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Der 20 Juli 1944

Helden oder
Opportunisten?
INHALT:
1.Einleitung S.3

2.Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-


Regime S. 4

2.1 Herkunft und Gemeinsamkeiten S.4

2.2 Planung und aktiver Widerstand S.8

2.2.1 Widerstand vor Beginn des 2. Weltkrieges S.8

2.2.2 Während und gegen Ende dieses Krieges S.9

2.2.3 Bewertung des Widerstandes S.11

2.3 Motive der einzelnem Widerständlern und Nachkriegs-


ordnungsgedanken S.13

2.3.1 Patriotische Beweggründe S.13

2.3.2 Konservative Motive S.14

2.3.3 Politische Beweggründe S.15

2.3.4 Humanitäre Motive S.17

3. Das Vermächtnis des Widerstandes S.19

4.Literaturverzeichnis S.23

5.Anhang S.26
1.Einleitung
"Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht
und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott
helfe."

Solch einen Eid ist jedermann bei der Bundeswehr verpflichtet zu leisten, wenn
er oder sie sich als Zeit- oder Berufssoldat/in bewirbt. Der Soldat schwört an
dieser Stelle alles für ihn Mögliche zu tun, um die Rechte und die Freiheit
seines Volkes zu sichern, wie es in den Paragraphen des deutschen Gesetzes
verankert ist. Die Eidesformel, die die deutschen Offiziere und Soldaten der
Wehrmacht leisten mussten, war in ihrem Inhalt in jeder Art und Weise anders
beziehungsweise drastischer formuliert. So hieß es ab Mitte 1934:

"Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, da[ss] ich dem Führer des deutschen
Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht,
unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit
für diesen Eid mein Leben einzusetzen." 1

Wenige Wochen nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg, am 4.


August 1934, nutzte Hitler die Gelegenheit, um sich endgültig die Macht
anzueignen, die er schon seit der "Machtergreifung" 1933 anstrebte. Er
vereinigte in sich alle Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers
und wurde "Führer" des 3. Deutschen Reiches. Durch eine Neuvereidigung aller
Wehrmachtssoldaten auf seine Person verlangte Hitler nun unbedingten
Gehorsam von all seinen militärischen Führern und band sie somit an sich und
an den kommenden Untergang des Deutschen Reiches. Ein Handeln gegen
den Führer war laut der Formel nicht nur verboten, sondern kam
Hochverrat gleich. Dies führte zu einem großen Konflikt mit der Eidestreue und
deren Erfüllung. Auch nach dem Krieg beriefen sich viele hochrangige
Widerständler darauf, dass sie den Eid aufgrund des sogenannten
Offizierskodex nicht ohne weiteres brechen konnten 2. Später aber als sie

1 Zitiert nach: Militärischen Forschungsamt(Hrsg.): Aufstand des Gewissens.


Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime. Herford 1984. S.56. Dokument 2.
2 Vgl. William L. Shirer: Der Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches. Köln. S.223f.
wegen ihrem falschen Ehrgefühl zu ihrem Eid standen, traten sie wiederholt
ihren Kodex in dem Schmutz. Dieser Eid stand der Widerstandsbewegung im
Heer jahrelang im Weg, da einerseits viele der konservativen Offiziere einen
Umsturz erst dann in Betracht ziehen konnten, als ihnen klar wurde, dass dieser
Eid nach den ungeheuerlichen Verbrechen des NS-Regimes, die Ihresgleichen
in der Geschichte suchen, nicht mehr als bindend zu betrachten war. Auf der
anderen Seite war der Gedanke einer "Dolchstoßlegende" wie aus dem Jahre
1918 auf Kosten des Heeres für viele ein erschreckenden Vorstellung. Dies
führte zu einem schleppenden Vorankommen des Widerstand in den
militärischen Elitegruppen.

2. Militärischer Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime

2.1 Herkunft und Gemeinsamkeiten herausragender Persönlichkeiten


Die Herkunft und Gemeinsamkeiten3 der verschiedenen Triebfedern des
Widerstandes sind leicht zu gruppieren. Zumeist waren die Persönlichkeiten im
Generalstab, wie zum Beispiel von Stauffenberg oder von Tresckow,
Abkömmlinge der alten aus der Kaiserzeit stammenden adeligen Elite oder
andernfalls aus Familien, in denen der Offiziersberuf eine lange Tradition hatte,
wie das bei dem Österreicher Bernadis oder Hans Oster der Fall war. Während
viele der Regimegegner anfangs den Nationalsozialismus befürworteten oder
gar unterstützten, gab es trotzdem schon ab 1934 skeptische und kritische
Stimmen in Heer und Marine. So kann man Generalfeldmarschall Erwin
von Witzleben zu einen der ersten Widerständlern zählen, da dieser bereits
nach der Machtergreifung offen Kritik übte und ab 1938 einen gewaltsamen
Sturz Hitlers für unausweichlich sah. Der 1880 geborene Ludwig Beck, der
eine der zentralsten Rollen im Widerstand spielte, war noch zur Kaiserzeit in
der Armee und auch während der Weimarer Republik. Er zeichnete sich durch
unermüdlichen Eifer und herausragende Fähigkeiten aus. Obwohl im
Kaiserreich aufgewachsen und einer gewissen Skepsis der Republik

