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1.

Einleitung
Das Scheitern des Demokratisierungsprozesses in Somalia steht außer Frage. Nach der
Absetzung des diktatorischen Regimes unter Barre gelang es auf Grund diverser Faktoren
nicht, eine demokratische politische Ordnung zu etablieren und konsolidieren.
Die Analyse eben dieser Faktoren soll nun Aufgabe dieser Arbeit sein. Die Bearbeitung der
Fragestellung wird in drei Schritten erfolgen. Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst ein
Überblick über die wichtigsten theoretischen Ansätze zur Analyse der Systemtransformation
gegeben; welche Dynamiken können als Grundlage herausgestellt werden und wer sind die
beteiligten Hauptakteure? Anschließend werden die zuvor erarbeiteten Theorien anhand der
von Merkel und Puhle suggerierten Handlungsansätze aus „Von der Diktatur zur Demokratie“
präzisiert und kombiniert.
Nach einer Bestandsaufnahme der somalischen Gesellschaft und der für die Fragestellung
wichtigen historischen Ereignisse, besteht der Hauptteil aus der schrittweisen Zuordnung und
Analyse des somalischen Systemwechsels. Können die theoretischen Grundlagen in diesem
Kontext angewandt werden? Wie sehen die oben erwähnten Akteure in diesem spezifischen
Fall aus? Besonderes Augenmerk soll hierbei auf den traditionellen Gesellschaftsstrukturen
Somalias liegen, die den Verlauf der Geschehnisse erheblich beeinflussen.
Den Schluss bildet ein Fazit.

2. Theoretische Grundlagen

Zu Beginn dieser Arbeit ist es notwendig, einen allgemeinen Überblick über die
Transformationstheorien zu geben, da nur vor diesem Hintergrund eine Analyse des Zerfalls
des somalischen Staates sinnvoll sein kann. Dieser Idee folgend werden im ersten Abschnitt
dieses Kapitels die wichtigsten Ansätze erläutert, bevor im zweiten Teil eine umfassendere
Darstellung der von Merkel und Puhle erarbeiteten Erfolgsbedingungen und
Entwicklungspfade von Systemtransformation erfolgen soll. Zu Grunde liegt hier das von O’
Donnell und Schmitter entwickelte Drei-Phasen-Modell der Transition.

2.1 Allgemeiner Überblick über die Transformationstheorien

2.1.1 Modernisierungstheorie

Bezüglich dieses, hauptsächlich von Seymour Martin Lipset geprägten, Ansatzes gibt es
zahlreiche, statistisch fundierte Forschungsergebnisse. Im Zentrum steht die Frage, ob und

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wenn ja, in wie weit und auf welche Weise ein Zusammenhang zwischen dem
sozioökonomischen Entwicklungsstand eines Landes zu dessen Grad an Demokratisierung
besteht. Lipsets zentrale These lautet wie folgt: „The more well-to-do a nation, the greater the
chances that it will sustain democracy“ (Lipset 1983: 31). Demnach wird also wirtschaftliche
Prosperität in der Gesellschaft als wichtige, unumgängliche Grundvoraussetzung einer
erfolgreichen Demokratisierung erachtet.

Unter Einbeziehung weiterer, Lipsets Arbeit folgender Ergebnisse (vgl. Merkel, Puhle 1999:
22ff), stellen Merkel und Puhle zwei Wirkungsrichtungen besonders heraus: zunächst den
Einfluss des BIP per capita (als gebräuchliche Maßeinheit der sozioökonomischen
Entwicklung eines Landes) auf die Übergangsfähigkeit einer Gesellschaft zur Demokratie.
Wichtiges Stichwort ist hier der von Huntington geprägte Begriff der Transitionszone, die
sich gemessen am BIP im Bereich mittlerer wirtschaftlicher Entwicklung befindet. Gemeint
ist, dass sich Transition statistisch gesehen am häufigsten in jener Zone ereignet, da sie im
darunter liegenden Level unwahrscheinlich, im darüber liegenden wiederum bereits
abgeschlossen ist. Als jüngster Beleg werden hier die neuen asiatischen Demokratien
aufgeführt, deren sich differenzierende Gesellschaften den Systemwechsel aus
modernisierungstheoretischer Sicht quasi erzwangen (vgl. Merkel, Puhle 1999: 23).

Gestützt auf die Daten von Freedom House legen Merkel und Puhle den zweiten
Zusammenhang dar. Die auf einem Umfangreichen Fragebogen basierenden Daten von
Freedom House kategorisieren politische Systeme anhand einer Zahlenskala in totalitäre
Regime, autoritäre Regime, defekte Demokratien und Demokratien. Das Ergebnis dieser
Auswertung kann als weitgehende Bestätigung des modernisierungstheoretischen Ansatzes
gewertet werden: „Je reicher ein Land ist, um so wahrscheinlicher handelt es sich um eine
Demokratie, je ärmer ein Land ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zum
autoritären oder totalitären System hin gravitiert.“ (Merkel, Puhle 1999: 26).

Abschließend muss jedoch noch eine Relativierung stattfinden. Der Zusammenhang zwischen
BIP per capita und Demokratisierung ist nämlich keinesfalls monokausal. Vielmehr ist es so,
dass wirtschaftlicher Wohlstand ein Glied in einer Kette von Faktoren darstellt , die die
Demokratisierung fördern, sie jedoch nicht bedingen; ebenso, wie Armut den Prozess
erschwert, ohne unüberwindbares Hindernis zu sein (vgl. Merkel, Puhle: 1999).

