 In der industriellen Entwicklung wurde der Bildung
eine schichtenegalisierende Wirkung zugesprochen. Diese Hypothesen wurden durch andere
abgelöst, die davon ausgehen, dass Bildung schichtenperpetuierendes Potential hat. Dahinter
steht der Gedanke, dass benachteiligte Schichten NettoverliererInnen der öffentlichen
Bildungsfinanzierung sind, da sie zur Kasse gebeten werden, damit die Perpetuierung ihrer
Benachteiligungen öffentlich finanziert werden kann.346 Dennoch zeichnet sich das europäische
Gesellschaftsmodell durch eine breite Verantwortung der öffentlichen Hand für soziale
Wohlfahrt aus, welches nicht nur eine Risikenabsicherung, sondern auch die Gesundheit, die
Bildung und Familienförderung beinhaltet und unter anderem den sozialen Zusammenhalt
anstrebt.347

Die Bedeutung der sozialen Komponente der Bildungspolitik wird auf EU-Ebene deutlich, da
die soziale Dimension seit dem ersten Folgetreffen der MinisterInnen nach der Bologna-
Erklärung in Prag 2001 einen wichtigen Teil des Bologna-Prozesses darstellt. Sie gewann nach
und nach an Bedeutung, wurde aber erst 2007 begrifflich näher abgesteckt, als beim
Zusammentreffen in London das Ziel der sozialen Dimension als der gesellschaftliche Anspruch
definiert wurde, dass die Studierenden bei ihrem Eintritt in die Hochschule, mit ihrer
Beteiligung und bei Abschluss der Hochschulbildung auf allen Ebenen die Zusammensetzung
der Bevölkerung widerspiegeln sollten.348 Ein höheres Bildungsniveau und ständige
Weiterbildung tragen – sofern alle daran teilhaben können – in erheblichem Maße dazu bei,
Ungleichheiten abzubauen und Ausgrenzung zu verhindern.349
In allen Bologna-Staaten ist die Unterrepräsentation meistens mit dem sozioökonomischen
Status oder dem Bildungsstand der Eltern, der Zugehörigkeit zu einer Minderheit oder einer
Behinderung verbunden. Es ist somit eine grundlegende Frage, wie unterrepresäntierte
Gesellschaftsgruppen definiert werden, aber viel bedeutender sind die übergeordneten
politischen Fragen in Bezug auf das grundsätzliche Ziel der Identifizierung unterrepräsentierter
Gesellschaftsgruppen und der zur Ausweitung ihrer Beteiligung und des Erwerbs eines
Hochschulabschlusses eingeleiteten Maßnahmen. Unabhängig davon, ob die Länder eine
systematische Überwachung der Bildungsbeteiligung von unterrepräsentierten

345
Generaldirektion für Bildung und Kultur/ Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales (2002): Ein
europäischer Raum des lebenslangen Lernens <http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/ll-
learning/area_de.pdf>, 22.2.2011, 9.
346
Sturn/Wohlfahrt, 4.
347
Aiginger in Leutner, 48-49.
348
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 27.
349
Mitteilung der Kommission. Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen, KOM 2001/678
endgültig, 7.
-108-

Bevölkerungsgruppen durchführen oder darauf verzichtet haben, haben die meisten bzw. einige
von ihnen besondere Maßnahmen für einen besseren Zugang entwickelt. Der Einsatz von
besonderen Zulassungsverfahren und gezielte Stipendien sowie Beihilfen für Mitglieder
unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen sind die am weitesten verbreiteten Maßnahmen.350

Trotz der eben angeführten Entwicklungen hat die soziale Selektivität des Bildungssystems
sowie seine Platzanweiserfunktion für die Stelle in der Gesellschaft, welche durch die in den
1970er Jahren einsetzende Bildungsexpansion in den Hintergrund der öffentlichen Diskussion
geraten ist, de facto kaum an Wirksamkeit verloren. Menschen mit einem geringen Ausmaß an
formaler Bildung zählen noch immer zu den Benachteiligten in der Gesellschaft.351 Krenn stellt
treffend fest: „Im Zuge der Bildungsexpansion ist es insofern zu einer „Negativauslese“
gekommen, als Kinder mit relativ besseren sozialen Ressourcen „Bildungs-Aufstiege“ (in
formal qualifizierte Ebenen) geschafft haben. Damit ist aber gleichzeitig die Homogenität der
Gruppe der „Ungelernten“ als jene mit den wenigsten sozialen Ressourcen gestiegen. Wer
heute (in der „Wissensgesellschaft“) immer noch „ungelernt“ ist, dem/der wird das Etikett
„nicht beschäftigungsfähig“ angeheftet, was nicht einfach nur zu Ranking-Nachteilen am
Arbeitsmarkt im Vergleich mit formal Qualifizierten, sondern zu sozialen „Aussortiereffekten“
führt.“352

Das allgemeine Bildungsniveau in Österreich ist angestiegen. Nahezu fünf von sechs 25 bis 64-
Jährigen haben eine Schulbildung abgeschlossen, die über die Pflichtschule hinausgeht.
Demgegenüber hatten vor dreißig Jahren noch 46 Prozent bloß einen Pflichtschulabschluss.353
Seit Jahrzehnten ist auch ein Trend zu einem höheren akademischen Abschluss festzustellen.
Innerhalb der letzten zwanzig Jahre stieg die Zahl der jährlich neu hinzukommenden
JungakademikerInnen auf das Dreifache. In den letzten 25 Jahren ist die Zahl der
Studienabschlüsse an öffentlichen Universitäten und FHs von jährlich etwa 9.000 auf 36.006 im
Studienjahr 2008/2009 gestiegen.354

350
Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>, 22.3.2011, 28; 30; 33.
351
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 1.
352
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 8.
353
Nimmervoll (9.3.2011), 8.
354
Statistik Austria 2011, 42.
-109-

Im internationalen Vergleich liegt Österreich mit einer jährlichen Abschlussquote von 25


Prozent unter dem EU19355-Durchschnitt von 38 Prozent. Im Vergleich zu den Vorjahren ist
jedoch eine steigende Tendenz zu verzeichnen (2005: 20 Prozent; 2007: 22 Prozent).356
Es ist aber nicht so simpel zu bestimmen, wer wann gering qualifiziert ist, wie dies vielleicht
prima facie erscheinen mag. Die historische Veränderung des Bildungsniveaus sowie die
Kontextgebundenheit und die pragmatische Abstimmung auf vorhandene Datengrundlagen bzw.
empirische Designs sind von Bedeutung. Darüber hinaus verbergen sich in den Begriffen immer
auch problematische soziale Bewertungen. Eine mögliche Verständnisform der „gering
qualifizierten“ Personen sind also Un- und Angelernte.357
Faktum ist jedenfalls, dass sich die Zahl der Personen mit geringer Bildung reduziert hat.
Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb, hat sich deren gesellschaftliche Stellung innerhalb
der Gesellschaft nicht positiv verändert. Geringe formale Bildung bzw. Qualifikation ist
innerhalb der letzten dreißig Jahre zu einem sozialen Stigma geworden.358 Trotzdem ist, wie die
folgende Grafik zeigt, die Zahl der StudienanfängerInnen stetig gestiegen:

355
Für einige internationale Indikatoren wurde der EU19- Durchschnitt berechnet. Dies entspricht dem
ungewichteten Mittel der 19 OECD-Staaten, welche gleichzeitig Teil der EU- 27-Staaten sind. Diese 19 Staaten
sind Österreich, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien,
Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal, die Slowakische Republik, Spanien, Schweden, die Tschechische
Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich. (Statistik Austria 2011, 142.)
356
Statistik Austria 2011, 44.
357
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 5.
358
Unger/Zaussinger et al., 16.
-110-

Abb. 11: Anzahl der StudienanfängerInnen nach Hochschulsektor359

Abgesehen von der Frage, ob Bildungspolitik als Sozialpolitik zu verstehen ist, gilt es hier noch
die Begriffe Sozialkapital und Humankapital sowie deren Zusammenspiel zu klären.
Eine eindeutige Definition des Terminus Sozialkapital gibt es nicht, sondern dieses wird
vielmehr als multidimensional beschrieben. Es stellt nicht nur den Bestand an gemeinsam
geteilten Normen und Werten und sozialen Beziehungen dar, sondern drückt auch die Quantität
und Qualität der sozialen Interaktionen aus. In der Regel wird zwischen individuellem und
kollektivem oder zivilem und staatlichem Sozialkapital unterschieden.360 Der Individualansatz
versteht Sozialkapital als Kapital des/der einzelnen, welches aus den sozialen Beziehungen, die
eine Person hat, besteht und dieser dazu dient, persönliche und private Interessen
voranzutreiben. Demgegenüber geht der Kollektivansatz davon aus, dass Sozialkapital dazu
dient, ein gemeinsames Ziel oder Interesse zu verwirklichen. Gemein ist diesen beiden
Ansätzen, dass sie soziale Beziehungen zwischen Individuen darstellen. 361
Ganz allgemein wird unter Sozialkapital ein Indikator für allgemeines Vertrauen,
BürgerInnenbeteiligung, Ausmaß von Korruption etc. verstanden.362
Willmann folgend, ist Sozialkapital „jenes Kapital in einer Gesellschaft, das der Überwindung
kollektiver Handlungsprobleme dient.“ Im Kontext der vorliegenden Dissertation erscheint
diese Definition sehr passend, da die Bereitstellung von kollektiven Gütern, wie der Bildung zu

359
BMUK 2009, 14.
360
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 60-61.
361
Willmann, 7-8.
362
Streissler in Leutner, 88.
-111-

den kollektiven Handlungsproblemen zählt. Kollektive Handlungsprobleme können nur


überwunden werden, wenn sich jede/r einzelne kooperativ verhält und sein/ihr
363
Individualinteresse hintanstellt. Mit der Analyse von bestimmten Entscheidungssituationen,
in denen die eigene Entscheidung von den Entscheidungen anderer AkteurInnen abhängt
beschäftigt sich die Spieltheorie, wobei das bekannteste Beispiel das „Prisoner’s Dilemma“
darstellt.364 Ein solches kollektives Handlungsproblem kann nur dann gelöst werden, wenn dies
zur Zufriedenheit der Allgemeinheit erfolgt, das heißt dem Gemeinwohl entspricht. Das
bedeutet, dass eine Verteilung stattfinden muss, die jeden besser stellt und nicht nur einige auf
Kosten der anderen bevorzugt. Individuen können entweder durch äußeren Druck bzw. Anreize
dazu veranlasst werden, sich sozial zu verhalten, wie beispielsweise durch Gesetze oder
Verträge, oder Individuen verhalten sich freiwillig kooperativ, nämlich dann wenn Sozialkapital
in der betreffenden Gesellschaft vorhanden ist.365
Da eine detaillierte Erläuterung dieses Ansatzes von Sozialkapital den Rahmen der vorliegenden
wissenschaftlichen Arbeit sprengen würde, wird hier nun auf Willmann366 verwiesen.
Die eben gemachten Ausführungen haben im Bezug auf das (österreichische) Bildungssystem
folgende Bedeutung: Wie bereits erwähnt, können Bildung bzw. der Zugang zur Bildung sowie
deren Finanzierung kollektive Handlungsprobleme darstellen, welche es zu lösen gilt. Die
„Verteilung“ von Bildung sollte so gestaltet werden, dass sie nicht nur den/die einzelne(n)
zufrieden stellt. Die „Zurverfügungstellung“ von Bildung ist die Grundlage für die Schaffung
von Humankapital.
Unter Humankapital ist zu verstehen, dass der Mensch als Kapitalanlage betrachtet wird. Es soll
in Ausbildung investiert werden, damit die AbsolventInnen der Hochschulen unter heutigen
Bedingungen effektiv produzieren, also Gewinn abwerfen.367 Der Mensch wird als Rohstoff
angesehen, den es zu verarbeiten und ökonomisch am zweckmäßigsten zu verwerten gilt. Er
wird als unendliches Kapital definiert und auch eingesetzt. Mit anderen Worten wird hiermit
lebenslanges Lernen als notwendige Voraussetzung für den Fortbestand und die
Weiterentwicklung der Gesellschaft deklariert. Den Bildungsstätten wird somit die Aufgabe
übertragen, für die heutigen wirtschaftlichen Notwendigkeiten die entsprechende Ressource zu
produzieren, nämlich die Humanressource.368 Nicht mehr der Mensch an sich ist die
Bezugsgröße, an der sich Bildung orientiert, sondern seine Funktion als Humankapital. Wenn

363
Willmann, 13; 17.
364
Vgl. Filzmaier/Gewessler/Höll/Mangott, 96-97.
365
Willmann, 17; 19; 22.
366
Vgl. Willmann, 36-45.
367
Krautz, 115.
368
Donauer, 4.
-112-

Bildung auf diese Art und Weise eingeschränkt wird, dann wird den Menschen die Freiheit
geraubt und sie werden zu bloßen Nutzbringern der Ökonomie degradiert.369

Die Humankapitaltheorie meint grundsätzlich mit Bildung „Ausbildung“ gemäß den


Anforderungen des Arbeitslebens. Bildung wird also reduziert auf beruflich notwendiges
Wissen und Können, auch wenn sie tatsächlich viel mehr ist als nur das. Ein zweiter Kritikpunkt
an dieser Theorie ist der Maßstab „Wirtschaftswachstum“, an welchem das Wirtschaftsleben
gemessen wird. Doch gilt es zu beachten, dass die Wirtschaft schließlich nicht auf Dauer
wachsen kann.370

Heute ist die zentrale Bedeutung von Humankapital für moderne Ökonomien unter
ÖkonomInnen kaum umstritten, insbesondere gilt dies auch für höhere Bildung, wie sie auf
Hochschulen vermittelt wird. Schätzungen zufolge beläuft sich der ökonomische Wert von
Humankapital auf etwa das Dreifache von jenem des Sachkapitals. Der Stellenwert von
Humankapital wird weiters zunehmen, da es eine Vorbedingung für qualitatives,
ressourcensparendes Wachstum und Innovation ist.371
Wenn Bildung als Investition verstanden wird, dann darf aber nicht außer Acht gelassen
werden, dass es Zeit braucht, bis Investitionen Früchte tragen. Die Festlegung von
Ausgabenprioritäten durch Regierungen sollte daher auf einer langfristigen Planung für die
nationale und lokale Ebene beruhen.372

Der grundlegende Unterschied zwischen dem schon oft erwähnten Humankapital und dem hier
angesprochenen Sozialkapital liegt darin, dass letzteres erst durch die Interaktion mit anderen
Menschen zustande kommt während das Humankapital durch eine einzelne Person geschaffen
wird. Die Gemeinsamkeit dieser beiden Kapitalien ist, dass sie Aspekte eines öffentlichen Gutes
aufweisen, da auch Personen von einem anderen aufgebauten Sozialkapital profitieren, die
nichts dazu beigetragen haben. Mit anderen Worten weist das Sozialkapital in der Regel keinen
rivalisierenden oder ausschließenden Charakter auf. Dies rechtfertigt staatliche Eingriffe in die
Bildung von Sozialkapital, da aufgrund der positiven Externalitäten eine Unterversorgung mit
Sozialkapital entstehen würde.373

Das Zusammenspiel beschreiben Wolter/Nagel-Drdla wie folgt: „Sozial- und Humankapital


sind einerseits komplementär und andererseits kausal verbunden, d. h. sie bedingen einander.

369
Krautz, 116-117.
370
Krautz, 116.
371
Sturn/Wohlfahrt, 1; 362.
372
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 3.
373
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 61.
-113-

Vereinfachend kann man das Zusammenspiel so beschreiben, dass Humankapital benötigt wird,
damit überhaupt Sozialkapital aufgebaut werden kann, während das Sozialkapital wiederum
benötigt wird, damit sich das Humankapital gewinnbringend in ökonomischen Prozessen
einsetzen lässt.“374

d) Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik

Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik unterscheidet man zwischen aktiver und passiver


Arbeitmarktpolitik sowie regulativer Steuerung. Während sich die passive Arbeitsmarktpolitik
auf die Kompensation der Einkommensverluste im Fall der Arbeitslosigkeit sowie auf die
Förderung der Suchprozesse konzentriert, dient die aktive Arbeitsmarktpolitik der Verbesserung
und Schaffung von Beschäftigungschancen. Durch die regulative Steuerung kann eine
Beschränkung oder Ausdehnung des Arbeitsangebots vorgenommen werden.375
Im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik werden personenbezogene Maßnahmen
vorgenommen, unter welche nicht nur umfangreiche Beratungs- und Betreuungsleistungen
fallen, sondern auch Aus- und Weiterbildung sowie die Umschulung Arbeitsloser. Die Chancen
der Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt sollen durch die Anpassung der Qualifikationen der
Arbeitskräfte an die sich wandelnden Erfordernisse der Wirtschaft erhöht werden.376 Die aktive
Arbeitsmarktpolitik ist somit quasi das „Bindeglied“ zwischen der Arbeits- und der
Bildungspolitik. Zum Teil haben diese beiden Politikbereiche die gleichen Ziele, nämlich die
Aus- und Weiterbildung. Während die aktive Arbeitsmarktpolitik im Speziellen auf die
Anpassung der Qualifikationen der Arbeitskräfte an die Anforderungen des Arbeitsmarktes
abzielt, sind die Ziele der Bildungspolitik weiter gefasst. Sie zielt grundsätzlich auf
(wissenschaftlich fundierten) Wissenserwerb ab, der aber natürlich auch „mit der Zeit gehen
sollte“, das heißt, dass das erworbene Wissen und die erlangten Kompetenzen dem neuesten
Stand der Wissenschaft zu entsprechen haben sowie dass dieses Wissen bzw. die Kompetenzen
in praxi auch Anwendung finden können. Dennoch ist universitäre Weiterbildung nicht im
Besonderen auf den Qualifikationserwerb für die Ausübung eines bestimmten Berufes
ausgerichtet, sondern aufgrund der wissenschaftlichen Orientierung allgemeiner, weitreichender
sowie (zum Teil) „theoretischer“ gestaltet.

Eine weitere Gemeinsamkeit dieser beiden Politikbereiche ist, wenn man so möchte, das Thema
Diskriminierung. Ebenso wie Chancengleichheit im bildungspolitischen Bereich nämlich ein

374
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 61.
375
Badelt/Österle, 192.
376
Badelt/Österle, 200.
-114-

Thema ist, ist auch die offene Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt aufgrund geschlechtlicher,
rassischer oder sozialer Merkmale eine Beeinträchtigung der freien Talententfaltung.377

In diesem Kontext ist auch der wichtigste Träger der Arbeitsmarktpolitik, das AMS zu nennen,
welches nach einer grundlegenden Reform der Arbeitsmarktverwaltung, die mit dem AMSG
1994 aus dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales ausgegliedert wurde,
entstanden ist. Das AMS ist ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts, das im
Rahmen der Vollbeschäftigungspolitik der Bundesregierung, im Auftrag des Bundesministers
für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und unter maßgeblicher Beteiligung der
SozialpartnerInnen zur Verhütung und Beseitigung von Arbeitslosigkeit in Österreich beiträgt.
Das AMS vermittelt Arbeitskräfte auf offene Stellen und unterstützt die Eigeninitiative von
Arbeitsuchenden und Unternehmen durch Beratung, Information, Qualifizierung und finanzielle
Förderung.378 Das AMS ist ein wichtiger Player im Bildungsbereich, da es der größte
Einzelfinanzierer von berufsbezogener Weiterbildung ist.379 Auf der Website des AMS finden
sich eine Reihe von Tools wie etwa der Ausbildungskompass oder die
Weiterbildungsdatenbank, die die UserInnen der Seite in Anspruch nehmen können, um sich
über Aus- und Weiterbildungsangebote zu informieren. Das AMS klärt auch dezidiert über
universitäre Aus- und Weiterbildung auf.380

Die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und dem AMS gestaltet sich wie folgt: Eine
direkte Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Einrichtungen ist nicht zu verzeichnen, da es
nicht die Aufgabe der Universität ist, Personen über Bildungsprogramme in den Arbeitsmarkt
zu integrieren. Dennoch ist es ein Ziel der Universität mit Weiterbildungsprogrammen auf die
Weiterbildungsherausforderungen zu reagieren und Personen auf der Basis der bereits
erworbenen Qualifikationen sowie auf der Basis der bereits erlangten Berufserfahrung die
akademische Weiterqualifizierung, die ihnen auch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt
verschaffen, zu ermöglichen.381

Von Seiten des AMS gibt es Abteilungen, die sich verstärkt mit Berufs- und
Arbeitsmarktinformation für Studierende beschäftigen, wobei eine Broschürenreihe entwickelt
wurde, bei welcher mit dem Bildungs- und dem Wissenschaftsministerium kooperiert wird. Es
sind auch insofern Berührungspunkte im Bereich der Forschung festzustellen, da Universitäten

377
Kemnitz, 31.
378
AMS Österreich <http://www.ams.at>, 15.4.2012.
379
Interview 1, 9.
380
Vgl. AMS Österreich <http://www.ams.at>, 15.4.2012.
381
Vgl. Interview 2, 3.
-115-

auch Forschungsprojekte für das AMS übernehmen. Darüber hinaus besteht eine
Zusammenarbeit zwischen dem AMS und der HochschülerInnenschaft.382

Teilweise können Arbeitslose auch an universitären Weiterbildungsangeboten teilnehmen, wie


etwa an Universitätslehrgängen, solange sie im Rahmen des dem AMS zur Verfügung
stehenden Budgets liegen. Darüber hinaus gibt es auch Stiftungen, an welchen das AMS
beteiligt ist, sodass Arbeitslose auch dreijährige Lehrgänge absolvieren können. Ein
Grundstudium an einer Universität durch AMS- Finanzierung ist jedoch nicht vorgesehen.383

Zu erwähnen gilt es an dieser Stelle schließlich noch, dass auch insofern eine Form der
Zusammenarbeit zwischen dem AMS und der Universität besteht, als das Career Service
Uniport eingerichtet wurde.384

Im Anschluss an den interviewten wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abteilung


Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation des AMS Wien ist zusammenfassend
festzustellen, dass eine stärkere Zusammenarbeit zwischen der Universität und dem AMS
erstrebenswert ist, insbesondere im Hinblick auf Studierende, die Studienrichtungen absolviert
haben, mit denen die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt eher schlecht sind, und die dann durch
ökonomische oder andere zweckmäßige Zusatzausbildungen eine weitaus bessere Chance am
Arbeitsmarkt erlangen. Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass derartige
Einzelförderungen jedoch sehr stark vom für diese Zwecke vorhandenen Budget abhängen,
wobei die einzelnen Landesorganisationen die Entscheidungskompetenz über die konkrete
Umsetzung der allgemeinen bundesweiten Förderrichtlinie haben. 385

382
Interview 1, 5.
383
Interview 1, 5-6.
384
Interview 3, 5.
385
Interview 1, 6.
-116-

2. Staatliche und politische Motive sowie Intuitionen für die Erhebung von Bildung zu
einem Gegenstand der Politik

a) Europäische Ebene

aa) Allgemeines

Die europäischen EntscheidungsträgerInnen sind bemüht, im Bildungsbereich stets am Ball zu


bleiben, indem sie neue und innovative bildungsökonomische Forschungsergebnisse in die
europäische Politik mit einfließen lassen.386 Die europäische Politik im Bildungswesen geht
gegenwärtig ziemlich deutlich in die Richtung einer Stärkung der politischen Ebene und der
öffentlichen Systeme, bei gleichzeitiger Förderung von marktwirtschaftlichen Formen der
Bereitstellung von privaten Beiträgen. Diese politischen Ansätze stehen nicht in einem
eindeutigen und diamentralen Gegensatz zu neoliberalen Visionen, aber es ginge auch zu weit,
wenn man diese Strategien ganz klar als neoliberal bezeichnen würde.387

Die in etwa 4000 europäischen Hochschulen mit circa 17 Millionen Studierenden und ungefähr
1,5 Millionen MitarbeiterInnen verfügen über ein enormes Potential, welches nicht voll genutzt
und effizient eingesetzt wurde, um Europas Bemühen um mehr Wachstum und Beschäftigung
zu untermauern. Begründen lässt sich dies mit den nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten,
welche die Universitäten gliedern, kontrollieren, sie im Detail steuern und ihnen ein
unerwünschtes Maß an Uniformität aufzwingen. Diese Uniformität fördert die Zersplitterung
des Bereichs in meist kleine nationale Systeme und Subsysteme und erschwert somit nicht nur
die Zusammenarbeit auf nationaler, sondern auch auf europäischer sowie internationaler
Ebene.388

Nicht nur die eben angesprochene Zersplitterung ist ein Motiv für eine politische
Auseinandersetzung mit dem Thema Hochschulbildung auf europäischer Ebene, sondern auch
die Tatsache, dass die meisten Universitäten es versäumen, sich für andere Arten des Lernens
und der Lernenden (zum Beispiel Kurse ohne formellen Abschluss für Erwachsene), also für
jene Personengruppen zu öffnen, die nicht den traditionellen Bildungsweg beschritten haben.
Dieser Umstand hat unter anderem zur Behinderung des Angebots von Schulungs- bzw.

386
Strukturindikator Lebenslanges Lernen
<http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bildung_und_kultur/erwachsenenbildung_weiterbildung_lebenslanges
_lernen/weiterbildungsaktivitaeten_der_bevoelkerung/020941.html>, 18.3.2011.
387
Lassnigg in IHS, 13.
388
Mitteilung der Kommission. Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und
Innovation, KOM 2006/208, 3.
-117-

Umschulungsmaßnahmen zur Steigerung der Fertigkeiten und des Kompetenzniveaus in der


berufstätigen Bevölkerung und zu einem anhaltenden Missverhältnis zwischen den
Qualifikationen der AbsolventInnen und den Anforderungen des Arbeitsmarktes geführt, sodass
auch die Arbeitslosigkeit unter HochschulabsolventInnen in vielen Mitgliedstaaten
unannehmbar hoch ist389 [näheres siehe II.E.1.b)].

Ziel ist es, einen offenen Europäischen Hochschulraum zu schaffen, der für andere Teile der
Welt attraktiv ist. Es soll also „Bildung für alle“ erreicht werden. Dieses Bestreben gründet auf
dem Prinzip der nachhaltigen Entwicklung und entspricht den laufenden internationalen
Aktivitäten zur Entwicklung von Leitlinien für ein Qualitätsangebot grenzüberschreitender
Hochschulbildung. Den Mitgliedstaaten ist wichtig, dass in der internationalen
Hochschulzusammenarbeit die wissenschaftliche Qualität Vorrang hat sowie dass ein
interkulturelles Verständnis geschaffen wird und Respekt voreinander gewahrt wird.390

bb) Wirtschaftliche und soziale Aspekte als politische Motive

Wie aus dem Weißbuch „Wachstum, Wettbewerb, Arbeit“ hervorgeht, lautet der Slogan und
damit der „Arbeitstitel“, durch welchen die EU unter anderem die Notwendigkeit einer
Bildungsoffensive erklärt, „Wir brauchen Bildung, um zu wachsen.“ Das Interesse der
Gemeinschaft an Bildungsfragen war bzw. ist somit rein pragmatischer Natur. Es wurde in den
1990er Jahren rasch klar, dass Ausbildung ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg ist,
insbesondere da die Konkurrenten Japan und die USA die offensichtlich prekäre
Wirtschaftslage längst erkannt haben und die Ausbildung ihrer ArbeitnehmerInnenschaft stark
forciert haben. Mit anderen Worten wurde bzw. wird eine auf die Wirtschaft konzentrierte
Bildungspolitik als des Rätsels Lösung angesehen, was nicht verwunderlich erscheint, da die
Wirtschaft einst das breite Fundament der EU gebildet hat.391

Von der politischen Seite aus gesehen, geht es beim lebenslangen Lernen um weit mehr als um
wirtschaftliche Belange. Es könne dazu beitragen, die Zielvorstellungen der europäischen
Länder nach mehr Integration, Toleranz und Demokratie zu erfüllen. Es eröffne darüber hinaus,
die Aussicht auf ein Europa, in dem die Menschen die Chancen und Fähigkeiten haben, ihre
Wünsche zu verwirklichen und sich am Aufbau einer besseren Gesellschaft zu beteiligen.
Ungleichheiten könnten aber nur abgebaut werden und Ausgrenzungen verhindert werden,

389
Mitteilung der Kommission. Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und
Innovation, KOM 2006/208, 3.
390
BMWF 2009, 26.
391
Rosc in Erwachsenenbildung in Österreich 3/1994, 5-6.
-118-

wenn tatsächlich alle an der ständigen Weiterbildung teilhaben könnten.392 Die Europäische
Kommission hat bereits treffend erkannt, dass Benachteiligungen in der Bildung sich aber nicht
alleine durch Bildungspolitik beseitigen lassen. Vielmehr sind die Bildungschancen abhängig
von persönlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren sowie deren
Zusammenspiel. Daher bedarf es bereichsübergreifender Konzepte, bei denen die politischen
Strategien für die Bildung mit den Strategien in den Bereichen Beschäftigung, Wirtschaft,
soziale Eingliederung, Jugend, Gesundheit, Justiz, Wohnungsbau und Sozialfürsorge verknüpft
werden.393

Hervorzuheben ist hier im Speziellen, dass den Systemen der allgemeinen und beruflichen
Bildung im Hinblick auf soziale und wirtschaftliche Aspekte eine Doppelrolle zukommt. Von
einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, ist die allgemeine und berufliche Bildung ein
Schlüsselfaktor für das Potential eines Landes, herausragende Leistungen und Innovationen
hervorzubringen und im Wettbewerb zu bestehen. Auf sozialer Ebene steht die Vermittlung von
Werten wie Solidarität, Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe im Mittelpunkt, wobei
Bildung auch zugleich eine positive Wirkung im Bezug auf Gesundheit, Kriminalität, Umwelt,
Demokratisierung und allgemeine Lebensqualität hat [näheres zu externen Effekten siehe
II.C.1.b)dd)aaa)]. Einige Mitgliedstaaten sind der Ansicht, dass sich diese wirtschaftlichen und
sozialen Ziele gegenseitig ergänzen, während andere betonen, dass die sozialen Ziele leichter zu
erreichen sind, wenn die Umsetzung der wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Agenda
Erfolge zeigt.394
Auch der Europäische Rat betont die erwähnte Doppelrolle. Unter einer gerechten Gestaltung
von Bildungssystemen versteht der Europäische Rat die Sicherstellung der Unabhängigkeit der
Ergebnisse und des Nutzens der allgemeinen und beruflichen Bildung unabhängig vom
sozioökonomischen Hintergrund und anderen Faktoren, die zu Benachteiligungen in der
Bildung führen könnten. Es sollten aber nicht nur die Systeme allen offen stehen, sondern es
sollte sich auch der Lernweg der BürgerInnen nach ihren individuellen Bildungsbedürfnissen
richten. Die Investitionen sollten auf Bereiche abzielen, in denen der soziale und wirtschaftliche

392
Mitteilung der Kommission. Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen, KOM 2001/678
endgültig, 7; auch Generaldirektion für Bildung und Kultur/ Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales
(2002): Ein europäischer Raum des lebenslangen Lernens <http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/ll-
learning/area_de.pdf>, 22.2.2011, 14.
393
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 5.
394
Mitteilung des Rates. Modernisierung der allgemeinen und beruflichen Bildung: ein elementarer Beitrag zu
Wohlstand und sozialem Zusammenhalt in Europa, Abl C 2006/79, 1; 3.
-119-

Ertrag besonders groß ist, sodass Effizienz und Gerechtigkeit wirksam miteinander verknüpft
werden.395

Summa summarum ist festzustellen, dass sowohl wirtschaftliche als auch soziale Aspekte auf
europäischer Ebene politische Handlungsmotive sind, die sich in der „Gesetzgebung“
widerspiegeln. Wirtschaftliche Aspekte sind aufgrund der Tatsache, dass die Europäischen
Gemeinschaften zunächst rein wirtschaftlich orientiert waren, weitaus länger verankert als die
sozialen Ziele, wobei diese unter anderem nun durch das Diskriminierungsverbot auch verstärkt
verfolgt werden.

cc) Qualitätssicherung von Lehre, Forschung und Organisation

Als Teil des Bologna-Prozesses wurde die Schaffung europäischer Standards der
Qualitätssicherung vereinbart. Zur Ausarbeitung dieser Standards, nach welchen
Studienangebote, Lehr- und Lernleistungen bewertet und zertifiziert werden, wurde das
European Network for Quality Assurance in Higher Education gegründet.396 Die Qualität der
Hochschulbildung ist der Dreh- und Angelpunkt für die Schaffung des Europäischen
Hochschulraumes. Die Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, die weitere Entwicklung der
Qualitätssicherung auf institutioneller, nationaler und europäischer Ebene zu fördern und
betonen weiters, dass die Hauptverantwortung für die Qualitätssicherung in der
Hochschulbildung gemäß dem Grundsatz der institutionellen Autonomie bei jeder Hochschule
selbst liegt, und dass dies die Grundlage für eine tatsächliche Verantwortlichkeit der
Hochschulen im nationalen Qualitätssystem bildet.397 Einen starken Einfluss auf die
Qualitätssicherheit nimmt der „freie Hochschulzugang“, da in den einzelnen Mitgliedstaaten die
Zulassungsvoraussetzungen zum Teil äußerst differenziell gestaltet sind. Es kann daher
grundsätzlich nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Studienberechtigung in einem
Mitgliedstaat zwangsläufig auch zu einer Studienberechtigung in einem anderen Mitgliedstaat
führt. Da eine Prüfung der Kompetenzen im jeweiligen Einzelfall jedoch den gegebenen
Rahmen an Ressourcen sprengen würde, müssen die qualitativen Unterschiede hingenommen
werden und kommt es möglicherweise zu einer Qualitätssenkung an der Universität.398 Dennoch
ist der freie Hochschulzugang als solches nicht insgesamt als „negativ“ zu bewerten, sondern
gilt es vielmehr zu überlegen, in welchen Studien die Universität vernünftige
Betreuungsverhältnisse nach europäischen Standards anbieten kann. In jenen Studien, bei denen

395
Mitteilung des Rates. Modernisierung der allgemeinen und beruflichen Bildung: ein elementarer Beitrag zu
Wohlstand und sozialem Zusammenhalt in Europa, Abl C 2006/79, 8.
396
BMBWK, 92.
397
BMWF 2009, 18.
398
Vgl. Interview 4, 6.
-120-

dies nicht möglich ist, muss überlegt werden, wie man ein Zugangsmanagement ausgestaltet,
sodass die „Offenheit“ grundsätzlich gewahrt bleibt, eine übermäßige Überlastung jedoch
unterbunden wird.399

Auf EU-Ebene wurde auch bereits treffend erkannt: „Aufgrund der Schlussfolgerungen von
Lissabon und der europäischen Beschäftigungsstrategie sind die Mitgliedstaaten aufgefordert,
mehr in Bildung und Berufsbildung zu investieren. In Lernen muss also Zeit und Geld investiert
werden – nur so ist der grundlegende Wandel möglich, den lebenslanges Lernen impliziert.“ Es
lohne sich aber nur dann wirklich, Zeit und Geld zu investieren, wenn die Lernbedingungen und
die zugrunde liegenden Konzepte sowie Systeme hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden.400
Die Frage nach der Qualität im Bildungswesen ist also ein wesentliches Kriterium des
politischen Programms der EU.401 Beispielhaft seinen hier das ECTS oder das Diploma
Supplement genannt, welche qualitätssichernde Funktionen im Hochschulbereich erfüllen.402

Laut EU-Kommission bedürfe es der Erkenntnis, dass die Mitgliedstaaten ihre Bildungssysteme
(auch die Schulbildung) grundlegend umgestalten müssen, um allen BürgerInnen auf
kontinuierlicher Basis qualitativ hochwertige Bildungsangebote zugänglich zu machen.403 Es
erscheint äußerst fraglich, ob eine derartig „einseitige“ Umgestaltung der Bildungssysteme
tatsächlich ausreichend wäre, um wirklich für alle BürgerInnen einen Bildungszugang zu
gewähren. Es bedarf vielmehr einer Veränderung der gesellschaftlichen Einstellung gegenüber
Bildung, die von der Politik und den Medien transportiert werden muss. Es bedarf eines
Bemühens gerade die bildungsfernen Schichten auch in das Bildungssystem zu integrieren und
ihnen durch qualitativ hochwertige Bildung den Wissenserwerb „schmackhaft“ zu machen. Es
bedarf also einer Lobby für die Gesellschaftsmitglieder, die unter der Marginalisierung leiden,
um tatsächlich flächendeckend das Konzept des lebenslangen Lernens zu verwirklichen und
nicht eine verstärkte Elitenbildung zu fördern, indem die Bildungsangebote für akademisch
Qualifizierte ausgeweitet werden.
Nicht außer Acht gelassen werden sollte bei den Überlegungen hinsichtlich der Qualität von
Bildung, dass Qualität nicht bloß eine Verpflichtung ist, sondern auch den Ausschlag dafür
geben kann, dass BürgerInnen, ArbeitgeberInnen und andere AkteurInnen in Bildung

399
Interview 3, 6.
400
Generaldirektion für Bildung und Kultur/ Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales (2002): Ein
europäischer Raum des lebenslangen Lernens <http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/ll-
learning/area_de.pdf>, 22.2.2011, 11; 17.
401
Vgl. Donauer, 38.
402
BMBWK, 93.
403
Generaldirektion für Bildung und Kultur/ Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales (2002): Ein
europäischer Raum des lebenslangen Lernens <http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/ll-
learning/area_de.pdf>, 22.2.2011, 21.
-121-

investieren.404 Dies ist von grundlegender Bedeutung, da gerade die Finanzierung und damit das
Thema Investitionen auf supranationaler und auch nationaler Ebene Kernprobleme im
Bildungsbereich, insbesondere im Hochschulbereich darstellen.

b) Nationale Ebene

aa) Allgemeines

Die Ziele, die der Staat bei einem Eingriff in das Bildungssystem verfolgt, sind grundsätzlich
keine spezifisch bildungspolitischen, sondern ganz allgemeine Ziele des wirtschaftspolitischen
Handelns, wobei zwei Fragen im Vordergrund stehen: Einerseits gilt es zu klären, in welcher
Weise ein Ziel durch einen staatlichen Eingriff tangiert wird und andererseits ist auch
herauszuarbeiten, wie ein Instrument des Staatseingriffs ausgestaltet sein muss, damit der
Zielerreichungsgrad optimiert werden kann. Im Bereich der Bildungspolitik steht ganz
allgemein eine Optimierung eines Zielbündels im Vordergrund, da eine gleichzeitige
Maximierung aller Ziele nicht machbar ist. Es sind grundsätzlich vier Zieldimensionen zu
unterscheiden: die Effizienz bzw. Effektivität, die Equity (Gerechtigkeit und
Chancengleichheit), die soziale Kohäsion und die Wahlfreiheit. In der folgenden Abbildung
kommt deutlich zum Ausdruck, dass die stärksten Interdependenzen zwischen den Polen Equity
und Effizienz und Effektivität bestehen sowie zwischen Wahlfreiheit und sozialer Kohäsion,
auch wenn grundsätzlich alle vier Zieldimensionen in einer gewissen Beziehung zu einander
stehen. Das erste „Gegensatzpaar“ ist vor allem im Bereich der Bildungsfinanzierung von
Bedeutung. Das zweite Zielpaar offenbart demgegenüber häufig starke politische und kulturelle
Unterschiede zwischen einzelnen nationalen Bildungssystemen.405

404
Generaldirektion für Bildung und Kultur/ Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales (2002): Ein
europäischer Raum des lebenslangen Lernens <http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/ll-
learning/area_de.pdf>, 22.2.2011, 26.
405
Vgl. Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 43-45.
-122-

Abb. 12: (Bildungs-)Zielviereck406

Es gilt daher herauszuarbeiten, welche Zieldimensionen der Staat Österreich im


bildungspolitischen Bereich vorrangig verfolgt. Vorwegzunehmen ist hier jedoch bereits, dass
laut Weizsäcker die Bildungspolitik in der Regel keinem wohl definierten Optimierungsprozess
folgt, sondern die Wertvorstellungen, Vorurteile und Ideologien der jeweiligen
EntscheidungsträgerInnen sowie historische Entwicklungen und institutionelle Vorgaben die
Entschlüsse in der Bildungspolitik bedingen.407

bb) Chancengleichheit als politisches Motiv?

In der bildungspolitischen Diskussion der letzten Jahrzehnte hat der Begriff der
Chancengleichheit eine unvergleichbar große Rolle gespielt. Von zentraler Bedeutung ist die
Möglichkeit der freien individuellen Entfaltung unabhängig von Geschlechts-, Rassen- oder
Klassenzugehörigkeit. Praktisch alle modernen liberalen Gesellschaften anerkennen die
Chancengleichheit als ein erstrebenswertes Ziel. Trotz dieses Grundkonsenses sind
bildungspolitische Debatten über diese Forderung keine Seltenheit, da unterschiedliche
Verständnismöglichkeiten des Begriffs Chancengleichheit bestehen. Die einen verstehen unter
Chancengleichheit die Abwesenheit all jener Schranken, die die Umsetzung individueller
Begabungen beeinträchtigen können, wobei die ökonomische Ungleichheit als Resultat
ungleicher Begabungen als unproblematisch angesehen wird.408 In concreto auf den
Hochschulzugang umgelegt, bedeutet dies, dass etwaige Studiengebühren für Studierende aus
„niedrigeren“ sozialen Schichten möglicherweise eine solche Schranke darstellen, die die
Umsetzung der individuellen Begabung beeinträchtigt. Weiters ist daraus aber auch zu
schließen, dass Einstufungstests, Zulassungsprüfungen udgl. nicht als Schranken im genannten

406
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 44.
407
Weizsäcker in Weizsäcker, 5-6.
408
Kemnitz, 28.
-123-

Sinn zu verstehen sind, da sie bloß die jeweilige „Begabung“ und damit die Eignung für das
jeweilige Studium prüfen. Die anderen fassen Chancengleichheit als allgemeine Gleichheit der
Verdienstchancen auf, woraus sich zumindest eine partielle Kompensation von
409
Begabungsunterschieden ableiten lässt.
Auch im Weiterbildungsbereich steht das Equity-Ziel, neben dem Wachstumsziel im
Vordergrund, da die „knowledge-based economy“ eine hohe Beteiligungsquote an
Weiterbildung voraussetzt. Nicht alle Bevölkerungsteile beteiligen sich nämlich gleichermaßen
an der Weiterbildung, nicht zuletzt deshalb, weil gewisse Bevölkerungsteile einen schwierigeren
Zugang zur Weiterbildung haben.410

Im Zuge der Bildungsexpansion in den 1960er Jahren, als die Chancengleichheit als
gesellschaftspolitisches Ziel galt, wurde darunter Folgendes verstanden: die Öffnung, der
Ausbau und die Dezentralisierung der weiterführenden Bildungseinrichtungen auf allen Ebenen,
die Ausräumung von Hemmnissen der Bildungsbeteiligung der verschiedensten Art und damit
letztlich der Abbau traditioneller Bildungsdefizite im Verhältnis Stadt-Land und im Verhältnis
der Geschlechter sowie der sozialen Schichten.411

Ausgehend von der ersten genannten Verständnismöglichkeit ist eine zentrale Aufgabe einer an
Chancengleichheit orientierten Bildungspolitik, dass Ausbildungsentscheidungen allein von den
individuellen Fähigkeiten bestimmt werden und Abhängigkeiten vom familiären Umfeld
zumindest reduziert werden.412 Aber auch wenn Chancengleichheit im Bildungsbereich ein breit
akzeptiertes Ziel ist, wird ihre praktische Umsetzung durch die prekäre politische
Strategiefähigkeit der benachteiligenden Einflussfaktoren wie Schichtzugehörigkeit und
familiäre Umstände beeinträchtigt.413 Dennoch sollten die Staaten die sozialpolitische
Verantwortung nicht in höherem Ausmaß den Familien aufbürden, da sie für die Zukunft nur
dann bessere Chancen haben können, wenn sie ihre staatliche Verantwortung im
Bildungsbereich wahrnehmen und offensiv die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in
der Aufteilung ihrer wirtschaftlichen, politischen und familiären Aufgaben fördern.414

Es wurde bisher davon ausgegangen, dass ein System mit einer komplett staatlich finanzierten
Hochschulbildung automatisch auch gerecht ist. Diese Annahme hat in praxi keine Bestätigung
gefunden, da der zentrale Faktor für die Teilnahme an der Hochschulbildung der

409
Kemnitz, 28.
410
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 121.
411
Fischer in Braun/Knapp, 25.
412
Kemnitz, 31.
413
Sturn/Wohlfahrt, 157.
414
Streissler in Leutner, 113.
-124-

sozioökonomische Hintergrund ist. Aus den vorliegenden Forschungsergebnissen ist


überwiegend ersichtlich, dass ein Hochschulstudium normalerweise erhebliche private Erträge
abwirft, welche nicht ganz durch die Steuerprogression aufgehoben werden, was zu einem
umgekehrten Umverteilungseffekt führen kann. Eine besonders starke Ausprägung dieser
regressiven Wirkung tritt in jenen Ländern auf, wo die Schulsysteme die Auswirkungen der
sozioökonomischen Herkunft auf den Bildungsstand noch verschärfen.415

Die vorangehenden Ausführungen sollen nicht den Eindruck vermitteln, dass auf Selektion
verzichtet werden kann bzw. verzichtet werden sollte. Kein Bildungssystem kann auf Selektion
verzichten, sonst wäre eine Unterscheidung zwischen gelingenden und verfehlten
Bildungsprozessen oder nach Bildungsgängen mit unterschiedlichen Anforderungen nicht
möglich. Entscheidend sind der Zeitpunkt und die Art der Selektion. Basiert die Selektion auf
sozialen Kriterien, widerspricht dies den Gerechtigkeitsstandards des wohlfahrtsstaatlichen
Kapitalismus und den Qualifikationsanforderungen moderner Wissensgesellschaften. Im
Hinblick auf Österreich ist festzustellen, dass die frühe Selektion unter anderem maßgeblich
dazu beiträgt, dass das österreichische Bildungswesen diesen normativen und funktionellen
Anforderungen weniger gut entspricht als viele der fortgeschrittenen Wissensgesellschaften.
Dieses Defizit lässt sich nicht mit dem Verzicht auf Selektion in einer späteren Bildungsstufe
ausgleichen. Der offene Hochschulzugang stellt zwar einen „problemlosen Übergang“ vom
Sekundar- in den Tertiärbereich dar, aber die Selektion findet in Österreich, anders als in
anderen Ländern, nicht beim Übergang in den Tertiärbereich statt, sondern erfolgt bereits im
Sekundarbereich.416

Chancengleichheit als politisches Motiv beschränkt sich somit keineswegs auf den
Tertiärbereich und die Frage des (freien) Hochschulzugangs, sondern sollte bereits auf der
Sekundarebene thematisiert werden, was aktuell durch die Einführung des Modells der „neuen
Mittelschule“ auch geschieht. Das Thema Chancengleichheit im Bildungswesen scheinen die
politischen EntscheidungsträgerInnen seit Jahren stets im Hinterkopf zu haben, doch wurde bis
dato die „optimale“ Lösung bzw. ein geeignetes Konzept nicht gefunden, welches tatsächlich
jedem Individuum, unabhängig von seinem sozialen Status, die gleichen Möglichkeiten am
Bildungsangebot zu partizipieren eröffnet.

415
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 8.
416
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 77.
-125-

cc) Ökonomische Aspekte als politisches Motiv?

Vorweggenommen sei eingangs gleich, dass der Stand der Bildungsökonomie in Österreich
unzureichend ist, um die europäischen Standards zu erfüllen. Die Informationsbasis ist zu
schwach, eine Erforschung der wesentlichen Entwicklungsfragen fehlt weitgehend und die
Frage nach den Ergebnissen oder Erträgen wird kaum gestellt.417 Beispielsweise sind zwar die
Budgets der einzelnen Universitäten bekannt, doch fehlt es für eine Berechnung der Kosten der
Lehre in verschiedenen Studienrichtungen oder Fakultäten an Daten.418
In Österreich sind in den letzten Jahren immer wieder heftige Diskussionen hinsichtlich der
Einschätzung bildungsökonomischer Fragen aufgetreten, die unter anderem mit dem geringen
Interesse in der Vergangenheit an bildungsökonomischer Forschung und, wie bereits erwähnt,
einem vergleichsweise unentwickelten Forschungsstand in diesem Bereich zusammenhängen.
Laut Lassnigg macht es den Eindruck, als ob es sich bei dieser Thematik um etwas Tabuisiertes
oder Peinliches handelt, da die wenigen Aspekte, die untersucht sind, keine besondere
Aufmerksamkeit erlangen. Durch diese intransparente Informationslage sind auch allgemeine
Eckwerte wie die Beurteilung des allgemeinen Niveaus und der Entwicklung der
Bildungsinvestitionen nicht nur im Hinblick auf Wertungen, sondern auch im Hinblick auf
sachliche Aspekte in den Debatten in der politischen Öffentlichkeit und im Nationalrat
umstritten.419

Es gilt hier dennoch aufzuzeigen, inwiefern wirtschaftliche Aspekte, also der „Output“ für eine
gute internationale Wettbewerbsfähigkeit eine Rolle gespielt haben, als Bildung zu einem
Gegenstand der Politik wurde. In diesem Zusammenhang darf die Betrachtung der Bildung
unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht außer Acht gelassen werden, soll heißen die
Finanzierung und die Effizienz der Bildung an sich.
Die Betrachtung von Bildung unter ökonomischen Gesichtspunkten kann heutzutage mit
Sicherheit nicht als innovative Erkenntnis angesehen werden, aber dennoch wurde lange die
Vorstellung genährt, dass Bildung um ihrer selbst willen erworben werde und Begriffe der
Ökonomie allenfalls auf die berufliche Ausbildung Anwendung finden. Auch Bildungsausgaben
galten für den Staat nicht als sonderlich nutzbringend. Eine Wende ist in den 1950er Jahren zu
erkennen, als mit dem „Sputnik-Schock“ der Verlust der Konkurrenzfähigkeit der alten
Industriestaaten befürchtet wurde. Es wurde eine technologische sowie wirtschaftliche
Rückständigkeit befürchtet, welche auf Mängel im Bildungswesen zurückgeführt wurde. Es

417
Lassnigg in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 27.
418
Sturn/Wohlfahrt, 34.
419
Lassnigg in IHS, 21.
-126-

bestand die Grundannahme, dass zwischen Bildungsinvestitionen und Wirtschaftswachstum


insofern ein Zusammenhang bestehe, als mit steigenden Bildungsausgaben auch höhere
Wachstumsraten zu erwarten seien.420
Anfangs bestand noch die Notwendigkeit die These zu entkräften, dass mit einer zunehmenden
Technisierung und Zerlegung der Arbeit in leicht erlernbare Teilverrichtungen der Bedarf an
ausgebildeten Kräften abnehme. Es musste erst vermittelt werden, dass mehr Technik eigentlich
mehr Ausbildung erfordert, da für die Herstellung, Wartung und auch den rationellen Einsatz
immer komplizierter werdender Maschinen zunehmende Leistungsansprüche gestellt werden.421
Es besteht ein zweifacher Zusammenhang zwischen Wissen und Innovation: Zum einen wird
durch Innovation neues Wissen in neue Produkte, Werkstoffe, Verfahren, Dienstleistungen,
Organisations- und Arbeitsformen etc. umgesetzt. Zum anderen verlangen die Herstellung neuer
Produkte, der Umgang mit neuen Werkstoffen und Verfahren sowie das Arbeiten in veränderten
Organisations- und Arbeitsformen in der Regel neue und veränderte Qualifikationen. Die
Wachstumswirkung von Wissenszuwachs und Innovationen wird umso stärker eingeschätzt, je
schneller neues Wissen erzeugt wird, je direkter es in Innovationen umgesetzt wird, und je
rascher die Beschäftigten in seiner Anwendung bei neuen Produktionsverfahren, Produkten und
Dienstleistungen qualifiziert werden.422

420
Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 31.
421
Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 31.
422
Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens, 38.
-127-

Abb. 13: Notwendiger Kreislauf zu Erzielung von Wirtschaftswachstum423

Diese Abbildung zeigt den Kreislauf, der erforderlich ist, um als Output ein
Wirtschaftswachstum zu erzielen. Zunächst bedarf es eines bestimmten Wissens bzw. einer
gewissen (Vor-)Bildung, um Forschung betreiben zu können. Aus den Ergebnissen der
Forschung wiederum ergibt sich ein wissenschaftlich technischer Fortschritt, der die Schaffung
neuer Technologien mit sich bringt. Damit diese jedoch angewandt werden können, bedarf es
qualifizierter Arbeitskräfte, ergo Bildung. Verknappt gesagt, ist Bildung somit der
„Ausgangspunkt“ aber auch der „Endpunkt“, um ein Wirtschaftswachstum herbeiführen zu
können. Mit anderen Worten stellt eine zu geringe Zahl an qualifizierten Arbeitskräften ein
Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Diese Darstellung bringt zumindest indirekt
auch zum Ausdruck, dass stets ein technologischer Wandel stattfindet, der neue Kenntnisse
sowie Fertigkeiten fordert und auch neue Tätigkeiten schafft, sodass eine in der Jugend
abgeschlossene Ausbildung nicht ausreicht, sondern vielmehr das ganze Leben Erziehungs- und
Fortbildungsmaßnahmen notwendig sind.424

Das Bildungsniveau einer Gesellschaft hat neben der wirtschaftlichen Bedeutung auch für das
gesellschaftliche und kulturelle Leben eines Landes einen unschätzbaren Wert. Wie bereits
erwähnt, hat jede Volkswirtschaft, abhängig von ihrem Entwicklungsstand, einen
entsprechenden Bedarf an Humankapital, wodurch sich auch erklären lässt, warum sich die

423
Eigendarstellung unter Zuhilfenahme von Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 31.
424
Vgl. Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 31.
-128-

Bildungsanforderungen an die Arbeitskräfte in Europa in den letzten Jahrzehnten wesentlichen


geändert haben. In Österreich selbst ist ein Wandel von Imitation zu Innovation zu verzeichnen,
da es in den 1970er Jahren ein Land des Technologieimports war, was zur Nachfrage von
Arbeitskräften im Industriesektor, zur Produktion von Gütern führte, während nach und nach
ein Wandel zur Nachfrage nach Arbeitskräften, welche im innovativen Bereich tätig sein
können, entstand. Begründen lässt sich dies unter anderem mit zunehmend internationalen
Verflechtungen wie etwa dem EU-Beitritt und dem Vorrücken Österreichs an die technische
Front.425

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich das staatliche Engagement im Bildungsbereich


und in weiterer Folge der große Anteil der staatlichen Bildungsausgaben an den
Gesamtausgaben eines Staates durch diese eben beschriebene zentrale Funktion von Bildung
bzw. Wissen für die Entwicklung eines Landes erklären lassen,426 wobei ökonomische Aspekte
erstmals in den 1950er Jahren zu einem Motiv im Bereich der Bildungspolitik geworden sind
als eine technologische sowie wirtschaftliche Rückständigkeit befürchtet wurde, welche auf
Mängel im Bildungswesen zurückgeführt wurde. Umso überraschender ist es, wenn Länder wie
Österreich nunmehr die Bildungsausgaben reduzieren, sei es auch nur indirekt beispielsweise
durch eine Reduktion des Anspruchs auf Familienbeihilfe.

dd) Qualitätssicherung von Lehre, Forschung und Organisation

Wenn man das „universitäre System“ Österreichs betrachtet, dann drängt sich eine Frage gleich
eingangs auf, nämlich: Wenn die Universitäten durch das UG 2002 eine eigene
Rechtspersönlichkeit und damit Autonomie erhalten haben, inwiefern sind sie dann für die
Qualitätssicherung von Lehre, Forschung und Organisation verantwortlich und in wie weit
wälzen sie die Verantwortung auf den Staat und damit auf die politischen
EntscheidungsträgerInnen ab? Inwiefern ist demgegenüber die Qualitätssicherung ein Motiv für
die politischen EntscheidungsträgerInnen, um Bildung zum Gegenstand der Politik zu machen?
Die folgenden Ausführungen stellen den Versuch einer Beantwortung dieser Fragen dar.

Es gibt einen internationalen Trend dahingehend, dass Hochschulen in der Qualitätssicherung


weitgehend selbstständig sein sollten. 2004 wurde die AQA als gemeinsame Initiative der
RektorInnenkonferenz, der FH-Konferenz, des Vereins der Privatuniversitäten und des

425
Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 132.
426
Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 133.
-129-

Bildungsministeriums eingerichtet. Diese unabhängige Agentur entwickelt und führt


Qualitätssicherungsverfahren nach nationalen und europäischen Standards durch.427

Das UG 2002 verpflichtet die Universitäten, zur Qualitäts- und Leistungssicherung in allen
Bereichen ein eigenes Qualitätsmanagementsystem aufzubauen. Bereits in den
Leistungsvereinbarungen 2007–2009 haben sich die Universitäten zu vielfältigen Vorhaben der
Qualitätssicherung und Evaluierung verpflichtet. Besonderes Augenmerk wurde auf
Qualitätsentwicklung und vorbereitende Initiativen zum Aufbau von
Qualitätsmanagementsystemen gelegt.428 Gemäß § 13 UG 2002 schließen Universitäten
Leistungsvereinbarungen ab, das sind öffentlich-rechtliche Verträge, in welchen Ziele und
Aufgaben jeder Universität für verschiedene Leistungsbereiche über einen Zeitraum von drei
Jahren festgelegt werden. Nach § 14 UG 2002 sind die Universitäten dazu verpflichtet, ein
eigenes Qualitätsmanagementsystem aufzubauen, sodass die Universitäten die zentrale
Verantwortung für die Sicherung und die Entwicklung von der Qualität in Lehre, Forschung
und Organisation übernehmen.429 Darüber hinaus ist am 1. März 2012 das Hochschul-
Qualitätssicherungsgesetz in Kraft getreten, welches die externe Qualitätssicherung unter
anderem an Universitäten nach dem UG 2002 regelt.430

Qualität wird an Hochschulen nicht durch das Ingangsetzen eines übersichtlichen


Handlungsprogrammes hergestellt, welches die Ursachen erzeugt, als deren Wirkungen dann
zwangsläufig Qualität entsteht. Qualität kann vielmehr dadurch entstehen, dass die
Bedingungen so gestaltet werden, dass Qualitätserzeugung nicht verhindert wird. Dennoch ist
die tatsächliche Entstehung von mehreren Komponenten wie von sozialen Konstellationen, von
Bewertungen durch die jeweilige Community, von kognitiven Situationen oder von
Wettbewerbsbedingungen abhängig.431 Auch beispielsweise durch die neue
Studieneingangsphase wird Qualitätssicherheit gewahrt, da die Zahl der Studierenden reduziert
wird und durch Prüfungen überprüft wird, welche Personen interessiert und auch geeignet sind.
Gewiss könnte eine Selektion bereits vor Studienbeginn, etwa durch Eingangsprüfungen oder
Numerus clausus, erfolgen, doch wird den Studierenden durch die Studieneingangsphase ein
Semester Zeit gegeben, sich an der Universität zurecht zu finden und sich zu engagieren. Auf

427
BMUK/BMWF, 152.
428
BMWF 2011, 14.
429
BMUK/BMWF, 153.
430
Vgl. BMWF 2011, 15.
431
BMBWK, 120.
-130-

diese Art und Weise wird versucht, eine gute Kombination von Liberalität und
Qualitätssicherheit zu erreichen.432

Betreffend die AQA ist noch zu erwähnen, dass sie ihr Leistungsangebot stetig deutlich
ausgebaut und mehrere Meilensteine gesetzt hat. Diese wurden als Vorarbeit für die
Neuregelung der externen Qualitätssicherung genutzt, haben die österreichischen Universitäten
beim Aufbau ihrer Qualitätsmanagementsysteme unterstützt und führten international zu einer
hohen Sichtbarkeit und Wahrnehmung der österreichischen Qualitätssicherungsaktivitäten im
gesamten Hochschulbereich. Mit der Etablierung von Qualitätssicherungsverfahren in allen
Hochschulsektoren erwarb sich die AQA breite Akzeptanz. Die AQA begleitet Universitäten
unter anderem bei der Entwicklung interner Qualitätsmanagementprozesse. Darüber hinaus hat
die AQA ein Projekt zur Qualitätsentwicklung des Berufungsmanagements an österreichischen
Universitäten und ein Projekt zur Qualitätsentwicklung der Weiterbildung an Hochschulen
durchgeführt. Die Verpflichtung der Universitäten in der zweiten
Leistungsvereinbarungsperiode 2010–2012, ihre Qualitätsmanagementsysteme einem Audit zu
unterziehen bzw. sich darauf vorzubereiten, hat den Entwicklungen von Audit-Verfahren einen
merklichen Schub verliehen, der auch international auf großes Interesse gestoßen ist. Quality
Audits sind mittlerweile ein fester Bestandteil des Systems der externen Qualitätssicherung in
Österreich. AQA Audits bieten Hochschulen eine unabhängige Begutachtung und Zertifizierung
ihres Qualitätsmanagements. Dieses Verfahren wurde für öffentliche Universitäten, FHs,
Privatuniversitäten und Pädagogische Hochschulen entwickelt und orientiert sich an den
gesetzlichen Anforderungen und an den internationalen Standards der Qualitätssicherung.433

Es ist an dieser Stelle gesondert darauf hinzuweisen, dass die Qualität wissenschaftlicher
Weiterbildung im Besonderen weitgehend durch gesetzliche Vorgaben geregelt ist, wobei die
Qualitätssicherung wissenschaftlicher Weiterbildung in ein Gesamtsystem der Qualitäts- und
Leistungssicherung durch den Aufbau eines eigenen Qualitätsmanagementsystems zu
integrieren ist.434

Anzumerken ist noch, dass der Erfolg auf dem Arbeitsmarkt als ein Indikator für die Qualität
der universitären Leistung dienen sollte und in den Regelungs-, Finanzierungs- und
Evaluationssystemen anerkannt und honoriert werden sollte, auch wenn die Integration von

432
Vgl. Interview 4, 11-12.
433
BMWF 2011, 15; 64.
434
Pellert/Cendon in Hanft/Knust, 288.
-131-

AbsolventInnen in den Arbeitsmarkt eine Verantwortlichkeit ist, welche UnternehmerInnen,


Berufsverbände sowie Regierungen untereinander aufteilen.435

Insgesamt ist festzustellen, dass Qualitätssicherung für die politischen


EntscheidungsträgerInnen durchaus ein Motiv darstellt, um sich mit Bildung auf politischer
Ebene auseinanderzusetzen. Dies zeigt sich nicht nur im Erlass einschlägiger gesetzlicher
Bestimmungen, vor allem im UG 2002, sondern auch durch die Mitwirkung an der Einrichtung
von Agenturen zur Qualitätssicherung. Die Universitäten sind demgegenüber im Rahmen der
gesetzlichen Vorgaben für die Wahrung der Qualitätssicherheit verantwortlich. Dennoch reichen
Qualitätssicherungsüberlegungen sowie –modelle und EU-Vorgaben alleine nicht aus, um
tatsächlich die Qualität auf den Universitäten zu wahren, dies zeigt sich auch darin, dass die
Universität Wien im Jahr 2012 in der Reihung der 100 renommiertesten Universitäten weltweit
nicht mehr gelistet ist. Der Rektor der Universität Wien Heinz W. Engl führt dies darauf zurück,
dass die Universität Wien im Vergleich zu anderen international hoch anerkannten Institutionen
unter besonders schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen Höchstleistungen erbringt,
wobei er insbesondere das Fehlen von Exzellenzinitiativen moniert.436 Die politischen
EntscheidungsträgerInnen sollten sich zunehmend als PartnerInnen der Universität sehen und
für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen.

c) Kritische Betrachtung der Motive der politischen EntscheidungsträgerInnen

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Aspekte als politische Motive auf EU-Ebene ist anzumerken,
dass die Kommission, insbesondere in den 1990er Jahren eine kurzfristige Perspektive zu haben
schien, indem sie die Ansicht vertrat, dass Arbeitskräfte nach den Erfordernissen der Industrie
auszubilden sind und nur qualifizierte Fachkräfte zur Produktivitätssteigerung beitragen können.
Es fand also nichts anderes als eine „Zurechtstutzung“ von Bildung auf unmittelbar
verwertbares Sachwissen statt. Diese marktorientierte Bildung verhilft jedoch nicht zu mehr
Selbstbestimmung oder sozialer Sicherung. Bereits im Weißbuch von 1993 kam die
Kommission aufgrund der Kritik der Mitgliedstaaten, zu der Erkenntnis, dass der Bildung zu
viel aufgebürdet wird und von ihr vor allem oft Widersprüchliches verlangt wird. Sie soll die
Arbeitsmarktkrise bewältigen, die soziale Ausgrenzung eindämmen, die Wettbewerbsfähigkeit
der Unternehmen verbessern etc.437

435
Mitteilung der Kommission. Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und
Innovation, KOM 2006/208, 8.
436
Auch das letzte Uni-Renommee ist verloren in Der Standard, 15.3.2012.
437
Rosc in Erwachsenenbildung in Österreich 3/1994, 6.
-132-

Das Motiv der Chancengleichheit kann auch von einem kritischen Standpunkt aus betrachtet
werden. Gewiss wurde durch die Expansion des Universitätssektors Bildung einer breiten
Bevölkerungsgruppe zugänglich gemacht, sodass auch Kinder aus benachteiligten Familien die
Möglichkeit erhielten, höhere Bildung zu genießen. Dennoch geht mit einer derartigen
Massenuniversität die Gefahr eines Qualitäts- und Niveauverlustes der Lehre und Forschung,
die Gefahr eines Verlustes der Wertschätzung akademischer Ausbildungsgänge in der
Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt einher.438 „Das Negativum“ an der Massenuniversität ist
der Mangel an studierendenzahlabhängigen Ressourcen. Im Vergleich mit AHS haben
Universitäten pro Studierenden weniger finanzielle Mittel zur Verfügung als die Schulen pro
SchülerIn.439 Die mangelnden finanziellen Mittel können jedoch nicht als die einzige Ursache
für die „schlechte Qualität“ der Massenuniversität angesehen werden, sondern vielmehr darf
auch die mangelnde bis fehlende Auseinandersetzung mit Hochschuldidaktik nicht unterschätzt
werden. Es ist sehr wohl möglich, Massenuniversitäten auf qualitativ hohem Niveau zu
gestalten, doch bedarf es dazu didaktischen Geschicks, welches in Österreich eher schwach
ausgeprägt ist.440

Die Studierenden und AbsolventInnen sind meist bloße „InformationssammlerInnen“ und


„WissensanhäuferInnen“ und nicht mehr, wie nach Humboldts Idee, nachdenkliche Menschen.
Ein Studium bedarf der Selbstständigkeit, des Interesses und des Willens, etwas selbst zu tun,
auch gegen die Widerstände des Massenbetriebs. Mit Krautz gesprochen „wird der
Massenbetrieb zum Schweizer Käse: Durch die vielen Löcher, die auf Grund der hohen
Studentenzahl entstehen, schlüpfen viele durch, die Anforderungen vermeiden möchten. So sinkt
dann auch das Niveau der Universitäten selbst. 441
Auch Friedrich von Hayek, der schärfste Kritiker der sozialistischen Idee einer
Chancenverteilung durch staatliche Bildungspolitik, kritisierte 1971 zwei zentrale Punkte: Die
Politik der Chancengleichheit erhöhe den bürokratischen Aufwand massiv und sei zugleich
illusionär, weil kein Bildungssystem im Stande sei, Chancen nach Begabungen und Leistungen
gerecht zu verteilen. Der Staat müsse Chancen zuweisen und beschneide so Freiheiten. Das
Ergebnis sei nicht mehr Gerechtigkeit für alle, sondern nur eine andere Verteilung mit neuen
Benachteiligungen. Mit anderen Worten ist Chancengleichheit demnach nicht ein Problem der
gerechten Zuteilung, sondern der Nutzung. Auch der Bildungssoziologe James Coleman kommt
zu dem Schluss, dass weder die Ressourcen für den Input der schulischen Bildung noch die

438
Seyr, 28.
439
Interview 4, 8.
440
Interview 5, 10.
441
Vgl. Krautz, 37; 73.
-133-

Ergebnisse je gleich sein könnten und daher bloß eine Reduktion von Ungleichheiten und nicht
ein Streben nach Gleichheit realistisch sei.442

Unter den vorangegangenen Unterpunkten wurde die Senkung der Arbeitslosenquote nicht als
ein politisches Motiv angeführt, da sich diese in der einschlägigen Literatur nicht als solches
findet. Daraus wird der Schluss gezogen, dass die politischen EntscheidungsträgerInnen nicht
bewusst mit dem Gedanken der Senkung der Arbeitslosigkeit unter jungen Erwachsenen einen
freien Zugang zu den Hochschulen „für alle“ schaffen möchten. In diesem Kontext erscheint die
von Seyr aufgestellte These äußerst spannend: „Das Studium als verdeckte Arbeitslosigkeit: Da
durch die gestiegene Akademikerquote und rezessive Wirtschaftseinflüsse ein abgeschlossenes
Studium schon lange keine Gewähr für einen adäquaten Arbeitsplatz mehr bietet, zögert ein
großer Teil der Studierenden mit dem Schritt ins Berufsleben. Nach dem Diplom werden
beispielsweise Doktoratsstudien aufgenommen, um die eigene Arbeitslosigkeit zu verdecken und
die Sozialleistungen als Student weiterhin beziehen zu können.“443 Wenn man Seyr folgt, dann
ist das Studium eher vonseiten der KonsumentInnen ein Instrument zur Verdeckung der
Arbeitslosigkeit und nicht so sehr vonseiten der Politik [durchaus Abweichendes siehe
II.E.1.b)].

3. Die Rolle des Neoliberalismus und sein Einfluss auf bildungspolitische Entscheidungen

Eingangs wird auf Karl Marx verwiesen, welcher über den entwickelten Kapitalismus schreibt,
dass er alle aus vorbürgerlicher Zeit stammenden, „feudalen, patriarchalischen, idyllischen
Verhältnisse zerstört (…) und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch (übrig lässt) als
die gefühllose ,bare Zahlung‘“. Auf das Bildungswesen umgelegt bedeutet das laut Ribolits,444
dass auch die Qualität dessen, was weiterhin als Bildung bezeichnet wird, immer stärker über
den Marktwert definiert wird. Bildung – in der ursprünglichen Begriffsbedeutung an der
Entwicklung des humanen Potentials des Menschen orientiert, an dem, was den Menschen über
andere Kreaturen hinaushebt, seiner grundsätzlichen Fähigkeit, das Leben an Prinzipien
auszurichten, die der „Rationalität des Nutzens“ übergeordnet sind– wird in den Dienst der
Mehrwertproduktionsmaschine genommen.

Ribolits445 meint weiter, dass das Kapital in seiner permanenten Suche nach
Verwertungsmöglichkeiten nun auch den Bildungsbereich als Profitquelle entdeckt hat. Es ist
damit nur noch eine Frage der Zeit, dass der Bildungssektor aufhört, bloß ein gesellschaftlicher

442
Oelkers in Münk, 33.
443
Seyr, 21-22.
444
Ribolits, 82.
445
Ribolits, 85.
-134-

Bereich zu sein, wo es um die Zurichtung von Humankapital und die Indienstnahme der Köpfe
im Interesse der profitablen Verwertung geht. Der Bildungssektor wird zunehmend selbst zum
profitablen Wirtschaftszweig. Hatte er bisher bloß Zulieferfunktion für die Verwertung wird er
nun selbst zum Verwertungssektor. Und es ist damit zu rechnen, dass diese Veränderung auch
recht problemlos über die Bühne gehen wird; denn Bildung wird in den Köpfen der Menschen
sowieso schon längst nur mehr als Ware und nicht als Instrument ihrer Befreiung
wahrgenommen.

Ganz allgemein ist seit den 1970er Jahren im politisch-ökonomischen Denken und Handeln eine
Hinwendung zum Neoliberalismus zu erkennen, sodass Deregulierung, Privatisierung und der
Rückzug des Staates aus vielen Bereichen sozialer Vorsorge zur Regel geworden sind. Wie es
Harvey ausdrückt, ist der Neoliberalismus „zur herrschenden Denk- und Handlungsweise
geworden, und zwar so weitgehend, dass neoliberale Interpretationen sich häufig in den
,gesunden Menschenverstand’ eingeschlichen haben, mit dem viele Menschen ihr Alltagsleben
und das Funktionieren unserer Welt wahrnehmen und interpretieren.“.446

Laut Bodenhöfer gab es schon in den 1990er Jahren eine vom Neoliberalismus geprägte Phase
der Bildungspolitik, die von einem von Dezentralisierung, Deregulierung und Wettbewerb
charakterisierten Paradigmenwechsel begleitet war und im Zusammenhang umfassender
gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Konzepte (Neoliberalismus) beeinflusst gewesen sei.
Aus den Jahren der ÖVP-FPÖ/ BZÖ-Koalition kann die Erkenntnis gezogen werden, dass kaum
mehr Gegner des Privatisierungsprozesses im parlamentarisch und sozialpartnerInnenschaftlich
vertretenen politischen Spektrum Österreichs existieren. Damit ist der wirtschaftspolitische
Neoliberalismus in Österreich zum Mainstream geworden, von dem auch die SPÖ und die ihr
nahe stehenden ArbeitnehmerInnenverbände betroffen sind.447

Der Weg, der mit neoliberaler Bildungspolitik zur Ökonomisierung der Bildung bestritten wird,
ist grundlegend von drei Entwicklungen gekennzeichnet:
• die Verbetriebswirtschaftlichung von Bildungsinstitutionen,
• die Vermarktlichung/Kommerzialisierung von Bildung durch
Selbstökonomisierung
• die Ökonomisierung des Bildungsauftrages.448

Unter der Verbetriebswirschaftlichung von Bildungsinstitutionen ist die Umwandlung von


Bildungsinstitutionen in For Profit Unternehmen zu verstehen. Bisher erfolgte Bildung im

446
Harvey, 9.
447
Auer, 151; 233.
448
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 91.
-135-

öffentlichen Sektor, im Dritten Sektor (vor allem Erwachsenenbildung), im Haushaltssektor


(durch Selbststudium und Lernen der Eltern mit den Kindern), im illegalen Sektor (zum
Beispiel durch nicht versteuerte Nachhilfestunden) und im For Profit Sektor (Privatuniversitäten
und Privatschulen). Durch die neoliberale Verbetriebswirtschaftlichung von Bildung werden die
AkteurInnen aller Sektoren dazu gezwungen, Bildung nach den Kriterien des For Profit Sektors
auszurichten. Diese Privatisierungsprozesse erfolgen durch die Ökonomisierung der inneren
Struktur von Bildungseinrichtungen bei gleich bleibenden Eigentumsverhältnissen, sodass es
also nicht zu einer Überführung öffentlicher Bildungsinstitutionen in private Hände kommt.449
Im österreichischen Hochschulsystem zeigt sich diese Verbetriebswirtschaftlichung in einigen
konkreten Entwicklungen, wie beispielsweise in der Einrichtung von Bildungsgremien
(Universitätsräte und FH-Beiräte), die sich am Modell eines Aufsichtsrates eines Unternehmens
orientieren. Sie zeigt sich ebenfalls in der Schaffung von Leistungskriterien und quantitativen
Outputkriterien. Es wird durch Evaluierungen und Rankings der Orientierungsrahmen der
Bildungsinstitutionen von einem bisher inputorientierten System zu einem outputorientierten
umgestellt. Dieser Wandel ist in der staatlichen Finanzierung besonders gut ersichtlich: die
Mittelzuweisung orientiert sich nicht mehr an der Nachfrage nach Studienplätzen, sondern an
den Leistungen der Hochschule (Studienabschlüsse, Publikationen, Drittmittel etc.), die im
direkten Vergleich zwischen Fachbereichen und Hochschulen bewertet und finanziell
abgegolten werden. Die Hochschulen und Fachbereiche sind also nichts anderes als
AnbieterInnen auf einem Markt, auf dem die Zahlungsbereitschaft der Nachfrageseite durch den
Staat simuliert wird, da die jeweiligen Einrichtungen um einen Anteil des Globalbudgets
konkurrieren.450
Die Einhebung von Studiengebühren verstärkt dieses „Klima“ an Universitäten noch zusätzlich,
da die Universität dann geldwerte Leistungen erbringt, sodass praktisch Bildungsleistung
gekauft wird. Studierende werden zu KonsumentInnen und Lehrende zu MarktanbieterInnen.
Die Universitäten werden somit zum Ausbildungsdienstleistungsunternehmen, denen das Ethos
der Wissenschaft, ausschließlich den Erkenntnissen von Wahrheit und Richtigkeit zu dienen,
verloren geht.451

Bis vor kurzem galt Bildung und in erster Linie Wissen als öffentliches Gut. Auch wenn es im
Bildungsbereich immer wettbewerbsähnliche Situationen gab, haben erst politische
Entscheidungen, wie zum Beispiel die Ermöglichung der Einhebung von Studiengebühren,
einen Markt für Bildung geschaffen und Bildung zur Ware gemacht, die nachgefragt und

449
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 92.
450
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 93.
451
Krautz, 74.
-136-

angeboten werden kann. Um einen derartigen Markt schaffen zu können, müssen sich jedoch
auch die AkteurInnen auf diesen Märkten als solche wahrnehmen. Mit anderen Worten muss der
externe ökonomische Druck internalisiert werden und in Selbststeuerung umgewandelt werden,
sodass sich die BildungsakteurInnen als ManagerInnen des Unternehmens Hochschule sehen
und die StudentInnen als deren entsprechende KundInnen. Das Studium wird somit als
Investition angesehen, sodass ein Streben dahingehend besteht, die vom Arbeitsmarkt
nachgefragten Qualifikationen so schnell als möglich und mit möglichst geringem Aufwand zu
erwerben bzw. vermittelt zu bekommen. Mit diesem Ziel geht Hand in Hand, dass
StudentInnen, die sich als KundInnen wahrnehmen, jene Studienrichtungen, welche ein
zukünftiges, adäquates Markteinkommen im Vorfeld nicht garantieren können, kaum mehr
frequentieren sollten.452

Einer etwas eingeschränkteren Sichtweise zufolge, können Studierende auch als PartnerInnen in
einem Erkenntnisprozess gesehen werden, die bloß im Hinblick auf die Befriedigung ihrer
administrativen Bedürfnisse und damit im Bezug auf das von der Universität gebotene Service
durchaus als KundInnen zu qualifizieren sind.453

Eine maßgebliche Forderung neoliberal inspirierter Bildungspolitik zeigt sich in der Einhebung
der Studiengebühren außerhalb des Pflichtschulbereichs im Wintersemester 2001/2002 und
damit in der Amtszeit der ersten schwarz-blauen Regierung. Auch der Umbau der
österreichischen Hochschullandschaft durch das UG 2002 entspricht autoritär-neoliberalen
Vorstellungen und hat die demokratische Entscheidungsfindung an den Universitäten durch eine
zentrale Managementstruktur ersetzt, die von außen bestimmt wird. Die Arbeiterkammer
bemängelt in erster Linie die neoliberalen Elemente dieser Gesetzesreform: Der Einfluss der
Wirtschaft auf die Universitäten werde mit dem Gesetz gestärkt, die Mitbestimmungsrechte der
MitarbeiterInnen der Universitäten und der Studierenden würden im gleichen Zuge abgebaut,
die Ausgliederung der Universitäten würde zudem zu noch schlimmeren Engpässen als bisher
führen, verschlechtere die Situation der Beschäftigten in Lehre und Verwaltung und mache die
Hochschulen von Aufträgen aus der Wirtschaft abhängig.454

Diese neoliberale Reorganisation der Universitäten lässt sich auf unauflösbar in zueinander in
Bezug stehenden Ebenen untersuchen: die Ebene der Subjekte und Objekte globaler
Transformationsprozesse, die internationale politische Ebene, die die nationale Ebene
beeinflusst, die universitäre Ebene bis zu den im universitären Feld tätigen Subjekten. Dieser

452
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 94-95.
453
Interview 3, 7.
454
Auer, 166; 176; 180.
-137-

Prozess ist aber keineswegs ein bloß ökonomischer, sondern vielmehr auch ein politischer
Prozess, in dem Universitäten und WissenschafterInnen nicht bloß passive Opfer, sondern selbst
AkteurInnen sind. Es besteht eine enge Wechselbeziehung zwischen wissenschaftlichen
Theorien und der politischen Praxis, die sich auch in einem historischen Rückblick zeigt. Die
Universität war seit jeher den Einflüssen ihres sozialen, politischen und ökonomischen Umfelds
ausgesetzt. Sie beeinflusste hierbei aber auch den gesellschaftlichen Werdegang und war ein
gewichtiger Faktor im Machtgefüge jeder Epoche.455

Zusammenfassend wird hier nun festgestellt, dass die universitäre „(Weiter-)


Bildungslandschaft“ durchaus von neoliberalen Elementen geprägt ist. Dennoch sind diese
durchaus vorhandenen Akzente zwar wahrzunehmen, nicht jedoch überzubewerten oder gar zu
„dramatisieren“, so wie es häufig im öffentlichen Diskurs erfolgt. Die neoliberalistische
Sichtweise ist nur eine der möglichen Anschauungsvarianten der momentanen Situation, nicht
jedoch die einzige. Dies haben sich sowohl BefürworterInnen als auch KritikerInnen vor Augen
zu halten.