3 Vgl. zu den Lebensdaten Klaus Achmann, Hartmut Bühl: 20. Juli 1944. Lebensbilder
aus dem militärischen Widerstand. Hamburg 1999. S.61-210.
gegenüber, diente er der Republik mit uneingeschränkter Loyalität, wie es aus
Berichten seiner Vorgesetzten hervorgeht. Befürwortete er die Berufung Hitlers
anfangs noch, änderte sich seine Einstellung bereits sehr früh im Jahre 1934
mit dem unrechtmäßigen "Röhm-Putsch", bei dem zwei ehemalige
Wehrmachtsgenerale getötet wurden, ohne jeglichen Widerstand des Heeres.
Eine weitere vor allem in den frühen Jahren wichtige Persönlichkeit ist Erich
Hoepner. Auch er diente in der kaiserlichen Armee und anschließend im Militär
der Republik. In dieser Zeit war er zur "Verteidigung Ostpreußens"
abkommandiert und war somit außerhalb Zentraldeutschlands. Im Dritten Reich
machte er schnell Karriere durch seine außerordentliche Perfektion im Dienst.
Erst mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei öffneten sich seine Augen und
er entschloss zu handeln. Im Polenfeldzug erwies er sich als äußerst fähiger
Panzerkommandant und erhielt mehrfach Auszeichnungen. Die militärischen
Erfolge Hitlers machten die Widerstandsmöglichkeit Hoepners erst einmal
zunichte. Erst 1944 tritt er wieder ins Bild. In der Zeit seines aktiven
Widerstandes 1938 arbeitete ein 31-jähriger Rittmeister unter ihm, der sich
Hoepner, wegen seiner Arbeitsweisen in dessen Division zum Vorbild machte:
Claus Philipp Schenk Graf von Stauffenberg. Stauffenberg stammte aus einer
baden-württembergischen Familie und wurde 1907 in Jettingen geboren. In
seiner Erziehung wurde er von dem deutschen Dichter Stefan George
unterrichtet, der dem Jungen vor allem konservative Werte vermittelte und ihm
lehrte, dass die Opferbereitschaft im Dienste der Allgemeinheit höher stand als
die eigenen Bedürfnisse. Dies betonte Stauffenberg sein Leben lang. 1926 trat
er der Armee der Weimarer Republik zum Erstaunen seiner Eltern bei. Der
ziemlich schwächliche Junge überraschte jedoch alle, als er 1930 zum
Leutnant befördert wurde und alle seine physischen Schwächen überwand. Aus
dem kränklichen Jungen wurde später die schillerndste Gestalt des
Widerstandes. Auch bei Hitler war Stauffenberg kein unbekannter Name, da der
Graf eine Denkschrift über die Maßnahme zur raschen Mobilisierung von
Truppen an Generaloberst Fromm schrieb, die der Führer als äußerst
phantasievoll und mit viel Verstand verfasst bezeichnete. Stauffenberg fand das
fanatische Gehabe der Nationalsozialisten zwar abstoßend, befürwortete
1933 aber noch die Ernennung Hitlers, da er in ihm eine wirksame
Gegenposition zum Kommunismus sah und er versprach dem Deutschen Reich
die Stärke zurückzugeben, von der Stefan George in der Jugend des späteren
Attentäters bereits gepredigt hatte. Aber mit dem Antisemitismus der
Nationalsozialisten konnte er sich niemals anfreunden. Auf eine 1936 gestellte
Frage des englischen Militärattaché Leutnant Loewe, ob es den Grafen störe,
dass er Jude sei, antwortete er, dass es doch reiche, dass sie beide Uniformen
tragen. Der Glaube tue nichts zur Sache. Als er 1934 als Delegationsmitglied zu
einer Parteikundgebung berufen wurde, verließ er diese demonstrativ, da es
sich um eine ausschließlich von Julius Streicher geführte Judenhetze erwies. 4
Spätestens beim Russlandfeldzug schloss er mit dem Regime Hitlers ab und
übernahm nach kurzer Zeit die Führungsrolle im Widerstand, die ihm entgegen
von Rang und Alter gar nicht zustand. Immerhin war er nur Oberst im
Gegensatz zu den Generalobersten und Generalen, die ihn umgaben. Doch
war es ein Generalmajor, der Stauffenberg letztendlich zum aktiven Widerstand
bewegen konnte. Henning von Tresckow wurde 1901 in Magdeburg in einer
pro-monarchischen, konservativen Familie mit langer Militärtradition geboren.
Seine Vorfahren kämpften nahezu in allen Kriegen der Hohenzollern und mehr
als 20 Familienmitglieder trugen am Ende ihres Lebens den Titel eines
Generals. Nach einjähriger Militärzeit 1917-1918 arbeitete er in der Wirtschaft.
Doch der stark monarchisch geprägte Tresckow konnte sich nie in die Republik
einordnen und so fand er sich 1924 zurück im Heer. Das Auftreten der
NSDAP und Hitlers imponierte ihm anfangs, doch auch bei ihm war der Röhm-
Putsch der auslösende Punkt für seinen Wandel. Außerdem spielte der
Kirchenkampf Hitlers für den äußerst gläubigen Protestanten eine große Rolle.
Bis zu seiner Versetzung an die Ostfront 1943, übernahm er seit 1940 den
Widerstand, als er in der Heeresgruppe Mitte eine Gruppe von zuverlässigen
Offizieren um sich sammelte. Ein wichtiger Mann in dieser Gruppe war noch
Fabian von Schlabrendorff, dem viele Historiker eine detaillierte Schilderung
der Vorgänge im Widerstand verdanken. Sein Buch "Offiziere gegen Hitler"
soll an späterer Stelle noch mal eine Rolle spielen. 1907 erblickte
Schlabrendorff das Licht der Welt. Der Jurastudent entwickelte bereits 1933
eine klare oppositionelle Haltung gegenüber der NSDAP und deren Mitglieder.

4 Vgl. Christian Graf von Krockow: Eine Frage der Ehre. Stauffenberg und das Hitler-
Attentat vom 10.Juli 1944. Berlin 2002. S.52.Daneben auch: Guido Knopp: Sie wollten
Hitler töten. München 2004. S.152.
Als Anwalt war er später ab 1938 auch für den militärischen Widerstand, er war
Leutnant der Reserve, tätig. Er knüpfte Kontakte mit England und schaffte es
sogar mit Churchill, damals noch Führer der Chamberlainoppositon, in Kontakt
zu treten. 1941 wird er nach Posen in den Generalstab versetzt und wurde
Tresckows Ordonnanzoffizier. Er war es auch der zwischen Posen und Berlin
vermittelte, da er viel unterwegs war und somit die Stimme Tresckows wurde.
Trotz nachweislicher Teilnahme an dem Umsturzversuch 1944, wurde
Schlabrendorff durch einen Zufall gerettet, da der oberste Richter des
Volksgerichtshofes Roland Freisler bei einem Fliegerangriff ums Leben kam. Mit
ihm verbrannten die Akten von mehr als 160 Todeskandidaten. Zuletzt seien
noch Hans Oster und Friedrich Olbricht genannt. Hans Oster war als 1880er
Jahrgang noch in der Armee des Kaiserreichs tätig. Er trat nach dem
1.Weltkrieg wieder dem Militär bei. 1932 wird er jedoch im Range eines
Generalmajors wegen einer Affäre mit einer Frau eines Regierungsbeamten
entlassen. Dies führte ihn 1933 in die Ausland/Abwehr des Oberkommandos
der Wehrmacht, wo er bereits 1935 wieder für die Wehrmacht reaktiviert wurde.
Im Amt der Abwehr erkannte er bereits die Absichten Hitlers, war aber noch weit
von jenen Widerstandsgedanken entfernt. Erst 1937 nach der öffentlichen
Bloßstellung der beiden Generale Fritsch und Bloomberg begann seine
Distanzierung zum Regime. Er war es auch, der mit den zivile Widerständen
Kontakt knüpfte und versuchte England zu einer gnadenlosen Haltung
gegenüber Hitler zu bewegen. Er sollte später die Triebfeder des versuchten
Umsturzes 1938 sein. Zuletzt sollte noch näher Friedrich Olbricht genannt
werden. Auch er diente seit 1907 bei der Armee. Als äußerst gebildeter Mann
machte er schnell Karriere und kämpfte sowohl im ersten. als auch im zweiten
Weltkrieg als herausragender Kommandeur. Im Jahre 1939 erhielt er nicht nur
das eiserne Kreuz, sondern auch das Ritterkreuz, aufgrund seines kühnen
Handelns im Polenfeldzug. Er war wochenlang der Held des "Völkischen
Beobachters", ein Rommel des Polenfeldzuges. Auch dieser konnte sich erst
sehr spät zu einem aktiven Handeln entschließen.
2.2 Planung und aktiver Widerstand

2.2.1 Widerstand vor Beginn des Zweiten Weltkrieges


Vor dem Beginn des Krieges gab es bereits schon ab 1937 Widerstand im Heer.
Nach dem Sturz Fritschs, aufgrund dessen Homosexualität, die mit gefälschten
Dokumenten "bewiesen" wurde, fingen viele Offiziere wie Beck oder von
Witzleben an Hitler zu kritisieren. Beck versuchte es erst noch auf dem
Dienstweg mit Vorträgen und Denkschriften Hitler zu beeinflussen. Doch merkte
er schnell, dass so nichts zu erreichen war. Beck wollte einen Massenrücktritt
der Generale, aber dies scheiterte an rückratlosen Offizieren wie der
Generaloberst von Brauchitsch, der Nachfolger des verabschiedeten Fritschs.
Beck tat das unpolitischste in dieser Situation: Er nahm seinen Abschied. Doch
außerhalb des Militärs war er dennoch von Bedeutung. Man wusste, was Hitler
mit der Tschechoslowakei vorhatte und erkannte, dass es zu einem Krieg mit
den Westmächten kommen würden, die den Tschechen und Slowaken Schutz
versprachen. Der spätere Premierminister Churchill überbrachte den
Widerständlern einen Brief, der beinhaltete:

"Ich bin überzeugt, dass ein Überschreiten der tschechoslowakischen Grenze


durch deutsche Truppen [...] erneut einen Weltkrieg heraufbeschwören wird.
[England wird] mit Frankreich marschieren. [...] Geben sie sich, ich bitte sie
dringend, hierüber keiner Täuschung hin." 5

Die Köpfe des Widerstandes hielten diese Botschaft für so ernst, dass sie
sofort begannen den Staatsstreich vorzubereiten. Kurz vor Beginn eines
Krieges gegen die Tschechoslowakei würde man einen Putsch versuchen. Man
wollte Hitler entmachten und ihn vor Gericht stellen. Einige wenige Soldaten
waren sogar entschlossen ihn zu töten. Der Hauptmann Friedrich Heinz, der mit
seinem Bataillon Hitler verhaften hätte sollen, sagte 1938 zu einem Vertrauten,
wollte Hitler in einem Handgemenge erschießen. Er hielt nichts von Gerichten

5 Zitiert nach William L. Shirer: Der Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches. Köln.
S.360.
und einem Hitler-Märtyrertum.6 Doch das Münchner Abkommen vereitelte alle
Pläne der Ver- schwörer. Durch die Zugeständnisse der englischen Regierung
und deren Schwäche, bekam Hitler sein Sudetenland, ohne dass ein Krieg in
greifbarer Nähe gewesen wäre. So nahm es ihnen ihre Vorwürfe gegen Hitler.
Die meisten Widerständler resignierten und viele Soldaten fügten sich nun
Hitlers System.

2.2.2 Während und gegen Ende dieses Krieges


Als es 1939 nun soweit war für den Krieg, versuchten wenige entschlossene
Offiziere noch einmal Hitler zu entmachten, doch scheute man der eigenen
Front nun in den Rücken zufallen oder das Volk gegen den scheinbar
erfolgreichen Führer aufzubringen. Wieder war der Widerstand
zusammengebrochen bevor er entstand. Aufgrund der immer wackligeren
militärischen Situation und immer größer werdenden Verbrechen des NS-
Regimes verstärkte Tresckow zusammen mit Goerdeler, der ehemalige
Oberbürgermeister von Leipzig und konservativer Politiker, und Beck
systematisch den Kreis des Widerstandes in der Heeresgruppe Mitte. Von
Tresckow war es auch der erste Attentate plante 7. Im Februar 1943, kurz nach
der völlig überflüssigen Opferung der 6. Armee von Stalingrad, schmuggelten er
und Fabian von Schlabrendorff zwei mit Sprengstoff gefüllte Cognacflaschen an
Bord des Führerflugzeugs. Doch mit viel Glück entkam Hitler einem neuen
Anschlag. Der Sprengstoff detonierte aufgrund der niedrigen Temperatur im
Laderaum nicht. Unter größten Anstrengungen bekam Schlabrendorff den
Sprengstoff zurück, ohne dass es jemand bemerkte. Wenig später versuchte
sich von Gersdorff sich zusammen mit Hitler und seinem Umfeld, Himmler,
Göring und Goebbels waren ebenfalls anwesend, bei einer Veranstaltung zum
"Heldengedenktag" in die Luft zu sprengen. Doch Hitler verließ das Zeughaus
frühzeitig und Gersdorff blieb gerade noch Zeit die Bombe wieder zu
entschärfen. Im Herbst 1943 fand man dann einen jungen Offizier mit Namen
Bussche, der Hitler während einer Uniformvorführung anspringen, umklammern
und eine Granate zünden sollte. Doch in der Nacht vorher verbrannten alle

6 Christian Graf von Krockow: Eine Frage der Ehre. Stauffenberg und das Hitler-
Attentat vom 10.Juli 1944. Berlin 2002. S.69f.
7 Vgl. Guido Knopp: Sie wollten Hitler töten. München 2004. S.125-132 ,137ff.
Vorführuniformen bei einem Luftangriff. Wieder hatte Hitler Glück. Die letzte
Möglichkeit für einen Versuch sah Tresckow in einem Gespräch zwischen Hitler
und Generalfeldmarschall Busch, während dem der Ordonnanzoffizier des
Generalfeldmarschalls von Breitenbuch den Führer erschießen sollte. Doch bei
dieser Besprechung sollten die Adjutanten nicht teilnehmen. Alle Attentate
waren vereitelt, doch brachte eine Person 1943 neuen Wind mit in den
Widerstand, die bereit war ihr Leben für Deutschland zu opfern. Claus Graf
Schenk von Stauffenberg plante und organisierte den 20. Juli 1944. 8 Das ganze
Attentat basierte auf den Dokumenten Walküre I und Walküre II. Diese von
Stauffenberg und Tresckow umgeschriebenen Dokumente regelten nun alles im
Falls des Todes Hitlers und einem Putschversuch. Man wollte nun ein Attentat
ausführen, was man anschließend auf eine "gewissenlose Clique frontfremder
Parteimitglieder" schieben wollte und die Wehrmacht als Retter dastehen
ließ. Im Falle des plötzlichen Todes Adolf Hitlers sollte das Militär die
Vollzugsgewalt übernehmen und SS, SD, Gestapo und die
nationalsozialistische Partei ausschalten, öffentliche Ämter übernehmen und
Sendeanstalten besetzen. Jeder Widerstand gegen das Militär sollte
rücksichtslos gebrochen werden. Man wollte eine neue Regierung bilden, die in
Friedensverhandlungen treten sollte. Doch wieder überlebte Hitler, obwohl die
Bombe nur wenige Meter um circa 12.40 Uhr am 20. Juli neben ihm explodierte.
Aber bis die Walküre anlief vergingen wichtige Stunden der Unklarheit, bis
Stauffenberg in Berlin eintraf, um die Steuerung des Widerstandes sauer, aber
mit vollem Einsatz selbst zu übernehmen. In Teilen des Deutschen Reiches
wurde die Walküre voll ausgeführt. Hierzu gehören Berlin, Wien, Prag und
Paris. Gegen 23.00 Uhr jedoch war der Putschversuch beendet und schon um
18.28 gab es im Radio ein Sondermeldung, dass der Führer einen
Bombenanschlag überlebt hatte. Die in Putschaufgaben unerfahrenen
deutschen Offiziere hatten versäumt, auch die unterirdischen Sendeanstalten
zu besetzen. Die Verschwörer wurden von Generaloberst Friedrich Fromm und
Major Remer und dessen Stoßtrupp festgenommen und die fünf
Hauptverdächtigen sofort zu Tode verurteilt. Beck versuchte sich zu töten,
bekam anschließend den Gnadenschuss durch einen Feldwebel. Von

8 Vgl. Christian Graf von Krockow: Eine Frage der Ehre. Stauffenberg und das Hitler-
Attentat vom 10.Juli 1944. Berlin 2002. S.127-146.
Stauffenberg, von Haeften, von Qurinheim und Olbricht verloren in der Nacht
zum 21. Juli noch ihr Leben, als der Generaloberst der Gegenputschisten, der
später selbst als Mitverschwörer hingerichtet werden sollte, sie erschießen ließ.
So endete der militärische Widerstand im Dritten Reich in einem Blutbad, als
Hitler seine Rache durch die Reihen der Generalität schickte. Um 0.01 Uhr
sagte Hitler am 21. Juli im Rundfunk:

"Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich


verbrecherischer, dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu
beseitigen und zugleich mit mir den Stab[...]. Es [der Komplott] ist ein ganz
kleiner Klüngel verbrecherischer Elemente, der jetzt unbarmherzig ausgerottet
wird.[...] Diesmal wird nun so abgerechnet, wie wir das als Nationalsozialisten
gewöhnt sind." 9

An den letzten Satz würde Hitler sich allerdings halten. Die meisten der Ver-
schwörer wurden in den letzten Kriegsmonaten hingerichtet, ihre Familien
zerrissen und weggesperrt. Viele der Mitverschwörer vom 20. Juli richteten sich
selbst, um der Familie dies zu ersparen. Andere wiederum wie Hauptmann
Klau- sing stellten sich sogar freiwillig, um ihre Kameraden in Moabit,
Plötzensee oder in Konzentrationslagern nicht alleine zu lassen. Man versuchte
das Geschehene nicht zu vertuschen, sondern so groß wie möglich erscheinen
zu lassen, um auf die Gefahr, die Hitler war, aufmerksam zu machen. Der
Aufschrei in der Wehrmacht aber blieb klein. Hitler ging jetzt nicht nur gegen
eine von ihm gehasste traditionsreiche Elite vor, sondern rottete dieselbe
beinahe komplett aus.