2.1.2. Kulturalistische Theorien

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Zentrale Annahme dieses Ansatzes ist, dass bestimmte religiös kulturelle Ausrichtungen einer
Gesellschaft deren Demokratiefähigkeit im positiven oder negativen beeinflussen. Unter
Berufung auf Lipset stellen Merkel und Puhle fest, dass dies darauf zurückzuführen sei, dass
es sich bei ebendiesen Strukturen um tief im Bewusstsein verankerte Werte- und
Normsysteme handle, die gegen jedwede kurzfristig angestrebte Manipulation immun seien,
sich demnach, wenn überhaupt nur „ungerichtet evolutionär“ beeinflussen ließen (vgl.
Merkel, Puhle 1999: 36f). Vor diesem Hintergrund könnten Kulturen hinsichtlich ihrer
Demokratiefreundlichkeit bewertet werden (vgl. Huntington 1993). Zusammenfassend kann
gesagt werden, dass tendenziell eher westlich ausgerichtete Kulturen mit der Demokratie
besser kompatibel sind, während weniger säkularisierte Kulturen, wie z.B. die islamische,
unter Berufung auf Freedom House, weitaus weniger zur Demokratie neigen (vgl. Merkel,
Puhle 1999: 38ff).

Kollektive historische Erfahrungen prägen eine Gesellschaft, beeinflussen somit auch ihr
Verhältnis zur Demokratie. Wie Almond und Verba (1989) in ihrer Civic Culture feststellen,
sind formale politische Institutionen alleine nicht ausreichend, um die Etablierung,
beziehungsweise den Fortbestand einer Demokratie zu sichern. Vielmehr bedarf es einer
zivilen Kultur, die in der Gesamtheit ihrer individuellen Akteure das demokratische System
stützt: Die Kongruenz zwischen politischem System und politischer Kultur ist das zentrale
Element. Demokratische Verhaltensweisen und Denkmuster können jedoch nicht kurzfristig
geschaffen werden sondern sind vielmehr als „social capital“ in einem historischen Prozess zu
akkumulieren (vgl. Merkel, Puhle 1999: 43). Gesellschaften, die nun über dieses soziale
Kapital verfügen, das heißt diese Verhaltensweisen erlernt und internalisiert haben,
stabilisieren die Demokratie.

2.1.3 Strukturalistische Theorien und Akteurstheorien

Strukturalistische Theorien konzentrieren sich auf die „(sozial)strukturellen Möglichkeiten


einer Demokratie“ (Merkel, Puhle 1999: 47). Sie setzen die Machtkonstellationen zwischen
den einzelnen Gesellschaftsschichten, beziehungsweise deren Verhältnis zum Staat in den
Mittelpunkt der Betrachtung. Je nach Sichtweise kann eine bestimmte Klasse Träger des
Demokratisierungsprozesses sein, beziehungsweise ihn durch ihr Handeln behindern.
Außerdem spielt es eine Rolle, in wie weit das staatliche Gewaltmonopol ausgeprägt ist und
wie Stark die Kontrolle seitens der Gesellschaft stattfindet. Von zentraler Bedeutung ist an
dieser Stelle die Frage, ob Sicherheitsorgane dieser Kontrolle unterliegen, oder vielmehr

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eigennützig agieren, was einen erheblichen destabilisierenden Effekt auf die Demokratie hätte
(vgl. Merkel, Puhle 1999: 46f).

Akteurstheorien setzen, anders als die oben dargestellten Konstrukte, auf der „Mikroebene der
handelnden Akteure an“ (Merkel, Puhle 1999: 48). Somit werden die Eliten zum Träger der
Demokratisierung; einzelne Individuen handeln demnach situationsbedingt nach eigenem
Dafürhalten, der formale Rahmen (sozioökonomische Strukturen, internationale Einflüsse,
historische Erfahrungen, ...) legt lediglich einen Handlungskorridor fest, ohne den Verlauf zu
determinieren (vgl. Karl 1990: 6f).

2.2 Drei Phasen der Transition – Problemstellungen und Handlungsweisen

Der Prozess der Transition, des Intervalls zwischen zwei politischen Systemen, lässt sich in
drei Phasen einteilen (O’Donnell/Schmitter 1986).

2.2.1 Liberalisierung – Ende des nichtdemokratischen Regimes

Als Liberalisierung definieren O’Donnell und Schmitter den Prozess der Neubestimmung und
Ausdehnung von Rechten (O’Donnel, Schmitter 1986: 7). Sie ist in diesem Konzept der
Anfang des Transitionsprozesses, der idealiter eine konsolidierte Demokratie hervorbringt
und vom autokratischen Regime selbst veranlasst, um wachsendem Druck in der Gesellschaft
zu begegnen. Die Autoren sehen hierin den Beginn eines Kreislaufs: neue Rechte, die zu
Hochzeiten des Regimes nicht zur Verfügung standen, werden von einigen wenigen genutzt.
Ihr Handeln bleibt im Zuge der Liberalisierung straffrei und wird nachgeahmt. Geschieht dies
nicht zu abrupt, erkennt das Regime keine Gefährdung seiner Macht - die neuen Praktiken
haben Zeit sich zu etablieren und schließlich institutionalisiert zu werden (vgl. O’Donnel,
Schmitter 1986: 7). Zum Rahmen, in dem dieser Prozess einsetzt, der das Ende des Regimes
einläutet, lässt sich des Weiteren festhalten, dass die Initialfaktoren maßgeblich innerer Natur
sind. So ist es nicht möglich, bestimmte internationale Kontexte festzustellen, die autoritäre
Systeme zur Öffnung bewegen (vgl. O’Donnell, Schmitter 1986: 17f). Dies ändert sich auch
dann nicht, wenn diese Öffnung nicht stattgefunden hat, der Niedergang also anders geartet ist
(vgl. Merkel; Puhle 1999: 65ff).