4. Gesellschaftlicher Stellenwert der universitären Bildung - die Rolle der Universitäten


an den Schnittstellen zur Gesellschaft

Im Folgenden wird der gesellschaftliche Stellenwert der universitären Bildung näher beleuchtet,
da im Sinne einer gedeihlichen und ausgewogenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Entwicklung ein breites Verständnis der gesellschaftlichen Funktionen des Bildungswesens als
zweckmäßig erachtet wird, das neben den sozialen Funktionen und Zusammenhängen auch die
wirtschaftlichen Aspekte umfassen muss.456

Im 19. Jahrhundert, als das BürgerInnentum ein Bildungsprivileg genoss, wurde Bildung zur
reinen Vermittlung von Wissen und somit zu einem exklusiven Herrschaftsinstrument. Die
Grundlagen dafür, dass Individuen von Bildung ausgeschlossen bleiben und somit Nicht-
Bildung zur Beeinträchtigung der Partizipation am gesellschaftlichen Leben wird, wurden
bereits damals geschaffen. Noch heute gilt Bildung in der modernen Industriegesellschaft als
der Schlüssel zur Erreichung von Statussymbolen.457

Dvořak/Lenz formulieren treffend: „Wir leben in einer Gesellschaft, in der die etablierte
demokratische Ordnung nicht etwas zeitlos Gegebenes und Gesichertes darstellt. In unserer
Gesellschaft kommt dem Bildungswesen die Aufgabe zu, für Bestand und weitere Entwicklung

455
Rogler, 2-3.
456
Lassnigg in IHS, 30.
457
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 90; 97.
-138-

der demokratischen Ordnung einen Beitrag zu leisten. Neben der Vermittlung von Haltungen,
Werten, Einstellungen ist es aber auch notwendig, daß die Voraussetzungen für Wettbewerb,
sozialen Aufstieg, Erfolg im Beruf erlernt werden können.“ Dennoch sind weder durch das
Bildungswesen alleine noch durch bloße Erweiterungen des Zugangs zu Bildungsangeboten
Veränderungen bezüglich der sozialen Gerechtigkeit zu verzeichnen458

Der Erwerb von Bildungsabschlüssen wird als wichtige soziale Errungenschaft unserer
Gesellschaft wahrgenommen. Es ist meist eine Korrelation zwischen Bildung, einer
entsprechenden beruflichen Position, einem adäquaten Verdienst und einer daraus
resultierenden Lebensform festzustellen.459 Im Zeitraum von 1981 bis 2006 hat sich der Anteil
der Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren mit Tertiärabschluss von 4,5 Prozent auf 13,6
Prozent verdreifacht. Bei den 25 bis 34-Jährigen weisen derzeit 16,4 Prozent einen
Tertiärabschluss auf. Frauen haben gegenüber Männern im Tertiärbereich nicht nur aufgeholt,
sondern diese sogar überholt. Während 18,6 Prozent der Frauen über einen Tertiärabschluss
verfügen, können nur 14,2 Prozent der Männer in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen
einen solchen vorweisen.460 Die ökonomischen Gründe für diese Entwicklung liegen im
Übergang von der industriellen zur postindustriellen Gesellschaft und in der sich als Folge der
Globalisierung ändernden Rolle der höchstentwickelten Wirtschaften im Rahmen der neuen
internationalen Arbeitsteilung.461

Bildung ist somit eine Art Elementargut, welches einen grundsätzlichen Stellenwert für soziale
Inklusion, ökonomischen Selbsterhalt und sozialen Status hat. Die demokratische Gesellschaft
weist Bildung eine zentrale Stellung zu, indem sie die individuelle Leistung als letztlich einzig
legitimes Kriterium für soziale Unterschiede annimmt. Bildung ist jedoch ambivalent, denn sie
hat sowohl die Bedeutung einer zentralen Voraussetzung für die erfolgreiche Teilhabe an der
Gesellschaft durch eigene Leistung als auch die Funktion eines Differenzierungsinstruments.462

Der Stellenwert universitärer Bildung innerhalb der Gesellschaft wird gewiss auch durch die
Studienbedingungen an den Universitäten beeinflusst. Nicht die Kosten alleine machen die
Bedingungen aus, sondern das Fehlen einer individuellen und zeitkonsumierenden
Verantwortung für Studierende in den deutschsprachigen Universitätssystemen wie sie in jenen
von England und den USA üblich ist. Die StudentInnen haben Orientierungsschwierigkeiten,
welche unter anderem darauf zurückzuführen sind, dass sie sich größtenteils selbst überlassen

458
Dvořak/Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1993, 3.
459
Dvořak/Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1993, 3.
460
BMWF 2008, 218.
461
Sturn/Wohlfahrt, 362.
462
Mandry in Münk, 73.
-139-

sind. Studierende erleben Universitäten oft als anonyme, unkommunikative und entfremdende
Institution. Diese Umstände sind Ursachen für die im Vergleich zu England und den USA
geringe organisatorische Studieneffizienz463 (näheres zur Effizienz siehe II.B.3.).

Dennoch können Hochschulen als ein Schlüsselfaktor in der wissensbasierten Wirtschaft und
Gesellschaft angesehen werden. Hochschulen stellen einen wesentlichen Faktor für die
Beschäftigungsfähigkeit, die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in einer Wissensgesellschaft
dar und spielen als solcher auch eine zentrale Rolle in der EU-Strategie für nachhaltige
Entwicklung, da sie als VermittlerInnen von innovativem und kritischem Denken agieren.464 Die
folgende Abbildung soll diese Bedeutung der Hochschulen verbildlichen. Sie stehen im
Zentrum des aus Bildung, Innovation und Forschung gebildeten „Wissensdreiecks“.465

Abb. 14: Wissensdreieck466

Die Öffentlichkeit fragt sich immer öfter, was ihr die Wissenschaft wert ist. Sie kostet nämlich
stets mehr und zugleich werden die öffentlichen Mittel knapper. Manche Wissenschaften wie
etwa die Physik, die Medizin oder die Informatik verfügen in dieser Debatte über eine gute
Presse, andere wie etwa die Politikwissenschaft oder die Soziologie eher weniger. Einerseits
steigt in gewissen Studienrichtungen zwar die Zahl der Studierenden an, andererseits steigt
zugleich aber auch jene der AbbrecherInnen. Innerhalb anderer Studienrichtungen gibt es nicht

463
BMBWK, 54.
464
BMUK/BMWF, 170.
465
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 8.
466
Eigendarstellung unter Zuhilfenahme von Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den
europäischen Systemen der allgemeinen und Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 8.
-140-

nur einen AbsolventInnenrückgang sondern auch eine rückläufige Zahl an


StudienanfängerInnen. Aufgrund dieser Umstände sehen immer mehr Universitäten und
Disziplinen die Notwendigkeit, der Gesellschaft die Bedeutung von Wissenschaft im
Allgemeinen und der jeweiligen Disziplin im Besonderen plausibel zu machen. Wissenschaft
bedarf also zunehmend an öffentlicher Legitimation, wobei es in diesem Zusammenhang
sinnvoll ist, mit den Medien zusammenzuarbeiten (näheres siehe II.E.2.).467

Der gesellschaftliche Stellenwert der universitären Weiterbildung soll hier anhand eines
Beispiels verdeutlicht werden: Ein Studium ist als Gut zu sehen, welches gewisse Vorzüge
aufweist, sodass dessen Konsum erstrebenswert erscheint. Nicht nur der Spaß am
StudentInnenleben, die Neugier am Studieninhalt oder monetäre Vorteile durch den
StudentInnenstatus sind Motive für eine Hochschulausbildung, sondern auch der Profit von
einer besseren Situation in Bezug auf Einkommen, soziales Prestige etc. sind durchaus Motive
für die Nachfrage der Hochschulbildung als Konsumgut.468 Die Entscheidung pro oder contra
ein Hochschulstudium ist, wirtschaftlich gesehen, nichts anderes als eine Kosten-Nutzen-
Analyse: Die Nachfrage nach Hochschulbildung ist nämlich abhängig vom erwarteten Nutzen
des Studienabschlusses, sodass sich ein Individuum dann für eine Hochschulbildung
entscheiden wird, wenn der erwartete Nutzen nach einer Hochschulbildung höher als der
erwartete Nutzen ohne diese Investition plus der aufgewendeten Investitionskosten ist.469
Dennoch geht aus zahlreichen Studien hervor, dass das wichtigste Motiv für die Aufnahme
eines Studiums die Neigung bzw. das Interesse am Fach ist, gefolgt von dem Wunsch nach
Status und einer Vielzahl an Berufsmöglichkeiten. Um die Verhältnisse der einzelnen
Komponenten zu veranschaulichen, werden hier die Ergebnisse einer deutschen Studie
angeführt: 63,4 Prozent der Befragten treffen ihre Studienwahl aufgrund ihres Interesses und
ihrer Neigungen. Die Bedeutung der günstigen Chancen am Arbeitsmarkt (10,7 Prozent) sowie
gute Verdienstmöglichkeiten (7 Prozent) sind eher sekundär und damit auch die
„Employability“ bei der Studienwahl von zukünftigen Studierenden. Anders ausgedrückt, wird
die wirtschaftliche Verwertbarkeit eines Studienfaches von StudentInnen als vernachlässigbar in
der Studienwahl gehandhabt.470 Diese Fakten bestätigen, dass Bildung über die ökonomische
Rolle hinaus eine viel weitergehende soziale und immaterielle Bedeutung zukommt.471

467
Reichertz, 217.
468
Stuchtey, 66.
469
Nagel, 26.
470
AMS/BMWF: Jobchancen Studium. Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (2010/2011)
<http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/JCS_SoWi_2009.pdf>, 12.4.2011, 49-50.
471
Vgl. Sturn/Wohlfahrt, 362.
-141-

Bildung bringt aus gesellschaftlicher Sicht den Nutzen in Form von technischem Fortschritt
oder gestärkter demokratischer Grundordnung mit sich, sodass nicht nur die Individualeffekte
eines höheren Erwerbseinkommens und der geringeren Arbeitslosigkeit bedeutsam sind. Schon
Adam Smith war in seiner Untersuchung des Wohlstands der Nationen diese Bedeutung der
Bildung als Investition in Humankapital bekannt:472 „Von einer teuren Maschine muß man
erwarten, daß sie bis zu ihrem Verschleiß einen außergewöhnlichen Ertrag abwirft, der
ausreicht, das investierte Kapital zu ersetzen und zumindest einen normalen Gewinn zu zahlen.
Mit einer solch aufwendigen Maschine kann man nun auch einen Menschen vergleichen, der
mit großem Aufwand an Mühe und Zeit für eine Beschäftigung ausgebildet wurde, die
außergewöhnliches Geschick und Fachkenntnis erfordert. Denn man sollte erwarten, daß er aus
seinem erlernten Beruf einen Ertrag erzielen kann, der so weit über dem üblichen Lohn für
einfache Arbeit liegt, daß er ihm den gesamten Ausbildungsaufwand, nebst einem normalen
Gewinn für ein gleichwertiges Kapital, ersetzt“473 [näheres zum Humankapital siehe II.C.1.c)].

Ziel wird es also sein, dass Universitäten die Bedeutung ihrer Aktivitäten vermitteln, indem sie
ihr Wissen mit der Gesellschaft teilen und den Dialog mit allen interessierten Gruppen
verstärken, sodass der dringend erforderliche, aber häufig mangelnde Austausch zwischen
wissenschaftlichen SpezialistInnen und Laien stattfindet. Durch einen derartigen Austausch
werden die Aktivitäten der Universitäten, insbesondere ihre Bildungs- und
Ausbildungsangebote sowie ihre Forschungsvorhaben nach und nach relevanter für die
BürgerInnen und die Gesellschaft insgesamt. So kann eine helfende Basis für die Legitimation
der universitären Aktivitäten geschaffen werden und die Gesellschaft, die Regierung und der
Privatsektor davon überzeugt werden, dass es sich lohnt, in Universitäten zu investieren.474 Aus
der folgenden Abbildung geht deutlich hervor, dass die Universitäten keine in sich
geschlossenen Systeme sind, sondern vielmehr eine Reihe von Schnittstellen mit ihrer Umwelt
aufweisen. Weiterbildungen werden nicht ausschließlich für AkademikerInnen angeboten,
sondern zunehmend auch für breite Bevölkerungsschichten (teilweise in Kooperation mit
anderen BildungsanbieterInnen) oder spezifisch für einzelne Unternehmen.475 An der
Universität Wien laufen beispielsweise die Projekte „University meets public“ und die
„Kinderuni“, durch welche bildungsferne Schichten erreicht werden sollen. Insbesondere über
die Kinder werden auch die Eltern erreicht, welche für die künftige Studien- sowie

472
Wößmann in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 10.
473
Smith, 87.
474
Mitteilung der Kommission. Das Modernisierungsprogramm für Universitäten umsetzen: Bildung, Forschung und
Innovation, KOM 2006/208, 10.
475
BMWF 2008, 318.
-142-

Bildungsbiografie ihrer Kinder grundlegende Entscheidungen treffen. Das Ziel von „University
meets public“ ist demgegenüber, dass WissenschafterInnen zu bestimmten Themen, die mit der
Wiener Volksbildung festgelegt werden, an die Volkshochschulen hinausgehen und dort gut
fundierte wissenschaftliche Vorträge in einer allgemein verständlichen Sprache halten.476 Es
mangelt jedoch an Kapazitäten, um diesen Bereich weiter auszubauen. Die Universität mit ihren
einzelnen Fakultäten hat bereits unzureichende Ressourcen um ihre Studierenden
prüfungsmäßig, korrekturmäßig und lehrveranstaltungsmäßig zu betreuen, sodass die
Ausgestaltung von Weiterbildungsangeboten an Schnittstellen zur Gesellschaft weitgehend in
den Hintergrund gerät, nicht zuletzt deshalb, da der Ausbau dieser Schnittstellen nicht zu den
Hauptaufgaben der Universität zählt und die Universität aufgrund ihrer Hauptaufgaben an einer
systematischen Überforderung im Bereich der Weiterbildung leidet.477

Abb. 15: Beispielhafte Aktivitäten der Universitäten an ihren Schnittstellen zur Gesellschaft478

Wie aus der obigen Abbildung ersichtlich ist, gibt es auch eine Wechselbeziehung zwischen der
Universität und ihren AbsolventInnen nach dem Studium, indem Placement Center und Alumni-
Verbände (näheres siehe II.F.8.) eingerichtet werden. Diese AbsolventInnenkontakte stellen
wiederum eine Schnittelle zwischen Universität und Gesellschaft dar, sodass diese im

476
Interview 3, 13.
477
Interview 4, 13-14; auch Interview 5, 17.
478
BMWF 2008, 318.
-143-

Folgenden erläutert werden: Placement und Career Services haben an Hochschulen im


angloamerikanischen und skandinavischen Raum eine lange Tradition. Sie bilden seit geraumer
Zeit auch an österreichischen Universitäten den Schnittpunkt zwischen Unternehmen und
AbsolventInnen. Es werden den Studierenden und AbsolventInnen Stellenangebote, aber auch
Unterstützungsleistungen wie Potenzialanalysen, Karriere-Coachings, Bewerbungstrainings,
vereinzelt auch Angebote für den Erwerb von Zusatzqualifikationen geboten. Beispielhaft seien
hier das UNIPORT Career Center an der Universität Wien, das Career Center an der Universität
Graz, das Career Center an der Universität Salzburg und das Career Center an der Universität
Innsbruck genannt. Ebenso veranstaltet das Jobservice der Universität Klagenfurt jährlich die
Connect-Jobmesse, an der Unternehmen ihr Profil sowie ihre Job- und Praktikumsangebote
präsentieren.479 Neben den Alumni-Verbänden sind also für die Betreuung der AbsolventInnen
in erster Linie die „Career-Center“ der Universitäten von Bedeutung. Zu den Hauptaktivitäten
dieser Zentren zählen die Berufsvermittlung sowie die Beratung von BerufseinsteigerInnen. Zu
diesem Zweck werden auch eigene Schulungen und Workshops angeboten. Die Zentren
betreiben oder beauftragen auch wissenschaftliche Forschung zur Situation von AbsolventInnen
am Arbeitsmarkt, wobei sie oft bei ihren Aktivitäten mit den regionalen Stellen des AMS
kooperieren.480 In einem Bericht kritisiert der Rechnungshof die wenig konkreten Zielvorgaben
der Universität Wien und der Technischen Universität Wien für ihre Karrierecenter und dass sie
deren Kenntnisse über den Arbeitsmarkt weder bei der Ausarbeitung der Studienpläne noch bei
der eigenen Personalsuche nutzen. Bei UNIPORT fehlten finanzielle Zielvorgaben sowie
konkrete Vorgaben der Universität und die Standorte seien nicht geeignet, sich als
Beratungseinrichtungen zu etablieren. 481
Unterschiedliche Organisationsformen, aber ähnliche Ziele, haben auch die zahlreichen
Karrieremessen, die es in Österreich für AkademikerInnen gibt. An mindestens zehn
Universitäten werden jährlich entsprechende Messen durchgeführt. Darüber hinaus gibt es
kooperative Veranstaltungen, an denen mehrere Universitäten beteiligt sind, oder
482
fachspezifische Berufsmessen, die sich zum Beispiel gezielt an JuristInnen richten, wie etwa
die Success Berufs- und Karrieremesse am Juridicum Wien. Neben den Unternehmen, die sich

479
AMS/BMWF: Jobchancen Studium. Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (2010/2011)
<http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/JCS_SoWi_2009.pdf>, 12.4.2011, 73-74.
480
BMWF 2008, 330.
481
Rechnungshof: Unis nutzen Expertise von Karrierecentern nicht
<http://derstandard.at/1330390635450/Rechnungshof-Unis-nutzen-Expertise-von-Karrierecenter-nicht>, 8.3.2012.
482
BMWF 2008, 330.
-144-

dort als potenzielle ArbeitgeberInnen präsentieren, finden in der Regel zahlreiche Vorträge oder
Workshops zum Berufseinstieg statt.483

Zu betonen gilt es weiters, dass die Universitäten auch durch die LehrerInnenbildung in die
Gesellschaft hineinwirken und auf diese Art und Weise eine wesentliche Relais-Funktion zur
der Ausbildung der Kinder und künftigen Generationen übernehmen.484

Universitäten haben eine gesellschaftliche Verantwortung und damit viele Schnitt- und
Anknüpfungspunkte zu anderen gesellschaftlichen Bereichen. Im Laufe der letzten Jahre
begreifen sich die Universitäten stärker im gesamtgesellschaftlichen Gefüge, da die
Universitäten wissen, dass Wissenskreation und –entwicklung nur in einer sehr nahen
Beziehung zur Lebenswelt der Menschen und zur Realität stattfinden kann und nicht losgelöst
von jeglichen gesellschaftlichen Entwicklungen. Jene Forschung, die auf gesellschaftliche
Herausforderungen zugeht, sie aufnimmt, sie gestaltet und gesellschaftliche Fragen
wissenschaftlich beantwortet, gilt als besonders relevant. Diese gesellschaftliche Relevanz von
Wissenschaft, Forschung und Lehre hat noch nichts mit einer etwaigen Abhängigkeit von der
Wirtschaft und deren AkteurInnen zu tun, doch hat die Wissenschaft stets die Aufgabe
differenziert vorzugehen und gegen Vereinnahmungsversuche und –tendenzen vozugehen.485

Im Bereich der Weiterbildung bieten die österreichischen Universitäten Universitätskurse und


Universitätslehrgänge zu verschiedenen Themen an (Werbung, Marketing, verschiedene
wirtschaftliche Themen, Markt- und Meinungsforschung, Stadtentwicklung).
Universitätslehrgänge sind Veranstaltungen, die nach einem festgelegten Studienplan
durchgeführt werden und die als (außer-)ordentliche/r GasthörerIn besucht werden können. Die
Aufnahmevoraussetzungen sind für jeden Universitätslehrgang individuell festgelegt, wobei
häufig ein abgeschlossenes Studium oder einschlägige Berufserfahrung verlangt werden und
meist Aufnahmeprüfungen abzulegen sind. Viele Lehrgänge werden abends oder geblockt
angeboten, sodass Berufstätige teilnehmen können. Größtenteils werden ein Lehrgangsbeitrag
sowie Prüfungsgebühren, teilweise auch die Studiengebühr eingehoben. Vom IFF werden
zahlreiche Universitätslehrgänge angeboten, wie beispielsweise „Bildung für Nachhaltige
Entwicklung“ oder „Politische Bildung für LehrerInnen“.486
Zielgruppe der ebenfalls kostenpflichtigen Universitätskurse sind UniversitätsabsolventInnen
sowie Berufstätige aus den verschiedensten Bereichen, die Kenntnisse in Spezialgebieten

483
BMWF 2008, 330.
484
Interview 3, 13.
485
Interview 2, 6.
486
AMS/BMWF: Jobchancen Studium. Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (2010/2011)
<http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/JCS_SoWi_2009.pdf>, 12.4.2011, 100-101.
-145-

erwerben wollen, aber auch UniversitätsmitarbeiterInnen und höhersemestrige Studierende.


Eine Zulassung zum Studium an der Universität ist nicht notwendig.487
Aus dieser kurzen Vorstellung von Universitätslehrgängen und –kursen geht deutlich hervor,
dass sie nicht für „jedermann“ aus der Gesellschaft zugänglich sind, sondern hohe
Anforderungen hinsichtlich einer gewissen Vorbildung stellen und darüber hinaus auch die
Frage der finanziellen Leistbarkeit implizieren. Auch wenn grundsätzlich Weiterbildung nicht
ausschließlich für AkademikerInnen angeboten wird, sind sie doch die größte Zielgruppe, da sie
einerseits die nötige Vorbildung und andererseits die notwendigen finanziellen Ressourcen zur
Verfügung haben. Insgesamt sind Universitäten als WeiterbildungsträgerInnen in der
Gesellschaft noch nicht ganz angekommen, da Weiterbildung für Universitäten- anders als bei
außeruniversitären BildungsträgerInnen- bloß ein Geschäftsfeld unter mehreren ist, was zu
Personal- und Zeitknappheit führt. Die Gestaltung des universitären Weiterbildungssektors kann
daher nur mit qualitativ hochwertigen Kursen punkten; aufgrund der mangelnden Ressourcen
jedoch nicht mit Quantität.488

Von den 1980er Jahren bis heute bestehen in Österreich kaum Anzeichen dafür, dass sich
Universitäten tatsächlich extensiv um nichtstudentische MaturantInnen und NichtmaturantInnen
bemühen. Dennoch sollte sich die Hochschule den geänderten Vorbedingungen mancher
Studierender, nämlich jener Erwachsenen, die zuvor schon im Berufsleben gestanden sind,
annehmen. Die Einstellung der UniversitätslehrerInnen zu den Studierenden bedarf in diesem
Bereich einer Änderung, da diese StudentInnen eine Fülle von Berufs- und Lebenserfahrung
sowie ein Selbstwertgefühl mitbringen, welches nicht auf ein universitäres Studium
zurückzuführen ist. Eine mögliche Umsetzungsform wäre das Halten von Einzelvorträgen und
Vortragsreihen für Angehörige aller Bevölkerungsschichten oder das Veranstalten von
Diskussionsabenden, an denen namhafte VertreterInnen der Wissenschaft und Kunst, der
Wirtschaft und Politik mitwirken sollten. 489

Neben diesem nun ausführlich dargestellten gesellschaftlichen Wert und Nutzen der Bildung
soll abschließend nicht nur auf den volkswirtschaftlichen Nutzen von
Qualifizierungsmaßnahmen verwiesen werden, sondern auch auf den Wert der Bildung für die
Qualifizierung und Verkaufbarkeit der individuellen Arbeitskraft.490 Wenn ökonomische
Effizienz und Wachstum als dogmatische Grundsätze für menschliche Entwicklung in einer

487
AMS/BMWF: Jobchancen Studium. Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (2010/2011)
<http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/JCS_SoWi_2009.pdf>, 12.4.2011, 101.
488
Interview 3, 14.
489
Bodenmiller/ Knittler-Lux/ Pfniß/ Senzky/ Tietgens/ Vaucher in Die österreichische Volkshochschule 115/1980,
92.
490
Vgl. Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 34.
-146-

Gesellschaft angesehen werden, wird die Denklogik des Kapitalismus folgerichtig auch auf
andere Systeme übertragen. Es kommt zu einer Abwertung und Brandmarkung als
Fehlallokation all jener Dinge, die nicht innerhalb der Verwertungslogik des Kapitalismus
fassbar sind. Wissensmanagement oder auch Universitätsmanagement sind Schlagwörter im
Bildungsbereich, unter denen marktwirtschaftliche Bewertungsschemata eingeführt werden.491
Im Zusammenhang mit dieser Verkaufbarkeit der individuellen Arbeitskraft, gilt es nun auch zu
klären, ob es überhaupt einen einheitlichen gesellschaftlichen Stellenwert von Bildung gibt oder
ob es vielmehr einer Differenzierung bedarf. In den oberen (sozialen) Milieus steht Bildung für
die Erlangung bzw. Aufrechterhaltung von Hegemonie und von Selbstentfaltung. Diese
„mächtigen und einflussreichen“ Schichten grenzen sich gerade durch ihre „gehobene“ Bildung
von den unteren Milieus ab. In der Mittelschicht ist Bildung als Mittel, um mehr
Selbstbestimmung und einen höheren Status zu erreichen, auf gesellschaftliche Respektabilität
und Sicherheit ausgerichtet. Demgegenüber wird Bildung in den unteren Milieus als
Notwendigkeit zum sozialen Mithalten angesehen. Es soll durch Bildung ein weiteres
Abrutschen in die soziale Ausgrenzung verhindert werden, was dazu führt, dass Bildung
lediglich Mittel zum Zweck ist und keinen eigenständigen Nutzen mehr hat.492

Es ist jedenfalls wichtig zu erkennen, dass der einzelne einen Teil der Gesellschaft darstellt und
als solcher den Stellenwert der Bildung in der Gesellschaft mitbestimmt. Es wäre also verkürzt
zu sagen, dass das Individuum die von der Gesellschaft vorgegebene Bewertung zu akzeptieren
und fortzuführen hat, da es jedem freisteht als pars pro toto seinen Beitrag im Hinblick auf
Veränderungen zu leisten.

D. Rechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung

1. Internationale Ebene

a) Allgemeines

Es erscheint zweckmäßig im Folgenden nicht bloß nationale Normen, in denen das Recht auf
Bildung bzw. die „Ökonomisierung“ von Bildung oder Regelungen betreffend Universitäten
sowie das AMS verankert sind, zu behandeln, sondern vielmehr ist es auch von großem
Interesse internationale Vorgaben überblicksmäßig darzustellen, da diese häufig, insbesondere
nach dem EU-Beitritt Österreichs 1994, die Grundlage für diverse nationale Normierungen

491
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 99.
492
Vgl. Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance
oder Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte
Wien <http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 36.
-147-

darstellen. Nicht nur die häufig mangelnde rechtliche Verbindlichkeit völkerrechtlicher


Bestimmungen mit bloßem Empfehlungscharakter macht diese nicht selten zur Basis
verbindlicher nationaler Rechtsnormen, sondern auch diverse Richtlinien der EU bedürfen der
Umsetzung durch die nationale Gesetzgebung, da diese sonst unter bestimmte Umständen,
ebenso wie die europäischen Verordnungen, unmittelbar anwendbar werden.

Das Recht auf Bildung ist seit langer Zeit bereits ein Schlagwort in der bildungspolitischen
Diskussion, wobei es früher insbesondere angeführt wurde, um bestimmte Forderungen im
Bildungsbereich an den Staat zu stellen. Auch heute noch ist die Forderung nach einem Recht
auf Bildung berechtigt, da eine einmal erworbene schulische und berufliche Ausbildung,
angesichts des technologischen Wandels sowie den stetig wachsenden Anforderungen, die das
berufliche und das gesellschaftliche Leben an den einzelnen stellen, nicht mehr für ein ganzes
Leben ausreichen. Das Recht auf Bildung stellt als solches ein individuelles Recht dar, welches
auf den Grundbedürfnissen des Menschen beruht, da Menschen ohne ein Mindestmaß an
Bildung nicht überlebensfähig sind. Das Recht auf Bildung ist also ein elementares und nicht
nur ein abgeleitetes Recht. Es zählt zu den physischen Grundbedürfnissen, das letztlich in der
Würde des Menschen gründet.493
Ganz allgemein ist zum Recht auf Bildung außerdem vorwegzunehmen, dass es als Grundrecht
sowohl klassische liberale Abwehrrechte sowie moderne soziale Anspruchsrechte impliziert.
Als klassisches Freiheitsrecht bedeutet Bildung nichts anderes als die Abwehr gegen den Staat.
Dieser hat die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch Bildung zu gewährleisten und darf nicht
in das Recht eingreifen, es behindern oder beschränken. Dieses Recht ist aber eben auch ein
soziales Grundrecht, das Ansprüche an den Staat beinhaltet, da es voraussetzt, dass
entsprechende Bildungsmöglichkeiten vorhanden sind. Der Staat muss also ein differenziertes
Bildungsangebot vorhalten, indem er eigene Bildungseinrichtungen bereitstellt.494
Das Grundrecht auf Bildung umfasst laut dem interviewten wissenschaftlichen Mitarbeiter der
Abteilung Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation des AMS Wien eher den Bereich der
Grundbildung als jenen der universitären (Weiter-) Bildung, obwohl eine zusätzliche
gesellschaftliche Investition in Höherqualifizierte durchaus durch die Erlangung einer adäquaten
Beschäftigung zu rechtfertigen ist.495
Erwähnenswert sind hier auch noch vier Teilaspekte, die es innerhalb des Rechts auf Bildung zu
unterscheiden gibt, nämlich das Zugangsrecht, das Minimumrecht, das Entfaltungsrecht und des
Partizipationsrecht. Das Zugangsrecht ist das Recht auf freien und gleichen Zugang zu den

493
Stefek, 24-25.
494
Jenker, 9.
495
Interview 1, 6-7.
-148-

einzelnen Bildungseinrichtungen. Unter dem Minimumrecht versteht man das Recht auf
Vermittlung der für eine menschenwürdige Existenz in der modernen Gesellschaft
unabdingbaren Erkenntnisse und Fähigkeiten. Demgegenüber ist das Entfaltungsrecht das Recht
auf freie Entfaltung der individuellen Begabungen und Interessen und damit der Anspruch auf
ein entsprechend differenziertes Bildungswesen. Das Partizipationsrecht umfasst schließlich das
Recht aller an den Bildungseinrichtungen Beteiligten auf Mitwirkung an der Willensbildung
und an den Entscheidungen in diesen Einrichtungen.496
Ausgehend von diesem allgemeinen Recht auf Bildung soll in den folgenden Unterkapiteln das
Geflecht an rechtlichen Normen, die sich mit dem Thema Bildung auseinandersetzen, näher
beleuchtet werden.

b) Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Bildung wurde erstmals in Art 26 Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, verabschiedet


von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit Resolution vom 10.12.1948497, als
Menschenrecht anerkannt, da nicht bestritten wird, dass Bildung ein wichtiges Gut ist: Die
zahlreichen Funktionen von Bildung wie etwa das Schaffen von selbstbewussten Menschen, die
sich aktiv in die Gesellschaft einbringen, am gesellschaftlichen Leben partizipieren und es auch
gestalten sowie das Entgegenwirken sozialer Ungleichheiten und die Bekämpfung von Armut
etc. begründen ein Recht auf Bildung.498 Abgesehen von dieser durchaus erstrebenswerten
Erkenntnis, liegt die „Problematik“ in der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit dieser
Menschenrechtsdeklaration, deren Programmatik, ihrer Präambel zufolge, auf die
völkerrechtliche Anerkennung der Menschenrechte in späteren verbindlichen Abkommen
zielt.499 Bei diesem Recht auf Bildung [„Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung (…)“] handelt
es sich nicht um ein juristisch einklagbares individuelles Recht, sondern es ist vielmehr ein
„institutionsethischer Appell“ an die Gesellschaft und den Staat, durch entsprechende
Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass dieses Recht wahrgenommen werden kann.500

Der Einfluss des For Profit Sektors hat zu einem schleichenden Wandel des Bildungsauftrages
geführt, der nicht mehr viel mit jenem des Art 26 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
gemein hat. Es steht nicht mehr die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit sowie die
Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Vordergrund, sondern der

496
Jenker, 10.
497
Poscher/Rux/Langer, 16.
498
Achelpöhler/Bender/Himpele/Keller, 9.
499
Poscher/Rux/Langer, 17.
500
Stefek, 50.
-149-

Fokus liegt, bedingt durch den ökonomischen Druck, einseitig auf Ausbildung. Es geht also
darum, ein auf den Qualifikationsbedarf der Wirtschaft möglichst abgestimmtes Humankapital
in entsprechender Mengenverteilung zu liefern.501

Auch wenn primär die Schaffung von Humankapital angestrebt wird, ist ein „Funken“ - wenn
man so will – des Ursprungsgedankens, nämlich die Persönlichkeitsentfaltung und das Erlernen
von Kritikfähigkeit an Universitäten erhalten geblieben, da sich de facto Employability und
Criticizeability nicht eindeutig von einander trennen lassen (siehe II.B.1).

c) Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

In Art 2 Abs 1 UN-Sozialpakt ist zwar festgehalten, dass sich jeder Vertragsstaat verpflichtet,
„unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen
geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der
in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen.“ Dennoch ist strittig, inwieweit sich aus einem
solchen Pakt einklagbare Rechte oder lediglich Staatenverpflichtungen ergeben.502

Art 2 Abs 2 UN-Sozialpakt untersagt jegliche Art von Diskriminierung, insbesondere auch jene
hinsichtlich des Vermögens. Im Speziellen ist in Art 13 Abs 2 lit c UN-Sozialpakt festgehalten,
dass der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche
Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten
zugänglich gemacht werden muss. Mit anderen Worten hat der Zugang zur Hochschulbildung
frei von finanziellen Restriktionen zu sein.503 Darüber hinaus ist in Art 13 Abs 2 lit e UN-
Sozialpakt der Auftrag zur Errichtung eines Stipendiensystems verankert, sodass von einer
Doppelstrategie zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung an Hochschulen gesprochen
werden kann.504

Österreich hat diesen Pakt am 10. Dezember 1978 ratifiziert, sodass es als Vertragsstaat die dort
genannten Verpflichtungen zu erfüllen hat. Insoweit besteht also eine bindende internationale
Vorgabe hinsichtlich eines Rechts auf Bildung.505

501
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 95.
502
Achelpöhler/Bender/Himpele/Keller, 9.
503
Achelpöhler/Bender/Himpele/Keller, 12.
504
Achelpöhler/Bender/Himpele/Keller, 30.
505
Stefek, 53.
-150-

d) EU-Bildungspolitik - die Entwicklung der Rechtslage - vom marginalen Stellenwert zu


einer beachtlichen Bedeutung von Bildung

aa) Charta der Grundrechte der EU

Anfangs fehlte es an ausdrücklichen Grundrechtsverbürgungen in den Europäischen


Gemeinschaften, da die EG ursprünglich allein auf wirtschaftliche und nicht auf politische
Integration ausgerichtet war. Aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs,
konnten nationale Grundrechte auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene keine Geltung
beanspruchen. Aufgrund des Gemeinschaftsprinzips der unmittelbaren Anwendbarkeit, nach
welchem Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts im innerstaatlichen Bereich ohne Umsetzung
unmittelbar Anwendung finden können, wurde das Bedürfnis nach grundrechtlicher
Legitimation der gemeinschaftsrechtlichen Hoheitsgewalt laut. Die Grundrechte sind durch eine
gefestigte Rechtsprechung des EuGH wirksam entwickelt und geschützt worden. 506

Die GRCh wurde am 7. Dezember 2000 vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der
Kommission feierlich proklamiert507 und wurde mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon
am 1. Dezember 2009 rechtsverbindlich. Die GRCh kodifiziert erstmals in der Geschichte der
EU einen Grundrechtskatalog für die UnionsbürgerInnen, was eine erhebliches Mehr an
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit mit sich brachte.508

Zunächst war die Aufnahme eines Rechts auf Bildung äußerst umstritten und wurde kontrovers
diskutiert, sodass diese Bestimmung Ausdruck eines langwierig gewachsenen
bildungspolitischen Kompromisses ist. Für die Delegierten war eine Charta, die zur Bildung
schweigt, kaum vorstellbar, sodass dieser „Mindestkonsens“ gefunden wurde, auch wenn
kulturelle und bildungspolitische Divergenzen in Bezug auf die Ausgestaltung des staatlichen
Schulwesens, den Umfang der subjektiven Rechte des einzelnen auf Bildung und die Stellung
sowie die Finanzierung von Privatschulen innerhalb der Bildungssysteme der Mitgliedstaaten
bestehen.509 Neben dem allgemeinen Grundsatz des Rechts auf Bildung legt Art 14 Abs 1 GRCh
(Art II-74 EuVerf) nun auch das Recht auf Zugang zur beruflichen Aus- und Weiterbildung

506
Günther, 9-11.
507
Poscher/Rux/Langer, 77-78.
508
Günther, 25; 28-29.
509
Günther, 90; 102.
-151-

fest:510 „Abs 1. Jede Person hat das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen
Ausbildung und Weiterbildung. (…)“511
Dieser Absatz 1 weist seiner Struktur nach drei unterschiedliche Wirkrichtungen auf, nämlich
freien Zugang, Chancengleichheit und Persönlichkeitsentfaltung. Auch wenn die Garantie des
Zugangs zu Bildungseinrichtungen grundsätzlich ein Teilhaberecht darstellt, enthält diese
Bestimmung weder einen Leistungsanspruch auf Bereitstellung bestimmter Bildungsgänge noch
einen pauschalen Anspruch auf gleiche Teilhabe an den vorhandenen Bildungsressourcen.512

Die Bestimmung ist vorbehaltslos formuliert, aber dennoch unterliegt sie Schranken und
Begrenzungen. Es gelten die für Art 2 Abs 1 1. ZP EMRK zugelassenen
Einschränkungsmöglichkeiten. Das Grundrecht erschöpft sich in seiner Wirkung aber gegenüber
den Mitgliedstaaten, da eine Beeinträchtigung durch die Organe und Stellen der EU wegen der
stark eingeschränkten Kompetenzen im Bereich der allgemeinen Bildung kaum wahrscheinlich
ist.513 Die Norm soll vor Grundrechtseingriffen bzw. –einschränkungen wie etwa wenn eine
Behinderung des Zugangs zu staatlichen Bildungseinrichtungen durch belastende Maßnahmen
nicht in relevanter Weise mit der Knappheit von Ressourcen zusammenhängt, schützen. Daher
stellt beispielsweise die fehlende Anerkennung absolvierter Studien einen Grundrechtseingriff
dar.514

Da erhebliche Unterschiede in den einzelnen Bildungssystemen der Mitgliedstaaten bestehen


können, insbesondere im Hinblick darauf, ob der Sekundarunterricht im Einzelfall als
berufsbildend einzustufen ist oder nicht, erscheint es im Anschluss an Günther überzeugend,
dem Bildungsbegriff des Art 14 GRCh die Bildung in einer Elementarschule zuzuordnen.
Dieses Recht räumt dem einzelnen in erster Linie einen Anspruch auf diskriminierungsfreien
Zugang zu bestehenden öffentlichen Bildungseinrichtungen ein und im Ausnahmefall kann
dieses Recht eine leistungsrechtliche Komponente begründen, nämlich dann, wenn ein
Mitgliedstaat das Minimum an elementaren Ausbildungsmöglichkeiten unterschreitet. Über
diesen Schutz der Elementarbildung hinaus, wird aber auch die berufliche Aus- und
Weiterbildung durch die GRCh geschützt. Der EU-Grundrechtsschutz geht somit über jenen
nach der EMRK hinaus. Unter „beruflicher Ausbildung“ ist eine Ausbildung, die auf eine
Qualifikation oder eine Befähigung für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte

510
Poscher/Rux/Langer, 77.
511
Charta der Grundrechte der Union, ABl 2004, C 310/44 <http://eur-
lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2004:310:0041:0054:DE:PDF>, 28.4.2011.
512
Stefek, 89-90.
513
Günther, 205; 207.
514
Jarass, 227.
-152-

Beschäftigung vorbereitet oder eine besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufs
oder einer solchen Beschäftigung verleiht, zu verstehen. „Berufliche Weiterbildung“ meint
demgegenüber vor allem die berufliche Umschulung. Das Grundrecht umfasst also neben der
beruflichen Erstausbildung und Umschulung auch die weiterführenden Schulen sowie den
Zugang zur Hochschulausbildung, wobei es sich dabei primär um reine Teilhaberechte
handelt.515 Die TrägerInnen der Bildungseinrichtungen können die Teilhabe, insbesondere den
Zugang zu den Einrichtungen, näher ausgestalten. Sie haben hierbei einen erheblichen
Gestaltungsspielraum. Beispielsweise kann für den Besuch von Hochschulen das Erreichen
eines bestimmten Leistungsniveaus verlangt werden.516

Abschließend wird hier kurz auf das Verhältnis von GRCh und EMRK hingewiesen, welche
unter II.D.2.a)aa) näher behandelt wird. Art 52 Abs 3 GRCh regelt das Verhältnis zur EMRK,
indem festgehalten wird, dass die Grundrechte der Charta, die den durch die EMRK garantierten
Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite besitzen, wie sie ihnen in der
EMRK verliehen werden. Ein auf EU-Ebene weitergehender Schutz steht dem aber nicht
entgegen.517

bb) Sonstiges primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht

Die die Gemeinschaft begründenden Verträge enthalten keine direkten Hinweise auf
Bildungspolitik, da die primären Ziele die wirtschaftliche Entwicklung und die damit
verknüpften Aufgaben der Zusammenarbeit waren.518 Erst 1986 kommt es in der Einheitlichen
Europäischen Akte zu einer Ausweitung sowie stärkeren Akzentuierung von Bildungspolitik,
sodass von einer Modifikation der Römischen Verträge durch die Einheitliche Europäische Akte
gesprochen werden kann. Die Anwendung der Einheitlichen Europäischen Akte blieb jedoch
eine relativ beschränkte, nicht nur deshalb, weil sie bloßen Empfehlungscharakter hat, sondern
auch aufgrund der mangelnden Kompetenzen des Europäischen Parlaments und der
föderalistischen Strukturen der nationalen Bildungspolitiken.519

Vor dem Vertrag von Maastricht herrschte somit über die bildungspolitischen Rechte und
Grenzen der EG Rechtsunsicherheit, da in Art 128 EWGV nur eine interpretationsbedürftige
Entscheidungs- und Handlungsermächtigung für das gemeinschaftliche Handeln im
Bildungswesen verankert war, sodass die Mitgliedstaaten die Aushöhlung ihrer eigenen

515
Günther, 141; 207-208; 215; 229, auch Jarass, 224-225.
516
Jarass, 226.
517
Günther, 73.
518
Günther, 111.
519
Fichtinger, 92-93.
-153-

Bildungshoheit durch die EG fürchteten,520 nicht zuletzt deshalb, weil die unspezifische
Formulierung der Europäischen Kommission ermöglichte, den Anwendungsbereich dieses
Artikels auszudehnen. Beispielsweise schlug die Kommission ein Aktionsprogramm im
Bildungsbereich vor, welches 1976 in einer Entschließung des Rates festgesetzt wurde, auf
welcher sämtliche Bildungsprogramme der EG basieren, unter anderem auch ERASMUS.521
Die Forderung nach einer Präzisierung der Bestimmungen über die bildungspolitischen
Zuständigkeiten ließ aufgrund der Meinungsstreitigkeiten zwischen der EG, den Mitgliedstaaten
und deren Bundesländern nicht lange auf sich warten.522

Im Vertrag von Maastricht wurden der EG sodann erstmals bildungsrechtliche und


bildungspolitische Kompetenzen zuerkannt. Während die Gemeinschaft durch Art 126 erstmals
Kompetenzen im allgemein-bildenden Bereich erlangt hat (Erlass von rechtlich nicht
verbindlichen Empfehlungen), bezieht sich Art 127 auf die berufliche Bildung, die auch die
Ausbildung und die Weiterbildung umfasst (rechtsverbindliche Regelungskompetenz).523 Das
Bildungswesen wurde damit erstmals primärrechtlich verankert.524 Es handelt sich also
keineswegs um eine allgemeine Kompetenz für den Bereich der Bildungspolitik, sondern die
EG wurde vielmehr nach dem Subsidiaritätsprinzip tätig. Dieses Prinzip besagt, dass die
Gemeinschaft nur dann tätig werden soll, wenn die Ziele der jeweiligen Maßnahme auf
supranationaler Ebene tatsächlich besser erreicht werden können als auf Ebene der
Mitgliedstaaten.525

In Art 3 Abs 1q des Vertrages von Nizza ist als eine Aufgabe der Gemeinschaft die Leistung
eines Beitrages im Rahmen des Vertrages „zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und
beruflichen Bildung sowie zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten“ festgehalten.
Erfüllt wird diese Aufgabe auf der Ebene des Sekundärrechts durch die Erlassung von
Richtlinien und durch die weitaus wichtigeren mehrjährigen Aktionsprogramme im
Bildungsbereich, welche zwar die Bildungshoheit der Mitgliedstaaten nicht ernsthaft tangieren,
aber ihnen dennoch Mitwirkungspflichten auferlegen. Die Mitgliedstaaten können
beispielsweise die Änderung von Verwaltungsvorschriften und den Aufbau von
Organisationsstrukturen für die Programme implizieren. Im Zentrum steht das Erreichen eines
„europäischen Mehrwerts“ durch die Unterstützung und Ergänzung der nationalen Politiken,

520
Fichtinger, 93.
521
Rosc in Erwachsenenbildung in Österreich 3/1994, 2.
522
Fichtinger, 93.
523
Rosc in Erwachsenenbildung in Österreich 3/1994, 2.
524
Günther, 126.
525
Fichtinger, 93.
-154-

den Informations- und Erfahrungsaustausch der Mitgliedstaaten und die Vernetzung nationaler
Vorhaben.526

In Art 149 und Art 150 EGV sind nähere Regelungen zur allgemeinen und beruflichen Bildung
sowie Jugend verankert, wodurch erstmals das erforderliche Fundament für das
gemeinschaftliche Handeln im Bildungswesen geschaffen wird. Im Wesentlichen geht es um die
Förderung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und die Unterstützung und Ergänzung ihrer
Tätigkeiten, wobei sich die Mitgliedstaaten jedoch die Verantwortung für die Lehrinhalte und
die Gestaltung des Bildungssystems vorbehalten.527
Abschließend sei an dieser Stelle angemerkt, dass der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene
Vertrag von Lissabon, der kein eigenständiges Dokument bildet, sondern aus Änderungen der
zwei Ausgangsverträge besteht, die bereits erwähnten bisherigen bildungsrelevanten Art 149
und 150 aus dem EGV praktisch unverändert übernommen hat.528

Alles in allem ist festzustellen, dass zwar aufgrund der erwähnten europäischen
Zielbestimmungen die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich erheblich
erweitert werden könnte, doch wäre ein weitgehender, im Moment nicht in Aussicht stehender
Souveränitätsverzicht auf dem Gebiet der Bildungspolitik erforderlich. Bis dato behalten die
Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“ die grundlegenden Kompetenzen im Bildungsbereich
für sich, sodass die Bedeutung der Verankerung der Bildungspolitik auf der Ebene des
Primärrechts weitgehend eingeschränkt wird und die Gemeinschaft de facto nur einen
beschränkten Handlungsspielraum hat.529

cc) Die „Bildungsrechtsprechung“ des EuGH

Neben den bereits beschriebenen Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts soll nun auch auf die
Judikatur des EuGH eingegangen werden, da dieser im Rahmen der EU eine nicht
unmaßgebliche Rolle spielt. Der EuGH soll „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und
Anwendung des Vertrages“ (Art 220 EGV) sichern. Im Zuge dieser Kompetenz hat sich die
sogenannte „Bildungsrechtsprechung“ entwickelt. Diese besteht aus Urteilen, in denen sich der
EuGH nach und nach für eine Ausdehnung der bildungspolitischen Gemeinschaftskompetenzen
aussprach.530 Inhaltlich setzen sich die meisten Urteile stets mit der Diskriminierung von
UnionsbürgerInnen gegenüber den jeweiligen StaatsbürgerInnen bezüglich des Zugangs zu

526
Fichtinger, 93-94.
527
Fichtinger, 94.
528
Fichtinger, 94.
529
Fichtinger, 94.
530
Fichtinger, 94-95.
-155-

Bildungseinrichtungen sowie den Genuss diverser Förderungen auseinander und somit mit der
Problematik der StudentInnenfreizügigkeit und UnionsbürgerInnenschaft im Sinne der Art 18 ff
AEUV.531 Insbesondere ist ein Urteil aus dem Jahr 1985, dem die größte Beachtung im Rahmen
der bildungsrelevanten Rechtsstreitigkeiten geschenkt wurde, nämlich das „Gravier-Urteil“532 zu
erwähnen: Die französische Studentin Francois Gravier kam nach Belgien, um Kunst zu
studieren. Sie hatte an der universitären Hochschule Académie Royale des Beaux-Arts Lüttich
nicht nur die erlaubte Einschreibgebühr, sondern zusätzlich auch eine Gebühr für ausländische
Studierende zu errichten.533
Der EuGH hat in dieser Entscheidung den Begriff „Berufsausbildung“ in Art 128 EWGV so
weit ausgelegt, dass auch das Hochschulstudium darunter fiel, soweit es zu einem
berufsbefähigenden, -vorbereitenden oder –qualifizierenden Abschluss führt. Der Gerichtshof
kam so zu dem Ergebnis, dass der Zugang zu Bildungseinrichtungen, insbesondere wenn es sich
um die Berufsausbildung handelt, nicht außerhalb des Gemeinschaftsrechts liege. Außerdem
erstreckte er das Diskriminierungsverbot des Art 7 EWGV erstmals auch auf SchülerInnen und
StudentInnen.534 Der EuGH hat in diesem Urteil also die so genannte „Gravier-Doktrin“
entwickelt, welche sich in erster Linie auf SchülerInnen, StudentInenen und ReferendarInnen
bezieht, jedoch auch im Bezug auf Erwachsenenbildung durchaus von Bedeutung ist. Das
Gravier-Urteil begründet erstmals ein eigenes Bildungsrecht, das allen UnionsbürgerInnen,
unabhängig von ihrem beruflichen Status oder dem ihrer Angehörigen zusteht. Das Recht auf
Gleichbehandlung im Bildungswesen wandelte sich somit zu einem eigenständigen
Ausbildungsrecht für alle im Sinne eines Europas für BürgerInnen.535

Im Jahr 2005 wurde der EuGH mit einem österreichischen „Fall“ befasst. Die Kommission ging
damals gegen eine österreichische Regelung vor, nach welcher nicht in Österreich ausgestellte
Maturazeugnisse nur dann zum Hochschulzugang berechtigten, wenn die BewerberInnen
nachweisen konnten, dass sie gleichermaßen in einem Mitgliedstaat studienberechtigt sind, in
dem sie die Hochschulreife erworben haben. Der EuGH stellte fest, dass es sich bei dieser
Normierung um eine versteckte Diskriminierung handelte, da sie nicht direkt an der
StaatsbürgerInnenschaft, aber an dem Herkunftsland des Maturazeugnisses anknüpfte, sodass
sie typischerweise AusländerInnen belastet. Im Zuge der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kam
der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass Österreich einen Nachweis hätte erbringen müssen, dass

531
Pechstein, Matthias (2010): 04/2010 Der Fall Bressol u.a. <http://www.rewi.euv-frankfurt-
o.de/de/profil/Projekte/deluxe/archiv_2010/04_2010/Bressol.pdf>, 11.2.2011, 2.
532
EuGH, Urteil vom 13. Februar 1985, RS 293/83: Francoise Gravier gegen Stadt Lüttich, Slg. 1984, 693-615.
533
Stefek, 81.
534
Günther, 119.
535
Fichtinger, 95.
-156-

die Regelung notwendig und verhältnismäßig sei, um sich auf eine Ausnahme von dem
fundamentalen Grundsatz der Freizügigkeit berufen zu können. Da das Vorbringen vom Staat
Österreich nach Ansicht des EuGH unzureichend war, wurde die Regelung für rechtswidrig
erklärt.536
Durch diese Entscheidung wird deutlich, dass auch der EuGH durch diese sogenannte
„InländerInnengleichbehandlung“ die Mobilität der „europäischen StudentInnen“ unterstützt.
Eine wesentliche Folge dieses Urteils ist, dass österreichische MaturantInnen stärker als vor
diesem Urteil mit deutschen AbiturientInnen in ausgewählten Studiengängen konkurrieren. Eine
weitere Bestrebung, die unter anderem auf diese Rechtsprechung zurückzuführen ist, ist die
Verschärfung der Studieneingangsphase: Es wird zwar eine große Zahl an Studierenden
aufgenommen, welche aber dann während des ersten Studienjahres durch verschärfte Prüfungen
wieder reduziert wird.537

Abschließend sei hier der Vollständigkeit halber auf die Rechtssachen Lawrie-Blum, Blaizot,
Hmbel, Matteucci, Raulin, Wirth und Grzelczyk verwiesen.538

2. Nationale Ebene

a) Verfassungsrechtliche Bestimmungen

aa) Europäische Menschenrechtskonvention


Die EMRK selbst enthält zwar kein Recht auf Bildung, der Art 2 1. ZP der EMRK hingegen
schon, der lautet: „Das Recht auf Bildung darf niemandem verwehrt werden (...)“ Mit anderen
Worten hat jedermann das Recht auf Bildung, wobei es sich hierbei nicht um ein originäres
Leistungsrecht, sondern vielmehr um ein derivatives Teilhaberecht handelt. Es vermittelt somit
ein Zugangsrecht zu den bestehenden Bildungseinrichtungen, das unter dem Vorbehalt des
Möglichen steht, nicht aber einen Anspruch auf die Einrichtung eines und den Zugang zu einem
bestimmten Schulsystem.539 Mit dem Recht auf Zugang eng verbunden ist das Recht, dass die
absolvierten Studien auch amtlich anerkannt werden.540

536
Pechstein, Matthias (2010): 04/2010 Der Fall Bressol u.a. <http://www.rewi.euv-frankfurt-
o.de/de/profil/Projekte/deluxe/archiv_2010/04_2010/Bressol.pdf>, 11.2.2011, 2.
537
BMBWK, 78.
538
Ausführungen zu diesen Rechtssachen würden den Rahmen der vorliegenden Dissertation sprengen, sodass auf
einen Kurzüberblick in Stefek, 83-86 verwiesen wird.
539
Poscher/Rux/Langer, 67-68.
540
Meyer-Ladewig, 431.
-157-

Aus der englischen (education) und der französischen (éducation) Fassung wird deutlich, dass
mit Bildung vor allem Ausbildung gemeint ist.541
In erster Linie spricht diese Norm die schulische Elementarbildung an. Ob darüber hinaus auch
höhere Bildung an weiterführenden Schulen oder gar die berufsbezogene Ausbildung geschützt
werden, ist umstritten.542 Meyer-Ladewig zufolge gilt dieser erste Satz der Bestimmung für alle
Stufen der Bildung, einschließlich der höheren Bildung und Hochschuleinrichtungen,
unabhängig davon, ob sie staatlich oder privat sind.543
Aus Art 2 1. ZP der EMRK folgt auch die Verpflichtung des Staates, ein angemessenes
Ausbildungssystem zu organisieren. Dem Staat steht es frei, Einzelheiten über den Zugang zu
regeln und die Voraussetzungen dafür zu bestimmen, wobei ihm ein Ermessensspielraum
zusteht. Derartige nationale Bestimmungen dürfen das Recht auf Bildung aber nicht im Kern
antasten, müssen verhältnismäßig und vorhersehbar sein sowie ein berechtigtes Ziel verfolgen.
Dies hat beispielsweise zur Folge, dass ein Kandidat, der die bestehenden gesetzlichen
Voraussetzungen für den Hochschulbesuch erfüllt, einen Anspruch auf Zulassung hat.544 Eine
Abweisung aus unsachlichen Gründen stellt daher eine Grundrechtsverletzung dar.545

In Art 14 EMRK ist ein Diskriminierungsverbot hinsichtlich der in der Konvention anerkannten
Rechte und Freiheiten verankert. Das Diskriminierungsverbot findet auch auf das Recht auf
Bildung nach Art 2 1. ZP der EMRK Anwendung, da es nach Art 5 1. ZP der EMRK als
Zusatzartikel in die EMRK einbezogen wird. Unter Diskriminierung ist nach ständiger
Rechtsprechung des EGMR die unterschiedliche Behandlung von Personen in wesentlich
gleicher Lage ohne sachliche und vernünftige Rechtfertigung zu verstehen, wobei sich
Art 14 EMRK gegen intendierte und faktische Diskriminierungen richtet.546 Im Kontext der
vorliegenden Arbeit sind insbesondere die Merkmale der Diskriminierung aufgrund des
Vermögens und der sozialen Herkunft von Bedeutung. Art 14 EMRK schließt also nicht jede
Ungleichbehandlung aus, da unterschiedliche Gegebenheiten regelmäßig eine unterschiedliche
Lösung verlangen und rechtliche Unterscheidungen häufig versuchen, tatsächliche Unterschiede
auszugleichen. Wenn eine unterschiedliche Behandlung also ein berechtigtes Ziel verfolgt und
ein angemessenes Verhältnis zwischen den angewandten Mitteln und den verfolgten

541
Frowein/Peukert, 828.
542
Günther, 139-140.
543
Meyer-Ladewig, 431.
544
Meyer-Ladewig, 431- 432.
545
Frowein/Peukert, 829.
546
Poscher/Rux/Langer, 68.
-158-

berechtigten Zielen besteht, liegt keine Diskriminierung vor, die eine Grundrechtsverletzung
nach der EMRK darstellt.547

Das Recht auf Bildung ist nicht bloß gegen den Staat gerichtet, sondern ist auch als eine
Verpflichtung der Eltern zu interpretieren. Das Recht auf Ausbildung ist laut EGMR ein
fundamentales Recht des Kindes, welches gerade auch im Zusammenhang mit der Bestimmung
des Elternrechts wesentliche Bedeutung habe.548

bb) Regelungen im B-VG, insbesondere kompetenzrechtliche Bestimmungen

Grundsätzlich sind die Verantwortlichkeiten in der Bildungspolitik aufgrund der föderalen


Struktur des österreichischen Staats auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt, sodass es
zwischen den Regionen zahlreiche Unterschiede gibt, die verschiedene Traditionen und
ideologische Konzepte widerspiegeln. Dennoch liegt die gesetzliche Zuständigkeit im
Bildungsbereich gemäß Art 14 B-VG hauptsächlich auf der Ebene des Bundes und damit zentral
bei der Bundesregierung,549 wobei die Verantwortlichkeit des Bundes für den Bildungsbereich
die Hochschulen einschließt.550 Nach Art 14 B-VG ist der Bund somit Erhalter von
weiterführenden Schulen sowie von höheren Schulen und Hochschulen.551 Die Zuständigkeit für
Erwachsenenbildung im schulischen und hochschulischen Bereich ist kompetenzrechtlich klar
dem Bildungsministerium zugeordnet und unterliegt den in diesem Bereich geltenden
rechtlichen Bestimmungen.552

Hier ist nun noch die allgemeine Verfassungsbestimmung des Art 81c B-VG zu erwähnen, in
welchem die Autonomie der Universitäten verankert ist, welche eine Weisungsbindung sowie
einen Instanzenzug an staatliche Organe ausschließt. Bemerkenswert ist die Garantie der
institutionellen Selbstständigkeit bei der Aufgabenbesorgung trotz staatlicher Finanzierung.
Universitäten haben somit eine Sonderstellung im Gefüge der staatlichen Institutionen: Sie sind
zwar vom Bund einzurichten und besorgen öffentliche Aufgaben, die der Bundesverwaltung
zuzurechnen sind, aber dennoch ist ihre organisatorische und funktionelle Unabhängigkeit
gegenüber staatlichem Einfluss zu sichern. Das macht Universitäten jedoch nicht zu
Selbstverwaltungskörpern im Sinn des Art 120a ff B-VG.553

547
Meyer-Ladewig, 283.
548
Frowein/Peukert, 830.
549
Neuber, 17.
550
Auer, 150.
551
Statistik Austria 2011, 77.
552
BMUK/ BMWF, 64.
553
Kucsko-Stadlmayer in Mayer, 594-595.
-159-

Unklar ist, ob Art 81c B-VG die volle Rechtsfähigkeit der Universitäten als juristische Personen
des öffentlichen Rechts garantiert. Demgegenüber dürfte die finanzielle Autonomie der
Universitäten durch mehrjährige Globalbudgets nunmehr auch verfassungsrechtlich garantiert
sein, da die frühere, diesbezüglich ausdrückliche verfassungsrechtliche Einschränkung in
§ 2 Abs 2 UOG 1993 mit Art 81c B-VG beseitigt wurde.554 Das Globalbudget wird jeweils für
drei Jahre im Voraus festgelegt und setzt sich aus dem Grundbudget, das in den
Leistungsvereinbarungsverhandlungen vereinbart wird, und dem Formelbudget, welches an
Hand von Indikatoren ermittelt wird, zusammen.555

b) Sonstige rechtliche Bestimmungen

aa) Das UG 2002 und New Public Management

Das folgende Unterkapitel beschäftigt sich mit den für die universitäre Weiterbildung besonders
relevanten Bestimmungen sowie mit jenen Normen, die die Finanzierung und Organisation von
Universitäten regeln, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit gestellt wird. Vielmehr sollen
markante Gesetzesstellen hervorgehoben und besprochen werden. Vorweggenommen sei, dass
die Reformen der Hochschulorganisation auf eine Stärkung der Autonomie der Hochschulen
abzielen und damit an die „Staatsaufgabendebatte“ anknüpfen, innerhalb welcher diskutiert
wird, was der Staat leisten muss.556 Hochschulen und Universitäten agieren in Österreich seit
einigen Jahren unter deutlich veränderten Rahmenbedingungen: erweiterte rechtliche
Handlungsspielräume gewähren ihnen umfangreiche Freiheiten, mit denen aber auch eine
weitaus stärkere Eigenverantwortung korrespondiert. Diese weitgehende Hochschulautonomie
steht für ein neues, sich immer wieder wandelndes Verhältnis zwischen Staat und
Hochschulen.557 Eine mehrheitlich geteilte Position ist, dass die Detailsteuerung von
Hochschulen nicht zu den Kernaufgaben des Staates gehört, sondern sich der Staat auf die
Kontextsteuerung beschränken sollte.558 Diese Gedanken stehen auch hinter der Einführung des
UG 2002 in Österreich.

Das UG 2002 regelt den Betrieb der österreichischen Hochschulen in einer bisher unbekannt
umfassenden Form und beinhaltet das Organisationsrecht, das neue Studienrecht, das
Dienstrecht sowie das Hochschultaxen- und Abgeltungsgesetz.559 Das UG 2002 normiert

554
Kucsko-Stadlmayer in Mayer, 597.
555
BMWF 2011, 43.
556
BMBWK, 56.
557
BMWF 2011, 3.
558
BMBWK, 56.
559
Auer, 178.
-160-

außerdem neben Lehre und Forschung eine weitere Aufgabe der Universitäten, nämlich den
Beitrag der Universitäten zum Innovationsprozess und den Transfer ihrer Forschungsergebnisse
in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Praxis.560 Das Gesetz hat weiters eine Mischung von
kollegialer Leitung, Präsidialverfassung, Rektoratsverfassung und Management einerseits sowie
eine Mischung von Ernennung und Wahl der Bestellung der Leitungsorgane andererseits
gebracht, verbunden mit einer weitergehenden Autonomie und einer Verlagerung von
Kompetenzen aus dem Ministerium in die Universität.561

Die Autonomie der Universität gegenüber dem Ministerium wurde maßgeblich gestärkt, da
nahezu alle Entscheidungen, die das Ministerium früher getroffen hat, nun von der Universität
selbst getroffen werden. Mit anderen Worten gibt es klare Entscheidungs- und
Verantwortungsstrukturen:562 Die Universität genießt Personalautonomie, das heißt, sie sucht
sich nach den entsprechenden Kriterien ihr Personal selbst aus und übernimmt damit
DienstgeberInnenfunktion. Weiters genießt die Universität Finanzautonomie, da sie auf der
Basis von Verhandlungen ihr dreijähriges Budget von der Republik Österreich (durch das
jeweilige Ministerium) bekommt. Die Universität hat sich hierfür selbst einen Entwicklungsplan
zu geben und hat dann basierend auf diesem und den vorangegangenen Verhandlungen die
Möglichkeit, das Budget relativ frei einzusetzen, beispielsweise für Geräteanschaffungen etc.563
Mit anderen Worten entscheidet die Universität selbstständig in welchen Bereichen
Profilstärkungen vorgenommen werden, sprich mehr finanzielle Mittel investiert werden, und
welche Bereiche finanziell eher in den Hintergrund treten.564 Eine weitere Facette der
Autonomie ist jene betreffend die Curricula, da die Universität die Aufgabe hat in
Eigenverantwortung ohne externe Akkreditierung Curricula zu entwickeln, aber auch
Qualitätssicherung der Curricula zu betreiben. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die
Curricula im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen und Veränderungen des
Arbeitsmarktes weiterentwickelt und damit in periodischen Abständen evaluiert, adaptiert und
modifiziert werden müssen. Schließlich verfügt die Universität auch noch über die
Organisationsautonomie, wobei das UG 2002 relativ knappe Vorgaben für die Organisation der
Universität normiert. Die obersten Organe der Universität sind zwar genau festgeschrieben, aber
es bleibt der Universität selbst überlassen, die interne Struktur autonom festzulegen. Insgesamt

560
BMWF 2011, 34.
561
Richli, 86.
562
Interview 2, 3.
563
Interview 3, 5.
564
Interview 2, 5.
-161-

wurde der Spielraum der Universität im inhaltlichen Gestaltungsbereich wesentlich gestärkt,565


doch darf trotz dieses hohen Maßes an relativer Selbstständigkeit der vorliegende
„selbstverwaltende Mangel“, wie es Dvořak umschreibt, nicht außer Acht gelassen werden, da
eine Selbstständigkeit, die nicht die Fülle, sondern das Elend verwaltet, nicht immer begeisternd
sei.566

Aus § 3 UG 2002 gehen die Aufgaben der Universität klar hervor, wobei diese unter anderem
die „wissenschaftliche (…) Berufsvorbildung, Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten, die eine
Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern“ und die „Weiterbildung,
insbesondere der Absolventinnen und Absolventen von Universitäten“ sind. Dieser
Aufgabenkatalog zeigt, dass die Universitäten öffentliche, das heißt im Allgemeininteresse
liegende, Aufgaben zu besorgen haben. Gleich die darauffolgende Bestimmung gewährt den
Universitäten volle Rechtsfähigkeit, sodass sie alle Rechte und Pflichten, die juristischen
Personen offen stehen, haben.567 Im Zusammenhang mit den Aufgaben der Universität gilt es an
dieser Stelle zu erwähnen, dass im UOG 1975 erstmals neben der Forschung, der Bildung durch
Wissenschaft und der wissenschaftlichen Berufsvorbildung die Weiterbildung der
AbsolventInnen entsprechend den Fortschritten der Wissenschaft als definierte Aufgabe
ausgewiesen wurde. Im UOG 1993 wurde die Weiterbildung auch in den Katalog der
universitären Aufgaben aufgenommen, jedoch konzentriert auf das Angebot von
Universitätskursen und –lehrgängen.568

Als strategisches Organ der Universität ist der Universitätsrat eingerichtet, welcher auch
einzelne Aufsichtsbefugnisse über hat. Er „besteht aus fünf, sieben oder neun Mitgliedern, die
in verantwortungsvollen Positionen in der Gesellschaft, insbesondere in der Wissenschaft,
Kultur oder Wirtschaft, tätig sind oder waren und aufgrund ihrer hervorragenden Kenntnisse
und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Universität leisten
können.“569 Einen Teil dieser Mitglieder des Universitätsrates, welcher gegenüber dem
Bundesministerium weisungsunabhängig ist, bestellt die Bundesregierung.570 In der Regel sind
auch Personen von anderen Universitäten (aus dem Ausland) Mitglieder des Universitätsrats.
Neben Wirtschaftstreibenden sind durchaus auch KammerfunktionärInnen vertreten. Insgesamt
kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Personen aus dem wirtschaftlichen Bereich in

565
Interview 3, 6.
566
Interview 5, 3.
567
Mayer in Mayer, 4-5.
568
Neuhold/Patscheider, 6.
569
Mayer in Mayer, 73; 76.
570
Richli, 87; 109.
-162-

der Überzahl vertreten sind und daher direkten Einfluss auf die Universität nehmen.
UniversitätsrätInnen, welche Aufsichtsratfunktionen übernehmen, stellen vielmehr
Brückenköpfe zwischen der Universität und anderen Bereichen der Gesellschaft dar571 und
fungieren in diesem Sinne als DialogpartnerInnen.

Als Leitung der Universität ist das Rektorat eingerichtet, welches die Universität auch nach
außen hin vertritt. Zu den Aufgaben des Rektorats zählen beispielsweise die Erstellung eines
Entwicklungsplans sowie eines Organisationsplans der Universität, die Erstellung eines
Entwurfs der Leistungsvereinbarung, der Abschluss von Zielvereinbarungen mit den
LeiterInnen der Organisationseinheiten, die Aufnahme der Studierenden, die Erteilung der
Lehrbefugnis, die Stellungnahme zu den Curricula, die Budgetzuteilung etc. Der
Entwicklungsplan sowie der Organisationsplan und der Entwurf der Leistungsvereinbarung sind
dem Universitätsrat vorzulegen. Das Rektorat kann auch Entscheidungen des Universitätsrates
nicht zurückweisen und hat diesen in schwerwiegenden Fällen zu informieren. Außerdem ist
der/die RektorIn vom Universitätsrat aus einem Dreiervorschlag des Senats für eine
Funktionsperiode von vier Jahren zu wählen.572 Das Rektorat hat nicht nur Entscheidungen zu
treffen, sondern hat auch die Verantwortung für diese Entscheidungen zu tragen und diese
gegenüber einem Gremium, nämlich dem Universitätsrat wahrzunehmen und argumentativ zu
begegnen.573

Während Stellung der Rektorate heutzutage weitaus stärker ist als früher, da die Aufgaben und
auch die Verantwortung angestiegen sind, ist der (Handlungs- und Entscheidungs-) Spielraum
der einzelnen UniversitätslehrerInnen nicht gewachsen.574 StudienprogrammleiterInnen, welche
den „Link“ zwischen dem Rektorat und den Lehrenden darstellen,575 sind beispielsweise nur für
die Lehre zuständig. Ihnen wird ein gewisses Kontingent an Stunden vorgegeben, in deren
Ausmaß jährlich Lehre an der Fakultät stattfinden darf, die von der Universität auch bezahlt
wird. In diesem Rahmen haben die StudienprogrammleiterInnen Lehraufträge zu erteilen und
haben zu versuchen, die notwendigen Lehrveranstaltungen anzubieten, um den Studierenden
einen erfolgreichen Studienabschluss zu ermöglichen. Inwiefern das UG 2002 tatsächlich die
Position der StudienprogrammleiterInnen verändert hat, ist schwer feststellbar, da es diese
Funktion vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren noch gar nicht gegeben hat.576 Faktum ist

571
Interview 2, 4-5; Interview 3, 7.
572
Richli, 93-96.
573
Interview 2, 4.
574
Interview 4, 3-4.
575
Interview 2, 2.
576
Interview 4, 4; 10-11; auch Interview 5, 16.
-163-

jedenfalls, dass der Einfluss und die Autonomie der StudienprogrammleiterInnen mit der Zahl
der externen Lehraufträge steigen, da sie die Möglichkeit haben, sich um gute Lehrende zu
bemühen und auf diese Weise das Programm bereichern.577

Ebenfalls hat das UG 2002 den Rahmen für die Finanzierung von Universitäten auf Basis von
Leistungsvereinbarungen und eines Formelbudgets gelegt, womit eine an Zielen und Leistungen
orientierte Finanzierung vorgenommen wird. Bei der Gestaltung des UG 2002 hat sich der
Gesetzgeber dabei vor allem am Modell des New Public Managements und den Erfahrungen
und Strategien für die Finanzierung auf internationaler Ebene orientiert.578 Hervorzuheben ist
die outputorientierte Finanzierung, mit welcher ein völlig neues Steuerungskonzept des
Universitätssystems eingeführt wird, dessen zentrales Element die Leistungsvereinbarung
darstellt. Auch die festgelegte bedarfs- und nachfrageorientierte Finanzierung muss hier betont
werden, da sie ebenso wie die Leistungsvereinbarung, die Rechenschaftslegung,
Qualitätssicherung sowie die outputorientierte Finanzierung Schlüsselkonzepte im „New Public
Management“ sind, welches zum globalen Trend für das Management und die Steuerung
öffentlicher Verwaltungen und ebenso von Universitäten geworden ist.579 Das „New Public
Management“ beruht zum einen auf der Übernahme privatwirtschaftlicher
Managementtechniken und zum anderen auf einem neoliberalen Wirtschaftsverständnis. Es zielt
in erster Linie auf Profitmaximierung bzw. im Bereich der Hochschulen auf Kostenreduktion
durch ökonomische Effizienz ab.580

Folgt man Schimank, dann bringt dieses neue „Governance-Muster“ der Universitäten weniger
Regulierung, mehr Wettbewerbsdruck, stärkere Leitung, Schwächung der akademischen
Selbstverwaltung sowie strategische Zielvorgaben von Seiten des Staates oder der
LeistungsabnehmerInnen mit sich, oder kurz zusammengefasst, kommt es zur
Konkurrenzintensivierung plus Deregulierung plus Hierarchisierung plus Außensteuerung durch
Globalziele.581 Das New Public Management bringt insofern einen Paradigmenwechsel mit sich,
als eine Abkehr vom „zentralstaatlichen Kontrollmodell“ der detaillierten Regelungen in allen
Schlüsselbereichen und die Hinwendung zum staatlichen „Steuerungs- bzw. Aufsichtsmodell“
zu verzeichnen ist. Die Rolle des Staates beschränkt sich auf die politisch-strategische
Festlegung von Rahmenbedingungen und Zielen. Operative Entscheidungen und
tagesgeschäftliche Angelegenheiten werden an autonome Organisationen abgegeben. Das New

577
Interview 5, 5.
578
Leitner/Ecker/Steindl, 1.
579
Biedermann/Strehl, in Mayer, 13.
580
Krautz, 137.
581
Rogler, 49.
-164-

Public Management repräsentiert die leistungsorientierte Kultur im öffentlichen Sektor, welche


zwei grundlegende Tendenzen beinhaltet: Zum einen liegt ein verstärkter Fokus auf Ergebnissen
im Sinne von Effizienz, Effektivität und Qualität der Leistungen. Zum anderen werden
Veränderungen zentralistischer bürokratischer Strukturen in Richtung dezentralisierter,
management-orientierter Systeme angestrebt.582

Zu erwähnen ist hier auch noch, dass im UG 2002 das von der EU vorgegebene Drei-Stufen-
Modell: Bachelor, Master, Doktor umgesetzt wurde.583

Zum Thema universitäre Weiterbildung unter dem UG 2002 ist zu sagen, dass jede Universität
die Möglichkeit hat, in ihrer Satzung die Rahmenbedingungen für universitäre Weiterbildung
selbst zu gestalten. Die Universitäten agieren somit selbstbestimmt im Bezug auf die
Einrichtung von Universitätslehrgängen und anderen Formaten wissenschaftlicher
584
Weiterbildung.

