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Der Zerfall eines Partnerregimes  23.02.2011

TRIPOLIS/BERLIN  (Eigener Bericht) - Auf die Massaker an
Demonstranten in Libyen reagieren Berlin und die EU mit neuen
Maßnahmen zur Flüchtlingsabwehr. Während stets neue Berichte
von blutigen Gewalttaten der libyschen Repressionsapparate gegen
Protestierende bekannt werden, hat Brüssel der europäischen
Flüchtlingsabwehrbehörde Frontex den Auftrag erteilt, die angeblich
zu erwartende Flucht von bis zu 750.000 Personen aus Libyen zu
stoppen. Bisher gehörte die Abwehr von Flüchtlingen zu den zentralen Feldern der
Kooperation zwischen der EU und dem al Gaddafi-Regime, das nun offenbar in
mörderischen Machtkämpfen zerfällt. Mit ihm verliert Berlin einen Partner, der nicht nur
jahrzehntelang zu den größten und zuverlässigsten Öllieferanten der Bundesrepublik
zählte, sondern sich auch in den vergangenen Jahren als effizienter Gehilfe bei der
Abschottung Europas gegen unerwünschte Migranten erwiesen hat. Die
Repressionsorgane Libyens, die gegenüber Flüchtlingen ihrer Brutalität immer wieder
freien Lauf ließen - bis hin zum Mord -, wurden mit deutscher Hilfe trainiert und
ausgerüstet. Die erlernten Kampftechniken stehen nun ebenso zur Niederschlagung der
Proteste zur Verfügung wie die gelieferten Rüstungsprodukte.

Mit Frontex gegen Flüchtlinge
Während die blutigen Kämpfe in Libyen anhalten, mit denen das al Gaddafi-Regime sich
an der Macht zu halten sucht, bereitet die EU sich auf die Abwehr von Flüchtlingen aus
Libyen vor. Wie es in Berichten heißt, hat Brüssel die Frontex-Behörde beauftragt,
entsprechende Maßnahmen vorzubereiten. Frontex ist bereits damit beschäftigt,
Flüchtlinge aus Tunesien von einer Einreise in die EU abzuhalten. Aus
Kommissionskreisen verlautet, man rechne damit, dass bis zu 750.000 Menschen aus
Libyen nach Europa zu gelangen versuchen könnten - Migranten aus Ländern südlich
der Sahara, aber auch Libyer, die der Gewalt entkommen wollten. Den Berichten
zufolge bereitet Frontex einen Plan vor, der sämtliche 27 EU-Mitgliedstaaten zur
Mitwirkung verpflichtet [1] - auch Deutschland.

Brutale Repression
Die Gewalttätigkeit des al Gaddafi-Regimes, die sich in den aktuellen Massakern zeigt,
ist schon lange bekannt, nicht zuletzt aus dem Umgang der libyschen
Repressionsapparate mit Armutsflüchtlingen aus afrikanischen Ländern südlich der
Sahara. Menschenrechtsorganisationen und Journalisten berichten seit Jahren
regelmäßig von den brutalen Praktiken, denen Migranten in Libyen ausgesetzt sind.
Dass die Flüchtlinge festgehalten, zu Hunderten in Container gepfercht und in Lager in
der Wüste transportiert werden, wo man sie ohne genügend Nahrung in völlig überfüllte
Zellen sperrt - Fläche pro Flüchtling: oft ein halber Quadratmeter -, gehört zum
Alltag.[2] Glaubwürdige Berichte belegen darüber hinaus, dass es in den
Flüchtlingslagern immer wieder zu körperlicher Folter und zur Ermordung der
Internierten kommt.[3] Dass unerwünschte Migranten zuweilen in menschenleeren
Wüstengebieten an der Grenze des Landes ausgesetzt werden - ohne
überlebensnotwendige Ausrüstung und Nahrung -, kommt Mord ebenso gleich wie der
gelegentliche Beschuss von Flüchtlingsbooten durch die libysche Küstenwache.
Letztere Praxis wurde im vergangenen Herbst einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als
versehentlich ein italienisches Fischerboot getroffen wurde.[4] Beschwerden von
Menschenrechtsorganisationen, laut denen in Libyen willkürliche Inhaftierung, Folter und
das Verschwindenlassen von Oppositionellen zu beklagen sind, runden seit Jahren das

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weltweit verfügbare Wissen über die Repressionsapparate des Landes ab.

Unterstützung für's Militär
Dessen ungeachtet hat die Bundesrepublik Polizei und Militär Libyens immer wieder
unterstützt. Zusammenarbeit auf offizieller wie auf inoffizieller Ebene gab es bereits in
den 1960er Jahren. Zwischen 1965 und 1983 wurden libysche Soldaten von der
Bundeswehr ausgebildet, libysche Polizisten nahmen in den 1970er Jahren an Kursen
des Bundeskriminalamts (BKA) teil. Über diese höchst offiziellen Formen der
Zusammenarbeit hinaus wurden auf angeblich privater Ebene libysche Offiziere,
Unteroffiziere und ganze Mannschaften von außer Dienst gestellten Angehörigen
deutscher Repressionsapparate ausgebildet; die Vermittlung zwischen den angeblich
privat tätigen deutschen Experten und Libyen übernahm jeweils der BND.[5]