Aus der Untersuchung bereits abgeschlossener Fälle der Transition und des jeweiligen
soziokulturellen, ökonomischen uns historischen Umfelds der Gesellschaften, lassen sich
bestimmte Faktoren herausarbeiten, die die Vorgänge beschleunigen und positiv beeinflussen

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können. Zunächst sind die verschiedenen Regimetypen mit ihren jeweils charakteristischen
Eigenschaften als solche zu betrachten.

Sind die Regimeeliten, die ja wie oben dargestellt Träger des Systems sind, in sich
fraktioniert, ist dessen Stabilität in Frage gestellt. Speziell meint dies die Unterteilung in so
genannte konservative hardliners und reformoffene softliners, die eine Öffnung gegenüber
der Opposition vorantreiben können, sind sie hinreichend organisiert und gesellschaftlich
unterstützt (vgl. O’Donnell, Schmitter 1986: 15f). Bei Diktaturen mit ausgeprägtem
Personenkult kann es durchaus hilfreich sein, wenn die Identifikationsfigur, sprich der
Diktator, stirbt, da somit ein zentrales Legitimationsmoment des gesamten Regimes abhanden
geht (vgl. Merkel, Puhle 1999: 79). Ebenso stellen fehlende wirtschaftliche Performanz und
kriegerisches Versagen die Legitimation des Systems in Frage. Diese regimeinhärenten
Faktoren wirken jedoch nicht allein, sondern vielmehr in einer Kombination aus
wirtschaftlichen und ideologischen Legitimationsproblemen seitens des Regimes (vgl.
Merkel, Puhle 1999: 72f).

Auch die Gesellschaft als solche muss bestimmte Bedingungen erfüllen, soll die Transition
erfolgreich eingeleitet werden. Die kollektive demokratische Erfahrung spielt eine Rolle. Je
größer diese ist, also je vertrauter die Gesellschaft mit demokratiefreundlichen, libertären
Grundhaltungen vertraut ist, desto leichter fällt deren Etablierung (vgl. Merkel, Puhle 1999:
80f). Eng mit diesem Umstand ist der folgende verbunden: die Struktur der gesamten
Gesellschaft, der civil society, und deren Durchsetzungs- und Handlungsfähigkeit sind von
enormer Bedeutung. „Je stärker und autonomer eine civil society ist, umso weniger wird sie
nichtdemokratische Systeme auf längere Zeit ertragen“ (Merkel, Puhle 1999: 84). Sie wird
somit zum Träger des Veränderungsprozesses, als Kraft von unten, die es zu mobilisieren gilt,
da ihre Stärkung in der Regel zu einer Schwächung des Regimes führt (vgl. ebd: 86). Soll eine
Transformation des Systems stattfinden, so muss sich auch die spezifische Kultur einem
Wandlungsprozess unterwerfen, sich den neuen Gegebenheiten anpassen und sich genau wie
das System modernisieren. Gemeint ist hier eine Art Kongruenz zwischen wirtschaftlichem
und sozialem Entwicklungsstand. Anstöße dieses Prozesses können sowohl nationaler, als
auch internationaler Natur sein (vgl. Merkel, Puhle 1999: 91).

Kombiniert man nun die oben genannten Punkte, so kann ein Bild davon entstehen, welche
möglichen Konstellationen in der ersten Phase der Transition förderlich für einen
erfolgreichen Demokratisierungsprozess sein können.

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2.2.2 Demokratisierung

Ziel dieser Phase ist die Schaffung einer demokratischen Regierungsform, die es darauf
folgend zu konsolidieren gilt. Als Maßstab der Demokratie werden hier die von Robert Dahl
1989 in Polyarchie formulierten Mindestanforderungen verwandt, bestehend aus allgemeinen,
freien und fairen Wahlen, dem passiven Wahlrecht, der Möglichkeit zur Opposition und
Abwahl der höchsten Repräsentanten der Regierung, der Informations-, Meinungs- und
Assoziationsfreiheit, sowie durch Wahl legitimierten Entscheidungsträgern (vgl. Dahl 1989:
221f).

Beschäftigen wir uns zunächst mit den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um einen
erfolgreichen Ablauf der Demokratisierung zu gewährleisten. Wie oben angesprochen, spielt
der Entwicklungsstand eines Landes eine erhebliche Rolle bei der Bewertung seines
Demokatiepotenzials und hat auch direkte Auswirkungen auf die ebenso wichtige
Sozialstruktur. Suggeriert wird hier, dass es wichtiges Kriterium ist, die Gesetze der
Marktwirtschaft im gesamten Land wirksam zu machen, um die Zirkulation von Kapital zu
ermöglichen und andere, zentrifugal auf die Gesellschaft wirkende Formen der
Ressourcenallokation (Korruption, Klientelismus etc.), zu verhindern. Hierbei ist jedoch
darauf zu achten, die marktwirtschaftlichen Mechanismen durch staatliche Intervention
abzumildern, da diese andernfalls, zu einer Spaltung der Gesellschaft in Besitzende und, auf
Grund ihres wirtschaftlichen Misserfolgs, Besitzlose führen könnten (vgl. Merkel, Puhle
1999: 110). Dennoch ist es unumgänglich, die wirtschaftliche Modernisierung voranzutreiben.
Wohlstand wird vermehrt, umverteilt und trägt zur allgemeinen Stabilisierung des Systems
bei. Entsprechende sozioökonomische Reformen sind demnach Grundvoraussetzungen, um
die erfolgreiche Etablierung der Demokratie zu sichern (vgl. Merkel, Puhle 1999: 111).