Noch einmal zusammengefasst, sind also die, im Hinblick auf die vorliegende wissenschaftliche
Arbeit, wesentlichen Folgen des UG 2002 der Wandel der Universitäten von teilrechtsfähigen
Einrichtungen des Bundes zu autonomen, vollrechtsfähigen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts, die Einrichtung von Rektorat, Senat und Universitätsrat als
Führungsgremien, die Zuweisung von Globalbudgets aufgrund von Leistungsvereinbarungen,
der Umstand, dass die Universitäten selbst und nicht mehr der Bund DienstgeberInnen des
ganzen Personals sind etc. Das „Auffällige“ an diesem Gesetz ist seine deutliche Orientierung
am „New Public Management“.585 Außerdem war die Rede von einem Zugewinn an Freiheit für
die autonomen Universitäten durch das UG 2002. Mit dieser vermeintlichen Freiheit geht
jedoch gleichzeitig insofern ein Verlust an Freiheit einher, als Universitätsräte eingerichtet
wurden, über welche nun auch Wirtschaftstreibende Einfluss in die Universitätspolitik nehmen
können. Diese Räte übernehmen Kontroll- und Leitungsfunktionen, wodurch sie großen
Einfluss auf die Entwicklung der Universitäten haben. Diese Umstände unterstreichen, dass sich
im späten 20. Jahrhundert der Neoliberalismus als hegemoniales Paradigma etablierte, wodurch
immer neue Gesellschaftsbereiche aus der Perspektive seiner Wertvorstellungen betrachtet
werden. Pühringer/Schmidt folgend, geschieht dies im Bereich des Bildungssystems, wie eben
geschildert, auf sehr subtile Weise. 586 Auch Dvořak bekräftigt diesen Standpunkt insofern, als
durch das UG 2002 de facto kein Zurücknehmen des Staates festzustellen ist, auch wenn rein

582
Rogler, 58.
583
Vgl. § 54 UG 2002.
584
Pellert/Cendon in Hanft/Knust, 282.
585
Rogler, 48.
586
Pühringer Schmidt in Blaha/Weinholzer, 87.
-165-

rechtlich in gewisser Hinsicht der Universität mehr Autonomie gewährt wird. Zu Zeiten der
SPÖ-Kanzlerschaft vor dem Jahr 2000 kann von einer neoliberalen und zugleich konservativen
Politik gesprochen werden. Es kam zur Zerschlagung der verstaatlichten Industrie, zur
Privatisierung, zur Steuerentlastung durch Schaffung von Stiftungen etc. Diese Politik wurde
von der Blau-Schwarzen Regierung anschließend nur konsequent fortgeführt, was sich im UG
2002 widerspiegelt. Dvořak geht insofern noch einen Schritt weiter als Pühringer/Schmidt,
indem er den Neoliberalismus als bloße Ideologie ansieht und nicht als Ausdruck von
Strukturpolitik.587

bb) AMSG

Da die Arbeitsmarktpolitik sowie das AMS in der vorliegenden Arbeit durchaus eine Rolle
spielen, soll im Folgenden kurz auf die im Kontext der Dissertation relevanten Bestimmungen
des AMSG eingegangen werden.

Das AMS ist als Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener
Rechtspersönlichkeit für die Durchführung der Arbeitsmarktpolitik zuständig, wobei es sich in
eine Bundesorganisation, in Landesorganisationen für jedes Bundesland und innerhalb der
Bundesländer in regionale Organisationen gliedert. Die Organe der Bundesorganisation sind der
Verwaltungsrat und der Vorstand, diejenigen der Landesorganisation das Landesdirektorium
und der/die Landesgeschäftsführer/in und jene der regionalen Organisationen der/die
Regionalbeirat sowie der/die Leiter/in der regionalen Geschäftsstelle.588

Abgesehen von diesen organisatorischen Bestimmungen, ist insbesondere § 38a AMSG eine
zentrale Regelung dieses Gesetzes: „Die regionale Geschäftsstelle hat darauf zu achten, dass zu
einer nachhaltigen und dauerhaften Beschäftigung erforderliche Qualifizierungs- oder sonstige
beschäftigungsfördernde Maßnahmen angeboten werden. Die regionale Geschäftsstelle hat
insbesondere dafür zu sorgen, dass Personen, deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt
erschwert ist, binnen vier Wochen eine zumutbare Beschäftigung angeboten oder, falls dies
nicht möglich ist, die Teilnahme an einer Ausbildungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme
ermöglicht wird. (…) Die regionale Geschäftsstelle hat weiters dafür zu sorgen, dass
arbeitslosen Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht oder das 50. Lebensjahr bereits
vollendet haben, wenn ihnen nicht binnen drei Monaten eine zumutbare Beschäftigung
angeboten werden kann, die Teilnahme an einer Ausbildungs- oder
Wiedereingliederungsmaßnahme ermöglicht wird.“

587
Forschungsnotiz 1.
588
§ 1 Abs 1 und 2; § 2 AMSG.
-166-

In diesem Paragraphen sind klar Qualifizierungs-, Ausbildungs- sowie


Wiedereingliederungsmaßnahmen verankert, wobei diese stets in Verbindung mit der Erlangung
einer Beschäftigung stehen. Hierdurch wird der Unterschied zwischen universitärer
Weiterbildung und Weiterbildung über das AMS bereits gesetzlich festgehalten. Universitäre
Weiterbildung zielt nämlich nicht unmittelbar auf die Erlangung einer Beschäftigung ab, auch
wenn sie häufig der beruflichen Qualifizierung dient.

Nicht uninteressant ist hier auch die Regelung des § 34 Abs 6 AMSG, wonach für
Hochschulausbildungen oder Ausbildungen an einer Lehranstalt, deren Lehrprogramme zu
staatlich anerkannten Lehrzielen führen, grundsätzlich keine Beihilfen des AMS zuerkannt
werden dürfen. Begründen lässt sich dies damit, dass das AMS Dienstleistungen zu erbringen
hat, deren Zweck die Vermittlung von Arbeitsuchenden auf offene Stellen, die
Beschäftigungssicherung und die Existenzsicherung ist.589 Da Hochschulausbildungen nicht
unmittelbar bzw. primär einen der genannten Zwecke erfüllen, erscheint die Ablehnung der
Beihilfenzuerkennung schlüssig.

Das AMS hat insofern einen Handlungs- und Entscheidungsspielraum als es, abgesehen von der
Bereitstellung eines Angebotes von zu einer nachhaltigen und dauerhaften Beschäftigung
erforderlichen Qualifizierungs- oder sonstigen beschäftigungsfördernden Maßnahmen, bloß an
die AMS-internen Förderrichtlinien sowie das vorhandene Budget gebunden ist. In diesem
Zusammenhang stellt sich stets die Frage, ob nach dem Gießkannenprinzip aufgeteilt werden
soll, sodass viele Personen einige Wochen einen Kurs absolvieren können oder ob man
manchen Personen ein ganzes Jahr Ausbildung zugestehen soll.590

Die strategische Ausrichtung sowie die Ziele werden von Jahr zu Jahr neu definiert, wobei als
Konkretisierung auch immer wieder neue Schwerpunktprogramme geschaffen werden, welche
zum Teil auch auf Wünsche oder im Auftrag politischer Instanzen durchgeführten werden.591

c) Umsetzung der rechtlichen Vorgaben

Im Bereich der nationalen Rechtsordnung sind neben den eher weit formulierten
grundrechtlichen Bestimmungen und den verfassungsrechtlichen Kompetenznormierungen vor
allem die Regelungen des UG 2002 in praxi von besonderer Bedeutung. Aus den geführten
Interviews ergibt sich insgesamt, dass das UG 2002 eine tatsächliche Veränderung betreffend
die Autonomie der Hochschulen mit sich gebracht hat und dass der Einfluss Dritter,

589
§ 32 Abs 1 AMSG.
590
Interview 1, 7.
591
Interview 1, 7-8.
-167-

insbesondere wirtschaftlicher AkteurInnen eher Gegenstand des öffentlichen Diskurses ist als
der Realität entspricht.

Im Folgenden soll nun auf die Umsetzung von zwei spezifischen Aspekten, die rechtlich
normiert sind, eingegangen werden, um zu veranschaulichen, wie sich die Umsetzung in diesem
Politikfeld gestaltet.

Auch wenn in diversen Bestimmungen immer wieder auf die Chancengleichheit hingewiesen
wird (wie zum Beispiel im § 2 Z 10 UG 2002), ergibt sich aus empirischen Erhebungen, dass
die soziale Herkunft sehr wohl noch immer einen Einfluss auf die Bildungslaufbahn hat. Aus
einer Auswertung von Informationen zum Bildungsstand und Berufstätigkeit der Eltern von
StudienanfängerInnen hat ergeben, dass über ein Viertel der Studierenden einen akademisch
gebildeten Vater hat und in mehr als der Hälfte dieser Fälle auch die Mutter Akademikerin ist.
Rund 17 Prozent kommen aus reinen AkademikerInnenfamilien. Im Vergleich zur Gesamtheit
der österreichischen Wohnbevölkerung sind AkademikerInnenhaushalte in der
StudentInnenschaft stark überproportional vertreten. Dagegen sind Studierende, deren Väter
einen Pflichtschulabschluss aufweisen, mit nur 10 Prozent vertreten. Hinsichtlich der
beruflichen Stellung der Eltern wurde erhoben, dass bei über einem Viertel der inländischen
StudienanfängerInnen an öffentlichen Universitäten sowohl Mutter als auch Vater Angestellte
sind. Circa 7 Prozent der Studierenden kommen aus einem Selbstständigenhaushalt, ebenso
viele haben Beamte oder Vertragsbedienstete als Eltern. Dagegen kommt nur etwa 1 Prozent der
Studierenden aus einer ArbeiterInnenfamilie.592 Aus dieser durchaus bestehenden Divergenz
von Rechtslage und tatsächlichen Fakten ist zu schließen, dass (wie sich auch aus
vorangehenden Ausführungen der Dissertation ergibt) zwar seitens der Politik Bemühungen
bestehen, eine Chancengleichheit für alle zu erreichen, aber dies dennoch ein utopischer
Gedanke zu sein scheint, da eine „gelebte“ Chancengleichheit als solche in praxi noch nicht zu
verzeichnen ist.

Die rechtlichen Vorgaben betreffend das AMS sind eher weitläufig, wobei es schwierig wäre,
genauere Vorgaben zu machen, da sich die Arbeitsmarktsituation stetig ändert. Der Staat würde
mit einer genaueren rechtlichen Regelung seinen eigenen Manövrierspielraum einschränken,
welchen er jedoch benötigt, wenn er kurzfristig sparen möchte. Strikte Regelungen sind bloß
hinsichtlich des Arbeitslosengeldes und damit hinsichtlich der Existenzsicherung gegeben.593

592
Statistik Austria 2011, 36.
593
Interview 1, 8.
-168-

Ein Auseinanderklaffen zwischen den rechtlichen Vorgaben und der tatsächlichen Praxis ist
aufgrund der weiten Formulierung der Normen in diesem Bereich nicht festzustellen.

3. Wechselwirkungen zwischen der nationalen und internationalen Ebene

Seit dem EU-Beitritt Österreichs 1994 hat insbesondere die supranationale Politik sowie
Gesetzgebung auf die nationale Exekutive und Legislative starken Einfluss, welcher sich nach
und nach auf nahezu „alle“ Politikfelder ausweitet. Diese Entwicklung ist auch im Bereich der
österreichischen Bildungspolitik zu verzeichnen. European Citizenship und damit Bildung als
Vehikel, um in der europäischen Gesellschaft gut partizipieren zu können, sowie
Mehrsprachigkeit, Demokratiebewusstsein, Wissen um BürgerInnen- und Menschenrechte etc.-
Wissen um Inhalte, die nicht unbedingt Inhalt eines Curriculums sind, haben nach und nach an
Bedeutung gewonnen.594

Bereits zu Zeiten der Sorbonne-Erklärung ist festzustellen, dass die österreichische


Bildungspolitik im Großen und Ganzen die Herausforderung der Internationalisierung von
Studien ernst genommen hat. Dies spiegelt sich auch in den damaligen Studienrechtsnovellen
wider. Ein weiterer Schritt in Richtung der fortschreitenden Internationalisierung war die an den
Universitäten eingerichteten Büros für Außenbeziehungen.595

Der Bologna-Prozess steht bei der Entwicklung nationaler politischer Strategien gegenüber der
Lissabon-Strategie zwar noch eher im Vordergrund, aber es deutet auch schon einiges darauf
hin, dass die Mitgliedstaaten damit beginnen, sich auch mit Fragen wie Management im
Hochschulwesen, Finanzierung und Attraktivität zu befassen, um den Beitrag der Hochschulen
zur Wettbewerbsfähigkeit, zur Beschäftigung und zum Wachstum zu sichern.596

Um den Einfluss der EU-politischen Entscheidungen auf die nationale Ebene zu verbildlichen,
wird hier ein kurzer Abriss über die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Österreich angeführt,
welcher als Abstimmungsprozess und nicht als Gesetzgebungsprozess zu qualifizieren ist, da
die EU bloß fördernd, nicht aber bestimmend eingreifen kann.597 Es soll verdeutlicht werden,
wie und in welchem Zeitrahmen Österreich als EU-Mitgliedstaat „europäischen Vorgaben“
nachkommt. Ursprünglich bestand die Herausforderung darin, die Kluft zwischen den
bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten und den realen Gegebenheiten weiter zu verringern,
wobei Österreich auf der gesetzlichen Ebene rasch reagiert hat: Mit der Novelle 1999 zum

594
Interview 3, 3.
595
Seyr, 41.
596
Mitteilung des Rates. Modernisierung der allgemeinen und beruflichen Bildung: ein elementarer Beitrag zu
Wohlstand und sozialem Zusammenhalt in Europa, Abl C 2006/79, 4.
597
Interview 3, 8.
-169-

UniStG, dem UG 2002 sowie der Änderung des Fachhochschul-Studiengesetzes im Jahr 2002
und dem Hochschulgesetz von 2005 wurde die Rechtsgrundlage für die Einführung von
Bachelor- und Masterstudien, die Anwendung des ECTS, des Diplomzusatzes (Diploma
Supplement), die Einrichtung von gemeinsamen Studienprogrammen verschiedener
Universitäten (Joint degree-Programme) und die aufgewerteten PhD-ähnlichen Doktorats-
Programme geschaffen.598 Mit der UG-Novelle 2006 wurde die Studiendauer des
Doktoratsstudiums einheitlich mit mindestens drei Jahren festgelegt und damit an die
europäischen Entwicklungen angepasst. Im europäischen Vergleich kann Österreich mit seinen
Erfolgen bei der Umsetzung der Bologna-Ziele bestens bestehen und liegt im europäischen
Spitzenfeld. Ein wesentlicher Indikator und gleichzeitig das greifbarste Resultat des Bologna-
Prozesses in Österreich ist die Umstellung auf das bereits erwähnte dreistufige
Studiensystem.599

Der bereits erwähnte Einfluss der EU-politischen Entscheidungen auf die nationale Politik zeigt
sich auch in der Quotenerfüllung des Strukturindikators „lebenslanges Lernen“ in Österreich.
Im Zuge der Lissabon-Strategie wurden Strukturindikatoren festgelegt, um die Schritte zur
Zielerreichung regelmäßig zu überprüfen, wobei als Teil des Indikators zur Beschäftigung der
Strukturindikator „lebenslanges Lernen“ festgelegt wurde. Ziel war es, bis zum Jahr 2010 in
allen EU-Staaten eine Quote von 12,5 Prozent zu erreichen. Hierfür wird einmal jährlich die
Aus- und Weiterbildungsbeteiligung der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung innerhalb der letzten
vier Wochen vor der Erhebung ermittelt.600

Wie in der folgenden Tabelle ersichtlich ist, wurde der genannte EU-Benchmark in Österreich
erstmals bereits 2005 erfüllt (12,9 Prozent). Im Jahr 2008 wurde die 13 Prozent-Marke
überschritten (13,2 Prozent), sodass innerhalb von 13 Jahren, in denen Österreich ein EU-
Mitgliedstaat war, nahezu eine Verdoppelung des Strukturindikators für lebenslanges Lernen in
Österreich zu verzeichnen ist. Von 2008 bis 2009 ist sogar ein Anstieg von 0,6 Prozent zu
verzeichnen.

598
BMWF 2009, 6.
599
BMWF 2008, 288-289.
600
Strukturindikator „Lebenslanges Lernen“
<http://erwachsenenbildung.at/themen/lebenslanges_lernen/rueckblick/eu.php>, 18.3.2011.
-170-

Abb. 16: Strukturindikator „Lebenslanges Lernen“: Österreich:1995-2009601

Die Universitäten in Österreich haben zum lebenslangen Lernen schon einen zentralen Beitrag
geleistet, indem open access, Durchlässigkeit sowie die Ermöglichung von Bildung ohne große
Studienbeitragsbelastung praktiziert werden.602 Es ist in Österreich sohin ein Vorangehen der
Umsetzung der Strategie für lebenslanges Lernen zu erkennen. Im Sommer 2011 wurden zehn
Aktionslinien festgeschrieben, durch die zum einen das Bildungsniveau in Österreich weiter
angehoben und zum anderen der Anreiz, sich lebenslang weiterzubilden, gefördert werden soll.
Es haben sich die Ministerien für Unterricht, Kunst und Kultur, Wirtschaft, Familie und Jugend,
Wissenschaft und Forschung sowie Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bzw. deren
Minister dazu bekannt, dass „Bildung eine Querschnittsmaterie aus Grundbildung, Ausbildung
und Weiterbildung sei, für die nicht nur das Bildungsministerium zuständig ist, und dass
lebenslanges Lernen auch aus standortpolitischer Sicht essenziell sei.“603

Wie aus den vorangehenden Ausführungen hervorgeht, bestehen im Bereich der Bildungspolitik
auf EU-Ebene zahlreiche „politische Konsensentscheidungen“, die meist als „Empfehlungen“
auf die nationale Rechtslage einwirken. Dennoch ist nicht die Quantität der EU-Rechtakte allein
ausschlaggebend, sondern ist vielmehr deren tatsächlicher Einfluss sowie die
Durchsetzungsmöglichkeit maßgeblich. Um eine fristgerechte und korrekte Implementation
durchzusetzen, werden auch Kooperation und informelle Durchsetzungsinstrumente wie etwa

601
BMUK 2009, 14.
602
Interview 2, 8.
603
Ostermann, Gudrun: „Brauchen Bildungs-Staatssekretariat“ in Der Standard, 14.5.2012.
-171-

„naming and shaming“ oder „scoreboard“ eingesetzt. „Naming and shaming“ kann dann zu
einem tragenden Durchsetzungsmechanismus werden, wenn die Kommission ein
Vertragsverletzungsverfahren dazu nutzt, einen Mitgliedstaat an den Pranger zu stellen, wobei
es von der generellen oder situativen Sensibilität des Mitgliedstaates abhängt, wie erfolgreich
das Instrument im Einzelfall wirklich ist. Insbesondere während der eigenen Ratspräsidentschaft
sind die Mitgliedstaaten angesichts der gebündelten Aufmerksamkeit der internationalen Presse
darum bemüht, ein Vertragsverletzungsverfahren oder gar ein Urteil des EuGH mit allen Mitteln
zu vermeiden. Das Durchsetzungsinstrument des „scoreboard“ funktioniert ausschließlich über
die Sensibilität der Mitgliedstaaten und den direkten Vergleich, indem eine Tabelle den
Umsetzungserfolg bzw. Misserfolg der Mitgliedstaaten für alle Richtlinien eines Politikbereichs
aufzeigt. Die Versäumnisse sind für alle anderen leicht erkennbar, somit erhöht die Tabelle den
Druck auf und die Konkurrenz zwischen den Mitgliedstaaten. Ob nun ein
Vertragsverletzungsverfahren oder ein informeller Durchsetzungsmechanismus gewählt wird,
hängt von den institutionellen Voraussetzungen, den rechtlichen Grundlagen, der
604
administrativen Praxis und der jeweiligen Situation ab.

Außerdem sind die Ressourcen zur Rechtsdurchsetzung auf EU-Ebene begrenzt. Insbesondere
der juristische Dienst ist deutlich unterbesetzt. Aufgrund dieser begrenzten personellen
Kapazitäten wird immer wieder auf externe Expertise wie etwa spezialisierte Kanzleien
zurückgegriffen, wobei dies jedoch nicht systematisch geschieht, sondern vielmehr in Fällen
von größerem allgemeinem Interesse. Insgesamt reichen nämlich die Ressourcen der
Kommission nicht aus, um eine systematische Rechtsdurchsetzung sicherzustellen.605

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass jedoch nicht unbedingt die rechtliche
Durchsetzbarkeit der EU-Rechtsakte das einzig maßgebliche Kriterium für deren Umsetzung
auf nationaler Ebene darstellt, sondern vielmehr auch nationale Affinitäten verstärkt
Berücksichtigung finden und die Umsetzung erschweren oder sogar verhindern.606 Dies ist
darauf zurückzuführen, dass die EU über keine Gesetzgebungskompetenz im Bildungsbereich
verfügt.607 Dennoch haben die einzelnen Länder versucht die von der EU vorgegebene
Studienarchitektur umzusetzen, wobei gewisse Länder, wie etwa auch Österreich die
Studienarchitektur „mit einem gewissen Fanatismus“ umgesetzt haben. Andere Länder
hingegen, wie Frankreich und Großbritannien haben trotz der Umsetzung eine Berührung der
wichtigen Bildungsinstitutionen zu verhindern gewusst. Mit anderen Worten haben Ländern, die

604
Hartlapp, 187.
605
Hartlapp, 197-198.
606
Vgl. Interview 4, 6.
607
Interview 3, 8.
-172-

bereits in der Vergangenheit hochschuldidaktisch gut waren, die Bachelorstudien dazu benutzt,
neue gute Lehrgänge zu konstruieren, während andere Länder, die zuvor auf diesem Gebiet eher
Schlusslichter gebildet haben, wie etwa auch Österreich, die Vorgaben „stupide“ umgesetzt
haben.608 In den letzten Jahren sind jedoch rund um diese Thematik viele Mythen entstanden
und wurde Legendenbildung betrieben, indem „Bologna“ als Ergebnis neoliberaler Konzepte
verstanden wurde bzw. wird (Dvořak: „Ein Gespenst geht um in Europa, Bologna.“). Schnabl
hat jedoch den Eindruck, dass beim Übergang von den Diplomstudien auf die Bachelor- und
Masterstudien häufig die alten Diplomstudien hergenommen wurden, irgendwo „auseinander
geschnitten“ wurden und aus den vormals acht Semestern nunmehr sechs plus vier Semester
gemacht wurden. Die alten Strukturen wurden sohin in vielen Studienrichtungen im
Wesentlichen bewahrt.609

Die „Problematik“, die sich hinter dem Zusammenwirken der EU-Ebene und der nationalen
Ebene verbirgt, kann an folgendem Beispiel veranschaulicht werden:

Die Achtung der Prinzipien des (primären) Gemeinschaftsrechts ist grundlegend, da der
verletzende Mitgliedstaat andernfalls mit einem Vertragsverletzungsverfahren zu rechnen hat.
Eines dieser Prinzipien stellt das „Diskriminierungsverbot“ dar, demzufolge EU-
StaatsbürgerInnen gegenüber den BürgerInnen des jeweiligen Mitgliedstaates nicht
benachteiligt werden dürfen. Im Bezug auf Universitäten bedeutet dies beispielsweise, dass die
Einhebung von Studiengebühren bei nicht-österreichischen EU-StaatsbürgerInnnen dann
unzulässig ist, wenn dies nicht gleichermaßen gegenüber österreichischen StaatbürgerInnen
erfolgt. Dasselbe gilt auch für Zugangsbeschränkungen. Auch in diesem Bereich übernimmt die
EU keinerlei „Gegenverantwortung“, auch wenn sie den „barrierefreien Hochschulzugang“
propagiert. Diese Einschränkungen werden von der EU zwar vorgegeben, doch findet keine
Finanzierung durch die Gemeinschaft statt. Einerseits müssten der EU mehr Kompetenzen
sowie Verantwortung übertragen werden. Andererseits ist es im Interesse der Mitgliedstaaten
die nationalen Autonomien zu respektieren. Bis dato konnte noch keine befriedigende Lösung
für diese Diskrepanz gefunden werden.610 Anzudenken wäre beispielsweise die Bezahlung von
Ausgleichszahlungen seitens der EU.611

608
Interview 5, 6-7.
609
Interview 5, 7.
610
Vgl. Interview 4, 5;7; Interview 3, 9l.
611
Interview 3, 9.
-173-

E. Das komplexe Beziehungsgeflecht von Politik, Ökonomie und Bildung

1. Die drei Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung - eine Analyse

a) Allgemeines

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den Beziehungen, Spannungsverhältnissen und
Wechselwirkungen zwischen den Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung im 20. und
insbesondere im 21. Jahrhundert.

Einleitend wird vorweggenommen, dass es schon immer einen Bezug zwischen Ökonomie und
Bildung gegeben hat, wobei diese „historische Koppelung“ wie folgt begründet werden kann:
Bildung konnte stets nur bei ökonomischer Absicherung erfolgen. Man brauchte
existenzgesicherte Freiräume, welche sowohl die mittelalterliche „höfische Bildung“ als auch
die der griechischen oder römischen „aristoi“ hatten. Außerdem erlaubte das vorkapitalistisch-
ökonomische System bloß begrenzte Existenzsicherung, sodass nur wenige Privilegierte Zugang
zur Bildung hatten und alle anderen ihre gesamte Kraft in die unmittelbare Überlebenssicherung
des Grundsystems zu stellen hatten. Also immer dann, wenn Ökonomien mit dem
unbewältigbaren Problem der Knappheit konfrontiert sind, entwickeln sie
612
Bildungsprivilegien.

Der Zusammenhang zwischen ökonomischen Gesichtspunkten bzw. volkswirtschaftlichen


Zielsetzungen und Bildung ist also ein ziemlich alter, da der Mensch immer schon gezwungen
war, sich die Fähigkeit des Einwirkens auf die Umwelt zu nutze zu machen.613 Eine Verbindung
zwischen der ökonomischen Sphäre und dem Bildungssystem stellt also kein Phänomen des 20.
oder 21. Jahrhunderts dar, sondern die Wurzeln dieser Verbindung reichen bis ins Mittelalter
zurück.614

Den Zusammenhang zwischen Bildung und (volks-)wirtschaftlichen Zielsetzungen im Kontext


einer (Industrie-)Gesellschaft zeigt auch die folgende Erkenntnis der historischen und
anthropologischen Forschung: Die wirtschaftliche Tätigkeit des Menschen ist in der Regel in
seine Sozialbeziehungen eingebettet. „Sein Tun gilt nicht der Sicherung seines individuellen
Interesses an materiellem Besitz, sondern der Sicherung seines gesellschaftlichen Ranges,
seiner gesellschaftlichen Ansprüche und seiner gesellschaftlichen Wertvorstellungen.“ Mit

612
Heintel/Krainer in Heintel/Krainer, 83-84.
613
Jakobi, 79.
614
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 91.
-174-

anderen Worten wird das Wirtschaftssystem von nichtökonomischen Motiven getragen.615 Auch
der Entscheidung, sich (weiter)zu bilden, geht nicht primär das reine Streben nach materiellem
Wohlstand voran, sondern der soziale Aufstieg sowie das gesellschaftliche Ansehen stellen
zentrale Motive dar.

Auch Bildungsökonomie als wissenschaftlicher Zugang lässt sich in manchen Grundgedanken


bereits auf sehr frühe ökonomische TheoretikerInnen zurückführen. In den 1960er Jahren hat sie
sich aber vor allem als Teildisziplin stark entwickelt, und auch große Bedeutung für die
Entwicklung der Bildungssysteme bekommen, nicht zuletzt deshalb, weil die Expansionswelle
des weiterführenden Bildungswesens der 1960er und 1970er Jahre, verbunden mit einer
bedeutenden Ausweitung der materiellen und personellen Ausstattung und der finanziellen
Aufwendungen, vermutlich ohne diese bildungsökonomischen Überlegungen wesentlich
schwächer ausgefallen wäre.616 Dennoch wurden die in den 1960er Jahren betonten positiven
Externalitäten von Bildung, also die erwarteten gesellschafts- und verteilungspolitischen Folgen
von höherer Bildung in den 1970er Jahren eher kritisch beurteilt.617

b) Bildung, Beschäftigung und Wachstum

Problematisch an der Vernetzung von Bildung, Beschäftigung und Wachstum ist, dass das
Bildungssystem gerade eben durch diese Verbindung seine Eigenständigkeit stark einbüßt. Das
Bildungssystem wird hierdurch immer mehr zu einem Aufstiegsvehikel bürgerlicher Eliten
degradiert. Aufgrund der künstlichen Verknappung der kapitalisierten Bildung wird der
Bildungs- und Wissenserwerb immer mehr zu einer Jagd nach zertifizierter Bildung. Es geht
also nicht mehr um den Erwerb von Kritikfähigkeit, Selbstständigkeit und Mündigkeit, sondern
vielmehr um den Erwerb von punktuellen Zusatzqualifikationen.618 Der wachsende Bedarf an
Weiterbildung zur Aufrechterhaltung sowie Anpassung der beruflichen Qualifikation
überfordert tendenziell die informellen Prozesse der Aktualisierung und der Anpassung
beruflicher Kompetenz, sodass eben formalisierte Weiterbildung bis hin zu zertifizierten
Weiterbildungsabschlüssen durch spezielle Kurse an Gewicht gewinnen.619 Bildung wird auf
diese Art und Weise zunehmend zur „Humankapitalformierung“ degradiert. Wie es
Pühringer/Schmidt treffend formulieren, wird „Invest in Yourself“ zum gesellschaftlichen

615
Polanyi, 75.
616
Lassnigg in IHS, 1.
617
Sturn/Wohlfahrt, 2.
618
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 91.
619
Bodenhöfer in Knapp, 19.
-175-

Auftrag von Individuen.620 Dieser Ansicht steht die Meinung gegenüber, dass das Erlangen
eines Titels zumindest nicht die einzige Motivation fürs Lernen sein kann, da es für Bildung
Lernlust und Lernfähigkeit bedarf. Und auch hinter einem Studium steht mehr als eine bloße
Titelsucht, da die jeweilige Hochschule durch die akademische Graduierung bestätigt, dass
bestimmte Kompetenzen und Qualifikationen von den Studierenden erworben wurden.621

Bildung wurde in der späten Moderne zum Schlüsselfaktor für Wirtschaftwachstum und
internationale Wettbewerbsfähigkeit. Eine gerechte Verteilung der Bildungschancen oder die
Demokratisierung der Bildungsbeteiligung stand nicht mehr zur Diskussion, sodass die sozialen
Selektionseffekte und Ungleichheiten massiv verschärft wurden. Es ist zu einer wachsenden
Spreizung von ressourcenreicheren und ressourcenärmeren Schichten gekommen, was häufig
gleichzusetzen ist mit bildungsferneren und bildungsnäheren Schichten, wenn Bildung als
Produktionsfaktor angesehen wird. Die „Innovation“ an dieser Situation war nicht die
Chancenungleichheit an sich, sondern die Nicht-Thematisierung einer gerechten Verteilung der
Bildungschancen.622

Auch wenn, wie bereits erwähnt, der Zusammenhang von Bildung und (volks-)wirtschaftlichen
Zielsetzungen kein Phänomen des 20. oder 21. Jahrhunderts ist, sind seit den 1980er Jahren
verstärkt die ökonomischen Aspekte der Bildungspolitik gegenüber den pädagogischen,
wissenschaftsimmanenten oder anderen Aspekten in den Vordergrund getreten. Diese
Entwicklung ist als eine Folge des Bewusstseins eines Strukturbruchs, eines tiefgreifenden
Wandels der ökonomisch-gesellschaftlichen Entwicklung nach dem Abschluss eines
langdauernden, wirtschaftshistorisch einmaligen Wachstumsaufschwungs der Nachkriegszeit
anzusehen. Schon damals war klar, dass mit der moderneren Technologie auch die
gesellschaftlichen Verhältnisse immer komplexer werden, dass die Lebensbedingungen einer
entwickelten Zivilisation auch in allen anderen Bereichen höhere Anforderungen an die
Orientierungs-, Kritik- und Entscheidungsfähigkeit des/der einzelnen stellen, was das
ökonomische Argument eines zunehmenden Qualifikationsbedarfs im Beschäftigungssystem
verstärkte.623
Alison Wolf, eine britische Bildungsökonomin ist jedoch in einer Studie zu dem Ergebnis
gekommen, dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Bildung und
Wirtschaftswachstum gibt. Der dramatische Ausbau des Bildungssystems folge dem Wohlstand
der Nationen und nicht umgekehrt. Es sei eine naive Annahme, dass Regierungen durch einen

620
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 91.
621
Vgl. Ostermann.
622
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 97.
623
Fischer in Braun/Knapp, 23; 25.
-176-

Ausbau von Bildungsangeboten die wirtschaftliche Entwicklung maßgenau beeinflussen


können. Bildungssysteme werden immer mehr mit dem Mithaltenkönnen in einem globalen
ökonomischen Wettbewerb begründet, sodass die kulturellen Gehalte von Bildung, die
Entwicklung von persönlicher und bürgerInnenschaftlicher Identität vernachlässigt werden.624

Vertreten wird demgegenüber auch die Meinung, dass die wirtschaftliche Produktivität durch
Bildung erhöht wird, sodass ihr eine zentrale Relevanz für beschäftigungs- und
wachstumspolitische Ziele zukommt. Nicht nur das individuelle Erwerbseinkommen erhöht sich
durch mehr, aber insbesondere durch qualitativ höherwertige Bildung, sondern auch die
Arbeitslosigkeit gestaltet sich signifikant geringer mit einer besseren Bildung. Diese
grundlegende Bedeutung von Bildung für Beschäftigung und Wachstum rührt daher, dass
Bildung als in Menschen investiertes Kapital angesehen werden kann. Zunächst verursacht sie
Kosten in Form von Opportunitätskosten der Zeit und direkten Bildungsausgaben und bringt in
Zukunft Nutzen in Form von höheren Erwerbseinkommen und geringerer Arbeitslosigkeit. Aus
zahlreichen bildungsökonomischen Untersuchungen geht hervor, dass sowohl höhere
Bildungsquantität als auch höhere Bildungsqualität individuell mit höheren Erwerbseinkommen
einhergehen. Das durchschnittliche Einkommen von Erwerbspersonen mit abgeschlossenem
Hochschulstudium liegt bei 83 Prozent über dem von Erwerbspersonen mit abgeschlossener
höherer Sekundarbildung; das von Erwerbspersonen ohne abgeschlossene Sekundarbildung
liegt 30 Prozent darunter.625 Auch laut der OECD-Erhebung „Bildung auf einen Blick 2010:
OECD-Indikatoren“ erhöht Bildung die Beschäftigungsfähigkeit: Seit 1997 erreichen die
Arbeitslosenquoten der Personen mit Hochschulabschluss im Durchschnitt der OECD-Länder
konstant höchstens 4 Prozent. Demgegenüber hat die Quote im Kreis der Personen ohne
Sekundarstufe-II-Abschluss die 10-Prozentschwelle bisher mehrfach überschritten.626
Arbeitslosigkeit ist also hauptsächlich ein Problem der Geringqualifizierten.627 Auch auf EU-
Ebene wird davon ausgegangen, dass ein höheres Bildungsniveau die Beschäftigungsfähigkeit
erhöht, und darüber hinaus eine erhöhte Beschäftigungsquote hilft, die Armut einzugrenzen.628
Sowohl Bildungsquantität als auch Bildungsqualität sind für das wirtschaftliche Wachstum von
Bedeutung, wobei sich jedoch die Qualität als wesentlich wichtiger erweist.629 Der Staat sollte
also im Interesse der Arbeitenden und der Arbeitsuchenden für mehr und bessere allgemeine

624
Wolf zitiert nach Opielka in Opielka, 137.
625
Wößmann in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 9-11.
626
OECD Multilingual Summaries. Education at a Glance 2010: OECD Indicators
<http://www.oecd.org/dataoecd/46/23/45925284.pdf>, 7.1.2011, 3.
627
Wößmann in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 17.
628
Mitteilung der Kommission. Europa 2020. Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 13.
629
Wößmann in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 19.
-177-

Aus- und Weiterbildung sorgen und nicht unbedingt für spezialisierte berufliche Ausbildung
oder Umschulung.630 Wenn man die Einkommen der AbsolventInnen des tertiären
Bildungsbereichs in Österreich betrachtet, kommt man zu dem Ergebnis, dass mit einem
Ranking von AkademikerInnenquoten alleine keine Bewertung der Qualität des
Hochschulsystems zu machen ist, da nicht nur die Zahl der AbsolventInnen wichtig ist, sondern
auch, wie viel deren Abschlüsse am Markt wert sind. In Österreich sind die Vorteile eines
Universitätsabschlusses größer als im Schnitt der OECD-Länder,631 auch wenn die
AkademikerInnenquote 2010 bloß 11 Prozent betragen hat (ausschließlich AbsolventInnen der
Universitäten und FHs). Im internationalen Vergleich wird üblicherweise die „erweiterte
Akademikerquote“ – die sogenannte Abschlussquote im Tertiärbereich – verwendet. Sie bezieht
auch die Abschlüsse von hochschulverwandten Bildungseinrichtungen ein. Österreichs
„erweiterte Akademikerquote“ liegt mit 19 Prozent Tertiärabschlüssen in der 25- bis 64-jährigen
Bevölkerung am 17. Rang unter den EU-Ländern (Durchschnitt 30 Prozent) und am 28. Rang
unter den OECD-Ländern (Durchschnitt 30 Prozent).632

Das Bildungsniveau der österreichischen Bevölkerung insgesamt hat sich in den letzen 50
Jahren jedoch beträchtlich gehoben, wobei dieser Trend weiter anhält. Dennoch weist
Österreich im internationalen Kontext einen vergleichsweise geringen Anteil der Bevölkerung
mit einem Hochschulabschluss auf. Das Bildungsniveau der Bevölkerung ist von großer
Bedeutung, da es über den gegenwärtigen und zukünftigen Wohlstand einer Gesellschaft
mitentscheidet. Wichtig für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ist aber nicht
nur das Niveau des Bildungstands der Bevölkerung, sondern auch, in welchen
Ausbildungsfeldern die Abschlüsse erworben wurden. Der überwiegende Anteil der
Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren hat den höchsten Abschluss in den Feldern
„Allgemeine Bildungsgänge“, „Sozialwissenschaft, Wirtschaft und Recht“ oder
633
„Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe“ absolviert.

Im Bezug auf die Arbeitslosigkeit kommt auch das AMS mit seinen rein innerstaatlichen
Statistiken zu einem ähnlichen Ergebnis. Aus der folgenden Abbildung ist deutlich ersichtlich,
dass der prozentuelle Anteil der Arbeitslosen mit Pflichtschulabschluss und jener mit
Universitäts- bzw. Hochschulabschluss von 2004 bis 2010 etwa konstant geblieben ist
(zwischen 45,5 Prozent und 46,9 Prozent bzw. zwischen 3,1 Prozent und 3,8 Prozent). Das mit
Abstand höchste Arbeitslosigkeitsrisiko ergibt sich somit für jene Personen, die keinen über den

630
Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1994, 9.
631
Auer, 192.
632
BMWF 2011, 34.
633
Statistik Austria 2011, 83,85.
-178-

Pflichtschulabschluss hinausgehenden Bildungsstand aufweisen.634 Auch das AMS hat in der


Vermittlung die meisten Stellen und BewerberInnen im unteren und mittleren Bereich der
Qualifikationen, sodass das AMS daran arbeiten muss, dass auch Höherqualifizierte das AMS
als Anlaufstelle sehen und sich nicht nur dann an diese Einrichtung wenden, wenn sie um
Finanzierung einer Weiterbildung ansuchen.635

Abb. 17: Vergleich der Arbeitslosen mit Pflichtschulabschuss und der Arbeitslosen mit
universitärem bzw. Hochschulabschluss von 2004 bis 2010 in Prozent636

Aus den vorangegangenen Ausführungen geht klar hervor, dass nicht nur ein Zusammenhang
zwischen Bildungsgrad und Arbeitslosigkeit besteht, sondern dass Bildungsabschlüsse über die
Position in der Einkommenshierarchie und die Risiken am Arbeitsmarkt entscheiden.637

Dennoch darf das bei AkademikerInnen besser ausgeprägte Selbsthilfepotential und dessen
Folgewirkungen im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit nicht außer Acht gelasen werden.
AkademikerInnen suchen sich häufig vorerst einen Job, der nicht ihren ursprünglichen
Wünschen entspricht und machen unbezahlte oder nur gering entlohnte Praktika. Diese

634
Vgl. Arbeitsmarkt und Bildung <http://www.ams.at/ueber_ams/14202.html>, 17.1.2011.
635
Interview 1, 3.
636
Eigenerstellung unter Zuhilfenahme der Daten von Arbeitsmarkt und Bildung
<http://www.ams.at/ueber_ams/14202.html>, 22.2.2011.
637
Opielka in Opielka, 135.
-179-

Personen scheinen beim AMS nicht mehr als Arbeitslose auf, obwohl sie de facto noch immer
auf Jobsuche sind.638

Aufgrund des untersuchten empirischen Materials kann auch, wie bereits erwähnt, eine gewisse
Kontinuität festgestellt werden, sodass nicht von rein zufälligen Ergebnissen die Rede sein
kann, sondern tatsächlich höhere Bildung für eine niedrigere Anzahl an Arbeitslosen kausal zu
sein scheint. Aufgrund der bisher genannten Informationen kann jedoch keine tatsächliche
Kausalität festgestellt werden, da bloß der Anteil der arbeitslosen PflichtschulabsolventInnen
und der arbeitslosen HochschulabsolventInnen innerhalb der Gesamtzahl der Arbeitslosen
beleuchtet wurde. Es ist demgegenüber aber nicht möglich, den prozentuellen Anteil der
Arbeitslosen innerhalb der Personen mit Pflichtschulabschluss und innerhalb der Personen mit
Hochschulabschluss zu erfassen. Dazu ist die Ermittlung der realen Zahlen an
PflichtschulabsolventInnen und HochschulabsolventInnen in Österreich erforderlich.
Grundsätzlich übersteigt nämlich die reale Zahl der Personen mit einem Pflichtschulabschluss
jene der Personen mit einem Hochschulabschluss, sodass es eine „logische Konsequenz“ ist,
dass die reale Zahl der Arbeitslosen mit bloßem Pflichtschulabschluss höher ist. Erst eine
Gegenüberstellung von den Prozentwerten der Arbeitslosen innerhalb aller
HochschulabsolventInnen mit den Prozentwerten der Arbeitslosen innerhalb aller
PflichtschulabsolventInnen gibt tatsächlich Aufschluss über die Kausalität von einem höheren
Bildungsgrad für eine geringere Arbeitslosigkeit. Dies bekräftigen auch Dvořak639 und die
nachfolgende Grafik:

638
Interview 1, 13-14.
639
Vgl. Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1994, 9.
-180-

Abb. 18: Arbeitslosenquoten nach Bildungsabschluss*) Jahr 2010640

Aus dieser Gegenüberstellung geht klar und deutlich hervor, dass innerhalb der
HochschulabsolventInnen die Arbeitslosigkeit mit 2,4 Prozent weit unter der Arbeitslosigkeit
innerhalb der PflichtschulabsolventInnen liegt (17,9 Prozent). Auch innerhalb dieser Werte ist
im Laufe der letzten sieben Jahre eine gewisse Kontinuität zu erkennen, da stets zwischen 14,1
und 17,9 Prozent der PflichtschulabsolventInnen und damit im Durchschnitt 16,3 Prozent
derselben und zwischen 1,9 und 2,8 Prozent der HochschulabsolventInnen und damit im
Durchschnitt 2,3 Prozent arbeitslos waren.641

Die Problematik, die hinter diesen statistischen Fakten liegt, ist die Tatsache, dass Wissen
immer schneller veraltet. Somit steigen die Anforderungen an die Qualifikation von
Arbeitskräften. Produktionsorientierte und niedrigqualifizierte Tätigkeiten verlieren in
hochentwickelten Wirtschaften an Relevanz. Für schlechter ausgebildete Arbeitskräfte wird es
somit immer schwieriger, eine Arbeitsstelle zu bekommen oder sie zu behalten.642

Der Unterschied zwischen den Arbeitslosenquoten von höher- und niedriger qualifizierten
Personen hat sich über die Zeit wesentlich vergrößert. So stieg die Arbeitslosenquote bei
Personen mit bloßer Pflichtschulausbildung von 1995 bis 2009 von 5,8 Prozent auf 10,2 Prozent

640
Arbeitsmarkt und Bildung <http://www.ams.at/ueber_ams/14202.html>, 22.2.2011.
641
Errechnet unter Zuhilfenahme der Daten von Arbeitsmarkt und Bildung
<http://www.ams.at/ueber_ams/14202.html>, 22.2.2011.
642
Statistik Austria 2011, 89.
-181-

an. Hingegen ist die Arbeitslosenquote der Personen mit abgeschlossener Tertiärausbildung im
selben Zeitraum nur von 1,9 Prozent auf 2,5 Prozent gestiegen.643

Auch wenn AkademikerInnen weitaus weniger gefährdet sind, arbeitslos zu sein bzw. zu
werden, trifft die Verschärfung der Arbeitsmarktsituation auch diese Bildungsschicht. Der
Übergang nach dem Universitätsstudium auf den Arbeitsmarkt gelingt für viele
JungakademikerInnen nicht mehr so geradlinig wie noch vor zwanzig Jahren. Zeitlich befristete
Projektarbeiten auf Werkvertragsbasis bei wechselnden AuftraggeberInnen sind keine
Seltenheit, ebenso wenig Teilzeitarbeit oder ausbildungsfremde Tätigkeiten beim
Berufseinstieg. Diese „Probleme“ am Beginn des Berufslebens sind eher nicht darauf
zurückzuführen, dass HochschulabsolventInnen am Arbeitsmarkt nicht gebraucht werden,
sondern vielmehr auf den quantitativen Zuwachs an AbsolventInnen insgesamt und auf die
sinkende Aufnahmefähigkeit des öffentlichen Sektors. Hinzu kommen lange Studiendauern und
die damit verbundenen Dispositionen sowie die momentan „ungünstige“ Wirtschaftslage.644

Im Bereich der AkademikerInnenarbeitslosigkeit hängt der Grad der Arbeitslosigkeit vom


abgeschlossenen Fach, vom Geschlecht und vom Alter ab. Der weitaus höchste Anteil an
arbeitslos gemeldeten AkademikerInnen ist in der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen zu
finden, wobei hier der Anteil der Frauen mit 58,4 Prozent höher als jener der Männer ist.645

Die folgende Abbildung zeigt jene Kriterien, die aus der Sicht von HochschulabsolventInnen für
ArbeitgeberInnen im Hinblick auf die Rekrutierung von Bedeutung sind, wobei darauf
hinzuweisen ist, dass das Abschlussniveau (Bachelor, Master, Doktorat) sowie der erworbene
Titel nicht unter den wichtigsten Kriterien genannt sind, sondern eher im Mittelfeld angesiedelt
sind.

643
Statistik Austria 2011, 89.
644
AMS/BMWF: Jobchancen Studium. Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (2010/2011)
<http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/JCS_SoWi_2009.pdf>, 12.4.2011, 31.
645
BMWF 2008, 218-219.
-182-

Abb. 19: Rekrutierungskriterien der ArbeitgeberInnen aus der Sicht von


HochschulabsolventInnen646

Aus einer Teilstudie einer internationalen schriftlichen Befragung 2005/06 von


UniversitätsabsolventInnen fünf Jahre nach Studienabschluss geht hervor, dass nahezu alle
Befragten vor bzw. während des Studiums facheinschlägige Berufserfahrungen gesammelt
hatten. Ein Viertel der Befragten setzte eine während des Studiums ausgeübte Erwerbstätigkeit
fort. Die Mehrheit der übrigen AbsolventInnen fand innerhalb eines Monats nach der
Graduierung eine Beschäftigung, wobei ein Zehntel selbstständig wurde.647
Fünf Jahre später übten sechs von zehn Graduierten noch dieselbe Tätigkeit aus; acht von zehn
unselbstständig Erwerbstätigen waren unbefristet beschäftigt. Der Anteil der Selbstständigen
(15 Prozent) hatte sich geringfügig erhöht. Etwa ein Viertel war nicht erwerbstätig. Mehr als ein
Drittel hatte angegeben, nach Studienabschluss zwischenzeitlich zumindest einmal erwerbslos

646
Schomburg/Flöther/Wolf/Kolb/Guggenberger, 47.
647
BMWF 2008, 219.
-183-

gewesen zu sein, wobei die erneute Beschäftigungssuche mehrheitlich bis zu sechs Monate
dauerte.648

Aus dem vorherrschenden Diskurs geht hervor, dass es einen allgemeinen Sachzwang zur
Höherqualifizierung gibt, da kaum noch Arbeitsplätze für gering Qualifizierte zur Verfügung
gestellt werden.649 Seit etwa 25 Jahren ist eine stetig steigende Diskrepanz zwischen dem
Angebot von AkademikerInnen auf dem Arbeitsmarkt und deren Beschäftigungsmöglichkeiten
in traditionellen AkademikerInnenberufen zu verzeichnen. Dies hat dazu geführt, dass in
anderen Bereichen Beschäftigungsmöglichkeiten gefunden werden mussten, sodass
AkademikerInnen in solche Berufe eingedrungen sind, die zuvor mit einer geringeren formalen
Bildungsqualifikation ausgeübt wurden. Diese Entwicklung ist jedoch nicht gleichzusetzen mit
einer „Verdrängung“ von weniger Qualifizierten, da neue Technologien und veränderte
Arbeitsanforderungen der Arbeitsplätze nicht zwangsläufig eine höhere Qualifikation der
Beschäftigten notwendig machen, sodass es durchaus sein kann, dass HochschulabsolventInnen
Berufe ergreifen, die sie auch ohne Studium ausgefüllt hätten.650 Es kann daher von einem
„Upgrading“ im Bereich der Bildung gesprochen werden, dh dass für Positionen, die vor etwa
zwanzig Jahren für Personen ohne Studium zugänglich waren, nunmehr ein Studium
vorausgesetzt wird. Mit anderen Worten hat der einzelne heutzutage mehr Zeit in Bildung zu
investieren, um sich auch beruflich entsprechend entwickeln zu können, da die verschiedenen
Berufsspaten zunehmend „verwissenschaftlichen“.651 Es werden Posten auch teilweise mit
AkademikerInnen besetzt, auch wenn diese Posten dann die Erwartungshaltungen der
StudienabsolventInnen nicht treffen. PflichtschulabsolventInnen haben demgegenüber in vielen
Bereichen kaum mehr eine Chance einen Job zu erhalten.652

Es darf in diesem Zusammenhang somit nicht unerwähnt bleiben, dass es insgesamt immer
weniger Arbeitsplätze gibt, was, neben der zu geringen Qualifikation der individuellen
Arbeitskräfte und ihrer mangelnden Anpassungsfähigkeit an veränderte Anforderungen des
Arbeitsplatzes, die grundlegende Ursache für die hohen Arbeitslosenzahlen ist. Aufgrund dieser
Umstände wird die Absolvierung von diversen Bildungsgängen häufig als bloßer Aufschub der
Arbeitslosigkeit empfunden, sodass Bildungsangebote für Arbeitslose, in concreto meist

648
BMWF 2008, 219-220.
649
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 6.
650
Vgl. Fischer in Braun/Knapp, 28.
651
Interview 2, 10.
652
Interview 1, 3.
-184-

Umschulungen, oft „verpflichtend“ angeboten werden müssen.653 Außerdem, wie Dvořak


treffend formuliert, kommt noch hinzu, „daß sogenannte Humankapital-Investitionen seitens
der öffentlichen Hand sich überhaupt einiger Beliebtheit erfreuen: bei Politikern, bei
Journalisten, bei im Bildungsbereich Tätigen. An staatlichen Bildungsausgaben kann kaum
etwas falsch sein; sie kommen irgendwie vielen zugute, schaffen Hoffnung, und im Rahmen von
Umschulungsprogrammen für Arbeitslose sorgen sie dafür, die Arbeitslosenstatistiken schöner
zu gestalten.“654 Dennoch kann die Arbeitslosenquote längerfristig nur dann gedämpft werden,
wenn mit den Bildungsmaßnahmen gewisse Perspektiven verbunden werden. Es ist daher
sinnvoll, dass Qualifikationsmaßnahmen an die Wirtschaft und damit daran, was am
Arbeitsmarkt gebraucht wird, angebunden sind.655

Nicht unerwähnt sollte auch der folgende Zusammenhang zwischen Bildung und Beschäftigung
bleiben: Eine schlechte Arbeitsmarktsituation führt zu einem Anstieg der Studierendenzahlen.
Mit anderen Worten flüchten Menschen ohne Jobs auf die Universitäten, wenn sie aufgrund der
schlechten Wirtschaftslage keine adäquaten Arbeitsplätze finden.656 Aufgrund des offenen
Hochschulzugangs ist dies mit der entsprechenden Vorbildung bzw. Prüfung auch möglich.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die Wirtschaftslage eine große Rolle im
Hinblick auf die Arbeitslosigkeit spielt, weil die Wirtschaftslage den Arbeitsmarkt sehr stark
bestimmt und die Arbeitslosenversicherungsbeiträge, die die Unternehmen zahlen, vom
„vorhandenen Geld“ abhängen.657

Zusammenfassend kann an dieser Stelle im Anschluss an Wößmann festgestellt werden, dass


verbesserte Bildung entscheidend dazu beitragen kann, dass es zu mehr und besseren
Arbeitsplätzen sowie zu einem höheren dynamischen Wachstum kommt. Bildungspolitik wird
daher durch die Bewältigung der Herausforderungen moderner wissensbasierter
Volkswirtschaften zu einem zentralen Bestandteil erfolgreicher Wirtschaftspolitik.658 Es darf
aber auch nicht verkannt werden, dass höhere Bildungsabschlüsse den Individuen zwar eine
umfangreiche Auswahl an Lebensmöglichkeiten und Lebensperspektiven verschaffen, auch
wenn ein Bildungsabschluss keine Garantie für einen sicheren Arbeitsplatz oder eine höhere
soziale und wirtschaftliche Stellung darstellt.659 Dvořak folgend, ist hier abschließend noch

653
Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 33.
654
Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1994, 9.
655
Interview 1, 10.
656
Vgl. Die Grünen zitiert nach Albers, 316.
657
Interview 1, 11.
658
Wößmann in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 22.
659
Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 34.
-185-

Folgendes anzumerken: „Bildung ist kein Ersatz für Politik und Bildungs-Politik kann kein
Ersatz für eine aktive Arbeitsmarkt- (und sonstige Sozial-)Politik sein; aber Bildung kann
Beiträge zur Lösung der bestehenden Arbeitsmarkt-Probleme leisten: Indem darüber aufgeklärt
wird, welche Ursachen ihnen tatsächlich zugrunde liegen; und indem den einzelnen der Erwerb
einer möglichst hochwertigen allgemeinen Bildung ermöglicht wird, die dazu beiträgt, die
eigene und die soziale Situation einigermaßen einschätzen und entsprechend handeln zu
können.“660 Aber es darf nicht so weit gehen, dass Bildungspolitik zum Erfüllungsgehilfen
neoliberaler Hegemoniebestrebungen wird. Es kann also nicht die Aufgabe des Bildungssystems
sein, ein hegemoniales Weltbild- und Wirtschaftsprojekt zu unterstützen, sondern Bildung sollte
stattdessen die Entfaltungsmöglichkeit vieler verschiedener Theorien fördern. Die Gefahr einer
totalen Ökonomisierung, die das Bildungssystem in weiterer Folge seines Freiheitscharakters
beraubt, ist nämlich bei der Anwendung rein marktwirtschaftlicher Strukturen durchaus
gegeben. Ziel einer aktiven, subjektorientierten sowie emanzipatorischen Bildungspolitik muss
daher die Zurückerlangung ihrer eigenen Normsetzungskraft und hiermit auch der Reflexion
über den Einfluss der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin auf der gesellschaftlichen Ebene
sein.661

c) Universität und Arbeitsmarkt - insbesondere die Rolle des non-formalen und


informellen Lernens

Das Verhältnis von Hochschulen und Arbeitsmarkt entwickelt sich im Rahmen von
gesellschaftlichen Bedingungen, die selbst einer ständigen Veränderung unterliegen. Die
Erwerbstätigkeit in modernen Arbeitsmärkten hat sich aufgrund der demographischen
Entwicklungen, der gesellschaftlichen Umstrukturierungen, den technologischen Bedingungen
von Arbeit und dem Wandel beruflicher Tätigkeiten verändert. Besonders sind die
Veränderungen der beruflichen Tätigkeiten selbst hervorzuheben, da hier eine Verringerung der
einfachen und eine Ausweitung der anspruchsvollen Tätigkeiten stattfindet. Mit anderen Worten
erfolgt eine Verlagerung von ausführenden hin zu planenden und dispositiven Tätigkeiten, deren
Ausübung eine relativ höhere Qualifikation voraussetzt.662

Bei der Beleuchtung des Verhältnisses Universität und Arbeitsmarkt ist die Spannung zwischen
der Autonomie des Handelns der Wissenschaft und der sozialen Verantwortung von Wissen
anzusprechen. Es geht also darum, zwei „Interessensblöcke“ zu befriedigen: Die Wissenschaft
hat das Recht auf eine bedarfsunabhängige und nur dem Fortschritt des Wissens verpflichtete

660
Dvořak in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1994, 10.
661
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 100.
662
Weiler/Bensel/Heuer/Spieß/Wagner in Bensel/Weiler/Wagner, 34; 37.
-186-

Beschäftigung mit den Grundfragen unserer Welt. Dieses Interesse geht aber unauflöslich mit
der Pflicht einher, den Wissens- und Ausbildungsbedarf von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft
angemessen zu befriedigen. Ziel ist daher die Orientierung der Hochschulen an den
Bedürfnissen des Arbeitsmarktes, ohne sich ihrem Diktat zu unterwerfen.663 Dennoch ist es der
Status quo, dass die Freiräume, die die Wissenschaft braucht, der unmittelbaren Verwertbarkeit
einer Hochschulausbildung entgegenstehen können. Außerdem ist es gerade heutzutage so, dass
wissenschaftlicher Fortschritt nur noch durch Arbeitsteilung und Spezialisierung zu erreichen
ist. Die dementsprechende disziplinäre Organisation von Wissenschaft ist aber gleichzeitig den
eher interdisziplinär oder gar pandisziplinär angelegten Problemen der Welt und des
Arbeitsmarktes nicht angemessen, was für die Verwertbarkeit von Wissenschaft ein
beträchtliches Hindernis bedeutet. Dennoch erscheint eine konsequente Trennung von
Forschung, die rein wissenschaftsbezogen wäre, und Lehre, die nur auf den externen
Arbeitsmarkt bezogen wäre, nicht sinnvoll, da so der Lehrstoff schnellstens veralten und die
Forschung nicht mehr durch die Präsenz provozierend neugieriger Studierender befruchtet
wäre.664

Wenn man nun das Verhältnis von den Hochschulen und dem Arbeitsmarkt beleuchten möchte,
müssen zunächst zwei verschiedene Teilarbeitsmärkte unterschieden werden: Einerseits gibt es
den Arbeitsmarkt außerhalb der Wissenschaft und andererseits gibt es aber auch den
Arbeitsmarkt für Forschung und Wissenschaft, der sich zu einem gewichtigen Teil wiederum
innerhalb der Universitäten abspielt. Festzustellen ist aber jedenfalls, dass die meisten
Studienrichtungen, um nicht zu sagen alle, unter dem Widerspruch zwischen unmittelbarem
Arbeitsmarktbezug und der Notwendigkeit von Spitzenausbildung und –forschung leiden.665

Europäische Universitäten im Allgemeinen und österreichische Universitäten im Besonderen


waren über lange Zeit hinweg ausschließlich mit dem Bereich des formalen Lernens befasst. 666
Dies war unter anderem ein Grund dafür, warum Bildung auch auf europäischer Ebene zu einem
Thema der Politik geworden ist.
Grundsätzlich ist zu erwähnen, dass über eine mögliche Bewertung und Anerkennung der non-
formalen und informellen Lernformen im hochschulischen Bereich meist im Zusammenhang
mit dem Zugang zu einem Studium gesprochen wird. Es soll jedoch keinesfalls den Anschein
erwecken, dass es um die Zulassung von weniger qualifizierten Studierenden geht, sondern um
die Unterstützung jener Studierenden, die über das nötige Potential verfügen. Es soll innerhalb

663
Weiler/Bensel/Heuer/Spieß/Wagner in Bensel/Weiler/Wagner, 45-46.
664
Wagner in Opielka, 115.
665
Wagner in Opielka, 114.
666
Westphal/Friedrich, 9.
-187-

des universitären Angebots eine möglichst große Bandbreite geschaffen werden, um neuen
Gruppen von Studierwilligen und WiedereinsteigerInnen entsprechende Möglichkeiten zu
eröffnen. Ganz allgemein soll die Schaffung von Studiermöglichkeiten für das gesamte
Erwachsenenalter erzielt werden, indem eine faire Bewertung und Anerkennung von
Lernergebnissen aller Formen früheren Lernens durchgeführt werden und der Dialog mit der
Gesellschaft intensiviert wird.667
In den letzten Jahren haben zwar informelle Lernprozesse in den Programmen und Konzepten
des „lebenslangen Lernens“ an Bedeutung gewonnen, doch spricht der Druck, der gleichzeitig
in Richtung Zertifizierung und Formalisierung von Kompetenzen geht, dafür, dass diese
Entwicklung die Chancen von gering Qualifizierten nicht verbessern wird. Die Konnotation der
Forderung nach lebenslangem Lernen liegt nach wie vor auf formalisierten und organisierten
Lernprozessen, die weiterhin von gering Qualifizierten als fremde Bildungswelten
wahrgenommen und erlebt werden.668
Aus Studien über die Weiterbildungsbeteiligung von Geringqualifizierten ergibt sich, dass eine
gewisse Distanz zu formalisierten Bildungsformen und eine Präferenz von informellen
Lernprozessen bestehen. Betreffend die Lernformen wird deutlich, dass der informelle
berufliche Kenntniserwerb, vor allem das arbeitsintegrierte Lernen durch Beobachten und
Ausprobieren sowie durch Unterweisung oder Anlernen auf relative hohe Zustimmung unter
den Geringqualifizierten stößt und auch hinsichtlich des damit erzielten Lernertrages relativ am
besten bewertet wird. Demgegenüber nehmen Höherqualifizierte an klassischen Lernangeboten,
außerhalb des Betriebes in Form von Lehrgängen oder Kursen teil oder erweitern ihre
Kompetenzen durch die Lektüre von Fachliteratur oder mittels Medien wie etwa dem
Internet.669

Die Hochschulen können nun zwar das non-formale und informelle Lernen fördern und
anbieten, doch können sie keinen wesentlichen Einfluss auf die Nachfrage nehmen. Dies
übernehmen vielmehr die ArbeitgeberInnen. Sie suchen nämlich stets nach qualifizierten
Arbeitskräften, die ihre Abschlüsse auch per Zertifikat nachweisen können. Aus- und
Weiterbildung ohne allgemein anerkanntes Abschlusszertifikat erscheint auf dem Arbeitsmarkt
daher nicht selten als „praktisch nicht vorhanden“ und bringt daher gegenüber

667
Westphal/Friedrich, 16-17.
668
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 17-18.
669
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 42.
-188-

MitbewerberInnen keinen Vorteil. Der Antrieb für derartige Weiterbildung ist somit der bloße
Wissenserwerb, der möglicherweise im Hinblick auf die Erlangung eines Arbeitsplatzes oder
das Gehalt keinerlei Auswirkungen hat. Nur wenige Menschen unserer Gesellschaft entscheiden
sich für Weiterbildung, aus der sie keinen „finanziellen“ Nutzen erwarten können.
Weiterbildung wird nämlich häufig als Instrument des Arbeitsmarktes und auch der
Arbeitsmarktpolitik verstanden, vor allem mit Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und
Umschulung, um strukturelle Beschäftigungsprobleme zu lösen. Bereits zu Beginn, als
Weiterbildung als universitäre Aufgabe identifiziert wurde, war sie auch schon an Erfordernisse
des Beschäftigungssystems am Arbeitsmarkt gekoppelt.670

d) Der Kreislauf von Bildung, Weiterbildung und Arbeitslosigkeit

Vorweggenommen sei hier, dass etwa 80 Millionen Menschen in Europa nur über geringe bzw.
grundlegende Qualifikationen verfügen. Von den Angeboten für lebenslanges Lernen profitieren
jedoch bisher vor allem Menschen mit eher solider Bildung oder Ausbildung. Bis 2020 steigt
die Zahl der Arbeitsplätze für Hochqualifizierte um 16 Millionen, die für Geringqualifizierte
hingegen sinkt um 12 Millionen. Die Verlängerung des Erwerbslebens wird mit der Möglichkeit
einhergehen müssen, während des gesamten Lebens neue Qualifikationen zu erwerben oder
auszubauen.671

In Österreich befinden sich von den 20- bis 29-Jährigen 22,5 Prozent im formalen
Bildungssystem. Damit liegt der Anteil in Österreich geringfügig unter dem Durchschnitt der
EU19-Länder (25,1 Prozent). Die höchste Bildungspartizipation findet sich in den
skandinavischen Ländern. In Schweden befinden sich 33,2 Prozent der 20- bis 29-Jährigen in
einer formalen Ausbildung, in Dänemark 37,3 Prozent und in Finnland sogar 42,6 Prozent.672

Der Übergang in eine Berufstätigkeit nach dem Studienabschluss gelingt AbsolventInnen


österreichischer Hochschulen grundsätzlich sehr gut. Viele setzen eine Erwerbstätigkeit fort, der
sie schon vor Studienabschluss nachgegangen sind. Bei AbsolventInnen, die eine Beschäftigung
erst suchen müssen, beläuft sich die Suchphase im Durchschnitt auf etwa ein halbes Jahr. Die
AbsolventInnen sind zumeist in Bereichen tätig, in denen sie ihre im Studium erworbenen
Qualifikationen nutzen können, wobei jedoch eine exklusive Passung von Studienfach und
beruflichen Aufgaben bei der Mehrzahl der AbsolventInnen allerdings nicht gegeben ist.673

670
Knapp/Krainer in Knapp, 85.
671
Mitteilung der Kommission. Europa 2020. Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 21.
672
Statistik Austria 2011, 38.
673
Schomburg/Flöther/Wolf/Kolb/Guggenberger, 20; 24.
-189-

Das historische Selbstverständnis von Weiterbildung wurde durchaus darin gesehen, verpasste
Bildungschancen sowie die soziale Ungleichheit zu kompensieren oder Fehlentscheidungen bei
der Berufswahl zu korrigieren. Dies widerspricht jedoch jeglichen vorhandenen empirischen
Daten, die alle zu dem Ergebnis gelangen, dass sich mit dem erreichten formalen
Qualifikationsniveau auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Weiterbildung teilzunehmen oder
teilnehmen zu können. Diese Auslesewirkung bezieht sich auf formale und informelle
Weiterbildung, sodass von einer sogenannten „doppelten Weiterbildungsschere“ gesprochen
werden kann, da eine fortschreitende Selektivität festzustellen ist. 674

Weiterbildung hat den Anspruch kompensatorisch zu wirken - sowohl was Wissensdefizite als
auch was das Nachholen von Bildungsgelegenheiten betrifft. In der Realität findet ein solcher
sozialer Ausgleich eher nur selten statt. Weiterbildungsangebote werden eher von Menschen in
Anspruch genommen, die bereits eine gute berufliche Ausbildung oder eine höhere
Schulbildung haben. Es ist daher zu vermuten, dass der Besuch von Erwachsenenbildung die
positive Erfahrung voraussetzt, Bildung für die persönliche Entwicklung und den beruflichen
Bedarf akzeptieren zu können. Aufgrund dieser Umstände ergibt sich, dass das bloße
Vorhandensein von Bildungsangeboten für Erwachsene noch keine Änderung bestehender
sozialer Verhältnisse mit sich bringt. Dvořak/Lenz folgend, sollen sozial schwächere und
bildungsferne Bevölkerungsgruppen für Bildung motiviert werden. Sie brauchen besondere
Maßnahmen der Förderung und der Unterstützung. Dazu gehört auch die Akzeptanz eines
Bildungsverständnisses, das soziale Gratifikationen einschließt und sich nicht auf schöngeistige
Erlebnisse reduziert.675 Hinzu kommt außerdem, dass Weiterbildung mit Kosten verbunden ist,
die von den Kursgebühren und dem Verzicht auf Freizeit bis zu entgangenem Output und
entgangenen Erwerbseinkommen reichen. Dies hat zur Folge, dass diesen Kosten als Investition
in berufliche Kompetenz und künftige Produktivität ein erwartbarer Ertrag gegenüberstehen
muss, der sich in der Sicherheit des Arbeitsplatzes und des Einkommens, dem Karriereschritt
und einem höheren Einkommen oder der gestiegenen Produktivität der veränderten
Produktionsprozesse des Unternehmens ausdrücken kann. Es stellt sich also die Frage, ob sich
die Investition in die Weiterbildung lohnt und damit, ob sich die Höhe der zu erwartenden
Erträge und die Dauer, über welche hinweg die Erträge anfallen werden, einen Ertragswert der
Investition ergeben, der demjenigen vergleichbarer Investitionsprojekte entspricht.676

674
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 11.
675
Dvořak/Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 2/1993, 3.
676
Bodenhöfer in Knapp, 17.
-190-

Ursache für die Tatsache, dass Weiterbildungsangebote eher von jenen Menschen
wahrgenommen werden, die eine gute berufliche Ausbildung oder eine höhere Schulbildung
haben, lässt sich unter anderem damit erklären, dass freie Märkte per definitionem keine
Chancengleichheit gewähren. Die Individuen treten nicht als gleichberechtigte KonkurrentInnen
in einen Wettbewerb um die Ware Bildung, da ihre Startbedingungen beträchtlich variieren.
Nach Pierre Bourdieu ist davon auszugehen, dass wohlhabende Familien mit einem höheren
kulturellen und auch sozialen Kapital ausgestattet sind und dies auch dazu nützen, um über den
Weg des Bildungserwerbs ihr ökonomisches Kapital und auch ihre gesellschaftliche Macht noch
weiter auszubauen. Hierdurch kommt es zu einem selbstverstärkenden Kreislauf der Produktion
und Reproduktion sozialer Ungleichheit.677 Weiterbildungsentscheidungen werden also sehr
stark basierend auf dem Hintergrund des gesamten Lebenszusammenhangs der Personen
getroffen.678

Laut dem Mikrozensus zum „lebenslangen Lernen“ haben nur zehn Prozent der
PflichtschulabsolventInnen angegeben, in den letzten zwölf Monaten einen Kurs besucht zu
haben, wobei davon nur vier Prozent berufliche Kurse ausmachen und 74 Prozent dieser 10
Prozent an WeiterbildungsteilnehmerInnen nur einen Kurs besucht haben. Sie erreichen nur 31
Prozent der Weiterbildungsbeteiligung von Erwerbstätigen und liegen damit deutlich unter den
Durchschnittsbeteiligungswerten. Laut dem IHS ist die Wahrscheinlichkeit an Weiterbildung
teilzunehmen bei AbsolventInnen einer hochschulverwandten Lehranstalt 5,6 mal so hoch wie
jene von PflichtschulabsolventInnen.679

Nicht außer Acht gelassen werden darf jedoch, dass reine Beteiligungsquoten noch nichts über
den Inhalt und die Qualität der in Anspruch genommenen Bildungsprozesse aussagen. Laut
Bolder erhalten An- und Ungelernte, wenn sie an Weiterbildung teilnehmen, hauptsächlich
kurzfristige Anpassungsqualifizierungen, während anspruchsvollere fachspezifische Kurse
FacharbeiterInnen und sog. „regulative“ Qualifizierungen dem Führungspersonal vorbehalten
sind.680

677
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 98.
678
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 35.
679
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 12-13.
680
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 15.
-191-

Hinsichtlich der Gründe für die Nichtbeteiligung von gering Qualifizierten ist festzustellen, dass
die nach Branchen unterschiedlichen TeilnehmerInnenquoten darauf hinweisen, dass es eine
Rolle spielt, welchen Beruf, welche Tätigkeit in welcher Branche man ausübt. Darüber hinaus
bestehen in größeren Unternehmen günstigere Chancen als in Kleinbetrieben. Die Stellung in
der betrieblichen Hierarchie und die Tätigkeit selbst stellen jedoch eine wichtige Einflussgröße
dar.681

Aus der Literatur und diversen Analysen und Studien geht hervor, dass soziodemographische
Faktoren wie Alter, Schul- und Berufsbildung, Erwerbstätigkeit, berufliche Stellung,
Geschlecht, Nationalität und regionale Aspekte als wirksame Weiterbildungsbarrieren auftreten.
Zu diesen strukturellen Weiterbildungsbarrieren kommen auch subjektive Faktoren wie geringes
Lerninteresse, Distanz zum Lernen, Ängste vor Misserfolg, mangelndes Vertrauen in die
eigenen Lernfähigkeiten, fehlendes Durchhaltevermögen etc, wobei diese wiederum eng mit den
soziodemographischen Hintergründen gekoppelt sind. Darüber hinaus kommt noch eine simple
Kosten-Nutzen-Analyse hinzu, da bei gering Qualifizierten der erwartete Nutzen für die eigene
berufliche Entwicklung einen zentralen Stellenwert für die Teilnahmemotivation einnimmt.
Häufig fehlt der Anstoß von außen, es besteht kein Bedarf bzw. auch ohne berufliche
Weiterbildung sind gute Chancen im Beruf zu erwarten, es besteht keine Möglichkeit der
Verbesserung der Arbeitsmarktchancen durch Weiterbildung und es wird kein beruflicher
Nutzen erwartet.682
Dennoch ist die Vermeidung von Arbeitslosigkeit und die erfolgreiche sowie vor allem
nachhaltige Wiedereingliederung von Arbeitslosen in die reguläre Beschäftigung eine zentrale
Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik. Dies setzt jedoch meist eine Anpassung und Verbesserung der
Qualifikationen voraus.683

e) Zusammenhang von Studiengebühren und der Inanspruchnahme von


Hochschulbildung

Im Folgenden soll aufgezeigt werden, ob bzw. inwiefern die Einführung von Studiengebühren
und damit eine Änderung, die von politischen EntscheidungsträgerInnen hervorgerufen wird,
eine Auswirkung auf die Inanspruchnahme von Hochschulbildung hat. Mit anderen Worten soll
das Verhältnis Politik-Bildung näher beleuchtet werden. Vorweggenommen sei hier jedoch,

681
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 15.
682
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 16.
683
Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens, 87.
-192-

dass die Kosten für Bildung nur einen Faktor darstellen, der für die Wahl des Bildungswegs
maßgeblich ist. Darüber hinaus sind das soziale und kulturelle Milieu des Elternhauses, das
gesellschaftliche Umfeld, das regionale Angebot von Bildungseinrichtungen sowie die
individuellen Fähigkeiten und Bildungsinteressen ausschlaggebend.684 Auch die Vorbildung
spielt eine beträchtliche Rolle. Betrachtet man nämlich die StudienanfängerInnenkohorte von
2009/2010, so stellen die AHS-MaturantInnen mit 38,7 Prozent die mit Abstand größte Gruppe
unter den Studierenden dar. AbsolventInnen berufsbildender höherer Schulen stellen mit 26,2
Prozent ein gutes Viertel. Personen mit ausländischer Matura stellen 27,2 Prozent. Insgesamt
machen ausländische Studierende 30,2 Prozent der StudienanfängerInnen 2009/2010 aus.
Daneben gibt es eine kleinere Gruppe von Personen, die eine ExternistInnen-, eine Berufsreife-
oder eine Studienberechtigungsprüfung abgelegt haben (3,2 Prozent). 1,4 Prozent der
StudienanfängerInnen haben zuvor eine Bildungsanstalt bzw. Akademie absolviert. Zur Gruppe
mit sonstiger Vorbildung (3,3 Prozent) zählen unter anderen Personen, die bereits eine
Universität oder eine Hochschule oder eine nichtuniversitäre Tertiärausbildung absolviert
haben.685

Zunächst sei an dieser Stelle erwähnt, dass es im Zuge der Hochschulpolitik der ÖVP-FPÖ-
Koalition zu einer Wiedereinführung der Studiengebühren im Wintersemester 2001/2002 kam,
mit dem Ziel, die durchschnittliche Studiendauer zu verkürzen und die Verfügbarkeit von
Mitteln zur Verbesserung der Studienbedingungen zu erleichtern.686 Ein weiterer Grund für die
Wiedereinführung der Studiengebühren war auch das massive Anwachsen des Drucks auf die
öffentlichen Ausgaben. Für diese Entwicklung sind mehrere Faktoren ursächlich, wie
beispielsweise das steigende Durchschnittsalter, die Kostensteigerung im Gesundheitswesen
sowie die steigenden Kosten der Arbeitslosigkeit. Es kam und kommt, bedingt durch die
demografische Entwicklung zu einem starken Anwachsen der Bundessubventionen an den
Pensionsausgaben. Darüber hinaus resultiert ein gewisser Kostendruck auch aus der Alterung
der Bevölkerung im Hinblick auf den erhöhten Pflegebedarf. Hinzu kommt die kostensteigernde
Wirkung des dynamisch wissenschaftlich-technischen Fortschritts in der Medizin sowie der
steigenden professionellen Standards im Gesundheitswesen. Betreffend den Arbeitsmarkt ist zu
sagen, dass alle westlichen Industriegesellschaften mit stark regulierten Arbeitsmärkten
angesichts der erhöhten Mobilität des Kapitals und der verschärften Billiglohnkonkurrenz aus
Osteuropa und der Dritten Welt unter erheblichem Druck stehen.687

684
Statistik Austria 2011, 18.
685
Statistik Austria 2011, 52.
686
Auer, 151.
687
Vgl. Pechar/Keber, 41-42.
-193-

Zur Schaffung eines Überblicks werden hier eine Tabelle und eine Grafik angeführt, welche
zeigen, wie sich die Studierendenzahl mit Einführung der Studiengebühren im Wintersemester
2001/2002 sowie mit Aussetzen der Beitragspflicht mit Sommersemester 2009 gegenüber den
jeweiligen Vorjahren verändert hat:

Abb. 20: Entwicklung der ordentlichen Studierenden im Zeitraum Wintersemester 2000/2001 bis
Wintersemester 2009/2010688

Seit der weitgehenden Beseitigung der Hochschultaxen im Jahr 1972 wurde, wie bereits
erwähnt, im Wintersemester 2001/2002 mit der Einführung der Studiengebühren erstmals
wieder die Verpflichtung zur Bezahlung eines Studienbeitrags eingeführt. Damit einhergehend
sank die Anzahl der ordentlichen Studierenden an österreichischen Universitäten um rund
19,8 Prozent. Außerdem erhöhte sich die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden um 7,6 bzw. 8
Prozentpunkte, während der Anteil an Studierenden, welche keine Prüfungen im Studienjahr
abgelegt hatten, um 17,9 Prozentpunkte sank. Darüber hinaus verkürzte sich die Studiendauer
um bis zu ein Semester. Ebenso stieg der Anteil jener Studierenden, welche einen
Studienabschluss erreichten, um 12,6 Prozentpunkte an. Diese Veränderungen waren vielfach
multikausal bedingt. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass keine aktuellen
sozialwissenschaftlichen Tiefenuntersuchungen dazu vorlagen.689 Auch der Europäischen
Kommission liegen Forschungsergebnisse vor, die darauf hindeuten, dass sich die durch die

688
Eigenerstellung unter Zuhilfenahme der Daten von Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1
<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011
_01_6.pdf>, 18.1.2011, 244; Statistik Austria 2011, 33.
689
Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1
<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011
_01_6.pdf>, 18.1.2011, 229-230 ; 244.
-194-

Studiengebühren entstehenden Markteffekte auch positiv auf die Lehre und das
Hochschulmanagement auswirken und die Motivation der Studierenden steigt.690

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass der Rückgang der Studierendenraten im Wintersemester
2001/2002 primär auf die Bereinigung der Verwaltungsdaten um die sogenannten
„Scheininskriptionen“ zurückzuführen ist. Der Rückgang bei der Zahl der aktiven Studierenden
war wesentlich geringer.691 Es waren nämlich eine Reihe von Studierenden bloß pro forma an
den Hochschulen eingeschrieben, um die sozialen Vorteile des Status „StudentIn“ in Anspruch
nehmen zu können, insbesondere auch die relativ günstige Krankenversicherung.692 Jene
Studierende, die zwar als solche auftreten, hochschulische Angebote jedoch de facto nicht in
Anspruch nehmen, lasten dem System keine Kosten an.693 Es ist daher laut Dvořak keine
schlüssige Argumentation zu sagen, dass durch die Einführung der Studiengebühren eine
Bereinigung der Universitäten um belastende Nicht-Studierende erfolgt. Diese Nicht-
Studierenden nehmen nämlich niemandem den Studienplatz weg.694

Ab dem Wintersemester 2002/2003 stieg die Anzahl der ordentlichen Studierenden bis zum
Wintersemester 2008/2009 im Jahresdurchschnitt um rund 2,9 Prozent an. Ab dem
Sommersemester 2009 wurde unter anderem die Beitragspflicht für die vorgesehene
Studiendauer zuzüglich zwei Toleranzsemester ausgesetzt. Mit der Einführung der neuen
Studienbeitragsregelung war eine Zunahme an ordentlichen Studierenden von rund 14,3 Prozent
zu verzeichnen.695

Nicht außer Acht gelassen werden darf in diesem Kontext die Wechselwirkung zwischen
Studienbeitragsregelungen und Studienförderungen. Es wurde nämlich gleichzeitig mit der
Studienbeitragsregelung im Wintersemester 2001/2002 der Studienzuschuss eingeführt, sodass
sich die Ausgaben des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung für die
Studienförderung von rund 105.400.000 Euro im Jahr 2000 auf rund 199.500.000 Euro im Jahr
2008 (das entspricht einem Plus von 89,3 Prozent) erhöhten. Mit der neuen
Studienbeitragsregelung ab dem Sommersemester 2009 kam es zu einem Rückgang der
Ausgaben des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung für die Studienförderung

690
Mitteilung der Kommission. Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und
Beruflichen Bildung, KOM 2006/481, 9.
691
Statistik Austria 2011, 32.
692
Nagel, 62.
693
Interview 4, 9.
694
Interview 5, 12.
695
Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1
<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011
_01_6.pdf>, 18.1.2011, 229-230; 244.
-195-

von rund 190.100.000 Euro auf rund 180.400.000 Euro. Es kam nämlich zu einem Rückgang
bzw. vollständigen Wegfall jener rund 3.000 jährlich gestellten Anträge, welche ausschließlich
auf die Gewährung des Studienzuschusses für die Entrichtung des Studienbeitrags gerichtet
waren.696

Auch Nagel697 kommt zu dem Ergebnis, dass Studiengebühren zu einem Rückgang der
Bildungsnachfragen führen und dieses Ergebnis unabhängig von der Ausgestaltung der
Studiengebühren ist. Auch sozialverträglich gestaffelte Studiengebühren und ex-post-Gebühren
(wie die AkademikerInnensteuer) führen zu einer Verringerung der Studiennachfrage. Der Staat
muss also nachhelfen, um eine Verringerung der Nachfrage zu Lasten von potentiellen
StudienbewerberInnen aus weniger vermögenden und bildungsfernen Familien zu vermeiden.

