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Dem ganzen offen zugetan war ich noch am Tag davor.

Hätte ich gewusst, dass mein liebes


Gesicht mir mehr den Plan durchkreuzen würde, als meine vorgefassten Entscheidungen
bereits getroffen waren, ich hätte mich sofort schon am Anfang mit dem erstbesten geprügelt;
dann wenn die Kerle gerade so besoffen sind, dass sie das Gesicht noch treffen; wenn sie noch
eine Chance haben.
Jetzt ist es mehr so, als ob es ein Witz war. Fast 150 Fremde, das schließt die Spinner mit ein,
die vorgaben mich bereits einmal getroffen zu haben, liefen da rein und raus. Wie ein
Bahnhof unbegrenzt, schmutzig, verrauscht, laut und obszön. Jetzt ist keiner von denen mehr
da. Es riecht nach Zigaretten, Bier und Pisse. Es grenzt an ein Wunder, dass so wenige
gekotzt hatten. Soll ich mich jetzt etwa dafür bedanken?
Den ganzen Abend schaue ich in die blöde Fratze der Pöbelei, stumpf und aggressiv glotzen
sie sich an. Der Schwanzvergleich der Hässlichkeit. Ich schüttele genauso viele Hände wie ich
die Kerls am Kragen nach draußen hieve. Ich meine, das ist immerhin ein Vorteil: So wenig
sie auch darstellen, so wenig wiegen die Jungs. Machst man irgendwo in der Disco Ärger oder
fängst an der Pommesbude oder am Kiosk einen Streit an, ist diesen Orten mit gemischtem
Publikum oft eigen, dass man am Gegenüber sofort erkennen kann ob jener statt Hirn lieber
Muskeln auf die Bank gezahlt hatte. Kollege, dann lässt Du die Finger davon. Das lernst du
früh.
Bei den Couleurstudentischen Aufläufen gibt es keine Muskelmenschen, oder nur selten.
Diese Vereinspatrioten bestechen mehr durch Hemdsärmeligkeit und übersteuertem
Selbstbewusstsein. Scheissdrauf. Einer steht bei mir im Zimmer, in der Tür und guckt in die
Runde. Es ist so ein Haus mit 3 Etagen, wo ich in der 2. Etage wohne, am Ende ganz durch.
Die Party heute fand aber im Keller statt, und war noch in vollem Gange. Auch die Weiber,
das Bier, die Toiletten waren da. Hier wohnten wir nur. Hier war nichts, hier war das Licht im
Flur kaputt und die Türen zu. Aber dieser Junge tauchte auf einmal auf meinem Teppich auf.
Er verzieht das Gesicht: "Raucht ihr hier?" Ich war wie weg. Das kann doch nicht sein, der
schien nicht mehr normal zu sein, tat so als wär’s das normalste der Welt hier aufzukreuzen.
"Kann ich mitrauchen?" – Mit einem Satz stand ich neben ihm: "Ja fein, fein, aber was zur
Hölle machst Du hier? Ich meine, was WILLST du hier?" Er kaum verlegen, macht nen
kleinen Schritt beiseite, weil ich ihm schon ziemlich nah kam. "Naja ich war auf dem Weg
zum Klo und da dachte ich..." Irgendwie machte es da klick bei mir. Ich sah dass der Hund
alle Türen zu den Wohnungen im Flur aufgemacht hatte und überall seine Nase reingesteckt
hatte. Ich ließ ihn nicht ausreden, packte am Genick und hob ihn hoch. Die Jungs waren eben
aus Pappe. Ich raste mit ihm die Treppe herunter bis in den Keller: "Sag mal Wo ist denn
Deiner Meinung nach die Toilette?" - "Naja, im Keller ist eine und im ersten Stock..." - "Ach
im 1. Stock warst du auch schon schnüffeln?" - "Nein, ich,…" aber ich schnitt ihn ab. War ja
eh sinnlos darüber zu reden. "Brauchst gar nichts drüber zu verlieren. Wir schauen uns das
Klo im Keller mal an, ob's da denn Probleme gibt."
Ich riss die Tür auf, einer machte sich gerade die Hose zu. Sieht uns an und wackelt dann
noch etwas schneller aus dem Bad heraus. Alles ist voller Dreck und Pisse und Scherben.
"Weißt Du was Sichturin bedeutet?" - "Was hat denn das jetzt damit...?" - "Das heißt, ich
schaue DIR jetzt zu!" dabei schob ich ihn zum Pissoir und deutete auf die schmutzige
Keramik. "Ich will jetzt sehen dass du in dieses verschissene Klo pisst!" Er drehte sich um
wie bescheuert. "Aber ich muss gar nicht" Wieder klick in meinem Kopf. "Warum," ich
packte ihn wieder am Kragen, diesmal von vorne und geriet ganz nah an sein Gesicht,
"verdammt noch mal, was hast Du dann in den ganzen Etagen gesucht?" er war nicht mehr so
verlegen. "Marie, die wohnt doch hier..." kam es direkt aus seinem dreisten Mund. Wir beide