Unabdingbar für das Funktionieren eines demokratischen Systems ist ein intaktes Netz von
Institutionen, die den formalen Rahmen stellen, den Zugang zur Macht Regeln. Doch der
Umgang mit diesen Institutionen muss gelernt sein; es muss eine weitreichende Akzeptanz in
der Gesellschaft vorhanden sein (vgl. Merkel, Puhle 1999: 111). Hilfreich ist hierbei eine
schon vorhandene Tradition, die der Demokratie gegenüber freundlich gesinnt ist (s. o.).
Religiöser Fanatismus, zu dominante gesellschaftliche cleavages, Clanstrukturen oder
sonstige mit der modernen Gesellschaft nicht vereinbare Strukturen, sind wenig förderlich.

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Wie bereits oben angeführt, bedarf es zu einem erfolgreichen Systemwechsel einer tragenden
Schicht, die bereit ist, die Veränderung voranzutreiben. Ein Umsturz aus dem Volk heraus ist
als unwahrscheinlich zu erachten, weshalb der Blick auf die jeweiligen politischen Eliten
fallen muss. Sind diese möglichst breit organisiert, haben den Rückhalt der wichtigsten
Organisationen, sowie der Massen, und verfügen alles in allem über einen demokratischen
Grundkonsens, so sind die Ausgangsbedingungen durchaus positiv (vgl. Merkel, Puhle 1999:
113, 122ff).

Ein außerordentlich wichtiges und recht eindeutig auszumachendes Ereignis sind die ersten
Wahlen nach der Ablösung des alten Regimes, beziehungsweise die, die es aus dem Amt
entlassen (founding elections). Diese können auf unterschiedliche Weise und unter
verschiedenen Vorzeichen stattfinden und müssen danach bewertet werden, in wie weit sie
demokratischen Mindestanforderungen genügen (vgl. Merkel, Puhle 1999: 118). Auf jeden
Fall sind founding elections ein strukturgebendes Element, dessen Ergebnis in der Lage ist,
gewisse Unsicherheiten in der Gesellschaft zu beseitigen. Natürlich ist es nicht von der Hand
zu weisen, dass der Ausgang dieser Wahlen durchaus unsicher ist, da mangelnde Erfahrung
seitens der Wähler häufig zu Problemen führen kann (vgl. O’Donnell, Schmitter 1986: 61ff).
Aufgabe der so zu Stande gekommenen Versammlung ist die Schaffung einer demokratischen
Verfassung. An dieser Stelle kommt die Frage nach ihrer Qualität auf; wie klar ist sie
formuliert, welche gesellschaftlichen Gruppierungen hatten Einfluss auf ihren Innhalt, mit wie
viel Weitsicht ist sie formuliert und schließlich wie groß ist die Zustimmung seitens der
Gesellschaft (vgl. Merkel, Puhle 1999: 120ff)? Auch ist es wichtig, festzustellen, in wie weit
die politischen Eliten des alten Regimes am institutional engeneering beteiligt waren,
beziehungsweise diesen Prozess beeinflussen, bremsen und behindern (vgl. Merkel, Puhle
1999: 121).

Es stellt sich heraus, dass in dieser Phase der Transformation mehr als in der vorherigen die
Eliten tragende Kraft sind. Diese haben die Aufgabe, unter Berücksichtigung der
soziokulturellen Gegebenheiten Reformen anzustreben, um die ökonomische Situation des
Landes zu sichern, sowie durch das Abhalten erster demokratischer Wahlen und der
Schaffung einer freiheitlichen Verfassung die Grundsteine für eine funktionierende
Demokratie zu legen.

2.2.3 Konsolidierung

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Ausgangssituation dieser dritten, letzten und wichtigsten Phase ist folgende: founding
elections wurden abgehalten, eine demokratische Verfassung wurde ratifiziert und rein
technisch funktionieren die politischen Institutionen reibungslos (vgl. Merkel, Puhle 1999:
135). Die Konsolidierung muss nun als parallel laufender Prozess der Zunahme an
Zustimmung für die neue demokratische Ordnung verstanden werden, beginnend mit den
ersten demokratischen Wahlen. Erfolgreich abgeschlossen ist er erst, „..., wenn alle politisch
signifikanten Gruppen die zentralen politischen Institutionen des Regimes als legitim ansehen
und die Spielregeln der Demokratie befolgen, die Demokratie also sozusagen „the only game
in town“ (Przeworski) ist“ (Merkel, Puhle 1999: 135/136). Die Faktoren, die letztlich
Einfluss üben, sind vielfältig und über alle Bereiche der Gesellschaft verteilt. Wie bereits in
den oben erwähnten Phasen, spielt zunächst die wirtschaftliche Performanz des Systems eine
wichtige Rolle, da sie direkt spürbar ist (vgl. Merkel, Puhle 1999: 140f). Ebenso muss der
durch das neue System als solcher neu geprägte Staat internatonal integriert und anerkannt
werden, soll er von Bestand sein (vgl. ebd: 142). Betrachtet man die Aufgaben der Parteien,
soll es hier genügen, darauf hinzuweisen, dass sie neben den Aufgaben in einer
funktionierenden Demokratie zusätzlich noch maßgeblich zur Konsolidierung beitragen
müssen; sie haben die Aufgabe mit hinreichend effektiver Organisation, den Zugang der sich
neu herausbildenden pluralistischen Interessen zu kanalisieren und zur Geltung zu bringen
(vgl. Merkel, Puhle 1999: 143ff).

