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Wasserstoff- und
Brennstoffzellen-
Industrie in
Baden-Württemberg
Diese Studie wurde beauftragt durch das Impressum
Ministerium für Umwelt, Klima ROLAND BERGER GMBH
und Energiewirtschaft des Sederanger 1
Landes Baden-Württemberg 80538 München
Deutschland
Die Studie wurde finanziert +49 89 9230-0
aus Mitteln des
Strategiedialogs Automobilwirtschaft Kontakt: Uwe Weichenhain
Baden-Württemberg uwe.weichenhain@rolandberger.com
1 Einleitung ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 8
2 Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen ������ 14
2.1 Wasserstoff und Brennstoffzellen im zukünftigen Energiesystem ������������������������������� 15
2.2 Kostenentwicklung und Wirtschaftlichkeit der Technologie ������������������������������������������ 22
Zusammenfassung
Die weltweite Nachfrage nach bislang vor allem konventionell erzeugtem Wasserstoff
hat sich seit 1975 mehr als verdreifacht und wächst kontinuierlich weiter. Mit der Aus-
weitung der Produktion von regenerativ hergestelltem Wasserstoff und von dessen Nut-
zung als Energiequelle in allen Energieverbrauchssektoren erwarten internationale und
baden-württembergische Unternehmen und Branchenexperten bis 2030 und vor allem
danach weltweit ein signifikantes Marktwachstum für Wasserstoff und Brennstoffzellen.
Dabei hält der bereits heute kontinuierlich wachsende Markt, für den langfristig eine
Entwicklung zum globalen Massenmarkt erwartet wird, signifikante wirtschaftliche
Potenziale für deutsche und baden-württembergische Unternehmen bereit. Schon 2030
könnten europäische Unternehmen Umsätze von bis zu 65 Mrd. EUR in Europa und
weiteren ca. 65 Mrd. EUR auf den weltweiten Märkten im Bereich Wasserstoff und
Brennstoffzellen erzielen. Hierfür ist insbesondere eine starke Positionierung auf den
internationalen Leitmärkten in China, Japan und Südkorea, aber auch in den USA und
Europa erforderlich, um die Exportstärke der einheimischen Unternehmen mit innova-
tiven und technisch ausgereiften Produkten für die Erschließung wirtschaftlicher Poten-
ziale zu nutzen. Neben den Heimatmärkten in Baden-Württemberg und Deutschland
spielen dabei vor allem die internationalen Märkte für die einheimische Industrie eine
zentrale Rolle.
Zusammenfassung | 5
Mit dem zukünftig erwarteten Marktwachstum wird auch eine signifikante Reduktion
der heutigen Kosten einhergehen, die die Technologie zunehmend wirtschaftlich wett-
bewerbsfähig machen wird. Kostensenkungspotenziale, wie sie in den letzten Jahren bei
der Batterieherstellung realisiert wurden, konnten bis heute in Bezug auf die Wasser-
stoff- und Brennstoffzellen-Technologie erst in geringem Maße genutzt werden, sodass
zukünftig entlang der gesamten Wertschöpfungskette von deutlich reduzierten Techno-
logiekosten ausgegangen werden kann. Lokale Unternehmen müssen sich daher früh-
zeitig ausreichende Marktanteile sichern, um Skaleneffekte zu realisieren und Kosten
senken zu können und mit der internationalen Konkurrenz wettbewerbsfähig zu bleiben.
Bedingt durch die Wirtschaftsstruktur des Bundeslandes liegt eine besondere Stärke der
baden-württembergischen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie im Bereich der
Anwendungen für Mobilität und Verkehr mit vielen vor Ort ansässigen Zulieferern und
OEMs. Während die lokalen Unternehmen in der Vergangenheit teilweise zu den Pionie-
ren der Branche gehörten, ist die internationale Konkurrenz in den letzten Jahren zu-
nehmend stärker geworden und heute gehören andere europäische und internationale
Unternehmen zu den Marktführern, vor allem im Bereich der OEMs. Um zukünftige
Wertschöpfungspotenziale der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie zu nutzen
und zukünftig im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, wird es in
den nächsten zwei bis fünf Jahren entscheidend sein, vorhandene Kompetenzen durch
Investitionen weiter auf- und auszubauen. Die internationale Konkurrenz hat in den
letzten Jahren stark aufgeholt und verfolgt derzeit teilweise deutlich ambitioniertere
Investitions- und Geschäftserweiterungspläne im Bereich Wasserstoff und Brennstoff-
zellen als einheimische Unternehmen, vor allem im Bereich der OEMs. Das Beispiel der
Batterietechnologie, bei der Europa gegenüber den asiatischen Leitmärkten den An-
schluss an die Technologieentwicklung sowie seine Marktposition verloren hat, zeigt
deutlich, wie wichtig es ist, rechtzeitig in Zukunftstechnologien zu investieren und
Marktanteile frühzeitig zu sichern.
Für die Realisierung der wirtschaftlichen und weiteren Potenziale der Technologie sind
unmittelbar und in den nächsten Jahren zielgerichtete Maßnahmen aller relevanten
Stakeholder notwendig. Dabei ist es zum einen wichtig, auf europäischer und Bundes
ebene in Deutschland für die Schaffung politischer und regulatorischer Rahmenbedin-
gungen zu sorgen, die den weiteren Ausbau der Nutzung der Technologie nachhaltig
unterstützen. Zum anderen sollten sich Landesregierung, Unternehmen, Forschungs
institutionen sowie Städte, Kommunen und weitere Stakeholder im Land Baden-
Württemberg aktiv für die weitere Entwicklung der Technologie einsetzen und selbst
tätig werden. Hierbei ergeben sich aus Sicht der Studie für die Stakeholder in Baden-
Württemberg vor allem die folgenden Handlungsempfehlungen:
H2
H2 H2
H2
H2
§
Einleitung | 9
Die Begrenzung des Klimawandels durch Redu- soll 2050 aus erneuerbaren Quellen stammen und ener-
zierung der weltweiten CO2-Emissionen ist eine giebedingte Treibhausgase sollen um 90% reduziert
der zentralen Herausforderungen des 21. Jahr- werden. Diese Ziele des Landes befinden sich im Ein-
hunderts. Hierfür sind ein tiefgreifender Umbau unserer klang mit den entsprechenden Zielsetzungen der Bun-
Energiesysteme und eine weitreichende Umstellung auf desrepublik und der Europäischen Union; ihre Errei-
innovative und emissionsfreie Technologien in allen chung stellt einen wichtigen Baustein für das Erreichen
Sektoren notwendig, von der Stromerzeugung bis hin der Ziele auf deutscher und europäischer Ebene dar.
zu den großen Energieverbrauchssektoren Industrie,
Verkehr und Gebäudewärme. Die Europäische Union Die Erreichung dieser Ziele erfordert dabei in allen ge-
(EU) liegt derzeit hinter China und den Vereinigten nannten Sektoren schon heute und zunehmend in den
Staaten auf Platz 3 der größten Treibhausgasemittenten nächsten Jahren die Umsetzung umfangreicher und
weltweit; 81% des Ausstoßes sind CO2. Deutschland weitreichender Maßnahmen zum Umbau des Ener-
liegt derzeit weltweit auf Platz 6 der größten CO2-Emit- giesystems, zur Steigerung der Energieeffizienz und zur
tenten. Baden-Württemberg als einer der wichtigsten Einsparung von Emissionen. Wasserstoff und Brenn-
deutschen und europäischen Wirtschafts- und Industrie stoffzellen kommt mittel- und langfristig eine Schlüssel-
standorte trägt dabei erheblich zu den deutschen und rolle dabei zu, weite Teile des heutigen Energiebedarfs
europäischen Treibhausgasemissionen bei. in allen Sektoren aus erneuerbaren und CO2-freien
Quellen zu decken. Dies liegt darin begründet, dass
Daher haben sich die EU, Deutschland und auch das Wasserstoff als flexibler Energieträger erneuerbar er-
Land Baden-Württemberg ambitionierte Klimaschutz- zeugte Energie in allen Sektoren nutzbar machen und
ziele gesetzt und diese mit verbindlichen Selbstver- so die Sektorkopplung als zentrales Element der Ener-
pflichtungen hinterlegt. Im Frühjahr 2019 hat die Lan- giewende ermöglichen kann. Wasserstoff ermöglicht
desregierung Baden-Württemberg ein Eckpunktepapier die Verwendung erneuerbarer Energie, wo die direkte
zur Weiterentwicklung des baden-württembergischen Stromnutzung wirtschaftlich oder technisch nicht mög-
Klimaschutzgesetzes verabschiedet, das ein spezifisches lich ist, und ist zudem flexibel speicher- und transpor-
Treibhausgasminderungsziel von 42% im Vergleich zu tierbar. Wasserstoff kann damit in herausragendem
1990 bis 2030 vorsieht. Dieses übergeordnete Ziel ist Maße zur Dekarbonisierung aller Energieverbrauchs-
durch sektorspezifische Emissionsreduktionsziele hin- sektoren beitragen. Die Technologie ist bereits seit Jahr-
terlegt, die unter anderem die Stromerzeugung (-31% zehnten bekannt und schon in vielen Bereichen umfas-
Treibhausgasemission im Vergleich zu 1990), den Ver- send erprobt worden. Aufgrund der dabei gesammelten
kehr (-31%), die energiebedingten Emissionen in der Erfahrung und bisher erreichten technologischen Reife
Industrie (-62%), die prozessbedingten Emissionen in von Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Anwendungen
der Industrie (-39%), aber auch private Haushalte (-57%) kann in den nächsten Jahren der Schritt hin zur Kom-
und Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (-44%) um- merzialisierung und Marktdurchdringung gegangen
fassen. Darüber hinaus hat sich das Land Baden-Würt- werden, mit dem Wasserstoff und Brennstoffzellen zu
temberg mit der Maßgabe "50-80-90" zum Ziel erklärt, einem wichtigen Eckpfeiler der Energiewende werden
Klimaschutz und Energieversorgung im Land bis 2050 können. Dadurch können auch die derzeit noch hohen
umfassend zu verändern. 80% der Energieversorgung Technologiekosten gesenkt und signifikante Skalen
10 | Kapitel 1
effekte realisiert werden, um letztendlich eine breite An- tomobilindustrie hat die wirtschaftsstrukturellen Her-
wendung der Technologie in allen Energieverbrauchssek- ausforderungen für die kommenden Jahrzehnte erkannt
toren zu ermöglichen. Damit können Wasserstoff und und daher 2017 den Strategiedialog Automobilwirtschaft
Brennstoffzellen zu einer Schlüsseltechnologie des 21. ins Leben gerufen. Ziel des Strategiedialogs ist es, den
Jahrhunderts werden. Automobilstandort Baden-Württemberg international
wettbewerbsfähig zu halten, klimafreundliche Mobilität
Vor allem in den letzten Jahren erfährt die Technologie voranzutreiben und technologische Potenziale zu nut-
in Deutschland, Europa und weltweit vermehrtes Inter- zen. Der Strategiedialog wird von e-mobil BW koordi-
esse von Unternehmen, Öffentlichkeit und Politik und niert und bietet einen institutionalisierten Rahmen
wird zunehmend als Schlüsseltechnologie zur Errei- zum Austausch zwischen Politik, Wirtschaft, Wissen-
chung von Klimazielen und bei der Steigerung der Nut- schaft, Arbeitnehmerverbänden, Verbraucherorganisa-
zung erneuerbarer Energien gesehen. Dabei werden zu- tionen, Umweltverbänden und Zivilgesellschaft. Dort
nehmend auch die wirtschaftlichen Potenziale von werden Innovationspotenziale erörtert sowie Maßnah-
Investitionen in die Technologie für Industrie- und men und Konzepte für eine erfolgreiche Transformation
Technologiestandorte wie Baden-Württemberg erkannt der Automobilindustrie erarbeitet. Im Rahmen des Stra-
und namhafte Unternehmen investieren zunehmend in tegiedialogs wurde auch eine Arbeitsgruppe "Wasser-
ihre Aktivitäten im Bereich Wasserstoff und Brennstoff- stoff und Brennstoffzelle" ins Leben gerufen, die die
zellen. Der notwendige Umbau des Energiesystems und mögliche Rolle der Technologie für die anstehende
die Abkehr von fossilen Energieträgern wird in den Transformation des Wirtschaftsstandorts in den Blick
kommenden Jahrzehnten enorme wirtschaftliche Aus- nimmt. Die vorliegende Studie liefert dazu eine vertie-
wirkungen haben und große Investitionen notwendig fende Betrachtung relevanter Aspekte.
machen. Konventionelle Technologien werden durch
neue, "grüne" Technologien ersetzt und dadurch einen Daneben fördert das Land Baden-Württemberg die Wei-
Strukturwandel nach sich ziehen, der Baden-Württem- terentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
berg, Deutschland, aber auch die globalen wirtschaft Technologie bereits seit vielen Jahren, unter anderem
lichen Verhältnisse verändern wird. Neben den mit dem im Rahmen der Arbeit des Clusters Brennstoffzelle BW,
Strukturwandel einhergehenden Kosten und Risiken dessen Arbeit von e-mobil BW koordiniert wird. Im
für Arbeitsplätze und dem Erhalt der wirtschaftlichen Cluster werden Vorhaben im Wasserstoff- und Brenn-
Wettbewerbsfähigkeit des Standorts, insbesondere in stoffzellen-Bereich umgesetzt, um so den Markthoch-
der Automobilindustrie, bestehen jedoch auch große lauf zu beschleunigen. Schon frühzeitig haben sich Un-
Chancen für Baden-Württemberg, die jetzige wirtschaft- ternehmen in Baden-Württemberg mit dem Thema
liche Leistungsfähigkeit und internationale Wettbe- Wasserstoff und Brennstoffzellen beschäftigt und gehö-
werbsfähigkeit zu erhalten und durch seine vorhandene ren daher zu den weltweiten Pionieren der Branche, un-
Technologiekompetenz und Innovationsfähigkeit wei- ter anderem das Unternehmen Daimler, das bereits seit
ter auszubauen. einigen Fahrzeuggenerationen Brennstoffzellen-Fahr-
zeuge auf den Markt bringt und sich im Joint Venture
Das Land Baden-Württemberg als wichtiger Standort H2 Mobility für den Aufbau einer flächendeckenden
der von diesem Wandel stark betroffenen deutschen Au- Wasserstofftankstellen-Infrastruktur in Deutschland
Einleitung | 11
einsetzt. Darüber hinaus sind mit Bosch, ElringKlinger, Energieverbrauchssektoren vor. Abschließend wird
Freudenberg, MAHLE sowie Mann+Hummel große und für zentrale Anwendungsbereiche die zukünftige
renommierte Unternehmen im Bereich aktiv, teilweise Kostenentwicklung der Technologie in Abhängig-
bereits mit langjähriger Erfahrung. Daneben beschäf keit von der weiteren Marktentwicklung analysiert.
tigten sich zahlreiche Forschungsinstitutionen in Baden- → KAPITEL 3 stellt aktuelle Rahmenbedingungen
Württemberg aktiv mit der Technologie – unter anderem sowie Zukunftsszenarien für die weitere Marktent-
das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), wicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff- Industrie auf globaler, europäischer, deutscher und
Forschung (ZSW) und das Fraunhofer-Institut für Solare baden-württembergischer Ebene vor.
Energiesysteme (Fraunhofer ISE), die das Land Baden- → In KAPITEL 4 wird der aktuelle Entwicklungsstand
Württemberg heute zu einem der wichtigsten euro der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in
päischen Standorte in der Wasserstoff-Forschung und Baden-Württemberg in den Blick genommen. Dafür
-entwicklung machen. Baden-Württemberg verfügt da - wird zunächst die bestehende Akteurslandschaft in
mit über eine hervorragende Ausgangslage, um vom er- Baden-Württemberg entlang der Wertschöpfungs-
warteten Marktwachstum im Bereich Wasserstoff und kette und über alle Anwendungsbereiche hinweg
Brennstoffzellen zu profitieren. Gleichzeitig wächst die vorgestellt. Anschließend erfolgen eine Einordnung
internationale Konkurrenz und es müssen in den nächs- der Akteure in die internationale Wettbewerbsland-
ten Jahren wichtige Weichen gestellt werden, um die schaft sowie eine Einschätzung von Potenzialen
gute Positionierung des Standorts in Zukunft zu erhal- und Perspektiven der baden-württembergischen
ten und auszubauen. Mit der Förderung des Projekts Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie im
"HyFab" am Standort Ulm, das zur Serienproduktion von Rahmen der zukünftigen Marktentwicklung.