Mettinger698 ist demgegenüber der Ansicht, dass es durch die Einführung der Studiengebühren
nicht nur zu Studienzeitverkürzungen sowie zur Schaffung von höherem Commitment der
Studierenden gekommen ist, sondern die Studierenden haben auch mehr Serviceleistungen der
Universitäten eingefordert. Er bezweifelt, dass die Studiengebühren in der Höhe, in der sie in
Österreich eingehoben wurden bzw. werden, interessierte Jugendliche tatsächlich vom Studieren
abhalten.

Abgesehen von den durch die Einführung bzw. durch die Aussetzung der Studienbeiträge
bedingten Veränderungen, ist hier noch anzumerken, dass die den Universitäten entgangenen
Einnahmen aus Studienbeiträgen vom Bund ersetzt wurden, sodass die Universitäten ab 2009
bis einschließlich 2013 einen Gesamtbetrag von jährlich 157.000.000 Euro erhielten bzw.
erhalten. Im Jahr 2009 deckte dieser Gesamtbetrag insgesamt den Entfall an Studienbeiträgen
ab, wobei jedoch für die Berechnung des Ersatzes weder die Entwicklung der
Studierendenzahlen (insbesondere die überproportional steigenden Studierendenzahlen ab dem
Wintersemester 2008/2009) noch der Anteil der aufgrund von Erlasstatbeständen entgangenen
Studienbeiträge berücksichtigt werden.699

696
Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1
<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011
_01_6.pdf>, 18.1.2011, 239.
697
Nagel, 31.
698
Interview 3, 17.
699
Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1
<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011
_01_6.pdf>, 18.1.2011, 231; 247.
-196-

Abb. 21: Verteilung des Ersatzes für den Entfall von Studienbeiträgen im Jahr 2009 - aufgeteilt
nach Sockelbetrag und Aktivitätstangente - sowie entfallene Studienbeiträge1700

Die eben angeführte Tabelle zeigt, dass an allen Universitäten der Ersatz für den Entfall sogar
höher als die entgangen Einnahmen aus Studienbeiträgen war. Außerdem ist ersichtlich, dass
jede Universität einen fixen Sockelbetrag, der sich aus dem zweifachen Betrag der tatsächlichen
Einnahmen aus den Studienbeiträgen im Wintersemester 2008/2009 abzüglich dem zweifachen
Betrag der tatsächlichen Einnahmen aus den Studienbeiträgen im Sommersemester 2009
errechnet, und die Differenz zwischen 157.000.000 Euro und dem Sockelbetrag, also die
Aktivitätstangente, die jährlich nach den prüfungsaktiven ordentlichen Studierenden des dem
Kalenderjahr vorangehenden Studienjahres je Universität verteilt wird, erhält. 701

Bei den Leistungsvereinbarungsverhandlungen 2010–2012 wurde eine Summe von 5.185,7


Millionen Euro (Periode 2007–2009: 4.482 Mio. Euro) auf die Universitäten aufgeteilt, die zum
überwiegenden Teil für die Grundfinanzierung des Lehr- und Forschungsbetriebes dienen.
Besonderes Augenmerk wurde dabei wie auch bereits in der vergangenen Periode auf die
Verbesserung der Betreuungsrelationen zwischen Lehrenden und Studierenden gelegt, wobei
trotz steigender Budgets die an den meisten Universitäten noch stärker steigenden
Studierendenzuwächse nicht ausgeglichen werden konnten.702

Summa summarum ist festzustellen, dass die Einhebung bzw. die Aussetzung von
Studiengebühren und damit eine politische Entscheidung gewiss Einflüsse auf die Zahl der

700
Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1
<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011
_01_6.pdf>, 18.1.2011, 246.
701
Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1
<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011
_01_6.pdf>, 18.1.2011, 231; 246.
702
BMWF 2011, 47.
-197-

StudienanfängerInnen und auch das Studierendenverhalten hat. Dennoch darf man die Kosten
für Hochschulbildung niemals als den einzig relevanten Faktor ansehen, sondern sie stellen
vielmehr eine von vielen Komponenten dar, aufgrund welcher sich jemand schließlich für oder
gegen ein Hochschulstudium entscheidet. Wie sich auch deutlich gezeigt hat, ist mit
statistischen Daten hinsichtlich der StudienanfängerInnen vor und nach Einhebung von
Studiengebühren mit Vorsicht umzugehen, da beispielsweise auch zeitgleich vorgenommene
Bereinigungen der Verwaltungsdaten um die sogenannten „Scheininskriptionen“ zu einer
Reduktion der StudienanfängerInnen führen. Schließlich ist als ein weiteres wesentliches
Ergebnis dieses Unterkapitels die bloß „sekundäre“ Bedeutung der Studiengebühren für die
Finanzierung der Universitäten anzuführen.

f) Spannungsverhältnis Bildung und Ökonomie

Im 19. Jahrhundert entwickelten sich die Bildungsstrukturen unter der Prämisse, dass „zuviel“
Bildung ökonomisch überflüssig und politisch gefährlich sei. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts
kann somit insofern von einer weitgehenden Autonomie der Bildung gesprochen werden, als
Bildungsprozesse keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem hatten. Mit der
Entwicklung der ökonomischen Theorie des Humankapitals breitete sich ein grundlegend
gewandeltes Verständnis vom Zusammenhang zwischen Bildungs- und Wirtschaftssystemen
aus. Daraus folgten jene Weichenstellungen, welche die Bildungsexpansion einleiteten.703

Wie schon mehrfach aus den vorangehenden Ausführungen hervorgeht, ist also seit einigen
Jahren eine zunehmende Interdependenz von Bildung und Ökonomie festzustellen, da nicht nur
Bildung als Wirtschaftsfaktor betrachtet wird, sondern auch Bemühungen bestehen, die
steigenden öffentlichen Kosten der expandierenden Bildungssysteme unter Kontrolle zu bringen
und die Effektivität und Effizienz von Hochschulen zu erhöhen. Dieser wachsende Einfluss der
Ökonomie auf die Bildungspolitik hat innerhalb des Bildungssystems erhebliche Widerstände
ausgelöst, die neben den Kontroversen über Inklusion aller versus Elite einen zentralen Punkt
der bildungspolitischen Debatte darstellen.704 Faktum ist, dass in Österreich der Anteil von
Studierenden aus der ArbeiterInnenschicht an den Universitäten vergleichsweise gering ist. Die
empirisch ermittelte Chance zum Eintritt eines Kindes aus einer ArbeiterInnenfamilie in eine
Universität in Österreich ist nur halb so groß wie es dem tatsächlichen Anteil an der
Bevölkerung entsprechen würde. Gleichzeitig sind Nachkommen von Eltern mit
Universitätsabschluss viel häufiger an österreichischen Hochschulen vertreten, als dies in

703
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 79-80.
704
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 78-79.
-198-

anderen hochentwickelten Ländern üblich ist.705 Felber ist in diesem Kontext der Ansicht, dass
Bildung immer mehr zum Wirtschaftsgut werde und das bedeute, „dass nicht mehr der Blutadel
einen privilegierten Zugang hat, sondern der Geldadel der Zukunft.“706

Bei der Beleuchtung des Spannungsverhältnisses von Bildung und Ökonomie dürfen die Kosten
des Bildungssystems nicht unerwähnt bleiben. Es wurde bereits unter II.C.4. näher ausgeführt,
dass sich allgemein knappen Budgets der Universitäten im Speziellen auf den Aufbau der
Weiterbildung nachteilig auswirken. Die beschränkten finanziellen Mittel zwingen die
Universitäten im Rahmen ihrer Autonomie zur Prioritätensetzung. In concreto werden daher
zunächst die Bereiche der Forschung und Lehre und auch der administrativen Aufgaben
abgesichert, bevor „neue“ Aufgabenbereiche wie die Weiterbildung personell besetzt werden
können. Es bleiben also nur marginale finanzielle Ressourcen für diesen vierten Bereich der
Weiterbildung. Auch unter den Lehrenden gewinnt Weiterbildung angesichts der Überlastung
nur als Möglichkeit eines Zusatzeinkommens an Bedeutung.707 Dennoch bedeutet die Teilnahme
von Universitäten am Markt der Weiterbildung, dass pädagogische mit ökonomischen Zielen
abgeglichen werden müssen, ohne jemals das ökonomische Ziel zum herrschenden Prinzip zu
machen. Hierzu bedarf es Marketing, Werbung, Information, Öffentlichkeitsarbeit sowie der
Entwicklung eines hochschuleigenen Profils im Kontext des gesamten Weiterbildungsbereichs.
Universitäten betreten kein „Niemandsland“, wenn sie Weiterbildung anbieten, im Gegenteil-
sie begeben sich in ein hochkomplexes Feld von miteinander konkurrierenden und auch bereits
kooperierenden Einrichtungen. Die Chancen der Universitäten bestehen darin, dass dieser
Bereich insgesamt weiter expandiert, sich die Nachfrage erhöht und weitere Angebotsfelder
erkennbar sind. Um diese Chancen ergreifen zu können, bedarf es jedoch gezielter
Investitionen, Konzepte und Aktivitäten.708

Zu thematisieren gilt es auch, dass die Universitäten als Einrichtungen vielfach nicht über den
Standard, den Weiterbildungseinrichtungen haben, verfügen. Die Ausstattung der Unterrichts-,
Seminar- und Lehrräume ist vielfach unzureichend, veraltet und atmosphärisch wenig geeignet.
Man muss bedenken, dass Menschen in der Weiterbildung freiwillig zu Lehrangeboten kommen
und auch bereit sind, dafür Geld zu bezahlen. Im Gegenzug erwarten sie aber auch eine
entsprechende Umgebung, eine entsprechende Ausstattung und eine angemessene

705
Auer, 191.
706
Die österreichischen Universitäten sind bereits tot <http://derstandard.at/1297819371607/UniStandard-Interview-
Die-oesterreichischen-Unis-sind-bereits-tot>, 3.3.2011.
707
Patscheider, 30-31.
708
Nuissl von Rein in Strate/Sosna, 27.
-199-

Servicedienstleistung.709 In diesem Kontext ist auch folgender Zukunftsblick von Waxenegger,


aus dem Jahr 1993 anzuführen: „Wird Weiterbildung neben Forschung und Lehre eine
zusätzliche, gesetzlich definierte Verpflichtung von Universitäten und Hochschulen, so wird
Hochschullehrenden letztlich keine Wahl zwischen profit- und prestigebringender
Weiterbildung einerseits und Grundlagenforschung, vollen Hörsälen, Administrationsaufgaben
und dem Damoklesschwert „Evaluation“ andererseits bleiben: sie werden alles perfekt können
müssen.“710 Diese Feststellung sollte zu einem Ziel der Hochschulen und, im Hinblick auf die
Finanzierung, insbesondere auch zu einem Ziel der Politik werden, welches in jüngster Zukunft
verwirklicht werden sollte.

Ebenso zeigt sich das Spannungsverhältnis zwischen Bildung und Ökonomie deutlich darin,
dass Humankapital im Allgemeinen als Produktionsfaktor gesehen wird. Daher stellen die noch
vor wenigen Jahrzehnten als unerlässlich betrachteten Mechanismen, die einer „Überbildung“
des gemeinen Volkes vorbeugen sollten, eine Belastung dar. Die wissensbasierte Ökonomie
benötigt nämlich keine Bildungsbegrenzung, sondern eine Mobilisierung der
Begabungsreserven und Bildungsambitionen mit der doppelten Zielrichtung, die
Sockelqualifikationen anzuheben und die Elitesegmente trotz andauernder Expansion des
Tertiärbereichs funktionstüchtig zu erhalten. Kurz auf den Punkt gebracht, sind die
Bildungssysteme durch die wissensbasierte Ökonomie dem Reformdruck von Expansion und
Diversifizierung ausgesetzt, welcher zu Veränderungen im Bereich der Finanzierung und der
Administration von Bildungssystemen geführt hat. Auch wenn der Staat, mit Ausnahme der
Weiterbildung, weiterhin die Hauptverantwortung für die Finanzierung der Bildung trägt,
bestehen Bestrebungen in jenen Bereichen, die sich durch hohe private Erträge auszeichnen,
auch die privaten Bildungsinvestitionen zu steigern, wobei dabei keine finanziellen Barrieren
für einkommensschwache Schichten entstehen dürfen. Im Hinblick auf die Finanzautonomie
und die Rechenschaftspflicht hat der Staat den Bildungseinrichtungen sowohl in finanzieller als
auch in curricularer Hinsicht erweiterte Freiräume gewährt, zugleich jedoch neue Formen der
Kontrolle und Rechenschaftslegung entwickelt. Hinzu kommt noch eine Schwächung der
nationalen Souveränität im Bildungs- und Kulturbereich durch den Aufbau eines Europäischen
Bildungs- und Forschungsraums, welcher der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas in
Bildung und Forschung dient.711
Gegen diese Reformprogrammatik gibt es insbesondere in deutschsprachigen Ländern
Widerstände, da gerade in diesen Staaten dem Eigenwert Bildung traditionell ein höherer

709
Nuissl von Rein in Strate/Sosna, 26.
710
Waxenegger in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 8.
711
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 80-81.
-200-

Stellenwert eingeräumt wird als anderswo. Es ist die Rede von „Verzweckung“,
Kommerzialisierung und Unterordnung autonomer Bildung unter das Diktat des Marktes.
Zentraler Kritikpunkt ist, dass das humanistische Ideal nicht länger eine normativ verbindliche
Kraft sei. Aus der Sicht der Linken trete außerdem an die Stelle kritischen Bewusstseins eine
Anpassung an die gesellschaftlichen Funktionserfordernisse. Die Orientierung am
Qualifikationsbedarf der Wirtschaft, die nun von der niedrigen und berufsbildenden auf die
höhere Bildung übergreift, führe zur „neoliberalen Halbbildung“. Dennoch dürfen die
Bildungszuwächse nicht auf Veränderungen in der beruflichen Qualifikation reduziert werden.
Die Bildungsexpansion ist vielmehr mit den großen soziokulturellen Umwälzungen der letzten
Jahrzehnte, mit Wertewandel, Individualisierung und Demokratisierung verknüpft.712

Dem Zusammenwirken von Bildung und Wirtschaft ist aber auch etwas Positives
abzugewinnen. Erfolgreiche Wissenschafts-Wirtschaftskooperationen ermöglichen den Zugang
zum Know-how der Spitzenforschung sowie Synergien und Effizienzsteigerung durch das
Zusammenbringen von finanziellen und personellen Kapazitäten. Österreich verfügt über eine
Reihe erfolgreicher Institutionen und Programme zur Kooperation zwischen Universitäten und
Wirtschaft, mit unterschiedlichem Fokus auf Grundlagenforschung, angewandter Forschung
und Technologieentwicklung. Die Universitäten bringen im Rahmen von institutionellen
PartnerInnenschaften personelle Ressourcen wie auch die Nutzung von Räumen und
Forschungsinfrastruktur in diese Kooperationen ein.713

Zusammenfassend ist Pechar714 folgend, festzustellen, dass Bildung und Wirtschaft in der
Wissensgesellschaft in einem symbiotischen und nicht in einem antagonistischen Verhältnis
zueinander stehen, auch wenn es Spannungen sowie ernste Konflikte gibt. Erst die ökonomische
Prosperität und die Ausbreitung des Massenwohlstands in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts haben die Anhebung des Bildungsminimums und die Expansion höherer Bildung
ermöglicht. Umgekehrt kann das hohe wirtschaftliche Niveau nur durch Investitionen ins
Humankapital gesichert und gesteigert werden.

g) Wechselwirkungen zwischen den Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung

In den vorhergehenden fünf Unterkapiteln wurden die Beziehungen der einzelnen Ebenen
zueinander näher behandelt: Unter II.E.1.b) wurden Bildung und Arbeitsmarkt sowie
Wirtschaftswachstum beleuchtet, unter II.E.1.c) wurden im Grunde die gleichen Ebenen

712
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 81-83.
713
BMWF 2011, 36.
714
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 84.
-201-

beschrieben, wobei eine Konkretisierung in Richtung Universitäten vorgenommen wurde. Das


Gleiche gilt für das Kapitel II.E.1.d), in welchem im Speziellen die Weiterbildung angesprochen
wird. Unter II.E.1.e) wurde demgegenüber das Zusammenspiel einer politischen Entscheidung,
nämlich Einführung bzw. Abschaffung der Studiengebühren und deren Auswirkung auf die
Hochschulbildung bearbeitet und unter II.E.1.f) ging es darum, Spannungsfelder zwischen den
Ebenen Bildung und Ökonomie aufzuzeigen. Das folgende Kapitel II.E.1.g) ist das tatsächliche
Herzstück der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit, da zum einen aufgezeigt wird, ob und
inwiefern faktische Umstände, die beispielsweise auf wirtschaftliche Veränderungen oder
gesellschaftliche Umstrukturierungen oder Probleme zurückzuführen sind, die
Handlungsweisen der politischen EntscheidungsträgerInnen beeinflussen. Zum anderen wird
aber auch dargestellt, ob und inwiefern politische Entscheidungen Entwicklungen- seien sie
positiver oder negativer Natur- im Bildungssystem sowie in der Wirtschaft bzw. den
volkswirtschaftlichen Zielsetzungen einer freien Marktwirtschaft hervorrufen.

Bevor auf die Wechselwirkungen auf nationaler Ebene eingegangen wird, soll hier zunächst die
supranationale Ebene beleuchtet werden: 1997 wurde von der EU eine „neue“ Sozialpolitik der
Union formuliert. Die Idee war die Schaffung eines befruchtenden Dreiecks zwischen der
Beschäftigungs-, der Wirtschafts- und der Sozialpolitik, welches soziale Kohäsion,
Vollbeschäftigung und wirtschaftliche Dynamik auf den Weg bringen soll. Diese Strategie
wurde dann auch am Gipfel von Lissabon im Jahr 2000 mit dem Ziel der Entwicklung der
„wettbewerbsstärksten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaft“ aufgegriffen.715
Die Einsicht auf EU-Ebene, dass die Politik auf die wirtschaftlichen Veränderungen reagieren
muss, zeigt sich auch in einer Mitteilung der Kommission vom 3.3.2010: „Wie die weltweiten
Folgen der Finanzkrise gezeigt haben, verändert sich die wirtschaftliche Wirklichkeit schneller
als die politische. Wir können nicht umhin anzuerkennen, dass die zunehmende wirtschaftliche
Verflechtung auch nach einer entschlosseneren und kohärenteren Antwort der Politik
verlangt.“716 Diese Antwort der Politik erfolgt auf supranationaler Ebene beispielsweise durch
„Europa 2020“, indem das bildungspolitische Ziel formuliert wird, bis 2020 die
SchulabbrecherInnenquote um fünf Prozent zu reduzieren und die Zahl der
HochschulabsolventInnen um mindestens neun Prozent zu steigern. [näheres siehe II.C.1.a)ff)].

Auf der nationalen Ebene möchte die österreichische Regierung das Universitätsbudget für die
Leistungsvereinbarungsperiode 2013 bis 2015 nominell konstant halten, sodass aufgrund der

715
Aiginger in Leutner, 23.
716
Mitteilung der Kommission. Europa 2020.Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 2.
-202-

Inflation und der Gehaltssteigerungen real eine Einsparung von fünf bis zehn Prozent zu
verzeichnen ist. Die Universitäten haben auf diese politische sowie wirtschaftliche Entwicklung
der Sparmaßnahmen mit Studienplatzfinanzierungskonzepten reagiert und haben sich dafür
eingesetzt, dass das Budgetbegleitgesetz insofern umgestaltet wird, als die Beträge für die
nächste Leistungsvereinbarungsperiode erhöht werden.717 Trotz aller Notwendigkeit eines
„ausreichenden“ Budgets haben aber auch andere Aspekte wie etwa der familiäre Hintergrund
von StudentInnen oder die Ressourcenausstattung einen größeren Einfluss auf die Leistung des
Studierenden als der tatsächliche Budgeteinsatz.718

Aus der von der Europäischen Kommission angebotenen Orientierungshilfe für die
Aufgabenverteilung und die Zuständigkeiten für die Umsetzung des Konzeptes lebenslangen
Lernens, welches darauf abzielt, die Bildungsangebote in den Mitgliedstaaten zu verändern,
zeigen sich vor allem Wechselwirkungen zwischen den AkteurInnen im Bildungsbereich und
jenen des wirtschaftlichen bzw. politischen Bereichs, respektive des Arbeitsmarkes bzw. der
Arbeitsmarktpolitik.

• Staatliche Stellen sind dafür zuständig, angemessene Mittel bereitzustellen und allen
BürgerInnen die Teilnahme an obligatorischer Schul- und Berufsbildung, am Erwerb
von Grundqualifikationen nach der Schulpflicht und an Weiterbildungsmaßnahmen zu
ermöglichen sowie sicherzustellen, dass vorschulische Erziehung und Angebote zur
Erwachsenenbildung verfügbar sind. Ferner müssen sie die Führungsrolle bei der
Entwicklung und Umsetzung von Strategien für lebenslanges Lernen auf allen Ebenen
übernehmen. Das heißt auch, dass sie das Recht ihrer BürgerInnen auf Zugang zum
Erwerb und zur Aktualisierung von Wissen und Kompetenzen während des ganzen
Lebens gewährleisten. Staatliche Stellen sind auch dafür zuständig, aktive
Arbeitsmarktpolitik zu betreiben und Lernangebote für alle zu fördern (auch für nicht in
den Arbeitsmarkt integrierte Personen).

• Die ArbeitgeberInnen sind vor allem für die Kompetenzentwicklung ihrer Beschäftigten
zuständig und werden ihrer sozialen Verantwortung zunehmend gerecht, z.B. indem sie
ihre Lernangebote und -mittel einem breiteren Publikum zugänglich machen.

• Die Gewerkschaften beteiligen sich immer stärker an Maßnahmen zur Förderung


lebenslangen Lernens, und zwar für Mitglieder und Nichtmitglieder.

717
Interview 2, 12.
718
Mandl in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 139.
-203-

• Gemeinsam führen die SozialpartnerInnen einen Sozialdialog auf allen Ebenen, handeln
Vereinbarungen über Bildung und Berufsbildung am Arbeitsplatz aus und setzen sie
um.

• Alle BildungsträgerInnen sind verantwortlich für Qualität und Relevanz ihrer Angebote
und für deren Kohärenz mit dem Gesamtangebot an Bildungsmaßnahmen.

• Lokale Gruppen und Freiwilligengruppen sind besonders geeignet, zielgerichtete


Bildungsmaßnahmen durchzuführen, (potenziell) Lernende zum Lernen zu motivieren
und auf deren Bedarf und Interessen aufmerksam zu machen. Alle AkteurInnen müssen
sich gemeinsam für lebenslanges Lernen einsetzen und die BürgerInnen unterstützen,
selbst Verantwortung für das Lernen zu übernehmen.719

KritikerInnen erheben diesem Konzept gegenüber jedoch einen Totalitarismusvorwurf, „der die
schrankenlose Entgrenzung von Bildungsprozessen als Pädagogisierung der Gesellschaft
begreift und daran auch kritisiert, dass damit der (unzulässige) Eindruck erweckt wird, dass der
Großteil der aktuellen gesellschaftlichen Probleme mit Bildung und Lernen zu lösen wäre.“720

Laut Krautz wird diese vor allem von der EU beeinflusste Entwicklung des Bildungswesens
„politisch und ökonomisch initiiert, wird also von handfesten politischen und wirtschaftlichen
Interessen erdacht und durchgesetzt; wissenschaftlich sekundiert; wird also von willigen
Helfern in der Wissenschaft in mitunter beschämender Weise begleitet, medial orchestriert;
wird also von vielen Medien mit der passenden Begleitmusik versehen, die vom leisen Säuseln
bis zum schrillen, nervtötenden Gekreische reicht.“721 Dieses Bild wird dadurch abgerundet,
dass sich auch BildungspolitikerInnen in ihrer Selbstwahrnehmung hauptsächlich als
KoordinatorInnen zwischen Politik und Wirtschaft verstehen.722

So auch der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Karlheinz Töchterle.723 Er vertritt
den Standpunkt, dass Wissen Werte schafft – unter dieser Prämisse hat Wissenschafts- und
Forschungspolitik des 21. Jahrhunderts zu stehen. In Österreich wird nicht über Rohstoffe im
klassischen Sinn verfügt, sodass das größtes Kapital Wissen und Forschen heißt. Bildung,
Wissenschaft und Forschung sind die Grundlagen, auf denen Österreich seine Zukunft aufbauen

719
Mitteilung der Kommission. Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen, KOM 2001/678
endgültig, 11.
720
Krenn, Manfred (2010): Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“- Lebenslanges Lernen als Chance oder
Zumutung? FORBA- Endbericht. Forschungsbericht im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien
<http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d127/FORBA_Endbericht.pdf>, 14.3.2011, 25-26.
721
Krautz, 152-153.
722
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 95.
723
BMWF 2011, 3.
-204-

muss. Dieses Dreieck ist die Basis für Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Wachstum in
Österreich. Wissen und Bildung bereichern aber auch das Individuum und die es umgebende
demokratische Gesellschaft, nicht zuletzt deshalb, da durch Bildung auch immaterielle Werte zu
veranschlagen sind.

Gut lässt sich das Zusammenspiel auch wie folgt, beschreiben: Die Vorenthaltung von Bildung
beeinträchtigt die Fähigkeit der Menschen, produktiv zu arbeiten und sich selbst sowie ihre
Familie zu versorgen und zu schützen. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die Demokratie
und den sozialen Fortschritt aus, da Humankapital durch Menschen, die sich bilden und
weiterlernen, als Schlüssel zur persönlichen wie gesellschaftlichen Entwicklung gelten.724

Goede macht eine Feststellung bzw. einen Vorschlag, dem hier durchaus beigepflichtet wird:
„Um die vielen wackeligen Annahmen über unsere Existenz zu erhärten, benötigen wir viel
mehr Kommunikation untereinander, nicht allein zwischen Wissenschaftlern, Politikern und
Ökonomen, sondern das Gespräch muss insbesondere diejenigen einschließen, die mit ihren
Steuern die Forschung finanzieren und die Nutznießer bzw. Opfer des wissenschaftlichen
Fortschritts sind: die Bürger.“725 Er sagt damit nichts anderes, als dass jedes einzelne
Gesellschaftsmitglied einen Beitrag zu den aktuellen Entwicklungen in den Bereichen Bildung-
Politik-Ökonomie leisten kann und nicht stets die „Verantwortung“ sowie
„Handlungsmöglichkeit“ auf die Metaebene, der AkteurInnen und damit ExpertInnen dieser
Sektoren verschoben werden sollte.

h) Kritik an den Wechselwirkungen zwischen Politik, Ökonomie und Bildung

Wie sich in den vorangegangen Kapiteln deutlich gezeigt hat, bestehen zwischen diesen drei
Ebenen starke Wechselwirkungen. Die im Folgenden angeführten Kritikpunkte sollen illustrativ
einige der vorhandenen Spannungsfelder aufzeigen.

Zunächst soll hier die enorme Wirkung der Wirtschaft auf die Hochschulbildung kritisiert
werden. Wenn man Schachtschneider und Krautz folgt, kann die Unparteilichkeit der
Universität nur dann gewährleistet werden, wenn auch ihre Unabhängigkeit vom Staat und von
der Wirtschaft gesichert ist: „Wenn die Universitäten nicht mehr unparteilich sind, bringen sie
nicht nur schlechte Wissenschaftler und geistig unfreie Absolventen hervor, sondern sie können
den demokratischen Meinungsbildungsprozess nicht mehr mit wahrheitsgemäßen Erkenntnissen

724
Stefek, 25.
725
Goede zitiert nach Reichertz, 216.
-205-

unterstützen. Die Wissenschaft wird dann Teil der großen medialen Manipulationsmaschine, die
die öffentliche Meinung zu steuern versucht.“726

Laut Markus Müller, Vizerektor der Medizinischen Universität Wien, entsteht Forschung
jedoch primär aus einem „Spielbetrieb“ und hat nichts mit industriellen Interessen zu tun. Die
Universität dürfe nicht zur „Werkbank der Industrie“ werden, müsse aber über die
Anwendungen „ihres Spielbetriebes“ nachdenken, die der Gesellschaft zugute kommen.727

Häufig findet sich im öffentlichen Diskurs auch der „Vorwurf“ und damit die Kritik, dass
Wirtschaftstreibende durch die Mitgliedschaften in Universitätsräten starken Einfluss auf die
Hochschulen nehmen und damit nicht nur Wechselwirkungen, sondern auch Druck ausüben.
Nach der Intention des Gesetzgebers soll der Universitätsrat jedoch eine Art „Spiegel der
Gesellschaft“ bilden.728 Von universitätsinterner Seite aus betrachtet, sei einseitige
Interessenpolitik insofern nur schwer möglich als der Universitätsrat meist proporzmäßig
besetzt sei. Dennoch wird zugestanden, dass die Erlangung von Drittmittel über
„universitätsfremde“ bzw. „universitätsferne“ AkteurInnen ein nicht unbedeutender Faktor im
Bereich der Finanzierung von Universitäten sei, wobei aber der Universitätsrat nicht als
„Kerninstitution“, die mit der Drittmittelfinanzierung betraut ist, anzusehen sei.729

Kritisiert wird immer wieder auch die Verwendung des Begriffes Humankapital und damit die
Verbindung von Bildung und Ökonomie. Der Gebrauch dieses Wortes breite sich auch über die
Wirtschaftssprache hinaus in nichtfachlichen Bereichen aus und fördere damit die primär
ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge, wovon auch die aktuelle Politik immer
mehr beeinflusst werde. Menschen würden somit zu nur noch ökonomisch interessanten Größen
degradiert.730

2. Rolle der Medien im Hinblick auf die drei Ebenen und die Gesellschaft

Medien stellen in der modernen, hoch komplexen Gesellschaft eine Wirklichkeit bereit, die
grundsätzlich allen Gesellschaftsmitgliedern zugänglich ist. Das Ausmaß der Abhängigkeit
gesellschaftlicher Bereiche und der Gesellschaftsmitglieder von den Medien ist enorm und
mittlerweile auch fest im allgemeinen Bewusstsein verankert. Wenn es darum geht, einen
„Schuldigen“ für gewisse Fehlentwicklungen zu finden, treten die Massenmedien zumindest
neben die Politik, die seit jeher als zentrale Adresse für Verantwortungs- und

726
Krautz, 35.
727
Grillmayr, Julia: „Die Uni darf keine Werkbank der Industrie sein“ in DerStandard, 2.5.2012.
728
Interview 3, 7.
729
Interview 4, 4-5.
730
Donauer, 49.
-206-

Schuldzuschreibungen fungiert. Es kommt häufig zur Reaktivierung der wissenschaftlich längst


überholten einfachen Medienwirkungshypothese, die von bestimmten Medieninhalten direkt auf
entsprechende Medienwirkungen schließt. Es werden dabei sowohl die Aktivitäten der
RezipientInnen und NutzerInnen als auch die sozialen Kontexte des Umgangs mit Medien
systematisch vernachlässigt.731

Nicht nur PolitikerInnen, sondern auch WissenschafterInnen sind auf die Medien der Zeit
angewiesen. Daher ist zu erwarten, dass auch die Arbeit der WissenschafterInnen zunehmend
von den Inhalten, der Materialität und der sozialen Organisation der jeweiligen Medien bzw. des
jeweiligen Leitmediums beeinflusst werden. Mit anderen Worten werden sich die
Arbeitsschwerpunkte, die Arbeitsweise und Darstellungsformen den Gegebenheiten der Medien
anpassen.732

Universitäten brauchen die Medien unbedingt als PartnerInnen und besteht durchaus auch schon
eine Kooperation in den unterschiedlichsten Feldern. Insbesondere das Weiterbildungsangebot
wird in den Printmedien sehr stark rezipiert.733 In den letzten zehn Jahren hat sich die
Berichterstattung über die Aktivitäten der Universitäten enorm gesteigert, nicht zuletzt auch
durch die „Uni brennt-Bewegung“. Diese verstärkte Medienpräsenz der Universitäten hängt
nicht zuletzt damit zusammen, dass die Online-Versionen von Zeitungen alle einen Bildungsteil
haben, welcher durch die Online-Variante viel mehr bespielt wird. Die Medien sind somit nicht
nur InformationsträgerInnen sondern auch insofern WerbeträgerInnen als sie die Universitäten
ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik bringen. Darüber hinaus sind die Medien
auch kritische BeobachterInnen, was keineswegs negativ zu beurteilen ist, da fundierte Kritik
durchaus die Qualitätssteigerung sowie Optimierung fördert.734

Medien sind bereits ein wesentlicher Bestandteil der heutigen Bildung, da sie unter den
Bedingungen der Globalisierung den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus ermöglichen. Sie
sind eine Voraussetzung für die Kultivierung universeller Anteilnahme und Solidarität.735
Zumindest jene Medien, die sich öffentlich-rechtlichen Standards verpflichtet fühlen, haben also
einen Bildungsauftrag. Fernsehprogramme zum Beispiel sollen nicht nur unterhalten und
informieren, sondern beinhalten grundsätzlich auch eine kulturelle Dimension. Hiermit leisten
sie einen Beitrag zur frei zugänglichen Bildung. Dennoch haftet der elektronischen Medienwelt

731
Sutter, 17; 111.
732
Reichertz, 221.
733
Interview 2, 7.
734
Interview 3, 15-16.
735
Vgl. Lesch in Münk, 190.
-207-

der Makel des Sekundären an, da etwas, was in Sekundenschnelle vervielfältigt und übertragen
werden kann, die Aura des Einmaligen und Kostbaren verliert.736

Zwischen den Medien und der Wissenschaft ist eine Wechselwirkung zu erkennen. Nicht nur
die WissenschafterInnen bedienen sich der Medien, sondern auch die Medien sind zu der
Erkenntnis gekommen, dass mit wissenschaftlichen Themen oder WissenschafterInnen Auflage
gemacht werden kann.737 In österreichischen Tageszeitungen, wie beispielsweise dem Standard,
gibt es eine eigene Rubrik für Wissenschaft, die unter dem Titel „Forschung Spezial“ läuft. In
der Wochendausgabe gibt es auch regelmäßig einen Teil mit dem Titel „Bildung & Karriere“.
Allein dieser Titel spricht für sich, da Bildung offensichtlich immer im Zusammenhang mit
beruflichen Chancen, Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten gesehen wird.
Die Medien zeigen aber nicht nur Interesse an den Ergebnissen und Kosten der Wissenschaft,
sondern auch an der Arbeit und dem Leben der WissenschafterInnen. Das (Privat-)Leben der
WissenschafterInnen wird durch die Darstellungen in den Medien immer transparenter, sodass
sie stets weniger Kontrolle über die Informationen betreffend ihre Arbeit oder über die
Informationen zu ihrer Person haben.738 Das aktuellste Beispiel hierfür aus dem Jahr 2011 ist die
Plagiatsaffäre um die Dissertation von Karl-Theodor zu Guttenberg, über welche nicht nur in
den deutschen, sondern auch in den österreichischen Medien ausführlichst berichtet wurde.

Die Medien zeigen als vermeintliche StellvertreterInnen der BürgerInnen auch zunehmend
Interesse für das Leben in der Alma Mater, insbesondere da die Wissenschaft für fast jedes
Gesellschaftsmitglied bedeutsam geworden ist. Beispielsweise hat die Wissenschaft
Atombomben, aber auch Atomkraftwerke ermöglicht oder die Pisa-Studie verantwortet etc.
Anders ausgedrückt, gestaltet die Wissenschaft die Gesellschaft in nicht unerheblichem Maße
mit.739

Hochschulen haben eigene Pressestellen und Stellen für Wissenstransfer geschaffen, um sich
gegenüber der Öffentlichkeit auszuweisen. Sie greifen außerdem die in England seit 15 Jahren
erfolgreiche Bewegung der „Public Understandig of Sience“ auf, welche im Wesentlichen
aussagt, dass es für das Erlangen von Verständigung und Verständnis von und für Wissenschaft
nicht nur Formate populärer Medien bedarf, sondern auch das Erlernen, wie sie zu gebrauchen
sind, erforderlich ist.740

736
Lesch in Münk, 177-178.
737
Reichertz, 221.
738
Reichertz, 221-222.
739
Reichertz, 216.
740
Reichertz, 218.
-208-

Weiters vermitteln die Medien der Bevölkerung zwar ganz allgemein, dass universitäre
Forschung und Lehre an sich grundlegende gesellschaftliche Bedeutung haben und auch
entsprechend wahrgenommen werden sollten, doch beleuchten sie die spezifischen Leistungen
der Universitäten nicht im Detail.741 Es mangelt den JournalistInnen häufig an der nötigen
Fachkompetenz um „Hintergrundinterviews“ führen zu können, da sie nicht die entsprechende
Ausbildung dafür genossen haben.742

F. Lösungsansätze zur Schaffung einer „ökonomischen Bildungspolitik“ im


Hochschulbereich

1. Ökonomisierung von Bildung - Was ist das?

Die Finanzierungsstruktur der Universitäten hat sich in den letzten Jahren verändert, wobei
unterschiedliche Finanzierungsmodelle für die Finanzierung der beiden Kernaktivitäten der
Universitäten, Forschung und Lehre, realisiert wurden. Es ist ein Trend hin zu einer
„leistungsorientierten Finanzierung“ festzustellen. Während die Finanzierung der Universitäten
traditionell vornehmlich auf Inputgrößen wie Raumgröße oder Anzahl des Personals beruht,
welche die Basis für den Aushandlungsprozess zwischen dem Ministerium und den
Universitäten liefert, werden seit den 1980er Jahren zunehmend Outputkennzahlen
berücksichtigt. Derartige Finanzierungsformen - im Kontext von Reformen des öffentlichen
Sektors auch häufig unter dem Begriff „New Public Management“ bezeichnet - werden
entweder durch Leistungsvereinbarungen oder durch Formelbudgets umgesetzt.
Leistungsorientierte Mittelallokation ist nicht unumstritten und mit möglichen Nachteilen
verbunden: Im Allgemeinen stellen Indikatoren immer Annährungen dar und berücksichtigen
gar nicht oder nur unbefriedigend die Qualität der Outputs. In denjenigen Fällen, wo
Forschungsmittel auf Basis der Anzahl der Studierenden zugeteilt werden, werden Anreize
gesetzt, Lehre und Forschung zu integrieren. Durch die Nutzung der Anzahl der AbsolventInnen
bzw. Abschlüsse werden Anreize gesetzt, die Drop-out-Raten zu senken. Wird die Anzahl der
eingeworbenen Drittmittel als Indikator genutzt, setzt dies Anreize, dass zusätzliche Drittmittel
eingeworben werden. Leistungsorientierte Finanzierung auf Basis von Inputs gibt nur schwache
Anreize, die Qualität und Quantität des Outputs zu erhöhen, aber starke Anreize, Kosten zu
reduzieren. Mit outputorientierter Finanzierung können diese Anreize korrigiert werden,

741
Interview 4, 14.
742
Interview 5, 19-20.
-209-

allerdings auf Kosten schwächerer Anreize hinsichtlich der Verbesserung der Lehr- oder
Forschungsqualität.743

Bevor nun diverse Lösungsansätze zur Erzielung einer sogenannten „ökonomischen


Bildungspolitik“ vorgestellt werden, soll zunächst Folgendes vorangeschickt werden: Man kann
bekanntlich nicht mehr produzieren, als man Produktionsmittel hat. Wenn die Studienplätze nur
in einer bestimmen Anzahl vorhanden sind, dann können sie nicht dreifach überdehnt werden.
Es hat entweder eine Beschränkung der Studienplätze, sprich eine Einengung der
TeilnehmerInnen zu erfolgen oder es hat eine Ausweitung der Studienplätze stattzufinden,
sprich mehr Investitionen. Ein „Weder-noch“ kommt wohl nicht in Betracht.744

Außerdem gilt es an dieser Stelle noch zu klären, was überhaupt unter der Ökonomisierung von
Bildung zu verstehen ist. Schließlich war es nicht immer so, dass eine Art „Zwangsehe“
zwischen Bildung und Ökonomie herrschte, im Gegenteil, im Zeitalter der Aufklärung sprach
Immanuel Kant von der „Befreiung des einzelnen aus seiner selbstverschuldeten Unmüdigkeit“
durch Bildung. Heute sind Bildung und Wissen demgegenüber durch kapitalistische
Einflussnahme vielmehr zu Machtinstrumenten geworden. Diesen Entwicklungen kann nur
entgegengewirkt werden, wenn Bildung klar als ein „öffentliches Gut“ gesehen wird. In
Österreich ist eine derartige Sichtweise in der passiven Bildungspolitik der letzten Jahre jedoch
nicht zu verzeichnen, im Gegenteil, vielmehr wurden Universitäten zu Unternehmen gemacht,
die in vielen Bereichen auf die Kooperation mit Wirtschaftsbetrieben angewiesen sind.745 Die
Reformtätigkeiten im Hochschulsektor, die sich etwa im vergangenen Jahrzehnt abzeichnen,
erfahren eine starke Prägung durch ökonomisierende Argumentationsmuster. Unter
Ökonomisierung wird in diesem Kontext das Zielen auf Marktsteuerung und Marktsimulation
und die Orientierung an wirtschaftlichen Rationalitätskalkülen wie Effizienz verstanden.746

Trotz alledem kommt die Entwicklung der steigenden Studierendenzahlen in den letzten
Semestern hinzu, die jedoch nicht in der Steigerung des Budgets abgebildet ist. Darüber hinaus
sind hohe Drop-out-Raten zu verzeichnen747 (teilweise bis zu 60 Prozent). Diese hohen Drop-
out-Raten, welche ein Ursachenproblem darstellen, werden in der Öffentlichkeit häufig als
„Versagen der Universitäten“ angesehen. De facto sind den Universitäten jedoch die Hände
gebunden, da sie keine Möglichkeit haben, eine Passung zwischen den Kapazitäten und der

743
Leitner/Ecker/Steindl, 3; 5-6.
744
Sorger, Veit: Studienplätze beschränken oder ausweiten <http://derstandard.at/1330390309638/Industrie-und-
Bildung-Studienplaetze-beschraenken-oder-ausweiten>, 5.3.2012.
745
Vgl. Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 91; 100.
746
BMBWK, 57.
747
Interview 2, 9.
-210-

Studierendenzahl herzustellen.748 In anderen Ländern, wie etwa Großbritannien oder der


gesamten USA sind Universitäten Ganztagseinrichtungen, wo Studierende ihr Dasein am
Campus verbringen und sich alleine durch das „Vor-Ort-Sein“ sowie durch die vorhandenen
Dienstleistungen wie etwa vollständige Bibliotheken enorm viel (Lern-)Zeit ersparen. Es gibt
dort weitaus geringere Studienquoten und auch geringere Drop-out-Quoten.749

Grundsätzlich können alle Bereiche des menschlichen Lebens aus einem ökonomischen
Blickwinkel betrachtet werden. Dies gestaltet sich solange als unproblematisch, solange die
Ökonomie nicht der einzige Gesichtspunkt ist und damit zur dominierenden Perspektive
erhoben wird, die an die Realität angelegt wird. Wenn jedoch derzeit von einer
„Ökonomisierung der Bildung“ gesprochen wird, wird darunter, von einem neoliberalen
Standpunkt ausgehend, Folgendes verstanden:750 die „Tendenz, Bildungsfragen beinahe
ausschließlich vor dem Hintergrund trivialisierter und verkürzter neoliberaler Lösungsansätze
und Theorien zu bearbeiten und zu diskutieren.“751

Bei der Ökonomisierung der Hochschulbildung im Speziellen geht es darum, Hochschulen nach
Kriterien wirtschaftlicher Effizienz zu führen. Eine weit verbreitete Ansicht ist nämlich, dass die
Leistung von Hochschulen mit dem Wettbewerbsprinzip verbessert werden könne. Zugrunde
liegt diesen Argumenten, die Behauptung, dass durch eine andere Finanzierung sowie Steuerung
die in dieser Arbeit schon mehrmals erwähnten Defizite behoben werden können. Es sollen
daher Muster betriebswirtschaftlichen Denkens und betriebswirtschaftlicher Steuerung auf die
äußere sowie innere Organisation der Hochschulen und damit auf den eigentlichen Kern ihrer
Arbeit, und zwar Bildung und Erziehung, übertragen werden. Die Wirtschaftsbetriebe
bestimmen durch Ihre „Nachfrage“ an Arbeitskräften, die von Studierenden geforderten
Eigenschaften, wodurch sich die grundsätzliche Ausrichtung von Hochschulen ändert: Die
StudentInnen werden nicht mehr um ihrer selbst willen gebildet, sondern weil der
Wirtschaftsapparat AbsolventInnen mit bestimmten Qualifikationen fordert.752

Hinsichtlich des Begriffes Ökonomisierung bedarf es einer Unterscheidung von zwei Ebenen.
Die erste Ebene ist jene der Theorie, auf welcher wissenschaftliche Ansätze und Paradigmen
entwickelt werden, die zum sozialwissenschaftlichen Verständnis des Bildungswesens von
einem bestimmten Blickwinkel aus beitragen sollen. Die Anwendbarkeit des
Marktmechanismus und die daraus hervorgehenden Folgen sind hier von zentralem Interesse.

748
Interview 2, 13.
749
Interview 5, 8-9.
750
Pühringer Schmidt in Blaha/Weinholzer, 91.
751
Vater zitiert nach Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 91.
752
Krautz, 98-99.
-211-

Einerseits ist auf dieser Ebene der Betrachtung klar, dass fundamentale gesellschaftliche
Interessen durch den Einsatz des Marktes nicht befriedigt werden. Andererseits wird aber auch
ganz klar von Vorteilen marktwirtschaftlicher Mechanismen ausgegangen, sodass eine
fundamentale Opposition gegen den Markt auch nicht zu vertreten ist. Die zweite Ebene ist jene
der Praxis, der Rhetorik und der Politik. Hier wird in erster Linie um die praktische und
politische Gestaltung des Bildungswesens und der Bildungsprozesse gerungen. Auf dieser
Ebene wird die Gleichsetzung von Ökonomie und Neoliberalismus stark betont und es werden
grundsätzlich unterschiedliche ökonomische Zugänge sowie verschiedene politische Schlüsse
aus ökonomischen Argumenten oft nicht mehr differenziert. Einem Pro-Marktfundamentalismus
steht ein Anti-Marktfundamentalismus gegenüber, wobei die Gefahr besteht, dass ökonomische
Überlegungen überhaupt diskreditiert werden, und grundsätzliche Gegensätze zwischen Bildung
und Ökonomie aufgebaut werden. Häufig werden diese beiden Ebenen in der Diskussion
vermischt.753

Darüber hinaus sind drei weitere Dimensionen, die ökonomisiert werden können, zu
differenzieren: Bildungsinhalte, Bildungsdienstleistungen sowie Bildungsinstitutionen und die
pädagogischen Beziehungen. Unter der Ökonomisierung der Bildungsinhalte ist die inhaltliche
Ausrichtung der Bildung auf ökonomisch notwendiges Wissen, auf Kenntnisse und Fähigkeiten,
die man im heutigen Wirtschaftsleben braucht, zu verstehen. Ökonomisierung von
Bildungsdienstleistungen bedeutet, dass Bildung selbst zur handelbaren Ware wird. Mit anderen
Worten sind hiermit Formen der Privatisierung von Schulen und Hochschulen gemeint, wie
auch der Handel mit Bildungsprodukten. Zentral sind hier also die konkreten Gewinnaussichten
eines Handels mit Bildung. Die dritte Dimension, die Ökonomisierung von
Bildungsinstitutionen meint die Umstellung der inneren Führung der Bildungsinstitutionen und
ihrer Verwaltung auf betriebswirtschaftliche Steuerungsmuster sowie die Inszenierung eines
begrenzten Wettbewerbs zwischen Hochschulen. Dies führt in weiterer Folge unvermeidlich zu
einer Ökonomisierung der zwischenmenschlichen Verhältnisse und damit der pädagogischen
Beziehungen. Studierende und ProfessorInnen verkehren nicht mehr aus Bildungsgründen
miteinander, sondern müssen wechselseitig wirtschaftlichen Nutzen abwerfen.754
Bildung wird also selbst am Nutzen gemessen, als Investition oder Eigentum, und in dieser
Form als Ware oder Besitz diskutiert. Außerdem wird im Zuge der Ökonomisierung der

753
Lassnigg in IHS, 1; 6.
754
Krautz, 111.
-212-

Bildung das Individuum als TärgerIn oder BesitzerIn der Bildung ebenso ökonomisiert, nämlich
durch die Ökonomisierung seines Denkens und Handelns.755

Ökonomisierung der Bildung bedeutet auch in gewisser Weise ein Umdenken und eine
Umdefinition. Bildungsausgaben sollen nicht mehr als (öffentliche oder private)
Konsumausgaben angesehen werden, sondern viel mehr als eine Investition in Humankapital.
Durch viele Studien ist belegt, dass diese Investitionen Erträge bringen, die denen von anderen
Formen von Kapital (beispielsweise Sachkapital) zumindest entsprechen.756

Die Europäische Kommission hat diese Umdefinition der Bildungsausgaben von Konsum in
Investitionen in einer Mitteilung vom Jänner 2003 betont: „Zentral ist die Botschaft, dass die
Ausgaben für das Bildungswesen als reale Investitionen gewertet werden müssen, statt als
wiederkehrende Verbrauchsausgaben, dass also ein umfassender Paradigmenwechsel im
Hinblick auf die (öffentlichen) Bildungsausgaben vollzogen werden soll, von Staatsverbrauch zu
Investitionen in Wissen.“757

Mit dieser Definition als Investition ist auch der Begriff der Humanressourcen bzw. des
Humankapitals verbunden. Häufig wird von einem humanistischen Standpunkt aus der
Trugschluss begangen, dass erst die Betrachtung als Investition als ökonomisch gewertet wird.
Eine alternative ökonomische Betrachtung besteht nämlich in der Wertung der
Bildungsausgaben als Konsum, was aber unter den Bedingungen der Budgetsanierung den
Druck auf das Bildungswesen erhöht. Gleichzeitig stellt sich aber bei der Betrachtung der
Bildung als Investition die Frage nach den Erträgen auf diese Investitionen, und auch die Frage,
inwieweit marktwirtschaftliche Mechanismen in der Lage sind, die Mittel für diese
Investitionen „privatwirtschaftlich“ bereitzustellen, bzw. inwieweit die öffentliche Hand zu
einem ausreichenden Investitionsniveau beitragen muss.758

Laut Rogler wird unter (neoliberaler) Ökonomisierung „die Expansion von aus der
gewinnorientierten Privatwirtschaft entstandenen Sichtweisen und Ordnungsmechanismen in
einst anderweitig ausgerichtete gesellschaftliche Bereiche“ verstanden, hier in concreto in die
Universitäten.759

Abschließend wird hier kritisch festgestellt, dass die Ökonomisierung der Bildung deren
Kernbereich angreift: Persönlichkeitsreifung, Auseinandersetzung mit der Welt,

755
Jakobi, 31.
756
Vgl. Lassnigg in IHS, 2.
757
Lassnigg in IHS, 14-15.
758
Lassnigg in IHS, 15.
759
Rogler, 2.
-213-

Mitmenschlichkeit und Verantwortlichkeit. Es ist wirklich fraglich, wie diese Schlüsselwörter,


die den traditionellen Bildungsbegriff umschreiben, wirtschaftlich bewertet werden sollen.760

2. Allgemeines zu Studiengebühren, Zwischenfinanzierung durch zinsfreie Darlehen und


eine AkademikerInnensteuer

Als ein möglicher Lösungsansatz wäre eine Wiedereinführung der Studiengebühren


anzudenken, doch wäre eine Modifikation des ursprünglichen österreichischen Modells, nach
dem alle Studierenden Studiengebühren in gleicher Höhe zu bezahlen haben, erforderlich, um
die Sozialverträglichkeit der Studiengebühren zu gewährleisten und nicht soziale
Zugangsbarrieren zu schaffen. In concreto sind drei Maßnahmen denkbar, die die erwähnte
Sozialverträglichkeit sicherstellen könnten: Eine Möglichkeit wäre die Entrichtung der
Studiengebühren während des Studiums (durch die Eltern), wobei die Beitragshöhe nach dem
Elterneinkommen gestaffelt wird. Unter einer bestimmten Mindestgrenze ist das Studium
gebührenfrei. Während die sofortigen Einnahmen als ein Vorteil dieses Modells angesehen
werden können, stellen die Betrachtung der StudentInnen als einen Teil des Elternhaushalts und
nicht als selbstständige BürgerInnen sowie der administrative Aufwand für die Ermittlung des
Familieneinkommens wesentliche Nachteile dar.761

Der zweite Ansatz wäre eine Zwischenfinanzierung durch ein zinsenfreies Darlehen, welches
fällig wird, sobald der begünstigte Studierende über ein eigenes Einkommen verfügt. Der einzig
wahre Nachteil dieser Maßnahme besteht in den zeitverzögerten Einnahmen. Demgegenüber
werden Studierende als selbstständige BürgerInnen betrachtet und auch das Leben innerhalb
oder außerhalb des Elternhaushalts sowie das Elterneinkommen sind nicht von Relevanz,
sondern bloß das spätere Einkommen des/der Studierenden selbst ist maßgeblich762 [näheres
siehe II.F.4.a)].

Die dritte Variante ist eine Kombination der beiden bereits angeführten Ansätze. Nur
StudentInnen aus einkommensschwachen Elternhäusern erhalten ein Darlehen, alle anderen
haben die Gebühren sofort zu begleichen. Durch dieses Modell werden zwar die höchsten
Einnahmen erzielt, doch bringt es rechtliche Unsicherheiten sowie einen hohen
Verwaltungsaufwand mit sich, da nicht nur das Haushaltseinkommen der Eltern, sondern auch
das spätere Einkommen der StudentInnen geprüft wird. Die unterschiedlichen Abgabepflichten
dürfen nämlich nicht außer Acht gelassen werden, da im Falle eines Darlehens der/die

760
Krautz, 99.
761
Pechar/Keber, 21-22.
762
Pechar/Keber, 21-23.
-214-

Studierende selbst für dessen Tilgung aufkommen muss und im anderen Fall die Eltern die
Gebühren finanzieren.763

Eine weitere mit einem geringen Verwaltungsaufwand verbundene Option, bei der jedoch die
ordnungspolitischen Effekte von Studiengebühren verloren gehen, wäre die Einführung einer
AkademikerInnensteuer, also ein Zuschlag zur Einkommensteuer von
764
HochschulabsolventInnen. Diese Alternative wurde/wird in der Studiengebührendebatte
bislang wenig diskutiert765 (näheres siehe II.F.7.).

3. Lösungsansatz Studiengebühren

Im folgenden Kapitel sollen nun grundlegende Pro- und Contra-Argumente, die für bzw. gegen
Studiengebühren sprechen, herausgearbeitet werden. Darüber hinaus soll auch geklärt werden,
inwiefern die Einhebung von Studiengebühren tatsächlich die finanziellen Engpässe der
Hochschulen reduzieren könnte.

Bis September 2008 haben sich die Universitäten auch durch die Studiengebühren finanziert, da
diese der jeweiligen Universität verblieben sind. Studierende, die ein von mehreren
Universitäten gemeinsam eingerichtetes Studium betrieben haben oder die zu mehreren Studien
an verschiedenen Universitäten zugelassen waren, hatten nur einmal den Studienbeitrag zu
entrichten und die beteiligten Universitäten hatten ihn sich untereinander aufzuteilen. Hat
hingegen jemand zugleich an einer Universität studiert und an einem FH-Studiengang
teilgenommen, dann hatte er/sie den Studienbeitrag zweimal zu entrichten, sofern an der FH ein
Studienbeitrag vorgeschrieben war.766

Dass die Studiengebühren den Universitäten verbleiben und nicht in das Budget des
Ministeriums fallen, mit welchem dieses dann insgesamt wirtschaftet, ist die grundlegende
Voraussetzung dafür, dass das Finanzierungsmodell der Studiengebühren als zweckmäßig
erachtet werden kann. Studiengebühren müssen zur universitären Budgetierung dazu kommen
und dürfen nicht der Ersatz für Ressourcen sein, die das Ministerium nicht mehr zur Verfügung
stellt. Dies wird auch von universitätsinterner Seite bekräftigt.767 Darüber hinaus dürfen die
Studiengebühren auch nicht innerhalb der Universitäten versickern, sondern sollten in den
jeweiligen Fakultäten der Studierenden verbleiben, sodass auch tatsächlich in den Bereichen, in

763
Pechar/Keber, 23-24.
764
Pechar/Keber, 24; 178.
765
Schwarz, Valentin: Studiertensteuer statt Studiengebühr <http://derstandard.at/1331206780375/Unifinanzierung-
Studiertensteuer-statt-Studiengebuehr>, 9.3.2012.
766
Kasparovsky/Wadsack, 30; 43.
767
Vgl. Interview 2, 10; Interview 3, 18; Interview 4, 8; Interview 5, 11.
-215-

denen die Zahl der Studierenden steigt, die Ressourcen verstärkt werden können. Insbesondere
in jenen Studien, die personalintensiv und nicht apparateintensiv arbeiten, wäre der Verbleib in
der jeweiligen Fakultät wünschenswert, weil dies eine enorme Verbesserung der Qualität der
Studien mit sich bringen würde.768

Nachdem der VfGH Teile der Studiengebührenregelung aufgehoben hat, fielen mangels einer
fristgerechten Neuregelung durch die Regierung mit 1. März 2012 jene Bestimmungen aus dem
Gesetz, die regeln, wann ein Studierender zahlen muss und wann nicht. Im Sommersemester
2012 verlieren die Universitäten daher rund 17 Millionen Euro. Die autonome Einhebung von
Studiengebühren sowie die juristische Klärung des Themas Studiengebühren vor Gericht
scheinen die letzten Möglichkeiten für die Universitäten zu sein, sich Rechtssicherheit zu
verschaffen, da die Regierung bis dato keine politische Lösung vorlegt.769

Zu erwarten ist, dass die Studierenden gegen ihre Universitäten klagen werden und die
Universitäten können nur versuchen eine Flut an Klagen abzuwenden. Die Universität Wien
bietet hierzu den Studierenden an, dass Studierende erst bezahlen müssen, wenn es einen
gerichtlichen Bescheid gibt, der die Rechtmäßigkeit der Gebühren feststellt. Bis dieser vorliegt,
besteht die Möglichkeit, dass die Zahlung gestundet wird. Sollte ein Großteil der Studierenden
dieses Angebot nicht annehmen und sollte eine massive Anzahl an Klagen eingebracht werden,
dann besteht die Gefahr, dass die Universität sogar mehr Geld verliert, als sie durch die
Studiengebühren einnimmt.770

Im Kontext mit dem Thema Studiengebühren sollten stets die Lebenshaltungskosten


mitberücksichtigt werden, denn, so sind sich Hochschulforscher Martin Unger und
Rektorenchef Hans Sünkel einig, „die Lebenshaltungskosten sind indirekt die höchsten
Studiengebühren, die Studierende schon jetzt bezahlen“.771

Keinesfalls sollte die „Bestrafung“ unerwünschten Verhaltens von StudentInnen, wie etwa die
Überschreitung der vorgesehenen Studiendauer, als ein Zweck bzw. eine Funktion der
Studiengebühren angesehen werden, da sie aus ökonomischer Sicht nur geringe
Einnahmequellen darstellen und somit im Hinblick auf die finanzielle Situation der

768
Interview 5, 11.
769
Mehrere Unis planen die Einführung von Studiengebühren <http://derstandard.at/1329870008473/Ab-Herbst-
Mehrere-Unis-planen-die-Einfuehrung-von-Studiengebuehren>, 23.2.2012.
770
Hagen, Lara/Neumann, Sebastian: Gebührenstreit landet vor dem Höchstgericht in Der UniStandard Mai 2012,
20.5.2012
771
Nimmervoll, Lisa: Der Homo oeconomicus studiert woanders http://derstandard.at/1295571020572/Der-Homo-
oeconomicus-studiert-woanders>, 28.1.2011.
-216-

Universitäten nicht lösungsorientiert sind.772 Studiengebühren sollten auch nicht dazuführen,


dass Studierende weniger Leistungen in Anspruch nehmen und hierdurch vielleicht das Gefühl
erlangen, dass sie für ihr Geld nichts Wertvolles bekommen.773

Wie bei jeder (politischen) Diskussion gibt es auch hinsichtlich des Themas Studiengebühren
BefürworterInnen und GegnerInnen, die beide gute Argumente für bzw. gegen deren
Einführung haben, auch wenn sich bisher weder die einen noch die anderen glaubhaft empirisch
belegen lassen. BefürworterInnen sind der Ansicht, dass Studiengebühren antriebslosen
StudentInnen einen Anreiz liefern, ihr Studium zügiger abzuschließen und damit individuelle
und öffentliche Kosten zu sparen. Außerdem hätten die Studierenden ein stärkeres Anrecht, auf
bessere Studienbedingungen zu pochen, was den Servicecharakter der Hochschulen stärken und
die Qualität der Lehre gegenüber einem Studium zum „Nulltarif“ erhöhen könnte.774 Wenn
Studierende Studiengebühren zu entrichten haben, treffen sie bewusstere Entscheidungen
zugunsten einzelner Universitäten und Studiengänge und verbessern somit aufgrund von
Wettbewerb die Lehre an den Universitäten. Studierende würden also nicht nur genauer
überlegen, was und wo sie studieren möchten, sondern sie würden auch eine schlechte Qualität
der Lehre kritisieren. Eine Verbesserung der Lehre hätte wiederum zur Folge, dass schneller
studiert werden könne.775 Außerdem habe das Gratis-Studium keine hohe soziale
Treffsicherheit, sodass gewisse Gesellschaftsschichten hiervon überdurchschnittlich profitieren.
Weiters werde durch ein kostenloses Studium nicht erzielt, dass das Bildungsangebot besonders
geschätzt werde und daher besonders intensiv in Anspruch genommen werde, sondern werde
die Möglichkeit eines Universitätsstudiums als ohnehin gegeben angesehen und sinke damit in
der Prioritätenliste der Studierenden weiter nach hinten. Dass das Angebot der Universitätslehre
etwas ökonomisch Wertvolles sei, sei den meisten Studierenden nicht bewusst.776 KritikerInnen
sind demgegenüber der Ansicht, dass Studiengebühren soziale Missstände hervorrufen, da
berufstätige Studierende zu noch höheren Ausgaben und damit zu noch höheren Belastungen
gezwungen würden, welche die Studiendauer verlängern könnten. Außerdem hätten viele
StudentInnen nach der Einführung der Studiengebühren 2002 das Ausmaß ihrer ehrenamtlichen
Tätigkeiten zugunsten finanziell einträglicher Nebenerwerbsanstellungen eingeschränkt.777

772
Pechar/Keber, 21.
773
Interview 4, 9.
774
Auer, 168; 172.
775
Wagner in Opielka, 122.
776
Interview 4, 8-9.
777
Auer, 170.
-217-

Trotz dieser Für und Wider darf nicht außer Acht gelassen werden, dass Wechselwirkungen
zwischen Studiengebühren und direkten Fördermaßnahmen gemäß dem
Studienförderungsgesetz [siehe II.C1.b)dd)aaa)] bestehen, da Studierenden nach deren sozialer
Bedürftigkeit und deren Studienerfolg Stipendien gewährt werden.778

4. Studieren auf Kredit

a) Warum Studieren auf Kredit in Kontinentaleuropa nicht viele überzeugt

Dass Studierende in Kontinentaleuropa, anders als jene im angelsächsischen und asiatischen


Raum, Studienkrediten mit Skepsis begegnen, ist auf „kulturelle Faktoren“ zurückzuführen. Wie
bereits mehrmals erwähnt wurde, wird Bildung in Kontinentaleuropa, auch wenn tatsächlich
nicht alle Merkmale gegeben sind, als öffentliches Gut angesehen und nicht so sehr als
Investition, die eine der höchsten Renditen in Form von erzielbaren Gehaltszugewinnen für ein
abgeschlossenes Studium hat. Dies spricht per se noch nicht gegen ein Darlehensmodell doch
bedarf es laut Hochschulforscher Martin Unger einer sehr guten Vorbereitung, um dieses
Modell zu etablieren.779 Das „Problem“, das sich in Österreich stellt, ist die Koppelung der
Überlegungen zu Studienkrediten an die Studiengebührendiskussion. In vielen europäischen
Ländern, in denen keine Studiengebühren eingehoben werden, sind StudentInnendarlehen
üblich. Insbesondere in Skandinavien sind die StudentInnendarlehen von Bedeutung, da die
Unterhaltspflicht der Eltern dort grundsätzlich mit dem 18. Lebensjahr endet.780 Wichtig wäre
daher in erster Linie eine Entkoppelung des Themas Studiengebühren von den Darlehen, da so
betont werden kann, dass der Kredit zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten nötig ist und
nicht zur Abdeckung der Gebühren.781

Hinzu kommt noch, dass Studierende keine Kreditsicherheiten anbieten können, da das
aufzubauende Humankapital im Gegensatz zu Sachkapital nicht übertragbar ist. Daher ist die
Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung eines Studiums mit besonderen Schwierigkeiten
verbunden, die zu einer Unterversorgung an Humankapital führen können.782

Eine „Mini-Variante“ von StudentInnendarlehen gibt es jedoch auch in Österreich: Diejenigen


Studierenden, die Studiengebühren zahlen und keine Beihilfe beziehen, können unabhängig von

778
Interview 4, 8.
779
Nimmervoll, Lisa: Der Homo oeconomicus studiert woanders http://derstandard.at/1295571020572/Der-Homo-
oeconomicus-studiert-woanders>, 28.1.2011.
780
Eisenreich, U2.
781
Nimmervoll, Lisa: Der Homo oeconomicus studiert woanders http://derstandard.at/1295571020572/Der-Homo-
oeconomicus-studiert-woanders>, 28.1.2011.
782
Barbaro in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 46.
-218-

der sozialen Bedürftigkeit bei einer Bank ein gefördertes Darlehen beantragen. Der Bund
übernimmt dann zwei Prozent der Zinsen.783 Das Darlehen dient ausschließlich zur
Finanzierung der Studienbeiträge. Den Zinszuschuss können grundsätzlich alle Studierenden
erhalten, die zum Studienbeginn das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Soziale
Bedürftigkeit und günstiger Studienfortgang sind für die Vergabe des geförderten Darlehens
nicht maßgeblich. Die Zinszuschüsse werden für längstens 15 Semester gewährt. Nach
Beendigung des Studiums ist das Darlehen zurückzuzahlen. Eine vorzeitige Rückzahlung ist
nach Vereinbarung mit dem Kreditinstitut möglich. Im Jahr 2005 haben 939 Studierende, im
Jahr 2006 haben 891 Studierende und im Jahr 2007 600 Studierende dieses Angebot in
Anspruch genommen.784

b) Der Verein Studienaktie.org

Der Schweizer Verein Studienaktie.org, der im November 2006 von Studierenden für
Studierende gegründet worden ist, ist ein Verein zur Förderung und Ermöglichung von Bildung.
Ziel dieser Organisation ist es, den Studierenden mittels eines alternativen
Finanzierungsmodells Bildung zu ermöglichen, indem sie BildungsinvestorInnen anspricht, die
die BildungsaspirantInnen mit Rat und finanziellen Mitteln unterstützen.785 In concreto bedeutet
das, dass InvestorInnen Personen mit einem Bildungsvorhaben ein erfolgsabhängig verzinstes
Bildungsdarlehen geben,786 sodass sich Studierende ihr Studium teilweise dadurch finanzieren,
dass sie Anteile ihres zukünftigen Einkommens schon während ihres Studiums beziehen. Der
Anteil dieses Einkommens wird von den BildungsinvestorInnen gestellt, die ihren Nutzen
daraus ziehen, dass nicht nur ihr Geld, sondern auch ihr Rat gefragt ist.787 Es soll zwischen
BildungsaspirantInnen und InvestorInnen eine PartnerInnenschaft und damit eine Art
Mentoring-Beziehung aufgebaut werden, von der beide Seiten profitieren.788

Momentan laufen in Österreich zwei Pilotprojekte mit der Kunstuniversität Graz und der
Weitebildungsakademie der Donau-Universität Krems, um sich auf die österreichischen
Besonderheiten einstellen zu können. In Österreich wird derzeit eine Aspirantin unterstützt,
wobei sieben InvestorInnen gefunden werden konnten. Das Ziel von Studienaktie.org ist es in

783
Eisenreich, U2.
784
BMWF 2008, 227.
785
Der Verein Studienaktie.org <http://www.studienaktie.org>, 15.1.2011.
786
Ostermann, Gudrun: In Bildung investieren als Geldanlage <http://derstandard.at/1293370705933/In-Bildung-
investieren-als-Geldanlage>, 15.1.2011.
787
Der Verein Studienaktie.org <http://www.studienaktie.org>, 15.1.2011.
788
Ostermann, Gudrun: In Bildung investieren als Geldanlage <http://derstandard.at/1293370705933/In-Bildung-
investieren-als-Geldanlage>, 15.1.2011.
-219-

den nächsten fünf Jahren im deutschsprachigen Raum rund 300 AspirantInnen und 1000
InvestorInnen zu seinen Mitgliedern zu zählen.789

5. Lösungsansatz Studienplatzfinanzierung

Im deutschsprachigen Raum wird in den letzten Jahren verstärkt das Modell der
„Studienplatzfinanzierung“ diskutiert. Hinter diesem Ansatz steht die Idee, dass die
Finanzierung von Lehre auf der Anzahl der an der jeweiligen Hochschule ausgebildeten
Studierenden basiert. Es gibt unterschiedlichste Formen der Realisierung derartiger Modelle,
wobei in der prägnantesten Form pro Studienplatz sogenannte „Normkosten“ definiert werden,
die den Finanzierungsanteil pro Studienplatz darstellen. In Österreich haben sich etwa die FHs
von Beginn an dieser Finanzierungsstrategie verschrieben. International verfolgen Länder wie
Großbritannien, Irland, Frankreich, die Niederlande, Finnland, Schweden oder Dänemark das
Modell der Studienplatzfinanzierung. Dieses Modell sollte eine gerechte, transparente und
verursachungsgerechte Finanzierung ermöglichen und die Studienbedingungen verbessern.790

Die Finanzierung der Lehre auf Basis von Kennzahlen über Studierende kann prinzipiell
(traditionell) inputorientiert (zum Beispiel: Anzahl der Studierenden pro Semester) aber auch
outputorientiert (zum Beispiel: Anzahl der AbsolventInnen oder abgelegter Prüfungen) gestaltet
werden, wobei ersteres dem im Deutschen verwendeten Begriff der Studienplatzfinanzierung
entspricht.791

6. Lösungsansatz Bildungsgutschein

„Das“ Bildungsgutscheinmodell gibt es de facto nicht, sondern es handelt sich vielmehr um


unterschiedliche Bildungsgutscheinvorschläge, die in der Literatur gemacht werden.792 Die Idee
des Bildungsgutscheins geht auf Milton Friedman (1955 und 1962) zurück. Er schlug einen
Gutschein von einheitlichem Wert vor, das heißt einkommensunabhängig. Der Zugang zu
Bildungseinrichtungen sollte nicht-selektiv sein.793

Der Bildungsgutschein ist die prominenteste Ausformung der nachfrageorientierten


Bildungsfinanzierung. Die Eltern von Studierenden erhalten die Möglichkeit, die Gebühren bei
einer beim Staat anerkannten Universität bis zu einem bestimmten Betrag mit einem Gutschein
zu bezahlen, der beim Staat kostenlos erhältlich ist. Die Rolle des Staates wird bei diesem

789
Ostermann, Gudrun: In Bildung investieren als Geldanlage <http://derstandard.at/1293370705933/In-Bildung-
investieren-als-Geldanlage>, 15.1.2011.
790
Leitner/Ecker/Steindl, 1.
791
Leitner/Ecker/Steindl, 6.
792
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 33.
793
Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 37.
-220-

Modell somit auf vier Funktionen reduziert: Der Staat emittiert die Bildungsgutscheine für alle
Studienberechtigten, er legt Kriterien für jene Universitäten fest, bei denen ein
Bildungsgutschein eingelöst werden kann, er betreibt die staatlichen Universitäten, sofern das
Bildungsangebot nicht rein privat ist und der Staat sorgt dafür, dass die Marktmechanismen
spielen können, indem er beispielsweise die NachfragerInnen mit den relevanten Informationen
über das Angebot versorgt oder bei Konflikten zwischen Universitäten und NachfragerInnen
eingreift etc.794

Im Bereich der Hochschulbildung gibt es in Österreich das Modell des Bildungsgutscheins


nicht, aber die AK bietet bereits einen Bildungsgutschein, nämlich den 100 Euro-
Bildungsgutschein an. Der AK Bildungsgutschein soll den AK Mitgliedern den Zugang zur
Weiterbildung erleichtern. Der Bildungsgutschein ist ein Startkapital für die persönliche
Weiterbildung in der Höhe von 100 Euro. Er kann entweder auf einmal eingelöst oder auf
mehrere Kurse aufgeteilt werden.795

7. Lösungsansatz AkademikerInnensteuer

In erster Linie handelt es sich bei dem Modell der AkademikerInnensteuer um ein Instrument
der Umverteilung, da die Höhe der zusätzlichen Steuer von der Höhe des Einkommens abhängt.
Konkret hat zum Beispiel Kärntens Landesrat Peter Kaiser (SPÖ) vorgeschlagen, von allen
AkademikerInnen, die über EUR 40.000,00 im Jahr verdienen, zwanzig Euro pro Monat an
AkademikerInnensteuer zu kassieren. Dieses Modell hat jedoch vorerst keine Mehrheit in der
Regierung gefunden.796 Der bereits unter II.F.2. angesprochene Nachteil dieses Ansatzes ist die
fehlende positive Beeinflussung des Studierverhaltens, da die Höhe der Gebühr nicht von der
Studiendauer abhängt. Darüber hinaus besteht ein gewisser Anreiz das Studium kurz vor dem
Abschluss abzubrechen, da nur AbsolventInnen diese zusätzliche Steuer trifft. Ob eine
Steuerpflicht besteht, wird also nach dem „Alles oder Nichtsprinzip“ ermittelt, da alle
HochschulabsolventInnen zahlen, alle anderen Personen diese Steuer jedoch nicht bezahlen.
Außerdem haben die StudentInnen bzw. deren Eltern nicht die Wahl zwischen sofortiger oder
späterer Bezahlung. Weiters zahlt der/die Studierende streng genommen nichts zurück, sondern
tritt an den Staat das Recht ab, sein/ ihr Einkommen auf Lebenszeit höher zu besteuern. Die aus
diesen erhöhten Steuern erzielten Einnahmen stehen in keinem Zusammenhang mit den

794
Vgl. Wolter/Nagel-Drdla in Wolter, 10; 33.
795
AK-Bildungsgutschein <http://wien.arbeiterkammer.at/bilder/d152/AK_Kursbuch_Herbst_2011.pdf>,
15.7.2011, 1.
796
Schwarz, Valentin: Studiertensteuer statt Studiengebühr <http://derstandard.at/1331206780375/Unifinanzierung-
Studiertensteuer-statt-Studiengebuehr>, 9.3.2012.
-221-

Ausbildungskosten, da sie ausschließlich vom Lebenseinkommen abhängig sind.797 Ein Modell


der AkademikerInnensteuer sieht aber beispielsweise vor, dass absolvierte Lehrveranstaltungen
steuerlich in geeigneter Dimensionierung erfasst werden und als solche gemeinsam mit dem
später erzielten Einkommen die Bemessungsgrundlage für eine AkademikerInnensteuer bilden.
Eine andere Möglichkeit wäre zum Beispiel ein prozentueller Zuschlag zur
Einkommenssteuer.798

Es besteht außerdem die Gefahr, dass dieser Vorschlag für andere Bereiche, in denen der Staat
Kürzungen vorsieht, Schule macht. Es könnten dann beispielsweise auch eine Abgabe für
Schwerkranke für die Intensivstation oder eine Steuer für Behinderte, die auch mehr Kosten
verursachen als andere BürgerInnen, anfallen.799

Die AkademikerInnensteuer ist das einzige Gebührenmodell, das eine Heranziehung auch
früherer AbsolventInnenkohorten zur Beitragsleistung erlaubt und trotz grundsätzlich
verzögerter Zahlung auch hohe sofortige Einnahmen mit sich bringt. Es erscheint zwar fraglich,
ob auf dem Weg der Hochschulfinanzierung Verteilungspolitik betrieben werden sollte, aber
dennoch scheint die AkademikerInnensteuer eine wirksame Maßnahme zur
Einkommensumverteilung zu sein, da sie eine auf Dauer gestellte „Solidarabgabe“ gut
verdienender HochschulabsolventInnen darstellt.800

Grözinger ist der Ansicht, dass diese Art der privaten Beteiligung an den Kosten eines Studiums
durchaus gerecht sei, da die private Rendite eines Studiums in Österreich etwa zehn Prozent
beträgt, dh jeder der in Österreich studiert, verdient, alle Studienkosten einberechnet, im Lauf
des Lebens im Schnitt zehn Prozent mehr als ohne Studium. Das höhere Einkommen von
AkademikerInnen stelle eine erhebliche Subvention durch die Öffentlichkeit dar. Darüber
hinaus meint er, dass ein Vorteil solcher Maßnahmen sei, dass sie im Gegensatz zu
Studiengebühren nicht abschreckend wirken.801

AkademikerInnenvertreter hingegen sprechen von einer „lebenslangen Strafsteuer für Bildung“


und sind auch der Ansicht, dass eine derartige Steuer ebenso einen abschreckenden Effekt auf

797
Pechar/Keber, 24; 178-179.
798
Sturn/Wohlfahrt, 49.
799
Grünewald zitiert nach Aigner, Lisa: Wer mehr studiert, soll auch mehr zahlen
<http://derstandard.at/1285199796213/Akademikerabgabe-Wer-mehr-studiert-soll-auch-mehr-zahlen>, 5.10.2010.
800
Pechar/Keber, 179-180.
801
Schwarz, Valentin: Studiertensteuer statt Studiengebühr <http://derstandard.at/1331206780375/Unifinanzierung-
Studiertensteuer-statt-Studiengebuehr>, 9.3.2012.
-222-

StudienanfängerInnen haben könnte wie Studiengebühren. Es dürfe Besteuerung nicht am


Bildungsgrad festgemacht werden.802

Hinzu kommt noch, dass eine AkademikerInnensteuer politisch schwer durchsetzbar wäre, da
damit einerseits GutverdienerInnen belastet würden und dies der aktuellen Politik (2012)
widerspricht, die „Einkommensstärkere häufig entlastet“ und sich andererseits auch Studierende
oft gegen eine solche Steuer aussprechen, da sie sie mit Studiengebühren gleichsetzen.803

Im Anschluss an Pechar/Keber wiegen meines Erachtens trotz der genannten Vorteile die
Nachteile der AkademikerInnensteuer schwerer, in erster Linie deshalb, weil eine zusätzliche
Belastung der ohnehin komplexen und kontroversiellen Fragen der Hochschulfinanzierung mit
verteilungspolitischen Grundsatzfragen gegen dieses Modell spricht. 804 Auch wenn nicht selten
die Ansicht vertreten wird, dass ein/e HochschulabsolventIn der öffentlichen Hand fast doppelt
so viel kostet wie ein/e AbsolventIn der beruflichen Ausbildung,805 so darf dies nicht isoliert
betrachtet werden, sondern bedarf vielmehr einer Zusammenschau mit etwaigen später im
Berufsleben folgenden Einnahmen des Staates durch AkademikerInnen, wie beispielsweise
einkommensbedingte höhere Steuereinnahmen.