3. Fallstudie Somalia: Ursachen für das Scheitern eines Systemwechsels


3.1 Ausgangssituation

3.1.1 Zur somalischen Gesellschaft

Zum weiteren Verständnis ist es wichtig, die allgemeine Gesellschaftsstruktur Somalias kurz
zu durchleuchten. In den Fokus sollen hier aufgrund ihrer wichtigen Rolle im historischen
Verlauf die clanbasierten Organisationsmuster der pastoralen Nomaden des somalischen
Nordens rücken, entlang deren Verwandtschafts- und Beziehungslinien auch das politische
Geschehen strukturiert werden kann.

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Formal gesehen ist die somalische Gesellschaft ethnisch homogen1, jedoch fungiert als
wirkliches strukturgebendes Element die Familien-, beziehungsweise Clanzugehörigkeit (vgl.
Ssereo 2003: 25). Es gibt sechs große Clanfamilien, die Darod, die Isaaq, die Dir, die Hawiye,
die Rahanwein und die Digil, entlang deren Verwandtschafts- und Abstammungslinien eine
weitgreifend verzweigte Verknüpfung besteht (vgl. Ssereo 2003: 25). Ein weiterer wichtiger
Punkt ist die Zugehörigkeit zum Islam, ebenfalls über den größten Teil der Gesellschaft
verteilt und im Clanwesen integriert (vgl. Bakonyi 2001: 50f). In der politischen Geschichte
Somalias spielten diese Verwandtschaftsbündnisse immer wieder eine große Rolle, da sie sich
über nahezu die gesamte Bevölkerung erstrecken. In der traditionellen Gesellschaft dienten
sie als einzige Organisationseinheit (vgl. Ssereo 2003: 26). Seit Beginne der Kolonialisierung
erfolgten, geschah es immer wieder, dass die Clanstrukturen benutzt und systematisch
instrumentalisiert wurden (vgl. Ssereo 2003: 27ff/ Bakonyi 2001: 63). Im Zuge der
Modernisierung der somalischen Gesellschaft unter Barre wurde eine ambivalente Politik
bezüglich der Clans betrieben, die ihre Organisationsmuster als systemschädlich bekämpfte,
andererseits die traditionellen Kanäle nutzte um die eigene Position zu stärken und
Kombattanten zu rekrutieren (vgl. Bakonyi 2001: 85). Abschließend bleibt festzustellen, dass
die Zugehörigkeit zur Familie, zum Clan, stets vor dem Zugehörigkeitsgefühl zum Staat als
solchem überwog und dass sowohl ältere als auch aktuelle Situationen und Konflikte ohne
Beachtung dieser Tatsache nicht richtig erfasst werden können.

3.1.2 Somalia zu Zeiten der Entwicklungsdiktatur

Da ein zu umfassender historischer Überblick den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, soll
der folgende Abschnitt einen Gesamteindruck der Zeit kurz vor Beginn der für den
Niedergang des Barreregimes am 21. Januar 1991 entscheidenden Handlungen geben.

Die am 1. Juli 1960 etablierte parlamentarische Demokratie, auf dem Gebiet der
zusammengefassten somalischen Kolonialterritorien von Groß Britannien und Italien,
scheiterte endgültig mit der Machtübernahme nach einem unblutigen Militärputsch durch das
“Supreme Revolutionary Council” (SRC), zusammengesetzt aus führenden Militärs und
Polizeiangehörigen unter der Führung des Oberbefehlshabers der Armee, General-

1
Die somalische Volk ist ethnisch einheitlich und teilt die gemeinsame Sprache Somali, was im afrikanischen
Kontext eine Ausnahme darstellt. Es gibt verschiedene Ansichten darüber, ob hierbei vom „einzigen
Nationalstaat Afrikas“ zu sprechen ist. (vgl. Bakonyi 2001)

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Major Mohammed Siyaad Barre, am 21. Oktober 1969. Gleichschaltung der Presse und in
Anspruchnahme der Justiz folgten umgehend (vgl. Bakonyi 2001: 71/74). Im Folgenden
gestaltete das Barre-Regime Somalia in eine so genannte „Entwicklungsdiktatur“ um, mit
dem „wissenschaftlichen Sozialismus“, einer Mischung aus traditionell somalischer
Pastoraldemokratie, islamischer Religion, maoistischem Personenkult und marxistisch-
leninistischen Einflüssen, als ideologische Grundfeste (vgl. Bakonyi 2001: 75). Als größter
Geldgeber fungierte auf lange Zeit die Sowjetunion, deren Wirtschaftsweise der SRC
übernahm, den landwirtschaftlichen Sektor zentralisierte und zusammen mit allen weiteren
verstaatlichte (vgl. Bakonyi 2001: 75). Ungeachtet der Details der weiteren wirtschaftlichen
Entwicklung gilt diesbezüglich festzuhalten, dass es der Barre-Regierung nicht gelang, die
Legitimation der Entwicklungsdiktatur mit wirtschaftlichem Erfolg zu untermauern; das Ziel
der Autarkie Somalias bleibt weit verfehlt, sodass bereits 1970 die wirtschaftliche
Entwicklung zum Stillstand kommt (vgl. Bakonyi 2001: 76f). In Reaktion auf den
Beschäftigungsmangel im Agrarsektor, bildete sich ein unverhältnismäßiger Staatsapparat
heraus, der enorme Teile des Staatsbudgets verschlingt und dennoch zum einzigen Zugang zu
Wohlstand wird; große Teile der Bevölkerung sind somit direkt vom Wohlergehen des Staates
abhängig (vgl. Bakonyi 2001: 77). Aus Kombination der aussichtslosen wirtschaftlichen
Situation und des repressiv diktatorischen Charakters des politischen Systems an sich lässt
sich nun folgendes Bild als Ausgangspunkt der weiteren Betrachtungen skizzieren: Es
herrschte eine „desperate situation caused by intense economic crises, food shortages,
insufficient medical services, sanitation, unemployment, insecurity and continued frustration
of political aspirations“ (vgl. Ssereo 2003: 29).