Brennstoffzellen forschen wird, wird aktuell ein erster → In KAPITEL 5 erfolgt basierend auf Abschätzungen
Schritt von den Akteuren im Land in diese Richtung getan. des zukünftigen Umsatzpotenzials der Wasserstoff-
und Brennstoffzellen-Industrie eine Prognose der
Vor diesem Hintergrund bietet die vorliegende Studie zusätzlichen Bruttowertschöpfung und der damit
eine vertiefende Betrachtung zu den Potenzialen der einhergehenden Arbeitsplätze in der Wasserstoff-
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie für den und Brennstoffzellen-Industrie Baden-Württem-
Standort Baden-Württemberg, vor allem hinsichtlich bergs.
der zukünftigen wirtschaftlichen Potenziale für das → KAPITEL 6 identifiziert und diskutiert noch
Land und seine Unternehmen vor dem Hintergrund der bestehende Herausforderungen für die weitere
weiteren globalen und europäischen Marktentwicklung. Marktentwicklung und zeigt mögliche Lösungs
Die Studie nimmt dabei die folgenden Themenbereiche wege zu deren Behebung auf.
in den Blick: → In KAPITEL 7 werden abschließend basierend auf
den Ergebnissen der Studie spezifische Handlungs-
→ KAPITEL 2 gibt einen Überblick über die zentrale empfehlungen für die relevanten Stakeholder in
Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen im Baden-Württemberg abgeleitet.
zukünftigen Energiesystem und stellt deren
Anwendungsmöglichkeiten in den verschiedenen
12 | Kapitel 1
Die Ergebnisse der Studie beruhen neben eigenen Ana- (OEMs) betrachtet, die in Baden-Württemberg ansässig
lysen und Berechnungen zu Marktszenarien sowie Kosten sind oder dort einen Produktionsstandort haben und
entwicklungen auf einer umfangreichen Berücksichti- somit zur lokalen Wertschöpfung beitragen bzw. in Ba-
gung aktueller Studien und öffentlicher Statistiken zum den-Württemberg Arbeitsplätze schaffen. Darüber hin-
Thema sowie auf den Ergebnissen einer onlinebasierten aus wurden weitere Unternehmen in die Analyse einbe-
Stakeholder-Umfrage unter mehr als 50 baden- zogen, die weiterhin von der Wertschöpfung im
württembergischen Unternehmen, Forschungsein Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Bereich profitieren.
richtungen und weiteren Akteuren der lokalen Wasser- Hierzu gehören z.B. Beratungen und Enginee -
stoff- und Brennstoffzellen-Wirtschaft1. Die Analysen ring-Dienstleister, aber auch Maschinen- und Anlagen-
und Ergebnisse der Studie wurden zudem durch 20 In- bauer. Auch der aktuelle Entwicklungsstand der For -
terviews mit Experten2 aus Industrie, Forschung und schungslandschaft in Baden-Württemberg wurde in die
Verbänden, hauptsächlich aus Baden-Württemberg, er- Analysen integriert. Unter Einbeziehung von relevanten
gänzt und validiert. Marktdaten, Experteneinschätzungen und relevanten
Kennzahlen wurden auf dieser Basis die aktuelle Wett-
Für die Identifizierung realistischer Zukunftsszenarien bewerbsfähigkeit und die Positionierung der baden-
für die weitere Marktentwicklung wurden vor allem württembergischen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
Marktentwicklungsprojektionen aus aktuellen maßgeb- Industrie analysiert. Für die Analyse wurde neben
lichen Studien des Hydrogen Council auf globaler und einer Auswertung der Umfrageergebnisse eine
des Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH Benchmark-Analyse bedeutender Unternehmen in aus-
JU) auf europäischer Ebene zugrunde gelegt. Deren gewählten Bereichen der Wasserstoff- und Brennstoff-
Marktprojektionen wurden durch eigene Roland Berger zellen-Industrie in Baden-Württemberg und den euro -
Marktstudien, Umfrageergebnisse und Experteninter- päischen und weltweiten Marktführern durchgeführt.
views validiert. Für die anschließende Abschätzung der
zukünftigen Kostenentwicklung und Wirtschaftlichkeit Aufbauend auf diesen Analysen erfolgt schließlich eine
der Technologie wurden szenarienbasierte Kosten Abschätzung des Umsatz- und Wertschöpfungspoten
entwicklungen für Wasserstoff-Herstellung, Wasser- zials sowie zukünftiger Arbeitsplätze im Wasserstoff-
stoff-Infrastruktur sowie einzelne Endanwendungen und Brennstoffzellen-Sektor Baden-Württembergs.
unter Einbeziehung bestehender Literatur und eigener Dazu wird zunächst auf Basis der Prognose des weltwei-
Berechnungen in Zusammenarbeit mit der Industrie ten Absatzes von Wasserstoff sowie der weltweiten Pro-
analysiert und diskutiert. duktion von Brennstoffzellen-Komponenten und
-Systemen bis 2030 eine Umsatzprognose der Wasser-
Um eine Aussage über die zukünftigen Wirtschafts stoff- und Brennstoffzellen-Industrie für in Baden-
potenziale der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Indus-
trie in Baden-Württemberg treffen zu können, wurden
alle im Bereich tätigen Unternehmen entlang der Wert-
schöpfungskette systematisch und möglichst vollstän-
1 Vgl. den Anhang der Studie für genauere Angaben zu den Umfrageteilnehmern.
dig erfasst. Dabei wurden Zulieferunternehmen, 2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text die männliche Form verwendet.
Teil-Systemintegratoren und Systemintegratoren Selbstverständlich sind Personen jeden Geschlechts gemeint.
Einleitung | 13
Abbildung 1
CO2-Ausstoß und Endenergieverbrauch in Deutschland nach Sektoren (gerundet)
1
Beinhaltet nur den CO2-Ausstoß durch Wärmeproduktion, die übrigen gebäudebezogenen Emissionen durch Stromverbrauch sind der Stromerzeugung zugeordnet.
Quelle: BMU, 2019b; Roland Berger
Wasserstoff und Brennstoffzellen nehmen hierbei zu- sektoren, in denen die direkte Stromnutzung wirtschaft-
künftig eine Schlüsselrolle ein: Erneuerbar erzeugter lich oder technisch nicht möglich ist, und stellt damit
Strom allein kann zukünftig nicht alle unsere Energie- aus heutiger Sicht die vielversprechendste verfügbare
bedarfe direkt bedienen. Vielmehr bedarf es einer Nutz- Option zur Dekarbonisierung dieser Sektoren dar.
barmachung von erneuerbar erzeugtem Strom in allen Gleichzeitig kann die Verwendung von Wasserstoff
Energieverbrauchssektoren durch die Umwandlung in durch dessen Speicher- und Transportfähigkeit zentrale
einen flexiblen Energieträger, der verschiedene Energie- Herausforderungen bei der Umstellung der Energie
bedarfe bedienen und so die Verschränkung der ver- systeme auf erneuerbar erzeugte Energie meistern, vor
schiedenen Sektoren ermöglichen kann (sog. Sektor- allem hinsichtlich der Speicherung und Verteilung er-
kopplung). Wasserstoff kann aus erneuerbarem Strom neuerbar erzeugter Energie.
durch Wasserelektrolyse erzeugt werden und als flexi
bler Energielieferant in allen Verbrauchssektoren einge- Wasserstoff wird heute bereits in einer Vielzahl von An-
setzt werden. Gleichzeitig macht Wasserstoff große wendungen als nachhaltiger Rohstofflieferant und
Energiemengen über beliebig lange Zeiträume speicher- Energieträger eingesetzt, etwa in der Industrie als er -
bar und ist so flexibel transportierbar wie konventionelle neuerbarer Rohstoff in verschiedenen Produktions
Gase. Wasserstoff ist ein flexibel transportabler Energie- prozessen sowie zur Energieerzeugung, in einer Vielzahl
träger, der auch über große Distanzen durch Pipelines von Mobilitätsanwendungen und zur Erzeugung von
sowie auf Schiene oder Straße transportiert werden Strom und Wärme für Gebäude. Die Nutzung von Was-
kann. Somit ermoglicht Wasserstoff die Verwendung er- serstoff und Brennstoffzellen zur Energieerzeugung ist
neuerbarer Energien in denjenigen Energieverbrauchs- bereits seit Jahrzehnten in unterschiedlichsten Anwen-
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 17
Abbildung 2
Die Rolle von Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft
5 Industrielle Rohstoffe
1 2 3
dungsbereichen etabliert; die Entwicklung der Techno- Deutschland. Erneuerbare Energien sollen nicht nur die
logie ist daher in wichtigen Anwendungsbereichen weit deutsche Stromerzeugung klimaverträglicher machen,
fortgeschritten und technisch so ausgereift, dass der sondern auch die Abhängigkeit von fossilen Heiz-, Brenn-,
Schritt zur Produktion im industriellen Maßstab und und Kraftstoffen reduzieren. Auch Baden-Württemberg
zur Kommerzialisierung vollzogen werden kann. Aus erzeugt noch knapp 30% seines Stroms durch Steinkohle
heutiger Sicht ist keine andere Technologieoption vor- kraftwerke. Mit dem Klimaschutzprogramm der Bundes-
handen, die derart breit die Anforderungen der zukünf- regierung wurde 2019 beschlossen, den Ausbau der
tigen Energiesysteme bedienen kann und einen ähn Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf 65% des
lichen Entwicklungsstand erreicht hat. Stromverbrauchs im Jahr 2030 zu steigern. Allerdings
kommen mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Ener-
WASSERSTOFF IN DER STROMERZEUGUNG gien neue Herausforderungen auf die Stromnetze zu.
Durch witterungsbedingte Fluktuationen in der Strom
Die Stromerzeugung verursacht mit ca. 39% den größten erzeugung sind große Energiespeicher und Technologien,
Anteil der gesamtdeutschen CO2-Emissionen. Daher die flexibel Engpässe, aber auch Überschüsse in der
zählt der Ausbau erneuerbarer Energien zur Stromver Stromversorgung abfangen können, sogenannte
sorgung zu den zentralen Säulen der Energiewende in Power-to-X-Technologien, von zunehmender Bedeutung.
18 | Kapitel 2
Abbildung 3
Prognose Strommix 2050 für Deutschland und resultierender Speicherbedarf für Überkapazität
629 38%
entspricht
42%
200 TWh ~23.500x
Erneuerbarer Strom, der zum der Speicherkapazität
Zeitpunkt der Produktion nicht von Deutschlands
benötigt wird und gespeichert größtem Pump-
werden kann speicherkraftwerk2
20%
1 Basierend auf einer Extrapolation der Installationspläne der Bundesregierung unter der Annahme, dass CO2-Emissionen um 90% im Vergleich zu 1990 reduziert werden.
2 Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal (Thüringen): installierte Leistung von 1.060 MW, Speicherleistung von 8,5 GWh Strom.
Quelle: Stolten, 2018
Wasserstoff ist ein flexibler und langfristiger Energie- (Kavernen), kleinere Verteilungsspeicher, aber auch
speicher, der erneuerbar erzeugte Energie auch in gro- Pipelines oder Druckgasbehälter zum Transport auf
ßen Mengen speicherbar macht und einfach transpor- Straße und Schiene nutzbar. Daher werden in Zukunft
tiert werden kann. Zur zukünftigen Speicherung von für den Auf- und Umbau dieser Art von Infrastrukturen
Wasserstoff und zu dessen Transport sind, abhängig weitere Investitionen in Deutschland notwendig sein;
von der benötigten Wasserstoffmenge und der anschlie- dies ist vor allem dadurch bedingt, dass Deutschland
ßenden Weiterverwendung, unterirdische Großspeicher seinen Strombedarf absehbar nicht aus eigener Erzeu-
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 19
gung abdecken kann und daher auf Energieimporte an- reicht werden. Durch steigende Zertifikatspreise für
gewiesen sein wird. Die Nutzung von Wasserstoff als verursachte Emissionen wird der Kostendruck auf Un-
Energieträger ist daher eine Möglichkeit, um zukünftig ternehmen kontinuierlich erhöht und Anreize für die
erneuerbar erzeugte Energie in Form von Wasserstoff Reduzierung von Emissionen sollen gesetzt werden.
oder anderen synthetischen Kraftstoffen aus anderen Wasserstoff kann dabei einen signifikanten Beitrag zur
Ländern (z.B. aus Nordafrika oder dem Mittleren Osten, Emissionsreduktion in der Industrie leisten: Zum einen
wo Wasserstoff erwartbar günstig aus Solarenergie ge- kann Wasserstoff verstärkt zur hochintensiven Indust-
wonnen werden kann) mit Schiffen oder Pipelines zu riewärmerzeugung genutzt werden, zum anderen kann
importieren. bereits heute in Produktionsprozessen eingesetzter
Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen hergestellt und
Power-to-Gas-Technologien wie die Elektrolyse zur Her- damit CO2-Emissionen reduziert werden. Darüber hin-
stellung von Wasserstoff sind bereits weit entwickelt aus können konventionelle Industrierohstoffe, z.B. in
und erprobt sowie in verschiedenen Pilot- und der Stahlproduktion, durch Wasserstoff ersetzt werden.
Demonstrationsprojekten im Einsatz, die zunehmend
größere Erzeugungskapazitäten aufweisen, derzeit aber Wasserstoff ist bereits heute ein wichtiges Industrie
vor allem wirtschaftlich noch nicht wettbewerbsfähig produkt und wird seit Jahren in verschiedenen industriel-
mit konventionellen Energieträgern sind. Mit der Reali- len Prozessen eingesetzt, z.B. bei der Synthese von
sierung von Skaleneffekten durch den absehbaren Ammoniak und Methanol und auch bei der Raffinie-
Markthochlauf kann die Erzeugung von Wasserstoff aus rung von Erdöl sowie metallurgischen Fertigungspro-
erneuerbarem Strom auch in Deutschland jedoch wirt- zessen. In Deutschland wird Wasserstoff zur Hälfte aus
schaftlich immer attraktiver werden (vgl. Kap. 2.2). Erdgas und Naphtha hergestellt und zur anderen Hälfte
als Nebenprodukt in industriellen Produktionsprozes-
WASSERSTOFF IN DER INDUSTRIE sen, z.B. in Raffinerien, gewonnen. Dadurch ist der zur-
zeit hauptsächlich genutzte Wasserstoff jedoch meist
Die Industrie liegt mit einem Anteil von 23% am Ge- nicht CO2-frei ( je nach eingesetztem fossilen Rohstoff
samtausstoß 2018 auf Platz zwei der Sektoren mit den sogenannter „schwarzer", „brauner" oder „grauer" Was-
größten CO2-Emissionen in Deutschland. Drei Viertel serstoff). Eine Umstellung der Wasserstoff-Herstellung
der Emissionen entstehen dabei bei der Energiegewin- auf Elektrolyse kann bei einem zunehmend erneuer
nung, das verbleibende Viertel durch Rohstoffverwen- baren Strommix („grüner" Wasserstoff) nicht nur den
dung in Produktionsprozessen, vor allem in der Herstel- Einsatz von Erdgas in der Industrie reduzieren, sondern
lung von Metall und mineralischen Produkten sowie in auch industrielle CO2-Emissionen verringern. Auch die
der chemischen Industrie. Bis 2030 sollen diese indust- konventionelle Herstellung mittels Dampfreformierung
riellen Emissionen laut Klimaschutzplan 2050 der Bun- mit anschließender CO2-Speicherung (CCS – Carbon
desregierung (BMU, 2016) um weitere 20% sinken, Capture and Storage) ist zur Emissionsreduktion mög-
nachdem die Emissionen seit 1990 bereits um 31% zu- lich („blauer" Wasserstoff). Hierbei wird das im Herstel-
rückgegangen sind. Dies soll unter anderem durch den lungsprozess anfallende CO2 aufgefangen und z.B. un-
europäischen Emissionshandel, der das zentrale Klima- terirdisch gespeichert.
schutzinstrument auf europäischer Ebene darstellt, er-
20 | Kapitel 2
Darüber hinaus kann Wasserstoff auch als Substitut für wendig sind. Durch das steigende Verkehrsaufkom-
konventionelle Industrierohstoffe zum Einsatz kom- men müssen die im Durchschnitt anfallenden Emis
men, um die Emissionen der Industrie weiter zu verrin- sionen pro gefahrenen Kilometer in den nächsten
gern, beispielsweise in der Stahlproduktion. Rund 55 Jahren deutlich sinken, um die CO2-Emissionen ins
Mio. Tonnen CO2 werden jährlich in Deutschland durch gesamt nicht noch weiter zu steigern und das Ziel der
die Stahlindustrie freigesetzt, was rund 7% der gesam- Bundesregierung zu erreichen, die Emissionen im Ver-
ten jährlichen deutschen CO2-Emissionen entspricht. kehr bis 2030 um mindestens 40% im Vergleich zu
Im Rahmen der Stahlproduktion muss Eisenerz von 1990 zu senken. In Baden-Württemberg sind die ver-
Sauerstoff befreit werden; dies geschieht im konventio - kehrsbedingten Emissionen sogar um 13% gestiegen,
nellen Verfahren mit Koks, einem kohlenstoffhaltigen bedingt durch einen höheren Pkw-Bestand sowie stei-
Brennstoff, der sich mit Sauerstoff zu CO2 verbindet genden Luft- und Güterverkehr. Der Anteil des Ver-
und dieses freisetzt. Erste Tests in Hochöfen laufen be- kehrssektors an den baden-württembergischen
reits, um Koks durch Wasserstoff zu substituieren, bei CO2-Emissionen beträgt zudem über 30% (UM BW,
dessen Einsatz lediglich Wasserdampf freigesetzt wird 2019a). Daher besteht für Baden-Württemberg in die-
und keine CO2-Emissionen mehr entstehen. Auch im sem Sektor besonderer Handlungsbedarf.
sogenannten Direktreduktionsverfahren zur Eisener-
zeugung erfolgt die Reduktionsgaserzeugung noch Mit einem zunehmenden Anteil batterieelektrischer
durch Umwandlung von Erdgas in Wasserstoff und Koh- Fahrzeuge im Transportbereich wird der Strombedarf
lenmonoxid. Perspektivisch kann auch dort vermehrt dieses Sektors signifikant ansteigen. Dies stellt den
Erdgas durch Wasserstoff ersetzt und somit ein wesent- Netzausbau und die Stromerzeugung in Deutschland
licher Beitrag zur Emissionsreduktion in der Industrie vor enorme Herausforderungen, insbesondere im
geleistet werden. Hinblick auf den allgemeinen Ausbau erneuerbarer
Energien und den langen Planungshorizont für bereits
WASSERSTOFF IM TRANSPORT heute nötige Netzausbauvorhaben.