8. Lösungsansatz Alumni-Verbände
Alumni-Verbände sind Netzwerke für AbsolventInnen einer Universität bzw. einer Fakultät.
Mittlerweile sind an allen österreichischen Universitäten Alumni-Verbände eingerichtet.
Teilweise werden die Alumnis dabei von den Universitäten selbst betreut, teilweise haben diese
Aufgabe Tochtereinrichtungen der Universität übernommen, in anderen Fällen liegt die
Organisation bei den Alumnis selber, in enger Abstimmung mit ihrer Alma Mater. Unabhängig
von ihrer Organisationsform sind die Aktivitäten dieser Verbände sehr vielfältig und reichen
von der Information über Aktuelles an der Universität, über die Organisation von
Veranstaltungen bis zur Durchführung von Beratungen.806 Alumni-Verbände sind somit
Instrumente, um den Kontakt zwischen AkademikerInnen zu ihrer Universität
aufrechtzuerhalten und somit eine Zusammenführung von Wissenschaft bzw. Forschung mit der
Praxis, das heißt mit der praktischen Umsetzung des an der Universität erlernten Wissens, zu

802
Schwarz, Valentin: Studiertensteuer statt Studiengebühr <http://derstandard.at/1331206780375/Unifinanzierung-
Studiertensteuer-statt-Studiengebuehr>, 9.3.2012.
803
Schwarz, Valentin: Studiertensteuer statt Studiengebühr <http://derstandard.at/1331206780375/Unifinanzierung-
Studiertensteuer-statt-Studiengebuehr>, 9.3.2012.
804
Pechar/Keber, 181.
805
Dohmens zitiert nach Aigner, Lisa: Wer mehr studiert, soll auch mehr
zahlen<http://derstandard.at/1285199796213/Akademikerabgabe-Wer-mehr-studiert-soll-auch-mehr-zahlen>,
5.10.2010.
806
BMWF 2008, 329.
-223-

bewirken. Diese Netzwerke sind somit Win-Win-Organisationen für die Universitäten und für
die AbsolventInnen. Die Universität kann ihr Lehrangebot zumindest in einigen
Lehrveranstaltungen mehr praxisorientiert gestalten und die AbsolventInnen verlieren nicht
unmittelbar nach dem Abgang von einer Universität den Bezug zur Wissenschaft und zum
wissenschaftlichen Arbeiten. Es ergibt sich hierdurch ein Rückfluss und es eröffnet sich eine
Möglichkeit an Erfahrungen heranzukommen, die in der Praxis virulent sind. Dies belebt die
Forschung, macht sie interessanter, relevanter sowie herausfordernder und liefert Impulse für
die Curricula-Entwicklung.807
Alumni-Verbände könnten über diese Netzwerkfunktion hinaus durchaus auch einen Beitrag zur
Schaffung einer „ökonomischen Hochschulbildung“ leisten. Ihre Mitglieder, AkademikerInnen,
die mit der Universität in Kontakt bleiben, an der sie studiert haben, könnten nicht nur eine
MentorInnen-Funktion, ähnlich wie beim Verein Studienaktie.org, übernehmen, sondern auch
die jeweilige Hochschule finanziell unterstützen. Im Moment beruht die Mitgliedschaft in einem
Alumni-Verband auf freiwilliger Basis. Es ist aber überlegenswert, ob nicht eine
Pflichtmitgliedschaft auch eine Option wäre. Eine derartige Pflichtmitgliedschaft mit
verpflichtenden finanziellen Unterstützungsleistungen an die Universität würden eine
zusätzliche Einnahmequelle darstellen. Die MentorInnen-Funktion sollte demgegenüber stets
fakultativ sein, da nur so der optimale Output für die Studierenden erzielt werden kann. Im
Endeffekt würde diese Finanzierungsform nichts anderes bedeuten, als eine Finanzierung der
Studierenden durch Jung- und AltakademikerInnen. Eine auf dem Alter der AkademikerInnen
beruhende Abstufung der Beitragsleistungen wäre gewiss erforderlich, um etwaige
herausragende finanzielle Differenzen, die soziale Ungleichheiten nach sich ziehen, zu
vermeiden. Eine Orientierung der Beitragsleistungen am Gehalt der AkademikerInnen wird
nicht als zweckmäßig angesehen, da diese finanziellen Leistungen symbolisch für die eigene
vorangegangene Ausbildung stehen soll. Gewiss sind die Kosten für einen Studienplatz je nach
Studienrichtung unterschiedlich. Dennoch haben bzw. hatten alle Studiengebühren in gleicher
Höhe zu bezahlen. Ähnlich soll auch dieses Modell der Alumni-Verbände ausgestaltet werden.
Es würde einen enormen Verwaltungsaufwand und damit horrende Kosten erfordern, wenn sich
die Beiträge an den tatsächlichen Studienkosten orientieren würden. Ein derartiges System wäre
im Hinblick auf den tatsächlichen „Netto-Output“ somit nicht zweckmäßig.

807
Interview 2, 8.
-224-

9. Die neue Studieneingangsphase als das Ökonomisierungsmodell der rot-schwarzen


Regierung
Die Debatte um die Einführung der „neuen Studieneingangsphase“ (STEOP) ist unter anderem
auf das Phänomen des hohen Anteils der StudienabbrecherInnen zurückzuführen. Nur sechs von
zehn StudienanfängerInnen erlangen in Österreich auch tatsächlich einen Studienabschluss. Dies
trägt dazu bei, dass das System überlastet wird, ohne einen verhältnismäßigen Nutzen für die
Volkswirtschaft oder den/die einzelne/n zu erbringen. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten
„dieses Problem“ zu lösen: Einerseits könnte man versuchen, potentielle AbbrecherInnen so
schnell wie möglich zu überzeugen, die Universität zu verlassen. Andererseits könnte man auch
versuchen, möglichst viele Studierende bis zum Abschluss mitzuschleppen, wobei dies mit
Sicherheit die teuerste Variante wäre, unter der auch das Niveau der Bildung leiden würde.808
Ganz in diesem Sinne fiel die Entscheidung durch die „neue Studieneingangsphase“ auf die
erste Variante. Studierende, die den Prüfungskomplex nach zwei oder drei Versuchen - je nach
Universität - nicht bestehen, werden exmatrikuliert und lebenslang für das jeweilige Studium
gesperrt.809 Dass die Studierendenzahl auf diesem Wege nach einem Semester drastisch
reduziert wird, steigert ökonomisch die Allokationseffizienz.810

Die Studieneingangsphase ist jedoch nicht zur Kapazitätsregelung konzipiert worden, sondern
vielmehr zur Unterstützung der Studierenden bei ihrer Studienwahlentscheidung, um die
Passung zwischen den Wünschen der Studierenden und den Erfordernissen eines
wissenschaftlichen Studiums herzustellen. Dass die Studieneingangsphase kein
„Auswahlverfahren“ sei, ergebe sich bereits daraus, dass man sich durch die Absolvierung einer
Prüfung nicht um einen Studienplatz von X Studienplätzen bewirbt, da vom jetzigen Standpunkt
aus gar nicht klar ist, wie viele Studienplätze es in der jeweiligen Studienrichtung gibt.811 Es soll
den Studierenden ein Überblick über die wesentlichen Inhalte des jeweiligen Studiums und
dessen weiteren Verlauf vermittelt werden und eine sachliche Entscheidungsgrundlage für die
persönliche Beurteilung ihrer oder seiner Studienwahl gegeben werden.812 Es geht somit
vielmehr darum, die Verbindlichkeit des Studierens zu erhöhen, dh die Studierenden sollen das
Studium auch tatsächlich abschließen und die Universität soll ein gewisses Maß an Qualität
sicherstellen. Es ergibt sich in diesem Zusammenhang jedoch eine „scheinbare Paradoxie“: Je
intensiver der Auswahlprozess, also der Regelungsprozess am Beginn eines Studiums ist, desto

808
Seyr, 20.
809
Neue Eingangsphase ist „keine ehrliche Maßnahme“ in Der UniStandard März, U1.
810
Interview 4, 11.
811
Interview 2, 11; Interview 3, 18.
812
BMWF 2011, 141.
-225-

höher ist dann das Commitment. Es werden durch derartige Maßnahmen daher de facto die
AbgängerInnenzahlen erhöht und nicht reduziert. Diese Paradoxie ist jedoch im öffentlichen
Bewusstsein noch nicht ausreichend verankert.813

Mit der neuen Studieneingangsphase soll bei den Studierenden also mehr Commitment erlangt
werden, doch wenn man sich die tatsächlichen Prüfungen ansieht, kommt man in vielen
Studienrichtungen, wie auch beispielsweise in der Politikwissenschaft, zu dem Ergebnis, dass
die Prüfungsmethode auf Multiple Choice-Tests beschränkt wird, welche für Studierende, die
sich ein fundiertes Wissen angeeignet haben, gegenüber „weniger Wissenden“ schwer zu
beantworten sind. Überspitzt gesagt, wird durch diese Studieneingangsphasen die „mäßige
Intelligenz“ gefördert.814

Betrachtet man die Studieneingangsphasen kritisch, kommt man zu dem Ergebnis, dass das
wahre Problem, welches den „Ökonomisierungsversuchen der Universität“ zugrunde liegt, nicht
die große Zahl der Studierenden an sich ist, sondern die „falsche Bekämpfung der Massen“: Die
real existierenden Studierenden sind zu einem sehr hohen Prozentsatz berufstätig. Die
Berufstätigkeit ist für Bestreitung der Lebenserhaltungskosten bei vielen Studierenden eine
Notwendigkeit. Darüber wird jedoch nicht selten hinweggeschaut. Diese Umstände bewirken
aber, dass diese Studierenden das Studium nur bewältigen können, wenn sie die Zeit dehnen.
Diese Studierende belasten das System jedoch nicht, sondern sie planen für drei Semester und
sie schaffen es in drei Semestern. Es sind durchaus sehr engagierte StudentInnen, die die Zeit
dehnen, und zwar nicht aus Dummheit oder Unvermögen, sondern planvoll. Dieser Typ von
Studierenden wird oft übersehen. Stattdessen hat man einen Typus von Studierenden vor
Augen, die quasi von der Schulbank an die Universität kommen und die die Anwesenheit und
das Schulische fortsetzen. Aufgrund dieser wirklichkeitsfremden Vorstellung, ist die Schaffung
von Studieneingangs- und Orientierungsphasen stets notwendig.815

Einflussreiche EU-Mitgliedsstaaten vertreten die Auffassung, dass die Heranbildung


akademisch Qualifizierter etwas Erstrebenswertes darstellt. Es bestehen jedoch nach wie vor
Universitäten, die aufgrund der ihnen zu Verfügung stehenden knappen Ressourcen im
Verhältnis zu hohen Studierendenzahlen einer solchen Aufgabe nur schlecht gerecht werden
können. Laut Seyr stellt dies einen Widerspruch dar, da die Verknüpfung von Qualität und
Quantität nur - wenn überhaupt - durch überproportionalen Mittel- und Ressourceneinsatz
erreicht werden kann, der jedoch in Zeiten von Budgetknappheiten eher eine Utopie als die

813
Vgl. Interview 2, 9; 11.
814
Interview 5, 12-13.
815
Vgl. Interview 5, 13-14.
-226-

Realität darstellt.816 Dieser oder ein zumindest sehr ähnlicher Standpunkt wird auch von den
momentanen Regierungsparteien vertreten.

III. Resümee

A. Ergebnisse der Arbeit

In diesem abschließenden Kapitel sollen die eingangs aufgeworfenen Forschungsfragen


zunächst zusammenfassend beantwortet sowie die gestellten Hypothesen bestätigt bzw.
widerlegt werden. Den LeserInnen soll darüber hinaus ein schematischer Überblick über die
zentralen Feststellungen sowie Schlüsse, die aus den vorangegangenen Ausführungen gezogen
werden können, geboten werden.

1. Fragenkomplex/ 1. Hypothese: Bildung als Gegenstand der Politik

Der erste Fragenkomplex beschäftigt sich damit, WANN und WARUM Bildung im
Allgemeinen und Weiterbildung an Universitäten im Besonderen zum Gegenstand der Politik
geworden sind und welche Motive und Faktoren hierfür ursächlich waren.

Dass Bildung Gegenstand der Politik ist, ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts, sondern geht
vielmehr bis in das 18. Jahrhundert, insbesondere ins Zeitalter der Aufklärung zurück, als sich
die BürgerInnen mit Bildung von der absolutistischen Unterdrückung und Bevormundung zu
befreien versuchten. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als es zum Übergang von der
Industrie- zur Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft gekommen ist, welcher auch
tiefgreifende demografische, soziokulturelle und wirtschaftliche Veränderungen mit sich
brachte, sind auch Bildungsstrukturen, Bildungsinhalte und die Bedeutung von Bildung neu zu
bestimmen. Universitäten sind durch den Anstieg der Studierendenzahlen zu großen
Bildungsinstitutionen mit einem erhöhten Finanz- und Führungsbedarf geworden, wobei sich
diese Entwicklung in drei Phasen untergliedern lässt: 1. Zunftmodell bzw.
Ordinarienuniversität, 2. Demokratische Selbstverwaltung, 3. Dienstleistungsorientiertes
(Quasi-)Marktmodell. Die Universität hat sich von einem „Kleinfürstentum“, in dem alle
MitarbeiterInnen dem Ordinarius unterstellt waren und in hohem Maße von ihm persönlich
abhängig waren, über eine durch den verstärkten Einfluss des damals neu gegründeten
Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung zentralistisch gelenkte Institution, in
welcher durch die Errichtung vielfältiger drittelparitätisch zusammengesetzter Gremien eine

816
Seyr, 31.
-227-

demokratische Leitungsstruktur eingeführt wurde, hin zu einer autonomen Einrichtung


entwickelt, die unter anderem nach den Leitsätzen des New Public Managements agiert.

In der österreichischen Parteienlandschaft ist im Bereich der Bildungspolitik durch die enge
Verbundenheit und Verflechtung mit Verbänden, insbesondere der SPÖ und ÖVP das
parteipolitische Lagerdenken der 1960er Jahre in einem mit keinem anderen Politikbereich
vergleichbaren Maß erhalten geblieben. Die SPÖ, die ÖVP, die Grünen, die FPÖ sowie das
BZÖ setzen sich in ihren Parteiprogrammen mit dem Thema Bildung auseinander. Mit
Ausnahme des BZÖ sprechen sich alle Parteien für einen freien Hochschulzugang aus, da allen
sozialen Schichten der Zugang zum Bildungssystem ermöglicht werden soll, sodass eine
möglichst hohe Chancengleichheit gewährleistet werden kann. Das BZÖ tritt demgegenüber für
eine Wiedereinführung der Studiengebühren ein, aber mit gleichzeitiger Optimierung des
Beihilfensystems. SPÖ, ÖVP und Grüne treten für ein Bildungssystem ein, welches die
Entwicklung des/der einzelnen zu einem kritischen, freien, emanzipierten Menschen, der
verantwortliche Entscheidungen treffen kann, sein Leben selbstbestimmt gestaltet und auch an
der Gestaltung politischer Prozesse mitwirkt, fördert. Das BZÖ sieht Bildung unter dem
Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens und damit auch im Licht der ständigen
Weiterentwicklung. Demgegenüber betont die FPÖ als Funktionen der Bildung die
Existenzsicherung des/der einzelnen sowie die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der
österreichischen Wirtschaft.

Nachdem nun die Frage des „WANN“ zusammengefasst beantwortet wurde, soll hier das
„WARUM“ und damit die Motive und Faktoren näher beschrieben werden:
Der Staat verfolgt mit dem Eingriff ins Bildungssystem ganz allgemeine Ziele des
wirtschaftspolitischen Handelns, wobei grundsätzlich vier Zieldimensionen zu unterscheiden
sind: die Effizienz bzw. Effektivität, die Equity (Gerechtigkeit und Chancengleichheit), die
soziale Kohäsion und die Wahlfreiheit. Es steht jedoch die Optimierung eines Zielbündels im
Vordergrund, da eine gleichzeitige Maximierung aller Ziele nicht machbar ist.

Das österreichische Bildungswesen ist im Vergleich mit jenem in anderen Industrieländern


sozial selektiv. Es wird eine altersmäßig sehr frühe, gravierende Vorentscheidung über den
einzuschlagenden und später schwer korrigierbaren Bildungsweg verlangt. Es bindet den
Zugang zu höherer Bildung fast ausschließlich an bestimmte vorher zu durchlaufende
Bildungswege. Insgesamt ist zwar festzustellen, dass „Chancengleichheit“ als politisches Motiv
in Österreich zwar groß geschrieben wird, doch wird ihre praktische Umsetzung durch die
prekäre politische Strategiefähigkeit der benachteiligenden Einflussfaktoren wie
Schichtzugehörigkeit und familiäre Umstände beeinträchtigt. Ein System mit einer komplett
-228-

staatlich finanzierten Hochschulbildung ist jedoch nicht automatisch auch gerecht und würde
damit nicht die Ungleichheiten beseitigen. Die Bildungspolitik ist aber das beste Beispiel dafür,
dass sozialpolitische Maßnahmen langfristig bedeutende Auswirkungen auf die
Vermögensverteilung und auf die darüber hinausgehende soziale Positionierung der
Gesellschaftsmitglieder haben. Die Bildungspolitik bestimmt nachhaltig und langfristig die
Chancenverteilung, wobei es eben nicht nur um die Bereitstellung bzw. öffentliche
Finanzierung von Schulen und Universitäten geht, sondern auch um eine Fülle von
Regulierungen, die vor allem jungen Menschen aus unterprivilegierten Schichten den Zugang
zu höherer Bildung ermöglichen. Die bloße öffentliche Bereitstellung aufgrund
schichtspezifischer Inanspruchnahme ist also kein Garant für die Erreichung von
Umverteilungszielen.817

Von einem linken Standpunkt aus betrachtet, wird der Prozess der Bildungsexpansion häufig
abgewertet, weil er eher einen „Fahrstuhleffekt“ als einen Abbau sozialer Ungleichheiten
bewirkt habe. (Fast) alle seien ein Stück nach oben gefahren, aber auf diesem höheren Niveau
hätten sich die alten Ungleichheiten reproduziert. Von einem objektiven Blickwinkel aus
betrachtet, ist dies jedoch nur ein Teil der Wahrheit, bei dem man die qualitativen
Veränderungen nicht aus dem Auge verlieren sollte, die mit der Anhebung auf das höhere
Niveau einhergegangen sind. Die von diesen Niveauverschiebungen ausgelösten
soziokulturellen Prozesse sind der wichtigste Grund, warum das bildungsbürgerliche Lager der
Bildungsexpansion skeptisch und tendenziell ablehnend gegenübersteht.818 Das Ziel sollte die
tatsächliche egalitäre Bildungspartizipation sein und nicht eine bloß scheinbare
Chancengleichheit im Sinne eines geregelten Wettkampfes aller gegen alle, damit Bildung
tatsächlich als Mittel für den sozialen Ausgleich angesehen werden kann, welches soziale
Kohäsion befördern sollte, um tatsächlich befreiend zu wirken. Eine progressive Bildungspolitik
muss daher bildungspolitische Freiräume schaffen und propagieren und nicht in humboldtschen
Bildungsidealen schwelgen.819

Das Thema Chancengleichheit im Bildungswesen scheinen die politischen


EntscheidungsträgerInnen seit Jahren stets im Hinterkopf zu haben, doch wurde bis dato die
„optimale“ Lösung bzw. ein geeignetes Konzept nicht gefunden, welches tatsächlich jedem
Individuum, unabhängig von seinem sozialen Status, die gleichen Möglichkeiten am
Bildungsangebot zu partizipieren eröffnet.

817
Badelt/Österle (1998), 68.
818
Pechar in Wirtschaftspolitische Blätter 2007, 83.
819
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 100-101.
-229-

Neben dem Motiv der Schaffung von Chancengleichheit spielen auch ökonomische Faktoren
und damit die effektive sowie effiziente Gestaltung des Bildungswesens eine maßgebliche Rolle
in der österreichischen Bildungspolitik. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts die politischen
AkteurInnen die ökonomischen Aspekte der Bildungspolitik eher auf die berufliche Ausbildung
bezogen und die Vorstellung, dass Bildung um ihrer selbst willen erworben werde, weit
verbreitet war, ist in den 1950er Jahren insofern eine Wende zu erkennen, als mit dem „Sputnik-
Schock“ der Verlust der Konkurrenzfähigkeit der alten Industriestaaten befürchtet wurde. Es
wurde einer technologischen sowie wirtschaftlichen Rückständigkeit entgegengesehen, welche
auf Mängel im Bildungswesen zurückgeführt wurde, wobei die Grundannahme bestand, dass
zwischen Bildungsinvestitionen und Wirtschaftswachstum insofern ein Zusammenhang bestehe,
als mit steigenden Bildungsausgaben auch höhere Wachstumsraten zu erwarten seien.

Vor diesem Hintergrund haben die politischen EntscheidungsträgerInnen und damit der Staat
begonnen zu intervenieren, indem das Gut Bildung mit Steuergeldern finanziert wurde, wobei
der Staat dadurch auch über die Menge und die Qualität der Kollektivgüter wie auch der
Bildung, die aus dem großen Topf der Staatseinnahmen finanziert werden, entschieden hat und
entscheidet. Die politischen EntscheidungsträgerInnen haben erkannt, dass das Bildungsniveau
einer Gesellschaft neben der wirtschaftlichen Bedeutung (zentrale Funktion von Bildung bzw.
Wissen für die Entwicklung eines Landes) auch für das gesellschaftliche und kulturelle Leben
eines Landes einen unschätzbaren Wert hat. Den sozialen Kosten, die der Staat den
Privatpersonen in Form von öffentlichen Bildungsausgaben abnimmt, steht auch ein sozialer
Nutzen der Bildung gegenüber, der als sogenannter externer Effekt nicht dem/der sich
Bildenden, sondern der Gesellschaft als Ganzes zugute kommt, ohne dass der/die sich Bildende
dafür eine Gegenleistung erhält. Die externen Effekte stellen daher einen guten ökonomischen
Grund für eine öffentliche Rolle in der Bildung dar, wobei aufgrund des momentanen Standes
der empirischen Erhebungen nicht klar gesagt werden kann, ob der öffentliche Nutzen größer,
kleiner oder etwa gleich den öffentlichen Kosten ist.

Der Vollständigkeit halber sei hier noch auf das politische Motiv der Qualitätssicherung von
Lehre, Forschung und Organisation hingewiesen. Aus den entsprechenden Normierungen des
UG 2002, welche die Universitäten verpflichten, zur Qualitäts- und Leistungssicherung in allen
Bereichen ein eigenes Qualitätsmanagementsystem aufzubauen, ist ersichtlich, dass
Qualitätssicherung für die politischen EntscheidungsträgerInnen durchaus ein Motiv darstellt,
um sich mit Bildung auf politischer Ebene auseinanderzusetzen. Dies zeigt sich ebenso in der
Einrichtung von Agenturen zur Qualitätssicherung.
-230-

Für die politischen EntscheidungsträgerInnen ist nicht nur die Schaffung eines bestimmten
Bildungsniveaus maßgeblich, auch wenn das allgemeine Bildungsniveau in Österreich
angestiegen ist und seit Jahrzehnten auch ein Trend zu einem höheren akademischen Abschluss
festzustellen ist, sondern die Bildungspolitik übernimmt - wie bereits im Zuge der Abhandlung
des politischen Motivs der Chancengleichheit angemerkt wurde - auch sozialpolitische
Aufgaben. Im Hinblick auf die Frage, inwiefern Bildung zur Sozialpolitik zu zählen ist, gibt es
aber keine eindeutige Antwort, sondern nur eine Einigung auf Standards in der statistischen
Erfassung. Die Sozialausgaben werden in der EU-einheitlichen Erfassung nach folgenden acht
Funktionen gegliedert: Alter, Hinterbliebene, Invalidität, Krankheit, Familie, Arbeitslosigkeit,
Wohnen und Sonstiges. Auffällig ist, dass Bildung hier eben nicht als eine Funktion genannt
wird und daher nicht zu den Sozialausgaben gezählt wird. Dennoch ist der Zusammenhang von
Bildung und sozialer Ungleichheit offensichtlich. Bildungspolitische Entscheidungen definieren
mit der Rahmung von Lebensläufen und Chancen Zusammenhänge, die als soziale Ungleichheit
von sozialpolitischer Bedeutung sind.

Anzumerken ist schließlich noch, dass Bildungspolitik auf internationaler Ebene, insbesondere
auf EU-Ebene mangels Kompetenzen zwar nicht gleichermaßen Gegenstand der Politik ist, aber
sich dennoch ein breites Politikfeld rund um Bildungsfragen herausgebildet hat. Durch Bildung
sollen die Zielvorstellungen der Mitgliedstaaten nach mehr Integration, Toleranz und
Demokratie erfüllt werden sowie das soziale und wirtschaftliche Bestreben nach Gleichheit und
Wohlstand befriedigt werden. Auch die Frage nach der Qualität im Bildungswesen ist ein
wesentliches Kriterium des politischen Programms der EU.
Es würde den Rahmen dieses Resümees sprengen und seinen Telos verfehlen, wenn hier nun
auf die einzelnen Etappen der Entwicklung der internationalen Bildungspolitik im Detail
eingegangen würde, sodass im Folgenden nur ein kurzer Überblick über die einzelnen
Entwicklungsschritte geboten werden soll: Bereits in den 1980er und 1990er Jahren wurden die
ersten Programme zur Förderung der Mobilität im Hochschulbereich entwickelt, wobei mit der
Sorbonne-Erklärung am 25. Mai 1998 die erste maßgebliche Deklaration abgeschlossen wurde.
Vor dem Hintergrund der verstärkenden Verflechtung Westeuropas mit Osteuropa folgte der
Sorbonne-Erklärung im Juni 1999 der bis heute andauernde Bologna-Prozess als freiwilliger
Zusammenschluss von ursprünglich 29 BildungsministerInnen. Nur ein Jahr später (2000)
wurden mit der Lissabon Strategie die finanziellen Aspekte der Bildungspolitik durch ein
spezielles Teilziel, nämlich „Bestmögliche Nutzung der Ressourcen“, zum Gegenstand dieses
Politikfeldes, um Europa zum attraktivsten Bildungsraum der Welt zu machen. Das
Nachfolgeprogramm der Lissabon Strategie ist die Strategie Europa 2020, welche 2010
verabschiedet wurde und zur Verwirklichung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen
-231-

Wachstums beitragen, neue Arbeitsplätze schaffen und den europäischen Gesellschaften


Orientierung vermitteln soll. Der Vollständigkeit halber sollen an dieser Stelle die
Bildungsprogramme der EU zumindest erwähnt werden, wobei das Programm Lebenslanges
Lernen, welches aus den vier sektoralen Programmen COMENIUS, ERASMUS, LEONARDO
DA VINCI und GRUNDTVIG besteht, im Kontext der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit
besondere Bedeutung hat.

Im Kontext dieses ersten Fragenkomplexes hat die Verfasserin folgende Hypothese aufgestellt:

Durch die Politik (und in weiterer Folge durch die Medien) wird der Bevölkerung mit
Nachdruck vermittelt: „Wissen ist Macht, was du einmal gelernt hast, kann dir keiner mehr
wegnehmen, investiere Zeit (und auch Geld) in eine gute, fundierte Ausbildung, du wirst sehen,
es wird sich bezahlt machen“. Anders ausgedrückt, „je mehr (Aus-)Bildung vorgewiesen
werden kann, desto wahrscheinlicher ist die Erlangung einer (individuell sowie
gesamtgesellschaftlich) „lukrativen Beschäftigung“. Für die Teilnahme an (höherer) Bildung ist
jedoch die Zugehörigkeit zu einer „sozialen Schicht“ innerhalb der Gesellschaft von
grundlegender Bedeutung, sodass es bestimmten Individuen aufgrund ihrer Wurzeln verwehrt
bleibt, über den Pflichtschulbereich hinaus am Bildungsangebot zu partizipieren. Die
Bildungspolitik übernimmt unter anderem auch sozialpolitische Aufgaben, indem die
politischen EntscheidungsträgerInnen versuchen, diese Chancenungleichheiten nach und nach
zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren (Stichwort: freier Hochschulzugang; Abschaffung
der Studiengebühren).

Wie aus den obigen zusammengefassten Ausführungen eindeutig hervorgeht, findet diese erste
Hypothese nicht nur in den Ergebnissen der vorgenommenen Feldforschung, sondern auch in
der Literatur immer wieder Bestätigung. Illustrativ sei hier nun nochmals erwähnt, dass die
Europäische Kommission in ihrer Mitteilung 2001/678 festgehalten hat, dass Zeit und Geld in
Lernen zu investieren seien, wobei sich dieser Vorschlag auf „angemessene Mittelausstattung“,
„Zugang zu Bildungsangeboten verbessern“ und „Ein Höchstmaß an Qualität anstreben“
bezieht.

2. Fragenkomplex/ 2. Hypothese: Rechtsnormen, auf denen Bildungspolitik basiert

Durch die Auseinandersetzung mit den politischen Motiven und damit mit dem Konnex Bildung
und Politik wird direkt die nächste Frage aufgeworfen, nämlich jene nach den Rechtsnormen,
auf welchen Bildungspolitik basiert, sowie nach deren Umsetzung. Es erscheint nicht
zweckmäßig hier die einzelnen Normen nochmals im Detail zu behandeln, sondern soll hier nur
durch eine Aufzählung auf die in der Dissertation selbst vorgenommene ausführliche
Auseinandersetzung verwiesen werden: Art 26 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
-232-

Art 2 iVm Art 13 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Charta
der Grundrechte der EU, europäisches Primärrecht (Gründungsverträge in der jeweils
adaptierten Fassung; zuletzt AEUV) sowie Sekundärrecht (Richtlinien und Verordnungen),
Art 2 1. ZP der EMRK sowie auch Art 14 EMRK, Art 14 B-VG, Art 81 c B-VG, UG 2002,
AMSG. Diese ausführliche und vielseitige Auflistung der relevanten Bestimmungen führt direkt
zur Behandlung der zweiten Hypothese, die wie folgt, lautet: Es existiert ein Geflecht an
Rechtsnormen, die sich mit universitärer Bildung auseinandersetzen und „Idealvorstellungen“
politischer EntscheidugnsträgerInnen widerspiegeln. Die wirksame Umsetzung, sodass die
Norm tatsächlich das leistet, was sie leisten sollte, ist jedoch nicht immer gegeben.
Zurückzuführen ist dies auf EU-Ebene insbesondere auf mangelnde Kompetenzen und
Sanktionsmöglichkeiten sowie auf das Faktum, dass europäisches Primär- und Sekundärrecht
sowie diverse Bildungsprogramme stets Kompromisslösungen- kleinste gemeinsame Nenner
sind, auf die sich die politischen EntscheidungsträgerInnen aufgrund der unterschiedlichen
nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten einigen. Auf nationaler Ebene ist dieses
„Manko“ vor allem auf die starren Positionen der österreichischen Großparteien
zurückzuführen.

Die soeben angeführte Aufzählung an Rechtsnormen ist im Hinblick auf den ersten Part der
zweiten Hypothese selbstredend. Eine Vielzahl an internationalen Normen sowie europäischen
Bildungsprogrammen wirkt auf die nationale Rechtsgestaltung ein und führt zu einem
vielschichtigen Konstrukt an Rechtsnormen, die parallel und aufeinander einwirken.

Die zweite Hypothese findet insbesondere auf EU-Ebene Bestätigung, da im


bildungspolitischen Bereich zahlreiche politische Konsensentscheidungen mit bloßem
Empfehlungscharakter und keine verbindlichen Rechtsnormen bestehen. Beispielsweise ist die
Umsetzung des Bologna-Prozesses (in Österreich) als bloßer Abstimmungsprozess und nicht als
Gesetzgebungsprozess zu qualifizieren, da die EU bloß fördernd, nicht aber bestimmend
eingreifen kann. Um dennoch eine fristgerechte und korrekte Implementation durchzusetzen,
werden neben der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens [wenn tatsächlich
verbindliche EU-Normen nicht umgesetzt oder verletzt wurden (zum Beispiel das
Diskriminierungsverbot)] auch informelle Durchsetzungsinstrumente wie etwa „naming and
shaming“ oder „scoreboard“ eingesetzt. Außerdem sind die Ressourcen zur Rechtsdurchsetzung
auf EU-Ebene begrenzt. Insbesondere der juristische Dienst ist deutlich unterbesetzt. Aufgrund
dieser begrenzten personellen Kapazitäten wird immer wieder auf externe Expertise wie etwa
spezialisierte Kanzleien zurückgegriffen.
-233-

Hinzu kommt, dass auch nationale Affinitäten verstärkt Berücksichtigung finden und die
Umsetzung von EU-Vorgaben erschweren oder sogar verhindern. Dies ist darauf
zurückzuführen, dass die EU über keine Gesetzgebungskompetenz im Bildungsbereich verfügt.
Es werden von der EU zwar diverse Einschränkungen vorgegeben, doch findet keine
Finanzierung durch die Gemeinschaft statt. Einerseits müssten der EU mehr Kompetenzen
sowie Verantwortung übertragen werden. Andererseits ist es im Interesse der Mitgliedstaaten
die nationalen Autonomien zu respektieren. Bis dato konnte noch keine befriedigende Lösung
für diese Diskrepanz gefunden werden.

Auch auf nationaler Ebene findet die zweite Hypothese Bestätigung, da sich in kaum einem
anderen Politikfeld das parteipolitische Lagerdenken so lebendig gehalten hat wie in der
Bildungspolitik. Bildungsreformen waren immer dann erfolgreich, wenn es gelungen ist, die
ideologische Kluft partiell und wenigstens für kurze Zeit zu überbrücken. Aus den
verschiedenen Parteiprogrammen sind zwar teilweise dieselben Ziele abzuleiten, doch bestehen
divergierende Vorstellungen hinsichtlich der Umsetzung, so beispielsweise auch beim Thema
der Schaffung eines freien Hochschulzugangs.

Auf EU-Ebene kann keineswegs davon gesprochen werden, dass das Recht auf Bildung in klare
Normen gegossen wurde, sondern war vielmehr die Aufnahme eines Rechts auf Bildung
umstritten, sodass die Regelung in der GRCh einen bloßen bildungspolitischen Mindestkonsens
darstellt, dessen Wirkung sich gegenüber den Mitgliedstaaten erschöpft, da eine
Beeinträchtigung durch die Organe und Stellen der EU wegen der stark eingeschränkten
Kompetenzen im Bereich der allgemeinen Bildung kaum wahrscheinlich ist. Aufgrund der im
primären und sekundären Gemeinschaftsrecht verankerten europäischen Zielbestimmungen
könnte die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich erheblich erweitert werden,
doch wäre ein weitgehender, im Moment nicht in Aussicht stehender Souveränitätsverzicht auf
dem Gebiet der Bildungspolitik erforderlich. Bis dato behalten die Mitgliedstaaten als „Herren
der Verträge“ die grundlegenden Kompetenzen im Bildungsbereich für sich, sodass die
Bedeutung der Verankerung der Bildungspolitik auf der Ebene des Primärrechts weitgehend
eingeschränkt wird und die Gemeinschaft de facto nur einen beschränkten Handlungsspielraum
hat.

Bezüglich der Inhalte der Rechtnormen ist zusammenfassend festzustellen, dass sie - da sie, wie
erwähnt, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene häufig einen bloßen
Mindestkonsens darstellen - sich auf „das Notwendigste beschränken“. Vor allem die
grundrechtlichen Bestimmungen sind weit gefasst und enthalten viele unbestimmte
Gesetzesbegriffe, die für die Umsetzung einer Auslegung durch die RechtsanwenderInnen
-234-

bedürfen. Das UG 2002 im Speziellen normiert demgegenüber sehr wohl einen rechtlichen
Rahmen, insbesondere für die Finanzierung von Universitäten sowie deren administrative
Ausgestaltung. Durch die normierte outputorientierte Finanzierung, mit welcher ein völlig neues
Steuerungskonzept des Universitätssystems eingeführt wird, dessen zentrales Element die
Leistungsvereinbarung darstellt, durch die festgelegte bedarfs- und nachfrageorientierte
Finanzierung, die Rechenschaftslegung sowie die Qualitätssicherung wird deutlich, dass das UG
2002 „im Lichte“ des New Public Managements verfasst wurde, da die eben genannten Punkte,
Schlüsselkonzepte dieses Modells darstellen.

3. Fragenkomplex/ 3. Hypothese: Wechselwirkungen zwischen Politik, Ökonomie und Bildung

Der dritte und letzte Fragenkomplex beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel von Politik,
Ökonomie und Bildung und mit dem Bestehen von tatsächlichen Wechselwirkungen zwischen
diesen Bereichen sowie mit Widersprüchen zwischen den Zielen und Intuitionen der
AkteurInnen der drei Felder.

Der Konnex zwischen Bildung und ökonomischen Aspekten ist kein Phänomen des 21.
Jahrhunderts, sondern geht vielmehr bis ins Mittelalter und sogar in die griechische und
römische Geschichte zurück. Bildung konnte nämlich stets nur bei ökonomischer Absicherung
erfolgen, wobei nur wenige Privilegierte Zugang zur Bildung hatten und alle anderen ihre
gesamte Kraft in die unmittelbare Überlebenssicherung des Grundsystems zu stellen hatten.
Bildung wurde in der späten Moderne zum Schlüsselfaktor für Wirtschaftwachstum und
internationale Wettbewerbsfähigkeit, wobei es zu einer wachsenden Spreizung von
ressourcenreicheren und ressourcenärmeren Schichten gekommen ist, was häufig mit
bildungsferneren und bildungsnäheren Schichten gleichzusetzen ist. Seit einigen Jahren ist eine
zunehmende Interdependenz von Bildung und Ökonomie festzustellen, da nicht nur Bildung als
Wirtschaftsfaktor betrachtet wird, sondern auch Bemühungen bestehen, die steigenden
öffentlichen Kosten der expandierenden Bildungssysteme unter Kontrolle zu bringen und die
Effektivität und Effizienz von Hochschulen zu erhöhen.

Strittig ist demgegenüber, ob der Ausbau des Bildungssystems dem Wohlstand der Nationen
folgt und damit Bildungssysteme immer mehr mit dem Mithaltenkönnen in einem globalen
ökonomischen Wettbewerb begründet werden oder ob umgekehrt die wirtschaftliche
Produktivität durch Bildung erhöht wird, sodass ihr eine zentrale Relevanz für beschäftigungs-
und wachstumspolitische Ziele zukommt.

Faktum ist jedenfalls, dass sich die Arbeitslosigkeit mit steigendem Bildungsgrad signifikant
reduziert, sodass Bildungsabschlüsse über die Position in der Einkommenshierarchie und die
Risiken am Arbeitsmarkt entscheiden. Verbesserte Bildung kann also entscheidend dazu
-235-

beitragen, dass es zu mehr und besseren Arbeitsplätzen sowie zu einem höheren dynamischen
Wachstum kommt. Bildungspolitik wird daher durch die Bewältigung der Herausforderungen
moderner wissensbasierter Volkswirtschaften zu einem zentralen Bestandteil erfolgreicher
Wirtschaftspolitik, wobei die Ressourcen für das Bildungswesen sowohl in Abwägung
wichtiger sozialer Bereiche wie der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik,
Gesundheitspolitik oder Absicherung im Alter als auch innerhalb des Bildungswesens
bestmöglich eingesetzt werden müssen.

Die Absolvierung von diversen Bildungsgängen wird häufig als bloßer Aufschub der
Arbeitslosigkeit empfunden, sodass Bildungsangebote für Arbeitslose, in concreto meist
Umschulungen, oft „verpflichtend“ angeboten werden. Die Umschulungsprogramme sorgen
unter anderem dafür, die Arbeitslosenstatistiken „schöner zu gestalten“. Dennoch kann die
Arbeitslosenquote längerfristig nur dann gedämpft werden, wenn mit den Bildungsmaßnahmen
gewisse Perspektiven verbunden werden. Es ist daher sinnvoll, dass Qualifikationsmaßnahmen
an die Wirtschaft und damit daran, was am Arbeitsmarkt gebraucht wird, angebunden sind.
Außerdem führt eine schlechte Arbeitsmarktsituation zu einem Anstieg der Studierendenzahlen.
Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass Menschen ohne Jobs auf die Universitäten
„flüchten“, wenn sie aufgrund der schlechten Wirtschaftslage keine adäquaten Arbeitsplätze
finden.

Die Wechselwirkungen zwischen dem Bildungsinteresse des einzelnen und ökonomischen


Zielsetzungen werden auch bei Betrachtung der Studiendauern deutlich. Aus längeren
Studienzeiten folgt einerseits der Anstieg der staatlichen Ausgaben für Bildung, aber
andererseits auch die Reduktion der Arbeitslosen innerhalb der JungakademikerInnen, da
zeitgleich mehr Studierende und weniger AbsolventInnen zu verzeichnen sind. Demgegenüber
können bei kurzen Studienzeiten die Kosten, die im Bereich der Hochschulbildung anfallen,
reduziert werden, wobei zugleich jedoch die AbsolventInnenzahl und damit auch jene der
potentiellen Arbeitslosen zunimmt.

Ebenso sind Wechselwirkungen insofern zu erkennen, als der Staat soziale Kosten des einzelnen
in Form von öffentlichen Bildungsausgaben übernimmt, welchen der soziale Nutzen der
Bildung in Form von sogenannten „externen Effekten“ gegenübersteht. Hochschulbildung ist
somit als gemischtes Gut anzusehen, da es sowohl dem einzelnen als auch der Gesellschaft zum
Vorteil gereicht.

Ein Zusammenhang zwischen dem Vorgehen politischer EntscheidungsträgerInnen und


Entwicklungen im universitären Bildungsbereich lässt sich auch deutlich an folgendem Beispiel
zeigen: Durch die Einführung der Studiengebühren im Wintersemester 2001/2002 sank die
-236-

Anzahl der ordentlichen Studierenden an österreichischen Universitäten um 19,8 Prozent und


erhöhte sich demgegenüber die Zahl der prüfungsaktiven Studierenden um 7,6 bzw. 8
Prozentpunkte. Außerdem verkürzte sich die Studiendauer um bis zu ein Semester. Ab dem
Sommersemester 2009, als die Beitragspflicht für die vorgesehene Studiendauer plus zwei
Toleranzsemester ausgesetzt wurde, stieg die Zahl der ordentlichen Studierenden demgegenüber
um 14,3 Prozent.

Bei Betrachtung der „sozialen Schichtzugehörigkeit“ der Studierenden ist festzustellen, dass der
Anteil der Studierenden aus der ArbeiterInnenschicht in Österreich vergleichsweise gering ist.
Die empirisch ermittelte Chance zum Eintritt eines Kindes aus einer ArbeiterInnenfamilie in
eine Universität in Österreich ist nur halb so groß wie es dem tatsächlichen Anteil an der
Bevölkerung entsprechen würde. Hiedurch wird deutlich, dass sich unter anderem auch die
finanziellen Ressourcen von Privatpersonen auf deren Bildung bzw. die Bildung ihrer Kinder
auswirkt.

Schließlich ist noch ein markanter Widerspruch zwischen den angestrebten Entwicklungen im
Bildungswesen und der Ökonomie aufzuzeigen: Auf der einen Seite ist der Sparkurs bei den
staatlichen Bildungsausgaben hoch. Auf der anderen Seite besteht durchaus der Bedarf den
Sektor der Weiterbildung an Universitäten auszuweiten. Diese beiden Bestrebungen stehen in
diametralem Gegensatz zueinander, sodass universitäre Weiterbildung auf postgradualer Ebene
und im Bereich des non-formalen Lernens aufgrund der marginalen finanziellen Ressourcen und
angesichts der Überlastung nur als Möglichkeit eines Zusatzeinkommens für die Lehrenden an
Bedeutung gewinnt.

Auch wenn sich deutlich gezeigt hat, dass Wechselwirkungen zwischen den Bereichen Politik,
Ökonomie und Bildung bestehen, soll hier der Einfluss der Ökonomie auf die Universitäten
durch die Einrichtung von Universitätsräten gesondert behandelt werden. Im öffentlichen
medialen Diskurs werden die Universitätsräte (gemäß UG 2002) meist als jene Einrichtung
bezeichnet, durch welche die Universität enorm von AkteurInnen aus dem wirtschaftlichen
Sektor beeinflusst wird. De facto sind Personen aus dem wirtschaftlichen Bereich nicht
überrepräsentiert und nehmen daher auch keinen direkten Einfluss auf die Universität.
UniversitätsrätInnen, welche Aufsichtsratfunktionen übernehmen, stellen vielmehr
Brückenköpfe zwischen der Universität und anderen Bereichen der Gesellschaft dar und
fungieren in diesem Sinne als DialogpartnerInnen.

Trotz des Zusammenwirkens von Ökonomie und Bildung sind die Universitäten nicht als
Unternehmen im klassischen Sinn zu sehen und auch vom Zeitalter der reinen
„Managementuniversität“ kann nicht gesprochen werden, auch wenn Managementelemente an
-237-

Bedeutung gewonnen haben. Dennoch sind Lehre und Forschung zur Tradierung und Mehrung
wissenschaftlicher Kenntnisse und Erkenntnis die unwiderrufliche Mission der Universität,
sodass die Universität kein bloßer Produktionsbetrieb ist, der gemanagt wird.820 Universitäten
sind vielmehr „historisch gewachsene“ Einrichtungen, die durchaus Dienstleistungsaspekte
sowie wirtschaftliche Aspekte aufweisen.821 Auch können Universitäten Aspekte, die für die
Unternehmensführung relevant sind, aufnehmen, wie etwa die Personalführung. Dennoch sind
sie keine klassischen Dienstleister, sondern sind öffentliche Einrichtungen, die über weite
Strecken aus Steuergeldern finanziert werden und die nicht über ihre Produkte das Kapital
erwirtschaften, was sie brauchen. Sie ermöglichen Menschen vielmehr Bildung. Außerdem sind
Universitäten in der Finanzentscheidung nicht ähnlich „frei“ wie ein Unternehmen, da die
Letztentscheidung, insbesondere über die Höhe der Mittel, die zur Verfügung stehen, bei der
Politik, dh bei der Bundesregierung liegt. Dies bedeutet aber nicht, dass Universitäten nicht
wirtschaftlich agieren könnten, sondern nur dass sie nicht als Wirtschaftsunternehmen zu
qualifizieren sind.822 Eine derartige Reduktion der Universitäten auf eine bloße
823
Dienstleistungsfunktion wäre laut Mettinger fatal.

Wie sich aus den zusammenfassenden Ausführungen ergibt, hat sich die dritte Hypothese in
hohem Maße bestätigt. Politische EntscheidungsträgerInnen übernehmen häufig die Rolle einer
„Drehscheibe“ zwischen Bildung und Ökonomie. Verdeutlicht sei dies hier abermals anhand
eines Beispiels: Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik haben zum Teil die gleichen Ziele,
nämlich die Aus- und Weiterbildung. Während die aktive Arbeitsmarktpolitik im Speziellen auf
die Anpassung der Qualifikationen der Arbeitskräfte an die Anforderungen des Arbeitsmarktes
abzielt, sind die Ziele der Bildungspolitik weiter gefasst. Eine direkte Zusammenarbeit
zwischen der Universität und dem AMS ist jedoch dennoch nicht zu verzeichnen, da es nicht die
Aufgabe der Universität ist, Personen über Bildungsprogramme in den Arbeitsmarkt zu
integrieren.

Die Verflechtung von Bildung und Ökonomie und deren wechselseitige Beeinflussungen
spiegeln sich darin wieder, dass Criticizeability und Employability nicht als Gegenpole zu
verstehen sind, die einander ausschließen, sondern können diese beiden Bildungsaspekte
vielmehr in praxi nicht eindeutig voneinander getrennt werden. Die Unterscheidung zwischen
einer „zweckfreien“ Bildung und einer wirtschaftlich relevanten Ausbildung stellen aus der
Perspektive von Bildung als Lebensführungskompetenz in wechselnden Kontexten und

820
Richli, 246.
821
Interview 3, 8.
822
Interview 2, 5.
823
Interview 3, 8.
-238-

Umwelten bloß einen Scheingegensatz dar. Um erfolgreich handeln zu können, sind nämlich für
die Person vielerlei Fähigkeiten notwendig, welche aufgrund unterschiedlicher Lernprozesse für
sie Güter darstellen. Hierzu zählen beispielsweise die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit,
die Wertbildung, kulturelle und politische Bildung sowie soziale und interkulturelle
Kompetenzen, sodass sich Persönlichkeitsbildung und ökonomisch verwertbare Berufsbildung
nicht gegeneinander ausspielen lassen.824
Sowohl Employability als auch Criticizeability sind Aufgaben der Universität, wobei durch die
„neuen Studienregelungen“ die Employability stärker in den Vordergrund rückt. Es ist aber
grundsätzlich davon auszugehen, dass ein weit gefächerter Bildungsbegriff
Persönlichkeitsbildung im humanistischen Sinn, eine gute Berufsausbildung, die die Teilhabe an
den materiellen Reichtümern der Gesellschaft ermöglicht, sowie den Erwerb von Kompetenzen,
die zur Teilhabe an der Gesellschaft und zu politischer Partizipation befähigen, umfasst und sich
keineswegs auf die reine Employability beschränkt.825 Im Idealfall wirken somit Employability
und Criticizeability zusammen, da es nicht allein um die Vermittlung von verwertbarem Wissen
geht, sondern auch das selbstständige Denken erlernt werden soll. Es gilt nämlich zu beachten,
dass das Bildungsniveau der Bevölkerung an sich von großer Bedeutung ist, da es über den
gegenwärtigen und zukünftigen Wohlstand einer Gesellschaft mitentscheidet und damit wichtig
für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ist.

4. Die Ergebnisse der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit auf einen Blick

Abschließend sollen hier die zwei übergeordneten“ Grundfragen nochmals aufgegriffen werden
und durch ihre Beantwortung die grundlegenden Ergebnisse der Dissertation prägnant
zusammengefasst wiedergegeben werden.

Die Faktoren, durch welche (universitäre) Weiterbildung zum Gegenstand der Politik
geworden ist, lassen sich im Wesentlichen zusammenfassen, wie folgt:

Auf EU-Ebene gehen mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen der stärkeren
Integration und Mobilität auf den Bildungs- und Arbeitsmärkten, die mit dem Bologna- und
dem Lissabon-Prozess verbunden sind, ganz klar neue Ansätze zur praktischen Umsetzung des
lebenslangen Lernens insgesamt einher. Im Zentrum steht die ökonomisch Zweckdienlichkeit
der Qualifikation der EU-BürgerInnen und damit das Wirtschaftswachstum innerhalb der
EU, woraus zu erkennen ist, dass sich die Befassung der EU mit Bildungsfragen aus den
praktischen Bedürfnissen der ursprünglichen Wirtschaftsgemeinschaft entwickelt hat.

824
Mandry in Münk, 83.
825
Borgwardt, 17.
-239-

Auf nationaler Ebene lassen sich (aus den Parteiprogrammen) meist Faktoren, wie Bildung als
grundlegendes Element einer Kultur des Zusammenlebens und der Toleranz sowie
zugleich Bildung als zentrale Voraussetzung, den Lebensstandard auch unter den
Bedingungen weltweiten Wettbewerbs zu halten und Bildung als Voraussetzung für eine
selbstbestimmte Gestaltung des Lebens sowie für ein verantwortungsvolles, solidarisches
Miteinander in der demokratischen Gesellschaft, Förderung des Wirtschaftswachstums
sowie sozialer Gerechtigkeit, Solidarität und aktiver Mitgestaltung von politischen
Prozessen, Gewährleistung von Chancengleichheit sowie die Schaffung eines bestimmten
Bildungsniveaus in der Gesellschaft und auch die Qualitätssicherung innerhalb des
Bildungssystems ablesen.

Darzustellen gilt es an dieser Stelle noch, inwiefern ökonomische Faktoren, insbesondere die
Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen sowie volkswirtschaftliche Zielsetzungen die
Bildungspolitik beeinflussen.

Der Zusammenhang zwischen ökonomischen Gesichtspunkten bzw. volkswirtschaftlichen


Zielsetzungen und Bildung stellt kein Phänomen des 21. Jahrhunderts dar, sondern ist ein
ziemlich alter, da der Mensch immer schon gezwungen war, sich die Fähigkeit des Einwirkens
auf die Umwelt zu nutze zu machen. Die Wechselwirkungen zwischen den drei Ebenen Politik,
Ökonomie und Bildung gestalten sich vielseitig und komplex, wobei dieses Dreieck die Basis
für Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und (Wirtschafts-)Wachstum in Österreich ist.

Zu den volkswirtschaftlichen Zielsetzungen eines Staates zählen unter anderem die Steigerung
des Wirtschaftswachstums, die Senkung der Arbeitslosenquote, die Steigerung der
AkademikerInnenquote etc. Es kann nicht abschließend – doch aber mit hoher
Wahrscheinlichkeit - bejaht werden, dass wirtschaftliche Produktivität durch Bildung erhöht
wird, sodass ihr eine zentrale Relevanz für beschäftigungs- und wachstumspolitische Ziele
zukommt Demgegenüber ergibt sich aus dem erhobenen empirischen Material eindeutig, dass
höhere Bildung für eine niedrigere Anzahl an Arbeitslosen kausal ist (die Arbeitslosigkeit
innerhalb der HochschulabsolventInnen ist weitaus geringer als jene innerhalb der
PflichtschulabsolventInnen).

Ein grundlegendes Thema sind in diesem Kontext die Auswirkungen der Einführung von
Studiengebühren auf die Inanspruchnahme von Hochschulbildung. Kosten für Bildung
stellen nur einen Faktor dar, der für die Wahl des Bildungswegs maßgeblich ist. Darüber hinaus
sind das soziale und kulturelle Milieu des Elternhauses, das gesellschaftliche Umfeld, das
regionale Angebot von Bildungseinrichtungen sowie die individuellen Fähigkeiten (auch die
-240-

Vorbildung) und Bildungsinteressen ausschlaggebend. Alles in allem ist festzustellen, dass die
Einhebung bzw. die Aussetzung von Studiengebühren und damit eine politische
Entscheidung gewiss Einflüsse auf die Zahl der StudienanfängerInnen und auch das
Studierendenverhalten hat. Dennoch darf man die Kosten für Hochschulbildung niemals als
den einzig relevanten Faktor ansehen. Hinzuweisen ist noch darauf, dass mit statistischen
Daten hinsichtlich der StudienanfängerInnen vor und nach Einhebung von Studiengebühren mit
Vorsicht umzugehen ist, da beispielsweise auch zeitgleich vorgenommene Bereinigungen der
Verwaltungsdaten um die sogenannten „Scheininskriptionen“ zu einer Reduktion der
StudienanfängerInnen führen.

Alles in allem ist ein klares Ergebnis der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit, dass
(universitäre) Weiterbildung durch unterschiedlichste Faktoren zum Gegenstand der Politik
wird und als solcher ein hochkomplexes Themenfeld bildet, welches in einer Gesellschaft von
grundlegender Bedeutung und hoher Wertigkeit ist. Mit Bildung sind in der Regel nämlich
ökonomischer Wohlstand und soziale Sicherheit, Status und Anerkennung verbunden. Die
meisten müssen sich Bildung innerhalb eines Bildungssystems erarbeiten und können sich den
Zugang zur Bildung nicht ohne weiteres verschaffen, sodass die spezifische institutionelle
Ausgestaltung des Bildungssystems mit seinen Zugangsbestimmungen, Erfolgskriterien,
Verwertungsmöglichkeiten, gestuften Wertigkeiten, Klassifikations- und Aussonderungsregeln
eine besondere Bedeutung hat.826

B. Weiterführende (Forschungs-)Fragen und Thesen

An dieser Stelle sollen weiterführende (Forschungs-)Fragen sowie Thesen zusammengefasst


dargestellt werden, die sich aufgrund der oben angeführten Ergebnisse stellen bzw. daraus
ergeben.

Aus der Literaturrecherche hat sich eindeutig ergeben, dass es kein Phänomen des 21.
Jahrhunderts ist, dass Bildung zum Gegenstand der Politik geworden ist, sondern dies hat sich
vielmehr über Jahrhunderte lang, nach und nach entwickelt. In Österreich sind hauptsächlich die
Erreichung von Chancengleichheit, ökonomische Faktoren wie etwa das Wirtschaftswachstum
und auch Qualitätssicherung Motive der politischen EntscheidungsträgerInnen um Bildung zu
einem politischen Thema zu machen. Auch wenn sich eine kontinuierliche Weiterentwicklung
der Bildungspolitik historisch abzeichnet und sich die politischen EntscheidungsträgerInnen
Ziele setzen, deren Erreichung für die breite Masse der Gesellschaft von Relevanz wäre, ist

826
Mandry in Münk, 74-75.
-241-

festzustellen, dass eine (teilweise offenbar unüberbrückbare) Diskrepanz zwischen den


theoretischen Überlegungen und der praktischen Umsetzbarkeit der politischen Programme
besteht. Es stellt sich sohin die Frage nach der Ursache für dieses Auseinanderklaffen. Die
Verfasserin geht davon aus, dass grundlegende Faktoren für die mangelnde Umsetzung neben
budgetären Engpässen, die regelmäßig zu einer Ressourcenknappheit führen, auch die
mangelnde politische Konsensfähigkeit ist. Mit anderen Worten erwecken diese Ergebnisse
sowie diese These ein allgemeines Forschungsinteresse daran, die österreichische
Parteienlandschaft samt ihrer Entwicklung im bildungspolitischen Bereich im Detail zu
erforschen, insbesondere auch einzelne elementare politische Entscheidungsprozesse zu
beleuchten, um die tatsächlichen hemmenden Faktoren herauszuarbeiten, die eine optimale
praktische Umsetzung der in der Theorie vorhandenen Konzepte erschweren oder sogar
verhindern.

Ein in sich widersprüchliches Ergebnis der vorliegenden Dissertation ist, dass keine direkte
Zusammenarbeit zwischen der Universität und dem AMS zu verzeichnen ist, da es nicht die
Aufgabe der Universität ist, Personen über Bildungsprogramme in den Arbeitsmarkt zu
integrieren. Faktum ist jedenfalls auch - und das ergibt sich bereits aus der allgemeinen
Lebenserfahrung - dass es de facto keine oder zumindest äußert wenige StudentInnen gibt, die
studieren, um dann nicht zu arbeiten. Vielmehr hat die Masse der Studierenden die Absicht mit
dem auf den Hochschulen erworbenen Wissen am Arbeitsmarkt erfolgreich zu partizipieren. Es
stellt sich nunmehr die Frage, ob universitäre Forschung und Weiterbildung in der heutigen Zeit
nicht ein Mehr an praktischem Bezug bedürfen, um sich langfristig und nachhaltig erfolgreich
auf die (volks-)wirtschaftliche sowie wissenschaftliche Entwicklung der österreichischen
Bevölkerung und des österreichischen Staates auszuwirken. Eine analytische Abhandlung
darüber, warum eine Zusammenarbeit von Universitäten und AMS bis dato gescheitert ist bzw.
welche rechtlichen und politischen Veränderungen bzw. Entscheidungen getroffen werden
müssten, um eine Kooperation zu ermöglichen, wäre in diesem Kontext ein wissenschaftlicher
Mehrwert.

Klar hervorgekommen ist auch, dass der Bildungsgrad des einzelnen direkten Einfluss auf den
wirtschaftlichen Status eines Individuums innerhalb der Gesellschaft nimmt, aber auch, dass
bildungspolitische Entscheidungen indirekt die soziale Stellung des einzelnen stark
beeinflussen, da Bildungspolitik zum Teil sozialpolitische Aufgaben übernimmt. Es steht den
sozialen Kosten, die der Staat den Privatpersonen in Form von öffentlichen Bildungsausgaben
abnimmt, auch ein sozialer Nutzen der Bildung gegenüber, der als sogenannter externer Effekt
nicht dem/der sich Bildenden, sondern der Gesellschaft als Ganzes zugute kommt, ohne dass
der/die sich Bildende dafür eine Gegenleistung erhält. Unter diese externen Effekte fallen der
-242-

Literatur zufolge beispielsweise geringere Kriminalität, gesteigertes StaatsbürgerInnentum, aber


auch positive Veränderungen im Bereich Gesundheit etc. Eine aktuelle Studie zur Verifizierung
dieser externen Effekte gibt es jedoch nicht, sodass eine empirische Untersuchung dahingehend
als weiterführendes Forschungsinteresse anzusehen ist. Es liegt nämlich die Vermutung nahe,
dass nicht ohne weiteres linear aus einem „Mehr“ an Bildung ein „Mehr“ an
StaatsbürgerInnentum und ein „Weniger“ an Kriminalität abgeleitet werden kann.

Auffällig ist außerdem, dass es keinerlei Legaldefinition des Terminus „Weiterbildung“ in der
österreichischen Rechtsordnung gibt. Es ist schwer festzumachen, welche Bereiche des
Bildungssystems im Allgemeinen und welche Angebote der Hochschulen im Besonderen in den
Weiterbildungsbereich fallen. Die Verfasserin hat ihrer Dissertation eine relativ breite
Definition von Weiterbildung zugrunde gelegt, indem sie sowohl Grundstudien als auch
postgraduale Angebote unter den Bereich der universitären Weiterbildung subsumiert hat.
Weiterbildung stellt im UG 2002 zwar eine Aufgabe der Universitäten dar, doch steht sie in
praxi (in Form von postgradualen Angeboten sowie Universitätslehrgängen) stets im
Hintergrund, da es an Ressourcen mangelt. Eine klare gesetzliche Definition und Abgrenzung
sowie Regelungen betreffend die Finanzierung würden die praktische Ausgestaltung erheblich
verbessern.

Im Zuge der gegenständlichen wissenschaftlichen Arbeit erfolgte auch eine Auseinandersetzung


mit formalem, non-formalem und informellem Lernen an Hochschulen, insbesondere an
Universitäten, und deren zukünftiger Entwicklung, wobei eine Tendenz hin zu mehr non-
formalem und informellem Lernen zu erkennen ist. Es hätte den Rahmen dieser Dissertation
gesprengt und wurde daher auch außen vorgelassen, dass in diesem Kontext die Unterscheidung
von ordentlichen und außerordentlichen Studierenden, deren Teilnahme - sowie
Absolvierungsmöglichkeiten von grundlegender Bedeutung sind. Die Auseinandersetzung mit
der gesetzlichen und faktischen Ausgestaltung der Differenzierung von ordentlichen und
außerordentlichen Studierenden, mit deren Rechten, Pflichten, Möglichkeiten sowie mit den
universitätsinternen organisatorischen Zuständigkeiten kann eine eigene wissenschaftliche
Arbeit füllen.
-243-

C. Persönliche Stellungnahme

Es war der Verfasserin der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit ein Anliegen, die jeweiligen
Themenbereiche der Dissertation möglichst objektiv abzuhandeln und die diversen Meinungen
aus Literatur und Praxis möglichst breit gefächert aufzuzeigen. Diese abschließende persönliche
Stellungnahme soll nun den Raum für subjektive Äußerungen der Verfasserin bieten.

Gleich eingangs möchte ich anmerken, dass mir Entscheidungen und Vorgehensweisen der
EntscheidungsträgerInnen im bildungspolitischen Bereich nicht selten als „hochschulpolitische
Quadratur des Kreises“ erscheinen, da zum Teil Vereinbarungen getroffen werden und
Anforderungen gestellt werden, von denen man behaupten kann, dass sie in einem
unversöhnlichen Gegensatz zueinander stehen.827

Ich kann mich auch Dvořak828 nur anschließen, wenn er sagt, dass in Österreich eine
„Auslesebildung“ betrieben wird, welche immer wieder Leute daran hindern möchte, weiter zu
kommen. Sogar im neoliberalen England wurden bereits Bildungsinteressierte gefördert, auch
wenn es keinen offenen Hochschulzugang gegeben hat. Im österreichischen Bildungssytem wird
nämlich vor allem durch die frühe Selektion sowie durch diverse Sparmaßnahmen vielen
interessierten Personen der Zugang zur Universität verwährt.

Betonen möchte ich hier nochmals, dass die Universität nicht als eine wissenschaftliche
Einrichtung angesehen werden darf, die abgeschottet vom realen Leben und dessen Fragen
sowie Notwendigkeiten existiert. Vielmehr soll die Universität mitten im Leben stehen, um
dieses Leben, die Fragen und Notwendigkeiten zu kennen. Dies ist am besten möglich, wenn sie
unabhängig ist, was bedeutet, dass sie frei von direkten Verwertungsinteressen ist.
Hervorzuheben ist, dass eine solche Zweckfreiheit keineswegs eine Zwecklosigkeit impliziert,
sondern gerade ein solches Studium in Freiheit, enorm nützlich ist. Diese Nützlichkeit darf
jedoch nicht vordergründig als ökonomischer Output verstanden werden.829 Mit anderen Worten
sollte jeder einzelne der modernen Wissensgesellschaft in sich gehen, zumindest ein wenig nach
dem Motto „Back to the roots“ agieren und sich auf die tatsächlichen innovationsfördernden
Aspekte konzentrieren, die vielleicht nicht immer jene mit dem größten ökonomischen Output
sind.

827
Vgl. Pechar/Keber, 142.
828
Interview 5, 9.
829
Krautz, 33.
-244-

Pühringer/Schmidt830 folgend, möchte ich in diesem Konext hinzufügen, dass ich mich für eine
Umsetzung des Bildungsbegriffs im Sinne der „Criticizeability“ sowie für das Festhalten an
emanzipatorischen Bildungsidealen ausspreche. Durch viele öffentliche Reaktionen im Zuge der
Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die Fundamente marktradikalen Denkens, welche mit der
Prämisse „Mehr Markt, weniger Staat“ aufgetreten sind, offenbar doch stark durchgerüttelt
worden sind. Diese zivilgesellschaftlichen Bewegungen lassen darauf schließen, dass die reine
Verwertbarkeits- und ökonomische Effizienzlogik nicht länger hingenommen und die
Ökonomisierung aller Lebensbereiche kritisch beobachtet wird. Es ist daher durchaus möglich,
dass ein Bruch der Vorherrschaft neoliberaler ökonomischer Systeme erfolgt und die Bildung
dadurch auch wieder den Eigenwert als Aufklärung der Individuen bekommt, der ihr zusteht.

Dennoch bin ich im Anschluss an Ribolits831 der Ansicht, dass die derzeitigen Entwicklungen in
Richtung Vermarktwirtschaftlichung im Bildungsbereich an sich der Logik der
Marktgesellschaft entsprechen. Wer auf den Markt als Regulativ des menschlichen
Zusammenlebens setzt, sollte nicht verwundert sein, wenn zwischen den Menschen irgendwann
auch nur mehr Kauf- und Verkaufsbeziehungen existieren. Der Markt funktioniert nach
Kriterien des Nutzens, dementsprechend hat das Humane, die Fähigkeit des Menschen sich über
die Dimension des Nutzens zu erheben und seinem Leben Sinn zu verleihen, am Markt keinen
Platz. Was sich nicht in eine Profit bringende Ware verwandeln lässt, kennt der Markt nicht;
dort gibt es nur das, was sich in barer Münze darstellen lässt. Die Forderung, dass Bildung nicht
ökonomisiert werden darf, macht also nur Sinn im Zusammenhang mit einer Kritik des
Marktsystems als Ganzem. Wer allerdings A zum Marktsystem sagt, der muss wohl auch B zu
einer weiteren Vermarktwirtschaftlichung des Bildungswesens sagen! Abschließend möchte ich
den AkteurInnen im Feld in diesem Zusammenhang noch Folgendes mitgeben: Trotz der
Beleuchtung der Ökonomisierung der Bildungspolitik sollte man sich stets vor Augen halten,
dass die Bildungstätigkeit nicht nur eine Beschäftigung mit Zahlen, Bilanzen oder
TeilnehmerInnengebühren ist, sondern eine Arbeit mit Menschen, welche personal- und
kostenintensiv ist.832

830
Pühringer/Schmidt in Blaha/Weinholzer, 99.
831
Ribolits, 86.
832
Lenz in Erwachsenenbildung in Österreich 4/1994, 4.
-245-

IV. Bibliografie

A. Literaturverzeichnis

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Einführung von Studiengebühren und der internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt). Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und
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(Achelpöhler/Bender/Himpele/Keller).

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proaktiver Reformpolitik in Leutner, Richard (Hrsg) (2007): Grundlagen eines Europäischen
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Badelt, Christoph/Österle, August (1998): Grundzüge der Sozialpolitik. Spezieller Teil.


Sozialpolitik in Österreich. Wien: Manzsche Verlags- und Universitätsbuchandlung AG
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Barbaro, Salvatore (2007): Mitnahmeeffekte durch die öffentliche Hochschulfinanzierung in


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xvi_enc_20051225_deus-caritas-est_ge.html>, 14.4.2011.

Programm des Bündnis Zukunft Österreich


<http://www.bzoe.at/assets/files/Programm_BZOE_WEB.pdf>, 9.1.2011.

Rechnungshof: Unis nutzen Expertise von Karrierecentern nicht


<http://derstandard.at/1330390635450/Rechnungshof-Unis-nutzen-Expertise-von-
Karrierecenter-nicht>, 8.3.2012.

Schwarz, Valentin: Studiertensteuer statt Studiengebühr


<http://derstandard.at/1331206780375/Unifinanzierung-Studiertensteuer-statt-Studiengebuehr>,
9.3.2012.

Sorger, Veit: Studienplätze beschränken oder ausweiten


<http://derstandard.at/1330390309638/Industrie-und-Bildung-Studienplaetze-beschraenken-
oder-ausweiten>, 5.3.2012.

SPÖ. Das Grundsatzprogramm <http://www.spoe.at/bilder/d251/spoe_partei_programm.pdf>,


9.1.2011.

Strukturindikator „Lebenslanges Lernen“


<http://erwachsenenbildung.at/themen/lebenslanges_lernen/rueckblick/eu.php>, 18.3.2011.

Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1


<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_20
11_01/Bund_2011_01_6.pdf>, 18.1.2011.

C. Quellenverzeichnis der Abbildungen833

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur in Kooperation mit dem


Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hg) (2008): Bildungsentwicklung in
Österreich 2004- 2007. Wien, 172; 174 (BMUK/ BMWF).

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (Hrsg) (2008): Universitätsbericht 2008.


Wien (BMWF 2008).

833
Ich habe mich bemüht, sämtliche Inhaber der Bildrechte ausfindig zu machen und ihre Zustimmung zur
Verwendung der Bilder in dieser Arbeit eingeholt. Sollte dennoch eine Urheberrechtsverletzung bekannt werden,
ersuche ich um Meldung bei mir.
-258-

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (2010): Wissenschaft in


Österreich/Science in Austria. Statistiken/Statistics. Wien, 4 (BMWF 2010).

Eigendarstellung unter Zuhilfenahme der Daten von Arbeitsmarkt und Bildung


<http://www.ams.at/ueber_ams/14202.html>, 22.2.2011.

Eigendarstellung unter Zuhilfenahme der Daten von Studienbeiträge. Bericht des


Rechnungshofes. Bund 2011/1 <http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/
2011/berichte/teilberichte/bund/bund_2011_01/Bund_2011_01_6.pdf>, 18.1.2011, 244; 246.

Eigendarstellung unter Zuhilfenahme der Mitteilung der Kommission. Effizienz und


Gerechtigkeit in den europäischen Systemen der allgemeinen und Beruflichen Bildung, KOM
2006/481, 8.

Eigendarstellung unter Zuhilfenahme von Dvořak, Johann (1993): Über (Weiter-)Bildung und
Ökonomie, in Erwachsenenbildung in Österreich 5/1993, 31 (Dvořak in Erwachsenenbildung in
Österreich 5/1993).

Fokus auf die Hochschulbildung in Europa 2010: Die Auswirkungen des Bologna-Prozesses
<http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/documents/thematic_reports/122DE.pdf>,
22.3.2011, 14.

Guha: Lern was Gscheits! in Der Standard (23.3.2011), 1.

HoF Wittenberg im Auftrag des BMBWK. Studie: Aktuelle und künftige Trends in der
Hochschulbildung und die Herausforderungen für Lehrende und universitäres Management im
Hinblick auf künftige Studienfromen und Studiensysteme
<http://www.bmwf.gv.at/uploads/tx_contentbox/studie_hsbildung_zusammen.pdf>, 15.5.2012;
13-14.

Horsch, Cartoon<http://derstandard.at/1293369849392/Der-Beginn-einer-wunderbaren-
Zusammenarbeit?sap=2&_slideNumber=2&_seite>, 19.1.2011.

Lassnigg, Lorenz/Vogtenhuber, Stefan/Osterhaus, Ingrid (2012): Finanzierung von


Erwachsenen- und Weiterbildung in Österreich und ausgewählten Vergleichsländern. Wien:
IHS, 40 (Lassnigg/Vogtenhuber/Osterhauser).

Neue Eingangsphase ist „keine ehrliche Maßnahme“ in Der UniStandard März, U1.

Schomburg, Harald/Flöther, Choni/Wolf, Vera/Kolb, Karolin/Guggenberger, Helmut (2010):


Arbeitssituation von Universitäts- und FachhochschulabsolventInnen. Kassel, 47
(Schomburg/Flöther/Wolf/Kolb/Guggenberger).
-259-

Statistik Austria (Hrsg) (2011): Bildung in Zahlen 2009/10. Schlüsselindikatoren und Analysen,
33 (Statistik Austria 2011).

Studienbeiträge. Bericht des Rechnungshofes. Bund 2011/1


<http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2011/berichte/teilberichte/bund/bund_20
11_01/Bund_2011_01_6.pdf>, 18.1.2011, 246.

Unger, Martin/Zaussinger, Sarah/Angel, Stefan/Dünser, Lukas/Grabher, Angelika/Hartl, Jakob/


Paulinger, Gerhard/Brandl, Johanna/Wejwar, Petra/Gottwald, Regina (2010): Studierenden-
Sozialerhebung 2009. Bericht zur sozialen Lage der Studierenden, 16; 69 (Unger/Zaussinger et
al.).

