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ART Dresden

review
Winter 2010/11 Ausgabe 17

Schwerpunkte
Nazis und der Volkstod

Brandanschläge in Dresden

Demonstration in Dresden am 18.09.10


ART Dresden

Inhaltsverzeichnis
3 Nazis in Radeberg

4 Das Spiel mit dem Feuer

7 Chronik 1992

8 Nationalsozialismus oder Volkstod

13 Nazis auf dem Heidefriedhof

13 „Damals wie heute“ - Nazis sind Revisionisten

14 Urlaubsidylle mit Neonazis

15 Rechtes Tattoo-Studio in Dresden-Striesen eröffnet

Impressum
Antifa Recherche Team (ART) Dresden

Web: http://venceremos.sytes.net/artdd.html
Mail: art_dd@riseup.net

Stand: 20. Januar 2011

Veröffentlicht unter Creative Commons


Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung 3.0 Deutschland Lizenz
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Review>>>Winter 2010/11
ART Dresden

Konfrontativ I

Nazis in Radeberg

Vorläufig festgenommen: Andreas Hartmann (links im Bild)

T eilweise vermummt und mit Leder-


handschuhen bekleidet, streifte
eine Gruppe junger Nazis am 28. Au-
sowie für die gesellschaftliche Ächtung
der Naziideologie. Erst wenige Wochen
zuvor nahm ein personell nahezu iden-
den daraufhin vorläufig festgenommen,
unter anderen der vor einiger Zeit von
Pirna nach Dresden-Gorbitz gezogene
gust durch die Radeberger Innenstadt. tisches Dutzend Nazis am traditionellen Nazi Andreas Hartmann. Vom Rest der
Zu diesem Zeitpunkt reisten Nazigeg- Bierfest der Stadt teil. Unter Anleitung Gruppe wurden die Personalien aufge-
ner_innen zu einer antifaschistischen des NPD-Stadtrats Simon Richter dräng- nommen. Wenig später stieß noch eine
Demonstration in die Stadt. Unter dem ten sie sich, einen Sarg tragend, mit der kleine Gruppe Nazis um den einschlä-
Motto „No Nazis in Radeberg“ liefen Parole „Die Demokraten bringen uns gig bekannten Christian Leister hinzu.
über 300 Menschen durch die Innen- den Volkstod“ in den Festumzug. Gemeinsam begab man sich auf die
stadt und demonstrierten gegen Nazi- Auch war es Simon Richter, der mit wei- Stolpener Straße zum Wohnhaus von
aktivitäten in Radeberg und Umgebung, teren Nazis am 28. August durch die Simon Richter, wo der vorbeilaufende
Stadt zog und vermeint- Demonstrationszug abgewartet wurde.
liche Gegner_innen atta- Polizisten versperrten den Weg auf die
ckieren wollte. Kurz bevor Straße, so dass sich die Nazis auf das Fo-
die Gruppe auf die Bahn- tografieren der Demonstrant_innen be-
hofsstraße laufen konnte, schränkten. Einen späteren Versuch zur
wurde sie von der Polizei Antifa-Demo zu gelangen, unterband
abgedrängt und in eine die Polizei.
andere Richtung begleitet. Parallel dazu begleiteten - mit mal mehr,
An einer kleinen Kreuzung mal weniger Abstand - zwei Frauen die
versuchten die größtenteils Antifa-Demo, die am 17. Juni an der
jungen Männer dem Spalier Nazidemonstration in Dresden teilge-
der Polizei zu entkommen, nommen hatten. Auch bei der Demons-
merkten dabei offenbar tration anlässlich der rechten Brandan-
nicht, dass sie in eine vi- schläge in Dresden “Es ist immer ein
17.06.10 NPD-Demonstration in Dresden (siehe S.13), we- deoüberwachte Sackgasse Angriff auf uns alle” am 18. September,
nige Wochen später begleiteten beide Frauen antifaschisti- liefen. Drei Personen wur- hielten sie sich wieder im Umfeld auf.
sche Demonstrationen in Radeberg und Dresden

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ART Dresden

Das Spiel mit dem Feuer


Brandanschläge in Dresden. Eine Einschätzung

Reaktion auf die Brandanschläge in Dresden. Eine Spontandemonstration mit 500 Personen durch Dresden-Pieschen.

A ls am Morgen des 29. August die


Tür der Begräbnishalle auf dem
Neuen Jüdischen Friedhof in Dresden-
brannten in Pirna und Döbeln drei Autos
komplett aus, in Freiberg der Eingangs-
bereich des Vereins Roter Weg e.V. In
angebrachtes Transparent in Brand. In
Dresden wurden zwei bewohnte Häuser
Ziel von Brandanschlägen.
Johannstadt brannte, war es bereits der Zschopau, Eilenburg und Freiberg war- In der Nacht zum 19. August brannte ein
zwölfte rechtsmotivierte Brandanschlag fen Rassisten Brandsätze in Imbisswa- Zimmer im Erdgeschoss des alternativen
in diesem Jahr in Sachsen. Innerhalb der gen und Lokale. In Döbeln steckten Na- Wohnprojekts „Praxis“ in Dresden-Löb-
ersten acht Monate des Jahres 2010 zis ein am Holzfenster des Cafe Courage tau fast vollständig aus. Dass niemand

Chronik 1992
24.01.1992 einer Asylunterkunft auf. (Neu- tet werden konnten. Das Haus 06.06.1992 der Ausländerberaterin des
In Lauter - in der Nähe von es Deutschland 20.03.1992) und mehrere abgestellte Au- In Liebertwolkwitz bei Leipzig Diakonischen Werkes Freiberg
Hoyerswerda - findet eine tos wurden durch das Feuer haben unbekannte Täter einen kam es dabei zu gewalttätigen
Gemeindeversammlung zum 18.03.1992 zerstört. (Leipziger Volkszei- Brandanschlag auf ein Heim Ausschreitungen gegen die
Thema AusländerInnen statt. In Eilenburg bei Leipzig haben tung 07.04.1992) für AsylbewerberInnen verübt. 50 Flüchtlinge in Gränitz, ins-
Wie vor wenigen Tagen be- 30 Neofaschisten ein Asyl- Ein Brandsatz durchschlug ein besondere gegen eine Familie
kannt gemacht wurde, sollen bewerberheim überfallen. 30.03.1992 Fenster und entzündete ein verfolgter koptischer Christen
dort in Kürze 70 Flüchtlinge Die Neofaschisten warfen In Leipzig beschießen Neofa- Zimmer, in dem drei Asylbe- aus Syrien. Ein medizinisches
in einem ehemaligen Kinder- Brandflaschen gegen ein vor schisten BewohnerInnen der werber schliefen. Der Brand Gutachten stellte fest, dass
heim untergebracht werden. dem Haus abgestellten PKW Sternwartenstraße mit Leucht- konnte durch die Heimbewoh- Blutergüsse und Verletzun-
Auf der Versammlung drohen und gegen einen Streifen- pistolen, die gerade aus den ner gelöscht werden. Personen gen „durchaus auf bestimmte
viele BürgerInnen mit Gewalt wagen. (Neues Deutschland Brandtrümmern des von Na- wurden nicht verletzt. (FAZ Vorgehensweisen der Polizei
gegen ausländische Flüchtlin- 20.03.1992) zis abgefackelten Hauses ihre 09.06.1992) zurückzuführen sein könnten.“
ge. Den Reden folgen Taten: Habseligkeiten suchen. (Leip- Laut der Ausländerberaterin
Das Kinderheim wird ver- 29.03.1992 ziger Volkszeitung 07.04.1992) 11.06.1992 sind Frauen in Unterwäsche
wüstet. (Neues Deutschland In Leipzig überfielen rund 30 Mit einer Razzia haben um im Aufenthaltsraum zusam-
27.01.1992) neofaschistische Schläger das 11.04.1992 4 Uhr früh insgesamt 70 Po- mengetrieben, protestierende
besetzte Haus in der Stern- In Hoyerswerda schlugen Neo- lizisten drei AsylbewerberIn- Söhne von maskierten Einsatz-
4
13.03.1992 wartenstraße und steckten es
In Leisnig bei Leipzig ziehen in Brand. Die BewohnerInnen
faschisten die Fensterscheiben nenheime in Freiberg und
des Jugendclubs „Linksabbie- Umgebung durchsucht, um
kräften mit Waffen auf den
Kopf geschlagen und ein kur-
maskierte und mit Eisenstan- flüchteten auf das Dach, wo ger“ ein. (Neues Deutschland angeblich nach Diebesgut zu discher Vater vor den Augen
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gen bewaffnete Skinheads vor sie von der Feuerwehr geret- 13.04.1992) suchen. Nach Informationen seiner Kinder mit Schlagstö-
ART Dresden