Der Verkehrssektor ist heute in überwiegendem Maße Brennstoffzellen-Fahrzeuge sind schon heute im Pkw-
von fossilen Energieträgern abhängig und belegte Segment kommerziell in Kleinserien verfügbar und
2018 mit einem Anteil von 21% Platz drei der Sektoren auch im Bereich des Materialtransports, beispielsweise
mit den größten CO2-Emissionen in Deutschland. Da- bei Gabelstaplern, im Regelbetrieb im Einsatz. Zudem
mit haben sich die Treibhausgasemissionen im Ver- wird in den nächsten fünf Jahren mit einer Vielzahl wei-
kehrssektor im Vergleich zu 1990 kaum verändert und terer Brennstoffzellen-Produkte im Markt gerechnet,
auch zukünftig wird mit einem weiter steigenden insbesondere im Bus- (Nah- und Fernverkehr) und
Verkehrsaufkommen gerechnet. Die Reduzierung von Lkw-Segment, aber auch im Schienenverkehr. Die Nut-
CO2-Emissionen im Verkehrssektor ist damit bei stei- zung von Wasserstoffzügen ist vor allem auf nichtelek
gendem Energiebedarf durch den wachsenden Mobili - trifizierten Streckenteilen aus wirtschaftlicher Sicht in-
tätsbedarf mit besonderen Herausforderungen ver- teressant. Darüber hinaus sind erste Tests von
bunden, da für die Erreichung globaler Klimaziele Brennstoffzellen im maritimen Bereich von Fähren und
Reduktionen auch und gerade in diesem Sektor not- Hochseepassagierschiffen geplant, nachdem Brenn-
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 21
stoffzellen bereits seit Jahren im militärischen Bereich nologie für größere Reichweiten (Hydrogen Council,
auf See eingesetzt werden. Daneben wird die Anwend- 2017). Obwohl beide Technologien derzeit in der öffent-
barkeit im Luftverkehr erforscht. Auch in anderen lichen Wahrnehmung oft als Substitute gesehen werden,
Nischenanwendungen besteht zukünftig Dekarboni zeigt dies, dass beide Technologien bei jeweils spezifi-
sierungs- und Marktpotenzial, wie beispielsweise bei schen Anwendungsfällen überlegen sind und daher in
Straßendienstfahrzeugen, Baustellenfahrzeugen sowie Zukunft als komplementär betrachtet werden sollten,
weiteren vergleichbaren Spezialfahrzeugen wie um im Transportbereich wesentliche CO2-Reduktionen
Ground-Handling-Fahrzeugen an Flughäfen oder Last- zu erreichen.
fahrzeugen für Häfen, die bereits in ersten Pilotprojek-
ten getestet wurden. WASSERSTOFF IM BEREICH
GEBÄUDEWÄRME UND STROM
Wasserstoff hat aufgrund seiner höheren gravimetri-
schen Energiedichte (Energie/Gewicht) im Vergleich zur Gebäude haben, insbesondere in Regionen mit aus-
Batterie systemische Vorteile in bestimmten Fahr- geprägten jahreszeitlichen Temperaturschwankungen,
zeugsegmenten, insbesondere im Schwerlast- und Nutz- einen wesentlichen Anteil am Energiebedarf und liegen
fahrzeugbereich, da bei batterieelektrischen Fahrzeu- daher auch in Deutschland mit etwa 16% der CO2-Emis-
gen die Reichweite der Batterie entweder geringer ist sionen auf Platz vier der Sektoren mit den größten
oder der Energiebedarf mit Batterien aufgrund von Ge- CO2-Emissionen. Die Emissionen fallen dabei haupt-
wichtsrestriktionen gar nicht bedient werden kann. Je sächlich durch Verbrennungsprozesse fossiler Brenn-
größer die Reichweite oder Nutzlast eines Fahrzeugs stoffe zur Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser
desto günstiger wird es, den Wasserstoffspeicher des an. Bezieht man auch die indirekten Emissionen durch
Fahrzeugs zu vergrößern, anstatt die Batterie zu erwei- den Stromverbrauch in Gebäuden mit ein, entfallen
tern; in vielen anspruchsvollen Segmenten kommt die sogar ca. 30% der Treibhausgasemissionen in Deutsch-
Batterietechnik für die Umstellung auf erneuerbare land auf den Betrieb von Gebäuden. Die gebäudebezo-
Energien sogar überhaupt nicht infrage und stellen genen CO2-Emissionen in Deutschland gingen seit 1990
Wasserstoff und Brennstoffzellen sowie ggf. synthe um ca. 44% zurück. Bis 2030 müssen die Emissionen
tische Kraftstoffe die aus heutiger Sicht einzig mögli- noch um weitere 23% gesenkt werden, um die nationa-
chen Alternativen dar. Die Verwendung von Wasserstoff len Klimaziele zu erreichen. Wasserstoff kann dabei
und Brennstoffzellen ist daher für längere Distanzen einen Beitrag zur weiteren Dekarbonisierung des Sek-
und anspruchsvollere Nutzlastprofile besser geeignet tors leisten. Neben der Steigerung der generellen Ener-
als die von Batterien, die im Gegenzug bei kürzeren gieeffizienz der Gebäude sowie der Dekarbonisierung
Distanzen mit geringerer Nutzlast effizienter sind. Be- der Stromproduktion müssen dabei vor allem fossile
rechnungen des Hydrogen Council mit Schätzungen der Energieträger in der Wärmeerzeugung ersetzt werden,
Investitionskosten für das Jahr 2030 kommen zum Er- um die gesetzten Klimaziele zu erreichen.
gebnis, dass beide Technologien bei einer Reichweite
von 300 Kilometern kostengleich sein werden, mit Vor- Wasserstoff als Energieträger zur Wärmeerzeugung ist
teilen für die Batterietechnologie unterhalb dieser insbesondere für Länder attraktiv, die bereits eine beste-
Reichweite und Vorteilen für die Brennstoffzellen-Tech- hende Erdgasinfrastruktur besitzen, unter anderem
22 | Kapitel 2
auch Deutschland. Es kann bereits heute bis zu einem stoff- und Brennstoffzellen-Anwendungen. Gleichzeitig
gewissen Anteil (bis zu Vol. 10%) in das Erdgasnetz bei- besteht erhebliches Kostenreduktionspotenzial entlang
gemischt werden. Dadurch kann auf bestehende Infra- der gesamten Wertschöpfungskette und in allen Anwen-
strukturen mit entsprechend geringeren Investitionsbe- dungsbereichen, das durch die Realisierung von Skalen
darfen zurückgegriffen werden, obwohl bei einer effekten im weiteren Markthochlauf zu signifikanten
höheren Beimischungsquote absehbar zusätzliche An- Kostensenkungen führen wird. Mittel- bis langfristig
passungen an der bestehenden Gasinfrastruktur vorge- sind dadurch in allen Anwendungsbereichen Technologie-
nommen werden müssten. einsatzkosten erreichbar, die mit konventionellen Tech-
nologien und der Batterietechnik wettbewerbsfähig
Durch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) für sind. Für die weitere Marktentwicklung wird dabei ent-
Wohn- und Nichtwohngebäude kann Wasserstoff auch scheidend sein, dass es der Wasserstoff- und Brennstoff-
als Energieträger zur parallelen Produktion von Strom zellen-Industrie in den nächsten Jahren gelingt, Skalen
und Wärme eingesetzt werden. KWK-Anlagen haben ei- effekte und weitere Kostenreduktionen zu erreichen,
nen besonders hohen elektrischen Wirkungsgrad von die zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit der Techno-
bis zu 90% und können mit "grünem" Wasserstoff ohne logie und damit zu einer verbesserten Wettbewerbs
schädliche Emissionen betrieben werden. Bislang wird fähigkeit führen und das Marktwachstum beschleunigen.
der Großteil der herkömmlichen KWK-Anlagen aller-
dings auf Erdgasbasis betrieben, eine vollständige Um- Sowohl in den Anschaffungs- bzw. Investitions- als auch
stellung auf regenerativ erzeugten Wasserstoff ist in in den Betriebskosten verursachen Wasserstoff-Anwen-
Zukunft jedoch möglich. dungen in beinahe allen Bereichen heute noch deutlich
höhere Kosten als konventionelle Technologien. Wäh-
Es gilt daher, Wasserstoff in den Bereichen, in denen er rend bei Anwendungen der Batterietechnologie in den
bereits heute als Rohstoff genutzt wird, erneuerbar zu letzten Jahren deutliche Kostenreduktionen durch
erzeugen und seine Nutzung in den anderen Bereichen, Realisierung von Skaleneffekten und signifikanten Sen-
die anderweitig schwierig zu dekarbonisieren sind, aus- kungen der Batteriepreise um ca. zwei Drittel seit 2010
zudehnen. Wasserstoff und Brennstoffzellen können gelangen, sind vergleichbare Potenziale bei Wasserstoff-
dadurch einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung Anwendungen heute noch größtenteils ungenutzt. Ge-
aller Energieverbrauchssektoren und zur Integration er- lingt daher mittel- bis langfristig ein signifikanter
neuerbarer Energien in unsere Energiesysteme leisten Markthochlauf für Wasserstoff-Anwendungen, der den
und damit zu einer Schlüsseltechnologie des 21. Jahr- Herstellern auch in Baden-Württemberg die Realisie-
hunderts werden. rung von Skaleneffekten erlaubt, sind auch hier signi
fikante Kostenreduktionen und eine deutlich verbesser-
lungen, andererseits stark von den regulatorischen Dennoch müssen kurz- und mittelfristig weitere signi
Rahmenbedingungen ab (z.B. in Bezug auf die Besteue- fikante Kostenreduktionen erreicht werden, um die Ent-
rung konventioneller und erneuerbarer Energieträger). wicklung eines kommerziellen Marktes für Wasserstoff-
und Brennstoffzellen-Anwendungen zu ermöglichen,
Trotz des weiterhin hohen Kostenniveaus für den Ein- denn die derzeit in allen Anwendungsbereichen noch
satz der Technologie konnten bis heute im Vergleich zu hohen Kosten gehören zu den entscheidenden Faktoren,
den ersten Prototypen bzw. frühen Demonstrationspro- die eine breitere Marktdurchsetzung der Technologie
jekten bereits signifikante Kostenreduktionen für Was- derzeit verhindern. Dabei sieht sich die Industrie mit
serstoff-Anwendungen und deren Komponenten über der Herausforderung konfrontiert, derzeitige Kosten si-
die gesamte Wertschöpfungskette hinweg realisiert gnifikant zu senken, ohne dass bereits ein Nachfrage
werden: volumen besteht, das die Realisierung signifikanter
→ Die Kosten für Brennstoffzellen-Stacks sind in Skaleneffekte und damit von deutlichen Kostenreduk
den letzten Jahren um ca. 50% gesunken. tionen erlaubt. Gleichzeitig gehen aktuelle Markt
→ Die Anschaffungskosten für Brennstoffzellen- prognosen und relevante internationale und baden-
Stadtbusse für den ÖPNV sind seit dem Einsatz im württembergische Unternehmen aber von einem
ersten großen europäischen Demonstrationspro- deutlich steigenden Interesse am Einsatz von Wasser-
jekt CUTE (2006 beendet) um ca. 80% gesunken. stoff-Anwendungen in den nächsten Jahren aus, was
→ Die Kosten für Klein-KWK-Anlagen für private bereits bei noch vergleichsweise geringen Produktions-
Haushalte wurden seit 2008 um ca. 60% reduziert zahlen Kostenreduktionen ermöglichen wird. Dadurch
und sollen aktuell im europäischen Projekt PACE ist davon auszugehen, dass die Technologie zunehmend
um weitere 30% gesenkt werden, um die Kommer- an wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit gewinnt und
zialisierung voranzutreiben. steigende Absatzzahlen zu weiteren Kostenreduktionen
führen werden.
Nichtsdestotrotz sind heute nur sehr wenige Wasser-
stoff-Anwendungen unter spezifischen Bedingungen im Dies zeigt sich beispielsweise im Pkw-Segment: Hier ha-
direkten Kostenvergleich konkurrenzfähig zu konven ben zuletzt vor allem die asiatischen Hersteller Hyundai
tionellen Anwendungen: So können in bestimmten und Toyota ambitionierte Produktionsziele für Brenn-
betrieblichen Anforderungsprofilen Wasserstoff-Gabel- stoffzellen-Pkw bekannt gegeben, die signifikante Kos-
stapler in Logistikzentren oder Warenhäusern kosten- tenreduktionen bei allen wesentlichen Komponenten
günstiger betrieben werden als andere Lösungen. des Antriebsstrangs nach sich ziehen werden. Bis 2030
Weitere kostenkompetitive Konstellationen können will Hyundai seine Jahresproduktion von Brennstoffzel-
sich bereits heute beispielsweise bei der dezentralen len-Pkw auf 700.000 Stück steigern. Toyota hat kürzlich
Energieversorgung abgelegener Gebiete oder kritischer die zweite Generation seines Brennstoffzellen-Pkw
Infrastrukturen ergeben, wenn Energie mit Wasserstoff Mirai vorgestellt, der ab Sommer 2020 in deutlich höhe-
und Brennstoffzellen lokal erzeugt werden kann, alter- rer Stückzahl als sein Vorgänger hergestellt werden soll.
nativ aber über weite Distanzen mit großem Aufwand In wenigen Jahren will Toyota den Brennstoffzellen-Pkw
und hohen Kosten antransportiert werden muss. so massenmarkttauglich machen. Das jährliche Produk-
tionsvolumen soll dabei von derzeit 3.000 auf 30.000
24 | Kapitel 2
Exemplare verzehnfacht werden und der Preis um ca. 10 satzes im Vergleich zu konventionellen Technologien)
bis 15% sinken. Mit der für 2025 angekündigten dritten als Bedingung formuliert werden. Vielmehr sind zum
Mirai-Generation soll dann ein endgültig massenmarkt- einen die größere Leistungsfähigkeit der Technologie
taugliches Modell eingeführt werden, dass mit Kosten hinsichtlich der Reduktion von Emissionen und zum
von derzeit geschätzt ca. 40.000 bis 45.000 EUR dann anderen deren Rolle für die Dekarbonisierung des Ener-
auch mit konventionellen Pkw der oberen Mittelklasse giesystems zu berücksichtigen.
preislich konkurrieren kann. Sae Hoon Kim, Leiter des
Geschäfts mit Brennstoffzellen-Fahrzeugen bei Hyundai, Der folgende Überblick zukünftig erwartbarer Kosten
erklärte dazu kürzlich: reduktionen und Wirtschaftlichkeit fokussiert sich auf
diejenigen Anwendungsbereiche der Technologie, die
„Bei rund 200.000 Einheiten pro Jahr erhält man die Skalen (a) aus heutiger Perspektive die wichtigsten Anwen-
effekte, um die benötigten Materialien zu einem Preis zu dungsbereiche in den nächsten Jahren sein werden und
kaufen, der ein Wasserstoffauto auf die Kosten heutiger zu denen (b) heute bereits belastbare Erfahrungen und
BEVs bringen könnte. Bei der gegenwärtigen Nachfrage Prognosen zur zukünftigen Kostenentwicklung vor
dürfte dies innerhalb von fünf Jahren geschehen.“ liegen. In einigen anderen Anwendungsbereichen wird
der Einsatz der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
Andere Studien gehen bereits von deutlich geringeren Technologie zwar derzeit erforscht und erste Prototypen
Stückzahlen aus, um in Abhängigkeit von der weiteren werden realisiert (z.B. im Schiffsbau), eine belastbare
Kostenentwicklung bei Batterien Kostenparität mit bat- Kostenprognose ist auf dieser Grundlage aber bislang
terieelektrischen Pkw zu erreichen. So gehen Industrie- nur sehr eingeschränkt möglich; derartige Anwen-
experten davon aus, dass bei einer Produktion von ca. dungsfelder werden daher im Folgenden nicht mit
100.000 Brennstoffzellen-Systemen deren Preis auf nur betrachtet. Vor allem in Bezug auf die Kosten für End
noch ein Zehntel des heutigen Niveaus sinken wird. anwendungen wurde der "Total Cost of Ownership
Doch auch bereits bei einem Produktionsvolumen von (TCO)"-Ansatz (Gesamtkostenansatz) als Betrachtungs-
mehr als 50.000 Stück könnten die Kosten für Brenn- grundlage gewählt. Dieser analysiert die Gesamtkosten
stoffzellen-Antriebsstränge auf das Niveau von batterie- für den Betrieb verschiedener Wasserstoff-Anwendun-
elektrischen Antrieben sinken. gen über deren Lebenszyklus hinweg und berücksich-
tigt dadurch die auch in Zukunft weiter erwartbaren
Derartige Aussagen lassen sich gegenwärtig zu Wasser- Nachteile der Technologie hinsichtlich der Anschaf-
stoff-Anwendungen und deren Komponenten in allen fungs- bzw. Investitionskosten (Capex) gegenüber den
Anwendungssegmenten ebenso treffen wie über die erwartbar niedrigeren Betriebskosten (Opex, vor allem
Kosten für die Produktion und Distribution von Wasser- Wartungs- und Energiekosten).