3.2 Analyse der somalischen Transformation

Im nun folgenden Hauptteil dieser Arbeit soll eine Zuordnung und Analyse der Vorgänge des
Systemwechsels in Somalia anhand der in Kapitel eins und zwei erarbeiteten Grundlagen
stattfinden. Die Gliederung geschieht anhand der vorgestellten drei Phasen der
Transformation und den Leitfragen nach den Hauptakteuren und deren Fehlern.

3.2.1 Liberalisierung – Ende des nichtdemokratischen Systems

Trotz der in 3.1.2 angesprochenen wirtschafts- und sozialpolitischen Misserfolge konnte sich
das Barre-Regime zunächst auf eine relativ stabile Unterstützung, strukturiert durch das

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Clansystem berufen; nicht zuletzt durch die betriebene „Greater Somalia“-Politik2 (vgl.
Bakonyi 2001: 80). Der eigentliche Beginn des Delegitimierungsprozesses ist folglich erst
zum Zeitpunkt des Scheiterns im Ogaden-Krieg im Jahre 1978.

Faktor 1: militärischer Misserfolg

Barre begann den Krieg zunächst um von den innenpolitischen Problemen abzulenken; er sah
hier das größte Mobilisierungspotenzial in der Bevölkerung. Was zunächst mit der
Unterstützung der “Western Somali Liberation Front” (WSLF), der
Unabhängigkeitsbewegung im Ogaden begann, gipfelte schließlich mit dem Einmarsch
somalischer Truppen im Juli 1977, der zunächst erfolgreich (60% des Territoriums unter
somalischer Gewalt) war (vgl. Bakonyi 2001: 80f). Der Umschwung erfolgte erst, als die
Sowjetunion und mit ihr Kuba die umfangreiche militärische und finanzielle Unterstützung
versagten, da sie durch den Angriff auf Äthiopien ihre Pläne eines afrikanischen Bündnisses
sozialistischer Staaten (Somalia, Äthiopien, Südjemen) untergraben sahen (vgl. Bakonyi
2001: 81). Die Niederlage erfolgte Anfang 1978.

Barre, der wie gesagt versucht hatte die Bevölkerung mittels des Ogaden-Kriegs auf seine
Person zu vereinen, verlor nun erheblich an Popularität. Verschärft wurde dies durch die
weitere Verschlechterung der Wirtschaftslage (hohe Kriegskosten, Wegfallen sowjetischer
Unterstützung, Flüchtlingsströme aus dem Ogaden3) und die damit verbundene drohende
Hungersnot (vgl. Bakonyi 2001: 80f).

Der erste Anhaltspunkt für das Scheitern des sozialistischen Regimes ist also in der
Niederlage im Ogaden zu finden. Wie im theoretischen Teil erörtert, schwächten auch in
Somalia unlösbare wirtschaftliche Problemlagen und kriegerischer Misserfolg die Stellung
des Diktators.

Faktor 2: wirtschaftliche Öffnung – Ende des Wissenschaftlichen Sozialismus

Des Weiteren ist in 2.2.1 in Anlehnung an O’Donnell und Schmitter von der Öffnung des
autokratischen Systems die Rede. In der Tat erfolgte eine solche in Reaktion auf das
Wegfallen der sowjetischen Protektion, wenn sie auch vornehmlich wirtschaftlicher Natur
war.

2
Der Begriff „Greater Somalia“ meint die Ausdehnung des somalischen Staatsgebietes anhand der Grenzen der von Somalis
bewohnten Gebiete, hier relevant vor allem im äthiopischen Ogaden (bewohnt von ca. einer Million Somali), einem direkt an
Somalia grenzenden Landstrich. (vgl. Bakonyi 2001: 80)
3
Tausende von Ogaden-Somali flüchteten aus Angst vor äthiopischer Vergeltung nach Somalia (vgl. Bakonyi 2001: 81).

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Somalia war nun gänzlich auf westliche Wirtschaftshilfe angewiesen und Barre veranlasste
auf Druck der USA und der Weltbank eine Schrittweise Öffnung und Reprivatisierung der
Wirtschaft. Aus einem Bündel verschiedener Faktoren (Anstieg der Boden- und
Lebensmittelpreise) entwickelte sich mit umfangreichem Schmuggelgeschäft mit
ausländischer Wahre ein weitgreifender informeller wirtschaftlicher Sektor, der der Kontrolle
der Regierung nicht unterlag (vgl. Bakonyi 2001: 83). Diese neue Art des Wirtschaftens
entspricht nicht den Ansprüchen des zuvor propagierten wissenschaftlichen Sozialismus.
Somit kann dieser hier formal als beendet erachtet werden (vgl. Bakonyi 2001: 83).
Festzuhalten ist hier, dass Druck von außen das autokratische Regime zur Öffnung bewogen.