Wolter, Stefan C./Nagel-Drdla, Andrea (2001): Nachfrageorientierte Bildungsfinanzierung:


Theorie und empirische Evidenz in Wolter, Stefan C. (2001): Bildungsfinanzierung zwischen
Markt und Staat, Zürich: Verlag Rüegger, 44 (Wolter/Nagel-Drdla in Wolter).
-260-

V. Annex

Übersicht

A. Transkriptionen der geführten Interviews............................................................................. 261


1. Interview 1 - Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Arbeitsmarktforschung und
Berufsinformation des AMS Wien................................................................................... 261
2. Interview 2 - ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christa Schnabl .................................................. 279
3. Interview 3 - ao. Univ.-Prof .Mag. Dr. Arthur Mettinger ................................................ 294
4. Interview 4 - Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel......................................................... 315
5. Interview 5 - HR Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak ............................................................ 331
B. Forschungsnotiz 1................................................................................................................. 354
C. Dokumente............................................................................................................................ 355
1. Dokument 1: Europa 2020 - Ein Überblick...................................................................... 355
2. Dokument 2: Zielgebunden Entwicklung der Hochschulbildung: Haupt- und Teilziele . 356
3. Dokument 3: Hochschulbildung: Trends, Konsequenzen, Ziele...................................... 357
D. Abstract................................................................................................................................. 358
1. Zusammenfassung in deutscher Sprache.......................................................................... 358
2. Summary in English ......................................................................................................... 359
E. Lebenslauf............................................................................................................................. 360

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A. Transkriptionen der geführten Interviews

1. Interview 1 - Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Arbeitsmarktforschung


und Berufsinformation des AMS Wien
Universität Klagenfurt

DoktorandInnenkolleg Lebenslanges Lernen

Feldforschung für die Dissertation

Titel der Dissertation

Ökonomische Aspekte der universitären Bildungspolitik -


eine kritische Einschätzung
der bildungsökonomischen Situation
im Bereich der universitären Weiterbildung

Verfasserin

Mag. Dr. Madeleine Fichtinger

Interviewpartner: Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung


Arbeitsmarktforschung und
Berufsinformation des AMS Wien

Ort: Treustraße 35-43


1200 Wien

Datum: 06.06.2011

Zeit: 15:00 Uhr bis 16:00 Uhr

Transkription des Interviews

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-262-

00:00-59:37

M. F.: Zu Beginn möchte ich Ihnen einige Fragen zu Ihrem Tätigkeitsbereich stellen.
Was umfasst Ihren alltäglichen Aufgabenbereich?

X. Y.: Mein Name ist X. Y. und ich arbeite hier in der Abteilung
Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation. Wir haben in der Abteilung
einerseits die Arbeitsmarktstatistik: Einige Kolleginnen erstellen hier großteils
aus AMS-eigenen Daten (aber auch z.B. unter Einbeziehung von Daten des
Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger) Auswertungen bzw. Berichte.
Andererseits machen wir auch Arbeitsmarkt und Qualifikationsforschung im
weiteren Sinn. Dazu gehören u.a. Stellenmarktanalysen, welche ich schon
jahrelang betreue, sowie unser Online-Tool für Arbeitsmarkt und Qualifikation,
das Qualifikationsbarometer. Wir sind, kann man sagen, „Allrounder“, die
meisten von uns machen auch Berufsinformation, wo dann die Ergebnisse der
Arbeitsmarkt- und Qualifikationsforschung miteinfließen. Ich bin im Speziellen
für die Stellenmarktanalysen zuständig. die wir von einem externen Institut
durchführen lassen. Wir haben das Qualifikationsbarometer mit einer eigenen
Redaktion; es gibt regelmäßige Besprechungen der Personen bzw. Institute, die
verschiedene Quellen repräsentieren, die in das Qualifikationsbarometer
einfließen. Dann haben wir noch andere Aufgaben im Bereich der
Berufsinformation und verwandten Bereichen. Ich bin auch für Online-Tools
verantwortlich, für den Berufskompass, der sozusagen ein kleiner Online-Test
ist, um Interessen und Neigungen im Rahmen der Berufsorientierung zu klären.
Die entsprechende Berufsinformation kann anschließend online direkt über das
Berufsinfosystem oder das Berufslexikon abgerufen werden. Gemeinsam mit
externen Auftragnehmern habe ich auch ein Bewerbungsportal aufgebaut,
welches auch eine speziell für Akademiker, Uni- oder FH-Absolventen
zugeschnittene Version bietet. Es geht darum, sich bei einer Bewerbung gut zu
präsentieren. Vorab hilft das integrierte Bewerbungstraining zu klären, was die
eigenen Stärken sind und wo die Dinge liegen, an denen noch gearbeitet werden
muss. Ein ebenfalls integrierter „Bewerbungscoach“ hilft anschließend dabei,
seinen persönlichen Lebenslauf zu erstellen. Dabei werden die aktuellen
Anforderungen berücksichtigt, die Personalverantwortliche an BewerberInnen

-3-
-263-

stellen. Wir haben auch Broschürenreihen, in denen Berufe, die vor allem für
Akademiker in Frage kommen, vorgestellt werden. Auch einige Broschüren der
Reihe „Jobs mit Zukunft“ habe ich zu betreuen, das sind etwa die Bereiche
Tourismus sowie Medien, Kultur, Unterhaltung und Handel, Marketing,
E-Commerce. Die Aufgaben in unserer Abteilung sind also ziemlich breit
gefächert. Dazu kommt die Zusammenarbeit mit verschiedenen Ministerien, vor
allem mit dem Unterrichtsministerium. In diesem Zusammenhang nehme ich
immer wieder an Besprechungen und Tagungen teil, in denen es um
Berufsinformation, Berufs- und Weiterbildungsberatung geht.

M. F.: Sie haben bereits erwähnt, dass Sie schon jahrelange in diesem Bereich tätig
sind, sodass ich davon ausgehe, dass Sie auch einige Erfahrungen im Hinblick
auf Entwicklungen aus der Vergangenheit bis heute gemacht haben. Welche
Veränderungen können Sie feststellen, vom Beginn Ihrer Tätigkeit an bis heute,
im Hinblick auf die Zahl der Arbeitslosen, die Bildung in der Gesellschaft und
die Kooperation mit Bildungseinrichtungen wie etwa den Universitäten?

X. Y.: Einerseits, was den Arbeitsmarkt als solchen betrifft, ist eine kontinuierliche,
teilweise auch sprunghafte Entwicklung zu erkennen, beispielsweise während
der Krise 2008/2009, dass Wenig-Gebildete nur mehr in Teilbereichen des
Arbeitsmarktes unterkommen. In anderen wichtigen Bereichen werden sie immer
mehr marginalisiert, und man bekommt dort kaum mehr Jobs mit
Pflichtschulabschluss. Andererseits werden auch Posten, die früher mit
Absolventen berufsbildender Schulen besetzt wurden, teilweise mit
Akademikern, FH-Absolventen besetzt, auch wenn diese Posten dann die
Erwartungshaltungen der Studienabsolventen, nicht treffen. Oft ist ja auch die
Vorstellung der Eltern, dass man nach dem Studium gleich eine
Führungsposition hat. Doch das ist am heutigen Arbeitsmarkt anders.

Die Qualifikationsanforderungen am Arbeitsmarkt sind generell gestiegen.


Diejenigen, die nach der Pflichtschule keine Ausbildung gemacht haben, fallen
somit hinaus und sind in den Arbeitslosenzahlen enorm überrepräsentiert. Das
AMS hat in der Vermittlung noch immer die meisten Stellen und BewerberInnen
im unteren und mittleren Bereich der Qualifikationen. Das zeigt sich auch bei

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-264-

Stellenmarktanalysen. Andererseits sind in manchen Bereichen die


Höherqualifizierten stärker vertreten, in anderen Bereichen weniger. Generell
muss das AMS daran arbeiten, dass auch die Höherqualifizierten das AMS als
Anlaufstelle sehen, und nicht nur dann, wenn sie Geld vom AMS brauchen bzw.
eine Weiterbildung, die arbeitsmarktrelevant ist, finanziert haben möchten, zum
AMS gehen und sich dort melden. Wenn das nicht erforderlich ist oder es nicht
realistisch ist, einen Kurs zu bekommen, dann scheint hingegen dieser
Personenkreis in der AMS-Statistik meist nicht auf, obwohl viele
höherqualifizierte Arbeitsuchende zum Beispiel sich sehr wohl in der AMS-
eigenen Online-Jobdatenbank „E-Job-Room“ registrieren. Dort gibt es einen
Selbstbedienungsbereich, sodass auch viele Höherqualifizierte dort sind, die sich
einfach eintragen, ohne jemals zuvor beim AMS gewesen zu sein. Das ist wie bei
anderen Jobbörsen, bei denen sie sich auch eintragen. Was aber die Information
betrifft, liefern wir sehr viel, gerade für die Höherqualifizierten. Ich muss sagen,
dass viele Info-Medien des AMS eher von Personen, die mindestens auf
Maturaniveau sind, verwendet werden, als von denen, die nur
Pflichtschulbildung oder ein nicht so hohes Bildungsniveau haben. Es ist zum
Teil auch schwierig, Leute mit Pflichtschule als höchstem Bildungsabschluss zu
erreichen, die Weiterbildung besonders brauchen würden, und durchaus schon
im Arbeitsleben Qualifikationen und Kompetenzen erworben haben. Wir haben
erst jetzt wieder eine Broschüre herausgebracht, die helfen soll, Menschen zur
Weiterbildung zu motivieren. Bei Personen, die schon einen Abschluss haben,
sei es Matura oder ein Studium, oder die noch studieren, ist es leichter, z.B. das
Qualifikationsbarometer zu nutzen, weil sie eben schon ein höheres
Bildungsniveau haben und die dort abrufbaren Informationen besser
interpretieren und verwenden können. Wir versuchen gerade beim
Bewerbungsportal von der starken Textlastigkeit wegzukommen. Man gibt beim
Einstieg sein Bildungsniveau an, sodass schon am Anfang selektiert wird:
Diejenigen, die ein höheres Bildungsniveau haben, bekommen ein bestimmtes
Modul. Diejenigen, die ein geringeres Niveau angeben, bekommen ein anderes
Modul. Gerade für diejenigen, die mit längeren Texten Schwierigkeiten haben,

-5-
-265-

für die sind wir erst gerade dabei das Bewerbungsportal noch leichter
verwendbar zu machen.

M. F.: Ich hätte noch eine Frage. Sie haben gesagt, dass die
Qualifikationsanforderungen steigen. Ist daraus zu schließen, dass das
Bildungsniveau in der Gesellschaft allgemein steigt?

X. Y.: Ja, das würde ich schon sagen. Es sind einfach weniger, die über das
Pflichtschulniveau hinaus keine weitere Ausbildung haben. Es gibt aber
diejenigen, die nicht einmal die volle Länge der Pflichtschule durchlaufen haben,
sondern sozusagen nur die Jahre abgesessen haben, weil sie nicht einmal die
Hauptschule abgeschlossen haben. Ihre Zahl ist zurückgegangen, aber sie sind
stark überrepräsentiert unter den Arbeitslosen. Bei diesen Personen ist es oft so,
dass sie eine Weile arbeiten, dann arbeitslos sind, wieder arbeiten und so weiter.
Diejenigen, die so ein geringes Bildungsniveau haben, haben dann viele
Perioden der Arbeitslosigkeit. In manchen Bevölkerungsgruppen sind diese
Abbrecher, die nicht einmal die volle Länge der Pflichtschule durchlaufen haben,
überrepräsentiert. Häufig sind es Migranten, oft in der zweiten oder dritten
Generation, die in diese Gruppe fallen. Dieses Problem konnte bis jetzt noch
nicht befriedigend gelöst werden. In manchen Ländern ist es so, dass die zweite
Generation oder die dritte Generation der Immigranten über bessere Bildung
verfügt als die erste Generation, die eingewandert ist. Bei uns ist das teilweise
umgekehrt. Vielleicht oft aus dem Grund, weil die Eltern unter ihrer
Qualifikation arbeiten mussten - wegen zu geringer Deutschkenntnisse oder weil
das, was sie in ihren Heimatländern beruflich gemacht haben, hier nicht
anerkannt wird. Es sind vielfach auch Leute aus Gegenden nach Österreich
gekommen, wo die Bildungsinfrastruktur sehr schlecht ausgebaut und die
Arbeitslosigkeit hoch ist – und das war von österreichischer Seite durchaus so
gewünscht. Die Leute haben dann hier unsere „Drecksarbeit“ gemacht und man
hat sich zu wenig darum gekümmert, dass man die zweite und dritte Generation
hier integriert. Jetzt will man das zuerst verbal - und hoffentlich bald auch
praktisch - ändern. Die Regierung hat ja jetzt einen ziemlich jugendlichen
Staatssekretär, der dafür zuständig ist, und der hoffentlich auch praktisch etwas
erreicht.

-6-
-266-

M. F.: Der letzte Punkt, den ich noch angesprochen habe, war die Kooperation des
AMS mit Bildungseinrichtungen. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen dem
AMS und den Universitäten? Wie hat sich diese entwickelt?

X. Y.: In unserem Bereich gibt es Kollegen, die sich stärker mit Berufs- und
Arbeitsmarktinformation für Studienabsolventen beschäftigen. Wir haben ja
auch eine Broschürenreihe für akademische Berufe. Da gibt es seit vielen Jahren
eine Kooperation mit dem Bildungs- und dem Wissenschaftsministerium. Wir
bekommen viele Informationen von dort, die dann in diese Broschüren
eingearbeitet werden. Auch Studieninformationen kommen vom Ministerium. Es
gibt auch eine Zusammenarbeit mit der Hochschülerschaft. Natürlich gibt es
auch im Bereich der Forschung Zusammenarbeit und Berührungspunkte mit
Universitäten und Fachhochschulen, die Forschungsprojekte für uns machen.

M. F.: Aber gibt es eine Zusammenarbeit in dem Sinn, dass das AMS Arbeitslose zur
Ausbildung in Universitätslehrgänge oder dergleichen schickt?

X. Y.: Ich bin hier etwas überfragt, weil wir nicht dafür zuständig sind. Aber teilweise
können Arbeitslose auch akademische Weiterbildungen machen, gerade auch
Universitätslehrgänge, solange sie im Rahmen dessen sind, was das AMS
finanzieren kann. Es gibt auch Stiftungen, an denen unter anderem das AMS
beteiligt ist, in denen die Leute durchaus auch einen dreijährigen Lehrgang
machen können. Ein volles Grundstudium an einer Universität mit AMS-
Finanzierung gibt es allerding nicht. Bei Bacherlor-Studien an FHs ist das
eventuell möglich.

M. F.: Wäre eine stärkere Zusammenarbeit seitens des AMS wünschenswert oder eher
nicht?

X. Y.: Gerade, wenn es Universitätsabsolventen betrifft, die eine zusätzliche


Qualifikation brauchen würden, die auch im Rahmen der Universität oder im
Rahmen des Weiterbildungsbereichs der Universitäten angeboten wird, wäre das
sehr wohl wünschenswert, glaub ich. Das würde vor allem Sinn machen, wenn
Leute Studienrichtungen absolviert haben, mit denen die Aussichten auf dem
Arbeitsmarkt vorerst nicht so gut sind. Mit einer ökonomischen oder einer
anderen sinnvollen Zusatzausbildung, die sich in einem praktikablen Zeitraum

-7-
-267-

realisieren lässt, können sie dann sehr wohl am Arbeitsmarkt unterkommen.


Auch umgekehrt kann es sein, dass jemand eine bestimmte Ausbildung im
ökonomischen Bereich absolviert hat und zusätzlich eine Sprache, wie zum
Beispiel Chinesisch - zumindest rudimentär - lernen möchte, weil man damit
bessere Jobaussichten hat. Das ist nur ein willkürliches Beispiel für
Einzelförderungen, die man jemandem unter bestimmten Bedingungen und in
einem bestimmten Rahmen zukommen lässt, wenn das Budget dafür vorhanden
ist. Im AMS entscheiden sehr stark die einzelnen Landesorganisationen über die
konkrete Umsetzung der allgemeineren bundesweiten Förderrichtlinien.

M. F.: Nun eine ganz andere Frage, nämlich zum Thema Rechtslage. In der Literatur
wird Bildung immer als ein Grundrecht bezeichnet. Inwieweit agiert das AMS
mit dem „Gedanken“ an Bildung als ein Grundrecht. Damit meine ich, welche
Intention steht nun für das AMS dahinter, wenn es einen Arbeitslosen in eine
Schulung steckt?

X. Y.: Es hängt einfach damit zusammen, dass man es ohne ein bestimmtes Maß an
Bildung allmählich ziemlich schwer hat und nur mehr in Randbereichen
unterkommt. Natürlich kann man im Reinigungsbereich und teilweise am Bau
ohne irgendwelche Bildungsanforderungen unterkommen, aber das sind sehr
stark saisonale und oft keine dauerhaften Beschäftigungen. Diese Sache mit dem
Grundrecht kommt am ehesten noch dort zum Tragen, wo es um Grundbildung
geht. Für Jugendliche, die zum Beispiel die Hauptschule nicht abgeschlossen
haben, ist es schwer, überhaupt einen Lehrplatz zu bekommen. Die erste Stufe
der weiterführenden Ausbildung nach der Pflichtschule ist nun einmal die Lehre.
Wenn junge Leute, oft mit Migrationshintergrund oder auf andere Weise
unterprivilegiert, aus dem Bildungssystem rausgefallen sind, ist es erst einmal
erforderlich, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Wenn kein Lehrplatz
gefunden wird, muss man eine Maßnahme anbieten, in der die Lehre zum Teil
oder ganz durchlaufen werden kann - außerhalb der Betriebe oder in
Zusammenarbeit mit Betrieben. Bei Höherqualifizierten kann man vielleicht
weniger mit dem Grundrecht argumentieren. Aber man kann argumentieren, dass
es sinnvoll ist, wenn die Gesellschaft schon viel in jemanden investiert hat,
danach noch zusätzlich etwas zu investieren, damit dieser Mensch nicht

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-268-

herumsitzen oder mit prekären Jobs das Auslangen finden muss, sondern die
Chance bekommt, eine adäquate Beschäftigung zu finden.

M. F.: Wie viel Handlungs- und Entscheidungsspielraum lässt das Gesetz dem AMS,
sodass der einzelne tatsächlich die passende Weiterbildung bekommt?

X. Y.: Ich habe es nicht genau im Kopf, wie das im Gesetz formuliert ist, aber es muss
jedenfalls durch eine Bildungsmaßnahme die Arbeitsmarktfähigkeit, die
Beschäftigungsfähigkeit der Person gefördert werden. Alles andere ist dann eine
Frage der AMS-internen Förderrichtlinien und wie viel Budget zu einem
bestimmten Zeitpunkt vorhanden ist. Während der Krise ab 2009 hat das AMS
ein erhöhtes Förderungsbudget gehabt, das teilweise in
Beschäftigungsmaßnahmen und nicht nur in Bildungsmaßnahmen geflossen ist.
Danach wurde wieder abgebaut und gespart. Was vorhanden ist, kann man auch
verschieden aufteilen. Eine immer wiederkehrende Diskussion ist, ob man nach
dem Gieskannenprinzip aufteilen soll, sodass viele Leute ein bisschen
bekommen und ein paar Wochen Kurs absolvieren können, oder soll man
zumindest manchen Leuten ein ganzes Jahr Ausbildung zugestehen. Nach
welchen Kriterien z.B. Förderungen für Aus- oder Weiterbildungen zu vergeben
sind, wird in zentralen Richtlinien geregelt, die somit einen Rahmen für
bundesweite Strategien vorgeben. Darauf basieren Richtlinien der
Landesorganisationen, die konkretisieren, wie diese Vorgaben in der
Landesorganisation gehandhabt werden. Es gibt auch Abkommen mit den
Ländern, in denen vereinbart, dass sich das Land z.B. gemeinsam mit dem AMS
und anderen Organisationen an Ausbildungsmaßnahmen finanziell beteiligt. Der
Pflegebereich ist so ein Bereich, bei dem Länder wissen, dass es zu wenige Leute
geben wird und daher Leute ausgebildet werden müssen. Leute, die hier arbeiten
können bzw. wollen, sind vorhanden, zum Beispiel Wiedereinsteigerinnen oder
manche Arbeitslose oder auch junge Männer, die gerade ihren Zivildienst
abgeleistet und dadurch schon einen Einblick bekommen haben.
Förderprogramme sind im Gesetz nicht im Konkreten geregelt. Im AMS werden
die strategische Ausrichtung und die Ziele von Jahr zu Jahr neu definiert. Als
Konkretisierungen gibt es immer wieder auch neue Schwerpunkt-Programme,
die zum Teil auch mehr oder weniger auf Wunsch oder im Auftrag politischer

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-269-

Instanzen durchgeführt werden. Das AMS hat ja auch politisch besetzte


Aufsichtsgremien. Dort werden die Wünsche der Regierung und der
Interessensverbände, die dort vertreten sind, eingebracht.

M. F.: Ich habe mich natürlich mit der Rechtslage auseinandergesetzt, aber ich habe
nicht viele wirklich handfeste Regelungen hinsichtlich des AMS gefunden. Sind
nun große Konvergenzen zwischen Praxis und Rechtslage festzustellen und wäre
es wünschenswert eine Rechtslage zu haben, die genauere Regelungen für das
AMS festmacht?

X. Y.: Es wäre sehr schwierig, das genauer zu definieren, weil es immer auf die
jeweilige Arbeitsmarktsituation ankommt. Wenn der Staat das tun würde, dann
würde er seinen eigenen Manövrierspielraum einschränken, den er z.B braucht,
wenn er relativ kurzfristig sparen will. Der Minister kann derzeit dem AMS
mitteilen, dass ein bestimmter Prozentsatz der Förderausgaben eingespart werden
soll. Wenn man dann aber gebundene Ausgaben hat, ist festgelegt, dass
bestimmte Anteile am AMS- Budget für bestimmte Ausgaben, z.B.
Bildungsmaßnahmen, reserviert sind. Dann wird das für die Regierung schon ein
bisschen schwieriger. Von Jahr zu Jahr und dann gibt es auch Angelegenheiten,
die man immer wieder anders handhaben muss.

M. F.: Wie würden Sie aber die momentane Lage beschreiben? Sind Unstimmigkeiten
zwischen dem Handeln des AMS und dem Gesetz zu verzeichnen?

X. Y.: Ein Punkt ist eben, dass es keinen Rechtsanspruch auf Förderung gibt. Es gibt
einen Rechtsanspruch auf Existenzsicherung, auf Arbeitslosengeld. Da handelt
das AMS nach ziemlich rigiden Regelungen, die im Gesetz vorgegeben sind.
Demgegenüber sind die gesetzlichen Regelungen bei der Förderung durch das
AMS relativ allgemein gehalten.

M. F.: Nun eine andere Frage. Wie Sie wissen, kommen in meinem Arbeitstitel die
Begriffe Politik, Ökonomie und Bildung vor. Welchem Bereich würden Sie das
AMS am ehesten zuordnen?

X. Y.: Echte behördliche Funktionen hat das AMS bei der Ausländerbeschäftigung, wo
es einfach die Ausländergesetze exekutiert. Wenn beispielsweise die
Übergangsfristen für EU-Bürger bestimmter Länder wegfallen, dann führt das

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AMS die geltenden Regelungen aus. Da gibt es wenig Spielraum für


Entscheidungen des AMS. Auch die Verordnung, die festlegt, wie viele
ausländische Saisonbeschäftigte in einem Jahr in einem bestimmten Bereich
arbeiten dürfen, setzt zum Beispiel das AMS um. Die Regeln der Auszahlung
von Existenzsicherungsleistungen, wie Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ist
auch großteils vorgegeben, das AMS setzt diese um. Natürlich hat das AMS zu
prüfen, ob der- oder diejenige arbeitswillig ist. Wenn ein AMS-Berater oder eine
Beraterin zum Schluss kommt, dass jemand grundsätzlich arbeitswillig ist, aber
die Lebensumstände so sind, dass es fast unmöglich ist, eine der angebotenen
Stellen anzunehmen, dann wird er oder sie den Antrag oder den Weiterbezug
genehmigen. Ein Interpretationsspielraum ist da, aber im Prinzip ist es die
Ausführung einer Gesetzeslage.

M. F.: In welche „Ecke“ würden Sie das AMS nun aber am ehesten zuordnen, in jene
der Bildung, in jene der Ökonomie oder in jene der Politik? Oder kann man das
gar nicht so genau sagen?

X. Y.: Ja, eigentlich gehört das AMS überall hin. Natürlich ist das AMS ein wichtiger
Player im Bildungsbereich. Im Bereich der Weiterbildung ist das AMS der
größte Einzelfinanzierer von berufsbezogener Weiterbildung. Politisch ist das
AMS vor allem ein Instrument, einerseits der Regierung, andererseits der
Interessensvertretungen und der Länder. Aber dadurch, dass das AMS nicht
mehr ein Teil eines Ministeriums ist, wie es vor 1994 war, ist der Einfluss der
Politik „gefiltert“. Man kann dem AMS-Vorstand nicht mehr einfach so
„anschaffen“, was er zu tun hat, sondern vieles muss vorher in den Gremien und
mit dem Vorstand diskutiert werden. Im Bereich der Arbeitsmarktförderungen
kann man dem AMS eben nicht im Detail vorgeben, welche Maßnahmen es zu
treffen hat. Das ist eben anders als bei der Umsetzung von Sozialgesetzen.
Oftmals ist es aber so, dass manche Wünsche politischer Entscheidungsträger –
trotz anfänglicher Skepsis des AMS-Vorstands - dann doch umgesetzt werden,
weil der Arbeitsminister derjenige ist, der das Geld aus dem Arbeitsmarktbudget
repräsentiert und dieses gegenüber dem Finanzministerium zu vertreten hat.
Daher werden Anliegen der Regierung schon sehr oft berücksichtigt. Aber es ist
nicht mehr so, dass die Politik einfach bestimmt und das AMS einfach ausführt,

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sondern der Vorstand oder Teile des Verwaltungsrats wehren sich oft sehr stark
gegen bestimmte Wünsche, deren Erfüllung vielleicht einen großen Teil des
Budgets verschlingen würde. Dann wird oft hinterfragt, ob diese Maßnahme in
dieser Form sinnvoll ist. Das Ergenis kann etwa sein, dass das AMS etwas
umsetzt, das die Politik wünscht, aber letztlich in etwas anderer Form als in der
ursprünglichen Vorstellung. Ergebnisse solcher Diskussionen fließen wieder
zurück in die politischen Gremien, wo dann zum Teil entschieden wird, dass
man das ursprüngliche Konzept revidieren sollte oder sogar fallen lassen sollte,
weil man vielleicht von der Effektivität der Maßnahme nicht mehr so überzeugt
ist. Dadurch dass das AMS eine eigenständige Körperschaft darstellt, ist es eben
nicht mehr nur ein direktes Ausführungsorgan der Politik.

M. F.: Ein Ziel der Politik ist häufig die Senkung der Arbeitslosenquote. Sie haben nun
aber gesagt, dass das AMS nicht mehr in direkter Linie zur Politik steht.
Inwiefern versucht nun das AMS nicht nur die Arbeitslosenquote zu senken,
sondern auch den Stellenwert der Bildung in der Gesellschaft zu heben? Was
steht hier im Vordergrund?

X. Y.: Da gibt es immer wieder die Behauptung, zum Teil richtige Beobachtung, dass
Kursmaßnahmen oft dazu dienen, die Arbeitslosenzahlen „zu verschönern“,
wobei dann hier auch nicht erwähnt wird, dass viele Bildungsmaßnahmen den
Leuten, die sie absolviert haben, wirklich etwas bringen. Es gibt sicherlich auch
Leute, die in einen Kurs geschickt worden sind, und danach nur unwesentlich
bessere Arbeitsmarktschancen haben. Andererseits werden sehr wohl auch
Ausbildungen angeboten, die den Leuten bessere Qualifikationen und Chancen
auf dem Arbeitsmarkt bringen. Natürlich kann man gerade dann viele
Arbeitslose in Kurzausbildungen schicken, wenn man zu einem bestimmten
Zeitpunkt die Arbeitslosenquote niedriger haben möchte. Manchmal möchte die
Politik eben das Gießkannenprinzip anwenden. Das kann man aber ohnehin nicht
lange machen. Längerfristig dämpft man die Arbeitslosenquote nur dann, wenn
man mit den Bildungsmaßnahmen vernünftige Perspektiven verbindet. Daher ist
oft sinnvoll, dass Qualifikationsmaßnahmen an die Wirtschaft angebunden sind,
also daran, was am Arbeitsmarkt gebraucht wird, und dass es auch
Kooperationen mit Betrieben gibt, sodass Teilnehmer zum Beispiel schon

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während der Ausbildung Praktika in Betrieben machen können. Die Betriebe


machen das auch nicht aus Jux und Tollerei, sondern sie wollen unter den
Absolventen passendes Personal rekrutieren. Es muss ihnen etwas bringen, sonst
würden sie ja nicht mitmachen.

M. F.: Was ich jetzt ein bisschen rausgehört habe, dass die Wirtschaft offensichtlich
auch eine Rolle für das AMS im Hinblick auf die Kurse, die angeboten werden,
spielt?

X. Y.: Ja, muss sie auch, weil die Leute dann eingestellt werden müssen. Man muss
aber dann aufpassen, dass man dann den Betrieben nicht etwas finanziert, was sie
ohnehin tun würden, also die Leute einschulen und so weiter. Das kann man
nicht alles dem AMS überlassen. Aber wenn es die Chancen der Personen
erhöht, die arbeitslos, zum Teil auch schon länger auf Arbeitsuche sind, schneller
eine Stelle zu finden, dann kann man dem schon näher treten.

M. F.: Würden Sie sagen, dass die Ökonomie noch in irgendeiner anderen Weise eine
Rolle spielt für das AMS?

X. Y.: Die Wirtschaftslage spielt immer eine große Rolle. Davon hängt unter anderem
ab, wieviel Geld überhaupt vorhanden ist, wie hoch die
Arbeitslosenversicherungsbeiträge sind, die die Unternehmen zahlen. Die
Wirtschaftslage bestimmt sehr stark den Arbeitsmarkt. Bestimmte
Wirtschaftszweige können gerade in eine besondere Krise geraten, wie zum
Beispiel die Autoindustrie, die vor kurzem einen totalen „Durchhänger“ hatte. Es
wurde versucht, die Leute durch Kurzarbeit, an deren Finanzierung das AMS
auch stark mitzahlt, weiter zu beschäftigen. Sehr viel Geld ist da reingesteckt
worden, aber man sieht jetzt, dass es dann rasch wieder bergauf gegangen ist,
dass es also Sinn gemacht hat, die Leute nicht auf die Straße zu setzen und sie
dann verloren hätte, auch wenn man dann wieder eine gute Auftragslage hat.
Aber natürlich ist es auch ein Problem, wenn man das Geld großteils in
Kurzarbeit steckt und weniger in Bildungsmaßnahmen

M. F.: Habe ich das richtig verstanden, dass die Ökonomie zwei Rollen hat, nämlich:
Auf der einen Seite sollte das AMS Kurse anbieten, die mit den
Qualifikationsanforderungen der Wirtschaft konform gehen und auf der anderen

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Seite geht es aber auch darum, dass sich das AMS das vorhandene Budget
ansieht und dann möglichst „ökonomisch“ nutzt?

X. Y.: Ja, das kann man schon so sagen. Wie gesagt, es gibt da immer auch einen
Interessensstreit zwischen den Sozialpartnern. Manchmal sind die Interessen
ähnlich oder fast gleich, wie das bei der Kurzarbeit der Fall war. Da kann das
AMS noch schwerer nein sagen, wenn auch die Arbeitnehmervertreter dieser
großen Industriebetriebe und die Gewerkschaft kommen und das wollen. Da
muss man überlegen, was realistisch ist, und wie lange diese Kurzarbeit
unterstützt werden kann. Es gibt aber auch sehr unterschiedliche Interessen,
gerade auch bei Maßnahmen, die die Lehre im Betrieb ersetzen sollen. Da stehen
die Interessensvertreter der Unternehmer eher auf der Bremse. Sie sagen, dass
junge Menschen eher eine klassische Lehre mit der vorgesehenen
Berufsschulzeit machen sollen, also mit einer dualen Ausbildung. Alles andere,
also rein außerbetriebliche Ausbildungsstätten, soll nur eine „Notkrücke“ sein,
und es soll nicht zu viel Geld hineingesteckt werden. Nach dieser Auffassung
soll möglichst keine große Zahl von Pflichtschulabsolventen in solchen
Ersatzmaßnahmen die ganze Lehrzeit absolvieren. Bei diesem Thema sind die
Arbeitnehmervertreter eher für überbetriebliche Ausbildung als Ersatz, während
die Arbeitgebervertreter hier bremsen.

M. F.: Eine letzte Frage nun noch in diesem Bereich. Ist das AMS jetzt wirklich nur das
„Arbeitsmarkservice“ oder geht es in Wirklichkeit auch noch um etwas anderes,
nämlich um die Lösung sozialer Probleme. Ist Bildungspolitik in diesem Bereich
vielleicht auch Sozialpolitik?

X .Y.: Bei der Frage, wie vorgegebene Kriterien der Zuerkennung von
Arbeitslosengeld, und Notstandshilfe gehandhabt werden, geht es um in gewisser
Weise um Sozialpolitik. Da kann das AMS relativ streng exekutieren und
häufiger strafweise das Arbeitslosengeld aussetzen oder nicht so häufig, je
nachdem, welche sozialpolitischen Vorstellungen den bundesweiten, den
länderspezifischen und den regionalen Leitlininien der Organisation und den
konkreten Entscheidungen zugrunde liegen. Man kann sagen, dass z.B.
Langzeitarbeitslose im weitesten Sinn zumutbare Jobs annehmen müssen. Da

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kann das AMS in gewissem Maß Sozialpolitik betreiben: Gehen wir nach der
strengsten Auslegungen einer Verordnung oder eines Gesetzes vor oder
interpretieren wir das ein bisschen freier und berücksichtigen stärker auch
regionale Gegebenheiten, besondere Bedürfnisse einer bestimmten
Bevölkerungsgruppe oder Härtefälle bei bestimmten Personen. Im
Förderungsbereich ist es natürlich auch Sozialpolitik, wenn man den Punkt der
Grundbildung stark betont, wenn man z.B. erreichen möchte, dass möglichst
viele zumindest einen richtigen Hauptschulabschluss haben. Maßnahmen für
Menschen, die Defizite beim Lesen, Schreiben und Rechnen haben oder sogar
graduelle Analphabeten sind, sind somit eine Art Sozialpolitik. Man macht das ja
nicht deshalb, damit man die Betreffenden dann sofort in einen Job vermitteln
kann, sondern damit sie einmal die grundlegenden Voraussetzungen haben, dass
sie am Arbeitsmarkt unterkommen können bzw. dass sie später an beruflichen
Ausbildungen, auch einfacherer Art, teilnehmen können. Das ist durchaus
Sozialpolitik, weil man ja diesen Personen in diesem Fall allgemeine Bildung
zukommen lässt, die nicht Teil der Berufsbildung ist. Wenn man Menschen den
Hauptschulabschluss machen lässt, dann ist das eigentlich Allgemeinbildung und
nicht Berufsbildung.

M. F.: Wo liegt nun der Fokus, auf dem volkswirtschaftlichen, gesamtgesellschaftlichen


Interesse oder auf dem Interesse des Einzelnen, dass er zumindest auch eine
gewisse Allgemeinbildung bekommt?

X. Y.: Vom Gesetz her sind wir verpflichtet, die berufliche Anwendung der Bildung im
Blick zu haben, aber natürlich ohne die allgemeine Grundbildung macht es
keinen Sinn, die Leute beruflich ausbilden zu wollen, wenn ihnen die
Voraussetzungen dazu fehlen.

M. F.: Wenn die Personen dann aber schon eine gewisse Allgemeinbildung haben, wie
beispielsweise AkademikerInnen, was steht dann im Vordergrund: das
gesamtgesellschaftliche, volkswirtschaftliche „ökonomische“ Handeln, sodass
man eine Ausbildung empfiehlt, die gerade am Markt gebraucht wird oder geht
es um die Interessen der Person X, die dies oder jenes machen möchte?

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-275-

X. Y.: Gerade bei den Akademikern nimmt man an, dass ein Selbsthilfepotenzial
vorhanden ist und die Fähigkeit, zu argumentieren. Natürlich kann man seine
eigenen Interessen bis zu einem gewissen Grad in einer vom AMS geförderten
Bildungsmaßnahme unterbringen, wenn man auch handfest belegen kann, dass
die Ausbildung beruflich bzw. auf dem Arbeitsmarkt etwas bringt. Man kann ja
berufliche Bildung nicht so genau abgrenzen. Manchmal ist auch
Allgemeinbildung für den Beruf sehr förderlich. Das Erlernen einer Sprache
etwa ist nicht nur berufsbezogen, das ist schon in weiten Teilen
Allgemeinbildung. Wenn man zum Beispiel Chinesisch lernt, dann lernt man
auch etwas über die chinesische Kultur, und das ist nicht nur reine
Berufsbildung. Wenn ich als Arbeitsuchender argumentieren kann, dass es für
mich beruflich wichtig ist, eine andere Kultur zu kennen, dann fördert das
einerseits meine Allgemeinbildung, dient meiner Persönlichkeitsentwicklung,
und zugleich habe ich auch einen beruflichen Vorteil.

M. F.: Sie haben eingangs einige Online-Tools erwähnt und gesagt, dass gewisse
Bereiche nur für AkademikerInnen zugänglich sind, andere wieder nur für
PflichtschulabsolventInnen. Ist das Bild in der Öffentlichkeit verzerrt, dass das
AMS eher für die Niedriggebildeten zuständig ist oder diese vielleicht eher auf
das AMS zurückgreifen und AkademikerInnen eher weniger?

X. Y.: Von der Zahl her gibt es schon mehr Leute im unteren oder mittleren
Bildungsbereich. Das AMS ist auch sehr stark bei Lehrabsolventen. Wesentlich
weniger Akademiker sind beim AMS registriert. Es ist aber so, dass Akademiker
mehr Selbsthilfepotenzial haben, und oft suchen sich Akademiker zumindest
vorerst einen Job, der nicht ihren ursprünglichen Wünschen entspricht.
Akademische Berufseinsteiger arbeiten nicht selten auf sogenannter „prekärer“
Basis, es handelt sich also um keinen klassischen Angestelltenjob, manchmal
auch um unbezahlte oder gering entlohnte Praktika. Dann scheinen sie beim
AMS nicht auf, auch wenn sie eigentlich noch auf der Suche nach einem anderen
Job sind. Für das Renommee des AMS wäre es einfach wichtig, dass wir eine
gewisse Zahl an Kunden haben, die in den höheren Bildungsbereich fallen, auch
weil es das Image bei Unternehmen verbessert. Wenn eine Firma auf allen
Ebenen auf das AMS zurückgreifen kann, dann macht das einen guten Eindruck

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und man ist dann wirklich ein Großkunde, der nicht nur das Putzpersonal und die
Schlosser vom AMS rekrutiert und sonst niemanden. Das versucht man in letzter
Zeit etwas zu verbessern. Dazu muss aber auch das System der Vermittlung
entwickelt und verbessert werden. Auch ist da immer noch ein relativ
antiquiertes Datenbanksystem im Hintergrund, das die Vermittlung aufgrund von
Kompetenzen und Qualifikationen nicht so leicht macht. Diese steht bisher auch
nicht so im Vordergrund. Die in der Vermittlung nach wie vor verwendete
Berufssystematik ist historisch gewachsen und hat zum Teil im Laufe vieler
Jahre einen ziemlichen Wildwuchs produziert, während manche
Berufsbezeichnungen für neuere Tätigkeitsbereiche fehlen. Es wird versucht, mit
Berufsbezeichnungen der AMS-Berufssystematik zu matchen, wobei es immer
mehr Überlappungen gibt, weil Berufe gemeinsame Kompetenz- und
Qualifikationsanforderungen haben. Es kann durchaus sein, dass jemand in
einem Bereich arbeiten kann, der nicht von vornherein als verwandter Beruf
gesehen wird. Erst wenn man die Qualifikationen und Kompetenzen
übereinander legt, sieht man, dass sie z.B. zwei Drittel gemeinsam haben,
obwohl sie in der Klassifikation nicht unter „verwandt“ aufscheinen. Es passiert
oft, dass den AMS-Beratern nicht auffällt, dass sie die Kunden in vielen anderen
Bereichen unterbringen könnten, wenn sie sich die gemeinsamen Anforderungen
ansehen würden.

M. F.: Sie haben als einen wichtigen Faktor das Selbsthilfepotenzial von
AkademikerInnen/ höher Gebildeten genannt. Ist dies eine Ursache dafür, dass
sich diese Personengruppe weniger häufig an das AMS wendet als andere? Ist
vielleicht auch ein zweiter Pfeiler, dass das Kursangebot für AkademikerInnen
nicht so spezifisch ausgerichtet ist oder ist ohnehin für jeden etwas dabei?

X. Y.: Es sind beim AMS noch sehr stark die geblockten Angebote vertreten. Das AMS
bucht jedes Jahr bei bestimmten Instituten ganze Blöcke von Kursplätzen in
bestimmten Bereichen. Diese Kurse sind seit Jahren ähnlich oder gleich. Man hat
also das Kontingent schon gekauft und hat somit eine gewisse Anzahl an Plätzen,
die man dann versucht zu füllen. Akademiker würden aber oft eine sehr
differenzierte Weiterbildung brauchen. Man müsste sich genau ansehen, was
dem einzelnen besonders nützen würde, natürlich mit Rücksicht auf die

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budgetären Möglichkeiten. Das kann bedeuten, dass solche Kurse nicht im


AMS-Kursprogramm enthalten sind. Es gibt vielleicht etwas beim WIFI oder
anderen Instituten, das der Berater nicht einmal kennt, was dem Akademiker sehr
viel bringen würde. Aber natürlich muss man sich auch ansehen, was das kostet.
Manchmal sind gerade die Kosten in dem Bereich exorbitant. Das kann sich
dann vielleicht auch das AMS nicht leisten, für einen einzelnen Kurs so viel
auszugeben. Man könnte unter Umständen, wenn man da flexibler wäre,
schauen, wie viele arbeitslose Akademiker, die ohne weitere Ausbildung um
einiges länger arbeitslos wären, bei einem bestimmten Thema in Frage kommen.
Dann könnte man eine gewisse Zahl an Kursplätzen zu einem günstigeren Preis
vorausbuchen und den entsprechenden Personen zukommen lassen. Es gibt
schon Akademiker, die versuchen zu argumentieren, warum sie eine bestimmte
Ausbildung brauchen, dann aber wieder nur in einen 08/15 Bewerbungskurs
geschickt werden, in dem sie möglicherweise schon einmal waren oder die in
einen Kurs geschickt werden, in dem sie etwas lernen sollen, was sie schon
längst im Studium gelernt haben. Es wird oft zu wenig Zeit verwendet, um zu
schauen, was eigentlich nötig wäre. Wir versuchen in unserer Abteilung mit dem
Qualifikationsbarometer und der Weitebildungsdatenbank und diversen Tools
Interessenten die Möglichkeit zu geben, nachzuschauen, was ihnen wirklich
helfen könnte. Mit diesen Informationen können sie dann in der AMS-Beratung
herausfinden, was als Individualförderung möglich ist, wenn das Budget dafür da
ist. Das ist auch eine Frage des Bewusstseins in der Beratung und in der Politik.
Ob höher Qualifizierte passend ausgebildet und eingesetzt sind, ist wichtig für
die allgemeine Beschäftigungslage. Es ist wichtig, dass man in der
Arbeitsmarktförderung auch im qualifizierten Bereich etwas tut, denn das wirkt
sich auf die gesamte Beschäftigungslage aus. Wenn ich etwa in einem
Bundesland eine Industrie habe, die stark forschungs- und entwicklungsbetont
ist, dann kommt das allen zugute, die in diesem Bereich arbeiten und nicht nur
den Höherqualifizierten.

M. F.: Nun zum letzten Fragenkomplex. Wird das AMS in irgendeiner Form von
Medien unterstützt? Und macht sich das AMS Medien in irgendeiner Form zu
Nutze?

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X. Y.: Die sogenannten Massenmedien werden natürlich durch die Öffentlichkeitsarbeit


des AMS laufend bespielt. Das ist zum Teil eine Imagesache. Man versucht das
Image des AMS zu ändern, um den Unternehmen klar zu machen, dass das AMS
auch der richtige Platz ist, um qualifizierte Leute zu suchen. Und auch
qualifizierte Leute sollten nicht glauben, dass es ohnehin nichts bringt, wenn sie
sich beim AMS melden. Das versucht man durch Medienspots zu ändern. Das
Medium heutzutage ist natürlich das Internet und da sind wir auch in
verschiedenen Bereichen präsent, auch durch unsere Berufsinformationstools.
Was wir noch versuchen werden, ist, dass wir in den Social Networks
systematischer präsent sind, um das, was wir haben, auch über diesen Kanal
bekannt zu machen. Das ist wichtig, weil die Leute nicht zuerst auf die AMS-
Homepage schauen, sondern viele andere Ausgangspunkte haben, von wo sie
indirekt dorthin kommen.

M. F.: Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch. Ich bin nun mit meinen Fragen am
Ende angelangt. Gibt es nun von Ihrer Seite noch Anmerkungen, die Sie gerne
machen würden?

X. Y.: Ja, ich möchte noch erwähnen, dass im Bewerbungsportal ab Herbst auch
Ausbildungsbewerbungen zu finden sein werden, als Muster und auch als
Trainingsmodul. Einerseits kann man dort Lehrplatzbewerbungen erstellen,
andererseits aber auch Bewerbungen für Auslandssemester Motivationsschreiben
für FHs usw.

M. F.: Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch genommen haben.

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2. Interview 2 - ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christa Schnabl


Universität Klagenfurt

DoktorandInnenkolleg Lebenslanges Lernen

Feldforschung für die Dissertation

Titel der Dissertation

Ökonomische Aspekte der universitären Bildungspolitik -


eine kritische Einschätzung
der bildungsökonomischen Situation
im Bereich der universitären Weiterbildung

Verfasserin

Mag. Dr. Madeleine Fichtinger

Interviewpartnerin: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christa Schnabl834

Ort: Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
1010 Wien

Datum: 12.05./15.06.2011

Zeit: 16:00 Uhr bis 16:15 Uhr/ 15:30 bis 16:00 Uhr

Transkription des Interviews

834
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christa Schnabl <http://public.univie.ac.at/?id=17920>, 12.05.2011.

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M. F.: Eingangs würde ich Sie bitten, dass Sie einige Worte zu Ihrer Person und zu
Ihrem Tätigkeitsbereich an der Universität Wien sagen.

C. S.: Mein Name ist Christa Schnabl. Ich bin Professorin am Institut für Sozialethik an
der Katholisch-Theologischen Fakultät und seit 2007 Vizerektorin für den
Bereich Studierende und Weiterbildung an der Universität Wien. In der
Rektoratsperiode 2007 bis 2011, die jetzt im Herbst endet, gibt es zwei
Vizerektorate, die sich mit dem Bereich Lehre beschäftigen. Das ist meines
(Geschäftsbereich „Studierende und Weiterbildung“ und das Vizerektorat
Mettinger(Geschäftsbereich Lehrentwicklung und Internationales“). Mettinger
beschäftigt sich mit Entwicklung der Lehre und Internationales, das heißt er
befasst sich mit Vorgängen, die zur Definition von Curricula führen bzw. die
Innovationen im Lehrbetrieb zum Ziel haben. Ich bin dann mit all den Dingen
befasst, die in der Realisierung, in der Umsetzung der Curricula von Bedeutung
sind. Die Studienprogrammleiter sind die an der Universität in den
Fachbereichen Zuständigen und sie sind dann auch der Link zwischen dem
Rektorat und den Lehrenden. Meine Tätigkeit umfasst die Themen und Services
von den Studieninteressierten, über die Studierenden, hin zu den Absolventen
und Absolventinnen, auch den Bereich der Weiterbildung, also der ganze
studentische Lebenszyklus fällt in meinen Verantwortungsbereich hinein.

M. F.: Dankeschön. Nun zum ersten Fragenkomplex, der Rechtslage. Was ist überhaupt
die Aufgabe der Universität?

C. S.: Aufgrund der Rechtslage gibt es zwei Grundpfeiler, nämlich Lehre und
Forschung betreiben. Das ist die Aufgabe, wofür die Universitäten da sind. In
den letzten Jahren, also in der letzten Rektoratsperiode ab 2007 ist der Bereich
Weiterbildung neu aufgenommen worden, auch explizit in den
Geschäftsbereichen genannt. . Das ist neu im Vergleich zu vorher und spiegelt
wieder, dass die Universitäten nicht nur in der grundständigen Ausbildung tätig
sind, sondern dann darüber hinaus auch im Bereich des lebensbegleitenden
Lernens.

M. F.: Steht hier eher die wissenschaftliche Bildung bzw. Weiterbildung oder die
berufliche Bildung bzw. Weiterbildung im Vordergrund?

-2-
-281-

C. S.: Man kann das nicht so sorgfältig voneinander trennen und eigentlich ist das in
der Form auch nicht notwendig. In der Weiterbildung ist es sicher so, dass wir
wissenschaftsgestützt, forschungsgeleitet Weiterbildung betreiben wollen, aber
im Bereich der Weiterbildung noch etwas stärker die Kooperation mit
Einrichtungen in der Praxis auch nützen können. Auch versteht es die Universität
als ihre Aufgabe forschungsbasiert vorzugehen, aber wir können sehr stark
interdisziplinär arbeiten und wir können stärker thematisch fokussiert auf
Bedarfe, die sich auch aus der Praxis heraus ergeben, reagieren. Das sind die
Chancen der Weiterbildung an der Universität. Die Grundausrichtung steht für
wissenschaftsorientierte, forschungsgeleitete, forschungsorientierte Lehre, dem
Profil der Universität insgesamt entsprechend, aber mit spezifischem Fokus auf
Bereiche, die praktisch relevant sind.

M. F.: Gibt es irgendeine Form von Kooperation zwischen der Universität und dem
AMS?

C. S.: Kooperationen beziehen sich auf Einrichtungen wie zum Beispiel: Wir haben
einen Lehrgang „Lateinamerika-Studien“. Hier wird kooperiert mit dem
Lateinamerika-Institut. Also wir kooperieren jeweils mit Einrichtungen, die
thematisch in diesem Bereich tätig sind. Wir kooperieren in dem Sinn nicht mit
dem AMS, weil es nicht das Ziel ist, Personen über diese Programme direkt in
den Arbeitsmarkt zu integrieren, sondern das Ziel ist mit diesen Programmen auf
die Weiterbildungsherausforderungen zu reagieren, zum Beispiel für Personen,
die einen Bachelor, ein Diplomstudium oder ein Masterstudium absolviert haben,
die merken, dass sie sich auf der Basis der bereits erworbenen Qualifikationen
und der Basis der bereits erlangten Berufserfahrung noch einmal akademisch
weiterqualifizieren möchten.

M. F.: Inwiefern hat das UG 2002 tatsächlich die Autonomie der Hochschulen gestärkt?

C. S.: In allen Bereichen. Früher hat die Verhandlungen mit den neuen Professoren und
Professorinnen das Ministerium geführt. Die Entscheidungen, wann wird
ausgeschrieben, wie wird ausgeschrieben, an wen ergeht der Ruf, welche Mittel
werden in welche Professuren, in welche Bereiche investiert - all das sind seit
der Einführung der Universitätsautonomie durch das UG 2002 Entscheidungen

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-282-

der Universität; auch im Bezug auf die Einrichtung von Studien, Curricula sind
früher, zumindest die Rahmenvorgaben, vom Ministerium definiert worden;
auch in diesem Bereich hat die Universität jetzt die Eigenverantwortung, die
autonome Entscheidung zu treffen. Auch im Budgetbereich hat sie
Verantwortung gewonnen; die Budgetentscheidungen fallen im Rahmen des vom
Bund genehmigten Budgets an der Universität. Es gibt klare Entscheidungs- und
Verantwortungsstrukturen Da hat sich sehr, sehr, sehr viel geändert, denn fast
alle Entscheidungen, die das Ministerium früher getroffen hat, werden jetzt von
der Universität selbst getroffen. Die Beziehungen zwischen dem Ministerium
und den Universitäten sind jetzt so geregelt, dass alle drei Jahre
Leistungsvereinbarungen mit dem Ministerium stattfinden. Für diese drei Jahre
wird ein Globalbudget vereinbart. Die Entscheidung, wie viel fließt in welche
Bereiche, diese Entscheidung trifft dann die Universität, und zwar auf der Basis
des universitären Entwicklungsplans autonom.

M. F.: Das öfteren stößt man in der Literatur und auch in den Medien auf den
„Vorwurf“, dass wirtschaftliche AkteurInnen jetzt insbesondere durch die
Universitätsräte mehr auf die Universität einwirken können. Wird hierdurch die
Autonomie eingeschränkt bzw. beeinflusst?

C. S.: Autonomie bedeutet immer klare Verantwortungsstrukturen. Die enge


Koppelung von Entscheidung und Verantwortung. Personen, die Entscheidungen
zu treffen haben, müssen immer auch Verantwortung für die Entscheidungen
wahrnehmen n. Es ist da schon richtig und auch wichtig, dass es so etwas wie ein
Gremium des Universitätsrates gibt, demgegenüber das Rektorat Rede und
Antwort stehen muss. Weitreichende finanzielle Entscheidungen sind letztlich
auch vom Universitätsrat zu genehmigen. Das ist von der Konstruktion her
unbedingt notwendig, dass die Rektorate ihre Verantwortung gegenüber einem
Gremium auch wahrnehmen müssen und dem auch argumentativ begegnen
müssen. Der Universitätsrat ist zum einen mit Mitgliedern besetzt, welche die
Universität bestimmt, konkret der Senat. An der Universität Wien sind das 4
Personen. Ergänzt werden diese um weitere 4 Personen, welche die
Bundesregierung bestellt. Diese acht Personen bestimmen ein weiteres Mitglied
durch „Selbstergänzung“. Diese Procedere ist klar im Gesetz geregelt.

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-283-

Natürlich ist über die Zusammensetzung der Universitätsräte viel diskutiert


worden. Ich kann nur sagen, für die Universität Wien, dass es meiner Erfahrung
nach sehr gut klappt. Die Universitätsräte gehen sehr verantwortlich mit dieser
Aufgabe um. Das hängt natürlich sehr stark von den Personen ab, wie die das
wahrnehmen. Es sind allerdings im Universitätsrat immer auch Personen von
anderen Universitäten, in der Regel aus dem Ausland vertreten. Das heißt es ist
in dem Sinn jetzt kein ausschließlich wirtschaftliches oder politisches Gremium,
das ist ein gemischtes Gremium, wo Wissenschaftler, Personen aus anderen
Feldern der Gesellschaft, auch aus der Ökonomie und der Politik drinnen sind,
aber sie nehmen als Einzelpersonen ihre Verantwortung im Universitätsrat wahr
und ich halte das, zumindest vor dem Hintergrund meiner Erfahrung, für
übertrieben und auch für falsch, dass man sagt, hier nimmt die Wirtschaft mehr
oder weniger direkten Einfluss auf eine Universität. Die Universität Wien ist hier
ein Beispiel einer gut funktionierenden Praxis. Es kann schon sein, dass
Universitätsräte versuchen mitunter eigeninteressiert vor dem Hintergrund ihres
eigenen Unternehmens, ihrer eigenen politischen Fraktion in den Universitäten
zu agieren. Die Frage ist, ob dies gelingt. Für die Universität Wien kann ich das
ausschließen. Das ist aber auch aus meiner Sicht nicht ihre Aufgabe und damit
würden sie aus meiner Sicht ihr Mandat nicht richtig wahrnehmen.

Unterstreichen möchte ich nochmals den für die Universität so wichtigen „Blick
von außen“. Universitätsräte bringen schon wichtige neue Aspekte hinein und
sie stellen wichtig Brückenköpfe zwischen der Universität und anderen
Bereichen der Gesellschaft dar. Ich denke, dass diese Verbindungen den
Universitäten auch gut tun, weil sie über den eigenen Tellerrand hinausweisen.

M. F.: Inwieweit ist die Universität, insbesondere durch das UG 2002 zu einem
Unternehmen geworden, welches Dienstleistungen für Wissensinteressierte
anbietet?

C. S.: Universitäten können Aspekte, die für die Unternehmensführung relevant sind,
aufnehmen und integrieren, Personalführung ist etwa ein wichtiger Bereich, der
von den Universitäten jetzt wahrgenommen werden muss. Dekane und
Dekaninnen haben wichtige Personalführungsaufgaben. Insofern gibt es neue

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Steuerungsmechanismen, die für Organisationen allgemein wichtig sind, wie in


Unternehmen, wie in öffentlichen Einrichtungen. Dennoch sind die Universitäten
öffentliche Einrichtungen, finanziert aus Steuergeldern über weite Strecken.
Universitäten erwirtschaften nicht wie ein Unternehmen über ihre Produkte das
Kapital, welches sie brauchen. Da gibt es ganz entscheidende Unterschiede
zwischen Unternehmen und Universitäten.

Durch die Autonomie nehmen Universitäten auch selbstständig die finanzielle


Verantwortung wahr, das heißt, sie entscheiden, in welchen Bereichen
Profilstärkungen vorgenommen werden, mehr Geld hineinfließt oder andere
Bereiche eher zurückgefahren werden. Das sind wichtige, auch wirtschaftlich
relevante Entscheidungen, die das Profil einer Bildungseinrichtung ausmachen.
Universitäten sind in ihren Finanzentscheidungen nicht ähnlich „frei“ wie ein
Unternehmen. Die Letztentscheidung insbesondere über die Höhe der Mittel, die
zur Verfügung stehen, liegt bei der Politik, der Bundesregierung. Aber wir sind
eine Universität und eine Bildungseinrichtung und haben in dem Sinn keine
„Produkte“, die wir verkaufen, sondern wir sind dazu da, um Menschen Bildung
zu ermöglichen. Das sind ganz wesentliche Unterschiede. Man müsste es ganz
konkret an einzelnen Aspekten durchdiskutieren, die Universität ist kein
Wirtschaftsunternehmen, kann aber sehr wohl unternehmerisch agieren.

M. F.: Es geht mir in erster Linie um die Ökonomie. Inwieweit distanziert sich die
Universität vom Staat und inwieweit geht sie in Richtung Wirtschaft? Was
bedeutet in diesem Kontext Autonomie?

C. S.: Universitäten sind Einrichtungen in einer Gesellschaft. Sie haben daher viele
Schnittpunkte, viele Anknüpfungspunkte zu anderen Bereichen und auch eine
gesellschaftliche Verantwortung. Dass sich in den letzten Jahren die
Universitäten stärker im gesamtgesellschaftlichen Gefüge begreifen,
verantwortlich gegenüber der Gesellschaft, gegenüber der Politik, auch
gegenüber der Wirtschaft, insofern sie Teil der Gesellschaft ist, liegt daran dass
Universitäten wissen, dass Wissenskreation, Wissensentwicklung nur in einer
sehr nahen Beziehung zur Lebenswelt der Menschen und zur Realität stattfinden
kann. Das halte ich für einen wichtigen Zug der Zeit; Bildung ist nicht etwas,

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-285-

was man abgeschottet, wie auf einer eigenen Insel entwickeln kann, losgelöst
von den anderen gesellschaftlichen Entwicklungen, sondern das hat sehr enge
Bezugspunkte. In der Regel ist jene Forschung besonders gut und relevant, die
auf gesellschaftliche Herausforderungen zugeht, sie aufnimmt, sie gestaltet und
gesellschaftliche Fragen wissenschaftlich beantwortet. Sie muss natürlich auch
immer auf ihren eigenen wissenschaftlichen Zugang Wert legen und darf sich in
dem Sinn nicht irgendwelchen Eigeninteressen und Spezialinteressen ausliefern,
aber ich glaube, man muss das trennen. Es ist wichtig, dass sich die Wissenschaft
nicht abkoppelt von der Lebenswelt der Menschen, von der gesellschaftlichen
Entwicklung heute. Wissenschaft ist umso lebendiger, je mehr sie sich in der
Gesellschaft auch verankert. Das hat noch gar nichts mit der Autonomie oder
einer Abhängigkeit von der Wirtschaft zu tun, sondern das hat einfach mit der
gesellschaftlichen Relevanz von Wissenschaft, von Forschung und Lehre zu tun.
Natürlich, wenn Universitäten hier durchlässiger werden, kann auch die Sorge
aufkommen, dass von außen Interessen an die Forschung herangetragen werden.
Das ist aber immer schon so. Wachsamkeit ist hier sehr wichtig und die
Wissenschaft hat die Aufgabe differenziert vorzugehen und gegen
Vereinnahmungsversuche und –tendenzen vorzugehen.

M. F.: Nun zum Thema universitäre Weiterbildung. Was glauben Sie, aus der Sicht des
Rektorats, welche Bedeutung hat die universitäre Weiterbildung in der
Bevölkerung?

C. S.: Derzeit ist das sicher überschaubar, ganz grundsätzlich, aber das wird sich mit
der zunehmenden Verankerung der Bologna-Studienarchitektur in den nächsten
Jahren sehr verändern. An der Universität Wien haben wir den Großteil der
Studien zwischen 2007 und 2008 auf Bachelor und Master umgestellt. Künftig
wird es hoffentlich viele geben, die nach dem Bachelor-Abschluss berufstätig
sind und die dann nach einigen Jahren der Berufstätigkeit feststellen, dass sie
sich weiter qualifizieren wollen. Und die werden dann kommen und
Masterangebote suchen, sei es im Regelstudium oder sei es auch stärker
fokussiert in der Weiterbildung, wo die Schnittstelle Theorie und Praxis einfach
eine größere Bedeutung hat. Von daher nehme ich an, dass es in den nächsten

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fünf Jahren hier zu einer deutlichen Veränderung kommen wird und das Thema
der universitären Weiterbildung an Bedeutung gewinnen wird.

M. F.: Meinen Sie dass diese Entwicklungen vom einzelnen ausgehen oder sollte bzw.
wird das öffentlich thematisiert?

C. S.: Das wird jetzt schon öffentlich thematisiert und das wird in Zukunft noch mehr
öffentlich thematisiert werden müssen. Das wird auch von den Arbeitgebern
angeregt, weil diese ja die Bachelor-Absolventen in ihren Betrieben haben. Sie
streben dann natürlich auch danach, entsprechend des Bedarfs innerhalb des
Betriebes weiter zu qualifizieren und ihnen auch die Möglichkeit zu geben, zum
Beispiel ein Masterstudium anzuhängen. Das ist dann die gelebte Praxis des
„Bologna-Gedankens“. Es wird von vielen verschiedenen Seiten das Interesse da
sein, dass Absolventen und Absolventinnen eines Bachelor-Studiums, die nach
einigen Jahren der Berufstätigkeit sagen, sie wollen sich weiter qualifizieren, die
Unterstützung finden, das auch tun zu können.

M. F.: Welche Rolle spielen die Medien dabei?

C. S.: Die Rolle, die sie immer spielen. Sie bringen Themen auf, sie verstärken, sie
intensivieren Themen und sie leisten Ihren Beitrag dazu.

M. F.: Wird bzw. braucht die Universität die Medien als Werbemittel?

C. S.: Wir haben jetzt schon eine Kooperation mit den Medien in verschiedenen
Bereichen, im Alumni-Bereich zum Beispiel mit dem Standard, in anderen
Bereichen mit der Presse. Also wir sind auch in diversen Feldern mit den Medien
in Kooperation. Unser ganzes Weiterbildungsangebot wird in den Printmedien
sehr stark rezipiert.

M. F.: Zum Stichwort lebenslanges Lernen. Dieses umfasst ja mehr als nur universitäre
Weiterbildung. Da fallen beispielsweise auch Kurse für Nicht-AkademikerInnen
darunter. Welche Rolle spielt die Universität jetzt und welche Rolle wird sie in
Zukunft im Bereich des lebenslangen Lernens spielen?

C. S.: Lebenslanges Lernen ist die „Großüberschrift“ für all diese Entwicklungen, die
sich in den nächsten Jahren in diesem Bereich verstärken werden. Die
Universitäten in Österreich sind im Bezug auf die Umsetzung im Bereich

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lebenslanges Lernen teilweise eingeschränkt. Dies hängt damit zusammen, dass


es in einigen Studienmassive Probleme im Regelstudium gibt (Nachfrage ist viel
Größe als die Kapazitäten der Universität). Diese Kapazitätsüberlastung schränkt
stark ein. Wenn sich hier etwas tut, dann wird man das Thema der stärker
fokussierten Angebote unter dem Aspekt des Lifelong Learning forcieren können
und müssen. Zugleich ist aber auch festzuhalten, dass Universitäten in Österreich
schon einen zentralen Beitrag zum Lifelong Learning leisten. Open access,
Durchlässigkeit, Ermöglichung von Bildung ohne große
Studienbeitragsbelastung…all das sind Lifelong Learning Beitrage, die jetzt
schon praktiziert werden. Unter dieser Großüberschrift Lifelong Learning
arbeiten die Universitäten und wir tun das ja auch jetzt schon. Die Universität hat
auch Angebote im Bereich der Kinderuni, das heißt, wir beginnen sehr früh
Kinder mit Wissenschaftsthemen in Berührung zu bringen. Wir haben natürlich
auch im Weiterbildungsbereich Angebote, wo weniger stark die akademische
Qualifizierung im Vordergrund steht, sondern mehr die Erfahrung in einem
bestimmten Berufsfeld. Das heißt, es gibt auch in einzelnen Masterprogrammen
die Zugangsmöglichkeit auf der Basis von Berufserfahrung.

M. F.: Sie haben zuvor das Stichwort Alumni-Verbände geliefert. Welche Absichten
hat die Universität mit diesen Einrichtungen und welchen „Profit“ kann die
Universität jetzt daraus ziehen?

C. S.: Für die Universität ist es wichtig mit AbsolventInnen in Kontakt zu bleiben, die
in verschiedenen Berufsfeldern aktiv sind. Das stärkt das Netzwerk der
Universität. Dadurch gibt es einen Rückfluss und eine Möglichkeit an
Erfahrungen heranzukommen, die in der Praxis virulent sind. Das belebt die
Forschung und gibt Impulse für die Curricularentwicklung. Für den Bereich
Forschung ist das gerade im Feld von angewandter Forschung wichtig, die
immer auch von der Gestaltung dieser Schnittstelle von Theorie und Praxis lebt.
Wir sind kein Elfenbeinturm. Wir sind auch keine Insel. Wir leben in der Welt
und daher ist dieser Dialog auch angebracht. Das macht unsere Forschung
interessanter, relevanter, herausfordernder.

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M. F.: Zum Fragenkomplex Bildungspolitik und Ökonomie. Uns ist allen bewusst, dass
die Universitäten unterfinanziert sind. Welche Lösungsansätze könnten Sie sich
vorstellen, um die Finanzierungsproblematik der Universitäten zu lösen?

C. S.: Es gibt jetzt verschiedene Diagnosen, warum ein Finanzierungsproblem besteht.


Eine ganz eklatante und geteilte Diagnose sagt: Wenn wir die
Studierendenzahlen in den letzten Semestern anschauen, dann sehen wir
gravierende Steigerungen, die nicht in der Steigerung der Budgets abgebildet
sind. Was wir auch haben, sind sehr starke Drop-out-Raten. Wir sehen, dass
grosso modo nur circa ein Drittel der BeginnerInnen das Studium abschließt. Das
ist in anderen Ländern nicht in diesem Ausmaß gegeben. Das hängt natürlich mit
der Gestaltung des Hochschulzuganges zusammen. Es gibt hier eine scheinbare
Paradoxie: Je intensiver der Auswahlprozess, der Regelungsprozess am Beginn
eines Studiums ist, umso höher ist dann natürlich auch das Commitment. Das
heißt, dass Auswahlverfahren nicht automatisch den Effekt haben,
AbgängerInnenzahlen zu reduzieren, sondern im Gegenteil, sie erhöhen sie eher.
Ganz deutlich sieht man das im Bereich der Studienrichtung Psychologie. Dort
sind 2005 Auswahlverfahren eingeführt worden, sodass mit weniger
Studierenden als früher begonnen wird, aber mehr Abschlüsse aus diesen
Kohorten zu verzeichnen bzw. zu erwarten sind. Und das ist eine scheinbare
Paradoxie, die im öffentlichen Bewusstsein noch nicht ausreichend verankert ist,
nämlich dass Aufnahmeregelungen den Entschluss stärken, die Entscheidung
untermauern und daher auch die Anzahl der Absolventen und Absolventinnen
erhöhen. Wenn wir jetzt noch einmal auf die Finanzprobleme zurückkommen
und dieses auf die Frage der Studierenden fokussieren, dann gibt es zwei
Möglichkeiten: Die eine Möglichkeit ist, dass man sagt: Ja, politisch, ein offener
Hochschulzugang, das ist unsere politische Überzeugung. Dann muss man sich
aber auch dessen bewusst sein, dass es etwas kostet, um die Qualität sicher zu
stellen. Und da müsste viel mehr an Finanzen in das System hineinfließen. Die
andere Möglichkeit ist, die Universitäten daraufhin zu untersuchen, was an
Kapazitäten da ist, wie viele Studierende können in einzelnen Fächern auch
ausgebildet werden und wie viele können wir daher verantwortungsbewusst im
Sinne der Qualitätssicherung auch aufnehmen. Es ist uns nämlich ein Anliegen

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keine „Billigsdorfer-Studien“ zu etablieren, sondern qualitätsvolle Studien mit


entsprechender Betreuung. Um das in allen Studien zu erreichen, kann man nicht
weiter so tun, als gäbe es keine Kapazitätseinschränkungen an den Universitäten
und als könnten die Universitäten, in welchem Fach auch immer, beliebig immer
noch mehr Studierende aufnehmen. Es gibt an der Universität Wien an die acht
bis zehn Studienrichtungen, wo wir an die tausend oder mehr BeginnerInnen
haben. Das muss man einmal auf die Beine stellen.

M. F.: Sie haben selbst erwähnt, dass die Studierendenzahlen in den letzten Semestern
drastisch gestiegen sind. Woran liegt dies? Liegt das an der Abschaffung der
Studiengebühren oder gibt es noch andere Ursachen?

C. S.: Was wir aufgrund der Statistik eindeutig feststellen können, ist, dass mit der
Änderung der Studienbeiträge - sie sind ja nicht abgeschafft, sondern es ist nur
die Regelung geändert worden, sodass Studierende erst bei der Überschreitung
der Regelstudienzeit plus Toleranzsemester zahlen - die Studierendenzahl von
einem Semester auf das andere um 15 Prozent gestiegen ist. Das hat eine
Auswirkung auf die Studierendenzahl gehabt. Das ist zur Kenntnis zu nehmen.
Warum sind sie sonst noch gestiegen? Natürlich gibt es insgesamt eine steigende
Bedeutung von Bildung, die sich hier niederschlägt. Es gab ein „Upgrading“ im
Bereich der Bildung. Wenn Sie das vergleichen mit vor zwanzig Jahren, so gibt
es Positionen, die damals selbstverständlich für Personen zugänglich waren ohne
ein Studium - heute wird ein Studium vorausgesetzt. Da braucht man auf jeden
Fall eine universitäre oder postsekundäre Ausbildungsstufe dazu. Man muss
heute mehr Zeit in Bildung investieren, um sich auch beruflich entsprechend
entwickeln zu können. Es hat sich der Arbeitsmarkt insgesamt verändert. Die
verschiedenen Berufssparten verwissenschaftlichen zunehmend, in dem Sinne,
dass Skills gefordert werden wie Analysefähigkeit und Methodenkenntnisse.

M. F.: Nun rein von der finanziellen Seite. Inwiefern konnten und können Universitäten
über die Studiengebühren frei entscheiden? Ist dies eine große Einnahmequelle?

C. S.: Man muss zurückgehen auf die Jahre 2001/2002, als die Studiengebühren
eingeführt wurden. Ich war damals nicht in Amt, aber es ist allgemein bekannt,
dass die Einführung der Studiengebühren damals dazu geführt hat, dass das

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Budget der Universitäten im selben Ausmaß der Einnahmen durch


Studienbeiträge vom Ministerium reduziert wurde. Die Studienbeiträge sind also
nie zur universitären Budgetierung dazu gekommen, sondern sind als Ersatz für
Ressourcen anzusehen, die das Ministerium nicht mehr zur Verfügung gestellt
hat. Für die Universitäten war dies budgetär ein Nullsummenspiel. Dieses
Nullsummenspiel hat sich fortgesetzt. Jetzt haben wir eine Refundierungslösung
durch das Ministerium. Es sind 157 Millionen Euro gedeckelt für alle
Universitäten in Österreich als Refundierungssumme vorhanden, die dann
anteilsmäßig verteilt wird. Momentan ist es so, dass die Steigerung der
Studierendenzahl „zu Lasten“ der Universitäten geht, da dieses
Refundierungsbudget gedeckelt ist. Der Anteil, den wir noch über
Studienbeiträge einheben, liegt bei 20-25 Prozent von dem, was vorher über die
Studienbeiträge gelaufen ist. Und man muss ergänzen, dass die steigenden
Studierendenzahlen nicht abgefangen sind. Das, was in den letzten zwei Jahren
an 15 Prozent dazu gekommen ist, heißt nicht, dass wir das aus den
Studienbeitragsrefundierungen mehr bekommen, weil für die Universitäten
dieser Topf „eingefroren ist“.

M. F.: Versucht man dieses Problem nun über eine andere Schiene zu lösen, um Studien
möglichst „ökonomisch effizient“ zu gestalten? Ich spreche hier den Gedanken
der „neuen Studieneingangsphase“ an.

C. S.: Die neue Studieneingangsphase hat sehr wenig mit dem Budget zu tun, dazu
fehlen quantitative Beschränkungen. Die neue Studieneingangsphase ist eine
Regelung, um die Verbindlichkeit des Studierens zu erhöhen. Viele Studierende
studieren mehrere Studien und viele Studierende sind unentschieden. Die
Studieneingangsphase soll dazu dienen, dass man sich am Beginn eines
Studiums auf etwas konzentriert und sich fragt, ob die eigenen Erwartungen, in
dem, was ich hier wiederfinde auch wirklich eingelöst werden bzw. kann ich den
Erwartungen der Lehrenden und der Universität auch wirklich entsprechen und
will ich das auch. Die Studieneingangsphase hat die Aufgabe, die
Verbindlichkeit des Studierens zwischen der Studentin oder dem Studenten und
der Universität zu untermauern. Dann sollen auch die Studierenden, die die
Studieneingangsphase positiv absolviert haben nach Möglichkeit auch, das

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Studium abschließen. Da will sich die Universität dann auch dazu verpflichten,
die Qualität sicher stellen zu können.

M. F.: Ist es also praktisch ein positiver Nebeneffekt, wenn sich dann die
Studierendenzahl bei den sogenannten Knock-out-Prüfungen beispielsweise um
die Hälfte reduziert?

C. S.: Das sind keine Knock-out-Prüfungen. Man sagt nicht: Wir haben 1.000
Beginner, 250 wollen wir nehmen, jetzt werden 750 rausgeprüft. Das sind
Prüfungen, wo überprüft wird, ob das, was am Studienbeginn in einem
bestimmten Modul an Leistungen und an Einstiegsniveau ins Studium da sein
muss und auch wirklich da ist und welche realistischen Chancen der Einzelne
dann hat, um das Studium auch wirklich zu absolvieren. Das ist praktisch eine
Möglichkeit der Selbstprüfung, ob man die Qualifikationen für das Studium hat.
Natürlich können wir unserer Aufgabe, die Qualität des Studierens zu sichern,
besser nachkommen, wenn dieses Commitment, das im Rahmen der
Studieneingangsphase entsteht, auch wirklich gefestigt ist.

M. F.: Die europäische Schuldenkrise hat zu einer starken Sparsamkeit der Länder
geführt. Auch die Universitäten müssen langfristig bis zu 20 Prozent ihrer
Leistungen einsparen. Werden diese Entwicklungen seitens der Universität Wien
schlichtweg akzeptiert oder sind bereits gezielte Interventionen/ Maßnahmen
geplant?

C. S.: Es ist grundsätzlich so, dass die Universität Wien sowie alle Universitäten in
Österreich auf einer gemeinsamen Ebene versuchen, politisch darauf
einzuwirken, dass diese Sparmaßnahmen nicht Realität werden müssen. Es geht
nicht um 20 Prozent, sondern es geht, je nachdem wie die Inflationsrate
anzusetzen ist, um 5 bis 10 Prozent. Die Aussage der Regierung ist, dass das
Universitätsbudget für die Leistungsvereinbarungsperiode 2013 bis 2015
nominell konstant bleibt, was aufgrund der Inflation und der Gehaltssteigerung
real eine Einsparung von 5 bis 10 Prozent bewirkt. Wir kämpfen dagegen, dass
das nicht kommt. Es sind ja seit einem Jahr viele Maßnahmen diesbezüglich im
Gange. Sie erinnern sich, dass voriges Jahr am Beginn des Semesters
Universitätsversammlungen stattgefunden haben, sich Rektoren bei

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Pressekonferenzen geäußert haben, Gespräche mit der Regierungsspitze


stattgefunden haben, Studienplatzfinanzierungskonzepte in die Wege geleitet
worden sind und Eckpunkte definiert worden sind, dass man versucht hat, das
Budgetbegleitgesetz für die Leistungsvereinbarungsperiode im Bildungsbereich
zu erhöhen, was bis jetzt noch nicht erfolgreich geschehen ist. Da ist dann auch
der Ministerwechsel in diesem Frühjahr dazwischen gekommen. Es gibt schon
die ganze Zeit viele Maßnahmen und viele Aktionen seitens der Universitäten,
um auf diese Situation aufmerksam zu machen und die Einsparungswelle
abzuwenden. Inzwischen hat der Wissenschaftsminister die „Töchterle-
Milliarde“ in Aussicht gestellt, beschlossen ist dies von der Regierung allerdings
noch nicht. Wir hoffen, dass der Beschluss erfolgt, aber wir können uns
momentan noch nicht sicher sein. Da müssen wir uns auch darauf einstellen, dass
es möglicherweise zu Sparmaßnahmen kommen wird.

M. F.: Es wird in der Öffentlichkeit immer nur von Sparsamkeit gesprochen, niemals
jedoch vom Überschuss, welchen Universitäten aber schaffen, indem sie durch
einen möglichst geringen Input möglichst großen Output zu erzielen versuchen.
Ist dies nicht nur eine Frage der Betrachtungsweise, wie es in der Öffentlichkeit
auch transportiert wird?

C. S.: Das verstehe ich jetzt nicht.

M. F.: Es geht darum, dass die Sparsamkeit in der Öffentlichkeit immer sehr plakatiert
wird, ganz allgemein von den Ländern, der Regierung und auch im
Bildungsbereich. Sparen ist angesagt.

C. S.: Ja, aber es wird schon differenziert. Das ist ein Erfolg der letzten 1,5 Jahre, dass
der Bildungsbereich weniger betroffen sein wird, als andere Bereiche, weil er
eben so sehr unterfinanziert ist.