stoff. Allerdings sollte bei der Bewertung des zukünf
tigen Potenzials der Technologie und der Diskussion zu Heutige Wasserstoffpreise an deutschen Tankstellen
deren weiterer Unterstützung nicht allein die Erreich- von 9,50 EUR pro kg H2 bzw. in Demonstrations- und
barkeit einer kostenmäßigen Wettbewerbsfähigkeit und Pilotprojekten teilweise auch deutlich darüber (vor
zukünftigen Wirtschaftlichkeit (im Sinne der Möglich- allem wenn "grüner" Wasserstoff aus Elektrolyse ge-
keit eines kostengleichen oder sogar -günstigeren Ein- nutzt wird) müssen zukünftig signifikant reduziert wer-
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 25
den, um einen wirtschaftlichen Betrieb der Technologie Dauerbetrieb mit konstanter Nutzlast geeignet ist.
in allen Anwendungsbereichen zu ermöglichen. Dabei Mit beiden Technologiealternativen sind zukünf-
steht heute mit der Dampfreformierung zur Herstellung tig signifikante Kostenreduktionen realisierbar,
von Wasserstoff aus Erdgas eine etablierte Technologie vor allem in Abhängigkeit von den anfallenden
zur Verfügung, die im kommerziellen Maßstab verwen- Stromkosten für die Wasserstoffproduktion.
det wird und Wasserstoff für heutige Nutzungen (z.B. in → Herstellung aus Dampfreformierung mit
der Chemieindustrie oder Raffinerien) zu sehr günsti- CO2-Speicherung (CCS – Carbon Capture and
gen Preisen von oftmals weniger als 2 EUR pro kg H2 zur Storage, sog. "blauer" Wasserstoff): Hierbei wird
Verfügung stellt. Allerdings werden bei dieser Herstel- das im Herstellungsprozess anfallende CO2
lungsmethode weiterhin CO2-Emissionen von ca. 11,3 aufgefangen und z.B. unterirdisch gespeichert.
kg pro kg H2 verursacht, die zukünftig vermieden wer- In Europa sind derzeit zwei Anlagen zur groß
den müssen, wenn Wasserstoff seine zukünftige Rolle flächigen CO2-Abscheidung und -speicherung in
als grüner Energieträger erfüllen und einen wesent Norwegen in Betrieb, weitere Anlagen sind im Bau
lichen Beitrag zur Erfüllung europäischer und bzw. in Planung (Global CCS Institute, 2019).
internationaler Klimaziele leisten soll. Gleichzeitig ist Zukünftig werden sehr kostenkompetitive Produk-
bereits mit der Nutzung von mittels Dampfreformie- tionskosten erwartet, aktuelle Studien gehen
rung aus Erdgas hergestelltem Wasserstoff eine Reduk- davon aus, dass heutige Wasserstoff-Produktions-
tion von CO2-Emissionen im Vergleich zur Nutzung von kosten aus Dampfreformierung von 18-48% durch
z.B. Diesel möglich. die zusätzliche Nutzung von CCS steigen (IEAGHG,
2017). Allerdings bestehen Bedenken angesichts
Das volle Potenzial von Wasserstoff als grünem Energie- der Risiken der langfristigen Speicherung einer
träger mit vollständiger Vermeidung von CO2-Emissio- hierdurch entstehenden großen und nur teilweise
nen kann jedoch nur genutzt werden, wenn zukünftig weiterverwendbaren Menge CO2.
vollständig regenerative bzw. CO2-neutrale Produktions- → Herstellung aus Biomasse (sog. "türkiser" Wasser-
methoden mit wettbewerbsfähigen Kosten zur Anwen- stoff): Auch die Nutzung von Biomasse bzw.
dung gebracht werden. Dafür stehen grundsätzlich die Biogas zur Herstellung von Wasserstoff mittels
folgenden Optionen zur Verfügung: Pyrolyse kann ohne oder mit nur sehr geringen
→ Herstellung aus Elektrolyse: Der Fokus zur Her- CO2-Emissionen erfolgen. Auch hier können
stellung von "grünem" Wasserstoff lag in den zukünftig attraktive Produktionskosten erreicht
letzten Jahren klar auf dieser Technologie, vor werden, wobei auf etablierte Produktionstech
allem auf der Weiterentwicklung der PEM-Elektro nologien zurückgegriffen wird. Allerdings steht
lyse, die bedeutende Fortschritte gemacht hat. Biomasse zur Produktion von Wasserstoff zukünf-
Diese ist insbesondere in der Lage, die durch tig voraussichtlich nur in begrenztem Maß zur
volatile Stromerzeugung entstehenden Lastprofile Verfügung.
zu bedienen. Daneben steht mit der Alkali- → Weitere derzeit in Erforschung bzw. erster Erpro-
Elektrolyse eine kommerziell etablierte Alter bung befindliche Technologien umfassen die
native zur Verfügung, die geringere Investitions direkte Produktion von Wasserstoff aus Wasser
kosten aufweist, jedoch vor allem für den mit Solarkraft oder die biologische Herstellung
26 | Kapitel 2
mit Algen. Auch die Gasifizierung von Abfällen erneuerbaren Energien deutlich vorangetrieben oder
zur Herstellung von Wasserstoff wird erprobt. alternativ der Wasserstoffbedarf durch Importe gedeckt
Diese Technologien befinden sich jedoch noch in werden.
einem sehr frühen Entwicklungsstadium, sodass
verlässliche Kostenprojektionen zurzeit kaum Auch wenn insbesondere die Kosten für die Herstellung
möglich sind. von "grünem" Wasserstoff heute teilweise noch sehr
hoch sind, besteht bei allen Herstellungspfaden für
Zusätzlich fällt derzeit in einigen Produktionsprozessen "grünen" Wasserstoff signifikantes Potenzial für zukünf-
der chemischen Industrie Wasserstoff als Nebenpro - tige Kostensenkungen als wichtiger Hebel für die Errei-
dukt an. Auch wenn dieser Wasserstoff allgemein nicht chung einer zukünftig verbesserten Wirtschaftlichkeit
als "grün" bzw. "sauber" angesehen wird4, fallen für der Technologie. Der europäische Industrieinteressen-
seine Produktion keine zusätzlichen Emissionen an verband Hydrogen Europe formuliert für 2030 für die
und er kann oft zu geringen Kosten nutzbar gemacht Erschließung eines Massenmarktes für "grünen" Was-
werden. In Regionen, in denen größere Menge solchen serstoff das Ziel von Produktionskosten zwischen 1,5
Wasserstoffs zur Verfügung stehen, kann dieser, ebenso und 3 EUR und Transportkosten von unter 1 EUR je kg
wie konventionell aus Dampfreformierung hergestellter H2. Geringere Produktionskosten werden dabei für die
Wasserstoff, eine wichtige Rolle in der Übergangsphase Produktion von Wasserstoff mittels Dampfreformie-
hin zu einer vollständig "grünen" Wasserstoffwirtschaft rung und CO2-Speicherung (CCS – Carbon Capture and
spielen. Durch die Nutzung von so produziertem Was- Storage), etwas höhere Kosten für die Erzeugung mit
serstoff können die Gesamteinsatzkosten der Technolo- Elektrolyse angenommen. Mit diesen Zielwerten wird
gie gesenkt werden, solange Skaleneffekte auf Anschaf- davon ausgegangen, dass Wasserstoff kostenkompetitiv
fungskosten noch nicht vollständig realisierbar sind. mit fossilen Treibstoffen wie Diesel oder Benzin werden
kann. Entscheidend für die zukünftigen Kosten werden
Zukünftig wird voraussichtlich ein Mix verschiedener dabei vor allem lokale Rahmenbedingungen wie die
Produktionsmethoden zur Anwendung kommen, je Nutzlast der Anlagen (v.a. bei der Elektrolyse) sowie lo -
nach lokalen Rahmenbedingungen und Potenzialen zur kale Rohstoffkosten (z.B. für Strom, Biomasse, CO2-Spei-
besonders kostengünstigen Produktion von Wasserstoff. cherung) sein, aus denen sich mögliche Bandbreiten für
Langfristig muss aber vollständig "grüner" Wasserstoff zukünftige Wasserstoff-Herstellungskosten ergeben –
in allen Anwendungsfeldern genutzt werden, um das für die Herstellung von "grünem" Wasserstoff besteht
volle Potenzial der Technologie zur Emissionsreduktion dabei das Potenzial, Herstellungskosten von bis zu un-
zu nutzen. Generell ist dabei davon auszugehen, dass ter 2 EUR zu erreichen (Abb. 4).
zukünftig die Produktion von Wasserstoff aus Elektroly-
se mit erneuerbarem Strom den weitaus größten Anteil
des benötigten Wasserstoffs bereitstellen wird. Dies
wird umso mehr der Fall sein, wenn große Mengen Was-
serstoff für die Etablierung einer Wasserstoffwirtschaft
4 Zu den Aktivitäten zur Etablierung einer klaren Zertifizierung von "grünem"
in allen Energiesektoren benötigt werden. Gleichzeitig Wasserstoff in Europa vgl. das von der FCH JU unterstützte Projekt "CertifHy":
muss für die Deckung dieser Nachfrage der Ausbau der www.certifhy.eu.
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 27
Abbildung 4
Wasserstoff-Herstellungskosten im Vergleich [EUR/kg H2]
Für die Herstellung von Wasserstoff aus Elektrolyse wer- Wasserstoff aus Elektrolyse bereits heute kostenkom
den zukünftig vor allem die anfallenden Stromkosten petitiver zu machen. Auch wenn aktuelle Studien signi
entscheidenden Einfluss auf die Wasserstoffkosten ha- fikante Kostenreduktionen vor allem für die hierfür be-
ben, wie derzeit auch vielfach in der öffentlichen Dis- nötigten PEM-Elektrolyseure voraussagen (u.a. durch
kussion thematisiert wird. Hierbei wird in Deutschland die zukünftige Nutzung größerer Anlagen sowie Skalen
vor allem die Befreiung von Elektrolyseuren von der effekte in der Produktion), ist davon auszugehen, dass
EEG-Umlage bzw. die Einführung einer effektiven aufgrund der für die Herstellung eines Kilogramms
CO2-Besteuerung gefordert, um die Herstellung von Wasserstoff benötigten Strommenge ( je nach Anlagen
28 | Kapitel 2
Abbildung 5
Zusammensetzung der Wasserstoffkosten für aus Elektrolyse hergestellten Wasserstoff in Abhängigkeit
vom Strompreis [EUR/kg]1
1 PEM-Elektrolyse-Anlage mit H2-Produktion von 3.000 kg pro Tag, 97% Nutzungsrate, Abschreibung über 10 Jahre. Quelle: FCH 2 JU, 2018d
effizienz zwischen ca. 50 und 60 kWh/kg Wasserstoff) pro kg. Verbleiben die Kosten auf diesem Niveau, ist eine
die Stromkosten den weitaus größten Anteil an den Ge- breite Marktdurchdringung der Technologie nicht realis-
samtproduktionskosten und damit auch am Endkun- tisch. Unter Berücksichtigung optimierter Lastprofile
denpreis für "grünen" Wasserstoff ausmachen werden. (Betriebsstunden), der Anlagengröße, der Realisierung
von Skaleneffekten in der Anlagenproduktion und der
Daher führen beispielsweise Stromkosten von 17,09 ct Steigerung der Anlageneffizienz sowie geringeren Strom-
pro kWh (durchschnittlicher Industriekundenstrompreis kosten für die Wasserstoff-Herstellung sind hingegen zu-
in Deutschland inkl. Steuern und Abgaben) zu reinen künftig Kostenniveaus erreichbar, die für die zukünftige
Wasserstoff-Produktionskosten (PEM-Elektrolyse, ohne Kommerzialisierung der Technologie notwendig sind
Abschreibung für die Produktionsanlage) von ca. 11 EUR (Abb. 6).
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 29
Abbildung 6
Produktionskosten für "grünen" Wasserstoff aus Elektrolyse [EUR/kg]
Zusätzliche Potenziale für die Reduzierung der Produk- einen spürbaren Effekt auf die Produktionskosten zu
tionskosten für "grünen" Wasserstoff aus Elektrolyse erzielen, sind ein geeigneter regulatorischer Rahmen
kann die Nutzung der Anlagen für verschiedene Dienst- zur dementsprechenden Nutzung der Anlagen sowie
leistungen im Kontext der allgemeinen Stromnetzstabi- entsprechende attraktive Vergütungsmechanismen not-
lisierung sein; prinzipiell können alle drei wesentlichen wendig, die derzeit zwischen verschiedenen Ländern
Dienstleistungsbereiche auf diesem Gebiet durch stark unterschiedlich ausfallen. In Deutschland werden
Power-to-Gas-Anlagen erbracht werden. Um hierdurch vergleichsweise hohe Vergütungen gezahlt: So können
30 | Kapitel 2
nach aktuellen Einschätzungen in Deutschland theore- mit verbundenen Investitions- und Betriebskosten, die
tisch bis zu 230.000 EUR pro MW installierte Elektro spezifischen Bedarfe und assoziierten Kosten einer zu-
lyseursleistung (PEM) für zusätzliche Dienstleistungen künftig vollumfänglich ausgebauten Wasserstoff-Infra-
eingenommen werden (unter der Annahme, dass die struktur sind jedoch bislang für Baden-Württemberg
Erbringung dieser Dienstleistungen konfliktfrei mit der nicht vollständig bewertet worden. Generell wird derzeit
primären Wasserstofferzeugung erfolgen kann und ent- davon ausgegangen, dass bestehende Erdgas-Infra-
sprechender Bedarf an Dienstleistungen besteht). strukturen zukünftig mit hohen Synergieeffekten für
Nichtsdestotrotz muss hierbei betont werden, dass die die Wasserstoffversorgung nutzbar gemacht werden
Effekte aus solchen sekundären Umsatzquellen von könnten. Absehbar notwendige Investitionen in die
PtG-Anlagen einen Anteil zur Verbesserung der Wasser- Umstellung dieser Infrastrukturen für Wasserstoff kön-
stoff-Produktionskosten leisten können, der weitaus nen aber erst klarer als heute beurteilt werden, wenn
größere Hebel aber in den zur Anwendung kommenden derzeit laufende Forschungs- und Demonstrationspro -
Stromkosten liegt. jekte in diesem Zusammenhang abgeschlossen und
mögliche Investitionsbedarfe klarer bewertet sind.
Auch bezüglich der zukünftigen Infrastruktur- und Dis-
tributionskosten müssen derzeit noch hohe Kosten Solche Einschätzungen gelten umso mehr bei der Be-
deutlich reduziert werden, um die Gesamtkosten des wertung der kostenmäßigen Auswirkungen hinsichtlich
Technologieeinsatzes signifikant zu verbessern. In den benötigter Infrastrukturen von Szenarien, die von einer
nächsten Jahren kann jedoch von deutlichen Kostenre- Produktion großer Mengen in Europa benötigten Was-
duktionen und der Realisierung von Skaleneffekten aus- serstoffs z.B. in den Golf- oder anderen arabischen Staa-
gegangen werden. Heutige hohe Kosten in diesem Be- ten, in Afrika oder in Südeuropa ausgehen, wo große
reich ergeben sich vor allem durch die derzeit noch sehr Mengen Sonnenenergie zu sehr geringen Energiekosten
hohen Investitionskosten für Wasserstoff-Tankstellen potenziell zur Verfügung stehen. Hierfür sind entspre-
sowie teilweise aus unrentablen Logistikketten, in chende Anlagen zur Verflüssigung und Re-Gasifizierung
denen nur sehr begrenzte Mengen Wasserstoff für De- des produzierten Wasserstoffs ebenso wie Transport-
monstrationsprojekte transportiert werden, bei gleich- schiffe erforderlich, vergleichbar mit heutigen Infra-
zeitig hohen Grundinvestitionskosten für z.B. Tanks, strukturen zum Transport von LNG. Solche Anlagen wei-
Transportfahrzeuge, Pipelines oder Ähnliches. sen typischerweise sehr hohe Investitionsbedarfe von
mehreren Milliarden EUR auf, zudem sind die zusätz
Gleichzeitig sind die zukünftigen Kosten für benötigte lichen Energiebedarfe und -kosten für die Verflüssigung
Infrastrukturen zur Verteilung großer Mengen Wasser- zu beachten. Ein kosteneffizienter Betrieb solcher Infra-
stoff (voraussichtlich erst nach 2030 in größerem Maß- strukturen für Wasserstoff ist grundsätzlich nur in ei-
stab erforderlich), wie beispielsweise unterirdische nem großindustriellen Produktionsmaßstab denkbar,
Großspeicher, kleinere Verteilungsspeicher oder ggf. wie er absehbar erst in langfristiger Perspektive reali-
notwendige neue Pipelinenetze, derzeit nicht abschlie- siert werden wird.