verletzt wurde, ist dem glücklichen Zu- Aufruf zu Anschlägen auf „den politi- solche Angriffe auf das eigene politische
fall zu verdanken, dass der Bewohner in schen Gegner“ gegeben hätte. Umfeld stärker wahrgenommen werden
dieser Nacht auswärts schlief. Nur fünf als andere - nämlich nicht als Angriffe
Nächte später, am 24. August, landete Quantität und Qualität rechtsmoti- auf Einzelne, sondern als Angriffe auf
ein Molotowcocktail in einem Zimmer vierter Gewalt in Sachsen eine bestimmte Gruppe, zu der man sich
im 3. Stock des alternativen Wohnpro- Zwölf Brandanschläge in acht Mona- selbst zählt.
jekts „RM 16“ in Dresden-Pieschen. ten sind ohne Frage zwölf zuviel, aber Und zurecht werden die Brandanschlä-
Der Bewohner wachte rechtzeitig auf solche Serien sind nicht neu. 2008 ver- ge auf linke Wohnprojekte entspre-
und konnte den Brandsatz, der seine übten Nazis und Rassisten insgesamt chend problematisiert. Denn in Bezug
Wirkung nicht voll entfaltet hat, schnell 18 Brandanschläge in ganz Sachsen. Es auf Angriffe auf „politische Gegner“
löschen. Trotzdem bei diesen Brandan- waren überwiegend Imbisse, Restau- stellen die Brandanschläge auf bewohn-
schlägen keine_r der Bewohner_innen rants und Geschäfte von Migrant_innen te Häuser tatsächlich eine neue Qualität
verletzt wurde, waren es Angriffe, bei sowie Asylsuchendenunterkünfte (z. B. dar. Denn so penetrant und gefährlich
denen eine konkrete Gefahr für Leib Oppach) das Ziel. Aber auch Linke und die zeitweise im Wochen-Rhythmus
und Leben bestand. Alternative wurden im Jahr 2008 ins- verübten Angriffe auf die „RM 16“ seit
Aufgrund der Häufung von Brandan- gesamt sechs Mal zum Ziel, z.B. beim ihrem Bestehen auch waren, bedrohten
schlägen, aber auch aufgrund dessen, Brandanschlag auf den Fanshop „Fisch- sie noch nicht in dieser Form das Leben
dass mit den Angriffen auf die beiden laden“ des Roten Stern Leipzig. 2009 der Bewohner_innen.
Hausprojekte, der Tod von Menschen in ging die Zahl der Brandanschläge leicht Nichtsdestoweniger trifft diese Feststel-
Kauf genommen wurde, wird von einer auf 12 zurück. (siehe auch Review Aus- lung nur bedingt zu - für eine Generati-
neuen Qualität der Nazigewalt in Sach- gabe 16, Brandanschläge in Sachsen) on von Nazis, Rassisten und rechten Ju-
sen geschrieben und gesprochen. Insofern lässt sich allein aus der Quan- gendlichen, wie sie in den vergangenen
Wir wollen deshalb im Folgenden der tität keine neue Situation hinsichtlich zehn Jahren in Dresden zu beobachten
Frage nachgehen, ob diese Einschät- rechtsmotivierter Gewalt in Sachsen ist. Richtet man aber den zeitlichen Blick
zung zutreffend ist. Zudem werden wir ausmachen. etwas weiter zurück, so wird deutlich,
versuchen die beiden Brandanschläge In einem Punkt unterscheiden sich die dass solche Wellen von Brandanschlä-
auf „Praxis“ und „RM 16“ einzuordnen Anschläge 2010 tatsächlich von der gen in Sachsen in den 90er Jahren
und damit auf Fragen zu antworten, die Serie 2008 – Linke, Alternative, Antifas immer wieder stattgefunden haben.
ebenfalls in den vergangenen Wochen oder Personen, die sich in der Öffent- Brandsätze in Unterkünfte für Asylsu-
immer wieder auftauchten – beispiels- lichkeit gegen Nazis positionieren sind chende, linke Jugendclubs oder Wohn-
weise die Frage danach, ob die Angriffe häufiger zum Ziel geworden. Doch da- projekte zu werfen, gehörten zum
aus einer organisierten Naziszene er- rin ist noch keine neue Qualität zu erbli- regelmäßigen Aktionsrepertoire einer
folgten oder ob es gar einen internen cken. Leider entsteht dieser Eindruck da damals präsenten Naziszene.

cken gepeinigt worden. Die- Deutschland im Monat Juli ballschlägern auf den im Bett tergebracht sind und grölen Vier Neofaschisten wurden
besgut wurde nicht gefunden. 1992“, Drucksache 12/3283, liegenden Vietnamesen. Eine ausländerfeindliche Parolen. festgenommen. (Welt am
(Neues Deutschland und FR 23.09.1992) Nachbarin wurde mit einer Die Polizei nimmt sieben Per- Sonntag 30.08.1992)
13.06.1992) Schrotflinte bedroht. (TAZ sonen vorübergehend fest.
15./16.07.1992 18.07.1992) (SZ 27.08.1992) 29./30.08.1992
Dem BKA sind nach Auskunft In Leipzig überfielen fünf mas- In Leipzig steckten Neofaschis-
der Bundesregierung im 1. kierte Männer einen 21jäh- 01./02.08.1992 25.08.1992 ten ein Zeltlager für Asylbewer-
Halbjahr 1992 insgesamt 1443 rigen Vietnamesen in seiner Auf dem Rastplatz Thiendorf In Dresden greifen neofaschis- berInnen in Brand. Von den 50
fremden-/ausländerfeindliche Wohnung und schlugen ihn bei Dresden überfielen Neo- tische Jugendliche das Asyl- AsylbewerberInnen wurde nie-
motivierte Straftaten bekannt brutal zusammen. Der Mann faschisten einen Reisebus mit bewerberInnenheim an. Sie mand verletzt. Die Polizei konn-
geworden, darunter 128 Brand- musste mit Kopfwunden und dänischen Pfadfinder-Kindern werfen zwei Brandflaschen te mehrere Täter festnehmen.
anschläge, 178 Angriffe auf Schädelhirntrauma schwer- und schlugen mit Knüppeln gegen das Heim und flüchten (FR 31.08.1992)
Personen 1137 sonstige Straf- verletzt ins Krankenhaus auf den Bus ein. Die Skins war- sofort. Die HeimbewohnerIn-
taten. Darunter Sachsen mit 12 eingeliefert werden. Nach fen mit Flaschen und Steinen. nen können die Brandflaschen 31.08./01.09.1992
Brandanschlägen, 13 Angriffen Angaben der Polizei waren Die Täter entkamen. (Neues löschen. (SZ 27.08.1992) In Lindenthal bei Leipzig wur-
gegen Personen und 57 Sons- die Männer mit Baseballschlä- Deutschland 03.08.1992) de eine Asylunterkunft mit
tige. (Antwort der Bundesregie- gern und zwei Schrotflinten 28./29.08.1992 Steinen beworfen und ein
rung auf eine Kleine Anfrage bewaffnet. Drei von ihnen 24.08.1992 In Leipzig Grünau griffen 100 davor stehendes Auto ange-
der Abgeordneten Ulla Jelpke
über „Ausländerfeindliche und
brachen die Wohnungstür
des vietnamesischen Ehepaars
In Dresden ziehen acht neo-
faschistische Jugendliche
Neofaschisten das dortige zündet. (Neues Deutschland
Flüchtlingsheim an. Der Polizei 02.09.1992)
5
rechtsextremistische Ausschrei- auf, drangen ins Schlafzimmer vor ein Wohnheim, in dem gelang es mit Schlagstöcken
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tungen in der Bundesrepublik ein und schlugen mit Base- polnische ArbeiterInnen un- die Angreifer abzuwehren.
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Selbstläufer oder Serien nach Plan? Nazis scheinbar Asylbewerberheim und sierten „Freien Kräften“ steht das politi-
Entgegen der Annahme, dass diesen Se- Molotowcocktail zusammen gehören sche Engagement nicht im Vordergrund.
rien von Brandanschlägen so etwas wie und dass das Wissen um die Zusammen- Diese sozialen Zusammenhänge stellen
ein interner Aufruf innerhalb der Nazisze- setzung eines Molotowcocktails sowie sich nicht über das „Politik machen“
ne vorausgehen müsste, zeigen die Er- die Zutaten vorhanden waren. her, sondern bestehen vorher. Aus die-
fahrungen, dass es eines solchen zumeist Es bedarf keines internen Aufrufes, weil sen Cliquen können dann Einzelne oder
gar nicht bedarf. Vielmehr scheint die Brandanschläge spätestens seit den 90er aber auch alle sporadisch politisch aktiv
Häufung solcher Angriffe durch Nachah- Jahren zum Aktionsrepertoire und Mo- werden. Vorstellungen von Ungleichwer-
mung begründet zu sein. lotowcocktails zum Wissensbestand von tigkeit, wie Rassismus, Antisemitismus
Dafür sprechen die Schilderungen von Nazis gehören. Es bedarf auch keiner oder Sozialchauvinismus und der Hass
Tätern vor Gericht, so beispielsweise im organisierten Kameradschaft oder inten- auf alles, was irgendwie anders ist, ge-
Verfahren wegen versuchter schwerer siver Planung. Molotowcocktails werfen hören ganz einfach dazu, wie auch eine
Brandstiftung im September 2008 in auch einzelne Rassisten, wie in Freiberg unübersehbare Affinität zu Gewalt. Eine
Oppach. Die Täter hatten versucht die oder lose Zusammenhänge von rechten konkrete Richtung erhält diese Mischung
Sammelunterkunft für Asylsuchende mit Jugendlichen. entweder spontan im Alltag, wenn ein
Molotowcocktails in Brand zu setzen. So scheinen die Brandanschläge in Dres- „Feindbild“ zufällig den Weg kreuzt oder
Glücklicherweise traf keiner der Brand- den eher von Cliquen rechter Jugendlicher aber gezielter und weniger spontan,
sätze ein Fenster, so dass sie an der ausgegangen zu sein, als von organisier- wenn sich ein Anlass bietet.
Hauswand zerschellten. Die Angeklagten ten militanten Nazigruppen. Auch wenn Ein solcher Anlass können bestimmte Da-
schilderten, dass sie auf die Idee kamen, Einzelne aus diesen Zusammenhängen ten sein oder Aktionen die als Vorbild zur
als sie Abends zusammen saßen, Bier intensivere Kontakte zu organisierten Na- Nachahmung dienen. Das Ziel ergibt sich
tranken und Musik hörten. Nachdem es zis pflegen, auf Demonstrationen fahren dann meist aus der allgemeinen Stim-
in den Monaten zuvor schon mehrfach und anderweitig politisch aktiv sind. mungslage - in Dresden ist die Stimmung
in Ostsachsen zu Brandanschlägen u.a. Kennzeichnend für diese Cliquen - die in eben jenen Cliquen vor allem gegen
auf Imbisswagen gekommen war, waren sowohl in Löbtau, als auch in Pieschen „Zecken“ oder den „politischen Gegner“
sie nun der Meinung, dass die Bewoh- anzutreffen sind - ist ihre Dominanz im gerichtet. Vor allem in Pieschen, Mickten
ner_innen des Heims in ihrer Nähe einmal Straßenbild, sei es durch ihre bloße Prä- und Trauchau gehören Sprühereien wie
„eine Abreibung“ gebrauchen könnten. senz, Aufkleber oder Sprühereien. Sie „Antifas töten“ oder „Smash Antifa“
Einen Aufruf bedurfte es hier nicht. Aus- sind klar rechts eingestellt, auch wenn sie ebenso zum Straßenbild wie Aufkleber
reichend war, dass es andernorts schon sich selbst nicht unbedingt als politische mit dem Aufruf „Robert-Matzke-Straße
funktioniert hat, dass in den Köpfen von Aktivisten sehen. Anders als bei organi- angreifen“.