Eine weitere im ersten Teil erwähnte Bedingung wird in der geschilderten demnach Situation
erfüllt. Schrittweise wurde das System, wenn auch nicht auf interne Impulse hin, geöffnet, bis
die getroffenen Maßnahmen nicht mehr zu revidieren waren (vgl. 2.2.1).

Faktor 4: Fraktionierung der Eliten

Die Schuld am Scheitern des Ogaden-Kriegs wurde Barre von einigen seiner ehemaligen
Anhängern angelastet, sodass er seitens der Militärs wichtige Unterstützung verlor, was
schließlich in einem Putschversuch seitens einiger Offiziere mündete. Alle bis auf einen,
Colonel Abdullhi Yusuf, der nach Äthiopien flüchtete und dort eine Guerilla-Bewegung
gegen das Barre-Regime ins Leben rief, wurden exekutiert. Ende der 1980er Jahre andere
ebenfalls ins Ausland geflohene Dissidenten eine weitere Anti-Regime Bewegung.4 Barre
konnte sich nun nicht mehr auf das Militär berufen und besetzte alle wichtigen Ämter mit
Familienangehörigen. Zahlreiche Offiziere wurden in den Jahren bis um 1980 der Paktierung
mit der Opposition beschuldigt und darauf hin hingerichtet, was zu einer Meuterei von
Offizieren im Norden des Landes führte; in indirekter Reaktion darauf formierte sich im
gleichen Gebiet die erste offene Anti-Regime-Demonstration (vgl. Bakonyi 2001: 83). Das
letzte mögliche Mittel blieb nun rohe Gewalt; das Militär wurde zunehmend gegen die
Zivilbevölkerung eingesetzt. Entlang der Clan-Linien entstand eine bewaffnete
Aufstandsbewegung, der sich immer mehr Menschen anschlossen, bis Barre schließlich den
gesamten Norden verlor (vgl. Bakonyi 2001: 83f).

4
Die Rede ist hier von der “Somali Salvation Democratic Front” (SSDF) und dem “Somali National Movement” (SNM), die
beide gleichsam aus dem Grenzgebiet zu Äthiopien gewaltsame guerillaartige Aktionen gegen das Barre-Regime führten
(vgl. Bakonyi 2001: 83).

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An aufgeführtem Beispiel ist zu erkennen, wie die ehemals regimetreuen Eliten sich
fraktionieren, wobei das Militär in diesem Fall die Stellung der softliners einnimmt.
Interessant ist hierbei, dass sich die eigentliche Oppositionsbewegung aus dem Regime heraus
formt und die reformativen Kräfte auf keine Verhandlungsbasis mit einer bereits bestehenden
Opposition zurückgreifen können (vgl. O’Donnell, Schmitter, Whitehead 1986). In diesem
Falle formierte sich mehr oder weniger in direkter Reaktion auf die Repressionen der
Regierung (im Verlauf der 1980er Jahre) eine militärische Anti-Regime-Bewegung zum
offenen Krieg gegen die Regierung.

Faktor 5: Stärke der civil society vs. Clanallianz

Zunächst scheint es äußerst fragwürdig im Falle Somalias von einer civil society5 zu sprechen.
Weder kann auf große demokratische Erfahrungen, abgesehen vom gescheiterten Versuch
einer parlamentarischen Demokratie der schließlich in der Diktatur endete, zurückgegriffen
werden, noch verfügt die somalische Gesellschaft über die in diesem Kontext vorausgesetzten
Organisationsmuster (vgl. Anmerkung 5). Doch machten es gerade ihre Besonderheiten
möglich, Menschen gegen das Regime zu mobilisieren. Sämtliche Aktionen wurden letztlich
anhand der erläuterten Clanstrukturen organisiert; sei es nun die Widerstandsbewegung oder
die Versuche Barres sich gegen diese zu wehren (vgl. Bakonyi 2001: 85f). Auch wenn die
somalische Clanstruktur gegenüber der Zivilgesellschaft erhebliche Defizite6 aufweist und in
ihrem Wesen nicht vergleichbar, so wirkt sie in diesem Fall als eine Art Surrogat mit
erheblichem Mobilisierungspotenzial im Kampf gegen das autokratische Regime.

3.2.2 Demokratisierung

Der weitere Verlauf des Bürgerkrieges soll an diesem Punkt nicht mehr genauer behandelt
werden. Es genügt festzustellen, welche Auswirkungen er auf Somalia im Ganzen hatte. Barre
wurde im Frühjahr 1992 nach einem gescheiterten erneuten Machtergreifungsversuch
endgültig entmachtet und starb drei Jahre später in Nigeria. Das Land lag nun wirtschaftlich
vollends am Boden, da ihm die internationale Unterstützung bereits Ende der 1980er Jahre
entzogen wurde. Ebenso war weder eine Infrastruktur, noch eine funktionierende

5
„...vor- bzw. nichtstaatliche Handlungssphäre, in der sich eine Fülle pluraler und miteinander konkurrierender wie
korporierender Initiativen, Vereinigungen und Interessengruppen gewegen, um ihre spezifischen normativen und/oder
materiellen Interessen wirkungsvoll und selbstorganisiert zu vertreten“ (Merkel, Puhle 1999: 166/167).
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So argumentieren Merkel und Puhle (1999: 167), dass die von der Zivilgesellschaft verkörperten Ideale der Toleranz und
Fairness, sowie die prinzipielle Ablehnung von physischer Gewalt letztlich nur die Demokratie als Staatsform zuließen.
Diese Prinzipien entsprechen allerdings nicht der somalischen Tradition.