ßend und verlässlich beurteilbar: Zwar bestehen im
klassischen Erdgasgeschäft langjährige Erfahrungen Infrastrukturkomponenten, wie Tankstellen, kleinere
mit dem Betrieb derartiger Infrastrukturen und den da- Speicheranlagen bzw. Druckgasbehälter zum Transport
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 31
Abbildung 7
Prognostizierte Entwicklung der Investitionskosten für Wasserstoff-Tankstellen bis 2030 [TEUR]
mit Lkw (Stahl, ca. 200 bar) und Pipelines, sind dagegen verfügbar sind. Sowohl bestimmte Komponenten von
bereits heute kommerziell im Markt verfügbar; bei- Wasserstoff-Tankstellen (v.a. Kompressoren) wie auch
spielsweise betreibt Air Liquide ein Pipelinenetz zur Ver- Druckspeicher für höhere Druckbereiche (ca. 500 bar
sorgung seiner Kunden mit Wasserstoff im Ruhrgebiet. mit Kompositmaterialien) werden derzeit aber noch
Hinsichtlich Druckgasbehältern in niedrigeren Druck- technisch weiterentwickelt bzw. kommen neue techni-
bereichen aus Stahl und Pipelinekomponenten sind zu- sche Lösungen in den Markt, mit denen die Hersteller
künftig keine wesentlichen Kostenreduktionen erwart- unter anderem die Kosten für wesentliche Infrastruk-
bar, da diese Produkte bereits heute kommerziell turkomponenten weiter senken wollen. Neben techni-
32 | Kapitel 2
schen Innovationen und Verwendung neuer Materialien duktentwicklungsstadien aufweisen. Diese Anwendun-
bestehen aber auch in diesem Bereich wesentliche He- gen lassen sich entlang der folgenden wesentlichen
bel zur Senkung der Investitionskosten in der weiteren Marktsegmente für Wasserstoff-Anwendungen struktu-
Realisierung von Skaleneffekten. rieren:
→ Mobilität/Transport
Hinsichtlich der heute noch mit sehr hohen Investi → Gebäude (Wärme und Strom)
tionskosten verbundenen Installation von Wasserstoff- → Verwendung als industrieller Rohstoff
Tankstellen sind zukünftig weitere Kostenreduktionen → Stromerzeugung
erwartbar, da hier die zukünftige Installation größerer An- → Industrielle Energieerzeugung
lagen, höhere Stückzahlen und Skaleneffekte sowie tech-
nologische Weiterentwicklungen (z.B. in der Kompressor- Im Fall der Verwendung von Wasserstoff als industriel-
und Speichertechnik) zu weiteren signifikanten ler Rohstoff ist auf die Ausführung im Abschnitt zur
Reduzierungen der Anlagenkosten führen werden (Abb. 7). Wasserstoffproduktion zu verweisen. Darüber hinaus
beschränkt sich die folgende Darstellung auf ausgewähl-
Generell wird aber auch zukünftig mit höheren Investi- te und für die weitere Marktentwicklung absehbare, be-
tionskosten für Wasserstoff-Tankstellen als für her- sonders relevante Anwendungen, für die heute bereits
kömmliche Tankstellen zu rechnen sein; dies ist umso belastbare Kostenabschätzungen möglich sind. Anhand
mehr der Fall, wenn gerade im Schwerlastverkehr die von diesen Anwendungen wird das generelle Potenzial
Integration der Speicherung und Vertankung flüssigen zur Realisierung von Skaleneffekten und Steigerung der
Wasserstoffs in Tankstellenanlagen notwendig sein soll- Wirtschaftlichkeit der Technologie illustriert.
te. Trotz der im Vergleich zur Errichtung einzelner Lade-
punkte für batterieelektrische Fahrzeuge hohen Kosten Dabei ist generell, wie bereits erwähnt, davon auszu
ist darauf hinzuweisen, dass Wasserstoff-Tankstellen gehen, dass für den Bereich der Wasserstoff- und Brenn-
eine deutlich höhere Anzahl individueller Fahrzeuge stoffzellen-Endanwendungen das Potenzial zur Realisie-
versorgen können und deren heute oftmals nicht gege- rung von Skaleneffekten und zu einer signifikanten
bener Business Case mit der äußerst geringen Verbrei- Kostenreduktion aktuell zu einem signifikanten Anteil
tung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen zu begründen ist. noch nicht ausgenutzt wurde. Durch die heute relativ
Studien haben gezeigt, dass insbesondere bei höheren geringen verkauften Stückzahlen von Wasserstoff-
Anteilen von elektrischen Fahrzeugen im Gesamtfahr- Endanwendungen und Brennstoffzellen-Systemen hat
zeugbestand die anfallenden Infrastrukturkosten für ein breiterer Markthochlauf bislang noch nicht begon-
Wasserstoff insgesamt geringer ausfallen als für die Aus- nen, der entsprechende Kostenreduktionen nach sich
stattung mit Ladeinfrastruktur für eine vergleichbare zieht. Nichtsdestotrotz wurden im Vergleich zu ersten
Fahrzeugmenge (Abb. 8) (Robinius et al., 2018). Prototypen- oder Demonstrations-Kleinserien die An-
wendungskosten bereits bis heute signifikant reduziert.
Für die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Weitere signifikante Kostenreduktionen sind aber not-
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie existiert wendig, um den Einsatz der Technologie insgesamt
eine Vielzahl verschiedener Endanwendungen, die un- wirtschaftlicher zu machen und dieser zu einer breite-
terschiedliche technologische Reifegrade und Pro - ren Marktdurchdringung zu verhelfen.
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 33
Abbildung 8
Vergleich der kumulierten Investitionen für den notwendigen Infrastrukturaufbau [Mrd. EUR]
Abbildung 9
Kostenprojektion von Brennstoffzellen-Systemen in Abhängigkeit der jährlichen Produktion am Beispiel eines
80-kW-Pkw mit technischer Performance, die 2020 voraussichtlich erreicht wird [EUR/kWnet]
geplant, das die Voraussetzungen für eine zukünftige Fahrzeuge. Auch im Lkw-Segment zeigt sich ein ähn
Serienproduktion von Brennstoffzellen-Systemen schaf- liches Bild (US DOE, 2018). Dies zeigt, dass asiatische
fen soll (Staatsministerium Baden-Württemberg, 2019). Hersteller, wie beispielsweise Toyota, die eine zukünf
tige Serienproduktion von 30.000 Pkw pro Jahr ange-
Analysen der Systemkosten von Pkw-Brennstoffzellen in kündigt haben, in den kommenden Jahren substanzielle
Abhängigkeit der jährlichen Produktionsrate zeigen die Kosteneinsparungen erzielen werden können (Abb. 9).
enormen Skaleneffekte, die mit zunehmenden Stück-
zahlen in den nächsten Jahren realisiert werden können. Diskussionen der letzten Jahre zur Anwendung der Was-
Die größten Einspareffekte ergeben sich bei der Steige- serstoff- und Brennstoffzellen-Technologie sowie deren
rung der jährlichen Produktionsrate auf bis zu 100.000 Kosten und infrastrukturellen Herausforderungen ha-
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 35
Abbildung 10
TCO für verschiedene Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Mobilitätsanwendungen [EUR/km]
ben sich v.a. auf den Pkw-Bereich erstreckt und hierbei tät des Infrastrukturausbaus); diese Diskussionen
Probleme für eine breite Marktdurchdringung themati- haben sich auch auf die Entwicklung der Technologie in
siert (z.B. die schlechteren Wirkungsgrade in der Ener- anderen Anwendungsbereichen ausgewirkt. Zuletzt er-
gienutzung und die komplexere Technik im Vergleich kennt die öffentliche Diskussion aber an, dass die Batterie-
mit der Batterietechnologie sowie die höhere Komplexi- sowie die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie
36 | Kapitel 2
sich im Pkw-Bereich als ergänzende Technologien dar- wogen. Bedingt durch die hohen Infrastrukturkosten
stellen und die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Tech- für die Elektrifizierung der ca. zu 50% nichtelektri
nologie insbesondere im Schwerlast- bzw. hohen Be- fizierten Eisenbahnstrecken in Deutschland, ist der
triebsanforderungsbereich deutliche Vorteile aufweist, Einsatz der Technologie hier auch aus wirtschaftlichen
da entsprechende Anforderungen mittels Batterietech- Gesichtspunkten eine sinnvolle Alternative zur Dekar -
nik kaum oder gar nicht zu bedienen sind. Wenngleich bonisierung. Der Einsatz von Wasserstoffzügen ist ab-
aufgrund des generell sehr großen Marktvolumens der sehbar mit nur geringen Kostenunterschieden zum
Pkw-Bereich für die weitere Kommerzialisierung der Dieselbetrieb möglich, unter günstigen Rahmenbedin-
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie auch gungen sind sogar Kosteneinsparungen möglich
wichtig ist, sind es vor allem Anwendungen aus dem (Abb. 10).
Schwerlast- und Nutzfahrzeugbereich, die nach Ein-
schätzung von Unternehmen und Experten ein wesent- Auch in den Bereichen der leichten bis mittelschweren
liches Marktpotenzial für die Technologie darstellen, da Nutzfahrzeuge sowie im Schwerlaststraßenverkehr wird
deren Anforderungen durch die Batterietechnologie der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie mit-
nicht oder nur teilweise bedient werden können. telfristig signifikantes Marktpotenzial zugeschrieben.
Bis heute sind allerdings nur sehr wenige Modelle im
Dementsprechend gehört das Segment der Stadtbusse Markt, die entweder in kleinen Stückzahlen oder als De-
für den ÖPNV zu denjenigen Anwendungen, in denen monstrations- bzw. Prototypen verfügbar sind (z.B. ca.
bereits umfängliche Erfahrungen mit der Wasserstoff- 250 umgerüstete Renault Kangoo von Symbio, Plan zur
und Brennstoffzellen-Technologie gesammelt wurden. zusätzlichen Ausstattung der Streetscooter der Deut-
EvoBus mit dem Produktionsstandort Mannheim ge- schen Post mit Brennstoffzellen-Range Extender, Con-
hört hierbei zu den Pionieren der Branche. Wenngleich cept Sprinter F-CELL von Mercedes-Benz Vans, Crafter-
von den ersten Prototypen die Anschaffungskosten für Studie von VW, Pläne von Nikola Motors in Kooperation
Brennstoffzellen-Busse bereits um ca. 80% gesenkt wer- mit Iveco für Wasserstoff-Lastwagen etc.). Verlässliche
den konnten, sind weitere signifikante Reduktionen Kostenvoraussagen sind daher derzeit nur begrenzt
notwendig, um einen flächendeckenden Einsatz zu er- möglich. Eine Studie von e-mobil BW (2017) kommt bei
möglichen. Während signifikante Kostenreduktionen der Analyse der Lebenszykluskosten zum Ergebnis, dass
mit dem weiteren Markthochlauf zu erwarten sind, lie- 2030 Wasserstoff-Lkw Kostenparität mit Diesel-Lkw er-
gen die erwartbaren Gesamtbetriebskosten auch zu - reichen können, vorausgesetzt sie profitieren von einer
künftig ca. bis zu 10% über denen konventioneller Maut- und Kfz-Steuerbefreiung und sind in Serienpro-
Dieselbusse. duktion mit entsprechend hohen Stückzahlen verfügbar
(Abb. 11).
Mit Wasserstoff betriebene Züge stellen ebenfalls ein
interessantes Marktsegment für die Wasserstoff- und Zusätzliches Marktpotenzial für die Wasserstoff- und
Brennstoffzellen-Technologie dar, das in den letzten Brennstoffzellen-Technologie besteht in weiteren
Jahren vermehrte Aufmerksamkeit erhalten hat und Nischenanwendungen, wie z.B. Straßendienstfahrzeu-
derzeit führend in Deutschland im Realeinsatz erprobt gen, Abfallentsorgungsfahrzeugen, Baustellenfahrzeu-
wird. Auch in Baden-Württemberg wird der Einsatz er- gen sowie weiteren vergleichbaren Spezialfahrzeugen
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 37
Abbildung 11
Vergleich der Gesamtbetriebskosten (TCO) für Diesel- und Brennstoffzellen-Lkw mit 18 t zGG 2015 und 2030
[EUR/Jahr]
Abbildung 12
Vergleich der Gesamtbetriebskosten (TCO) für Diesel- und Brennstoffzellen-Abfallentsorgungsfahrzeuge 2015
und 2030 [EUR/Jahr]
GEBÄUDEWÄRME UND STROM (und dadurch nicht emissionsfrei sind und nicht auf der
Nutzung erneuerbarer Energie beruhen). In Zukunft ist
Die Entwicklung von stationären Brennstoffzellen zur allerdings der Betrieb auch allein auf Wasserstoffbasis
dezentralen Energieversorgung (Wärme und Strom) ist möglich.
vor allem für die Versorgung von Individualhaushalten
mit kleinen KWK-Modulen bereits weit fortgeschritten, Während KWK-Anlagen für Individualhaushalte heute
wenngleich die meisten derzeit verwendeten Modelle noch ca. 45% teurer in den Gesamtbetriebskosten sind
Erdgas als Grundrohstoff zur Energieerzeugung nutzen als herkömmliche Energieerzeugungsmethoden, sind
Energie der Zukunft? – Die zukünftige Rolle von Wasserstoff und Brennstoffzellen | 39
Abbildung 13
Kostenvergleich für verschiedene KWK-Anwendungen [EUR/km]
Die weltweite Nachfrage nach Wasserstoff hat sowie ein signifikantes Marktwachstum ermöglichen.
sich seit 1975 mehr als verdreifacht und wächst Im Mobilitäts- und Verkehrssektor, in dem Wasser-
kontinuierlich weiter (IEA, 2019). Bis heute be- stoff-Anwendungen bereits in Kleinserie produziert wer-
steht der weltweite Wasserstoffmarkt aber fast aus- den und der ein wichtiges Marktsegment für die Ent-
schließlich aus dem Handel mit konventionell erzeug- wicklung der Technologie darstellt, konzentriert sich
tem Wasserstoff, der als Rohstoff und Industriegas in die Marktentwicklung alternativer Antriebe derzeit vor
verschiedenen industriellen Fertigungsprozessen ver- allem auf massive Investitionen in die Batterietechnolo-
wendet wird (beispielsweise in Raffinerien oder der che- gie, die im Zentrum öffentlicher Debatten zur Null-Emis-
mischen Industrie). Der Marktanteil von regenerativ sions-Energienutzung steht und heute bereits über ein
erzeugtem "grünen" Wasserstoff und Produkten der vergleichsweise breites und kommerziell besser verfüg-
Brennstoffzellen-Industrie, die eine Realisierung der bares Produktportfolio, vor allem im Pkw-Bereich, ver-
Potenziale von Wasserstoff als erneuerbarem Energie- fügt. Gleichzeitig gehen wichtige Unternehmen davon
träger ermöglichen (vgl. Kap. 2.1), ist dagegen derzeit aus, dass mit einer breiteren Marktdurchdringung von
noch gering. In den vergangenen Jahren nimmt der An- Null-Emissions-Antrieben und der steigenden Notwen-
teil in wichtigen globalen Leitmärkten jedoch kontinu- digkeit, auch Fahrzeuge mit anspruchsvollen Nutzprofi-
ierlich zu und verschiedene Länder weltweit haben am- len und im Schwerlastbereich zu elektrifizieren, Wasser-
bitionierte Ziele zum Ausbau der Nutzung von stoff und Brennstoffzellen eine immer wichtigere Rolle
regenerativ erzeugtem Wasserstoff und Brennstoffzel- spielen werden, die mit höheren Produktionsvolumina
len-Anwendungen in den nächsten Jahren formuliert. und Brennstoffzellen-Fahrzeugen auf Straße, Schiene,
Gleichzeitig hat eine wachsende Anzahl von Unterneh- Wasser und möglicherweise auch in der Luft einherge-
men, die zum Beispiel im internationalen Industriever- hen wird.