Chronik 1992
01.09.1992 05.09.1992 12.09.1992 20.09.1992 10.10.1992
In Flöha bei Chemnitz griffen 250 In Neustadt randalieren 40 In Zittau warfen Unbekannte In Weißwasser warfen rechtsex- In Meißen schossen Unbe-
neofaschistische Jugendliche ein rechtsextreme Jugendliche die Fensterscheiben des Asyl- tremistische Jugendliche Brand- kannte mit einem Luftge-
Heim für Asylsuchende und eine gegen die dort lebenden Vi- bewerberInnenheims ein. (TAZ sätze gegen eine Unterkunft für wehr auf eine Unterkunft für
Diskothek an. Die Neofaschisten etnamesen. (TAZ 07.09.1992) 14.09.1992) Flüchtlinge. Die Holzverschalung Flüchtlinge. Ein Fenster wurde
warfen Steine und Brandsätze. brannte durch einen Brandsatz durch neun Einschüsse be-
Auch Polizisten und Passanten 11.09.1992 14.09.1992 an. Die Rechtsextremisten schos- schädigt. (Neues Deutschland
wurden angegriffen. Zwei Polizis- In Dippoldiswalde griffen ca. In Dresden Prohlis werfen ju- sen auch Leuchtraketen auf das 12.10.1992)
ten wurden verletzt. 18 Personen 30-40 Neofaschisten die Un- gendliche Neofaschisten drei Heim. (TAZ 21.09.1992)
wurden festgenommen. (Neues terkunft für Asylsuchende Brandsätze gegen das Asyl- In Liebertwolkwitz bei Leipzig
Deutschland 03.09.1992) an. Die neun anwesenden bewerberInnenheim. Vier Ju- 05.10.1992 wurde das Flüchtlingsheim
AsylbewerberInnen flüchte- gendliche werden festgenom- In Eilenburg zogen ca. 30 Neo- mit Steinen angegriffen. (FAZ
04.09.1992 ten in den Wald, während men. (AK Nr. 346, 23.09.1992) faschisten vor die Unterkunft für 12.10.1992)
In Chemnitz wird aus einer die Neofaschisten die Einrich- Asylsuchende auf, randalierten
Gruppe von Neofaschisten ein tung demolierten. Die Polizei 17.09.1992 und riefen rassistische Parolen. In Chemnitz griffen rund 30
Brandsatz gegen die dortige Zen- konnte 10 Neofaschisten fest- In Chemnitz wird ein Brand- Die Flüchtlinge bewaffneten sich zum Teil vermummte Neofa-
trale Aufnahmestelle geworfen, nehmen. (Neues Deutschland anschlag auf ein Wohnheim daraufhin mit Knüppeln und schisten ein Jugendzentrum
der aber nicht zündet. Danach 14.09.1992) von VietnamesInnen verübt. Eisenstangen und schlugen die an. (FAZ 12.10.1992)
6
griffen die Nazis eine Gruppe
Antifaschistinnen an, es gab drei
Die BewohnerInnen können Nazis erfolgreich in die Flucht. 10
das Feuer selbst löschen. (TAZ Neofaschisten wurden verletzt. In Markleeberg bei Leipzig
Verletzte. (TAZ 07.09.1992) 19.09.1992) (SZ 06.10.1992) wurde zweimal aus einem
Review>>>Winter 2010/11 fahrenden Auto auf ein Heim
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Ein Blick zurück

Chronik 1992
S eptember 1991 – Hoyerswerda | Au-
gust 1992 – Rostock - Diese Daten
und Städte stehen noch heute für die
Sprachgebrauch aus. Schlagworte wie
„Asylant“ oder „Wirtschaftsflüchtling“,
diskriminierende Beschreibungen oder
setz, durch welches die schnellere Ab-
schiebung ermöglicht worden ist. 1993
folgte dann die Grundgesetzänderung,
beispiellose Gewaltwelle gegen Migran- „Überfremdungs“- Metaphorik wie durch welche das Recht auf Asyl eine
tInnen, AsylbewerberInnen, sowie deren „Asylantenflut“ oder stereotype Benen- massive Einschränkung erfuhr.
Unterkünfte zu Beginn der 90er Jahre. nung von Flüchtlingszahlen als drama- Für die unzähligen Angriffe dieser Jahre
Unter dem Beifall und auch Mitwirken tisch oder stetig ansteigend war nicht auch in Sachsen soll im Folgenden bei-
der „ganz normalen“ Bevölkerung wur- nur an den Stammtischen sondern auch spielhaft das Jahr 1992 dargestellt wer-
den Wohnheime angezündet und Men- im Bundestag zu hören und in seriösen den. In der Beschreibung der Ereignisse
schen angegriffen. Tageszeitungen zu lesen. zeigt sich die Selbstverständlichkeit und
Befeuert durch die von 1991 bis 1993 in Schlussendlich dienten dann nicht nur Selbstsicherheit, mit der diese Taten be-
Politik, Medien und im Alltag geführte die rassistischen Argumentationsmuster gangen wurden. In einer massiv aufge-
Debatte um das Asylrecht und Zuwan- sondern die dadurch angeheizten zum hetzten, gewaltmotivierenden und ge-
derung sahen sich Neonazis, rechte Ju- Teil pogromartigen Ausschreitungen ge- waltlegitimierenden Stimmung rotteten
gendliche und deutsche Otto-Normal- gen Migrant_innen selbst zur politischen sich rassistische Mobs zusammen und
verbraucher motiviert und legitimiert Legitimation der faktischen Abschaffung belagerten Asylbewerberheime, flogen
den Worten Taten folgen zu lassen. des Rechts auf Asyl in Deutschland. Be- Molotowcocktails zum Teil im Wochen-
Schließlich zeichnete sich die Debatte reits 1992 beschloss der Bundestag das takt, wurde ganz offen mit Gewalt ge-
durch einen facettenreichen rassistischen so genannte Asylbeschleunigungsge- droht.