2.2.3 Bewertung des Widerstandes


Leider muss man sagen, dass die meisten Putsch- oder Attentatsversuche von
vornherein zum Scheitern verurteilt waren. So waren die Attentate Tresckows
vor dem 20.Juli nicht durchdacht genug, da man sich keine Gedanken gemacht
hatte, was nach Hitler kommen sollte. Erst mit dem Stauffenbergattentat,
durften die Verschwöreroffiziere hoffen, da man nun die Walküre in der Hand

9 Zitiert nach :William L. Shirer: Der Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches. Köln.
S.975.
hatte. Wäre Hitler jedoch getötet worden, bleibt der Erfolg der Aktion immer
noch fraglich. So wären schließlich noch die zwei größten Feinde der
Wehrmacht nicht ausgeschaltet worden. Heinrich Himmler und Hermann
Göring. Auf der anderen Seite muss man auch erkennen, dass die
Siegermächte auf Verhandlungen nach einem geglückten Putsch
höchstwahrscheinlich nicht mehr eingegangen wären. Die Konferenzen in
Moskau und Casablanca bestätigen dies. Sie hätten nichts angenommen,
außer einer totalen Kapitulation. In dieser Zeit brach das Dritte Reich schon
längst zusammen. Frankreich war zu einem großen Teil zurückerobert,
Italien erwies sich als Verbündeter wertlos und die Ostfront war dabei in sich
zusammenzufallen. Hitlers "tausendjähriges Reich" lag in verbrannter Asche
und hatte nicht einmal mehr als zwölf Jahre überstanden. Das letzte
Aufbegehren der Offiziere ist eventuell auch so zu verstehen wie Henning von
Tresckow es in den letzten Minuten seines Lebens beschrieb:

"Es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die
deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter
Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat." 10

So kann man sagen, dass es vielen der Militärs auch letztendlich darum ging,
das Gesicht vor der Geschichte zu wahren. Viele tapfere Männer ließen für
ihren Glauben an Freiheit und Menschlichkeit ihr Leben. Manche vertreten die
Meinung, dass der 20. Juli der wichtiges Tag des Widerstandes gegen Hitler
überhaupt war und so sollte dieser es auch. War er am Ende zwar nicht von
Erfolg gekrönt, so hat er dennoch gezeigt, dass "Gott auch Deutschland um
[ihretwillen] nicht verderben will". 11
Man zeigte der Welt, das das Deutsche
Reich nicht nur von Nationalsozialisten bewohnt war.

2.3 Motive der einzelnem Widerständlern und Nachkriegs-


ordnungsgedanken
10 Zitiert nach: Gerd R. Ueberschär: Stauffenberg - Der 20.Juli 1944. Frankfurt am
Main 2004. S.95.
11 Zitiert nach: Christian Graf von Krockow: Eine Frage der Ehre. Stauffenberg und
das Hitler-Attentat vom 10.Juli 1944. Berlin 2002. S.170.
2.3.1 Patriotische Beweggründe
Vor Beginn des Krieges waren sich viele Generale sicher, dass Hitler einen
Weltkrieg heraufbeschwören würde, wenn er die Tschechoslowakei oder später
Polen angreifen würde. Beide Staaten standen unter dem Schutz der
Westmächte. Viele hatten Angst, dass ein Krieg in dieser Größe niemals
gewonnen werden könnte. General Beck warnte vor dem Krieg mit mehreren
Denkschriften12, in denen er Zweifel über ein positives Kriegsende gegen die
Westmächte äußerte. Jedoch verurteilt er Hitler nicht. Beck und den meisten
anderen Generale ging es in erster Linie nicht darum Unrecht zu verhindern,
sondern den Führer davon zu überzeugen, dass die Wehrmacht noch ein paar
Jahre bräuchte für einen Krieg gegen Frankreich und England. Sogar der
Hitlerfanatiker Jodl kritisierte Hitler am 30. Mai, als die Weisung für den Fall
"Grün", der Angriff auf die Tschechoslowakei, von ihm unterzeichnet wurde, in
seinem überlieferten Tagebuch:

"Noch einmal flammt der ganze Gegensatz auf, der sich ergibt aus der
Erkenntnis des Führers, wir müssen noch in diesem Jahre, und der Auffassung
des Heeres, wir können noch nicht, da sicherlich die Westmächte eingreifen
und wir ihnen noch nicht gewachsen sind" 13

Die meisten Offiziere aus den alten Eliten, wie zum Beispiel Beck, von
Tresckow oder aber auch von Stauffenberg, äußerten sich hauptsächlich
skeptisch über den militärischen Verlauf des Krieges. 14 So war bereits
Dünkirchen ein unbegreiflicher Fehler des "Größten Feldherrn aller Zeiten", wie
ihn die NS-Generale Keitel und Jodl nannten. Der Gedanke man könnte den
Krieg verlieren und man müsste dann größere Opfer bringen als 1918, war für
fast alle Widerständler vor allem aus der adelig-konservativen Eliten

12 Vgl. Klaus Achmann, Hartmut Bühl: 20. Juli 1944. Lebensbilder aus dem
militärischen Widerstand. Hamburg 1999. S.78.
13 Vgl. William L. Shirer: Der Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches (A history of
Nazi-Germany). Köln. S.347.
14 Zur Wende des Krieges vgl. William L. Shirer: Der Aufstieg und Fall des Deutschen
Reiches. Köln. S.823-843.
unerträglich. Spätestens aber als die militärische Lage immer schlechter
wurde15, regte sich der Widerstand wieder. Man wollte auf jeden Fall eine
Demütigung des deutschen Volkes durch ein zweites Versailler Diktat
verhindern. Doch als unter größten Widerstandes im ganzen Generalstab die 6.
Armee, 350.000 Mann, durch Hitler in den Tod geschickt wurde, weil er
keinesfalls die Wolga aufgeben wollte, sorgte diese groteske militärische
Entscheidung des Führers für einen großen Zuwachs im Widerstand. Im Juli
1942 ein Jahr nach Beginn des Überfalls auf Russland hatte das Heer schon
mehr als 1,2 Millionen deutsche Soldaten eingebüßt. Militärische Niederlagen
gab es also letztendlich genug und nur noch so blinde Generale wie Keitel,
Jodl oder Krebs hielten nach den Landungen in der nordfranzösischen
Normandie, Sizilien und der Zerschlagung der italienischen und deutschen
Armeen in Nordafrika, fest an dem krankhaften Glauben an den Endsieg. Hitlers
fatale Fehleinschätzungen führten Deutschlands Soldaten immer mehr in den
Abgrund.