band Hydrogen Council und seinem europäischen Pen-
dant Hydrogen Europe organisiert sind, "grünen" Der Blick auf die weltweiten Aktivitäten im Bereich Was-
Wasserstoff und Brennstoffzellen als zukünftig relevan- serstoff und Brennstoffzellen zeigt, dass die Anzahl an
tes Geschäftsfeld identifiziert und investiert in wach- Ländern, die sich ambitionierte Ziele zur Förderung der
senden Volumina in die Technologie. Bis 2030 und vor Technologien setzen sowie nationale Strategien zum
allem danach erwarten Unternehmen und Branchenex- Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft formulieren, konti-
perten weltweit ein signifikantes Marktwachstum für nuierlich wächst. Als führende Märkte weltweit sind ins-
Wasserstoff und Brennstoffzellen und den Start der Ent- besondere die derzeitigen Leitmärkte Japan, Südkorea,
wicklung eines globalen Massenmarktes, der signifi - China, USA (insb. Kalifornien) und Deutschland/Europa
kante wirtschaftliche Potenziale für die in ihm tätigen anzuführen, die die Wasserstoff- und Brennstoffzel-
Unternehmen bereithält. len-Technologie seit mehreren Jahren intensiv fördern,
unter anderem durch hohe staatliche Subventionen. Da-
Für den Markthochlauf von regenerativ erzeugtem Was- rüber hinaus weiten wichtige Industrieunternehmen
serstoff und dessen Anwendungen fehlen teilweise noch ihre Aktivitäten im Bereich der Wasserstoff- und Brenn-
politische und regulatorische Rahmenbedingungen, stoffzellen-Technologie aus oder steigen neu in das ent-
die den Aufbau eines wettbewerbsfähigen Geschäfts stehende Geschäftsfeld ein, vor allem in den Bereichen
modells und die Kommerzialisierung der Technologie Energiespeicherung und Anwendungen für den Mobili-
44 | Kapitel 3
täts- und Verkehrssektor. Führende Energie-, Transport- Marktanteile zu sichern. Infolge der weltweit wachsen-
und Industrieunternehmen gründeten auf dem Welt- den Bedeutung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
wirtschaftsforum in Davos im Januar 2017 einen Technologie im Rahmen der Energiewende, der steigen-
Wasserstoffrat, den Hydrogen Council, der mit 60 Mit- den Aktivitäten wichtiger Industrieunternehmen in
gliedsunternehmen inzwischen den weltweit größten diesem Bereich sowie der zunehmend zuträglichen Rah-
Zusammenschluss von Unternehmen zur Weiterent- menbedingungen ist mittel- und langfristig in allen re-
wicklung der Wasserstoffwirtschaft darstellt. Vorange- levanten Märkten mit einem signifikanten Marktwachs-
trieben wird die Entwicklung der Technologie in den tum zu rechnen.
vergangenen Jahren auch durch länderübergreifende
Zusammenschlüsse von Unternehmen und Forschungs- Im Folgenden wird ein Überblick über aktuelle Rahmen-
institutionen sowie durch Public-Private-Partnerships. bedingungen für den Markthochlauf von Wasserstoff
und Brennstoffzellen sowie über mittel- und langfristi-
In einem Report zur Zukunft von Wasserstoff, der für ge Marktentwicklungsszenarien bis zu den Jahren 2030
die G20-Tagung der Umwelt- und Energieminister in Ja- und 2050 für den globalen, europäischen, deutschen
pan im Juni 2019 verfasst wurde, betont die Internatio- und baden-württembergischen Markt gegeben. Für die
nale Energieagentur (IEA), dass aufgrund der hohen Bewertung der zukünftigen wirtschaftlichen Potenziale
internationalen Aufmerksamkeit, die der Wasserstoff- der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie für
und Brennstoffzellen-Technologie in Politik und Wirt- den Industrie- und Wirtschaftsstandort Baden-Würt-
schaft derzeit zukommt, aktuell der richtige Zeitpunkt temberg ist aufgrund der starken Exportorientierung
sei, um das Potenzial von Wasserstoff für eine saubere, der lokalen Wirtschaft insbesondere die Marktentwick-
sichere und kosteneffiziente energiewirtschaftliche Zu- lung in Gesamteuropa (mit Deutschland als wichtigem
kunft zu evaluieren und dessen Realisierung und groß- Leitmarkt) sowie global mit den zentralen Leitmärkten
flächige Anwendung zu starten (IEA, 2019). Diese Ein- in Ostasien (China, Japan, Südkorea) und in Nordameri-
schätzung kann aus Sicht der Studie und der in ihrem ka (v.a. Kalifornien) relevant5. Ein Fokus bei der Betrach-
Rahmen interviewten relevanten Unternehmens-Stake- tung der möglichen Marktentwicklung im Rahmen die-
holder aus Baden-Württemberg deutlich unterstrichen ser Studie wird auf den Mobilitäts- und Verkehrssektor
werden. Die Unternehmen erwarten in den nächsten gelegt, dem eine Schlüsselrolle beim Aufbau der Was-
Jahren einen sich beschleunigt entwickelnden Markt, serstoffwirtschaft zugeschrieben wird und der für den
der auch in seiner Hochlaufphase zunehmend kommer- Industriestandort Baden-Württemberg eine zentrale
ziell attraktiv wird und in dem sie sich für die Zukunft Rolle spielt6.
positionieren wollen. Eine solche frühzeitige Positionie-
rung im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Markt, der
Aufbau von Technologiekompetenzen, das Vorantreiben 5 Mit einer Exportquote von 39,7% (Stand 2018) gilt Baden-Württemberg derzeit
als exportstärkstes Bundesland (Statistisches Landesamt BW, 2019a).
von Innovationen sowie der Aufbau von Produktionska- 6 Rund ein Drittel der deutschen Unternehmen der Automobilindustrie ist in
pazitäten durch weitere und verstärkte Investitionen in Baden-Württemberg ansässig, weshalb der Mobilitäts- und Verkehrssektor eine
zentrale Bedeutung für das Bundesland hat (Clusterportal BW, 2019). Die resultie-
den nächsten Jahren sind wichtige Voraussetzungen für rende Kernkompetenz Baden-Württembergs im Mobilitäts- und Verkehrssektor
bestätigte unter anderem auch die im Rahmen der Studie durchgeführte
baden-württembergische Unternehmen, um sich wett- Online-Umfrage, bei der von allen teilnehmenden Unternehmen "Mobilität" als
bewerbsfähig im Markt zu positionieren und relevante klare Stärke des Industriestandorts Baden-Württemberg hervorgehoben wurde.
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 45
Über die zukünftige Marktentwicklung von Wasserstoff giesystems insgesamt, sind Prognosen zur Entwicklung
und Brennstoffzellen existieren je nach zugrunde geleg- des Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Marktes nichts-
ten Annahmen unterschiedliche Prognosen, die teilwei- destotrotz mit Schwierigkeiten verbunden und müssen
se deutlich voneinander abweichen. Als Grundlage für daher – insbesondere in der Langfristperspektive bis
die im Folgenden betrachteten mittel- und langfristigen 2050 – mit entsprechenden Einschränkungen und unter
Marktentwicklungsszenarien wurden die Marktstudien Berücksichtigung der jeweils aktuellen politischen und
des Hydrogen Council und des Fuel Cells and Hydrogen regulatorischen Rahmenbedingungen betrachtet und
Joint Undertaking (FCH JU), zwei der weltweit größten bewertet werden.
Initiativen im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen,
herangezogen (Hydrogen Council, 2017; FCH 2 JU, 2019).
Im Rahmen dieser Studien wurden Marktentwicklungs-
3.1 Globale
Marktentwicklung
szenarien für 2030 und 2050 für den globalen und euro-
päischen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Markt über Die globale Marktentwicklung von Wasserstoff und
alle relevanten Sektoren erstellt. Die dort prognostizier- Brennstoffzellen wird zukünftig maßgeblich von den
ten Szenarien repräsentieren aus Sicht der Studie den Zielen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen be-
derzeit aktuellsten und breitesten Überblick über die stimmt, die auf der Pariser Klimakonferenz im Jahr
zukünftige Marktentwicklung von Wasserstoff und 2015 beschlossen wurden. Alle 197 Vertragsparteien der
Brennstoffzellen und beruhen wesentlich auf den Ein- Klimarahmenkonvention unterzeichneten das Pariser
schätzungen der weltweit führenden Unternehmen im Klimaabkommen und stimmten damit zu, umfassende
Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen, die einen di- Maßnahmen zu ergreifen, um die globale Erderwär-
rekten Einblick in den aktuellen Markt sowie dessen mung unter 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustri-
Entwicklung haben und deren eigene Investitionsent- ellen Niveau zu halten, und die Bemühungen zu inten-
scheidungen wesentlich von der Markteinschätzung ab - sivieren, den Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert
hängen. Die dort entwickelten Szenarien werden dane- noch weiter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (United
ben von weiteren Marktstudien, teilweise zu einzelnen Nations, 2015)7. Die Erreichung dieser Ziele erfordert
Marktsegmenten, der letzten Jahre bestätigt (Shift2Rail weltweit einen Umbau der Energiesysteme sowie eine
& FCH 2 JU, 2019; FCH 2 JU, 2018a; FCH 2 JU, 2018b; FCH Dekarbonisierung zentraler Energieverbrauchssektoren,
2 JU, 2018c). Auch die im Rahmen der Studie durchge- bei denen Wasserstoff und Brennstoffzellen eine bedeu-
führten Experteninterviews sowie die Online-Umfrage tende Rolle eingeräumt wird (vgl. z.B. IEA, 2019; Hydro-
unter baden-württembergischen Unternehmen der Was- gen Council, 2017 sowie Kap. 2.1).
serstoff- und Brennstoffzellen-Industrie bestätigen mit
ihrer grundsätzlichen Perspektive auf die weitere
Marktentwicklung die durch den Hydrogen Council und
das FCH JU entworfenen Marktentwicklungsszenarien.
7 Im November 2019 reichten die USA, die zu den weltweit größten
Aufgrund einer Vielzahl von Einflussfaktoren, wie bei- CO2-Emittenten gehören, jedoch die Kündigung des Klimaabkommens ein,
welche Ende 2020 wirksam wird und deren Auswirkung auf die globalen
spielsweise der weiteren technologischen Entwicklung Klimaziele, deren Erreichung und Implikationen für den Aufbau einer
und des jeweils aktuellen Stands des Umbaus des Ener- Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Wirtschaft noch unklar sind.
46 | Kapitel 3
Abbildung 14
Politisches Engagement zur Unterstützung des Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Marktes nach Anwendungen
Global wird die Marktentwicklung inzwischen von einer Brennstoffzellen-Technologie in Kraft gesetzt, neun ha-
wachsenden Anzahl von Ländern vorangetrieben, die ben bereits konkrete nationale Fahrpläne für die Ent-
die Entwicklung und Anwendung der Wasserstoff- und wicklung und Anwendung der Technologie definiert
Brennstoffzellen-Technologie durch politische Maßnah- (IEA, 2019). Die Maßnahmen umfassen entweder kon-
men und Investitionen fördern. Dabei beschränkt sich krete Ziele für bestimmte Anwendungsbereiche von
die staatliche Unterstützung nicht auf einzelne Markt- Wasserstoff und Brennstoffzellen, unterschiedliche
segmente, sondern oftmals werden breite Strategie- und Formen von Anreizsetzungen (z.B. Kaufprämien für
Förderansätze verfolgt. Innerhalb der G20 und der Euro- Brennstoffzellen-Fahrzeuge) oder Kombinationen aus
päischen Union (EU) haben bis heute elf Länder politi- konkreten Zielen und Anreizen. Die aktuellen Förder-
sche Initiativen zur Förderung der Wasserstoff- und maßnahmen der Länder betreffen die Hauptanwen-
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 47
dungsbereiche Mobilität und Verkehr, Wasserstoff- ge produzieren, davon 3,3 Mio. für das eigene
Infrastruktur (insb. Aufbau von Tankstelleninfrastruk- Land, und 940.000 Haushalte mit Brennstoffzel-
turen), Wasserstoff-Herstellung und Power-to-Gas, Ge- len versorgen. Die Regierung kündigte im Oktober
bäude (Wärme und Strom), Stromerzeugung und Indus- 2019 des Weiteren an, bis 2022 drei Wasserstoff-
trie. Abb. 14 gibt einen Überblick über die aktuelle globale Pilotstädte realisieren zu wollen, die mit Brenn-
Förderung von verschiedenen Wasserstoff- und Brenn- stoffzellen mit einer Gesamtleistung von 9,9 MW
stoffzellen-Anwendungen. Anwendungen im Mobilitäts- und 700 Brennstoffzellen-Fahrzeugen (davon
und Verkehrssektor, insbesondere Pkw, Busse und Lkw, 670 Pkw und 30 Busse) ausgestattet werden sollen
werden derzeit am stärksten gefördert, was das Poten (DWV, 2019a; The Korea Herald, 2019).
zial unterstreicht, das Wasserstoff und Brennstoffzellen → China: Auch China fördert die Wasserstoff-
zukünftig in diesem Bereich zugesprochen wird. und Brennstoffzellen-Technologie seit
mehreren Jahren intensiv. Bereits 2016 wurden
Eine herausragende Bedeutung bei der Entwicklung des in der "Energy Saving and New Energy Vehicle
globalen Wasserstoffmarktes kommt den derzeitigen Technology Roadmap" nationale Ziele für die
Leitmärkten Japan, Südkorea, China, USA (insb. Kalifor- Entwicklung von Brennstoffzellen und den
nien) und Deutschland/Europa zu. Die genannten Län- Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur festgelegt
der bzw. Regionen haben sich bereits heute ambitio - (NOW, 2019). Darüber hinaus verfolgt die chinesi-
nierte Ziele für den Markthochlauf gesetzt und fördern sche Regierung den Plan, bis 2030 eine Flotte von
diesen unter anderem durch wegweisende Public- 1 Mio. Brennstoffzellen-Fahrzeugen auf die Straße
Private-Partnerships, die Unterstützung von Pilotpro - zu bringen, und subventioniert Brennstoffzellen-
jekten und durch zielgerichtete Investitionen. Das För- Fahrzeuge und Tankstellen massiv8.
derspektrum reicht von Zuschüssen für Forschung und → USA: Die USA gewähren steuerliche Vorteile für die
Entwicklung über Investitionen in den Aufbau der Was- Speicherung von CO2 in geologischen Lagerstätten
serstoff-Infrastruktur bis hin zur Ankurbelung der und setzen Anreize für die Umwandlung von CO2
Nachfrage durch öffentliche Aufträge: in andere Produkte, z.B. durch Kombination mit
Wasserstoff. In Kalifornien wurde des Weiteren
→ Japan: Die Regierung Japans integrierte 2017 bereits 1999 das "California Fuel Cell Partnership"
bereits bestehende Wasserstoff- und Brennstoff- gegründet, eine Public-Private-Partnership, die
zellen-Projekte in eine nationale Wasserstoff
strategie mit ambitionierten Zielen. Die Strategie
sieht bis 2030 unter anderem 5,3 Mio. Brennstoff- 8 Käufer in 17 Provinzen erhalten laut einem Bericht der South China Morning Post
in diesem Jahr Zuschüsse in Höhe von bis zu 160.000 Yuan (rund 20.600 EUR)
zellen in Häusern, 800.000 Brennstoffzellen- pro Brennstoffzellen-Pkw bzw. bis zu 400.000 Yuan (rund 51.500 EUR) für
Fahrzeuge, darunter 1.200 öffentliche Busse mit Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge. Zudem vergeben die lokalen Behörden in zehn
Städten Subventionen in Höhe von bis zu 4 Mio. Yuan (rund 515.000 EUR) für
Brennstoffzellenantrieb, auf den Straßen vor den Bau jeder Wasserstoff-Tankstelle. Daneben sollen die Kosten für
(Kölling, 2019; METI, 2017). Brennstoffzellen-Systeme bis 2025 auf 4.000 Yuan (rund 515 EUR, jeweils
Umrechnungskurs Yuan in EUR vom 24.11.2019) pro Kilowatt gesenkt werden
→ Südkorea: Südkorea möchte durch intensive (Ng, 2019). Im Oktober 2019 wurde bekannt, dass die chinesische Regierung bis
Ende 2020 die staatlichen Subventionen durch die Zentralregierung für
Ankurbelung der Wasserstoffwirtschaft bis 2040 Brennstoffzellen-Fahrzeuge jedoch beenden und im Anschluss nur noch auf
unter anderem 6,2 Mio. Brennstoffzellen-Fahrzeu- lokale Förderungsprogramme setzen möchte (Li, 2019).
48 | Kapitel 3
sich für die Erweiterung des Marktes für Brenn- Forschung, Entwicklung, Kommerzialisierung
stoffzellen-Fahrzeuge einsetzt (IEA, 2019). und Nutzung (IPHE, 2019).