Quelle: Büro Ulla Jelpke (MdB) und Pressebüro der PDS/LL: Über den schonenden Umgang der Bundesregierung mit dem
Rechtsextremismus, Teil 4. Rechtsextremistische Gewalttaten in Deutschland August 1991 - Oktober 1993. Material zur Pres-
sekonferenz am 01.07.1993 in Bonn

für Asylsuchende geschossen. 06.11.1992 21.11.1992 Empfehlung zum Thema:


Die Polizei geht davon aus, daß In Weißwasser wird ein Flücht- In Leipzig griffen unbekann- Antifa Info Blatt Nr. 89
die Täter eine Schreckschuss- lingswohnheim mit Steinen te Täter mit Steinen das Heim
pistole verwendeten. Es wurde und Flaschen angegriffen. (TAZ für AsylbewerberInnen an. Es
niemand verletzt. (Leipziger 16.11.19992) wurde ein PKW beschädigt.
Volkszeitung 13.10.1992) Personen kamen nicht zu Scha-
17.11.1992 den. (Leipziger Volkszeitung
17.10.1992 In Leipzig greifen mehrere ver- 23.11.1992)
In Weißwasser haben Poli- mummte Neofaschisten drei
zei und Bundesgrenzschutz Türken mit Steinen an. Durch 03.12.1992
einen größeren Überfall auf Gegröle hatten die Neofaschis- In Leipzig wurden zwei rumä-
ein AsylbewerberInnenheim ten die türkischen Arbeiter, die nische Asylsuchende von 10
verhindert. Etwas 15 neofa- in einem Wohncontainer un- bis 15 Neofaschisten zusam-
schistische Jugendliche waren tergebracht waren und für eine mengeschlagen. Die Neofa-
nach einem Konzert vor die Fernmeldefirma arbeiten, nach schisten hätten dabei auch mit
Unterkunft der Flüchtlinge draußen gelockt, wo sie in ei- Eisenstangen zugeschlagen.
aufgezogen, die sie offenbar nen regelrechten Steinhagel ge- Die Opfer mussten mit Kno-
mit Steinen bewerfen woll- rieten. (Leipziger Volkszeitung chenbrüchen und anderen Ver-
ten. (Leipziger Volkszeitung
20.10.1992)
20.11.1992) letzungen ins Krankenhaus ge-
bracht werden. (SZ 04.12.1992)
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Nationalsozialismus
oder Volkstod
Über das neue Schwerpunktthema sächsischer Nazis

T rillerpfeifend, rasselnd
trommelnd schieben sich die
drei Demonstrationszüge auf den
und Interessen der Deutschen.“2 Möglicher-
weise lag aber genau in dieser natio-
nalen Einschränkung der Knackpunkt.
Landtagsvorplatz. Studierende, Ge- Natürlich gibt sich die NPD nicht mit der
werkschafter_innen, Jugendliche, bloßen Zuschauerrolle zufrieden. „Sozi-
Vertreter_innen der linken Oppositi- alräuber stoppen“ war die auf ein Trans-
onsparteien, insgesamt etwa 10.000 parent gedruckte Antwort, die im Laufe
Menschen, sind zusammengekommen, der Kundgebung aus den Fenstern ei-
um gegen die von der schwarz-gelben nes NPD-Abgeordnetenbüros gehan-
Landesregierung angekündigten Kür- gen wurde. Gemeint seien damit alle in
zungen im Bereich von Jugend, Sozia- Bund und Ländern regierenden Partei-
lem, Bildung und Kultur zu protestieren. en, wie NNO anschließend berichtete3,
Im abgesperrten Eingangsbereich des die Aktion sollte den Charakter der NPD
Parlaments halten sich vereinzelt Land- als einzig wahre Opposition unterstrei-
tagsmitarbeiter auf und beobachten das chen. Lang zu sehen war das Banner
Geschehen, darunter auch Angestellte allerdings nicht, die Polizei entfernte
der NPD-Fraktion. Seinen Mitarbeiter- es kurz nachdem sie es sichtete und so
status nutzend dokumentiert Istvan blieb der öffentlichkeitswirksame Skan-
Repaczki (Leipzig) eifrig die Gesichter dal, auf den die NPD spekulierte, aus.
der eintreffenden DemonstrantInnen,
Torsten Hiekisch (Zittau) filmt für das Für sich betrachtet bietet diese Episode
ostsächsische NPD-Portal „Nachrichten kaum Anlass sich eingehender mit der
aus Niederschlesien-Oberlausitz“ (NNO) NPD und ihren Positionen bezüglich der
die Abschlusskundgebung, an der, wie aktuellen Kürzungspolitik und den da-
im Beitrag später zu hören sein wird, vor von betroffenen Politikfeldern zu befas-
allem „Demokratieextremisten“, also sen. Die geschilderte Aktion wirkt un-
„linksradikale Gewerkschaften und Ex- beholfen, die Reichweite ist gering. Und
tremisten der SED-Nachfolgepartei DIE zumindest in Dresden war es die bisher
LINKE gemeinsam mit alt-68er Grünen einzig öffentliche Aktion der NPD zu
und SPD“ teilgenommen haben sollen.1 dieser Thematik, die noch dazu von der
Der diffamierende und bockige Ton Landtagsfraktion und nicht von den lo- Nazidemonstration am 17. Oktober 2009 in Leipzig
kommt nicht von ungefähr, denn im kalen Nazis organisiert war. Weiten wir
Gegensatz zu den erwähnten Parteien, aber das Blickfeld ein wenig und schau- länger bearbeitet, die aktuellen Spar-
wurde die NPD nicht für eine Podiums- en über die Stadtgrenzen und die NPD pläne könnten für die Kampagnen mit
diskussion im Rahmen der Abschluss- hinaus, stellt sich die Situation schon an- den Titeln „Recht auf Zukunft“ oder
veranstaltung eingeladen. Ein Affront ders dar. Insbesondere aus dem Umfeld „Die Demokraten bringen uns den
für Holger Apfel, schließlich seien die der „Freien Kameradschaften“ werden Volkstod“ durchaus als zusätzlicher
Nationaldemokraten doch „die konse- die entsprechenden Politikfelder schon Katalysator wirken. Und tatsächlich
quentesten Vorkämpfer für die sozialen versuchten etwa in Eilenburg 25 Nazis
2 http://www.npd-fraktion-sachsen.de/index.php?
verweis=3,1,1&drucksache=pressemitteilungen&dru an einem Flashmob teilzunehmen, zu
1 http://www.npd-loebau-zittau.de/?p=2304, cksacheid=1059, eingesehen am 22.11.2010 dem die Organisator_innen der „Wir
eingesehen am 22.11.2010 3  siehe Fußnote 1