2.3.2 Konservativer Widerstand


Ein anderes Motiv im Widerstand war das der Konservativen. So gab es
anfangs viele pro-monarchische Widerständler, die Hitler und Hindenburg
begrüßten, da sie einen starken Mann an der Spitze suchten. Als Hitler sich
dann aber als traditionsvernichtender Tyrann herausstellte, änderten viele ihre
Meinung. So hielten es Soldaten wie Beck oder von Tresckow für notwendig,
dass der General und Reichskriegsminister Bloomberg zurücktrat, da eine nicht
standesgemäße Ehe recht skandalös erschien, verurteilten aber die
Bloßstellung Fritschs aufs Schärfste 16. Fritsch hatte nicht zugegeben
homosexuell zu sein und sein Offiziersehrenwort gegeben, dass er sich jemals
in dieser Richtung betätigt habe. Ebenfalls erregte die Ermordung während des
angeblichen SA-Putsches der ehemaligen Wehrmachtsoffiziere General von
Schleicher und Generalmajor von Bredow bei vielen größte Empörung. Zu

15 Vgl. Horst Möller, Volker Dahm und Hartmut Mehringer: Die tödliche Utopie -
Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich. München 2002. S.442-445
(Karten).
16 Vgl. Klaus Achmann, Hartmut Bühl: 20. Juli 1944 - Lebensbilder aus dem
militärischen Widerstand. Hamburg 1999. S.188.
dieser Zeit jedoch äußerten sich die wenigsten darüber, da sich die Wehrmacht
auch von ihrem Gegner, der SA, befreit sah. 17 Waren es doch laut von
Brauchitsch nur "Kassendiebe, Trunkenbolde und Homosexuelle", deren Masse
man klein halten müsse. Und 2,5 Millionen waren der Wehrmacht an
Braunhemden definitiv zu viel. Hitlers Kirchenkampf war anderen christlichen
Widerständlern ebenfalls ein großer Dorn im Auge. In Becks und Goerdelers
gemeinsam verfassten Dokumenten lässt sich außerdem noch herauslesen,
dass die konservative Gruppe im Widerstand auch nicht damit zurecht kam,
dass Hitler Frauen in untypischen Bereichen einsetzte, beispielsweise in der
Industrie. So heißt es dort, dass der Arbeitsdienst für Mädchen sofort
aufgehoben werden sollte, erwachsene Frauen aus der Rüstung genommen
werden und für ihre Familien sorgen sollten. 18 Als letztes wollten die
Verschwörer die "Moral des sittlichen Deutschen von vor der Weimarer
Republik wiederherstellen. 1924 wurde ein Kranz am Grab von Friedrich II. in
Palermo abgelegt mit der Inschrift: "Seinen Kaisern und Helden - Das Geheime
Deutschland". Es ist sicher, dass dieser Kranz von den Jüngern Stefan Georges
abgelegt worden ist, der sich und die jungen Menschen um sich herum das
"Geheime Deutschland" nannte.

2.3.3 Politische Beweggründe


Während Soldaten wie Tresckow hauptsächlich wegen patriotischen Ursachen
agierten, stach vor allem Ludwig Beck politisch heraus. Kontakte mit dem
konservativen Kreissauer Kreis und dem Politiker Carl Friedrich Goerdeler
führten zu einer gemeinsamen Denkschrift und einer ausgearbeiteten
Verfassung für das Deutschland nach Hitler. Mit daran gearbeitet haben
vermutlich noch andere sowohl militärische als auch zivile Widerständler, wie
zum Beispiel der sozialdemokratische Julius Leber und andere. Das System
Hitlers mit der Entfernung von beinahe sämtlichen demokratischen Elementen
und die Einschränkung aller Menschenrechte, führten zu dieser Schrift. So

17 Für den Konflikt zwischen Wehrmacht und SA siehe: William L. Shirer: Der
Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches. Köln. S.211ff.
18 Über den Arbeitsdienst von Mädchen und Frauen vgl. Ludwig Beck und Carl
Friedrich Goerdeler: Ein Gemeinschaftsdokument für den Frieden 1941-1944.
Herausgegeben von Wilhelm Ritter von Schramm. München 1965. S.135f.
kritisieren diese Denkschriften vor allem die Machterlangung Hitlers, die nur
durch "Betrug und Terror" zustanden kommen konnte. 19 Sie sahen zum Beispiel
die Abstimmung die zur Verfassungsänderung von 1933 führte, durch den
Druck der SA als völkerrechtlich ungültig an. Die Aufhebung der Grundrechte
durch die sogenannte Reichtagsbrandverordnung ist ebenso gegen das
Weimarer Recht geschehen, wie Auflösung aller Parteien im Reich. Oberste
Ziele waren die Wiederherstellung von "Recht und Anstand" im Reich. Ebenfalls
Gründe für den politischen Widerstand waren die Gleichschaltung und die
Zentralisierung von Deutschland. Man wollte sofort nach dem Attentat den
Reichaufbau von unten nach oben wiederherstellen und Deutschland in gleiche
Bundesländer aufteilen und ihnen in verschiedenen Bereichen die
Selbstverwaltung zugestehen.20 Ein ganz großes Problem für die politisch
motivierten Widerständler war die Aufhebung der unabhängigen
Gerichtsbarkeit, der völligen Rechtlosigkeit des Einzelnen, durch die NSDAP.
Zusammengefasst brachte es Goerdeler auf einen Punkt worin die Absichten
bestanden. Man wollte eine Regierung erschaffen, in der die erste Aufgabe
darin bestand die "völlige Majestät des Rechts wiederherzustellen", da keine
menschliche Gesellschaft ohne Recht in diesem Staat leben kann. Die Lügen
des Führers sollten erklärt werden und dem Volk die Ungerechtigkeit vor Augen
geführt werden. Ebenso die Freiheit von Meinung, Glaube und des Gewissens
sollten wiedererlangt werden.21 Eines der wichtigsten Motive war, dass Hitler die
Menschenrechte abschaffte und dessen Behandlung von KZ-Häftlingen. 22
Zusammenfassend kann man sagen, dass die politisch motivierten Kräfte einen

19 Vgl. Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler: Ein Gemeinschaftsdokument für
den Frieden 1941-1944. Herausgegeben von Wilhelm Ritter von Schramm. München
1965. S.197.
20 Vgl. Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler: Ein Gemeinschaftsdokument für
den Frieden 1941-1944. Herausgegeben von Wilhelm Ritter von Schramm. München
1965. S.148 und S.156.
21 Vgl. Ludwig Beck und Carl Friedrich Goerdeler: Ein Gemeinschaftsdokument für
den Frieden 1941-1944. Herausgegeben von Wilhelm Ritter von Schramm. München
1965. S.237.
22 Vgl. Klaus Achmann, Hartmut Bühl: 20. Juli 1944 - Lebensbilder aus dem
militärischen Widerstand. Hamburg 1999. S.23.
kompletten Umschwung in der Politik wollten. Ein neues Reich sollte auf dem
Gerüst einer starken Demokratie mit konservativen Elementen beruhen.