→ Deutschland: Deutschlands Bundesregierung hat
sich in dem im Oktober 2019 vorgelegten Klima- ZUKÜNFTIGE MARKTENTWICKLUNG
schutzprogramm 2030 klar zur Wasserstoff- und
Brennstoffzellen-Technologie bekannt. Zudem Auf Basis aktueller Marktprognosen sowie der Einschät-
kündigte die Bundesregierung die Vorstellung zung relevanter internationaler Unternehmen der Bran-
einer nationalen Wasserstoffstrategie an, die sich che sowie auch der baden-württembergischen Industrie
die Förderung der weiteren Entwicklung und kann mittel- und langfristig von einer weltweit signifi -
breiten Anwendung der Technologie zum Ziel kanten Marktentwicklung über alle wesentlichen Leit-
setzt. Bereits seit 2006 fördert die Bundesregierung märkte hinweg im Bereich Wasserstoff und Brennstoff-
darüber hinaus über das "Nationale Innovations- zellen ausgegangen werden.
programm Wasserstoff- und Brennstoffzellen
technologie" (NIP) Pilotprojekte mit finanziellen 2015 betrug die globale Wasserstoffnachfrage rund
Mitteln in Höhe von mittlerweile über 1 Mrd. EUR. 2.200 TWh des Endenergiebedarfs. Bis 2030 kann von
einem moderaten Wachstum der Nachfrage nach Was-
Neben Deutschland fördern in Europa auch zunehmend serstoff auf rund 3.900 TWh ausgegangen werden (Hy-
weitere Länder die Wasserstoff- und Brennstoffzel- drogen Council, 2017). Die Entwicklung des Massen-
len-Technologie mit gezielten Projekten und Fördermaß- marktes wird für die Folgejahre erwartet: Bis 2050 wird
nahmen, so beispielsweise Frankreich und Norwegen: eine Verzehnfachung der jährlichen Nachfrage gegen-
→ Frankreich: Im Juni 2018 stellte der französische über 2015 auf rund 21.700 TWh (18% des globalen End
Umweltminister einen Strategieplan vor, der unter energieverbrauchs) prognostiziert – damit wird ein
anderem vorsieht, Wasserstoff in verschiedene deutliches Marktwachstum erwartet, ohne dass die
Wirtschaftsbereiche zu integrieren. Bis 2023 Rolle von Wasserstoff am gesamten globalen Energie
sollen unter anderem 100 Wasserstoff-Tankstellen bedarf als überproportional hoch angenommen wird.
in Frankreich errichtet und 5.000 leichte sowie Abbildung 15 zeigt auf, wie sich der Wasserstoffbedarf
200 schwere Nutzfahrzeuge (wie Busse und Lkw) 2050 auf die zentralen Sektoren Mobilität und Verkehr,
auf die Straße gebracht werden. Die Vorhaben Gebäude (Wärme und Strom), Stromerzeugung und In-
sollen mit 100 Mio. EUR staatlich gefördert dustrie (Energie und Rohstoffe) aufteilt. Während Was-
werden (Bönnighausen, 2018). serstoff aktuell fast ausschließlich in Industrie- und Raf-
→ Norwegen: Norwegen verfügt über mehrere finerieprozessen zum Einsatz kommt, wächst dessen
Instrumente, um die Wasserstoff-Nutzung zu Bedeutung in den anderen Sektoren in den kommen-
fördern, darunter das staatliche Programm den Jahrzehnten nach aktuellem Stand deutlich. Fast
PILOT-E, im Rahmen dessen die Entwicklung ein Drittel der Nachfrage wird 2050 für den Sektor Mobi-
einer wasserstoffbetriebenen Hochgeschwindig- lität und Verkehr erwartet.
keitsfähre und eines Kurzstreckenfrachtschiffs
unterstützt wird. Die Regierung arbeitet außer- Diese Entwicklung der Wasserstoffnachfrage geht mit
dem an einer Wasserstoffstrategie für die Bereiche einem starken erwarteten Umsatzwachstum im Markt
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 49
Abbildung 15
Prognostizierte Entwicklung der globalen Wasserstoffnachfrage [TWh]
einher. Das Volumen des globalen Wasserstoff- und in der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie ent-
Brennstoffzellen-Marktes (inkl. Equipment und Anwen- stehen. Im Vergleich zum ambitionierten Marktent-
dungen) wird vom Hydrogen Council 2030 auf rund 125 wicklungsszenario für den europäischen Markt bis 2030
Mrd. EUR geschätzt. Wie Abbildung 16 zeigt, wird dabei (siehe nachfolgenden Abschnitt) ist diese Prognose als
das größte Umsatzpotenzial auf Ebene der Wasserstoff- eher moderat einzustufen; gleichzeitig liegt sie über
und Brennstoffzellen-Anwendungen erwartet, danach dem europäischen Business-as-usual-Szenario. Geht
folgen die Wasserstoff-Herstellung und Wasserstoff- man von einem schnellen Markthochlauf in den kom-
Infrastruktur, d.h. Lagerung, Transport und Verteilung menden Jahren aus, können der Umsatz und die Ent-
von Wasserstoff. Durch eine solche Marktentwicklung wicklung der Arbeitsplätze in der Wasserstoff- und
könnten weltweit bis 2030 rund 1,5 Mio. Arbeitsplätze Brennstoffzellen-Industrie bis 2030 weltweit noch deut-
50 | Kapitel 3
Abbildung 16
Prognostizierte globale Wasserstoffmarktentwicklung in den Bereichen Umsatz und Investitionen
Quelle: Hydrogen Council, 2017 1 Umrechnungskurs USD in EUR vom 30.09.2019 (1 USD = 0,9175 EUR).
lich höher ausfallen: Auf Basis einer Hochrechnung des größe von bis zu 2,3 Bill. EUR sowie 30 Mio. Arbeitsplät-
ambitionierten europäischen Szenarios auf den welt- zen erwartet (Abb. 16). Diese Entwicklung setzt jedoch
weiten Markt sind bereits bis 2030 weltweite Umsätze bis 2050 einen signifikanten Markthochlauf in allen Sek-
von bis zu 300 Mrd. EUR möglich, wodurch bis zu 4,5 toren voraus, der über die zentralen Leitmärkte hinaus-
Mio. Arbeitsplätze entstehen können. reicht und den globalen Markt flächendeckend umfasst.
Ambitionierter im Vergleich zu den Prognosen für Euro- Ein dynamischer Ausbau des globalen Wasserstoff- und
pa sind die Annahmen des Hydrogen Council für den Brennstoffzellen-Marktes bis hin zur Realisierung der
globalen Markt 2050: Langfristig (bis 2050) wird die Ent- Vision eines kommerziellen Massenmarktes bis 2050
wicklung eines globalen Massenmarktes mit einer Markt- erfordert kontinuierliche Investitionen, insbesondere
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 51
seitens Regierungen und Industrieunternehmen, vor al- → Brennstoffzellen-Pkw: Im Jahr 2030 könnten
lem in den nächsten Jahren. Kumuliert sind bis 2030 weltweit etwa 4 Mio. Brennstoffzellen-Pkw
rund 257 Mrd. EUR Investitionen notwendig, um die verkauft werden, was etwa 3% des erwarteten
weitere Marktentwicklung wie prognostiziert voranzu- Gesamtabsatzes entspricht. Bis zum Jahr 2050
bringen. Wie Abbildung 16 aufzeigt, müssen entlang könnte der jährliche Absatz auf 45 Mio. Brenn-
der Wertschöpfungskette vor allem Investitionen in den stoffzellen-Pkw bzw. 35% des erwarteten
Ausbau von Kapazitäten zur Herstellung von Wasser- Gesamtabsatzes ansteigen.
stoff (z.B. Power-to-Gas-Anlagen), in die benötigte Infra- → Brennstoffzellen-Busse: Für Brennstoffzellen-
struktur (z.B. Tankstellen) sowie in die Entwicklung der Busse wird für das Jahr 2030 ein weltweiter
verschiedenen Anwendungssegmente und den Aufbau jährlicher Absatz von ca. 20.000 Fahrzeugen
benötigter Produktionskapazitäten fließen. prognostiziert, was einem Anteil von bis zu 10%
am erwarteten Gesamtabsatz im Segment Busse
Eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Wasserstoff- entspricht. Dieser Anteil könnte bis 2050 auf etwa
und Brennstoffzellen-Marktes kommt dem Mobilitäts- 30% bzw. auf einen jährlichen Absatz von 60.000
und Verkehrssektor zu. Da Wasserstoff eine zentrale Brennstoffzellen-Bussen ansteigen.
Rolle bei der Dekarbonisierung wichtiger Transportan- → Brennstoffzellen-Lkw: Der Anteil an Brennstoff
wendungen spielen kann und vor allem bei Großanwen- zellen-Lkw am Lkw-Gesamtabsatz 2030 könnte
dungen und im Schwerlastbereich sowie bei anspruchs- rund 3% betragen und bis 2050 auf einen Anteil
vollen Nutzungszyklen derzeit keine vielversprechenden von 25% ansteigen.
technologischen Alternativen zur Verfügung stehen, ist → Leichte Nutzfahrzeuge: Für leichte Brennstoff
eine starke Entwicklung in der Anwendung der Techno- zellen-Nutzfahrzeuge werden Anteile von knapp
logie und der Nachfrage nach Wasserstoff in diesem 6% am Absatz in 2030 und bis zu 50% in 2050
Segment zu erwarten. Dieses Marktsegment ist auch für prognostiziert. Neben dem Schwerlastverkehr
die heutige baden-württembergische Wasserstoff- und kann daher vor allem im Bereich der leichten
Brennstoffzellen-Industrie von entscheidender Bedeu- Nutzfahrzeuge von einer wichtigen Rolle von
tung (vgl. Kap. 4.1) und birgt die größten wirtschaftli- Wasserstoff und Brennstoffzellen zur Dekarboni-
chen Potenziale für die lokalen Unternehmen. sierung ausgegangen werden.
Im Jahr 2018 wies der globale Brennstoffzellen-Fahr- Für den Brennstoffzellen-Fahrzeugbestand bedeutet
zeugbestand in allen Segmenten weniger als 13.000 diese Entwicklung einen signifikanten Zuwachs: Bis
Fahrzeuge auf (AFC TCP, 2019). Dies könnte sich in ab - 2030 könnten weltweit bereits 10 bis 15 Mio. Pkw und
sehbarer Zeit ändern. Für die wichtigen Fahrzeug 500.000 Lkw mit Wasserstoff betrieben werden. Lang-
segmente Pkw, Busse, Lkw (große Transporter ab einem fristig (bis 2050) könnten weltweit mehr als 400 Mio.
Gewicht von 3,5 t) und leichte Nutzfahrzeuge (kleine Brennstoffzellen-Pkw, 15 bis 20 Mio. Brennstoffzellen-
Transporter bis zu einem Gewicht von 3,5 t) kann in den Lkw und 5 Mio. Brennstoffzellen-Busse (entspricht
kommenden Jahren ein starker Anstieg des jährlichen einem Anteil von etwa 25% am Gesamtbestand des je-
Absatzes an Brennstoffzellen-Fahrzeugen erwartet wer- weiligen Segments) zum globalen Fahrzeugbestand ge-
den (Abb. 17): hören. Baden-Württembergs starke Ausrichtung auf die
52 | Kapitel 3
Abbildung 17
Prognostizierter jährlicher Absatz Brennstoffzellen-Fahrzeuge, 2030 und 2050
[% des jeweiligen Segments]
50
Pkw
35
Busse
Lkw
30
Leichte Nutzfahrzeuge 25
10
6
3 3
2030 2050
Automobilindustrie bietet hierbei optimale Vorausset- Fahrzeugen im Jahr 2020 auf etwa 1 Mio. Brennstoff
zungen, um von der erwarteten Marktentwicklung in zellen-Fahrzeuge im Jahr 2030 wachsen (Ng, 2019; AFC
diesem Bereich zu profitieren. TCP, 2019) (Abb. 18)9. Auch Kalifornien, in dem derzeit
die meisten Brennstoffzellen-Fahrzeuge im Einsatz sind,
Zu dieser Entwicklung tragen unter anderem ehrgeizige möchte bis 2030 bereits 1 Mio. Brennstoffzellen-Fahr-
nationale Ziele für Brennstoffzellen-Fahrzeuge bei, die zeuge auf die Straßen bringen (AFC TCP, 2019).
derzeit insbesondere die asiatischen Leitmärkte sowie
Kalifornien verfolgen. Japan nutzt die Olympischen Angesichts des aktuellen Bestands an Brennstoffzellen-
Spiele 2020 in Tokyo als Gelegenheit, um Technologie Fahrzeugen in den betrachteten Märkten erscheinen
und Markt anzukurbeln. Die gesamte olympische Fahr- diese Ziele teilweise noch ambitioniert, insbesondere in
zeugflotte soll mit Wasserstoff fahren, darüber hinaus der Perspektive bis 2030. Gelingt es den Ländern jedoch,
sollen 2020 40.000 Brennstoffzellen-Fahrzeuge und bis
2030 800.000 Brennstoffzellen-Fahrzeuge auf die Straße
gebracht werden (METI, 2017) (Abb. 18). Auch China hat 9 Jedoch könnte die Verkündung der chinesischen Regierung von Oktober 2019,
die bislang gewährten staatlichen Subventionen für Brennstoffzellen-Fahrzeuge
entsprechend ambitionierte Maßnahmen ergriffen: Der ab 2021 einstellen zu wollen, Auswirkungen auf das ambitionierte Ziel für 2030
chinesische Markt soll von 5.000 Brennstoffzellen- haben (Li, 2019).
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 53
Abbildung 18
Ambitionen in Bezug auf den Brennstoffzellen-Fahrzeugbestand in Japan, China und Kalifornien bis 2030
[# Fahrzeuge]
200.000
1 Geschätzter Gesamtbestand in Kalifornien auf Basis von AFC TCP (2019) und California Air Resource Board (2018).
Quelle: AFC TCP, 2019
durch Allianzen aus Regierung und Herstellern in ab- 2030 prognostizierte weltweite Zahl an Brennstoff
sehbarer Zeit Kostenreduktionen zu erzielen und die zellen-Fahrzeugen auf den Straßen mit Wasserstoff zu
Produktionsvolumina zu erhöhen, könnte der Markt versorgen, müssten weltweit etwa 15.000 Wasserstoff-
hochlauf schnell vorangetrieben werden, da die Technik Tankstellen bereitstehen. Dies setzt massive Investi
und Produktion der Brennstoffzellen-Fahrzeuge, ins tionen in den Ausbau des Tankstellennetzes von unge-
besondere in Japan, schon weit fortgeschritten ist und fähr 18 Mrd. EUR bis zum Jahr 2030 voraus.
beispielsweise Toyota die Serienfertigung von Brenn-
stoffzellen-Fahrzeugen vorantreibt. Von einer starken weltweiten Marktentwicklung gehen
auch Unternehmen und Forschungsinstitutionen in
Das Erreichen der ambitionierten Ziele der Länder welt- Baden-Württemberg aus. Die Ergebnisse der Experten-
weit setzt auch einen kontinuierlichen Aufbau der interviews und der Online-Umfrage zeigen, dass diese
Wasserstoff-Infrastruktur voraus. Um die für das Jahr langfristig bis 2050 durchweg mit einem signifikanten
54 | Kapitel 3
39%
Wachstum Mittelfristig (bis 2030) wird von den befragten Unter
wird nehmen und Forschungsinstitutionen mit dem stärksten
signifikant Marktwachstum in den aktuellen Leitmärkten, vor allem
zunehmen
in Ostasien in China, Japan und Südkorea, gerechnet.
Nordamerika und Deutschland folgen auf Platz drei und
vier, jedoch mit deutlichem Abstand (Abb. 21). Daran
zeigt sich klar, dass China, Japan und Südkorea im Be-
reich Wasserstoff und Brennstoffzellen mittelfristig die
Zukunftsmärkte bilden, was sicher auch auf die umfang-
61%
Bis 2050 ist Massenmarkt reichen Maßnahmen der Länder zur Förderung der An-
für Wasserstoff/Brenn- wendung der Technologie zurückzuführen ist. Die be-
stoffzellen entwickelt
fragten Unternehmen erwarten jedoch trotz erwartetem
stärkeren Wachstum der ostasiatischen Länder in 2030
Quelle: Roland Berger die Hälfte ihrer Umsätze im Bereich Wasserstoff und
Brennstoffzellen in Europa zu erzielen, was verdeutlicht,
dass auch Europa weiterhin als wichtiger Leit- und
Marktwachstum bis hin zur Entwicklung eines Massen- Heimatmarkt eine bedeutende Rolle für die einheimi-
marktes rechnen (Abb. 19). schen Unternehmen spielt. Dennoch sollten frühzeitig
Maßnahmen ergriffen werden, um das Potenzial, das
Eine starke Entwicklung der Wasserstoffnachfrage erwar- der außereuropäische Markt für inländische Unter
ten die befragten Akteure mittelfristig dabei ebenfalls nehmen bietet, durch Investitionen in den Ausbau des
insbesondere für den Mobilitäts- und Verkehrssektor. Da- Technologievorsprungs bestmöglich auszuschöpfen.
bei fällt bei Betrachtung der Umfrageergebnisse auf, dass
das stärkste Marktwachstum bis 2030 im Bereich Wasser-
stoff und Brennstoffzellen für die Segmente Lkw und
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 55
Abbildung 20
Erwartete Marktentwicklung verschiedener Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Marktsegmente
im Rahmen der Online-Umfrage [%]
FRAGE: "Welche H2/BZ-Marktsegmente entwickeln sich aus Ihrer Sicht bis 2030 weltweit am stärksten? (n = 31)
Lkw 72%
Busse 59%
Power-to-Gas-Anlagen 36%
Pkw 30%
Züge 20%
H2-Infrastruktur 13%
Stromerzeugung/Rückverstromung 6%
Andere Mobilitätsanwendungen 3%
Sonstige 3%
Abbildung 21
Ranking verschiedener Regionen nach erwartetem Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Marktwachstum bis 2030
durch Teilnehmer der Online-Umfrage [Durchschnitt der Rankings zwischen 1 und 9]
FRAGE: "Bitte priorisieren Sie folgende Regionen basierend auf Ihrer Einschätzung des jeweiligen H2/BZ-Marktwachstums
bis 2030" 1 (n = 29)
Ø
1 China 1,76
Ø
2 Japan/Südkorea 1,86
Ø
3 Nordamerika 4,03
Ø
4 Deutschland 4,17
Ø
5 Restliches Europa 4,48
Ø
6 Restliches Asien 5,54
Ø
7 Australien und Ozeanien 7,11
Ø
8 Südamerika 7,43
Ø
9 Afrika 8,57
Quelle: Roland Berger 1 Prioritäten von 1-9, wobei für 1 das stärkste Marktwachstum erwartet wird.