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ART Dresden

mit dem „nationalen Jugendprotest“4. Perspektivlosigkeit läßt immer mehr


Darüber hinaus gab es im Rahmen der junge Erzgebirger ihre Heimat verlassen
Kampagnen seit 2008 eine Reihe von oder treibt sie in den Drogenkonsum.“
an- als auch unangemeldeten Demons- Verantwortlich dafür seien eben fehlen-
trationen, beispielsweise in Leipzig am de Grenzkontrollen. Rauschgifthändler
17. Oktober 2009, in Hoyerswerda zum könnten dadurch ihre Waren unbehel-
1. Mai 2010 oder im Oktober der erneu- ligt nach Sachsen schaffen und so „die
te Versuch in Leipzig. Das unterscheidet Jugend vergiften“.8 In Zittau merkte
sich zwar noch deutlich von der dama- die NPD an, dass Straßenausbaubeiträ-
ligen Kampagne im Zuge der HartzIV- ge unnötig seien, da die Bürger schon
Proteste und Montagsdemonstrationen, genug an Steuern zahlten. Das Problem
die entscheidend zum Einzug der NPD sei aber vor allem, dass die Steuergel-
in den sächsischen Landtag beitrug und der etwa für die Alimentierung links-
neues Wähler_innenklientel erschloss, radikaler Projekte eingesetzt werden,
von dem zumindest Teile auch länger- weswegen da gekürzt werden müsse.9
fristig an die Partei gebunden werden Dieses Motiv findet sich häufig in den
konnte. Doch schon wegen der bemer- Meldungen der Partei. Wesentliche Teile
kenswerten Ausdauer mit der die heuti- der Sozial- und Jugendpolitik gelten in
gen Kampagnen geführt werden, lohnt den Augen der NPD als „antideutsch“
ein genauerer Blick. und sind folglich abzuschaffen. Das At-
tribut „antideutsch“ wird dabei großzü-
„Alles antideutsch!“ - Die NPD und gig verteilt, es trifft sozio- oder jugend-
Jugendpolitik kulturelle Projekte, die sich gegen das
Die NPD erreicht unter jugendlichen Erstarken der Naziszene positionieren,
Wähler_innen im Alter von 18 bis 25 Initiativen die auf dem Feld der Migra-
Jahren regelmäßig ihre höchsten Stim- tionsarbeit tätig sind oder eben je nach
manteile.5 Bei den U18-Wahlen belegt Anlass die demokratischen Parteien bis
sie ebenfalls Spitzenplätze – insbeson- hin zur CDU.10 Dahinter steht das Kon-
dere in Sachsen.6 Offenbar gelingt es zept eines rassistischen Volksbegriffs,
ihr gezielt Jugendliche anzusprechen. das nach inneren und äußeren Feinden
Die Gründe dafür finden sich allerdings separiert und als Fortsetzung national-
nicht in ihrem Wahlprogramm, zumin- sozialistischer Politik begriffen werden
dest nicht explizit, denn die Suche nach muss. Allzu offene NS-Bezüge versucht
dem Stichwort “Jugend“ bringt kein die NPD trotzdem zu vermeiden, sie
Ergebnis.7 Und auch in den sonstigen präsentiert sich gerade in Sachsen als
Veröffentlichungen wird das Thema nur „soziale Heimatpartei“ in der Hoffnung
beiläufig gestreift oder mit völlig ande- breitere Wähler_innenschichten anzu-
ren Anlässen verbunden. So stellte die sprechen. Ihre NS-Nähe tritt in den Hin-
NPD-Erzgebirge in einer Pressemittei- tergrund, ist aber dennoch die Grundla-
lung zum Thema grenzüberschreitender
sind Mehrwert“-Bündnisse sachsenweit Kriminalität fest: „Die wirtschaftliche 8 http://npd-annaberg.info/index.
aufriefen. In Torgau störten etwa 50 php?id=145&tx _ttnews[pS]=1276883980&tx _
4 http://npd-sachsen.de/index.php?s=9&aid=721, ttnews[pointer]=5&tx_ttnews[tt_news]=852&tx_tt
Nazis eine Kreistagssitzung und forder- eingesehen am 25.10.2010 news[backPid]=146&cHash=31f185a174, eingeseh-
ten „Volksgemeinschaft statt Volkstod“, 5 http://www.bpb.de/themen/GG5EII,0,0,Die_ en am 25.10.2010
NPD_%96_W%E4hler_und_Mitglieder.html, eing- 9 http://www.npd-loebau-zittau.de/?p=2274,
sowie „Jugend braucht Zukunft“. Sie esehen am 20.10.2010 eingesehen am 25.10.2010
bezogen sich dabei auf eine Debatte 6 http://npd-blog.info/2009/09/19/u-18-bunde- 10 So stellt der NPD-Kreisverband Nordsachsen
stagswahl-sachsen-bleibt-npd-hochburg, eingeseh- anlässlich einer CDU-Veranstaltung mit Stanislaw Til-
über die Kürzung der Jugendpauschale.
en am 20.10.2010 lich und Ursula von der Leyen fest: „Wir protestieren
Die NPD-Nordsachsen nahm den Ball 7 NPD-Landtagswahlprogramm 2009, http://npd- immer und überall gegen eure Politik zum Schaden
auf und solidarisierte sich „spontan“ sachsen.de/multimedia/dokumente/PDF/ltwpro- von Volk und Land!“, http://npd-sachsen.de/index.
gramm2009.pdf, eingesehen am 22.11.2010 php?s=9&aid=740, eingesehen am 22.11.2010

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Review>>>winter 2010/11
ART Dresden

Nazis demonstrieren gegen den „Volkstod“ (01.05.2010, Hoyerswerda)

ge für die angebotenen Politikkonzepte, einen deutschen Pass zu besitzen.11 Zu- „Freie Kräfte“: Nationale Revolutionä-
deren Zentrum die Volksgemeinschaft gleich ist den NPD-Forderungen das re- re im Wartestand?
darstellt. Vor diesem Hintergrund sollten aktionäre Geschlechterrollenverständnis Werden die Akteure aus dem Spektrum
Vorschläge wie etwa Müttergehalt, Ehe- deutlich anzusehen: Müttergehalt und der sächsischen “Freien Kräfte“ ins Blick-
kredit und Kinderente gelesen werden. Kinderrente sollen erkämpfte emanzi- feld genommen, fällt zuerst auf, dass zwei
Mit diesen Maßnahmen will die NPD die patorische Errungenschaften am besten voneinander getrennte Kampagnen exis-
oft in apokalyptischen Tönen geschilder- rückgängig machen. Nach dem Willen tieren, die sich mit dem Thema Jugend
te „Bevölkerungsimplosion“ in den länd- der NPD sollen sich Frauen in erster Li- auseinandersetzen: zum einen die vor
lichen Regionen Sachsens stoppen und nie um die Familie kümmern und für allem in Westsachsen geführte Kampag-
ein demografisches Wachstum fördern. reichlich (deutschen) Nachwuchs sorgen. ne des “Freien Netzes“ unter dem Motto
Auch soll damit einer „Bedrohung durch Mit dem Ehekredit soll die traditionelle „Recht auf Zukunft“ und zum anderen
Überfremdung“ entgegengewirkt wer- hetero-normative Familie bevorzugt be- die von ostsächsischen und südbranden-
den, die in den Augen der NPD vor allem handelt werden. Diese Positionen ver- burgischen “Freien Kameradschaften“ or-
in den sächsischen Großstädten akut sei. deutlichen sich auch in den Angriffen ganisierten Aktionen unter dem Titel „Die
Die Begründung verweist auf die eigent- des “Ring Nationaler Frauen“ (RNF), der Demokraten bringen uns den Volkstod“.
liche Intention: Ziel der Maßnahmen ist NPD-Frauenvereinigung, gegen das Kon- Beide wählen sich den Bevölkerungsrück-
nicht die Beseitigung sozialer Benachtei- zept des Gender Mainstreaming.12 gang in den ländlichen Regionen zum
ligung, sondern der Versuch eine rassis- Motiv und verbinden das Thema mit na-
tische Bevölkerungspolitik zu etablieren. 11  NPD-Parteivorstand (2006): Argumente für Kan- tionalsozialistischen Ideologemen. Dabei
didaten & Funktionsträger. Eine Handreichung für die
Gefördert werden soll die Geburtenrate öffentliche Auseinandersetzung, Berlin. S. 12 unterscheiden sie sich weniger in ihren
der Deutschen, um so eine „Bestandser- 12 In einem aktuellen Flugblatt des RNF Sachsen Inhalten, als in der strategischen Umset-
mit dem Titel „Meine Mama heißt nicht Ingo“ steht
haltung des deutschen Volkes“ zu garan- etwa: „Wir sprechen uns gegen das Gender-Main- zung. Während das “Freie Netz“ auf ei-
tieren. Dabei legt die NPD einen rassisti- streaming-Konzept aus, das fast unbemerkt alle nen pragmatischen Umgang mit der NPD
öffentlichen Institutionen infiltriert hat und im Na-
schen Volksbegriff zugrunde, schließlich men einer hemmungslosen Gleichmacherei Frauen
setzt, plädieren die Ostsachsen dafür alles
genüge es für das „Deutsch-Sein“ nicht die Weiblichkeit genauso abspricht wie Männern die Handeln an der NS-Weltanschauung aus-
Männlichkeit.“ Es kündigt an: „Wir sind in diesem
zurichten. Entsprechend wenig kooperativ
Punkt nicht tolerant!“, http://www.npd-sachsen.de/
multimedia/dokumente/PDF/Faltbl%C3%A4tter/fb_ sind sie gegenüber der NPD und der Idee
HOMO_dinlang_6seitig_SACHSEN.pdf, eingesehen einer „nationalen Bewegung“. In einer
am 22.11.2010