2.3.4 Humanitäre Motive


Ein weiterer Punkt war natürlich auch der humanitäre Grund für den
Widerstand. Alle Verstöße gegen die Menschlichkeit hier aufzuführen wäre
wahrscheinlich unmöglich. Doch gab es einige für die Verschwörer
ausschlaggebende Punkte. Da war zum einem Mal die Behandlung von
Kriegsgefangenen, vor allem der Russischen. Was Hitler über diese dachte,
stellte er selbst überaus deutlich dar, als er am 18. Oktober 1942 einen neuen
Befehl erließ, der lautete, dass " von jetzt ab [...] alle bei
Kommandounternehmen [...] von deutschen Truppen gestellte Gegner [...] mit
oder ohne Waffe, [...] im Kampf oder auf der Flucht bis auf den letzten
Mann niederzumachen"23 seien. Weiter ging Hitler noch, als er Anfang 1944 die
Genfer Konvention, die die menschliche Behandlung von Kriegs- gefangenen
vorschrieb, formell aufkündigen wollte, auch wenn sie im Deutschen Reich nur
noch auf dem Papier bestand. Doch dieses eine mal zeigte der Großadmiral
Dönitz Courage und hinderte den Führer daran. 24 Ebenfalls schockierend waren
vor allem für von Gersdorff und auch Arthur Nebe, der am 6. Juni 1941
erlassene "Kommissarsbefehl" und der "Befehl über das Verhalten der Truppe
im Ostraum", zwei Monate später. Der Kommissarsbefehl beinhaltete mehrere
schwerwiegende Verstöße gegen die Haager Konvention und schädigte
erheblich das Ansehen der deutschen Wehrmacht. So hieß es darin, dass die
Schonung von politische Kommissaren und feindlichen Soldaten des
bolschewistischen Feinds hier falsch sei. Die sofortige Erschießung wurde an
späterer Stelle angeordnet.25 Am Ende wurde dann noch erklärt, dass ein
politischer Kommissar zweifellos immer schuldig wäre. Im zweiten Befehl Hitlers

23 Zu Dokumenten zur Behandlung von Kriegsgefangenen vergleiche: William L.


Shirer: Der Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches (A history of Nazi-Germany).
Köln. S.870, S.872.
24 William L. Shirer: Der Aufstieg und Fall des Deutschen Reiches (A history of Nazi-
Germany). Köln. S.1005.
25 Beide Befehle sind abgedruckt in: Klaus Achmann, Hartmut Bühl: 20. Juli 1944 -
Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand. Hamburg 1999. S.283f.
wird das Verhalten im Ostraum noch krasser vorgeschrieben. Nur durch
Tötungen und rücksichtslosen Vorgehen, würde man den "Endsieg" und damit
die völlige Ausrottung des asiatisch-jüdischen Bolschewismus erreichen. Über
die Gedanken über die Konzentrationslager und Judenverfolgung ist wenig
bekannt, außer dass sogar einige Wehrmachtsoffiziere im Widerstand wohl sehr
früh davon erfuhren und nichts unternahmen, oder aber sogar zusammen
arbeiteten mit der SS. So ist
zum Beispiel überliefert, dass auf der einen Seite der Graf von Stauffenberg
oder Ludwig Beck keine Antisemiten waren, dafür gibt es auf der anderen Seite
Dokumente, die von Tresckow und auch von Gersdorff, ein späterer Attentäter,
belasten. 1941 kamen Dokumente in die Heeresgruppe Mitte, die bestätigt
werden sollten. Beide Offiziere zeichneten solche Dokumente ab. 26 Hierbei
handelte es sich um die Legitimation für den Mord an jüdischen und
kommunistischen Männern im Osten. Gersdorff leugnete dieses Wissen nach
dem Krieg. Also waren nicht für alle Soldaten die Verfolgungen von
Regimegegnern und "Rassenfeinden" Motive für den Widerstand. Auf der
anderen Seite weiß man, dass von Schlabrendorff gute Kontakte zu Arthur
Nebe hatte, diesen stark beeinflusste und es schaffte, die Morde in Nebes
Einsatzbereich auf ein Minimum zu senken. 27
Ebenfalls ein großes Motiv war
das brutale Vorgehen der SS und GESTAPO. Als Anfang 1944 Julius Leber
verhaftet worden war, versuchte man ihn und andere Häftlinge mehrfach zu
befreien. Da man aber keine Aufmerksamkeit erregen durfte, scheiterten diese
Unterfangen. Über die bestialischen Foltermethoden und tödlich-präzisen
Vorgehen der SS müsste hier an dieser Stelle nichts gesagt werden. Zu
"Verhörzwecken" wurde zum Beispiel die Leiche des Generalmajors von
Tresckows exhumiert und die seit Monaten beerdigten Überreste zu einer
Gegenüberstellung mit dem später inhaftierten und überlebenden von
Schlabrendorff genutzt. Außerdem hatte man auch Verbündete in der SS und
kannte Häftling der GESTAPO, von denen man hierüber eine ganze Menge

26 Vergleiche dazu Interview mit Johannes Hüter in der taz vom 28.01.2006 (Internet:
http://www.taz.de/pt/2006/01/28/a0175.1/text.ges. aufgerufen am: 09.01.2007).
27 Aus der Zeugenvernehmung Fabian von Schlabrendorff in einem
Entnazifizierungsprozess 1948 in: Gerd Ueberschär. NS-Verbrechen und der
militärische Widerstand gegen Hitler. Darmstadt 2000. S. 70.
erfuhr. Die Ideologie des Nationalsozialismus und das inhumane Vorgehen
gegen Gegner waren nicht vereinbar mit den Normen und dem Ehrgefühl vieler
Soldaten. Die Verstöße gegenüber den Menschenrechten waren also ebenfalls
ein Grund. Ein wichtiger Punkt für den Widerstand gegen Hitler, war auch die
Angst vor der SS. Sie wurde im Laufe der Zeit immer machtvoller und die
konservativen Soldaten vermuteten, dass Himmler seine Hände nach dem
Oberbefehl der Wehrmacht ausstrecken könnte. Zusammenfassend kann man
wahrscheinlich, wie es Albrecht von Hagen, der Sohn des hingerichteten
Verschwörers von Hagen, sagten, ging es hauptsächlich darum: "Der einzige
Sinn war, Menschen zu retten" 28