M. F.: Meine Frage dahinter ist: Man sieht immer nur, dass Bildung Geld kostet und der
Staat finanziert diese Bildung. Man sieht aber nicht, was die Universitäten
schaffen, nämlich dass sie durch diesen geringern finanziellen Input versuchen,
einen möglichst großen Out-put zu erzielen, das heißt, dass auch viele
Studierende das Studium absolvieren können. Ist es nicht anzudenken, dies bei
wirtschaftlichen AkteurInnen in der Öffentlichkeit anders zu transportieren, um

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auch vielleicht private Finanzierer zu gewinnen und zu sagen: wir bieten für den
Markt etwas an?

C. S.: Ich glaube, dass es sehr wichtig ist die Leistungen der Universität transparent zu
machen, sichtbar zu machen, in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Es gibt
aber natürlich auch Schwierigkeiten in der Kommunikation. Dass wir 60 Prozent
Drop-outs haben an den österreichischen Universitäten ist ein schwieriger
Kommunikationspunkt. Das versteht man nicht so leicht. Wenn man das sagt,
dann erschrecken alle und sehen das eigentlich als Versagen der Universitäten
an. Der Universität sind aber die „Hände gebunden“, das sie keine Möglichkeit
hat eine Passung zwischen Kapazitäten und Studierendenzahl herzustellen. Hier
gibt es zusätzlich auch in der Wahrnehmung gewisse Hürden zu überwinden.
Natürlich kann man sagen, angesichts der Rahmenbedingungen, angesichts des
Investments, ist der Output immer noch wahnsinnig groß, nur ist das eine
defensive Strategie. Wir wollen besser werden und wir wollen die Qualität noch
mehr heben.

M. F.: Sehen Sie eine Möglichkeit diese Drop-out-Rate zu reduzieren? Diese scheint ja
ein Ursachenproblem zu sein.

C. S.: Sie ist eines der Ursachenprobleme. Das hat sicher mit der Wahl des Studiums,
mit der Entscheidung für ein Studium und dem Zugang zu einem bestimmten
Studium zu tun. Das ist aus der Sicht der Universitäten und deren
Planungsnotwendigkeiten zu beliebig. Wir haben zu wenig Verbindlichkeit, was
die Studienwahl, die Studienentscheidung betrifft. Insofern begrüße ich die neue
Studieneingangsphase und die neuen Regelungen darum herum schon, weil sie
die Verbindlichkeit stärken und die Qualität der Studienwahlentscheidung auf
eine neue Basis stellen. Und das ist eines unserer Grundprobleme, nämlich wie
können wir die Verbindlichkeit des Studierens erhöhen?

M. F.: Dann danke ich Ihnen ganz herzlich für das Gespräch. Haben Sie von Ihrer Seite
noch etwas anzumerken, was sie unbedingt gesagt haben möchten?

C. S.: Es gibt viel dazu zu sagen. Ich bin gespannt, was bei ihrer Dissertation insgesamt
für Ergebnisse herauskommen und ich hoffe, dass Sie einen entsprechenden
Bericht oder Unterlagen auch zur Verfügung stellen können.

M. F.: Das kann ich gerne machen. Vielen Dank nochmals für das Gespräch.

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3. Interview 3 - ao. Univ.-Prof .Mag. Dr. Arthur Mettinger


Universität Klagenfurt

DoktorandInnenkolleg Lebenslanges Lernen

Feldforschung für die Dissertation

Titel der Dissertation

Ökonomische Aspekte der universitären Bildungspolitik -


eine kritische Einschätzung
der bildungsökonomischen Situation
im Bereich der universitären Weiterbildung

Verfasserin

Mag. Dr. Madeleine Fichtinger

Interviewpartnerin: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Arthur


Mettinger835

Ort: Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
1010 Wien

Datum: 16.06.2011

Zeit: 11:00 Uhr bis 12:00 Uhr

Transkription des Interviews

835
ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Arthur Mettinger <http://public.univie.ac.at/?id=6155>, 16.06.2011.

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00:00-58:30

M. F.: Ich würde Sie bitten einleitend ein paar Worte zu Ihrer Person und Ihrer
Tätigkeit an der Universität Wien zu sagen.

A. M.: Mein Name ist Arthur Mettinger, geboren 1956. Ich bin seit 20 Jahren in der
akademischen Selbstverwaltung an der Universität Wien tätig - viele Jahre, seit
Anfang der 1990er Jahre, im akademischen Senat UG 1975, dann bin ich 1999
zum Vizerektor gewählt worden, von einer Universitätsversammlung gemäß
Universitätsorganisationgesetz 1993. Ich hatte die erste Funktionsperiode im UG
1993, damals noch als nebenamtlicher Vizerektor. Ich war noch am Institut für
Anglistik als habilitierter Forscher tätig. Dann, ab dem Inkrafttreten des UG
2002, also ab 2004 war ich dann zwei Perioden hauptamtlich mit dem
Aufgabenprofil Lehre und Internationales bzw. Entwicklung der Lehre und
Internationalisierung befasst, wie auch jetzt in der letzten Funktionsperiode.

M. F.: Nun einige Fragen zur Rechtslage. Was ist überhaupt Aufgabe der Universität?
Ist dies wissenschaftliche Bildung oder berufliche Bildung?

A. M.: Meiner Meinung nach ist im Universitätsgesetz festgelegt, dass die Universitäten
die Aufgabe haben, wissenschaftliche Berufsvorbildung zu leisten, das heißt also
nicht - mit Ausnahme von den Lehramtsstudien, der Pharmaziestudien für
Apotheker und vielleicht technische Studien - direkt für den Arbeitsmarkt
auszubilden im engeren Sinn, sondern durchaus auf der Basis von
wissenschaftlicher Methodologie und wissenschaftlichen Fakten zu bilden,
allerdings so zu bilden, dass die Absolventinnen und Absolventen eine Chance
haben, langfristig am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das wird ja im Bologna-
Prozess mit dem Terminus Employability umschrieben, wobei eben
Employability meiner Ansicht nach nicht als Berufsqualifikation zu verstehen
ist, sondern als Ability, also als Fähigkeit, beschäftigbar zu sein, was auch
inkludiert, selbständig tätig zu werden und nicht notwendigerweise nur angestellt
zu sein. Es sollte auch inkludieren - und es steht auch im Entwicklungsplan der
Universität Wien drinnen - dass wir nicht nur für einen nationalen Arbeitsmarkt
zu agieren haben, sondern auch für den europäischen Arbeitsmarkt. Eigentlich
sollte es Ziel und Aufgabe der Universität im Teil Education sein, tatsächlich

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-296-

denkende, kritische, methodologisch geschulte, fachlich kompetente


AbsolventInnen zu bilden, die dann in der Lage sind, über ihr Leben hinweg
Berufsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt wahrzunehmen. Das ist also ein
durchaus breiteres Konzept von Bildung hier. Das ist also die eine zentrale
Aufgabe, wenn Sie so wollen, Wissenstransfer und Empowerment und die
zweite Aufgabe ist natürlich Wissensgenerierung, also der gesamte Bereich der
Forschung, die für die Universitäten klassischerweise Gundlagenforschung im
Wesentlichen ist, die aber im Speziellen für die Universität Wien
anwendungsoffen sein soll. Wir werden dann bei der Frage der Fachhochschulen
noch dazu kommen, wie vielleicht der Wissenschaftsbegriff da und dort
unterschiedlich ist.

M. F.: Habe ich das dann richtig verstanden, dass man die Employability und die
Criticizeability nicht als zwei Pole sehen kann, sondern vielmehr als zwei
Ebenen, die zusammenwirken?

A. M.: Meiner Meinung nach sind es zwei Ebenen, die zusammenwirken müssen. Ich
habe einen Aspekt jetzt nicht erwähnt, der vielleicht zu stark im Moment hinter
der Employability zurücktritt, nämlich die European Citizenship, also im Grund
Bildung auch als Vehikel zu sehen, um in der europäischen Gesellschaft gut
partizipieren zu können. Dazu gehört dann auch Mehrsprachigkeit, dazu gehört
dann auch Demokratiebewusstsein, Wissen um Bürgerrechte, Wissen um
Menschenrechte, Wissen um viele Dinge, die vielleicht nicht direkter Teil eines
Curriculums sind, wo wir aber doch versuchen müssen, unsere jungen
Kolleginnen und Kollegen auch für diese Themenstellungen offen zu machen.

M. F.: Welche Bedeutung hat non-formales Lernen an der Universität Wien, wenn man
bedenkt, dass wissenschaftliche Bildung doch im Vordergrund steht?

A. M.: Ich glaube, dass im Moment das non-foramale Lernen an der Universität Wien
noch eine geringe Bedeutung hat. Wir sind aufgestellt, Wissen zu vermitteln und
sozusagen Studierende an Erkenntnisprozessen partizipieren zu lassen in Form
von Studienplänen, von Curricula, von Studienprogrammen. Wenn man bedenkt,
dass wir 88.000 Studierende an der Universität Wien betreuen, dann müssen die
Bildungsprozesse strukturiert und organisiert sein. Ich denke, dass unser

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Schwerpunkt im Moment sicher im Bereich des formalen Lernens ist, nur glaube
ich, dass die Entwicklung auch auf europäischer Ebene dahin gehen wird - wenn
man lebenslanges Lernen ernst nimmt, wenn man auch bedenkt, dass
Bildungsprozesse diskontinuierlich sein werden, das heißt man wird auch aus
dem Beruf wieder in den Bildungsprozess einsteigen, dann wird es auch
notwendig sein, dass man mit non-formalem Lernen oder informellem Lernen
oder genau genommen mit den Lernergebnissen von non-formalem und
informellem Lernen an den Universitäten umzugehen lernt. Im Grunde haben wir
auf der europäischen Ebene zwei große Prozesse, auf der einen Seite den
Bologna-Prozess für die akademische Bildung und auf der anderen Seite den
Kopenhagen-Prozess für den gesamten Bereich der Berufsbildung. Diese beiden
Prozesse laufen, nach meiner Wahrnehmung zumindest, ziemlich getrennt und
man bemüht sich jetzt und man beginnt jetzt über das ECVET-System in der
Berufsbildung, das heißt mit einem ECTS-ähnlichem learning-outcome-basierten
Punktesystem, Brücken zu schlagen zwischen der beruflichen und der
akademischen Bildung, um einfach die Systeme durchlässiger und miteinander
kompatibler zu machen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Ziele
akademischer Bildung im klassischen Sinn und die Ziele beruflicher Bildung im
klassischen Sinn noch nicht deckungsgleich sind, aber man kann oder man
könnte einerseits das Instrument der Kompetenzorientierung und andererseits das
Instrument der Learning-Outcomes durchaus ganz gut dafür verwenden, um eine
Übersetzung zwischen diesen beiden Systemen zu schaffen. Das ist meiner
Meinung nach eine ziemlich große Herausforderung für die nächsten Jahre in der
europäischen Bildungspolitik.

M. F.: Ich nehme an, dass es auch sehr stark darauf ankommt, die wirtschaftlichen
AkteurInnen dahingehend zu mobilisieren, weil sie sind es ja, die sich dann die
Zeugnisse ansehen und die Personen aufgrund der durch diese Zeugnisse
belegten Leistungen und Kompetenzen einstellen. Bei non-formalem Lernen
erwirbt man ja nicht unbedingt ein Abschlusszertifikat. Wie kann die Umsetzung
daher de facto aussehen?

A. M.: Ich glaube, man wird überlegen müssen, welche Zertifizierungsmöglichkeiten für
non-formales und auch informelles Lernen geschaffen werden. Damit in

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Verbindung steht auch die Frage, wie das Assessment für die Aufnahme in eine
Firma erfolgt. Ich weiß es einfach zu wenig, weil ich in diesem Bereich nicht
tätig war. Man müsste sich ansehen, wie kompetenzbasiert dies funktioniert. Was
Aufgabe der Bildungseinrichtungen sein wird und im Grunde auch schon ist, ist,
dass der Wirtschaft verstärkt klarer gemacht wird, was sich eigentlich hinter
einem akademischen Abschluss verbirgt. Da ist das Diploma-Supplement sicher
ein gutes Instrument, aber es gab ja gerade in der letzten Zeit in Österreich von
der Universitätenkonferenz und der Wirtschaftskammer gemeinsam
Veranstaltungen, die zum Beispiel versucht haben, den Bachelor in der
Öffentlichkeit und auch in der Wirtschaft bekannt zu machen. Da, glaube ich, ist
es Aufgabe der Universitäten, zu sagen, was sind denn die Kompetenzen der
Absolventinnen und Absolventen eines bestimmten Studiums, aber auch zu
schauen, welche Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt gesucht werden. Dann
wird man sehen, wie weit diese Kompetenzüberlegungen deckungsgleich sind.
Sie sollen und sie werden vermutlich nicht 100 Prozent deckungsgleich sein,
weil sonst wären wir eine Ausbildungseinrichtung. Ich denke aber schon, dass
Universitäten so bilden sollten, dass sie nicht völlig am Arbeitsmarkt
„vorbeibilden“.

M. F.: Weil Sie gerade den Arbeitsmarkt erwähnt haben…Gibt es irgendeine Form der
Kooperation zwischen den Universitäten und dem AMS?

A. M.: Meines Wissens gibt es über das Career Service Uniport eine enge
Zusammenarbeit zwischen der Universität und dem AMS. Wie das im Detail
läuft, muss ich gestehen, weiß ich nicht.

M. F.: Nun eine ganz andere Frage zum UG 2002. Inwiefern hat dieses Gesetz
tatsächlich die Autonomie der Hochschulen gestärkt?

A. M.: Nach meiner Erfahrung und nach meiner Wahrnehmung hat das Gesetz die
Autonomie der Universitäten in mehrerlei Hinsicht maßgeblich gestärkt. Wenn
man ein bisschen die wesentlichen Autonomiebereiche überlegt, dann hätten wir
die Personalautonomie, das heißt, die Universität sucht sich ihr Personal selbst
aus, nach entsprechenden Kriterien, egal ob das jetzt eine Professorin oder ein
Professor ist oder eine technische Assistenz oder eine Studienassistentin oder ein

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Studienassistent. Das heißt, die Universität übernimmt hier eine


Dienstgeberfunktion und muss sich auch der Verantwortung für ihr Personal
bewusst sein. Das geht von den Gehaltsstrukturen bis hin zur betrieblichen
Gesundheitsvorsorge. Da hat die Universität durchaus stärker die Rolle des
Dienstgebers oder der Dienstgeberin übernommen. Ich glaube, dass das für die
Entwicklung der Universität absolut notwendig ist, ihr eigenes Personal zu haben
und nicht einfach mit im Grunde staatlichen Personal zu arbeiten. Der zweite
Punkt ist die Finanzautonomie. Das bedeutet, dass die Universität auf der Basis
von Verhandlungen ihr dreijähriges Budget von der Republik Österreich im
Wege des jeweiligen Ministeriums bekommt. Die Universität muss als
Voraussetzung dafür sich in internen Prozessen selbst den Entwicklungsplan
geben. Sie muss also auch planen, in welche Richtung sich die Universität
bewegen will. Auf dieser Basis wird dann das, aus unserer Sicht zu geringe,
Budget verhandelt. Dann ist die Universität relativ frei, das Budget einzusetzen,
was auch wichtig ist, weil es auch die Möglichkeit bietet, Geldmittel anzusparen,
um größere Geräteanschaffungen im naturwissenschaftlichen Bereich zum
Beispiel zu machen, Anschaffungen wesentlich besser auf einander
abzustimmen, die Personalstruktur besser zu planen und sozusagen sich so
aufzustellen, wie es für die Erbringung von Leistungen erforderlich ist, die die
Universität von sich aus erbringen will und wie sie es dann mit dem
Bundesministerium in der jeweiligen Leistungsvereinbarung vereinbart. Man hat
dann so die Flexibilität des Mitteleinsatzes, um diese Leistungen erbringen zu
können. Der dritte wesentliche Punkt ist die Curricularautonomie. Die
Universitäten haben die Aufgabe, in Eigenverantwortung ohne eine externe
Akkreditierung Curricula zu entwickeln, aber auch Qualitätssicherung der
Curricula in entsprechender Weise zu betreiben. Das ist eine vielfach von den
Universitäten unterschätzte Herausforderung. Wir haben uns an der Universität
Wien über viele Jahr mit dieser Thematik sehr, sehr intensiv beschäftigt und
haben, glaube ich, ganz gute Prozeduren und Instrumente der
Curricularentwicklung geschaffen, aber ein Curriculum ist natürlich im Lichte
der Entwicklung der Wissenschaft einerseits und der gesellschaftlichen
Veränderungen und der Veränderungen des Arbeitsmarktes andererseits weiter

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-300-

zu entwickeln. Es müssen sich Universitäten auch darauf einstellen, dass ein


Curriculum nicht für die Ewigkeit geschaffen ist, sondern in periodischen
Abständen evaluiert, adaptiert und modifiziert werden muss. Eine Autonomie
haben wir nicht: das ist die Autonomie, Studierende entsprechend unseren
Kapazitäten auszusuchen. Der fünfte Autonomiebereich ist die
Organisationsautonomie. Im Grunde gibt das Universitätsgesetz relativ knappe
Vorgaben für die Organisation der Universität. Die obersten Organe, die erste
Ebene, ist relativ genau beschrieben. Es ist dann der jeweiligen Universität selbst
überlassen, die interne Struktur autonom festzulegen, wiederum so, wie es für
eine Institution zur Erreichung der Ziele am günstigsten ist. Insofern glaube ich,
dass einfach der Spielraum der Universitäten im inhaltlichen Gestaltungsbereich
wesentlichen gestärkt wurde. Die Achillesferse des ganzen Systems ist im
Grunde die Frage der Aufnahme von Studierenden. Meiner Meinung nach geht
es nicht darum, zu sagen, der offene Hochschulzugang hat sich „überlebt“,
sondern es geht im Grunde darum, zu überlegen, in welchen Bereichen, in
welchen Studien kann eine Universität vernünftige Betreuungsverhältnisse nach
durchaus europäischen Standards anbieten und in welchen Studien ist das nicht
möglich. Und in den Studien, wo das nicht möglich ist, muss man überlegen, wie
man ein vernünftiges Zugangsmanagement macht. Ich bin an sich der Meinung,
dass die Offenheit gewahrt bleiben soll, aber Offenheit kann nicht
gleichbedeutend sein mit „man stopft in eine Universität hinein, was geht und die
Universität muss schauen, dass sie das irgendwie verdaut“. Das ist meiner
Meinung nach ein System, das nicht mehr haltbar ist.

M. F.: Sie haben jetzt sehr viel von Autonomie gegenüber dem Ministerium gesprochen
meiner Meinung nach. Wie ist es aber mit der Autonomie gegenüber
wirtschaftlichen AkteurInnen? Es wird ja immer wieder in den Medien auch
plakativ gesagt, dass in den Universitätsräten wirtschaftliche AkteurInnen sitzen,
welche einen extremen Einfluss auf die Universität nehmen, sodass sie eigentlich
nicht autonom ist.

A. M.: Für die Universität Wien trifft das nicht zu. Der Universitätsrat soll ja nach der
Intention des Gesetzgebers so etwas wie einen gewissen Spiegel der Gesellschaft
bilden. In unserem Universitätsrat sind Universitätsangehörige anderer

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Universitäten, Wirtschaftstreibende, Kammerfunktionäre vertreten. Aber der


zentrale Punkt ist, dass sich der Universitätsrat als Organ der Universität
verstehen muss, der dieser Universitätsrat angehört. Ich sehe im Moment
überhaupt für die Universität Wien nicht den geringsten Einfluss der Wirtschaft
im Sinne, dass die Wirtschaft Forschung oder Lehre „treiben“ würde. Natürlich
ist es für das Management der Universität, das auch für die wirtschaftliche Seite
der Universität verantwortlich ist, nicht ungünstig, dass der Universitätsrat
gewisse Aufsichtsratsfunktionen hat. Der Universitätsrat achtet ja auch darauf,
dass das Budget einer Universität, das vom Rektorat zu verwalten ist, nicht aus
dem Ruder läuft. Das, was für die Universitäten zunehmend wichtiger wird, ist,
dass zur staatlichen Finanzierung dazu noch weitere Mittel lukriert werden. Das
geht im Wesentlichen an der Universität Wien im Wege von
Forschungsprojekten, nationalen Forschungsprojekten, aber immer mehr müssen
wir auch europäische Forschungsmittel ansprechen, ob das jetzt 6. oder 7.
Rahmenprogramm-Projekte oder andere sind… Sie könnten das nachlesen im
Leistungsbericht der Universität Wien 2010. Wir haben ungefähr ein staatliches
Budget von ca. 370, 380 Millionen Euro im Jahr. Wir haben ein sogenanntes
Drittmittelbudget, also Mittel, die wir sonst erwirtschaften, von bereits 64
Millionen Euro. Das zeigt, dass der Anteil des nichtstaatlichen Budgets am
universitären Budget durchaus am Steigen begriffen ist. Das ist eine
Notwendigkeit, damit sich eine Universität bewegen kann.

M. F.: Ist die Universität nun ein „Unternehmen“, welches Dienstleistungen für
Wissensinteressierte anbietet?

A. M.: Ich sehe es eigentlich nicht so. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass
Studierende als Partnerinnen und Partner in einem Erkenntnisprozess zu sehen
sind auf der einen Seite, dass sie aber auf der anderen Seite im Hinblick auf die
Servicierung, im Hinblick auf die Befriedigung ihrer administrativen Bedürfnisse
durchaus wie Kunden zu sehen sind. Die Universität hat sich in den letzten
Jahren sehr bemüht, nicht zuletzt damals, als die Studienbeiträge eingeführt
worden sind, da gab es einen gewissen Servicierungsschub, wenn ich so sagen
darf. Die Universität hat sich bemüht, mit der Zeit ihrer Studierenden, die sie
brauchen, um administrative Wege zu erledigen, sehr sorgsam umzugehen. Ich

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würde die Behauptung wagen, dass ein Student vor zehn Jahren mehr Zeit für
Anmeldungen und das Ausfüllen von allen möglichen Formularen aufwenden
musste als er es heute muss. Ich kann es aber nicht empirisch nachweisen. Ich
sehe also die Universität nicht als klassischen Dienstleister, sondern ich sehe die
Universität schon als etwas Eigenes, was durchaus auch historisch gewachsen
ist, was Dienstleistungsaspekte, was wirtschaftliche Aspekte hat, aber es wäre
meiner Meinung nach völlig fatal, die Universität auf eine
Dienstleistungsfunktion zu reduzieren. Das würde ihrem Wesen nicht gerecht
werden. Da finden Sie 88.000 Studierende plus 9.000 MitarbeiterInnen, die nicht
der Meinung sind, dass die Universität ein klassischer Dienstleistungsbetrieb ist.

M. F.: Nun zur EU-Ebene. Welchen Einfluss hat die EU-Bildungspolitik auf die
nationale Gesetzgebung und deren Umsetzung?

A. M.: Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die EU im Bildungsbereich keinerlei


gesetzliche Möglichkeiten hat. Alle Bildungsgesetze sind im Rahmen der
nationalen Souveränität und der nationalen Gesetzgebung zu erstellen. Deswegen
ist der gesamte Bologna-Prozess kein Gesetzgebungsprozess im Rahmen der EU.
Es ist eine Art Abstimmungsprozess. Im Grunde werden bestimmte Policies auf
der EU-Ebene erarbeitet und dann kommt es zur Entscheidung. Wenn diese
positiv ist, dann ist es Aufgabe der nationalen Gesetzgebungen, diese Policies
umzusetzen, ob das jetzt Mehrsprachigkeitspolitik, ob das jetzt der gesamte
Bologna-Prozess ist - hier kann die EU im Grunde fördernd eingreifen, indem sie
Fördermittel zur Verfügung stellt, aber nicht bestimmend. In der
Forschungspolitik über die großen Framework-Programms wie Marie Curie, da
kann die EU wesentlich stärker eingreifen, weil sie dafür ungleich höhere Mittel
zur Verfügung stellt. Wo die EU auch eingreift - das sind aber im Grunde
Peanuts - sind die Mobilitätsprogramme, Lifelonge Learning Programm usw, die
von der EU von entsprechenden Mitteln gefördert werden. Da gibt es eine
Mobilitätspolicy, aber das ist jetzt nicht etwas, was einen so zentralen Einfluss
auf die Universität hat. Nach wie vor ist es also so, dass die Art und Weise, wie
Universitäten gesetzlich aufgestellt sind, ein Element der nationalen
Gesetzgebung ist.

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M. F.: Was aber von der EU kommt, ist der barrierefreie Hochschulzugang, sodass es
eben keine Diskriminierung von EU-StaatsbügerInnen gegenüber
ÖsterreicherInnen geben darf. Es gibt noch viele andere solche Richtlinien, die
von der EU kommen. Konnte durch diese Fortschritte die Qualitätssicherheit
gewahrt werden?

A. M.: Die Beispiele, die Sie gebracht haben, sind in bestimmten EU-Richtlinien
verankert, wo die EU die gesetzgeberische Kompetenz tatsächlich hat. Es ist
einklagbar und damit gesetzlich umzusetzen. Da werden die Universitäten in die
Pflicht genommen, diese Policies umzusetzen, wie beispielsweise beim
Hochschulzugang in Österreich. Das hat meiner Ansicht nach mit der Qualität an
sich noch nichts zu tun. Ich kann die Verbindung zwischen den EU-Richtlinien
und der Qualitätssicherung nicht erkennen.

M. F.: Ich habe beispielsweise an den „Bildungstourismus“ unserer deutschen


Nachbarn gedacht. Wir haben ohnehin schon knappe Kapazitäten für unsere
eigenen StaatsbürgerInnen. Da ist die Qualität an sich schon gefährdet und dann
kommen von außerhalb noch mehr Studierende dazu.

A. M.: Dann sind wir einfach bei der Frage der Aufnahmekapazität und bei der Frage,
wer für Bildung zahlt. Im Grunde haben wir zwar einerseits die Verpflichtung,
EU-BürgerInnen dieselben Rechte zu gewähren beim Hochschulzugang wie
ÖsterreicherInnen, die ja auch EU-BürgerInnen sind. Andererseits haben wir ein
relativ unterfinanziertes Hochschulsystem. Das ist ein Problem, das die
Universitäten als Universitäten nicht lösen können nach der derzeitigen
Gesetzeslage. Hier ist die Frage, ob es die Politik durchaus auf europäischer
Ebene schafft, möglicherweise in Form von Ausgleichszahlungen Lösungen
herbeizuführen oder durch ein Zugangsmanagement. Es ist dann aber die Frage,
ob ein Zugangsmanagement ÖsterreicherInnen bevorzugen darf oder nicht. Im
Grunde sehen wir das ja bei den Quoten im Medizinstudium, wo festgelegt ist,
dass so und so viel Prozent der Studienplätze für ÖsterreicherInnen, so und so
viele Plätze für EU-BürgerInnen und so und so viel Prozent für Nicht-EU-
BürgerInnen reserviert sind. Meines Wissens ist das eine Frage, die noch nicht
abschließend geklärt ist, ob das eigentlich sein darf oder nicht. Es wird

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praktiziert und es muss praktiziert werden im Moment, weil der Zugang anders
nicht zu regeln wäre. Dem steht der ideell hohe Wert der europäischen
Freizügigkeit gegenüber. Ich sehe das durchaus als ein gewisses Dilemma, für
das wir noch eine politische Lösung suchen und finden werden müssen.

M. F.: Werden die EU-Bildungsprogramme, wie zum Beispiel das Erasmus-Programm


von Studierenden an Ihrer Universität genützt und wie ist das im europäischen
Vergleich zu sehen?

A. M.: Gerade das Erasmus-Programm wird von Österreich sehr stark genützt. Die
Universität Wien gehört, was Mobilität betrifft, zu den Spitzenreitern in Europa.
Wir hatten auch Gott sei Dank keinen wirklichen Einbruch durch die Umstellung
auf Bachelor und Master. Die Out-Going-Zahlen sind im letzten Jahr ganz leicht
zurückgegangen, während die In-Coming-Zahlen gestiegen sind. Wir sind aber
relativ ausgewogen bei ca. 900 In-Coming und 1.000 Out-Going Studierenden
pro Jahr. Die Möglichkeiten werden genützt. Ich persönlich bemühe mich auch
auf europäischer Ebene mehr Flexibilität für das Nachfolgepgrogramm des
derzeitigen Erasmus zu erreichen. Derzeit ist die Schwierigkeit, dass die
Studierendenmobilität von Studierenden nur einmal wahrgenommen werden
kann. Das widerspricht meiner Meinung nach völlig der Idee von gemeinsamen
Studienprogrammen, wo Studierende ja mobil sein sollen. Wir werden uns
bemühen, dass es vielleicht möglich ist, dass man ein Monatskontingent hat und
man sich das dann einteilen kann, wie viel Zeit man im Bachelor, wie viel im
Master und wie viel im PhD Studium ins Ausland gehen möchte. Derzeit kann
man das nur in einem Zyklus machen. Zunehmend sind Praktika im Ausland für
Studierende interessant, die von der EU gefördert werden. Da sehen wir ein
Steigen der Zahlen. Ich bin auch durchaus optimistisch, dass wir die Zahlen der
mobilen Lehrenden an der Universität Wien erhöhen werden. Das Erasmus-
Programm, das Lifelong Lerarning Programm greift an der Universität Wien
eigentlich sehr gut, ausbaufähig sind die Dinge immer, aber ich halte es für
europaweit sehr gut ausgestellt.

M. F.: Nun zu einem ganz anderen Themenbereich - Universitäten und


Fachhochschulen. Sind Fachhochschulen aus der Sicht der Universität Wien eine

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gute Ergänzung zu Universitäten im Bereich der Hochschulbildung oder sind


Fachhochschulen eher Konkurrenzinstitutionen zu Universitäten?

A. M.: Meines Wissens gibt es zu diesem Punkt keine Policy der Universität Wien an
sich. Meiner persönlichen Meinung nach ist es notwendig, dass es in Österreich
den Fachhochschulsektor gibt. Ich glaube, dass es eine Reihe von akademischen
Berufsausbildungen geben muss, die keine wissenschaftliche Berufsvorbildung
sind, wie es für die Universitäten charakteristisch ist, sondern
wissenschaftsfundierte Berufsausbildungen mit einer nicht unbeträchtlichen
Regionalisierungskomponente. Fachhochschulen bedienen vernünftigerweise mit
ihren Studiengängen sehr oft einen regionalen Markt. Ich denke, man wird in
Österreich auch in den nächsten Jahren - und ich gehe einmal davon aus, dass
dies im Zusammenhang mit dem Hochschulplan kommen wird - das
Studienangebot der Universitäten und das Studienangebot der Fachhochschulen
miteinander vergleichen sollen, um einmal zu schauen, ob das österreichische
Bildungssystem genügend Plätze für interessierte SekundarschulabsolventInnen
bietet, ob es Bereiche gibt, die man verstärken sollte, ob es Bereiche gibt, die
vielleicht auch von einer Universität zu einer Fachhochschule wandern könnten
oder wandern sollten. Was besonders spannend wird - wir haben an der
Universität Wien ein Beispiel an der Pflegewissenschaft, wo die FH Campus
Wien das Bachelor-Studium und die Uni Wien ein wissenschaftsorientiertes
Master-Studium anbietet. Das ist alles gut koordiniert und gut abgesprochen. Ich
würde mir mehr solche Modelle wünschen und ich glaube, es wird in den
nächsten 10 bis 20 Jahren auch dazu kommen, dass sozusagen der Wechsel von
einem FH-Bachelor zu einem Uni-Master und von einem Uni-Bachelor zu einem
FH-Master verbreitet sein werden. Das wird sich verstärken.

M. F.: Also eher mehr Kooperation und Zusammenarbeit.

A. M.: Ich glaube, dass es absolut sinnvoll wäre, hier einmal eine Koordination der
Sektoren vorzunehmen. Wir haben meiner Meinung nach in Österreich in der
Bildungspolitik die leicht groteske Situation, dass wir die klassischen staatlichen
Universitäten haben, die pädagogischen Hochschulen, die zu einem anderen
Ministerium ressortierten, wir haben die Fachhochschulen, die wieder eine

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eigene Welt darstellen, und wir haben die Privatuniversitäten. Das sind vier
Bereiche, die im Moment relativ isoliert von einander existieren. Ich glaube oder
ich bin relativ überzeugt davon, dass sich der anvisierte Hochschulplan der Frage
annehmen wird, wie können die Bildungsangebote dieser Sektoren letzten Endes
in einer vernünftigen Art und Weise aufeinander abgestimmt werden. Ich glaube,
dass das auch eine Notwendigkeit ist im Hinblick auf den Mitteleinsatz.

M. F.: Sie haben gerade gesagt, dass diese vier Sektoren relativ isoliert nebeneinander
bestehen. Sind die Tätigkeitsbereiche von diesen Sektoren eindeutig abgegrenzt?

A. M.: Ich glaube, dass sie im Moment zum Teil noch nicht eindeutig voneinander
abgegrenzt sind. Ich bin an sich der Meinung, dass es nicht zu viel staatliche
Steuerung geben soll, aber vielleicht müsste man einfach die
Abgrenzungsproblematik und die Schnittstellenproblematik relativ offen
diskutieren, um zu schauen, wer soll oder wer kann mit welcher Kompetenz
welche Bereiche vernünftig abdecken. Es schadet auch gar nichts, wenn manche
Bereiche da und dort gemacht werden, wenn die Nachfrage entsprechend groß
ist. Ich glaube, man sollte hier einfach nur einmal die gewachsenen Angebote
analysieren und sehen, wie eine „Studienangebotslandkarte“ eigentlich aussieht
und ob es dann noch Raum für vernünftige Abstimmungsprozesse geben kann.

M. F.: Besteht zwischen Universitäten und Fachhochschulen ein Konkurrenzkampf im


Hinblick auf Qualitätskriterien?

A. M.: Das ist mir jetzt so konkret nicht bekannt. Ich muss aber sagen, dass ich die
Qualitätsstandards der Fachhochschulen und der Fachhochschulstudiengänge zu
wenig kenne. Ich fürchte, ich kann die Frage nicht wirklich beantworten.

M. F.: Kein Problem. Ich wäre nun mit dem Thema Fachhochschulen fertig. Gibt es
von Ihrer Seite noch etwas, was Sie zu dem Thema anmerken möchten?

A. M.: Ja. Ich glaube, dass wir grundsätzlich für die Zukunft stärker im Sinne des
kompetenzorientierten Lehrens und Lernens und der lern-outcome-orientierten
Curricula zwischen den Bildungsinstitutionen, vor allem an den Schnittstellen
zwischen den unterschiedlichen Zyklen, also zwischen Bachelor und Master im
Speziellen jetzt, eine größere Durchlässigkeit brauchen werden. Im Grunde wird
sich das hochschulische System in Österreich überlegen müssen, wenn es denn

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so ist, dass sich der Bachelor als akademischer Erstabschluss durchsetzt und ein
größerer Kreis von Bachelor-AbsolventInnen in den Job geht und dann nach
einer gewissen Zeit die Notwendigkeit oder den Wunsch sieht, sich in einem
Master-Studium weiter zu qualifizieren, dann wird man das Konzept der
Masterstudien überdenken müssen. Dies könnte in die Richtung gehen, dass es
vielleicht zwei Typen geben wird. Es wird den Typ Master-Studium geben, der
sehr stark berufsrelevant ist und es wird den Typ Master-Studium geben, der
stärker wissenschaftsrelevant ist, wenn Leute - sei es aus persönlichem Interesse,
sei es aus beruflichem Interesse - sich wissenschaftlich weiter qualifizieren
wollen, wird man sich überlegen müssen, welche Verzahnungsformen man
zwischen einem wissenschaftlichem Master-Studium und einem Ph-D-Studium
finden könnte. Da gibt es weltweit durchaus interessante Verzahnungsmodelle,
die man sich gerade von den Universitäten her ansehen müsste. Ich sehe auch
hier in der Frage der nicht übermorgen anstehenden, aber doch in den nächsten
zehn Jahren anstehenden Neukonzeption von Master-Studien auch eine
spannende Herausforderung sowohl für die Universitäten als auch für die
Fachhochschulen. Ich würde mir durchaus mehr Kooperationsmodelle hier
wünschen. Wie ich unlängst bei einer Tagung gesehen habe, gibt es erste
Kooperationsmodelle durchaus schon im Bereich der Dissertationsbetreuung. Es
gibt also Professoren und Professorinnen der Universität, die eine Dissertation an
einer Universität betreuen, die aber an einer FH im Zuge von
anwendungsorientierter Forschung durchgeführt wird. Ich glaube, da gibt es eine
Reihe von Modellen, die man aufgreifen sollte, die man analysieren sollte und
wo man überlegen sollte, ob man nicht hier sektorenübergreifend mehr
zusammenarbeiten könnte.

M. F.: Nun zum Bereich universitäre Weiterbildung. Welche Aktivitäten bietet die
Universität Wien an den Schnittstellen der Universität zur Gesellschaft an?

A. M.: Ich würde hier jetzt die Kinderuni für die Jungen mit einem sehr, sehr
spannenden Konzept, Kindern spielerisch und partizipatorisch Wissenschaft
näher zu bringen, auch mit dem Anliegen der Universität Wien, bildungsferne
Schichten für Wissenschaft zu begeistern, über die Kinder, nennen. Über die
Kinder erreicht man nämlich die Eltern und die Eltern sind immer noch ganz

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wesentlich, wenn es dann um die Studien- oder die Bildungsbiografie ihrer


Kinder geht. Das halte ich für eine wesentliche gesellschaftliche Schnittstelle.
Wenn man so will für die große Öffentlichkeit: University meets public, ein
Kooperationsprojekt, das ich 2000 übernommen habe, noch aus der Zeit vor
meiner Tätigkeit als Vizerektor an der Universität Wien. Das haben also die
Rektoren Ebenbauer und Greisenegger Ende der 1990er Jahre begonnen. Das
läuft hervorragend. Da ist das Ziel, dass WissenschafterInnen der Universität
Wien zu bestimmten Themen, die mit der Wiener Volksbildung festgelegt
werden, hinausgehen an die Volkshochschulen und dort gut fundierte
wissenschaftliche Vorträge in einer allgemein verständlichen Sprache halten.
Hier glaube ich, erreichen wir sehr viele Damen und Herren in Wien, die sonst
vielleicht nicht so sehr mit Wissenschaft in Verbindung treten würden. Dann gibt
es natürlich den klassischen Weiterbildungsbereich, den Sie von Kollegin
Schnabl wesentlich besser dargestellt bekommen werden als von mir:
Universitätslehrgänge, Module, Zertifikatskurse usw. Man darf nicht vergessen,
dass die Universität sehr stark natürlich über die Lehrerbildung auch in die
Gesellschaft hineinwirkt. Wir sind ja verantwortlich für die Ausbildung von
Lehrern und Lehrerinnen für die höheren Schulen und haben damit eine
wesentliche Relais-Funktion zu der Ausbildung unserer Kinder und zukünftigen
Generationen. Das ist ein Themenbereich, dem die Universität Wien, aber auch
die anderen österreichischen Universitäten in der letzten Zeit verstärkte
Aufmerksamkeit gewidmet haben. Da haben wir sehr viel in den letzten Jahren
aufgebaut, sodass wir für Fragen der PädagogInnen-Bildung-Neu, die ja jetzt
bildungspolitisch diskutiert werden, sehr gut aufgestellt sind. Da werden wir
einen guten Beitrag leisten können. Dann darf man nicht unterschätzen, dass
nicht alles, was Universität und Gesellschaft betrifft, notwendigerweise
sozusagen strukturiert sein muss, in Form von Kursen oder Seminaren oder
ähnlichem, sondern es läuft auch sehr viel durch die Mitwirkung von
Angehörigen der Universität Wien bei Vortragsreihen, bei Podiumsdiskussionen,
bei Penaldiscussions usw. Das haben wir nicht erfasst. Ich glaube aber, ohne es
wirklich zu wissen, dass die Universität durchaus in die Gesellschaft ausstrahlt

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und im Gegenzug wieder Fragestellungen aus der Gesellschaft an uns zurück


gespielt werden.

M. F.: Welche Bedeutung bzw. welchen Stellenwert hat nun universitäre Weiterbildung
innerhalb der Bevölkerung bzw. innerhalb der Gesellschaft?

A. M.: Ich fürchte, die Universitäten sind als Weiterbildungsträger noch nicht so ganz
angekommen. Es gibt außeruniversitäre Bildungsträger, deren Hauptaufgabe es
ist, Weiterbildung zu betreiben, deren Geschäftsfeld das ist. Für die Universität
ist es ein Geschäftsfeld unter mehreren und im Grunde ist das auch eine Frage
danach, was unser Personal kräftemäßig und zeitmäßig zu leisten im Stande ist.
Wenn wir Studienrichtungen mit mehreren tausend BeginnerInnen haben, dann
geht die Kraft zuerst in die Studierenden, worauf die Studierenden auch ein
Recht haben, und dann erst geht es in die Weiterbildung. Insofern weiß ich nicht,
ob wir es schaffen werden…Meiner Meinung nach können wir es nur über die
Qualität schaffen. Also wir können es nur dann schaffen, indem unsere
Weiterbildungsangebote so qualitativ hochstehend und so toll sind, dass man
sagt, es ist kein Riesensegment, aber es ist ein hochqualitatives Segment. Das
Sprachenzentrum wäre ein Beispiel. Es hat sich durchaus mit einem qualitativen
Sprachkursangebot nicht nur für Studierende und Personal, sondern für
„everybody“ etabliert. Es hat sich an einem sehr umkämpften Markt am Standort
Wien gut etabliert, mit wachsenden TeilnehmerInnenzahlen.

M. F.: Weil Sie gerade dieses konkrete Beispiel genannt haben. Wie ist dieser Prozess
damals abgelaufen. Lief das über die Medien? Wurde das öffentlich thematisiert?

A. M.: Ganz kurz: Das Sprachenzentrum wurde im Grund auf meine Initiative hin,
gestützt durch das Bildungsministerium, anlässlich des europäischen Jahres der
Sprachen 2001 eingerichtet. Es hat also klein begonnen und hat sich durch ein
gutes, qualitatives Angebot, durch eine gute Anbindung an die Lehr- und
Lernforschung sowie anderes, einfach am Markt etabliert, natürlich mit
entsprechenden PR-Maßnahmen, mit Tagen der offenen Tür, mit
Veranstaltungen zum europäischen Tag der Sprachen, mit Mitwirkung bei der
Kinderuniversität, mit Flyern, mit Plakaten in der Straßenbahn etc. Das sind
einfach PR-Maßnahmen, die zu setzen sind. Nun ist es klar, unter Sprachkursen

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kann sich eigentlich jeder etwas vorstellen. Outdoor-Pädagogik oder allgemein


die Titel unserer Universitätslehrgänge sind für ein Spezialpublikum. Da ist die
Frage, wie man an die Interessenten, an das Spezialpublikum kommt, dem wir
diese Programme näher bringen möchten. Ich bin davon überzeugt, dass das
unser Postgraduate-Center kann. Da brauchen wir wieder die Mithilfe der
Fakultäten und der KollegInnen. Meiner Meinung nach brauchen wir auch die
Mithilfe der Berufsverbände. Doch da ist dann wieder die Frage, ob diese eigene
Weiterbildungsorganisationen haben und ob die uns als Konkurrenz sehen oder
als Ergänzung. Es ist ein äußerst schwieriges Feld. Ich glaube, dass es Kollegin
Schnabl gelungen ist, mit dem Postgraduate-Center ein Instrument aufzubauen,
das in der Lage ist, professionell damit umzugehen. Das ist etwas, was ich mit
Freude und Interesse verfolgen kann. Das gehört jetzt vielleicht auch ein
bisschen zu der Frage, was das Universitätsgesetz bewirkt hat und zum Thema
Autonomie der Universitäten. Die Universität Wien ist in manchen Bereichen im
Laufe der 12 Jahre, die ich jetzt überblicke, wesentlich professioneller geworden.
Nehmen Sie beispielsweise den Student Point her. Wir haben mittlerweile eine
äußerst professionelle Betreuung und Information für Studieninteressierte und
Studierende. Nehmen sie Uniport, das Career-Service. Nehmen Sie den Alumni-
Verband. Nehmen Sie das Postgraduate-Center. Nehmen Sie das Center for
Teaching and Learning für Hochschuldidaktik. Da haben sich Dinge entwickelt.
Das hängt aber auch einfach damit zusammen, dass die Universität an Profil
gewinnen wollte und da sind wir beim positiven Aspekt des
Dienstleistungsaspektes, das heißt, dass die Universität erkennt, dass für die
Weiterentwicklung interne Dienstleistungen angeboten werden müssen, ohne
dass deswegen die Uni selber ein Dienstleistungsbetrieb im klassischen Sinn
wird.

M. F.: Welche Rolle spielen die Medien im Hinblick auf die Universität ganz
allgemein?

A. M.: Wir brauchen die Medien unbedingt als Partner. Es hat sich die Berichterstattung
über Aktivitäten der Universität Wien - ich nehme an, dass man das auch
empirisch nachweisen könnte - in den letzten zehn Jahren enorm gesteigert, nicht
zuletzt auch durch die „Uni brennt-Bewegung“. Besetzungen sind für

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Universitäten nie angenehm, aber das Thema Bildung, das Thema universitäre
Bildung hat auch dadurch in der Öffentlichkeit eine größere Visibility gewonnen.
Es wird in den Medien über die wissenschaftlichen Erfolge berichtet, es wird in
Zusammenhang mit den Rankings über gute oder schlechte Platzierungen
berichtet und diskutiert und es wird berichtet - das ist ja auch nicht uninteressant
- wenn es ein neues Rektorat an der Uni Wien gibt. Die Universitäten sind in den
letzten Jahren in den Medien um vieles präsenter geworden, was meiner
Meinung nach nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass gerade die Online-
Versionen von Zeitungen eigentlich alle einen Bildungsteil haben, der durch die
Online-Variante viel mehr bespielt werden muss. Die Redaktionen der Zeitungen
sind eigentlich durchaus immer mehr auf der Suche nach Neuigkeiten auf den
Universitäten. Das ist eine These von mir: Das wäre in den klassischen Print-
Versionen wahrscheinlich weniger zum Tragen gekommen als jetzt, wo es auch
die Online-Versionen gibt. Das wäre eine interessante Forschungsfrage für eine
Seminararbeit vielleicht.

M. F.: Sind die Medien nun Informationsträger in erster Linie oder eher Werbeträger
oder sind Sie beides?

A. M.: Die Medien sind einerseits durchaus Informationsträger und damit insofern
Werbeträger als sie die Universitäten ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und der
Politik bringen. Sie sind natürlich auch kritischer Beobachter dessen, was auf
den Universitäten vorgeht. Ich glaube, dass das auch eine wichtige Rolle ist, die
für Universitätsleitungen bei Gott nicht immer angenehm ist, aber es ist gerade
für einen Wissenschaftsbetrieb wichtig und relevant, weil man nicht durch
Jubelmeldungen weiterkommt, sondern man kommt durchaus durch,
idealerweise fundierte, Kritik weiter. Dass nicht immer alles so recherchiert ist,
wie wir uns das wünschen würden, ist eine andere Sache, aber grundsätzlich ist
diese Kritik an den Universitäten auch etwas, was meiner Meinung nach
durchaus auch positiv zu sehen ist, weil es zeigt Interesse im Allgemeinen und
im Idealfall auch Interesse an einer Qualitätssteigerung und Interesse an einer
Optimierung und ein Interesse am Besserwerden von Universitäten.
Universitätsleitungen sind gut beraten, durchaus Anregungen von verschiedenen

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Seiten aufzunehmen. Dann ist es natürlich eine Frage, wie man damit umgehen
kann und wie man damit umgehen will.

M. F.: Nun zum letzten Fragenkomplex Bildungspolitik und Ökonomie. Wie wir alle
wissen, sind die Universitäten unterfinanziert. Welche Lösungsansätze könnten
Sie sich vorstellen, um die Finanzierungsproblematik der Universitäten zu lösen?

A. M.: Ich denke, dass der sich jetzt auf dem Tisch befindliche Vorschlag einer
Studienplatzfinanzierung ein spannender und ein sehr interessanter Weg wäre.
Im Grunde ist es ein System, das bei den Fachhochschulen seit vielen Jahren
bestens funktioniert. Es bedeutet aber auch, dass sich die Bildungspolitik
Gedanken darüber machen muss, wie hoch die Übertrittsraten von der
Sekundarstufe sein sollen, wie viele Studienplätze national von der Republik
Österreich finanziert werden sollen. Da kommen Fragen auf, um die sich die
Politik bis jetzt zum Teil gedrückt hat. Es ist nicht so, dass der Staat in der Lage
ist zu sagen, dass ein Studienplatz in einem bestimmten Bereich so und so viel
kostet und egal wie viele kommen, wir können das alles finanzieren - das wäre
sozusagen ein Idealzustand, den es nicht geben wird. Man wird sich daher
überlegen müssen, wie viele Studierende pro Jahr können unter der Annahme
vertretbarer Betreuungsrelationen ein bestimmtes Studium beginnen. Da wird es
Bereiche geben, wo es gute Kapazitätsverhältnisse gibt und es wird Bereiche
geben, wo ein Zugangsmanagement in der einen oder anderen Form notwendig
sein wird.

M. F.: Welche Erfahrungen haben Sie hinsichtlich des Zusammenhangs von


Studiengebühren und der Inanspruchnahme von Hochschulbildung?

A. M.: Wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, hat die Einführung der
Studiengebühren zu einer Senkung der registrierten Studierenden geführt. Es ist
allerdings die Frage, ob das die Bereinigung der Karteileichen ist, wie die
damalige Ministerin gesagt hat. Wir haben von diesem Stand an durchaus ein
Steigen der Studierendenzahl gesehen. Ich bezweifle, dass Studienbeiträge in der
Höhe, wie wir sie in Österreich hatten, interessierte Jugendliche wirklich vom
Studieren abhalten. Ich kann die negative Korrelation nicht wirklich erkennen.
Aus meiner Beobachtung kann ich nur sagen, dass es dadurch eher zu

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Studienzeitverkürzungen gekommen ist, dass die Studierenden nach Einführung


der Studienbeiträge durchaus, meines Erachtens zu Recht, verstärkt
Serviceleistungen der Universitäten eingefordert haben nach dem Motto „Ich
leiste jetzt meinen Beitrag und was tut die Uni nun für mich?“. Wir konnten mit
den Studienbeiträgen bzw. mit dem was uns als Universität von den
Studienbeiträgen geblieben ist, Dinge wie Student Point finanzieren, wir konnten
zusätzliches Lehrangebot finanzieren usw. Wir konnten den Studierenden schon
zeigen - und das war immer mein Ziel - was mit ihren Studienbeiträgen passiert
ist, wofür haben wir sie eingesetzt etc. Diese sollen ja den Studierenden zu gute
kommen. Man darf aber nicht vergessen, dass die Studiengebühren nur zehn
Prozent des Universitätsbudgets waren. Damit kann man nicht die Universität
total umkrempeln, aber man kann Akzente setzen und zeigen, dass das Geld ist,
das von den Studierenden kommt, das von der Uni auch eingesetzt wird. Ich
denke, dass die Studiengebühren das Commitment der Studierenden erhöht
haben. Das war jedenfalls meine Beobachtung. Ich denke schon, dass – natürlich
kombiniert mit einem vernünftigen Stipendiensystem, da niemand Interesse
daran hat, dass talentierte, interessierte, begeisterte SchulabgängerInnnen vom
Studium ferngehalten werden - je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auch
durchaus Studienbeiträge geleistet werden sollten, von den Damen und Herren,
die in der Lage sind, sich das zu leisten. Ich denke, dass Studienbeiträge eine der
Finanzierungsquellen der österreichischen Universitäten in der Zukunft sein
werden, allerdings unter der Bedingung, dass das Geld zusätzlich kommt und
dann nicht die staatlichen Zuwendungen wieder gekürzt werden, um die Summe
der Studienbeiträge, so wie es schon in der Vergangenheit passiert ist. Das sollte
es eigentlich nicht sein.

M. F.: Ein letzter Punkt noch. Sie haben als eine Lösungsmöglichkeit die
Studienplatzfinanzierung genannt. Ist eine andere Möglichkeit vielleicht die neue
Studieneingangsphase, sodass man ziemlich am Anfang durch die sogenannten
Knock-out-Prüfungen die Studierendenzahl reduziert, um dann den anderen, die
diese Prüfungen geschafft haben, eine besser Qualität im Studium bieten zu
können?

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A. M.: Ich glaube, dass die Studieneingangsphase, wie wir sie jetzt haben, die Aufgabe
hat, die Studienwahlentscheidung zu unterstützen und die Passung zwischen den
Wünschen der Studierenden und den Erfordernissen eines wissenschaftlichen
Studiums herzustellen. Die Studieneingangsphase - und das soll man schon
betonen - ist nicht konzipiert zur Kapazitätsregelung. Daher glaube ich nicht,
dass das Kapazitätsproblem durch die Studieneingangsphase und
Orientierungsphase zu lösen ist. Da braucht es sehr klare Verfahren, wie
beispielsweise in der Psychologie. Man bewirbt sich um einen von 600 Plätzen
und dann gibt es entsprechende Auswahlverfahren. Jedem ist klar, dass er sich
um einen dieser Plätze bewirbt. Die Studieneingangs- und Orientierungsphase
hat die Aufgabe, dass ich als Jungstudent einmal schaue, was da an der Uni
gemacht wird. Wenn ich mich zum Beispiel für Anglistik entscheide, dann
mache ich meine drei Lehrveranstaltungen und schaue mir das an. Dann komme
ich vielleicht drauf, dass mein Englisch nicht so ist, wie ich mir das gedacht habe
und da muss ich mich mit Literatur beschäftigen und Linguistik gibt es auch
noch. Das interessiert mich alles nicht. Da muss ich lernen, für eine Prüfung zu
lernen, die ich nur einmal wiederholen kann. Damit checke ich, wie ich mich im
System Universität werde bewegen können, schaffe ich das oder schaffe ich das
nicht. Was ich aber nicht tue, ich bewerbe mich nicht um einen von X Plätzen an
der Anglistik. Man soll sehr vorsichtig sein. Es kann etwas wie die
Studieneingangsphase dann, wenn wir wissen wie viele Plätze es gibt, eine Art
des Auswahlverfahrens durchaus sein. Jetzt ist sie die jedenfalls nicht.

M. F.: Dann danke ich Ihnen ganz herzlich für das Gespräch. Haben Sie von Ihrer Seite
noch etwas anzumerken, was sie unbedingt gesagt haben möchten?

A. M.: Nein danke. Es war ein spannendes Gespräch mit äußerst interessanten Fragen.
Ich habe ich bemüht, sie auf den Kopf sozusagen zu beantworten und ich hoffe,
dass es Ihnen ein bisschen weiterhilft.

M. F.: Ja, mit Sicherheit. Dankeschön.

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4. Interview 4 - Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel


Universität Klagenfurt

DoktorandInnenkolleg Lebenslanges Lernen

Feldforschung für die Dissertation

Titel der Dissertation

Ökonomische Aspekte der universitären Bildungspolitik -


eine kritische Einschätzung
der bildungsökonomischen Situation
im Bereich der universitären Weiterbildung
Verfasserin

Mag. Dr. Madeleine Fichtinger

Interviewpartnerin: Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel836

Ort: Schenkenstraße 8-10


1010 Wien

Datum: 14.06.2011

Zeit: 16:00 Uhr bis 16:45 Uhr

Transkription des Interviews

836
Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel < http://roemr.univie.ac.at/mitarbeiterinnen/univ-prof-dr-franz-stefan-
meissel/>, 14.06.2011.

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00:00-42:17

M. F.: Ich bitte Sie nun, dass Sie eingangs einige Worte zu Ihrer Person und Ihrem
Tätigkeitsbereich an der Universität Wien sagen.

F.M.: Ich bin Studienprogrammleiter der Rechtswissenschaften seit drei Jahren, seit
sechs Jahren bin ich Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät und
darüber hinaus schon lange im Unterricht tätig.

M. F.: Nun einige Fragen zur Rechtslage. Was ist die Aufgabe der Universität? Ist dies
eher wissenschaftliche Bildung oder berufliche Bildung?

F.M.: Die Aufgabe der Universität ist sicher wissenschaftliche Bildung, wobei man
hier natürlich Forschung und Lehre als einem Bereich sehen muss, der verknüpft
ist und der sich wechselseitig befruchtet. Das entspricht auch dem Ziel, welches
die Universitäten in Österreich üblicherweise selbst proklamieren. In den
Rechtswissenschaften ist es allerdings so - nachdem unser Studienabschluss die
Voraussetzung für bestimmte Berufstätigkeiten ist -, dass auch die
Berufsvorbildung mit ein Bestimmungsfaktor ist, der bei der Gestaltung der
Lehre berücksichtigt wird. Dennoch würde ich sagen, dass auch bei uns das
primäre Ziel wissenschaftliche Bildung ist, das heißt die Vermittlung von
bestimmten Methoden, bestimmten Arbeits- sowie Denkweisen und weniger
unmittelbar verwertbares Wissen, das gerade in unserem Bereich einer kurzen
Halbwertszeit unterliegt.

M. F.: Inwiefern ist seitens der juristischen Fakultät dem „Vorwurf” „zuzustimmen“,
der Juristen gegenüber gemacht wird, nämlich dass das reine Lernen von
tausenden von Seiten für eine Prüfung im Vordergrund steht und nicht so sehr
die kritische Auseinandersetzung mit der Materie, wie es vielleicht in einem
sozialwissenschaftlichen Fach eher der Fall ist?

F.M.: Diese Alternative ist, glaube ich, etwas falsch gestellt. Es geht nicht so sehr
darum, ob man nur Wissen hat oder von Vorne herein eine kritische Einstellung
hat, sondern es geht darum, dass man in einer bestimmten Art befähigt ist, mit
normativem Material umzugehen. Dies erfordert mehr als bloßes Wissen und das
Pauken von Stoff. Gleichzeitig ist es aber die Frage, ob man immer von Vorne
herein eine kritische Grundhaltung hat. Das scheint mir, auch ein bisschen eine

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ideologische Vorgabe zu sein. Natürlich sollen Juristen auch in der Lage sein,
Gesetze kritisch zu analysieren. Aber das ist im Grunde eine eigene Frage für
sich, welche persönliche Einstellung man zu einem bestimmten Gesetz hat, ob
man es positiv oder negativ sieht. Das ist eine rechtspolitische Frage, die sicher
auch zur juristischen Tätigkeit dazugehört, die aber zu trennen ist von der
vorgelagerten Frage, überhaupt mit diesem Material umgehen zu können. Das
erfordert auch kritisches Analysevermögen, ist aber nicht von Vorne herein
damit verbunden, dass man sich jedem Gesetz oder jeder Bestimmung kritisch
nähert.

M. F.: Noch einmal zentral gefragt: In der Literatur wird immer wieder einerseits von
der Employability, der ökonomischen Wissensvermittlung und andererseits von
der Criticizeability, der Kritikbefähigung gesprochen. Sind diese beiden
Bereiche überhaupt voneinander zu trennen oder wirken sie zusammen?

F.M.: Die wirken im Idealfall natürlich zusammen. Für Jus ist es so, dass das Wissen,
das wir den Studierenden vermitteln, im Sinne der Employability ein
verwertbares Wissen darstellt. Es gehört aber auch zur Beherrschung des Metiers
des Juristen oder der Juristin dazu, selbstständig denken zu können und
dementsprechend auch das Material nicht nur zu repetieren, sondern sich auch
bewusst zu sein, wie sich zum Beispiel eine Norm in der Handhabung auswirkt
und ob diese Effekte positiv oder negativ sind. Es wird kaum einen guten
Juristen geben, der diese Folgewirkungen der Anwendung von Rechtsnormen
ganz außer Acht lässt. Bei der Rechtsanwendung ist nicht im Vordergrund, ob
ich das Ergebnis erziele, das ich mir wünsche oder nicht wünsche, weil wir nicht
vom Wünschen leben, sondern dass normative Vorgaben sachgerecht umgesetzt
werden. Das entspricht auch einer gewissen Arbeitsteilung und letztlich auch
einer verfassungsrechtlich und verfassungspolitisch vorgegebenen Trennung der
Aufgaben im Staat. Da sind dann eben Juristen, wenn sie als Rechtsanwender
tätig sind, in einer anderen Rolle als Juristen und Juristinnen, die gesetzgebend
tätig sind. Damit gehört das zu der jeweiligen professionellen Rolle dazu, welche
Ausbildung im Vordergrund steht.

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M. F.: Sie haben gerade das nächste Stichwort geliefert, nämlich „gesetzgebend“. Nun
einige Fragen zum UG 2002. Hat dieses Gesetz tatsächlich die Autonomie der
Universitäten gestärkt?

F.M.: Naja, das kommt darauf an, welche Art von Autonomie man vor Augen hat. Das
Gesetz hat die Autonomie der Universitäten im Verhältnis zum Ministerium
gestärkt. Der Spielraum der Universitäten ist größer geworden. Innerhalb der
Universitäten ist allerdings die Frage, ob der Spielraum der einzelnen
Universitätslehrer und Universitätslehrerinnen größer geworden ist oder nicht
und das ist, glaube ich, ohne dass man das jetzt polemisch sieht, schlicht und
ergreifend zu verneinen. Der Spielraum der einzelnen Forscher und
Forscherinnen ist also nicht gerade größer geworden. Das ist vielleicht nicht nur
am Gesetz festzumachen, sondern auch an den gesellschaftlichen Entwicklungen.
Heute ist die Stellung der Rektorate einfach stärker als es früher der Fall war. Es
sind auch die Aufgaben größer geworden und damit auch die Verantwortung für
die Rektorate. Aber für die einzelnen Professorinnen und Professoren,
Assistentinnen und Assistenten, glaube ich nicht, dass man behaupten könnte,
die Autonomie sei größer, als sie vor zehn Jahren war.

M. F.: Ist auf der Ebene der Studienprogrammleitung eine Veränderung zu


verzeichnen?

F.M.: Das ist schwer zu vergleichen, weil es die Funktion des Studienprogrammleiters
vor zehn, fünfzehn Jahren noch gar nicht gegeben hat. Aber zur Autonomie der
Studienprogrammleiter kann man schon etwas sagen. Sie sind natürlich von
Vorne herein durch die Budgetvorgaben, durch die Ressourcenvorgaben
eingegrenzt. Innerhalb des Rahmens der zu planenden Lehrstunden besteht eine
gewisse Freiheit, weil man da bis zu einem gewissen Grad entscheiden kann, ob
die A oder der B für die Lehre eingesetzt wird, mit welchem Ausmaß und mit
welchen Lehrveranstaltungen. Das war früher auch der Fall. Insofern hat sich für
die Tätigkeit der Studienplanung nach meiner Einschätzung nicht wahnsinnig
viel verändert. Da gab es natürlich auch vor fünfzehn Jahren gewisse Vorgaben
und die gibt es heute auch. Das hat sich eigentlich nicht maßgeblich verändert.

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M. F.: Und wie ist mit folgendem „Vorwurf” umzugehen: Auf der einen Seite haben die
Universitäten mehr Autonomie gegenüber dem Ministerium. Auf der anderen
Seite sind sie doch viel mehr von wirtschaftlichen AkteurInnen abhängig, weil
diese in den Universitätsräten mitwirken können.

F.M.: Im Hinblick auf die Studiengestaltung hat sich meines Wissens nach der
Universitätsrat an der Universität Wien nie besonders eingemischt. Ich glaube,
dass das sehr stark auch von den einzelnen Persönlichkeiten abhängt, die in den
Universitätsräten vertreten sind. Ich sehe persönlich als Jurist zwar schon diese
Gefahr, dass bei einem Universitätsrat, der maßgeblich von der Politik
mitbestimmt wird, politische Faktoren oder auch ökonomische Interessen eine
Rolle spielen könnten. Aber diese Befürchtung hat sich zum Glück, meines
Wissens nach, bislang nicht erfüllt. Im Gegenteil, ich glaube, dass es für eine
Universität nicht schlecht ist, auch Akteure und Akteurinnen von außerhalb der
Universität zu haben, die hier als Dialogpartner fungieren. Das, glaube ich, hat
sich im Großen und Ganzen eher positiv entwickelt. An der Universität Wien
habe ich zumindest den Eindruck, dass der Universitätsrat sehr konstruktiv
mitgewirkt hat und keine einseitige Interessenpolitik betrieben hat, zumal das
auch gar nicht möglich wäre, solange der Universitätsrat mehr oder weniger
proporzmäßig besetzt ist. Insofern sehe ich auch keine massive Veränderung seit
dem Universitätsgesetz 2002, dass hier gleichsam ein Ausverkauf der
Wissenschaft stattgefunden hätte. Was heute sicher stärker als früher der Fall ist,
ist, dass man versucht auf die Universitätslehrerinnen und –lehrer Druck
auszuüben bzw durch Anreize zu fördern, dass man Drittmittel einwirkt, aber das
findet doch zu einem erheblichen Ausmaß über den FWF und ähnliche
Institutionen statt, bei denen kein unmittelbarer wirtschaftlicher Einfluss
manifest ist. Diese Befürchtungen sehe ich derzeit noch nicht massiv. Ob das in
der Zukunft anders sein wird, lasse ich bewusst dahingestellt, weil das auch
davon abhängig ist, inwiefern die öffentliche Hand auch in der Zukunft die
Finanzierung der Universitäten sicherstellt.

M. F.: Nun zur EU-Gesetzgebung. Wie viel/ welchen Einfluss hat die EU-
Bildungspolitik tatsächlich auf die nationale Gesetzgebung und deren
Umsetzung, vor allem im Hinblick auf das Jus-Studium, welches ein

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Diplomstudium geblieben ist und damit mit Magister bzw. Magistra abschließt
und damit sich gerade nicht in die „Hierarchie“: Bachelor, Master, PhD einfügt?

F.M.: Das muss man differenziert sehen. Dass die EU-Gesetzgebung insgesamt viele
Materien erfasst, insbesondere im Bereich des Wirtschaftsrechts ist unumstritten.
Es wird trotzdem das Ausmaß, glaube ich, überschätzt. Man darf das allerdings
nicht rein quantitativ festmachen. Es wird ja manchmal gezählt und gesagt, dass
so und so viel Prozent der Gesetze eigentlich in Brüssel gemacht werden. Das
sind eigentlich sehr unseriöse Aussagen, da es ja eher darum geht, wie gewichtig
der Einfluss ist. Da ist es so, dass manche Prinzipien des Gemeinschaftsrechts
natürlich sehr wichtig sind, gerade auch bei der Frage der Finanzierung der
Universitäten. In Österreich ist es uns nicht möglich, von Nicht-Österreichern
Studiengebühren zu verlangen, wenn es sich dabei um Bürgerinnen und Bürger
der Mitgliedstaaten handelt und das schränkt die österreichische Politik in dieser
Hinsicht ein. Dasselbe gilt für Zugangsbeschränkungen, die man hier auch nur so
machen könnte, dass für die EU-Bürger - und das ist in Europa nun einmal die
große Mehrheit - keine Diskriminierung vorliegt. Hier gibt es gewisse
Einschränkungen, die durch das Gemeinschaftsrecht vorgeben sind und insofern
ein bisschen eigenartig sind, da ja nicht gleichzeitig von der Gemeinschaft eine
Finanzierung stattfindet - außer über Forschungsförderungen in bestimmten
Bereichen, aber das ist ein Sonderfall. Insofern glaube ich schon, dass sich hier
die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts auf die Universitätspolitik und auch die
Frage der Finanzierung auswirken…Bezüglich des Jus-Studiums: Die Bologna-
Kriterien waren keine Richtlinie und deshalb auch nicht zwingend umzusetzen.
Da gab und gibt es Ausnahmen. Und dass die Juristen und die Juristinnen mit
dem Bologna-System nicht so glücklich waren, das ist bekannt. Das hängt sehr
stark auch mit dem Berufsrecht zusammen. Da waren einfach die
(österreichischen gesetzlichen) Vorgaben „3 plus 2 Jahre“ nicht besonders
attraktiv, aber das ist ein Sonderthema.

M. F.: Aber kann man daraus jetzt ableiten, dass eine Richtlinie zwar umgesetzt wird,
da sonst der Staat mit Sanktionen bzw. der unmittelbaren Anwendbarkeit dieser
Richtlinie rechnen muss, oder eine Verordnung ohnehin unmittelbar anwendbar

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-321-

ist, dass aber, wenn nichts Rechtsverbindliches vereinbart wird, dann dies in der
Umsetzung nicht so „ernst“ gesehen wird?

F.M.: Nein, das kann man nicht so sagen, denn da hat das Ministerium in
Verhandlungen mit den Rektoraten und die Rektorate in Verhandlungen mit den
Fakultäten, schon versucht, diese Bologna-Vorgaben sukzessive und möglichst
flächendeckend umzusetzen. Das war auch bei den Juristen der Fall. Man hat
auch versucht, das den Juristen schmackhaft zu machen, aber es ist hier letztlich
nicht geglückt, oder wenn man so will, nicht notwendig gewesen, weil das
bisherige Modell den Bedürfnissen der Studierenden und auch der Arbeitgeber
offenbar besser entspricht, als das alternative Modell entsprochen hätte.

M. F.: Sie haben bereits selbst den barrierefreien Hochschulzugang angesprochen. Dies
ist jetzt eine von vielen Maßnahmen, die aus der EU-Bildungspolitik herrührt.
Würden Sie nun sagen, dass durch diese EU-Politik die Qualitätssicherheit an
der Universität gewahrt werden konnte?

F.M.: Nein, schlicht und ergreifend nein, weil man sich schon überlegen muss, wer in
welchen Land befähigt ist, zu studieren. Welcher junge Mensch für ein
universitäres Studium zugelassen wird, wird in unterschiedlichen EU-Staaten
sehr unterschiedlich gehandhabt. Dementsprechend ist das eine sehr formale
Linie, wenn man sagt, jede junge Frau, jeder junge Mann, der oder die in einem
EU-Staat studienberechtigt ist, muss automatisch auch in Österreich
studienberechtigt sein, wenn er oder sie hier studieren möchte. Diese Vorgabe ist
natürlich sehr grob. Auch die Möglichkeiten, dies qualitativ irgendwie
abzufedern, waren in Österreich nicht gegeben. Daher ist das schon ein Problem.
Das Problem ist aus meiner Sicht nicht, dass wir Studierende aus dem Ausland
hier haben - das finde ich grundsätzlich sehr positiv. Ein Problem wird es dann,
wenn wir nicht die guten oder die besten Studierenden hier haben, sondern die,
die in ihrem Heimatland am wenigsten Chancen hätten, voranzukommen. Und
das ist sehr wohl ein Problem, das mit den EU-Vorschriften teilweise mit
verursacht worden ist und wo es auffällig ist, dass direkt durch das
Gemeinschaftsrecht in die Politik eingegriffen wird, ohne dass die Gemeinschaft
eine Gesamtverantwortung für das System zu tragen hätte. Die Konsequenz

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-322-

müsste eigentlich sein, der Gemeinschaft mehr Kompetenzen und damit auch
mehr Verantwortung in diesem Bereich zu übertragen (oder aber umgekehrt die
nationalen Autonomien zu respektieren). Die jetzige Situation ist dahingehend
ein wenig unbefriedigend, weil es nicht konsequent ist. Auf der einen Seite sagt
man, wir machen von der Gemeinschaft her gewisse Vorgaben, wie zum
Beispiel: Ihr müsst alle EU-Bürgerinnen und Bürger als StudentInnen
akzeptieren, ohne aber gleichzeitig EU-weit ein Finanzierungsmodell zu
praktizieren. Das gehört ein bisschen zu dieser Dynamik des
Gemeinschaftsrechts, dass man partiell aus einzelnen Regeln heraus versucht, die
Gemeinschaft insgesamt zu fördern. Das ist aber sicher nicht ganz befriedigend.

M. F.: Sie haben nun bei der Qualitätssicherung angesprochen, dass vorrangig jene
Studierende nach Österreich kommen, die vielleicht in ihrem Heimatland nicht
so leicht einen Studienplatz bekommen würden.

F.M.: Ich traue mich dazu empirisch nicht viel zu sagen, ob das tatsächlich so der Fall
ist. Aber es ist zumindest die Möglichkeit gegeben und das ist auch wohl zum
Teil der Fall.

M. F.: Das zweite „Problem“ ist dann jedoch das Thema Massenuniversität. Es
kommen sehr viele aus dem Ausland und dann „explodiert“ das System
praktisch. Mit dem Jus-Studium fangen jährlich ja mehr als 1.000 Personen an.

F.M.: Es fangen 3.000 an. Und bei uns sind die ausländischen Studierenden eigentlich
trotzdem eine Quantité négligeable. Wir haben traditionellerweise durchaus
einen Anteil an ausländischen Studierenden, der so zwischen 5 und 10 Prozent
liegt. Dies ist aber schon lange so. Beim Jus-Studium ist das Problem der Massen
grundsätzlich sicher „hausgemacht“. Diese Massen kommen primär aus
Österreich. Ich persönlich empfinde die Studierenden aus der Slowakei, aus
Tschechien, aus Ungarn, aus Deutschland, aus der Schweiz, Luxemburg und
Italien als Bereicherung. Bei anderen Studien mag das anders sein. Bei uns ist
das sicher kein Phänomen, das als solches für die Massenuniversität
verantwortlich ist. Die Massensituation haben wir nämlich seit vielen
Jahrzehnten. Das wäre an sich auch nicht so schlecht, wenn man wirklich dann
studierendenzahlabhängig Ressourcen hätte, also mehr Geld und Personal hätte.

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Dann könnte man das schon bewältigen. Im Moment ist es so, dass das Absurde
ja darin besteht, dass wir pro Studierenden weniger Geld zur Verfügung haben
als jede AHS für ihre Schüler. Das ist natürlich dann schon eine ganz besondere
Herausforderung.

M. F.: Zu diesem Thema passt nun ganz gut der dritte Fragenkomplex Bildungspolitik
und Ökonomie. Wir wissen alle, dass die Universitäten unterfinanziert sind.
Welche Lösungsansätze würden Sie vorschlagen, um dieses Problem zu
bewältigen.

F.M.: Ich persönlich glaube schon, dass es wichtig wäre als Gesellschaft, politisch zu
definieren, ob Bildung und ob universitäre Bildung einen hohen Stellenwert
einnimmt oder nicht. Von meinem Standpunkt aus ist es oft auch ein
Mentalitätsproblem in Österreich, dass man sich nicht so wirklich bewusst ist, ob
das, was an den Universitäten geleistet ist, wirklich etwas Positives ist oder
nicht. Es wird zwar schon relativ viel Geld ausgegeben, aber gleichzeitig auch
irgendwie so getan, dass es doch gleichsam ein Luxus ist, dass die Leute
studieren. Da fehlt mir ein bisschen ein klares positives Commitment. Was die
Finanzierung selbst anbelangt, muss ich gestehen, dass ich persönlich eigentlich
finde, dass der Eigenanteil der Studierenden an den Finanzen größer sein könnte
und sollte. Ich bin der Meinung, dass Studiengebühren einen Beitrag zur
Finanzierung des Systems darstellen können, sofern sie nicht exorbitant sind und
sofern sie auch so abgefedert sind, dass sozial Schwache jedenfalls über
Stipendien verfügen und es Ausnahmen gibt, die nicht davon betroffen sind. Das
Problem ist nur, dass die Studiengebühren den Universitäten tatsächlich
zusätzlich zur Verfügung stehen sollten. Gerade dort, wo es Massenstudien gibt,
sollten die Lehre und das Service verbessert werden. Ich finde es ein wenig
absurd, dass wir heute im tertiären Bildungssektor nebeneinander sehr
unterschiedliche Angebote haben, manche Angebote, die durchaus relativ teuer
sind und andere, die nach wie vor gratis sind. Mich haben jene
sozialwissenschaftliche Studien überzeugt, die gezeigt haben, dass das Gratis-
Studium keine hohe soziale Treffsicherheit hat und dass bestimmte Schichten
hiervon überdurchschnittlich profitieren. Erfreulicherweise ist es ja so, dass man
mit einem Studium am Arbeitsmarkt besser dasteht als ohne Studium. Dieser

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ökonomische Vorteil, den jeder einzelne, jede einzelne hat, soll natürlich auch
vorhanden sein, aber da verstehe ich nicht ganz, wieso wir für die
Kinderbetreuung im Kindergarten die Eltern in erheblichem Ausmaß
aufkommen lassen, oder für die Nachmittagsbetreuung in Zeiten der
Pflichtschule und dann im Universitätsbereich ist die Bildung vollkommen
gratis. Ich weiß nicht, ob man mit Studiengebühren die Finanzfrage ohne
weiteres lösen kann, aber an sich ist das Gratisstudium ein Anachronismus,
zumal damit meines Erachtens auch - und das ist für mich persönlich fast noch
der wichtigere Punkt - nicht erzielt wird, dass das Bildungsangebot besonders
geschätzt wird und daher besonders intensiv in Anspruch genommen wird. Im
Gegenteil, es wird als ohnehin gegeben angenommen und sinkt in der
Prioritätenliste der Studierenden weiter nach hinten. Das ist leider feststellbar.
Und das ist ein Unsinn. Das führt dazu, dass alles andere wichtiger ist, als das
Universitätsstudium, weil dieses als ohnedies gratis und selbstverständlich
angesehen wird. Das kann jeder Lehrveranstaltungsleiter bezeugen, dass es
Entschuldigungen von Studierenden gibt, die dann sagen, dass sie nicht zum
Seminar kommen können, weil sie etwas anderes vorhaben, wofür sie extra
zahlen müssen und daher das Alternativangebot als automatisch höherwertig und
prioritär eingestuft wird. Dass das Angebot der Universitätslehre etwas
ökonomisch Wertvolles ist, ist den meisten Studierenden nicht bewusst.

M. F.: Können Sie einen Zusammenhang zwischen den Zeiten, zu jenen


Studiengebühren eingehoben worden sind oder eben nicht, im Hinblick auf die
Inanspruchnahme von Hochschulbildung feststellen?

F.M.: Es hat sich die Zahl der sogenannten „Karteileichen“ mit der Einführung der
Studiengebühren verringert. Wir haben jetzt sicher wieder ein bisschen mehr an
inskribierten Studierenden, die nicht wirklich ernsthaft ihr Studium betreiben.
Das ist aber auch nicht mit wirklich großen Kosten verbunden, muss man sagen.
Das mag von der Statistik her vielleicht irritierend sein, dass vielleicht von den
12.000 Studierenden, die wir haben, nur 10.900 ernsthaft studieren. Das ist aber
nicht der maßgebliche Punkt. Was ich eigentlich nicht so gut fände, wäre, wenn
Gebühren dazu führen, dass Studierende weniger Leistungen in Anspruch
nehmen. Da bin ich schon Anhänger eines eher liberalen Systems. Ich bin der

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Meinung, dass die Studierenden möglichst alles an Angeboten nutzen können


sollen. Je mehr Bildung, desto besser. Da bin ich auch nicht unbedingt ein
Anhänger von Modellen, denen zufolge für eine Lehrveranstaltung etwas bezahlt
wird und das auch nur dann, wenn man sie wirklich in Anspruch nimmt. Mir
ging es genau um das Gegenteil. Die Lehrangebote sollen in Anspruch
genommen werden, geschätzt werden und man sollte das Gefühl haben, dass
man für sein Geld auch etwas Wertvolles bekommt.