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Review>>>Winter 2010/11
ART Dresden

solchen sehen sie bereits einen Irrtum, der dem folgen die „Volkstod“- und „Recht gemeinschaft errichtet werden, in der der
inhaltliche Kompromisse abnötigt und da- auf Zukunft“-Kampagnen. Dekadent sei „deutsche Mensch wieder seinen Platz in
mit das Einverständnis zu den Spielregeln die derzeitige Gesellschaft, weil „einstige einer natürlichen Ordnung einnehmen“22
des „Systems Demokratie“ beinhaltet. Die Werte und Normen, die kennzeichnend für kann und dort „den Stürmen der kosmo-
unterschiedlichen Herangehensweisen die Deutschen sind, (…) den ‘Werten’ der politischen Eindringlinge Stand hält“23. Bis
wirken sich vor allem auf die Ressourcen modernen und pluralistischen Zivilisation“ dahin ist es allerdings ein schwieriger Weg,
der Kameradschaften aus: während die weichen14. Weil „persönlicher Reichtum denn die „Büttel des Systems beantworten
Ostsachsen überwiegend auf sich gestellt und individuelle Entfaltung des Einzelnen jeden Widerstand mit dem Knüppelhieb.“
sind, nutzt das “Freie Netz“ rege die NPD- an die Stelle von Gemeinwohl und natio- Diejenigen, „die eine Alternative für unser
Strukturen für die eigene Arbeit. Mehrere naler Fürsorge“ treten, weil das „Dogma Land und für unser Volk einfordern“, wer-
FN-Kader haben bezahlte Posten bei NPD- der Menschenrechte“ gelte, der „demo- den verfolgt und entrechtet. Es braucht
Landesverband oder -Landtagsfraktion kratische Massenmensch kulturlos und also den märtyrerhaften Mut der natio-
ergattert, führen die sächsischen Jungen materialistisch“ sei und außerdem dem nalsozialistischen Widerstandskämpfer,
Nationaldemokraten (JN) an und sitzen für „körperlichen Verfall“ unterliege.15 Zudem der ist bisher aber nur mäßig vorhanden,
die NPD in Kommunalparlamenten. Mit ragten besonders in westdeutschen Städ- weswegen es heißt „Generationen der
der Zahl der Posten wächst auch der inner- ten Minarette in den Himmel empor, wer- Feigheit müssen vergehen“.24 Innerhalb
parteiliche Einfluss, die Grenzen zwischen den „ganze Stadtteile von ausländischen dieses Musters wird mit den bekannten
NPD und “Freien Kräften“ verwischen be- Jugendbanden regiert“.16 In den Augen Ungleichwertigkeitsideologien hantiert.
sonders im Raum Nord-Westsachsen. Die der Nazis findet die derzeitige Gesellschaft Antisemitische Motive werden genutzt,
organisatorischen Unterschiede bleiben auf diese vermeintlichen Probleme keine wenn davon geredet wird, dass sich „vaga-
aber angesichts der großen ideologischen Antwort, sie konstatieren also „das Versa- bundierende, raffende Kapitaleigentümer
Überschneidungen der beiden Kampa- gen der Demokraten“.17 Und damit deutet über den Geist des deutschen und sozialen
gnen eher nachrangig. Ausgangspunkt sich schon der nächste Schritt an: die Prob- Werteidealismus hinweggesetzt“25 hätten.
ist ähnlich wie bei der NPD ein apokalyp- leme sind dergestalt schwerwiegend, dass Völkischer Rassismus wird stark gemacht,
tisches Szenario, in dem die Existenz des in naher Zeit ein endgültiger Kollaps bzw. wenn Zuwanderung als Bedrohung „völ-
deutschen Volkes durch die demografi- die Apokalypse droht - „Volkstod“, wie kischer Eigenarten“ oder „unserer Werte
sche Entwicklung und „Überfremdung“ es die Nazis nennen. Der Staat kapitulie- und Kultur“ aufgefasst wird, die doch „das
bedroht sei. Die Schärfe mit der diese re vor übermächtigen Parallelgesellschaf- Ergebnis einer jahrtausendelangen Evolu-
Entwicklung und die entsprechenden Ant- ten der Migranten18, das „Volk stirbt also tion“ seien. Dagegen wird ein völkischer
worten darauf formuliert werden, unter- nicht allein nur biologisch, sondern auch Nationenbegriff ins Feld geführt, „die Na-
scheidet jedoch die Kampagnen von den seelisch“19, die Massen seien gelähmt und tion ist etwas bindendes, man gehört nicht
Verlautbarungen der NPD. Der positive ehe man sich versieht ist es schon zu spät durch einen rational begründeten Gesell-
Bezug auf den Nationalsozialismus und die und es heißt in ländlichen Regionen: „Der schaftsvertrag zu ihr, sondern durch seine
damit verbundenen Ressentiments treten Mensch geht, der Wolf kommt“20. Diesem Abstammung.“ Darüber hinaus finden
deutlicher zu Tage, die Kampagnen zielen Bedrohungsszenario kann sich dann - um sich zahlreiche biologistische Herleitun-
nicht auf tagespolitische Veränderungen, den letzten Schritt zu tun – allein eine nati- gen, sozialdarwinistische Überzeugungen,
sondern fordern einen grundlegenden Sys- onalsozialistische Bewegung entgegenstel- sexistische und hetero-normative Vorstel-
temwechsel, zu dessen Umsetzung auch len. Unter der Losung „Recht ist, was dem lungen. Alles zusammen verdichtet sich in
nur allein die Nazis im Stande seien. Das deutschen Volke nützt“21 soll eine Volks- den „Volkstod“- und „Recht auf Zukunft“-
hier zugrunde liegende Analysemuster ist Kampagnen zu einem geschlossenen na-
14 http://logr.org/infoleipzig/?page_id=185, eing-
„ein Evergreen aus der langen Tradition des esehen am 22.11.2010 tionalsozialistischen Weltbild, ausgedrückt
revolutionären Konservatismus“, schreibt 15 ebd. in der unverhohlenen Forderung „Natio-
16  volkstod-stoppen.de: Grundlegendes zum Thema
der Sozialwissenschaftler Kurt Lenk, er Volkstod, 15.04.2010 naler Sozialismus jetzt!“.
bezeichnet es als „Dekadenz-Apokalyp- 17  Aufruf zur Demonstration am 01.05.2010 in Hoy-
erswerda: „Generationen der Feigheit müssen verge-
se-Heroismus-Syndrom.“13 Und genau hen“, 06.04.2010
18  siehe Fußnote 17 am 17.10.2009, http://netzwerkmitte.com/site/nach-
13  Lenk, Kurt (2005): Das Problem der Dekadenz seit 19  siehe Fußnote 15 richten/10.09.2009.html, eingesehen am 22.11.2010
Georges Sorel, in: Kauffmann, Heiko/Kellershohn, 20 http://www.spreelichter.info/blog/2030_Der_ 22  siehe Fußnote 15
Hellmut/Paul, Jobst: Völkische Bande. Dekadenz und Mensch_geht_der_Wolf_kommt-521.html, eing- 23 ebd.
Wiedergeburt. Analysen rechter Ideologie. Münster. esehen am 15.12.2010 24  siehe Fußnote 18
S. 49-63 21 Aufruf zur Demonstration „Recht auf Zukunft“ 25  siehe Fußnote 15