3. Das Vermächtnis des Widerstands

Auch wenn der Widerstand letztendlich scheiterte, muss man sich doch
überlegen, was die Gründe dafür waren. Der Propagandaminister Joseph
Goebbels meldete sich wenige Tage nach dem 20. Juli selbst zu Wort, als er
sagte, laut den Memoiren Albert Speers, dass es sich bei den Attentätern um
Anfänger handeln müsse, da sie nicht einmal sein privates Telefon in Berlin
gekappt und "nicht das Funkhaus besetzt und die tollsten Lügen verbreitet
[hätten]."29 Auch Arthur Nebe kritisierte Stauffenberg stark, als er erfuhr, dass
der Graf nur eine Bombe statt der zwei Mitgenommenen detonieren ließ.
Stauffenberg kannte sich nicht übermäßig mit dem Sprengstoff aus. Doch der
Ausruf "Hätten sie doch mich gefragt, die Idioten, wie viel man braucht!" 30,
konnte freilich nichts mehr an der Tatsache ändern, dass Hitler am Leben blieb.
Doch für das Gangsterhandwerk waren Männer wie Stauffenberg einfach nicht
geschaffen. Zugute halten muss man den Verschwörern jedoch, dass sie trotz
fehlender Unterstützung durch zum Beispiel Rommel oder aber auch von Kluge,
die die nötigen Soldaten bereitstellen hätten können, in Berlin handelten. Der
Umsturzversuch lief in vielen Wehrkreisen an. Gegen einen toten Hitler hätten
28 Zitiert nach Guido Knopp: Sie wollten Hitler töten. München 2004. S.207.
29 Zitiert nach Guido Knopp: Sie wollten Hitler töten. München 2004. S.236.
30 Zitiert nach Christian Graf von Krockow: Eine Frage der Ehre. Stauffenberg und das
Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944. Berlin 2002. S.131.
die autoritären Offiziere vielleicht sogar gewinnen können. Gegen einen
wütenden lebenden jedoch hatten sie keine Chance. Was jetzt folgte, war ein
grausames Wüten Hitlers in den Reihen des Widerstandes. Binnen der wenigen
Monate nach dem 20. Juli 1944 die Hitler noch blieben, sorgte er dafür, dass
noch mehr als 5000 Offiziere der Wehrmacht hingerichtet wurden, in
Schauprozessen, geführt von dem von den wenigen Überlebenden als verrückt
beschriebenen und grausamen Präsidenten des Volksgerichtshofes Dr. Roland
Freisler. Den Offizieren wurden ihre Uniformen genommen, mussten
"Räuberzivil" tragen, während sie von einem cholerischen Richter angebrüllt
wurden, der sie am Ende wegen Wehrkraftzersetzung, Verschwörung und
wegen Feigheit im Krieg, was für die meisten Offizieren das Schlimmste war,
hinrichten ließ. Sogar als die Armee der Sowjets und der restlichen Alliierten
schon die Grenzen überschritten, erschossen und hängten SS-Männer in
Flossenbürg und Dachau, während Artillerie bereits in Hörweite war, weiter die
Männer, die versucht hatten die Ehre Deutschlands zu retten. Doch was hätten
sie gerettet? Vielleicht hätte ein neues Deutschland entstehen können oder die
Siegermächte hätten Nachsicht gezeigt und der Verschwörer-Regierung ihre
Unterstützung gegeben. Tatsache ist31, dass 4.800.000 Deutsche nicht hätten
sterben müssen, viele Städte nicht zerstört worden wären und viele Väter,
Ehemänner, Söhne und Brüder hätten überleben können und wären nicht in
einem sinnlosen Endkampf ums Leben gekommen. Industrieanlagen und
Infrastruktur wären nicht dem verhängnisvollen Befehl der "Verbrannten Erde",
der besagte alles was für die Alliierten hätten nutzen können, zerstört werden
müsse, zum Opfer gefallen. Noch eindrucksvoller lagen die Dinge in
Österreich. Bis dahin gab es keine Kampfhandlungen auf österreichischen
Boden, keine einzige Bombe war bis jetzt auf Österreich gefallen, Wiens
Altstadt war noch intakt und ein zwei Milliarden Reichsmark hoher Schaden in
der Industrie war noch nicht entstanden. Doch all das sind Mutmaßungen aus
dem Reich der Phantasie. Hitler überlebte und der Krieg endete erst ein Jahr
später, nachdem der Führer blutige Rache übte an denen die ihn töten wollten
und das deutsche Volk aus seinem unterirdischen Bunker in Berlin unter der
Reichskanzlei fast in den Tod führte. Egal ob der Widerstand nun glückte oder

31 Vergleiche zu den Angaben über verhinderte Opfer: Klaus Achmann, Hartmut Bühl:
20. Juli 1944. Lebensbilder aus dem militärischen Widerstand. Hamburg 1999. S.241.
nicht, hätte man sich mehr Soldaten dieses Schlages im dritten Reich
wünschen können. Der ehemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl sagte einst:

"Es sei an die Worte erinnert, die [Stauffenberg] im Augenblick seines Todes
[...] fand: `Es lebe das heilige Deutschland!´ Was dem Attentat Sinn gegeben
hatte, hat sich hier in einem einzigen beschwörenden Ruf zusammengedrängt.
[...] Sein Attentat dürfen wir als Befreiungstat zur Wiedergewinnung unseres
Vaterlandes verstehen. [...] Sie sind große Tote auf die wir uns berufen
dürfen."32

Damit beendete er seine Rede zum 80. Geburtstag Stauffenbergs mit einer
anschließenden Totenwache. Der 20. Juli und der Widerstand war mehr als
eine verzweifelte Tat aufgrund der vernichtenden militärischen Lage.
Stauffenberg und die anderen Verschwörer handelten aus eigenem Ehr- und
Pflichtgefühl heraus. Sie wussten, dass das Attentat am 20. Juli die letzte
Chance für die militärische Verschwörung war:

"Es ist höchste Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der
etwas wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die
Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, so wir er zum Verräter
vor seinem eigenen Gewissen." 33

Das, wahrlich, sagte ein Mann von glühender Vaterlandsliebe, und selbst in den
weiten Abstand, der uns gewöhnliche Menschen von ihm trennt, sollte sein
Vorbild uns zum eigenen Denken und Handeln ermutigen. Dies ist als sein
Vermächtnis des Widerstandes zu verstehen.

32 Ansprache des ehemaligen Bundeskanzler, Dr. Helmut Kohl am 12.11.1987. In:


Klaus Achmann, Hartmut Bühl: 20. Juli 1944 - Lebensbilder aus dem militärischen
Widerstand. Hamburg 1999. S. 152.
33 Christian Graf von Krockow: Eine Frage der Ehre. Stauffenberg und das Hitler-
Attentat vom 10.Juli 1944. Berlin 2002. S.170.
Literaturverzeichnis

Literatur:
Achmann, Klaus/Bühl, Hartmut: 20. Juli. Lebensbilder aus dem militärischen
Widerstand. Hamburg 1999. 3.Auflg.

Beck, Ludwig/Goerdeler, Carl Friedrich: Gemeinschaftsdokument für den


Frieden 1941-1944. Herausgegeben und bearbeitet von Wilhelm Ritter von
Schramm. München 1965.
Finker, Kurt: Graf Moltke und der Kreisauer Kreis. Berlin 1993.

Knopp, Guido: Sie wollten Hitler töten. München 2004. 1.Auflg.

Krockow, Christian Graf v.: Eine Frage der Ehre. Stauffenberg und das Hitler
Attentat vom 20. Juli 1944. Berlin 2002. 1.Auflg.

Militärisches Forschungsamt (Hrsg.): Aufstand des Gewissens. Militärischer


Widerstand gegen Hitler und das NS-Regime. Herford 1984.

Schlabrendorff, Fabian v.: Offiziere gegen Hitler. Berlin 1984.

Shirer, William L.: Aufstieg und Fall des Dritten Reiches. (A History of Nazi
Germany). Köln 1999.

Ueberschär, Gerd R.: Der 20. Juli 1944. Frankfurt a. M. 2004.

Ueberschär, Gerd R.: NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen


Hitler. Darmstadt 2000.

Vogel, Thomas(Hrsg.): Aufstand des Gewissens. Widerstand gegen Hitler und


das NS-Regime 1933-1945. Berlin 2000. 5.Auflg.

Internetquellen:
"Judenmorde kein Motiv des Widerstandes"
http://www.taz.de/pt/2006/01/28/a0175.1/text.ges

Aufgerufen am: 10.01.2007


Anhang

"Judenmorde kein Motiv des Widerstands"

Die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 haben am Holocaust mitgewirkt, saht der
Münchner Historiker Johannes Hüter. Er hat damit eine kontroverse Debatte um
die Rolle der hingerichteten Wehrmachtsoffiziere entfacht.

TAZ: Herr Hürter, 61 Jahre nach Kriegsende bahnt sich wegen Ihrer These eine
Historikerdebatte über den militärischen Widerstand des 20. Juli an. Wie konnte
es dazu kommen?
Johannes Hürter: Die Erinnerungen an den Widerstand ist immer noch von der älteren
Forschung geprägt, die den Aussagen der Zeitzeugen nahezu blindlings vertraute. Diese
verschönte Bild erlebte bei den Gedenk-Events vor zwei Jahren eine neue
Hochkonjunktur. Kritische Stimmen, die es auch früher immer gab, passen da nicht
recht hinein. Die Verschwörer mit dem Judenmord in Verbindung zu bringen, gilt als
Sakrileg, auch bei vielen Historikern.