M. F.: Wie sind die Leistungsvereinbarungen und das Globalbudget aus dem
Blickwinkel einer großen Fakultät wie der Ihrigen zu sehen?

F.M.: Der Spielraum, der verhandelt wird, ist extrem klein. Von Seiten der Universität
wird meist argumentiert, dass man ohnehin nicht mehr Geld zur Verfügung
stellen kann. Das Geld ist immer zu wenig, einerseits für die Universitätsleitung,
andererseits für die Fakultäten. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Spielraum
in den letzten Jahren wirklich größer geworden ist. Wenn das Rektorat irgendwo
Spielräume gehabt hat, dann wohl wo anders, aber im Budget unserer Fakultät
hat sich das nur marginal niedergeschlagen. Ich will nicht undankbar sein. Wir
haben zum Beispiel schon bei der Lehre eine gewisse Ausweitung in den letzten
Jahren erreicht, nur ist dies, wenn man sich die Studierendenzahl ansieht, eine
relativ kleine Stundenanzahl pro Studierenden. Das Gefühl, dass hier wirklich
viel Flexibilität da ist, ist somit nicht gegeben.

M. F.: Ist es also unrichtig, wenn man annimmt, dass je größer die Fakultät oder die
Studienrichtung ist, desto größer ist auch das Budget, sondern dass eher die
kleineren einen Vorteil zu haben scheinen?

F.M.: Da fehlt mir der Vergleich zu anderen Fakultäten. Bei uns würde ich sagen, dass
unser Budget weitgehend gleich geblieben ist. Wir haben bei der Lehre ein
bisschen etwas dazubekommen, aber das ist durch die gestiegene Zahl der
Studierenden locker kompensiert worden. Ich glaube nicht, dass es den kleineren
Fakultäten da wirklich besser gegangen ist. Ich habe den Eindruck, dass man
zum Teil wohl in die Forschung mehr investiert hat, in manchen Bereichen, die
kapitalintensiver sind, was die Forschung anbelangt, aber in Summe ist ja
bekannt, dass sich das Budget der Universitäten nicht wahnsinnig rosig

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entwickelt hat und dementsprechend konnte auch das Rektorat keine großen
Zuwachsraten verteilen. Es waren alle immer doch zu einer gewissen
Sparsamkeit gezwungen. In den nächsten Jahren, vermutet man ja, dass das erst
recht der Fall sein wird.

M. F.: Wie viel Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsrecht haben die


StudienprogrammleiterInnen jetzt tatsächlich bei finanziellen Belangen, also bei
der Finanzierung der Universitäten im Allgemeinen? Findet hier Kommunikation
zwischen dem Rektorat und den StudienprogrammleiterInnen statt?

F.M.: Unser Spielraum ist eigentlich nur, dass wir da und dort für die Lehre mehr
intern, also im Hinblick auf das Lehrkontingent, mehr verlangen vom Rektorat
und da und dort für zusätzliche Programme auch bekommen. Da ist ein bisschen
ein Spielraum, aber sonst haben die Studienprogrammleiter mit den Finanzen gar
nichts zu tun.

M. F.: Das heißt, das Rektorat gibt Ihnen vor so und so viel ist für die Forschung und so
und so viel ist für die Lehre…

F.M.: Die Studienprogrammleitungen sind nur für die Lehre zuständig. Da gibt es
einfach eine Vorgabe, wie viel Stunden Lehre darf an der Fakultät im Jahr
stattfinden, die von der Universität bezahlt wird. Innerhalb dieses Rahmens
müssen wir hier Aufträge erteilen und versuchen, die notwendigen
Lehrveranstaltungen anzubieten, um einen erfolgreichen Studienabschluss
unserer AbsolventInnen zu ermöglichen.

M. F.: Welche Maßnahmen sind aus der Sicht Ihrer Fakultät erforderlich, um
universitäre Studien möglichst ökonomisch „effizient“ zu gestalten, vor allem im
Hinblick auf die neue Studieneingangsphase mit etwaigen „Knock-out-
Prüfungen“, im Besonderen der Einführung im Jus-Studium?

F.M.: Dass die Studierendenzahl nach einem Semester drastisch reduziert wird, steigert
ökonomisch sicher die Allokationseffizienz. Aber das ist ja nichts ganz Neues.
Das gab es in unserem Studium immer, dass es am Beginn des Studiums die eine
oder andere schwierige Prüfung gab, die also so eine Art Wasserscheide
fungierte und die Leute zum Teil auch schon vor dem Prüfungsantritt davon
abhielt, das Studium weiter zu betreiben, da sie das Gefühl haben, dass ist mir zu

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mühsam oder das ist nicht ganz das, was ich möchte. Sie fragen nach der
Effizienz und die Frage wäre nun, was das Vergleichsmodell für diese Effizienz
wäre. Was ist mehr oder weniger effizient?

M. F.: Die Frage, die dahinter steckt, ist eigentlich die Frage nach dem Gedanken hinter
dieser Studieneingangsphase. Sie haben gesagt, dass mehr als 3.000 Leute
beginnen. Geht es darum, diese StudienanfängerInnenzahl beispielsweise zu
halbieren, um dann den übrig bleibenden Studierenden bessere
Studienbedingungen bieten zu können? Oder könnte man die Qualitätssicherheit
für die übrigen Studierenden, anders wahren?

F.M.: Das glaube ich nicht. Man kommt, wie immer man es gestaltet, nicht darum
herum, dass ein Studium Arbeit, Engagement, Disziplin, Motivation erfordert.
Diese sind aber niemals bei allen StudienanfängerInnen im selben Ausmaß
vorhanden. Es gibt immer einen gewissen Prozentsatz an Leuten, die etwas
anderes machen möchten oder sollten, die vielleicht auch für ein bestimmtes
Studium nicht geeignet sind oder jedenfalls nicht die nötige Motivation dafür
aufbringen. Da sind Prüfungen, die fachlich orientiert sind, sicher das gerechteste
Mittel, um zu überprüfen, wer interessiert sich wirklich für das Fach und wer ist
auch geeignet, Fragestellungen, die für dieses Fach relevant sind, zu bewältigen
oder nicht. Wie man das jetzt nennt, ob man das jetzt Knock-out-Prüfung nennt
oder nicht, ist eigentlich eine Frage der Polemik. Unser Ziel ist es ja auch nicht
von Vorne herein, zu sagen, wir wollen die Zahlen unserer Studierenden
reduzieren. Es ist aber so, dass, wer unsere Einführungsprüfung nicht schafft,
tatsächlich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit nicht optimal geeignet ist
oder motiviert ist, das Studium zu vollenden. Das könnte man theoretisch auch
durch eine Selektion vor dem Studienbeginn machen mit Eingangsprüfungen
oder Numerus clausus, aber da erscheint es grundsätzlich als gute Kombination
von Liberalität und Qualitätssicherheit zu sagen, wir geben den Studierenden ein
Semester Zeit, sich hier zurecht zu finden und sich zu engagieren. Entweder sie
schaffen dann die Prüfungen, die für die STEOP vorgesehen sind oder nicht.
Ideal gesehen, hat dies schon etwas für sich. Ob es dann in der Praxis wirklich
immer die exakt richtige Auswahl ist, sei dahingestellt. Das hat man bei jeder Art
von System. Aber selbst wenn wir die Ressourcen hätten, wäre es keine gute

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Idee allen 3.000 Anfängern im ersten Semester zu garantieren, dass sie das
Studium auch vollenden werden, weil sich ja tatsächlich unter diesen Personen
Leute befinden, die vielleicht viel bessere Psychologen oder hervorragende Ärzte
oder sonst irgendetwas werden, die aber aus irgendwelchen Gründen zunächst
einmal mit Jus probieren. Es ist ja nicht so, dass alle Menschen Juristinnen und
Juristen werden müssen.

M. F.: Nun zum letzten Fragenkomplex der universitären Weiterbildung. Ihre Fakultät
ist doch eine relativ große an der Universität Wien. Welchen Stellenwert hat das
Thema Weiterbildung an Ihrer Fakultät, wenn man bedenkt, dass jetzt auch
Weiterbildung eine Aufgabe der Universität ist?

F.M.: Das hat jetzt schon einen nicht zu kleinen Stellenwert, weil wir ja doch auch
einige postgraduale Lehrgänge haben, die auch ganz gut funktionieren und die
wichtig sind. Das ist aber sicher ein Bereich, den man noch ausbauen kann.
Traditioneller Weise ist es bei den Juristen so, dass manche Kolleginnen und
Kollegen auch bei privaten Kursanbietern Seminare oder Vorträge halten. Ob die
Universität auf diesem Gebiet wirklich die optimale Anbieterin ist, muss sich
erst erweisen, denn dieser postgraduale Ausbildungssektor ist auch ein relativ
kompliziertes Feld. Möglicherweise ist die Universität da nicht in allen Fällen
die optimale Anbieterin. Ich glaube, dass das Thema der Fortbildung schon ein
Thema ist und sich die Universität in Zukunft ein bisschen mehr kümmern wird
als es bislang der Fall war. Da sehe ich positive Schritte in diese Richtung. Aber
man soll hier das ganze Feld auch nicht überschätzen, weil es da und dort auch
die privaten Anbieter gibt, die vielleicht bestimmte Nischen besser abdecken
können. Es ist auch sicher nicht die zentrale Aufgabe der Universität das zu
leisten. Wichtig wäre aber schon, dass sich die Universität insgesamt stärker
profiliert und Präsenz zeigt, um dieses Terrain den Fachhochschulen, privaten
Universitäten und sonstigen privaten Anbietern nicht völlig zu überlassen.

M. F.: Die Universität Wien bietet ein eigenes Doktoratsstudium Rechtswissenschaften


an, indem das wissenschaftliche Arbeiten rund um ein juristisches Thema im
Vordergrund steht. Masterstudiengänge sind vielleicht mehr praxisorientiert.
Kann es sein, dass deswegen die Universitäten nicht die optimalen Anbieterinnen

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sind, da diese Ausbildungen nicht so sehr in Richtung Wissenschaft gehen,


sondern mehr in die Richtung Berufsleben, Praxis?

F.M.: Ich habe jetzt eher diese Kurzausbildungen gemeint, also Seminare, die im
juristischen Bereich beispielsweise von der Anwaltsakademie angeboten werden.
Zum Teil wird auch im Rahmen der RichterInnenausbildung einiges gemacht.
Diese Player wollen diese Dinge auch nicht aus der Hand geben. Wir können mit
den Richtern, den Anwälten und der Justiz insgesamt da und dort kooperieren,
aber es wäre illusorisch zu glauben, dass sie diese Ausbildungsschienen ganz aus
der Hand geben. Was jetzt die postgradualen Masterprogramme anbelangt, so
stimmt das sicher, dass diese tendenziell praxisorientierter sind. Die
funktionieren ja trotzdem ganz gut. Das hängt ein bisschen damit zusammen,
dass diese Lehrgänge kostenpflichtig sind, die Gebühren auch relativ hoch sind.
Zum Teil ist es auch schwieriger dort Studierende zu finden, die bereit sind,
10.000 Euro für einen Lehrgang zu zahlen.

M. F.: Gibt es auch Lehrgänge für Nicht-AkademikerInnen, die sich weiterbilden


möchten?

F.M.: Es gibt die Studienberechtigungsprüfung, aber das ist vielleicht etwas anderes als
Sie jetzt meinen. Es gibt auch Aktivitäten im Bereich von „University meets
public“. Darüber hinaus gibt es derzeit auch ein Angebot für nicht-juristische
Studierende, nämlich Erweiterungscurricula. Das Problem ist in Wirklichkeit,
nachdem wir mit den Massen im Diplomstudium schon so beschäftigt sind, dass
eigentlich hier überhaupt keine freie Kapazität da ist, um zu überlegen, wo man
zusätzlich hier im Bildungsbereich etwas tun könnte. Das Problem ist gerade
umgekehrt. Wir kommen mit Müh und Not dazu, unsere Studierenden
prüfungsmäßig, korrekturmäßig, lehrveranstaltungsmäßig zu betreuen. Da stellt
sich dann die Frage gar nicht, was man sonst noch alles Interessantes tun könnte.

M. F.: Welche Bedeutung, welchen Stellenwert hat die Weiterbildung in der


Bevölkerung?

F.M.: Ich glaube, dass es für die Universitäten notwendig und sinnvoll ist, über
Aktionen wie „University meets public“ oder die Kinderuni immer wieder in die
Öffentlichkeit zu gehen. Ich glaube, dass sehr viele UniversitätslehrerInnen

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solche Einladungen auch gerne annehmen, auch Einladungen, in Schulen zu


gehen oder in den Medien präsent zu sein. Das gehört sicher dazu, ist aber
trotzdem nicht die Hauptaufgabe der Universität. Das muss man schon auch dazu
sagen. Das kann eben nur wahrgenommen werden, soweit die Erfüllung der
Hauptaufgaben überhaupt noch eine freie Kapazität übrig lässt.

M. F.: Sollten die Medien dies mehr propagieren, also vielleicht mehr „Werbung“
machen oder leisten die Medien ohnehin schon einen ausreichenden Beitrag?

F.M.: Ich glaube nicht, dass es unser Problem ist, dass die Universitäten zu wenig
Zulauf haben. Was man verbessern könnte, ist vielleicht die Treffsicherheit da
und dort, wo Leute hingehen und welche Möglichkeiten mit bestimmten Studien
verbunden sind. Da könnten die Medien etwas leisten. Ich glaube aber, es geht
eher generell darum, dass universitäre Forschung und Lehre etwas an sich
gesellschaftlich Wichtiges darstellen und als solches wahrgenommen werden.
Das wird zum Teil in den Medien, schon vermittelt (zB in eigenen Beilagen),
müsste aber auch in den Editorials und den Blattlinien stärker zum Ausdruck
kommen. Insgesamt habe ich daher den Eindruck, dass die Medien die
spezifischen Leistungen der Universitäten eigentlich nicht wirklich gut
beleuchten. Universitätsangehörige sind InterviewpartnerInnen wie irgendwelche
anderen Leute auch. Da wird von Seiten der Medien auch nicht sehr stark
differenziert, wer kompetent ist und wer vielleicht nur prominent.

M. F.: Dann danke ich Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.

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5. Interview 5 - HR Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak


Universität Klagenfurt

DoktorandInnenkolleg Lebenslanges Lernen

Feldforschung für die Dissertation

Titel der Dissertation

Ökonomische Aspekte der universitären Bildungspolitik -


eine kritische Einschätzung
der bildungsökonomischen Situation
im Bereich der universitären Weiterbildung

Verfasserin

Mag. Dr. Madeleine Fichtinger

Interviewpartnerin: HR Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak

Ort: Prinz Eugen Straße


1040 Wien

Datum: 09.11.2011

Zeit: 19:30 Uhr bis 20:45 Uhr

Transkription des Interviews

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00:00-73:11

M. F.: Eingangs bitte ich Sie, dass Sie einige Worte zu Ihrer Personen sowie zu Ihrem
Tätigkeitsbereich an der Universität Wien sagen.

J. D.: Meine Name ist Johann Dvořak. Ich war von 2005 bis Anfang 2011
Studienprogrammleiter der Studienrichtung Politikwissenschaft.

M. F.: Zum Thema Rechtslage. Was ist überhaupt die Aufgabe der Universität ganz
allgemein - ist dies eher wissenschaftliche Bildung oder berufliche Bildung?

J. D.: Nach der jetzigen Rechtslage - das war aber auch früher in gewisser Weise so -
ist beides Aufgabe der Universität. Die Universität bildet wissenschaftlich aus
und sie schafft natürlich Voraussetzungen für spätere berufliche Tätigkeiten.
Dies ist jedoch, wie wir alle wissen, von Studienrichtung zu Studienrichtung
unterschiedlich. Es gibt Studienrichtungen, die sehr genau für einen Beruf
vorbereiten, beispielsweise Jus, was aber noch nicht heißt, dass man dann nicht
zusätzliche Prüfungen machen muss; oder auch Medizin und Lehrämter, welche
ganz klar ausgerichtet sind. Es gibt aber auch Studien, wie Politikwissenschaft,
die von der wissenschaftlichen Ausrichtung her ziemlich genau definiert sind,
aber in den Berufsfeldfeldern keineswegs so spezifisch sind wie die sonst
genannten.

M. F.: Ich möchte nun ein wenig auf die Studienrichtung Politikwissenschaft eingehen.
Steht hier die Criticizeability, die Kritikbefähigung oder eher die Employability
im Vordergrund?

J. D.: Die Aufgabe der Studien ist es, den AbsolventInnen zu ermöglichen, dass sie
eine Anstellung finden. Durch die neuen Studienregelungen ist sogar die
Employability stärker in den Vordergrund gerückt. Die Überlegung, die ich auch
für vernünftig halte, wo wir uns sehr bemüht haben, gerade in der
Politikwissenschaft, schon in der Studieneingangsphase sehr viel an
Qualifikation zu vermitteln, damit jemand, der das Studium abbricht, sehr wohl
Voraussetzungen für vielfältige Anstellungen mitbringt. Es ist also klar, dass die
Universität eine wissenschaftliche Ausrichtung hat, doch sollte die Vermittlung
von Grundqualifikationen nicht gescheut werden, die es dem einzelnen
ermöglichen, sich besser am Arbeitsmarkt durchzuschlagen.

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-333-

M. F.: Nun möchte ich zum UG 2002 und zum Thema Autonomie der Hochschulen
kommen. Hat dieses Gesetz tatsächlich die Autonomie der Hochschulen
gestärkt?

J. D.: Natürlich, das war die Absicht des Gesetzes, dass die Hochschulen in eine
relative Autonomie entlassen werden und sehr viel selbst bestimmen können.
Dies ist sicher der Fall gewesen. Ich zitiere in diesem Zusammenhang gerne den
Professor Pelinka, der sehr treffend gesagt hat: Früher konnte man leicht
intervenieren, am Minoritenplatz, im Ministerium. Da hatte die Wiener
Universität sozusagen einen Standortvorteil, während man aus Innsbruck
tagelang an- und abreisen musste und mühselig einen Termin ergattern musste.
Es ist sicherlich so, dass die Universitäten ein hohes Maß an relativer
Selbstständigkeit erlangt haben. Gleichzeitig muss man aber auch ehrlich sagen,
es ist selbstverwaltender Mangel. Eine Selbstständigkeit, die nicht die Fülle,
sondern das Elend verwaltet, ist natürlich nicht immer begeisternd.

M. F.: Sie haben selbst angesprochen, dass gegenüber dem Ministerium mehr
Autonomie besteht als früher. Es wird den Universitäten im Gegenzug hierzu
aber immer wieder vorgeworfen, dass es viel mehr Abhängigkeit von
wirtschaftlichen AkteurInnen gibt, vor allem im Zusammenhang mit den
Universitätsräten. Ist in diesem Bereich nun die Autonomie nicht vorhanden oder
zumindest eingeschränkt?

J. D.: Ich denke gerade an Innsbruck, wo sich die Pharmaindustrie und die
Landesverteidigung Lehrstühle geleistet haben. Das kann vorkommen, doch liegt
es an der Universität selbst, das richtige Maß zu bewahren. Es macht ja keinen
Sinn, dass man wissenschaftlich fragwürdige Personen als auch Maßnahmen
setzt und dann hat man zwar einen Lehrstuhl, aber das Ansehen ist nicht das
beste. Das ist sinnlos. Dies ist fallweise vorgekommen, jedoch meines Wissens
nach nicht im Bereich der Universität Wien, die hier ein hohes Maß an Sorgfalt
walten lässt. Das Problem der wirtschaftlichen Abhängigkeit kommt jedoch von
der ständigen Propagierung der berühmten „Drittmittel“. „Drittmittel“ - das wirkt
so, als ob auf den freien Markt tatsächlich eingewirkt werden würde - das ist in
Österreich aber absurd, weil in Österreich dieser freie Markt nicht existiert. Das

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möchte ich gerne sehen, wo in Österreich Unternehmen oder Unternehmer


beglückt sind und bereit sind, einen Teil ihres Stiftungsvermögens herzugeben
für Wissenschaft an Universitäten. Wo kommt denn das vor? Das ist ja
lächerlich. Das gibt es nur in der Geschichte. Der letzte Kapitalist, der solch ein
Gönner war, war der alte Baron Wittgenstein, der dann sein Vermögen, das Erbe
und so weiter an die Universität gegeben hat und auch als Kunstmäzen gewirkt
hat…Dieses Beispiel ist aber wohl schon 110 bis 120 Jahre alt und hat sich
seither nicht wiederholt. Der österreichische Kapitalist wirtschaftet in die eigene
Tasche, casht ab und es fällt ihm gar nicht ein in irgendeiner Weise für
Öffentliches zu stiften. Alle öffentlichen Angelegenheiten, sind Angelegenheiten
des Staates. In der Wirklichkeit sieht es dann so aus, dass man zwar „Drittmittel“
sagt, aber dann versucht, Mittel aus Forschungsförderungsfonds einzuwerben,
die wiederum staatlich finanziert sind. Das ist also eigentlich ein glatter Hohn.
Die Lage hat sich aber gegenüber früher weiter verschlechtert. Da gab es
nämlich wenigstens ein bisschen, auch nicht viele, aber dennoch einige Mittel für
die Geistes- und Sozialwissenschaften. Im Unterschied zu Deutschland. Da muss
man wirklich einmal Deutschland loben. Da haben zum Beispiel Volkswagen
Stiftungen geschaffen, die Wissenschaft fördern. Wenn man Bücher des
Suhrkampverlages aufschlägt, dann findet man an den Innenseiten „gefördert
von“. Da haben wir große Konzerne, die Wissenschaft fördern. Das ist eine
andere Sache und gibt es bei uns nicht. Insofern heißt Drittmittel, dass nochmals
staatliche Mittel, zum Teil sogar direkt aus dem Ministerium für irgendwelche
Projekte zur Verfügung gestellt werden. Das ist wirklich ein Hohn, wirkt aber so,
wie die freie Wirtschaft. Der Einfluss von Unternehmen wäre nur gegeben, wenn
die Universitäten etwas leisteten, was unmittelbar für Unternehmen von
Bedeutung ist. Die wirklich bedeutende und profitorientierte, profitable
Forschung wird von den Unternehmen selbst gemacht. Das ist auch historisch
schon so gewesen, selbst in den Naturwissenschaften waren es nicht die
Universitäten, die die großen Leistungen gebracht haben, sondern immer die
außeruniversitäre Forschung. Auch heute machen das die Konzerne, wie zum
Beispiel die Pharmakonzerne. Was da in der Medizin passiert, ist wahrscheinlich
irgendeine Elendsforschung an Menschenversuchen im dürftigen Endbereich.

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-335-

Das ist aber nicht wirklich die große Forschung, weil diese findet in den
Unternehmen selbst statt.

M. F.: Ich möchte nun noch einmal auf das Thema Autonomie zurückkommen. Ist die
Autonomie auch auf der Ebene der StudienprogrammleiterInnen zu spüren oder
ist sie nur im großen Gesamtkonzept „Universität“ zu bemerken?

J. D.: Es ist sicher so, dass sich die Strukturen hier ein wenig gewandelt haben. Gerade
in Wien hat sich die Universität den Luxus und die sachliche Notwendigkeit
geleistet, dass etwa 30 Studienprogrammleitungen in den Studienrichtungen
etabliert wurden. Das hat zum ersten Mal in einem relativ überschaubaren
Bereich Verantwortlichkeit geschaffen - das Wort „relativ“ kommt jetzt öfters
vor, „relative“ Autonomie... Man muss sich das von Studienrichtung zu
Studienrichtung ansehen. Natürlich kann auch der Klügste oder die Klügste nicht
alles wissen oder alles überschauen. Es geht hier aber schon darum, dass man
einen Studienbereich überblicken kann und dass man hier einschätzen kann, wie
die Qualitäten und die Qualifikationen der Leute aussehen und dass man schauen
kann - insbesondere in Bereichen wie Politikwissenschaft, wo es viele externe
Lehrbeauftragte gibt - wie die Qualität der Lehrbeauftragten aussieht. Früher hat
das ein Studiendekan für eine Fakultät gemacht und auf vielen Universitäten ist
das nach wie vor so, aber das ist unmöglich. Die Universität Wien hat hier einen
wirklich neuen Weg beschritten, indem sie in den einzelnen Studienrichtungen
Studienprogrammleitungen etabliert hat, die für das Programm verantwortlich
sind. Da gilt dann wiederum die relative Autonomie, nämlich jene des
Programmvorschlages. Wenn der Dekan nun viel Mitsprache haben möchte,
dann kann es natürlich zu Konflikten und Auseinandersetzungen mit dem Dekan
kommen. Aber im Grunde genommen, habe ich nur die besten Erfahrungen
gemacht. Es wäre ja widersinnig, wenn er sich wieder um derartige
Angelegenheiten im Detail kümmert. Anders ist das natürlich in finanziellen
Belangen, wo er die Aufsicht hat. Das ist auch wichtig, dass hier Kontrollen da
sind. Man muss sagen, dass der Einfluss und die Autonomie der
Studienprogrammleiter steigen, wenn die Zahl der externen Lehraufträge relativ
hoch ist. Wenn ich dort zwei Professoren oder Professorinnen habe und die
bestreiten das gesamte Studienprogramm, kann man nur sagen: „Bitte Leute

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machet dies oder jenes.“ Und wenn die dann meinen, dass sie das nicht machen
müssen, dann werden sie es nicht machen. Da kann der Studienprogrammleiter
flehen so viel er möchte. Natürlich kann er dann den Dekan bitten, dass er eine
Weisung erteilt…Man muss aber sehen, dass dort, wo es eine breite Palette an
Angeboten gibt, die Bedeutung der Studienprogrammleitungen relativ groß ist.
Dort, wo das Angebot sehr schmal ist und das Programm ohnehin nur wie
selbstverständlich bestritten wird, kann man eigentlich nur administrieren und
gut zureden. Das heißt ja nicht, dass man in den anderen Bereichen gleichsam
herrschen kann. Man muss ja immer gut zureden. Aber strukturell ist die
Bedeutung bei der Frage, wer Lehraufträge bekommt, natürlich dort größer, wo
sehr viele Externe da sind. Die Externen sind eine wichtige Bereicherung des
Angebots, weil dies oft hochqualifizierte Leute sind, die wir sicher nicht als
Professorinnen oder Professoren bekommen könnten. Für einzelne Lehraufträge
bekommen wir sie aber schon. Man darf sie natürlich nicht als Auszubeutende
oder Billiglehrende betrachten, sondern man muss sich um ausgezeichnete Kräfte
bemühen. Dann ist das auch spannend und eine wirkliche Bereicherung des
Programms.

M. F.: Nun zur letzten Frage im Bereich „Recht“. Welchen Einfluss hat die EU-
Bildungspolitik auf die nationale Gesetzgebung, vor allem im Hinblick auf die
Umsetzung und mit dem Stichwort „Bologna“ im Hinterkopf?

J. D.: Hier sind in den letzten Jahren sehr viele Mythen entstanden und
Legendenbildung betrieben worden. Wenn man bestimmten Äußerungen glaubt,
dann gibt es einen schrecklichen Prozess, der sich über Europa zieht. Also ein
Gespenst geht um in Europa, Bologna. Man hat den Eindruck, es ist alles so neu.
Da haben auch sehr viele ideologische Konstruktionen stattgefunden. Ich
persönlich wäre einer kritischen Betrachtung sehr aufgeschlossen, aber das sind
mehr Dämonen und Aberglauben, als Kritik. Man muss zwei Dinge sagen:
Nationale Bildungspolitik ist nicht Sache der EU. Das ist das erste Wichtige.
Das, was den sogenannten Bologna-Prozess eingeleitet und einbegleitet hat,
waren Treffen der zuständigen Unterrichts- und Wissenschaftsminister quer
durch Europa - man könnte ja, wenn man abfällig und höhnisch sein wollte,
könnte man sagen, man sollte die Minister nicht einander treffen lassen, man

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weiß ja nicht genau, was dabei herauskommt - es war ein Abkommen der
Minister, die sich selbst verpflichtet haben, bestimmte Gestaltungen des
universitären Sektors vorzunehmen. Das Interessante ist, dass das nicht die EU
war, sondern eine Absprache der zuständigen Fachminister quer durch Europa,
also schon aller EU-Mitglieder, aber es war so, weil die EU gar keine
Zuständigkeit im Bereich der nationalen Bildungspolitik hat. Das war das Erste.
Das Zweite war eine gemeinsame Studienstruktur, die eine höhere Flexibilität,
Mobilität und Austausch gestattet. Das sind natürlich die allgemeinen Ziele der
EU. Jetzt wurde versucht in den einzelnen Ländern diese Studienarchitektur
umzusetzen. Ich kann nur anraten, sich das länderweise anzusehen. Es gibt
„Musterschüler“ und es gibt Länder, die waren nicht die klügsten, die mit einem
Fanatismus sondergleichen, die Studienarchitektur umgesetzt haben, nicht zuletzt
sind das Deutschland und Österreich. Wenn wir uns aber bedeutende Länder
ansehen, wie Frankreich oder England…dann müssen wir uns fragen, ob die
wichtigen Bildungsinstitutionen gerade in Frankreich zum Beispiel überhaupt
davon nur berührt worden sind - die großen Ecoles? Nein, keine Rede davon. Bei
näherer Betrachtung, wenn man sich die verschiedenen Länder in Europa
ansieht, dann wird man feststellen, dass die Umsetzung dieser Studienarchitektur
sehr unterschiedlich ist. Die Vorstellung, dass da eine Art kapitalistische
Weltverschwörung dahintersteckt, die alles neu gestaltet und auch die Legende
vom Einfluss der Wirtschaft und der Ökonomisierung unter neoliberalen
Gesichtpunkten, diese sollte man beiseite legen und sich lieber den
Intelligenzquotienten der Fachminister ansehen. Natürlich habe ich als
Sozialwissenschafter ein schlechtes Gewissen geradezu und als linker
Sozialwissenschafter und als Marxist. Ich würde jetzt viel lieber sagen: Ja, es ist
das dämonische Kapital, das alles steuert. Leider, ich kann nur sagen sorgfältige
Empirie sowie eine materialistische Betrachtungsweise sagt uns eher, dass es oft
die geistige Schlichtheit war. Bologna ist ja wohl nicht eine Konstruktion, die
sich durch intellektuelle Komplexität auszeichnet. Offensichtlich war es genau
das intellektuelle Niveau der Fachminister. Mehr war nicht möglich. Nun aber
zurück…Ich denke, dass es aber schon gute Ansätze gibt und das zeigt sich auch
in Ländern, die vorher zum Beispiel hochschuldidaktisch gut waren, wie die

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Niederlanden oder Dänemark. Dort wurden Bachelorstudien dazu benutzt,


gescheite Lehrgänge zu konstruieren. In Ländern, die vorher schlecht waren, wie
Deutschland oder Österreich, wurde das dazu benutzt die Dummheit sorgfältig
umzusetzen und ihr bis ins Kleinste hinein zum Durchbruch zu verhelfen.
Natürlich ist das sehr polemisch, was ich hier sage, aber ich glaube, dass es
wirklich Tatsache ist, was ich hier sage. Und das ist das Schlimme eigentlich und
das ist auch der Grund, warum ich gegen die Dämonisierungen von Bologna als
Ergebnis neoliberaler Konzepte bin. Das Schreckliche ist nämlich, dass es solche
Konzepte eben nicht gegeben hat, dass wir keineswegs einem Masterplan
gegenüberstehen. Es gab diese Vereinbarung und diese wurde umgesetzt.

Die Vizerektorin Schnabl hat einmal etwas wirklich Gutes gesagt, was ich immer
wieder gerne zitiere. Sie hat gesagt, dass sie manchmal wirklich den Eindruck
hat, dass sich beim Übergang von den Diplomstudien zu den neuen Bachelor/
Masterstudiengängen - also hin zur Bolognaarchitektur, viele derer, die nunmehr
die Curricula konstruiert haben, das alte Diplomstudium hergenommen haben,
irgendwo auseinander geschnitten haben und aus vormals acht Semestern
nunmehr sechs plus vier Semester gemacht haben. Die neue Studienarchitektur
ist somit das alte Diplomstudium plus zwei Semester. Sie hat das wirklich
spöttisch gesagt. Wenn man sich das ansieht, dann glaube ich wirklich, dass dies
oft, nicht nur an der Universität Wien, sondern gerade auch an anderen
Universitäten passiert ist. Dort wurde das UG 2002 zu nichts anderem benutzt,
als um die alten Strukturen im Wesentlichen zu bewahren. Die Mitbestimmung
ist beseitigt worden. Die Ansätze demokratischer Strukturen - ich möchte ja
nicht mehr behaupten - sind alle weggewischt worden und mit dem, was übrig
geblieben ist, hat man refeudalisierte Verhältnisse geschaffen. Einzig und allein
die Universität hat hier einen neuen und innovatorischen Weg beschritten. Das
ist die Besonderheit. Gerade bei uns an der Politikwissenschaft muss man sagen,
dass die Arbeitsgruppen, die die neuen Curricula entworfen haben, unter starker
Beteiligung des Mittelbaus und der Studierenden - es war eine drittelparitätische
Kommission - in einer großartigen Weise jeweils unter dem Vorsitz von Dieter
Segert dies in einer relativ kurzen Zeit bewältigt und sich wirkliches Neues
überlegt haben. Das gibt es also auch.

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M. F.: Meine nächste Frage gehört noch zum Thema EU, geht jedoch ein bisschen in
eine andere Richtung, nämlich: der barrierefreie Hochschulzugang für alle EU-
StaatsbürgerInnen. Es wird dieser freie Zugang in den Medien immer sehr
negativ dargestellt, da er schädlich für die Qualität der Hochschulbildung sei und
zur Massenuniversität führe. Die Ressourcen seien ohnehin schon knapp und nun
kommen „von außen“ auch noch zusätzliche Studierende, die häufig als
Bedrohung angesehen werden. Kann durch diese Maßnahme der EU ein
Qualitätsmangel an den Universitäten festgestellt werden?

J. D.: Ich glaube, wir sollten uns von dieser sehr spezifischen, österreichischen, sehr
dummen Debatte - wenn man das überhaupt noch eine Debatte nennen kann -
lösen. Dann wird die Sache nämlich interessanter. Universitäten sind in den
meisten Ländern tatsächlich der Gipfel des langfristigen Bildungsgrades - das ist
das höchste Niveau. Dementsprechend sind in den meisten Ländern
Universitäten für einen relativ schmalen Sektor der Bevölkerung zugänglich.
Trotzdem haben wir in den meisten europäischen Ländern eine höhere
Akademikerquote als in Österreich. Das sollte zu denken geben. Man muss aber
wirklich sagen, dass die Universitäten die höchste Stufe sind und nicht für alle
etc. Was aber vornehm unterschlagen wird - mit Ausnahme von Deutschland -
ist, dass die Universitäten in England und den gesamten USA den
Ganztagsschulen ähnlich gestaltet sind, nämlich in Residential Colleges. Die
Universitäten sind Ganztagseinrichtungen, wo Studierende dort auf dem Campus
ihr Dasein verbringen. Daher haben wir dort überall geringere Studienquoten und
geringe Dropoutquoten. Wenn eine englische Universität auch nur die Hälfte der
Dropoutquoten einer österreichischen Universität hätte, wäre sie schon längst
aufgelöst worden. Das ist unvorstellbar. Das ist aber klar. Wenn ich dort studiere
und mich nicht um eine Bibliothek kümmern muss, weil es eine gibt und zwar
eine gute. Wenn mir garantiert wird, dass die Literatur, die ich brauche, auch für
mich vorhanden ist, wenn ich auf einem Campus alles habe, da mein Essen, die
Kantine und dort meine Wohnung. Und die Wohnung hat einen Arbeitsraum, wo
ich studieren kann. Wenn ich das alles habe, in einem überschaubaren
Rahmen…Wenn man sich jetzt deutsche oder österreichische Studenten
ansieht…Wenn man Wegzeitkalküle machen würde, dann würde sich

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herausstellen, dass es nicht an der Faulheit der Studenten oder an deren


mangelndem Studienengagement liegt - was dauernd an Visionen von oben
kommt und dass beispielsweise Studiengebühren Studenten mehr motivieren -
sondern dass in Wirklichkeit alle Studierenden in Deutschland oder Österreich -
außer es sind kleine Provinzeinrichtungen, dann gibt es aber dort meistens keine
erschwinglichen Wohnungen, so wie in Salzburg - einen enormen Zeitaufwand
haben, weil sie sich alles organisieren müssen. Die Universitäten sind chaotisch.
Die Dienstleistungen sind nicht vorhanden etc. etwa im Vergleich zur
angelsächsischen Welt. Das wird vornehm unterschlagen.

Und jetzt sage ich noch etwas. Wenn man sagt „Massenuniversität“. Ich würde
dies gern unter dem Aspekt der Massenbildung sehen. In Norwegen oder in
Schweden habe ich keine hohen Zahlen an den Universitäten, aber dafür habe ich
ein Volksbildungsunternehmen von der Volksschule bis zur Universität. Für
viele Leute ist es gar nicht notwendig, dass sie einen universitären Grad
erwerben. Wenn sie entsprechende Qualifikationen erwerben, können sie auch
sonst beruflich unterkommen. In deutschen Landen ist von Max Weber bereits so
schön formuliert worden: „Der Doktor ersetzt den Baron“, nämlich den
Adelstitel. Dies ist wieder eine eigene soziologische Untersuchung wert, aber
spielt eine starke Rolle. In Skandinavien haben wir viel breitere
Volksbildungsunternehmungen. Dort ist auch Bildung nicht etwas, wo man
ständig ausliest und Leute ständig daran hindert, höhere Bildungsstufen zu
erreichen, sondern wo man versucht alle zu fördern, und zwar maximal - optimal
müsste man sagen. Wir haben in Deutschland und Österreich also eine
„Auslesebildung“, die immer wieder Leute daran hindern will, weiterzukommen.
Darum ist der offene Hochschulzugang so „skandalös“. Jeder sagt: Wo jetzt der
Pöbel studieren darf…früher waren es immer nur ganz wenige.

Ich würde das so behaupten: Unter Margaret Thatcher - deshalb bin ich da auch
so misstrauisch beim Neoliberalismus - gab es jede Menge
Förderungsprogramme für Leute, die noch nicht an der Universität waren. Es ist
unglaublich, was da noch immer passiert ist, mit staatlicher Unterstützung. Es
wurden Menschen, die nicht studiert haben, mit eigenen Förderkursen an die
Universität herangeführt. Wo gibt es so etwas bei uns oder in Deutschland? Ich

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spreche aber nicht von Skandinavien, sondern vom neokonservativen


neoliberalen England unter Margaret Thatcher. Da gab es zwar keinen offenen
Hochschulzugang, aber die Förderung von Bildungsinteressierten. In
Skandinavien habe ich auf breiter Ebene keine Auslese - sondern eine
Förderbildung, und zwar massenhaft. In solch einem System gehen nur jene an
die Universität, die wirklich Wissenschaft betreiben möchten oder die sich für
einen bestimmten Beruf hochspezialisiert ausbilden möchten. Da haben wir dann
diese Probleme nicht, die es bei uns gibt.

In der Politikwissenschaft ist es mir in den letzten 2,5 Jahren gelungen, für die
ersten zwei bis drei Semester, wo die größten Probleme bestanden haben, mit
Unterstützung des Rektorats, didaktische Modelle zu entwickeln, die es gestattet
haben, dass ich jedem und jeder Studierenden in den ersten drei Semestern einen
Studienplatz in den schweren Fächern, wie zum Beispiel Lektürekursen,
garantieren konnte. Das waren neue didaktische Formen, das war eine neue
Organisation. Es ist also möglich die Massenuniversität - wenn man die große
Zahl organisieren kann und man kann sie organisieren - auf qualitativ hohem
Niveau zu gestalten. Aber ist alles meist nicht möglich oder wird erschwert, weil
viele Kräfte meinen, dass dies alles so nicht passieren soll. Hochschuldidaktik
war bei uns nie ein Feld, das man beackert hat. Es gab Versuche vor Jahrzehnten,
aber das ist wieder abgestorben. Genau das macht aber die Situation so
schwierig. Wenn man aber die Vergleiche zieht mit Skandinavien, über England
bis hin zu Deutschland und Österreich, dann wird bald klar, dass von diesen
Ganztagsuniversitäten angefangen, über die Förderung
Universitätsstudieninteressierter - Bildungsbenachteiligter würde man sagen - bis
hin zu breiten Volksbildungsförderungsmaßnahmen, dann sieht man, dass es
andere Bildungssysteme sind. Es ist interessant, dass aber gerade diese
Bildungssysteme auch relativ erfolgreich sind, im Bezug auf die große Zahl.

M. F.: Sie haben bereits sehr viele ökonomische Aspekte angesprochen, sodass ich mit
Ihnen nun über die Ökonomie im Bereich universitärer Bildung sprechen
möchte. Zum Thema Studiengebühren. Sehen Sie innerhalb Ihrer
Studienrichtung einen Zusammenhang zwischen Studiengebühren und der
Inanspruchnahme von Hochschulbildung?

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J. D.: Die Studiengebühren haben nichts weiter bewirkt, als dass sie die Angehörigen
unterer sozialer schichten Klassen noch weiter abgeschreckt wurden. Das ist
sicherlich ein Faktor. Zynisch könnte man sagen: Die sind ohnehin fast nicht
vorhanden. Es ist aber nicht ganz so, wie ich sage. Wenn es keine
Fördermaßnahmen gibt… - ich spreche gar nicht von Wien, sondern von der
Steiermark... An der Universität Graz konnten viele studieren, weil es im
Gefolge der Regierung Kreisky viele Förderungen gab, wie die Freifahrt mit der
Bahn etc. Wenn diese finanziellen Förderungsmaßnahmen wegfallen, dann
können viele nicht mehr studieren. Das betrifft, würde ich sagen, vor allem junge
Frauen. Sie sind die am meisten diskriminierten. Die Studiengebühren bewirken,
glaube ich, gar nichts. Interessanterweise würden sie aber etwas bewirken, wenn
sie dort verbleiben würden, wo sie eingenommen werden. Wir haben einmal
durchgerechnet, was es bedeuten würde, wenn die Studiengebühren von den
14.000 bis 15.000 Studierenden an der sozialwissenschaftlichen Fakultät in der
sozialwissenschaftlichen Fakultät verbleiben würden. Da kann man nur sagen,
dass man um das Geld Palais hätte anmieten können und Kleingruppen hätte
bilden können. Man hätte die gesamte Landschaft in „Alt-Heidelberg“
verwandeln können: kleine, übersichtliche Seminargruppen mit 12 Personen,
Betreuungsverhältnisse…traumhaft. Das wäre alles möglich und wir hätten sogar
noch eine Solidarabgabe an die naturwissenschaftliche Fakultät, wo Apparate
nötig sind, abgeben können. Im Nu waren wir die Cash-Cow und nicht das
Krisenkind. Nur war das ja so nicht der Fall. Im ersten Jahr der Studiengebühren
sind alle Mittel ans Finanzministerium gegangen und die Universität hat
überhaupt keinen Cent gesehen. In der Folge ist das Geld in den Universitäten
versickert, aber die Betroffenen haben davon eigentlich fast nichts gehabt.
Würden Studiengebühren gezielt als eine Möglichkeit der Gestaltung eingesetzt
werden, dann würden die sozialwissenschaftliche Fakultät und auch die
Politikwissenschaft unendlich davon profitieren. Wichtig wäre hier wieder eine
große Zahl an externen Lehraufträgen, weil sonst könnte man mit dem Geld ja
nur den Boden gold Pflastern und das wäre ja nicht Sinn der Sache. Aber genau
das ist nie passiert und wird auch überhaupt nicht angestrebt. Ansonsten sind die
Einnahmen aus den Studiengebühren miserabel. Das ist ja lächerlich. Die

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bewirken gar nichts. Ökonomisch gesehen wäre das nur in den Studien
interessant, in denen wir personalintensiv arbeiten und nicht apparateintensiv.
Das ist das billigste. Daher könnten wir durch die Studiengebühren eine
ungeheure Verbesserung der Qualität der Studien erreichen. Der Dekan hat
einmal einen Vorstoß in diese Richtung unternommen, aber mehr hat er nicht
gebraucht…Das Rektorat hat dem entgegengewirkt und auch die eigenen
Professoren haben gemeint, dass sie das nicht so genau wollen. Man will nicht
ökonomische diskutieren, auch nicht unter Sozialwissenschaftern. Daher ist das
dann wieder entschwunden und kein Mensch redet mehr darüber.

M. F.: Im Zusammenhang mit dem Thema Universitäten und Ökonomie wird immer
wieder auch die ökonomisch effiziente Gestaltung von Studien diskutiert. Es gibt
ja nun auch die neuen Studieneingangsphasen, wobei diese von Studium zu
Studium „unterschiedlich streng“ gehandhabt werden. Brutal ausgedrückt, wird
versucht möglichst viele Studierende durch diverse Hürden bzw. Steps „zu
eliminieren“. Stellen die Studieneingangsphasen tatsächlich ein ökonomisches
Effizienzmittel dar?

J. D.: Man muss hier, glaube ich, ein bisschen historisch zurückschauen. Es ist
durchaus interessant - wenn ich das auch anregen dürfte - juristisch, sich die
Hochschulstudiengesetze anzusehen. Man könnte sagen, dass seit Beginn der
Hochschulreform unter Firnberg spätestens immer wieder Studiendauern in die
Gesetze hineingeschrieben wurden. Diese Studiendauer sollte immer reguliert
sein und möglichst kurz. Wir finden in allen Gesetzen die entsprechenden
Vorschreibungen: Ein Studium soll acht Semester dauern. Dann ist man drauf
gekommen, dass das nicht so ganz stimmt, aber irgendwie doch…dann dauert es
halt zehn Semester…

Die reale Erfahrung zeigt, würde mehr ökonomisch gedacht werden, wären viele
Dinge offenkundiger. Studenten, die nicht studieren, belasten das System nicht.
Sie verbrauchen keinen Sauerstoff in einem Hörsaal. Sie müssen nicht beheizt
werden. Sie brauchen nicht einmal Platz. Nicht studierende Studenten sind der
Traum. Ich habe nie verstanden, warum man so argumentiert hat, dass man durch
die Einführung von Studiengebühren die Universitäten um die „Faulsäcke“

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bereinigt. Aber Nichtstudierende nehmen niemandem einen Studienplatz weg.


Das ist ja völliger Unsinn. Ich bin sehr fürs ökonomische Denken. Würde man
konkret immer wieder ökonomischer denken, dann wäre vieles leichter. Man
läuft immer wieder Verwunderung aus, wenn man ökonomisch denkt, nämlich
so richtig ökonomisch denkt.

Ich würde sagen, dass das alles ein altes Warngebilde ist. Ich als alter Beamter
würde sagen, dass dies alles wirklichkeitsfremde Bürokraten sind. Mir fällt es
nicht leicht als alter Beamter so etwas zu sagen, weil ich stolz bin, aber…Es war
immer ein Wunschdenken und das geistert heute auch weiter in der
Ministerialbürokratie und der Universitätsbürokratie herum, von den Rektoraten
aus abwärts. Es geht darum, mehr „Commitment“ zu erlangen. Commitment
erzeugt man durch Studiengebühren, strenge Prüfungen etc. Wenn man sich jetzt
aber die Studieneingangsphase ansieht, bitte…In Wirklichkeit werden keine
schriftlichen Leistungen verlangt. Man braucht nicht lesen und schreiben. Es
wird reduziert auf Multiple-Choice-Tests. Ich habe mir diese Bögen teilweise
angesehen. Ich kann nur sagen, ich hätte Schwierigkeiten das zu bewältigen,
nicht weil ich so dumm bin, sondern weil ich so viel weiß. Bei uns in
Politikwissenschaft können die Multiple-Choice-Tests zum Teil nur von Leuten
vollendet werden, die keine Ahnung haben, weil die benützen die Bögen wie
einen Millionen-Quiz im Fernsehen. Sie kreuzen irgendetwas an. Wenn sie etwas
verstehen davon, dann hätten sie große Schwierigkeiten. Dann könnten sie
manche Fragen gar nicht beantworten, weil sie unsinnig sind, also wenn man von
Sachverstand geprägt ist. Also besser, man versteht nichts davon und kreuzt dann
irgendetwas an.

Ähnlich ist dies auch bei den Medizintests. Welche Leute bekommt man denn
am Schluss? Doch nicht die Leute, die gerne Medizin studieren möchten,
sondern jene, die seltsame Fähigkeiten haben, nämlich bei den Tests Sitzfleisch
zu haben, anzukreuzen etc. Wir können sogar annehmen, dass viele begabte,
engagierte und sich für Medizin interessierende Studierende die Tests nicht
bestehen, nicht weil sie zu dumm sind, sondern weil sie zu klug sind.

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Ich würde sagen, dass die Studieneingangsphase eine Förderung der mäßigeren
Intelligenz ist. Wir haben das Gegenteil versucht. Wir haben hohe
Anforderungen versucht und die Vermittlung vieler Kenntnisse in der
Eingangsphase. Das war eigentlich relativ erforderlich, weil tatsächlich unsere
Studierende, wenn sie weiter gegangen sind, besser waren beim Absolvieren
wissenschaftlicher Arbeiten. Und das ist ja der Sinn von Wissenschaft, dass ich
schreiben kann. Also lesen und schreiben lernen. Alles, was hier jetzt passiert, ist
aber nichts anderes als Augenauswischerei. Es wird nur alles gestrafft und
verkürzt... Das wirkliche Problem scheint mir Folgendes zu sein: Die real
existierenden Studierenden sind zu einem sehr hohen Prozentsatz berufstätig.
Man kann jetzt sagen, dass das Studium der Nebenberuf ist oder umgekehrt. Das
ist auch notwendig, weil die Studierenden müssen sich auch erhalten. Aber
darüber wird hinweggeschaut. Das interessiert niemanden. Aber das bewirkt,
dass sie das Studium nur bewältigen können, wenn sie die Zeit dehnen. Es gibt
viele engagierte Studierende, die sagen: Ich werde das in zwei oder drei
Semestern in aller Ruhe schaffen, was in einem Semester vorgeschrieben ist.
Verdammt noch einmal, die belasten unser System nicht unziemlich. Sie planen
für drei Semester und sie schaffen es in drei Semestern. Es sind durchaus sehr
engagierte Studenten und Studentinnen, die die Zeit dehnen, und zwar nicht aus
Dummheit oder Unvermögen, sondern planvoll. Sie sagen, ich muss mir auch
mein Geld verdienen. Das geht nicht so schnell. Ich kann wegen meiner
beruflichen Tätigkeit nur langsamer studieren, die ich brauche, weil ich ein
Einkommen zum Leben brauche. Dieser Typ von Studierenden wird einfach
sorgfältig übersehen. Stattdessen hat man einen Typus von Studierenden vor
Augen, die quasi von der Schulbank an die Universität kommen und die die
Anwesenheit und das Schulische fortsetzen. Ich denke, das ist ein völlig irreales
Unternehmen. Daher haben wir immer Studieneingangs- und
Orientierungsphasen.

Es ist interessant, dass die Leute, wenn man sie fragt, warum sie etwas nicht
wollen oder nicht können, dann sagen die Leute gerne, dass sie nicht ausreichend
informiert sind. Das ist die billigste Antwort, die man immer bekommt. Dann
müsste man eigentlich zu fragen beginnen. Das Problem ist, dass sie es gar nicht

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wollen und einfach sagen, dass sie nicht ausreichend informiert sind. Nicht
ausreichend informiert liegt nicht an einem selbst. Man müsste eigentlich fragen:
Warum haben Sie sich nicht informiert? Aber das tut man nicht…Es sind immer
die anderen schuld. Es ist zu wenig transparent. Man durchschaut die Dinge
nicht etc. So etwas Ähnliches steckt hinter den Orientierungsphasen. Man denkt,
wenn man den Studierenden nur die Möglichkeit gibt, sich zu orientieren und
sich dann zu entscheiden, dass dann das System funktioniert. Viele Studierende
entscheiden sich ohnehin. Sie studieren drei, vier Studienrichtungen gleichzeitig.
Sie machen die Entscheidung. Man will nur diese Realität nicht sehen. Sie
schnuppern, sie schauen sich vieles an, oft gar nicht so blöd…so ist es…nur
diese Realität will man nicht haben. Man stellt sich vor, dass die AHS-
SchülerInnen aus der bisherigen Zwangsanstalt in die neue Zwangsanstalt
einsteigen. Das ist aber nicht so der Fall und das stimmt auch nicht mit der
ökonomischen Situation der Studierenden überein. Das heißt, dass die
Studieneingangsphasen eigentlich ein Flop sind. Sie dienen sicherlich nicht der
geplanten Auslese.

M. F.: Ich habe Ihnen nun zwei sehr spezifische Fragen gestellt und würde nun jetzt
gerne wieder ein wenig allgemeiner werden. Sie haben bereits mehrfach erörtert,
dass die Universitäten unterfinanziert sind. Welche Lösungsansätze können Sie
sich für die Finanzierungsproblematik der Universitäten vorstellen, abgesehen
von Studiengebühren?

J. D.: Die Universitäten sind seit jeher eine zentrale staatliche Angelegenheit und damit
auch zentralstaatlich finanziert. Das sollen sie auch sein. Daher müssten die
entsprechenden Mittel - wenn man nicht so forschungs- und
wissenschaftsfeindlich wäre, wie man ist - auch vorhanden sein. Diese Mittel
sind ja auch vorhanden. Jeder „Blödsinn“ wird aus dem Budget finanziert. Ich
brauche ja nicht den berühmten Choralmtunnel erwähnen. Früher hat man immer
auch noch gerne die Abfangjäger genannt. Nur die kann man jetzt nicht mehr
nennen, weil das ist ja jetzt schon im Gange. Aber diese diversen Löcher, die in
Berge gebaut werden…also wenn man da überall ein wenig abzweigen würde,
dann gäbe es genügend Geld für die Universitäten. Aber es ist eine Frage des
Wollens. Gibt es keinen politischen Willen dazu und gibt es, so wie in

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Österreich, eine massive Feindschaft gegenüber Wissenschaft und


Intellektualität, gegen eigenständige Wissenschaft… Jeder Politiker hätte
wahrscheinlich gerne seinen privaten Wissenschafter, der ihm das sagt, was ihm
behagt. Das halte ich für das Problem, nämlich, dass diese staatliche
Finanzierung nie stattfindet und das zweite Problem ist der offene
Hochschulzugang. Es wird auch von der Rektorenkonferenz so getan - die ja
jahrelang nicht mehr Mittel verlangt hat, sondern nur weniger Studenten…das
muss man sich einmal vor Augen halten. Wir haben in den letzten Jahren im
Gefolge des UG 2002 eine unglaubliche Refeudalisierung der Professorenschaft
gehabt bei gleichzeitigen zaghaften Industrialisierungsschritten. Also die
Professorenschaft ist schon ein bisschen industrialisiert worden, indem
Angestelltenverträge eingeführt worden sind, immerhin. Man könnte nahezu von
einer Proletarisierung der Professorenschaft sprechen, so wie Privatangestellte.
Gleichzeitig hat man aber alle Mitbestimmungsgremien liquidiert und hat dann
etwas ganz Entscheidendes getan, nämlich den jungen Menschen ihre Zukunft
geraubt. Das UG 2002 und das mit ihm zusammenhängende neue Dienstrecht hat
eigentlich den Mittelbau abgeschafft und hat Laufbahnen für junge
Wissenschafterinnen und Wissenschafter abgeschafft. Es gibt seither nur prekäre
Dienstverhältnisse, die maximal vier Jahre dauern. Das heißt, es gibt keine
Perspektive für junge Menschen an unseren universitären Einrichtungen. Wenn
dem so ist und wenn gleichzeitig die Professoren refeudalisiert worden sind,
indem alle demokratischen Kontrollen beseitigt worden sind, dann ist das die
wahre Krux der Universität. Man müsste sagen, dass es nicht schlechthin darum
geht, dass Milliarden an die Universitäten gehen, sondern man müsste sich
fragen, für welche Strukturen das Geld kommen soll. Dazu bedürfte es eines
Neuaufbaus und einer neuen Gestaltung des alten Mittelbaus. Überall in der
zivilisierten Welt haben Leute Laufbahnen. Wenn Leistung, dann Laufbahn. Das
ist an den österreichischen Universitäten nicht so. Das wird nicht gleich merkbar
sein, aber das wird in den nächsten Jahren noch deutlicher merkbar sein. Jetzt hat
man zum Teil noch Reste des alten Mittelbaus, um gewisse Geschäfte
weiterzuführen, auch zum Teil die Studienprogrammleiter. In fünf oder zehn

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Jahren ist dieser aber verschwunden und dann hat man nur mehr prekär
Beschäftige.

Mehr Geld müsste ganz klar mit der Herstellung neuer Strukturen verbunden
sein Es bedürfte einer echten Reform der Universität. Die bisherige relative
Autonomie war ein erster Schritt.

M. F.: Welche Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsrechte haben nun


StudienprogrammleiterInnen in finanziellen Belangen?

J. D.: Studienprogrammleiter verhandeln über Budgetmitteln. Der Gag war nur, dass
man vor Jahren das System umgestellt hat und die Studienprogrammleiter nicht
mehr um Geld verhandelt haben, sondern um Lehrstunden. Das war natürlich
sehr lustig. Das entgeht einer gewissen Neigung von Akademikern. Die Geistes-
und Sozialwissenschafter möchten mit Zahlen nichts zu tun haben. Ich war schon
der Meinung, dass man um Geld schon verhandeln soll. Die meisten Kollegen
waren aber sehr froh, dass sie sich nicht mehr mit Geld belasten müssen, sondern
nur noch die Stunden melden müssen und verhandeln. Das kann vor- und
nachteilig sein.

Im Grunde genommen verhandeln wir Lehrbudgets. Man kann nur begründen,


warum man mehr Mittel möchte oder warum man weniger möchte etc. Das ist
natürlich schon ein Handlungs- und Gestaltungsspielraum.

M. F.: Nun noch eine Frage zum Thema Ökonomie, nämlich Leistungsvereinbarungen
und Globalbudget. Inwiefern ist die Verteilung zwischen den kleinen und großen
Fakultäten hier gerecht? Man hört häufig: Je größer eine Fakultät ist, desto mehr
Möglichkeiten hat sie. Oft sind die Juristen und Mediziner hier im
Vordergrund…

J. D.: Soweit ich das beurteilen kann, war mit dem UG 2002 eine sehr lustige Sache
verbunden…Die Unternehmensleitung weiß alles und die unteren Ebenen wissen
manches. Das heißt, es gibt keinen wirklichen Vergleich. Man geht hinein und
verhandelt. Man kann sich aber nicht mit anderen vergleichen, weil man es gar
nicht weiß.

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M. F.: Bedeutet das, dass die Prozesse bzw. Verhandlungen parallel laufen, ohne
Kommunikation?

J. D.: Ja, das ist in zentralistisch gesteuerten Betrieben so.

M. F.: Nun zum letzten Fragenkomplex: universitäre Weiterbildung: Welchen


Stellenwert hat das Thema Weiterbildung im Rahmen Ihrer Studienrichtung?

J. D.: Gar keine.

M. F.: Inwiefern gibt es nun hier eine Diskrepanz zwischen Rechtslage und Praxis? Im
Gesetz ist ja festgehalten, dass Weiterbildung unter anderem eine Aufgabe bzw.
wie oft gesagt wird, eine Säule der Universität ist.

J. D.: Das ist eine ziemlich starke Definitionssache. Wenn man der Meinung ist…und
das passiert immer wieder, wenn ausländische Gäste da sind oder wenn
hervorragende Experten da sind - wenn man also meint, dass das Weiterbildung
ist, dann findet das statt. Wenn man sich aber fragt, was gibt es an systematischer
Weiterbildung, dann muss man sagen, dass wir dafür keine Ressourcen, keine
Kapazitäten haben. Das ist ja eines unserer Probleme…Wir sind alle überlastet.
Es ist ja nicht, dass wir keine Ideen hätten…Aber realiter hat der Tag 24
Stunden.

Die Universitäten müssten systematische Weiterbildungsangebote zu entfalten


trachten, aber ich glaube, dass dies im Rahmen des jetzigen Systems, bei der
Überlastung nicht realistisch ist. Es heißt nicht, dass es nicht fallweise stattfindet.
Es gibt immer wieder Vorträge, zu denen man hingehen kann. Aber als
systematische Weiterbildung ist wenig los. Und das liegt, wie gesagt, an der
systematischen Überforderung der Universität selbst.

M. F.: Habe ich das richtig verstanden? Diese Situation betrifft sowohl
AkademikerInnen, die sich an der Universität weiterbilden möchten - nicht in
Form eines Bachelor- oder Masterstudiums als auch NichtakademikerInnen?

J. D.: Man hat immer hier die Vision gehabt, dass man hier etwas tun sollte. Aber man
muss nüchtern sehen, dass wir hierfür nicht die Kapazitäten haben.

M. F.: Und dies trifft dann auch auf die postgradualen Programme zu. Weil wenn
jemand Doktor oder PhD ist, dann fehlen wiederum die Ressourcen.

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J. D.: Ich sehe das so: Wir haben oft gar keine hochschuldidaktischen Diskussionen. Es
zeigt sich hier der Mangel an Theorie. Die Frage ist, was braucht man an
systematischer Weiterbildung? Sind es nicht gerade Akademiker, die es durch
lesen sehr effizient gestalten können? Ehrlich, muss ich mir einen Vortrag
anhören? Ich bin jemand, der viel liest. Vielleicht machen Vorträge in
spezifischen Fächern Sinn. Es gibt zum Beispiel für Anwälte berufsbegleitende
Akademien. Es gibt für alle möglichen Sachen solche Möglichkeiten, aber es ist
ja kein Zufall, dass dies dann eher in außeruniversitären Einrichtungen passiert.
Das kann auf einem sehr hohen Niveau sein und das ist auch sehr sinnvoll, weil
sonst würden die Leute nicht hingehen.

Ich gebe nur das ewige Problem zu bedenken: Von der Schulbank vor die
Schulbank. Man betreibt die ewige Schule. Es ist durchaus sinnvoll, dass dies
einmal unterbrochen wird. Weiterbildung sollte etwas später, ein wenig
phasenverzögert stattfinden. Leute, die im Beruf stehen…da müsste man
spezielle Angebote entwickeln, Schwerpunktsachen, wie für Konzipienten. Das
gibt es sicherlich für alle Berufsgruppen in irgendeiner Weise. Das glaube ich
schon.

Nur ein Beispiel: Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass Lehre einer
professionellen Ausbildung bedarf. Mehr habe ich nicht gebraucht! Weil hier gilt
das Prinzip: Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand und damit auch
die Lehrbefugnis bzw. die Lehrfähigkeit. Ich hab daher dabei sehr wenig
Unterstützung bekommen, dass Lehre genauso erlernt werden muss, wie
überhaupt Wissenschaft. In dem Bereich gebe es viele Möglichkeiten der
Weiterbildung, doch ist die Frage, ob solche Angebote auch abgeholt werden.
Das weiß ich nicht genau.

Noch eines zu den berühmten Soft Skills. Da weiß man wieder nicht, wie die
Qualität ist etc. Das ist auch nichts Neues… Ich habe in meiner Jugend
Gruppendynamik bei Profis gelernt. Man hat damals sehr viel gelernt. Ein paar
Jahre später ist aber dann so ausdifferenziert worden, dass für die misera plebs
nur geringe Qualifikationen möglich waren. Eine zeitlang war dies in Mode,
dann wurde abgestuft und im Endeffekt gab es keine wirkliche Vermittlung von

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Herrschaftswissen. Das sollte vermieden werden für die Unteren. Dann kamen
plötzlich Rhetorikseminare und Kommunikationsseminare. Es ist wichtig sich zu
öffnen und zu kommunizieren. Man hat damals in der Erwachsenenbildung
schon Schwierigkeiten gehabt, wenn man gefragt hat, was es überhaupt heißt,
sich zu öffnen. Wer profitiert überhaupt davon am meisten, wenn man
miteinander kommuniziert. Da hat man sich schwer getan, dass man als
Seminarleiter alle Informationen bekommt, die man will. Da musste einem klar
sein, dass Kommunikation kein herrschaftsfreier Raum ist. Das war aber gegen
alle Moden. Ich bin bei Soft Skills also sehr misstrauisch, was da wirklich
vermittelt wird.

M. F.: Sie haben schon ein bisschen die Verantwortung hinsichtlich der Weiterbildung
angesprochen und durchklingen lassen, dass diese eher beim einzelnen liegt.
Welchen Stellenwert hat universitäre Weiterbildung nun in der Bevölkerung?

J. D.: Es gibt ja auch die Zusammenarbeit wie „University meets public“. Ich bin
neulich angesprochen worden, von einer älteren Dame, die schon in Pension ist.
Sie ist Medizinerin. Sie hat gefragt, ob es Möglichkeiten an der Universität gibt,
verschiedene Sachen kennen zu lernen und auch Wissen zu erwerben, ohne ein
Studium oder Prüfungen zu machen? Sie möchte Weiterbildung haben, nicht in
ihrem Fach, sondern irgendetwas, was sie bisher nicht gemacht hat, sei es Kunst
oder Philosophie oder sonst etwas. Da haben wir eigentlich nichts…das gibt es
keine Ressourcen, keine Hörsäle. In Italien gibt es beispielsweise die Universität
des dritten Alters. Es gibt also schon ein paar interessante Ansätze, aber ich
glaube, dass da für uns aufgrund der mangelnden Ressourcen sehr wenig drinnen
ist.

M. F.: Nun zu meiner letzten Frage: den Medien. Welche Rolle spielen die Medien in
der Gesellschaft? Machen sie Werbung für Universitäten, um diese der
Bevölkerung schmackhaft zu machen?

J. D.: Ich habe jahrzehntelang vor allem im Bereich der Erwachsenenbildung Umgang
mit den Medien gehabt. Die Erfahrung ist da eher grimmig. Bildung hat keinen
Stellenwert für Zeitungen oder den ORF. Oft machen Bildung dort

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JungredakteurInnen, die überhaupt keinen Stellenwert in der Redaktion haben;


die keine Notiz bringen.

Eine Anekdote: Helmut Zilk war ja nicht unbekannt. Er hat einen Abend für
Erwachsenenbildung gemacht und sich bemüht, alle maßgeblichen Journalisten
einzuladen. Er hat ein erstklassisches Gespräch gestaltete, bei guten Brötchen
und Wein. Man musste dort also nicht hungrig sitzen. Es waren damals auch sehr
viele Journalisten da. Am nächsten Tag haben wir dann, glaub ich, in zwei
Zeitungen kurze Notizen gehabt. Helmut Zilk hat dann zu mir gesagt: Ich geniere
mich für meine Branchenkollegen. Ich habe dann höhnisch gesagt: Ich wollte dir
das nicht vorher sagen, aber wenn drei Zeitungen geschrieben hätten, hätte ich
gesagt großartig, aber dass überhaupt schon zwei Zeitungen geschrieben haben,
war eh schon dein Verdienst. Das ist lächerlich. Die APA bringt vielleicht noch
etwas. Man kann sich also nichts erwarten. Es gibt keine Bildungsredaktionen.
Das machen nur die Jungen, die nicht einmal in einer festen Beschäftigung
stehen. Da kann man nicht erwarten, dass sie etwas reinboxen. Am besten ist,
dass sie irgendeine Sensationsmeldung haben, dass sich zum Beispiel jemand aus
dem Fenster stürzt.

Wir haben natürlich fallweise Bildungsbeilagen, zum Beispiel im Kurier. Aber


was ist das bitte? Das ist ein Inseratenfriedhof, der eigentlich dazu benützt wird,
um Inseraten zu keilen. Wenn man ein Inserat bezahlt, dann bekommt man auch
einen Beitrag. Das ist der Zustand.

Es ist interessant, dass manche Redakteure in anderen Bereichen ein hohes Maß
an Kompetenz haben. Das sind Leute aus dem Innenpolitikressort. Mir ist nur
aufgefallen, dass immer nur etwas Skandalöses berichtet werden soll. Ich habe
dann zu den jungen RedakteurInnen gesagt: Macht doch ein
Hintergrundinterview. Geht zur Vizerektorin Schnabl und macht etwas
Ausführlicheres über die Situation, was ein bisschen sachlich fundiert ist. Doch
das setzt ein hohes Maß an Sachkompetenz bei den JournalistInnen voraus. Die
haben sie nicht, aber die können sie auch gar nicht haben, weil sie dafür nicht
beschäftigt werden. Und es gibt keine Vorbilder. Es gibt zwar einen Club der

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Bildungsjournalisten. Aber das ist letztlich alles Schall und Rauch. Das ist ja das
Traurige.

M. F.: Dann danke ich Ihnen ganz herzlich für das Gespräch. Haben Sie von Ihrer Seite
noch etwas anzumerken, was sie unbedingt gesagt haben möchten?

J. D.: Nein, danke, eigentlich nicht. Ich danke.

M. F.: Dann nochmals vielen Dank für das Gespräch.

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B. Forschungsnotiz 1

Aus einem Betreuungsgespräch mit Hofrat Univ.-Doz. Dr. Johann Dvořak am 1. März 2011
geht hervor, dass der Neoliberalismus als eine Ideologie anzusehen ist, die sich nicht tatsächlich
in der österreichischen Politik widerspiegelt, während der Neokonservativismus ein Ausdruck
der Strukturpolitik ist. Zu Zeiten der SPÖ-Kanzlerschaft vor dem Jahr 2000 kann von einer
neoliberalen und zugleich konservativen Politik gesprochen werden. Es kam zur Zerschlagung
der verstaatlichten Industrie, zur Privatisierung, zur Steuerentlastung durch Schaffung von
Stiftungen etc. Diese Politik wurde von der Blau-Schwarzen Regierung anschließend nur
konsequent fortgeführt. Auch wenn die Universität durch das UG 2002, rein rechtlich
betrachtet, mehr Autonomie erlangt hat, kann de facto kein Zurücknehmen des Staates
festgestellt werden, nicht zuletzt deshalb, weil mit diesem Gesetz eine Schwächung der
akademischen Selbstverwaltung erzielt wurde. In gewisser Hinsicht kommt es aber durchaus zu
einem Abbau des staatlichen Sektors, womit ein Abbau von Arbeitsplätzen sowie ein
Chancenverlust für AkademikerInnen einhergeht.
Im Bologna-Prozess spiegelt sich nichts anderes als die Ernte des Kapitalismus wider, nicht
jedoch die Ideologie des Neoliberalismus. Es kommt unter anderem nämlich zur
Refeudalisierung sowie Industrialisierung.
-355-

C. Dokumente

1. Dokument 1: Europa 2020 - Ein Überblick837

837
Mitteilung der Kommission. Europa 2020.Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives
Wachstum, KOM 2010/2020, 37.
-356-

2. Dokument 2: Zielgebunden Entwicklung der Hochschulbildung: Haupt- und


Teilziele838

838
HoF Wittenberg im Auftrag des BMBWK. Studie: Aktuelle und künftige Trends in der Hochschulbildung und die
Herausforderungen für Lehrende und universitäres Management im Hinblick auf künftige Studienfromen und
Studiensysteme <http://www.bmwf.gv.at/uploads/tx_contentbox/studie_hsbildung_zusammen.pdf>, 15.5.2012; 13
-357-

3. Dokument 3: Hochschulbildung: Trends, Konsequenzen, Ziele839

839
HoF Wittenberg im Auftrag des BMBWK. Studie: Aktuelle und künftige Trends in der Hochschulbildung und die
Herausforderungen für Lehrende und universitäres Management im Hinblick auf künftige Studienfromen und
Studiensysteme <http://www.bmwf.gv.at/uploads/tx_contentbox/studie_hsbildung_zusammen.pdf>, 15.5.2012;
14.
-358-

D. Abstract

1. Zusammenfassung in deutscher Sprache

Schlüsselbegriffe: Criticizeability, Employability, Finanzierung, staatliche und politische


Motive, universitäre Weiterbildung, politische
EntscheidungsträgerInnen, volkswirtschaftliche Zielsetzungen.

Diese sozialwissenschaftliche Dissertation bespricht nicht nur die politischen Motive, warum
Bildung zum Gegenstand der Politik geworden ist, sondern beleuchtet auch die rechtlichen
Rahmenbedingungen für (universitäre) (Weiter-)Bildung sowie die Wechselwirkungen
zwischen den Ebenen Politik, Ökonomie und Bildung. Praxisnähe sowie Lebendigkeit erlangt
diese wissenschaftliche Arbeit durch die geführten ExpertInneninterviews.

Die zentralen Erkenntnisinteressen der Dissertation sind: Darstellung des österreichischen


Status quo mit Rückblicken auf die Entwicklungen in der Vergangenheit, Herausarbeitung
begrifflicher Abgrenzungen und Überschneidungen, Beleuchtung der politischen Motive und
rechtlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und EU-Ebene, Konnexe, Widersprüche sowie
Wechselwirkungen zwischen (Weiter-)Bildung, Arbeitsmarkt, Wirtschaftswachstum und
politischen Entscheidungen, Aufzeigen von Lösungsansätzen für die Schaffung einer
„ökonomischen Bildungspolitik“.

Zur Erforschung dieser Themenkreise bediente sich die Verfasserin neben einer äußerst
umfangreichen Literaturrecherche auch der Feldforschung. Auf deren Grundlage, ergänzt durch
eine Medienbeobachtung, konnte aus sozialwissenschaftlicher sowie aus juristischer und ein
wenig auch aus ökonomischer Perspektive ein fundierter Überblick über das komplexe
Beziehungsgeflecht von Politik, Ökonomie und Bildung geschaffen werden.
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2. Summary in English

Keywords: Criticizeability, Employability, Financing/Funding, political and state motives,


further education at university level, political decision makers, economic aims.

The objective of this social science dissertation is to not only discuss the political motives of the
politicization of education, but also to comment on the legal conditions for (further) education
(at university level) and the interplay between politics, economy and education. Interviews with
experts on the field have been included to add practical relevance and liveliness.

The epistemological interests central to this dissertation are: Representation of the Austrian
status quo with references to past developments, definition of terminological distinctions and
overlaps, comment on the political motives and legal conditions on a national and EU-level,
connections, contradictions and correlations between (further) education, job market, economic
growth and political decisions, demonstration of solution approaches for the development of an
“economical education policy”.

The author undertook both extensive literature research and fieldwork during the investigation
of this field of topics, which, in connection with media monitoring, makes it possible to present
a well-founded overview of the complex correlations between politics, economy, and education
from a social science, legal and economic perspective.
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E. Lebenslauf

Persönliche Daten:
Name: Madeleine Fichtinger
Geburtsdatum: 12. März 1988
Geburtsort: Wien
E-Mail: madeleine.fichtinger@gmx.at
Schulausbildung und universitärer Bildungsweg:
1994 bis 1998: Privatvolksschule des hl. Franziskus
1998 bis 2006: Gymnasium und Realgymnasium
Gottschalkgasse
Juni 2006: Matura
Okt. 2006 bis Nov. 2009: Diplomstudium der Rechtswissenschaften (Universität Wien)
Okt. 2006 bis März 2010: Diplomstudium der Politikwissenschaft (Universität Wien)
Nov. 2009: Magistra iuris
Nov. 2009 bis Feb. 2011: Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften (Universität Wien)
März 2010: Magistra philosophiae
Feb. 2011: Doctor iuris
seit März 2011: Doktorandenkolleg Lebenslanges Lernen (Universität Graz,
Universität Klagenfurt, Donauuniversität Krems)
seit Sept. 2011: Universitätslehrgang Medizinrecht (Johannes Kepler Universität
Linz)
Berufliche Erfahrungen:
Juli 2008: Rechtshörerschaft am Landesgericht für Strafsachen Wien
März 2010 bis Feb. 2011: Tutorin am Institut für Politikwissenschaft, Universität Wien
Sept. 2010: Praktikum bei der Patienten- und Pflegeanwaltschaft
Niederösterreich
Okt. 2010 bis Juni 2011: Gerichtspraxis (Okt. 2010 bis Feb. 2011 BG Bruck/Leitha;
März 2011 bis Juni 2011 LG für ZRS Wien)
seit August 2011: Rechtsanwaltsanwärterin bei der Kraft & Winternitz Rechtsanwälte
GmbH
Sonstiges:
Aug. 2004: 3-wöchiger Sprachaufenthalt in England
Dez. 2004: ECDL
März/April 2005: 1-wöchiger Sprachaufenthalt in Frankreich
März 2005 bis Feb. 2006: Konfliktmanagement: Ausbildung zur Konfliktlotsin
Aug. / Okt. 2006: Führerschein der Klassen A, B
Feb. 2010 bis Feb. 2011: Bildungspass-Seminare des Bildungsforums (Bewerbung und
Assessmentcenter, Körpersprache, Rhetorik, Präsentationstechnik,
Führen und Motivieren, Work-Life-Management,
Gesprächsführung, Lern- und Kreativtechniken, Zeitmanagement,
Sprech-, Stimm- und Atemtechnik)
Nov. 2010 bis Juli 2011: Ausbildung zur Diplomierten Burnout-Prophylaxetrainerin
Feb. 2011 bis April 2011: Selbstverteidigungskurs
Mai 2012: Verleihung des Medizinrechts-Preises 2012 des Forums Gmundner
Medizinrechts-Kongress

Juristische Spezialgebiete: Medizinrecht, Rechtsphilosophie, Versicherungsrecht


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Publikationen und Hochschulschriften:

Eilen/Fichtinger, Unterbringung, Beratung und Betreuung von AsylwerberInnen im Burgenland,


in Rosenberger (Hrsg), Asylpolitik in Österreich. Unterbringung im Fokus (2010) 258-271.

Fichtinger, Österreichische Volksbildung im 20. und 21. Jahrhundert. Eine vergleichende


Darstellung (2010). (entspricht der Diplomarbeit zum Erwerb des akademischen Grades
Magistra philosophiae)

Diplomandenseminararbeiten zum Erwerb des akademischen Grades Magistra iuris:


Meilensteine der strafhistorischen Entwicklung des Schwangerschaftsabbruches im 19.
Jahrhundert bis in die Erste Republik (im Rahmen des Seminars Geschichte des
Medizinrechts im SS 2008).
Verweigerung eines medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruchs- eine
vergleichende Darstellung von Polen und Österreich, ausgehend von Tysiac gg. Polen
(EGMR U 20. 3.2007, Nr 5410/03) (im Rahmen des Seminars aktuelle Probleme des
Medizinrechts im SS 2009).

Dissertation zum Erwerb des akademischen Grades Doctor iuris:


Klinische Studien an (krebskranken) Minderjährigen unter besonderer Bedachtnahme der
ethischen Aspekte und der Versicherung des medizinischen Risikos (2010).

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