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Fazit abzuwarten. Bei den bisherigen Sozial- löst, ohne Abstriche hinsichtlich der na-
Was bleibt zusammenfassend zu sagen? protesten gegen Kürzungen blieben Nazis tionalsozialistischen Einstellung machen
Eingangs wurde bereits auf die recht be- außen vor. Nicht zuletzt weil ihnen an der zu müssen. Das hat auch Auswirkungen
merkenswerte Ausdauer verwiesen, mit derzeitigen Jugend- und Sozialpolitik na- auf die NPD, wo der Kurs der Kamerad-
der die Naziszene am Thema Bevölke- hezu nichts als erhaltenswert gilt. schaften stärkeren Einfluss geltend macht
rungsrückgang und den damit verbunde- Innerhalb der Naziszene zeigt sich folgen- und damit zumindest partiell dem ein-
nen Nebensträngen festhält. Es ist davon des Bild: die „Freien Kameradschaften“ geschlagenen „sächsischen Weg“, dem
auszugehen, dass dies auch in Zukunft agieren – kaum verwunderlich – radikaler Versuch neues WählerInnenklientel durch
so bleiben wird. Unterschiedliche Grün- als die NPD. Sie scheinen mit den „Volks- moderateres Auftreten zu gewinnen, ent-
de sprechen dafür: bereits im vergange- tod“ und „Recht auf Zukunft“-Kampag- gegensteht. Zudem erscheint die NPD
nen Landtagswahlkampf mangelte es nen einen viel versprechenden Ansatz zu organisatorisch derzeit nicht in der Lage
der NPD an einem zugkräftigen Thema. etablieren, der den Mangel zugkräftiger eine sachsenweit koordinierte inhaltliche
Der Versuch unter dem Leitmotiv „1989 Themen innerhalb der Naziszene auf- Arbeit zu leisten.
wie heute. Wir sind das Volk“ mit dem
Wendejubiläum bei NichtwählerInnen
zu punkten, scheiterte. Die Thematik des
Bevölkerungsrückgangs scheint weitaus
mehr Potenzial zu bieten, da diese zumin-
dest in den ländlichen Regionen Sachsens
von vielen Menschen als tatsächliches
Problem wahrgenommen wird. Genau
deswegen versuchen Nazis an allgemeine
Stimmungslagen, wie die Einschätzung
zahlreicher Ostdeutsche/r gegenüber
Westdeutschen benachteiligt zu sein, an-
zuknüpfen. Zudem eignet sich das The-
ma Bevölkerungspolitik hervorragend
um nationalsozialistische Ideologeme zu
transportieren. Insbesondere die Idee der
Volksgemeinschaft, also die Vorstellung
eines homogenen Kollektivs, das von äu-
ßeren und inneren Feinden bedroht wird,
kann und wird hier stark gemacht. Dabei
können sich die Nazis auf verbreitete ras-
sistische und antisemitische Ressentiments
stützen. Nicht zuletzt die massenhaften
begeisterten Resonanzen auf Thilo Sarra-
zins Buch „Deutschland schafft sich ab“,
in dem er pseudowissenschaftlich mit Ver-
erbungslehre, Sozialdarwinismus, Eugenik
und Rassismus den drohenden Untergang
der Deutschen beschwört, dem zwingend
mit einem „gesunden Selbstbehauptungs-
willen als Nation“ 26 zu begegnen ist, ma-
chen dies deutlich. Die NPD Propaganda
„Sarrazin hat recht“ ist da nur folgerichtig.
Inwiefern die Agitation verfängt, bleibt

26 Sarrazin, Thilo (2010): Deutschland schafft sich


ab. 2. Auflage S. 18

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Konfrontativ II

Nazis auf dem Heidefriedhof


A m 19. September wurde auf dem
Dresdner Heidefriedhof ein weiteres
Denkmal zur Erinnerung an die Bomben-
die altbekannten Ronny Thomas, Sven Ha-
gendorf und Sebastian Reiche, aber auch
zahlreiche der jüngeren Generation u.a.
tung zu stören, die - von Oberbürgermeis-
terin Orosz mal abgesehen - ohne politi-
sche Delegationen stattfand, an der nur
toten vom 13.-15. Februar 1945 einge- Simon Richter, Philipp Göhler und Hans Erlebnis- und Bekenntnisdresdner_innen
weiht. Knapp 20 Nazis fanden sich bei Böhm. Ihr Plan war – ähnlich wie am To- teilnahmen. Direkte Kritik am Gedenken
der Veranstaltung ein, um „Protest gegen destag Rudolf Hess’ – aus mit Buchstaben der Bürger_innen blieb bisher aus. Statt-
die demokratische Heuchelei in Szene zu bedruckten T-Shirts das Wort „Heuchler“ dessen gaben sich die Nazis hinsichtlich
setzen“.1 So recht geklappt hat die Insze- zu bilden. Das wurde jedoch durch anwe- des 13. Februars immer betont anschluss-
nierung jedoch nicht. sende Polizeikräfte unterbunden. Unter fähig. Nicht ohne Erfolg, wie die aktuelle
Ausschließlich Nazis aus dem Spektrum Diskussionen verließen die Nazis die Ver- Debatte um ein zentrales 13. Februar-
der „Freien Kameradschaften“ waren zur anstaltung, posierten aber nochmal für Denkmal auf dem Altmarkt zeigt: FDP und
geplanten Aktion erschienen. Darunter ein Foto vor dem Heidefriedhof. CDU greifen damit eine schon lange auch
Bemerkenswert war die konfrontative von den Nazis verbreitete Forderung auf.
1  so der Bericht auf netzwerkmitte.com Vorgehensweise der Nazis eine Veranstal-

„Damals wie heute“ - Nazis sind


Revisionisten
F ür den 17. Juni 2010 hatte ein eigens ein-
berufener „Aktionskreis 17. Juni 1953“
zu einem Gedenkmarsch für den so ge-
Kader und -AktivistInnen, genauso die
NPD-Landtagsfraktion und MitarbeiterIn-
nen, aber auch eine knapp 25köpfige De-
Ca. 180 Gegendemonstrant_innen protes-
tierten am Postplatz gegen die Nazis. Wie
schon üblich in Dresden, war die Kund-
nannten „Arbeiteraufstand“ 1953 in der legation westsächsischer NPDlerInnen, die gebung von Polizeiwagen umstellt und
DDR aufgerufen. Als Motto wurde „Da- zuvor am Tage den Landtag besucht hat- das Ordnungsamt versuchte einmal mehr,
mals wie heute: Alle Macht dem Volke“ ten. Auch eine Reihe der jüngeren Dresd- einen für die Nazis möglichst ungestörten
ausgegeben. Hinter dem „Aktionskreis“ ner Nazi-Schläger und weitere aktionsori- Verlauf zu gewährleisten. Noch während
standen der NPD-Kreisverband-Dresden entierte Nazis waren gekommen. die städtischen VertreterInnen sich bemüh-
und regionale „Freie Kräfte“ um den „na- Genauso wenig überraschend war, dass ten, den Gegendemonstrant_innen weis
tionalen Jugendarbeiter“ Maik Müller. die Demonstration vom „Ordnungsdienst“ zu machen, dass es bei einer Nazi-Kund-
Zur Kundgebung am Postplatz und der der NPD strukturiert wurde. Maßgebliche gebung bliebe, besprachen Polizisten mit
anschließenden Demonstration durch die Funktionen nahmen dabei Maik Scheffler eben jenen deren Demonstrationsroute
Innenstadt kamen etwa 160 Nazis. Wenig und Thomas Sattelberg ein. durch die Innenstadt.
überraschend waren darunter eine Vielzahl Als Redner traten neben Jens Baur (NPD- Bereits am Vorabend hatten etwa 30
der bekannten Dresdner NPD- und NBDD1- KV-Dresden), Arne Schimmer (NPD-Land- Nazis am Sachsen-Forum in Dresden-
tagsabgeordneter), auch Tommy Nau- Gorbitz eine Kundgebung zum Thema
1 Nationales Bündnis Dresden, aufgelöst zum
mann (JN-Vorsitzender Sachsen) und Maik durchgeführt.
Jahresende 2010 Müller („Freie Kräfte Dresden”) auf.