Auf was sind sie gestoßen?

Johannes Hürter: Die Einsatzgruppe B informierte den Stab der Heeresgruppe Mitte
bereits in den ersten Feldzugwochen umfassend über die Massenmorde an jüdischen
Männern. Tresckow und Gersdorff zeichneten diese Bericht ab. Nach dem Krieg hat
Gersdorff diese frühe Kenntnis strikt geleugnet. Diesen Widerspruch verknüpfe ich mit
Belegen für die anfänglich gute Zusammenarbeit mit den SS-Leuten. Daraus ziehe ich
den zwingenden Schluss, dass die Judenmorde des Sommers 1941 kein Motiv für den
Weg in den Widerstand gewesen sein könnte. Erst als im Herbst massenhaft auch
Kinder und Frauen umgebracht wurden, änderte sich das.

Woher haben sie die Dokumente?

Die Dokumente wurden von der Roten Armee erbeutet und später der DDR-Justiz für
Verfahren gegen NS-Verbrecher zur Verfügung gestellt. Dann verschwanden sie im
Stasi-Archiv. Vor einigen Jahren stieß ich bei historischen Recherchen in der Birthler-
Behörde überraschend auf die Spuren Tresckows und Gersdorffs. Vor zehn Jahren hatte
man ähnliche Quellenfunde von Christian Gerlach heruntergespielt. Hier aber war so
unmissverständlich von Massenmord die Rede, dass mir sofort klar wurde: Die Debatte
muss neu aufgerollt werden.

Was können diese Akten beweisen?

Die Dokumente beweisen die frühe und umfassende Kenntnis vom Massenmord im
Gebiet der Heeresgruppe Mitte. Diese Widerlegung der späteren Aussagen Gersdorffs
und Tresckows konfrontierte ich mit anderen Dokumenten und Indizien. Etwa mit einer
Zeugenaussage Gersdorffs vom Mai 1959: Unter den Agenten seien viele Juden, und die
Juden seien krimineller als die übrige russische Bevölkerung gewesen. Oder mit dem
Lob des SS-Führers Nebe: Die Führung der Heeresgruppe habe ihnen viel mehr
Spielraum für ihre Mordtätigkeiten gelassen, als das eigentlich vorgesehen war. Für
mich zeigt das: Die sowjetischen Juden waren auch den Offizieren der Militäropposition
suspekt. Also akzeptierten sie zunächst, dass die SS viele dieser potenziellen
Unruhestifter aus dem Weg räumte. Man wollte vor allem eines: den schnellen Sieg über
den "jüdische-bolschwistischen" Erzfeind.

Wiederholt sich beim 20. Juli die Debatte um die Wehrmachtsausstellung?

Diese Debatte hat das Bild der "sauberen Wehrmacht" ein für alle mal zerstört. Umso
stärker klammert sich die öffentliche Erinnerung jetzt an positive Ausnahmen. Als
solche gelten besonders die Männer der Militäropposition. Doch auch diese "heiligen
Kühe" warn Soldaten, die im Vernichtungskrieg lange funktionierten.

Der Historiker Hermann Graml, wirft ihnen vor, ihre Vorwürfe hingen "ohne
Grundlage frei aus der Luft". Ein Generationenkonflikt?

Nicht alle Historiker der älteren Generation teilen die Ansichten Hermann Gramls. Doch
fällt es jüngern Historikern sicher leichter, sich von den Dogmen einer überholten
Geschichtspolitik frei zu machen. Die nüchterne Sachlichkeit zwingt dazu, gegen die
Heroisierung des Widerstandes Stellung zu beziehen. Die zentrale Frage nach den
Motiven des Widerstandes darf sich nicht auf die Moral beschränken, sondern muss
auch andere Faktoren wie den Kriegsverlauf berücksichtigen. Es geht nicht um den
erhobenen Zeigefinger, sondern um die Erkenntnis: Der Weg zum Staatsstreich war von
biographischen Brüchen und Widersprüchen geprägt. Moralisierend ist, dass Graml den
Widerständler ohne Fehl und Tadel postuliert. Die Widerstandsforschung muss sich mit
den Menschen und nicht mit Ikonen beschäftigen.

Graml leitet das Widerstandsmotiv aus einem preußischen Offiziersethos ab. Ist
ein heutiger Moralhorizont zur Bewertung der historischen Rolle dieser
Wehrmachtsoffiziere angemessen?

Das Hohelied auf das alte Preußentum und den ostelbischen Adle, das Graml anstimmt,
geht an der Sache vorbei. Diese angebliche Elite mit ihren Ehrbegriffen hat tausendfach
an NS-Verbrechen mitgewirkt.

Sie sprechen von einem "verzögerten Einsetzen der Moral" bei den betreffenden
Offizieren.

Zur historischen Gerechtigkeit gehört, dass man Tresckows und Gersdorffs


biographische Entwicklung zugesteht. Auch sie wurden nicht als Helden geboren. Die
Entwicklung zum Widerständler war äußerst komplex und besaß gleichermaßen
ethische wie militärisch-politische Motivlagen. Dabei wurde häufig geirrt und gefehlt.
Im Sommer 1941 wurde der militärische Erfolg über die Menschenrecht gestellt - ganz
offensichtlich auch in der Gruppe um Tresckow. Die darf ich als Historiker nüchtern
konstatieren. Die moralische Bewertung überlasse ich anderen. Ich untersuche nicht den
Charakter von Personen, sondern ihr Verhalten.

Was meinen Sie mit "geschichtspolitischer Überfrachtung" des 20. Juli?

Die Geschichtspolitik hat nach dem Krieg einige Mühe gehabt, die Hitler-Attentäter im
öffentlichen Bewusstsein von Verrätern zu Vorbildern zu machen. Dieses Ziel war aller
Ehren wert, führte aber zugleich zu einer Komplexitätsreduktion - auch in der
Forschung. Das idealisierte Bild hat sich trotzneuer Forschungsergebnisse bis heute
gehalten. Differenzierte oder gar kritische Meinungen können sich gegen den Mythos
nur langsam durchsetzten.

Spiegeln Geschichtshelden bloß die Konjunkturen eines wechselnden Zeitgeistes


wider?

Es geht mir nicht um die Revision des 20. Juli, sondern um die Ergänzung des
Widerstandbildes um ein Detail: Die Korrumpierung von oppositionellen Offizieren
durch eine verbrecherische Kriegsmaschinerie in einigen Monaten des Jahre 1941. Ob
ein solcher Erkenntnisfortschritt dem Zeitgeist entspricht, interessiert mich nicht.

Können diese Wehrmachtsoffiziere in einer Demokratie jetzt noch als Vorbilder


dienen?

Die Tatkraft und der Mut den Mut der Widerstandskämpfer stellte ich nicht infrage.
Anders als die allermeisten Deutschen und alle ihre Vorgesetzten haben sie in einem
vielschichtigen Prozess das Unrecht erkannt und sich zum Handeln durchdrungen. In
diesem Sinne sind sie auch für mich Helden. Man sollte aber wissen, wer sie waren und
wie sie zu dem wurden, was wir an ihnen bewundern. Die Scheu vor gebrochenen oder
lädierten Helden, sprich: Vor Menschen, kann ich nicht verstehen. Wer in der
Widerstandsforschung nur Schwarz-Weiß-Malerei gelten lässt, verbiegt die Geschichte.

Interview: Jan-Hendrik Wulf

taz vom 28.01.2006. S. 12.

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