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Verwaltungsstruktur vorhanden (vgl. Bakonyi 2001: 86). Nach heftigen Kämpfen der
verschiedenen Revolutionstruppen gegen die Regierungstruppen, die sich aufgrund des
Geldmangels auflösten, überzogen das ganze Land. Ende 1990 wurde dann Mogadischu, die
letzte Bastion Barres von Milizen des „Unitet Somali Congress“ (USC), einer 1988
entstandenen Guerillabewegung eingenommen.

Faktor 1: founding elections – Aufbau von Institutionen

Als Beginn der Phase der Demokratisierung wurde in 1.2.2 auf die Institution der founding
elections verwiesen, die ersten demokratischen Wahlen nach der Beendigung der
autokratischen Herrschaft. An diesem Punkt wird deutlich, wie schädlich die Clanstrukturen
für den Verlauf der Demokratisierung waren, beziehungsweise sind.

Gründungswahlen wurden nie abgehalten. Das Land wird faktisch von so genannten War
Lords beherrscht, denen es gelang, im Gewirr der Milizenstreitigkeiten um die Staatsmacht7
nach dem Sturz Barres durch Beziehungen und Geld von der seit diesem Zeitpunkt
herrschenden Staatenlosigkeit in Somalia zu profitieren. Das strukturierende Element der
ersten Wahlen, das den Beginn jeder Demokratisierung kennzeichnet, fehlt somit gänzlich,
was die Etablierung einer Demokratie betrifft, geht man von den in 1.2.2 genannten
Voraussetzungen aus. In diesem Umfeld ist es somit bis zum heutigen Tag nicht gelungen, ein
funktionierendes Institutionengefüge, geschweige denn eine allgemein anerkannte Regierung,
zu etablieren. Zwar wurde durch internationale Bemühungen eine im Exil gebildete
Übergangsregierung8 eingesetzt. Diese wird jedoch weiterhin nicht anerkannt und bleibt
machtlos.

Faktor 2: Eliten

In somalischen Kontext ist es einfach herauszustellen, welche die Tragenden Akteure in


diesem Prozess sind: Es sind die War Lords, in deren Interesse es jedoch nicht ist, ein
funktionierendes, demokratisches Staatswesen zu etablieren, da sie alleine aus der
Unsicherheit der Umstände ihre Daseinsberechtigung beziehen (vgl. Höhne 2007: 92). Es
besteht also keine politische Elite als solche, die in Lage wäre, wie von Merkel und Puhle

7
Einzelne Gruppierungen ernannten jeweils Präsidenten aus ihren eigenen Reihen entlang der Clanzugehörigkeit.
Langandauernde Kämpfe folgten (vgl. Bakonyi 2001: 86ff).
8
„Transnational Federal Government“ (TFG) (vgl. Höhne 2007: 93)

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dargestellt, den Prozess der Demokratisierung voranzutreiben und zu leiten (Entstehung von
Parteien etc.).

4. Fazit

Vor skizziertem Hintergrund erübrigt sich die Frage nach einer möglichen Konsolidierung.
Somalia gelingt es nicht, ein demokratisches System zu etablieren. Die Gründe hierfür sind
zahlreich und vorhergehend ausführlich dargelegt worden. Schon die Beseitigung der
Militärdiktatur Barres war nicht ohne einen verheerenden Bürgerkrieg zu Bewältigen und
mündete schließlich im Staatszerfall. Zentrifugale gesellschaftliche Kräfte ergriffen zu einem
empfindlichen Zeitpunkt die Macht und geben sie nun nicht mehr her, weshalb „bisher alle
internationalen Interventionen mit dem Ziel, wieder eine zentralstaatliche Ordnung in Somalia
aufzubauen, gescheitert“ sind (Höhne 2007: 77).

Dabei bleibt jedoch eines zu bedenken: Aus der Analyse des Niedergangs der Barre-
Regierung anhand der im ersten Kapitel erarbeiteten Hilfsmittel lässt sich ein erhebliches
Potenzial der somalischen Gesellschaftsstrukturen erkennen, kollektiv tätig zu werden.
Entsprechend dem kulturalistischen Ansatz, der die Mobilisierung entlang der Clanstrukturen,
aber auch deren scheinbare Inkompatibilität mit der demokratischen Ordnung erklären kann,
zeigt sich die Wichtigkeit der sozikulturellen Voraussetzungen eines Landes in Bezug auf
seine Demokratiefähigkeit.

Als Ergebnis dieser Arbeit ist ebenfalls anzusehen, dass das Scheitern der Demokratie im
Falle Somalias auf das situative Handeln einiger weniger Akteure zurückzuführen ist, deren
Existenz von selbigem abhängt. Hier wäre es falsch, trotz der in die Argumentation
eingebauten Verweise auf das Clanwesen, diese als das Demokratisierungshindernis zu
betrachten, da nur ihre Strukturen instrumentalisiert und zu Kriegstreiberei und
Machtanhäufung benutzt wurden.

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