wussten genau dass es ein Wohnheim für katholische, männliche Studenten war und wir
schauten uns beide an.
Jetzt wo ich hier sitze, zieht ein Luftzug durch die offene Tür. Eins der Zimmer, in denen er
seine Marie vermutete ist versetzt mit kaltem Zigarettenqualm und mehr dreckiger Wäsche als
Möbelstücke. Das meiste davon hab ich am Leib. Es zieht durch den Flur die und ich fühl
mich ausgezeichnet. Ausgezeichnet Scheiße. Aus dem anderen Zimmer dringen die leisen
Geräusche von angestrengtem Unterdrücken von Fickgeräuschen. Nachdem Sie eben den
Fernseher etwas lauter gedreht hatten, um nicht alleine in ihrer Scham zu versinken, sondern
wie japanische Mädchen auf der Toilette in einer Kakophonie unterzugehen, waren sie dem
Abendprogramm voll in die Gabel gelaufen. Ich hörte die lautgestellte Interpretation der
Hymne der DDR mit Kabarettistischen Einlagen. Muss am Wortspiel liegen, wenn ich mir
vorstelle zu einer schallenden Hymne ein Hymen zu durchbrechen. Sie schafften es während
des Koitus nicht die plötzlich auftauchende DDR-Hymne wegzuschalten, womöglich fanden
sie beim ficken den Schalter nicht, jedenfalls dauerte es na ganze Weile bis der dröhnende
Choral aus der Glotze dem Stöhnen der kleinen Lady wich. Sie waren so verbissen, sie
würden es auch trotz deserotischer Irritationen schaffen.
Ich wünschte mir auch ich hätte jemand aus dem anderen Ende der Stadt eingeladen mit der
Bereitschaft mit mir mehr als ein Abendessen zu teilen. Das witzige war, ich hatte ja. War halt
nur irgendwie nicht dasselbe. Wenn ich überlege muss es sich wie Fernweh anfühlen, wie
wenn man gerade im Lotto gewonnen hat, jedoch mit der richtigen letzten Zahl noch
Milliardär geworden wäre. Man kann so was nur im Fernsehen sehn, oder lesen, halt
betrachten und sich vorstellen, aber man wird es nie erfahren. Ich ging in die Küche und hörte
wie sie langsam zum Höhepunkt kam. Ich stellte mir die Kleine vor und schob mir dazu den
Rest des
Abendessens rein, das übrig geblieben war. Es kam mir vor wie die gerechte Strafe, oder
meinen Ausgleich. So hatte ich doch zumindest das Essen gefressen.
Keine Situation gestern hätte heute dazu geführt, dass ich eine Lady hätte die mich jetzt aus
den schmutzigen Hosen zerrt. Es kam mir irgendwie ungerecht vor. Irgendwie war diese
Beziehung asynchron - mein großes Interesse versus das Desinteresse des Kosmos. Es muss
daran liegen, dass mir das alles zu anstrengend ist. Ich hab überhaupt keine Lust mich auch
nur ein Stück zu verbiegen oder mir Hosen von Calvin Klein zu kaufen, nur weil
Schminkemagazine diese im Innenteil abbilden. Verdammt, wer macht eigentlich diese
Popkultur? Bin ich nicht auch ein Teil davon? Wo sind die verdammten Verherrlichungen von
Atombomben und wer betreibt eigentlich noch Maschinenkult? Gibt’s nicht irgendwo auch
Leute die sich einen Scheiß für die Medien interessieren? Muss es immer über diesen Kanal
gemessen werden? Gibt es auch Weiber die mehr im Hirn haben außer verdammter Scheiße?
Ich hab das Gefühl, die ziehen den Dreck förmlich an. Die Unfähigkeit; das beschränkte
Vermögen über seine Außenwelt; die Soziale Maskerade; die Scheiße. Ich hab es satt. Ich
kann keine mehr sehen, sie können mir alle gestohlen bleiben. Wenn ich nur noch einmal
diese halbgare Scheiße höre, dieses hohle Gerede, diese Vorwände und das ganze blabla ich
bringe alles um. Den einfachsten Weg durch die Annehmlichkeiten hindurch, immer nur die
Zuckerwatte, keiner macht ihnen den Holzspiess schmackhaft.
Ich huste mir die Seele aus dem Leib und rolle unter Tränen und Lungenschmerzen eine neue
Zigarette zusammen. Mit Genügsamkeit und einem Blick auf die orange Flamme ziehe ich an
der Kippe. Sie schmeckt gleichzeitig wie Duschwasser aus den Judenlagern und nach
körperlicher Entspannung. Thom Yorke wippt mit seinen Radiokopf im Takt zu meinen
Zügen. Das Stöhnen im Gang hat endlich aufgehört. Zwischen meinem Scheißneid und dem
absoluten Unverständnis für die Herbeiführung einer solchen Situation schwelge ich in
meinem schwarzen See. Alles so anstrengend. Verdammt anstrengend.

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