Spezialeinheiten
Zwar wurde die deutsch-libysche Repressionskooperation in den 1980er Jahren offiziell
unterbrochen, als Washington und Bonn Tripolis wegen seiner Opposition gegenüber
dem Westen bekämpften. Der Ende der 1990er Jahre eingeleitete Kurswechsel hin zu
erneuter Kooperation, die schließlich mit der formellen Aufhebung der UN-Sanktionen
im September 2003 einen deutlichen Aufschwung nahm [6], ermöglichte jedoch eine
Wiederaufnahme der Zusammenarbeit bei der Repression. Mehrfach fragten Angehörige
des al Gaddafi-Clans bei der Bundesregierung um Unterstützung für den Ausbau der
Polizei Libyens nach. Offiziell wurde die Bitte zurückgewiesen; inoffiziell fanden sich
jedoch Wege, ihr zu entsprechen: Eine private deutsche Security-Firma entsandte rund
30 aus dem Dienst ausgeschiedene deutsche Polizisten nach Tripolis, darunter
ehemalige Angehörige eines Sondereinsatzkommandos und der Spezialeinheit GSG9.
Diese trainierten libysche Kollegen unter anderem in "taktischem Vorgehen beim Zugriff
auf Gebäuden", im Entern von Schiffen und im Absetzen aus Hubschraubern. Sowohl
der BND wie auch das Auswärtige Amt waren über alle Aktivitäten informiert.[7]

Rüstungsexporte
Die deutsch-libysche Trainingskooperation dauerte Berichten zufolge von 2005 bis
mindestens 2008. 2006 entsandte das Bundesinnenministerium sogar eine Delegation
nach Tripolis, der auch Vertreter des BKA angehörten, um die Tradition der offiziellen
Repressionspartnerschaft wiederzubeleben. Diese kam allerdings nicht zustande, da auf
libyscher Seite kein Interesse mehr bestand. Allerdings werden höchst offiziell
Rüstungsgüter geliefert. Allein in den vergangenen drei Jahren erhielt Libyen
genehmigungspflichtige deutsche Ausfuhren im Wert von mehr als 80 Millionen Euro -
vorwiegend Kommunikationsausrüstung und Hubschrauber, wie sie jetzt vom Militär bei
Angriffen auf Demonstranten verwendet wurden.

Öllieferant
Die enge deutsche Kooperation mit dem al Gaddafi-Regime hat einen doppelten
Hintergrund. Zum einen ist Libyen einer der größten Erdöllieferanten Deutschlands;
auch dank der Repressionsapparate des Landes gelang es bis vor kurzem, die
Erdölexporte und die deutschen Investitionen in der Branche, die jetzt erschüttert
werden, gegen mögliche soziale Widerstände abzusichern. Die BASF-Tochter
Wintershall ist bereits seit 1958 in Libyen aktiv und nach eigenen Angaben mit einem
Investitionsvolumen von zwei Milliarden US-Dollar der größte ausländische
Erdölproduzent in Libyen.[8] Die RWE-Tochter Dea verfügt über Konzessionen für Öl-
und Gasförderung auf einem Gebiet von 40.000 Quadratkilometern. Die auf der Ölrente
beruhenden Leistungsbilanzüberschüsse Libyens - sie beliefen sich zuletzt auf 16,8
Prozent des Bruttoinlandsproduktes - ermöglichen beträchtliche Investitionen in große
Infrastrukturprojekte und wecken Begehrlichkeiten bei deutschen Konzernen. Siemens
etwa beteiligt sich maßgeblich an dem gigantischen Wasserversorgungsprojekt "Great
Man-made River", dem größten Trinkwasserprojekt der Welt.[9] Deutsche Unternehmen
konnten auch ihre Exporte nach Libyen deutlich steigern - im Jahr 2009 um rund 23
Prozent - und damit die Konkurrenz zurückdrängen. Als höchst vorteilhaft für deutsche
Firmen erweist sich zudem, dass das al Gaddafi-Regime in den letzten Jahren die
Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen erheblich vergünstigt hat.
Entsprechend hat Berlin das Regime bis vor wenigen Tagen ausdrücklich unterstützt.

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Flüchtlingsabwehrpartner
Zum anderen besitzt Libyen eine wichtige Stellung in den deutschen Plänen zur
Migrationsabwehr. Die diesbezügliche Zusammenarbeit leitete Berlin öffentlich im Jahr
2004 ein; damals forderte der SPD-Bundesinnenminister Otto Schily publikumswirksam
den Bau von Flüchtlingslagern in der libyschen Wüste.[10] Jüngster Schritt in dieser
Kooperation, die in der Praxis häufig über Italien abgewickelt wird, ist ein
Flüchtlingsabwehrpakt, auf den sich die EU und Libyen im vergangenen Herbst geeinigt
haben. Brüssel hat zugesagt, Tripolis im Verlauf von drei Jahren gut 50 Millionen Euro
zur Verfügung zu stellen; damit sollen die Landesgrenzen abgeschottet und
Flüchtlingslager ausgebaut werden.[11] Der Schritt, den die EU-Kommission einen
"Meilenstein im Kampf gegen illegale Einwanderung" nannte, erfolgte in voller Kenntnis
der verbrecherischen Praktiken der libyschen Repressionsbehörden, deren Brutalität in
den aktuellen Massakern an Protestdemonstranten überdeutlich erkennbar wird.
[1] EU bracing for exodus of asylum seekers; www.timesofmalta.com 22.02.2011
[2] s. dazu Weniger Flüchtlinge, mehr Gas  und Wie Hunde
[3] Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Hinrichtungen in Libyen vom 16. Juni
2010
[4] s. dazu Erfüllungsgehilfen
[5] Peter F. Müller, Michael Mueller, Erich Schmidt-Eenboom: Gegen Freund und Feind. Der
BND: Geheime Politik und schmutzige Geschäfte, Reinbek 2002
[6] s. dazu Streit um Öl  und Tragende Säule
[7] s. dazu Wiederbeginn
[8] Wintershall in Libyen; www.wintershall.com
[9] Libyen; www.siemens.com
[10] s. dazu Festung  und Schilys Schleuser
[11] s. dazu Erfüllungsgehilfen

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