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Ostsachsen

Urlaubsidylle mit Neonazis

Die Region um den Quitzdorfer See war ein Schwerpunkt für die Naziszene der letzten Jahre

A ls am 05. August 2010 am Quitzdor-


fer Stausee das Deutsche-Stimme-
Pressefest mit ca. 2.000 TeilnehmerInnen
Gelände. Ebenfalls fanden hier eine Reihe
neonazistischer Konzerte statt.
Die Kontinuität der Neonazi-Aktivitäten
er Gründer und Geschäftsführer der „Ge-
sellschaft für Siedlungsförderung Trakeh-
nen“. Diese verfolgte, ausgestattet mit
stattfand, war dies nur der vorläufige Hö- verwundert nicht. Ist doch der Betreiber 500.000,- DM Grundkapital, im ehemali-
hepunkt in einer langjährigen Kontinuität bzw. Inhaber des Geländes kein Unbe- gen ostpreußischen Gebiet um Trakehnen
neonazistischer Veranstaltungen am See. kannter. Ende der 90er Jahre kamen der „die Förderung des Baus von Siedlungen
Zuvor veranstaltete die NPD ihren „Wahl- aus Bayern stammende Helge Redeker (…) für Wohn- und Nebenerwerbs- und
kampfauftakt 2009“ im Frühjahr 2009 und seine Frau Änne nach Ostsachsen. Gewerbezwecke, insbesondere durch die
und im Juni 2010 führten die „Jungen Na- Schnell fanden sie nach eigener Aussage Beschaffung von Siedlungsland, die Pla-
tionaldemokraten“ (JN) den „3. JN-Sach- Gefallen an einem verfallenen ehemaligen nung und Finanzierung der Siedlungsvor-
sentag“ auf dem Gelände durch. Bungalow-Feriendorf direkt am Quitz- haben, die Vergabe von Bauaufträgen, die
Seit Ende der 90er Jahre ist das Gebiet dorfer Stausee bei Niesky in Ostsachsen. Verwaltung der geschaffenen Siedlungs-
bekannt als Austragungsort einer Vielzahl Inzwischen betreiben die beiden eine Viel- objekte und ggf. deren Veräußerung an
von Treffen und Aktionen von Neonazis. zahl am See gelegener Grundstücke. Dazu die Siedler.“
Zuerst entdeckte das „Jung Nationale gehören unter anderem Gaststätten und Ähnliche Zwecke verfolgte der „Schulver-
Spektrum“ (JNS) das Gelände für sich, Ferienbungalows aus ihrem Besitz oder ein zur Förderung der Rußlanddeutschen
später die „Organisation dianoetisch- Pachtverhältnissen. in Ostpreußen e.V.“. Dem stand Redeker
alternativer Lebensauffassung“ (O.D.A.L.) Der 1960 geborene Zollinspekteur Rede- als 2. Vorsitzender vor. Zudem trat er als
- bisher massgeblich beeinflusst vom da- ker ist mindestens seit den 80er Jahren Redner bei einigen Jahreshauptversamm-
maligen Neonazi-Kader Udo Hempel. in der rechten Szene zu verorten. Aus- lungen auf. 1998 referierte er beispiels-
Auch die regionale Kameradschaft „Schle- weislich einer Internet-Quelle unternahm weise „Zum aktuellen Stand unserer
sische Jungs“ aus Niesky, genauso wie er 1984 gemeinsam mit dem Holocaust- Arbeit und zur politischen Lage in Nord-
die „Junge Landsmannschaft Ostpreu- Leugner Germar Rudolf eine Fahrt in die Ostpreußen“. Ebenfalls als Redner trat er
ßen (JLO, heute: Junge Landsmannschaft damalige Tschechoslowakische Republik. beim 30. Treffen des „Vereins Dichterstein
Ostdeutschland) oder die JN nutzten das Mit dem Publizisten Dietmar Munier war Offenhausen“ im Frühjahr 1993 auf. 1998

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ART Dresden

wurde der Verein in Österreich wegen NS-


Wiederbetätigung verboten. Und auch bei
lände in den letzten 10 Jahren mehrfach
für „Querfeldein-Spiele“ und Schulungen. DERRECHTERAND
der 16. Gästewoche der „Deutschen Kul- Auf dem zum Appellplatz umfunktionier-
turgemeinschaft“ (DGK) 1992 war er Teil- ten Platz zwischen den Bungalows wurde
nehmer und Redner. Gemeinsam mit dem immer wieder die Reichskriegsflagge vor
Alt-Nazi Sepp Biber berichtete er damals den angetretenen „Kameraden“ gehisst.
SCHWARZ AUF WEIß
über die Arbeit in Trakehnen. Belohnt für Dass Redeker seine politischen Überzeu-
sein völkisches Engagement wurde Helge gungen mit seinen wirtschaftlichen Zielen 32 SEITEN
Redeker auch. 1994 erhielt er den „Tiroler zu verbinden weiß, zeigte das „Deutsche MAGAZIN
Ehren-und Wanderkrug für Volkstumsar- Stimme Pressefest“ im August 2010 deut-
beit“ des „Deutschen Kulturwerkes Euro- lich. Im Gegenzug für die Bereitstellung
NACH HAUSE
päischen Geistes“ (DKEG). des Veranstaltungsgeländes sicherte sich JEDEN ZWEITEN MONAT
In Ostsachsen verhielt sich Redeker po- Redeker die Versorgung der TeilnehmerIn-
FÜR ANTIFASCHISTiNNEN
litisch zunächst weitgehend unauffällig. nen mit Essen und Getränken und nahm
2008 trat er als Kreistags-Kandidat für so Beobachtern zufolge eine Summe von
das Sammelbecken am rechten Rand, die mehreren 10.000,- Euro ein. Dass beim
„Deutsche Soziale Union“ (DSU) an. Von Geld auch die nationale Kameradschaft
Anfang an nutzte er aber offenbar die aufhört, stellte Redeker ebenfalls unter
MAGAZIN VON UND FÜR
Kontakte zur Neonazi-Szene. Nach An-
gaben eines damaligen NPD-Funktionärs,
Beweis. Angehörige der JN, die als „Ord-
nungsdienst“ vor Ort fungierten, hatten
ANTIFASCHISTINNEN
der später die Szene verlassen hat, unter- sich selbst mit einer Gulaschkanone ver-
stützten ihn Mitglieder verschiedener re- sorgt. Redeker nötigte die JN dazu das ein-
gionaler Neonazi-Kameradschaften beim zustellen, indem er mit einer Vertragsstrafe
Ausbau des Geländes. Der Kameradschaft von 10.000,- Euro drohte. Dies und die aus
„Schlesische Jungs“ stellte er demnach Sicht der JN’ler fehlende Unterstützung
zum Dank einen Bungalow zur Verfü- der NPD sorgten im Nachgang für erhitzte
gung. Das JNS und die JN nutzten das Ge- Debatten in diversen Online-Portalen.
Berichtet regelmäßig, gut re-
cherchiert mit harten Fakten
über rechte DemokratInnen

Rechtes Tattoo-Studio
mit rassistischen Ansichten,
revanchistische Vertriebene,
diskursorientierte völkische Zei-
in Dresden-Striesen tungsprojekte, jungkonservative
Zirkel, parteipolitische AktivistIn-

eröffnet nen, neo-nationalsozialistische


Kameradschaften und die Ver-

Im Sommer eröffnete am Altenberger Platz


5 in der Ladengalerie Dresden-Striesen das
„District 44“ Tattoo-Studio. Am gleichen Ort
„Kameradschaft Traunstein“ gemeinsam mit
einer Reihe führender bayrischer Nazis im
„Aktionsbüro Süddeutschland“ aktiv.
herrlichung des Nationalsozia-
lismus.
und unter selbem Namen befand sich zuvor Heute gibt Schuldt sich gemäßigter. Auf sei-
ein Hooligan-Laden, der auch in den Ermitt- ner Myspace-Seite verlinkte er eine Zeitlang
lungen gegen die „Hooligans Elbflorenz“ eine neurechte Initiative des ehemaligen
eine Rolle spielt. Hinter dem neu eröffnetten CDU-Abgeordneten und Rechtspopulisten
Tattoo-Studio steht der 27-jährige Constantin aus Berlin, Rene Stadtkewitz. Auch in seiner
www.der-rechte-rand.de
Schuldt. Der gebürtige Bayer ist in der Nazi- Myspace-„Freundesliste“ finden sich eine
szene kein Unbekannter. 2002 war er für die Reihe neonazistischer Kontakte.

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Füxe, Burschen, Lebensbund, Schmiss, Wichs und Satisfaktion - Die Lebenswelt studentischer Verbindungen (Corps,
Burschenschaften etc.) hat den Charakter einer Parallelgesellschaft, die ihre ganz eigene Sprache besitzt.

Der Stura der TU Dresden und der Stura der HTW Dresden haben dazu eine 70seitige Broschüre erarbeitet. Sie besteht
aus einem allgemeinen Teil über studentische Verbindungen, in dem unter anderem die Rolle beim Aufstieg des Nation-
alsozialismus beleuchtet wird. Der zweite Teil beschäftigt sich eingehender mit den einzelnen Dresdner Verbindungen,
deren Traditionen, Leitlinien oder politisches Auftreten und ihre Vernetzung untereinander.

Download der Broschüre unter http://stura.tu-dresden.de

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