Marktentwicklung um 20%, bis 2030 um 40% und bis 2050 um 80 bis 95%
3.2 in Europa gegenüber dem Jahr 1990 reduziert werden. Zur Er
reichung der ambitionierten Ziele sieht die EU verschie-
Auch im europäischen Markt wird der Wasserstoff- und dene Maßnahmen vor, die die Marktentwicklung im
Brennstoffzellen-Technologie eine Schlüsselrolle zur Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen begünstigen:
Verwirklichung von Energie- und Klimazielen wie der → Mit der neuen "EU-Richtlinie für erneuerbare
Reduzierung der Treibhausgasemissionen eingeräumt. Energien" hat sich die EU zum Ziel gesetzt, den
Der Beitrag der EU zum Klimaabkommen von Paris Anteil erneuerbarer Energien am Endenergiever-
sieht vor, dass Treibhausgasemissionen bis 2020 brauch bis 2030 auf mindestens 32% zu erhöhen.
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 57
wesentliche Entwicklungen und Projekte mit einem Vo- teninterviews, der Umfrage sowie unserer eigenen
lumen von 1,3 Mrd. EUR gefördert. Analysen aus der Vergangenheit, halten wir das
Eintreten des ambitionierten Szenarios bei
ZUKÜNFTIGE MARKTENTWICKLUNG entsprechenden und frühzeitigen Maßnahmen
und Investitionen für realistisch, weshalb dieses
Aktuelle Prognosen gehen von einem möglichen und im Folgenden ausführlicher betrachtet wird als
angesichts der derzeitigen Entwicklungen realistischen das BAU-Szenario und insbesondere für die
Pfad hin zur großflächigen kommerziellen Anwendung Marktentwicklungsprognosen für Deutschland
von Wasserstoff und Brennstoffzellen in Europa bis und Baden-Württemberg herangezogen wird.
2050 aus, dessen Realisierung signifikante wirtschaft
liche Potenziale für europäische Unternehmen mit sich Im Vergleichsjahr 2015 deckte Wasserstoff mit 325 TWh
bringt (FCH 2 JU, 2019). 2% der Gesamt-Endenergienachfrage in der EU. In bei-
den Szenarien der europäischen Marktprognose wird ein
Dabei kann in den Zeiträumen bis 2030 und 2050 zwi- deutlicher Anstieg der Wasserstoffnachfrage in allen rele-
schen einem "Business-as-usual"- und einem "ambitio - vanten Sektoren prognostiziert. Wie Abbildung 22 illust-
nierten" Szenario unterschieden werden: riert, verdoppelt sich die Nachfrage nach Wasserstoff ge-
genüber 2015 im ambitionierten Szenario bis 2030
→ Im "Business-as-usual"-Szenario (BAU) wird von demnach auf ca. 665 TWh (6% der prognostizierten End
einer moderaten Weiterentwicklung der politi- energienachfrage der EU). Die Entwicklung eines Massen
schen und regulatorischen Rahmenbedingungen markts wird jedoch erst nach 2030 erwartet: Im ambitio-
ausgegangen, die zu moderaten Investitionen in nierten Szenario bis 2050 könnte ein Anstieg um den
Forschung und Entwicklung sowie in Pilotprojek- Faktor sieben gegenüber 2015 auf rund 2.250 TWh erfol-
te und damit zu einer insgesamt moderaten gen (24% der prognostizierten Endenergienachfrage der
Marktentwicklung führen, die aber als weit- EU). Im BAU-Szenario gestaltet sich der Anstieg modera-
gehend gesichert angesehen werden kann. ter. Bis 2030 wird eine Nachfrage von 481 TWh (+48% ggü.
→ Das "ambitionierte" Szenario geht von einer 2015) und bis 2050 von 780 TWh (+140% ggü. 2015) er-
kooperativen Wasserstoff-Strategieplanung wartet. Bis 2030 gehen beide Szenarien jedoch von einem
zwischen Politik, Industrie und Investoren aus, grundsätzlich ähnlichen Marktentwicklungsverlauf aus.
die zu hohen F&E-Investitionen und zu einer
deutlich beschleunigten Marktentwicklung, vor Dabei wird auch in Europa ein starker Zuwachs der Nach-
allem bis 2050, beitragen könnte. Mit der Verwirk- frage in den Sektoren Mobilität und Verkehr sowie Ge-
lichung dieses Szenarios könnte ein wichtiger bäude (Wärme und Strom) erwartet. Im Jahr 2050 könnte
Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen und der Mobilitäts- und Verkehrssektor mit einem Anteil von
damit zur Erreichung des 2-Grad-Ziels des Pariser rund 30% im ambitionierten Szenario den größten Be-
Klimaabkommens geleistet werden. Vor dem darf an Wasserstoff in Europa aufweisen (Abb. 22).
Hintergrund der Zunahme der aktuellen Bestre-
bungen zur Dekarbonisierung über alle Sektoren Es wird angenommen, dass europäische Unternehmen
hinweg sowie auf Basis der Ergebnisse der Exper- innerhalb des wachsenden Wasserstoff- und Brennstoff-
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 59
Abbildung 22
Prognostizierter Wasserstoffbedarf in Europa in 2030 und 2050 nach Sektoren [TWh]
zellen-Marktes in Europa bis 2030 eine starke Markt gegangen werden kann. Zählt man die prognostizierten
positionierung einnehmen. Mittelfristig (bis 2030) wird Importe von nichteuropäischen Unternehmen in Höhe
davon ausgegangen, dass je nach Wertschöpfungsstufe von 20 Mrd. EUR im ambitionierten Szenario bzw. von
von einem Marktanteil von 60 bis 90% mit Umsätzen 10 Mrd. EUR im BAU-Szenario hinzu, ergibt sich bis
von insgesamt 65 Mrd. EUR im ambitionierten Szenario 2030 eine europäische Marktgröße von 85 Mrd. EUR im
sowie Umsätzen von 25 Mrd. EUR im BAU-Szenario für ambitionierten Szenario sowie von 35 Mrd. EUR im
europäische Unternehmen im europäischen Markt aus- BAU-Szenario.
60 | Kapitel 3
Abbildung 23
Prognostizierte Umsätze und Arbeitsplätze in der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Europa 2030
Der weltweite Marktanteil europäischer Unternehmen Um das ambitionierte Szenario realisieren zu können,
wird für das Jahr 2030 auf 10 bis 25% geschätzt. Dabei sind bis 2030 kumulierte Investitionen entlang der Wert-
wird für Exporte europäischer Unternehmen ein Um- schöpfungskette von rund 65 Mrd. EUR erforderlich. Dazu
satzpotenzial in 2030 in Höhe von 65 Mrd. EUR im am- gehören Investitionen in die Infrastruktur, in Forschung
bitionierten Szenario und von 10 Mrd. EUR im BAU- und Entwicklung sowie in neue Produktionsanlagen,
Szenario angenommen. einschließlich Zulieferern, spezialisierter Materialien
und Endanwendungen, wie die Entwicklung von
Mit Blick auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes kann Brennstoffzellen-Fahrzeugen oder die Nachrüstung von
davon ausgegangen werden, dass durch die EU-Wasser- industriellen Wärmeanlagen (Abb. 24). Ein Großteil die-
stoff- und Brennstoffzellen-Industrie (inkl. Exporten in ser Investitionen bis 2030 (etwa 75%) muss in die Wasser-
den globalen Markt) nach dem ambitionierten Szenario stoff-Herstellung, -Speicherung und -Distribution fließen,
bis 2030 bis zu 900.000 Arbeitsplätze und im BAU-Szena- unter anderem in Power-to-Gas-Anlagen und Wasser-
rio bis zu 275.000 Arbeitsplätze bereitgestellt werden stoff-Tankstellen. Die restlichen rund 25% der Investitio-
könnten. nen werden für die Entwicklung und den Aufbau neuer
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 61
Abbildung 24
Benötigte Investitionen bis 2030 zum Aufbau der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Europa
[Mrd. EUR]
Mobilität H2 H2 (Zwischen-) H2
und Verkehr 5,8 9,7 16,7 7,7
Distribution Speicherung Produktion
Gebäudewär- Infra-
me u. -strom 0,1 0,1 0,1 2,9 10,6 8,4 26,5 struktur
Industrielle
Energie < 0,1 < 0,1 < 0,1 0,6
Industrielle
Rohstoffe n/a n/a n/a 22,4
1 Einschließlich Investitionen/Erträgen für Aftermarket-Dienstleistungen und neue Geschäftsmodelle (Annahme: 8% der Investitionen/Umsatzerlöse).
Quelle: Hydrogen Roadmap Europe team; FCH 2 JU, 2019
Produktionsanlagen in den Anwendungsgebieten Verkehr, 3,7 Mio. Pkw, 45.000 Lkw und Busse sowie 500.000 leichte
Gebäude, Industrie und Stromerzeugung benötigt. Nutzfahrzeuge, die 53 Mio. Brennstoffzellen-Fahrzeuge in
2050 verteilen sich auf 45 Mio. Pkw, 250.000 Busse,
Mit Blick auf die Nachfrageentwicklung speziell im für 1,7 Mio. Lkw und 6,5 Mio. leichte Nutzfahrzeuge. Der
Baden-Württemberg zentralen Sektor Mobilität und Ver- jährliche Absatz von Brennstoffzellen-Fahrzeugen steigt
kehr wird prognostiziert, dass bis 2030 im ambitionierten in den kommenden Jahren nach diesem Szenario damit
Szenario etwa 4,2 Mio. Brennstoffzellen-Fahrzeuge und stark an: 2030 wird ein über alle Segmente kumulierter
bis 2050 rund 53 Mio. Brennstoffzellen-Fahrzeuge auf eu- jährlicher Absatz von 1,2 Mio. Brennstoffzellen-
ropäischen Straßen im Betrieb sein könnten. Die 4,2 Mio. Fahrzeugen und für 2050 von 8 Mio. Brennstoffzellen-
Brennstoffzellen-Fahrzeuge in 2030 verteilen sich auf Fahrzeugen erwartet.
62 | Kapitel 3
Abbildung 25
Bewertung verschiedener Marktentwicklungsszenarien für 2030 im Mobilitäts- und Verkehrssektor durch
Umfrageteilnehmer [# verkaufte Fahrzeuge je Segment pro Jahr, % je gewählte Antwortkategorie]
FRAGE: "Bitte geben Sie an, inwiefern sich die jährlichen Verkaufszahlen der folgenden Brennstoffzellen-Fahrzeugtypen
in Europa im Vergleich zu den folgenden moderaten und optimistischen Szenarien bis zum Jahr 2030 Ihrer Einschätzung
nach entwickeln" (n = 31)
Um die Wasserstoffversorgung dieser stark wachsenden Die im Rahmen der Studie durchgeführte Online-
Anzahl von verkauften und sich im Umlauf befindlichen Umfrage unter baden-württembergischen Unterneh -
Brennstoffzellen-Fahrzeugen, insbesondere im ambi men bestätigt das ambitionierte Marktentwicklungssze-
tionierten Szenario, sicherzustellen, müssen bis zum nario für Europa. Im Rahmen der Umfrage wurden auf
Jahr 2030 rund 3.700 Wasserstoff-Tankstellen und bis Basis der Marktentwicklungsprognosen entwickelte
2050 33.000 Wasserstoff-Tankstellen in Europa zur Ver- moderate und optimistische Marktentwicklungsszena-
fügung stehen. Dies stellt einen starken Anstieg gegen-
über den in Europa aktuell installierten 130 Wasser-
stoff-Tankstellen dar und bedarf bis 2030 Investitionen 11 Eine aktuelle Übersicht über die Verfügbarkeit von Wasserstoff-Tankstellen in
in Höhe von etwa 8 Mrd. EUR11. Europa liefert H2 Mobility unter www.h2.live.
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 63
liert sind. Neben Maßnahmen, die einen indirekten und zur Nutzung von Wasserstoff weiter spezifizieren
Effekt auf die Entwicklung der Wasserstoff- und Brenn- und damit wichtige Rahmenbedingungen für die zu-
stoffzellen-Technologie haben können (z.B. Einführung künftige Marktentwicklung von Wasserstoff und Brenn-
einer CO2-Bepreisung), bekennt sich die Bundesregie- stoffzellen in Deutschland definieren soll. Auch der
rung im Rahmen des Klimaschutzprogramms auch Bundesrat setzt sich für den Aufbau der Wasserstoff-
konkret zur zukünftigen Bedeutung und zum Einsatz wirtschaft ein. In Beschlüssen vom 11. Oktober 2019
von ("grünem") Wasserstoff (BMU, 2019c): und vom 8. November 2019 bekräftigte er die Entwick-
→ Für den Einsatz sowie zur Entwicklung und lung einer nationalen Wasserstoffstrategie und forderte
Skalierung von Elektrolyse- und Raffinerie die Bundesregierung unter anderem dazu auf, die in der
prozessen möchte die Bundesregierung zukünftig Erneuerbaren-Energien-Richtlinie beschlossenen Re
geeignete Rahmenbedingungen schaffen und gelungen mit ambitionierten nationalen Zielen zu
diese durch Investitionen in Forschung und verknüpfen und die Produktion von nachhaltigen Kraft-
Innovation sowie durch Marktanreizprogramme stoffen durch anreizsetzende Regelungen voranzu
unterstützen. treiben. Insbesondere betonte der Bundesrat die Bedeu-
→ Mittel- und langfristig soll die Brennstoffzellen- tung von "grünem" Wasserstoff für die Erreichung der
Technologie im Mobilitäts- und Verkehrssektor zu Klimaziele und forderte, die Marktchancen unter ande-
einer breiten Anwendung gebracht werden. Unter rem durch eine Reform der Steuern und Umlagen im
anderem soll die Anschaffung von Lkw mit Energiesektor sowie durch die Schaffung eines Markt-
"alternativen, klimaschonenden Antrieben ein- anreizprogramms für den Ausbau einer Wasserstoff-
schließlich Wasserstofftechnologien" unterstützt wirtschaft (bspw. für Investitionen in Brennstoffzellen
und der Ausbau der notwendigen Tankinfrastruk- und Elektrolyseure) zu stärken (Bundesrat, 2019a; Bun-
tur gefördert werden. Die von Bund und Herstel- desrat, 2019b).
lern getragene Kaufprämie für Pkw mit Elektro-,
Hybrid- und Brennstoffzellenantrieb soll verlän- Eine weitere aktuelle Initiative auf Bundesebene im Be-
gert und die Entwicklung marktreifer Nutzfahr- reich Wasserstoff und Brennstoffzellen ist der Ende 2018
zeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen für alle vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Segmente weiterhin gefördert werden. (BMWi) angestoßene Dialogprozess "Gas 2030", in dem
→ In neuen "Reallaboren der Energiewende" sollen die zukünftige Rolle gasförmiger Energieträger, darunter
Wasserstoff- und Sektorkopplungstechnologien auch von Wasserstoff, von Akteuren verschiedener Sekto-
erprobt werden. Gefördert werden sollen außer- ren erörtert wird. Im ersten Bilanzbericht von Oktober
dem Forschungsprojekte im Bereich Power-to-X, 2019 bekannte sich das BMWi klar zur industriepoliti-
unter anderem, um die Erzeugung von "grünem" schen Bedeutsamkeit von Wasserstoff. Obwohl Deutsch-
Wasserstoff langfristig marktfähig zu machen. land auch in Zukunft Energieimporteur bleibe, sei es
wichtig, einen funktionierenden Heimatmarkt als Vor-
Daneben hat die Bundesregierung die Vorstellung einer aussetzung für die Entwicklung entsprechender Anlagen
nationalen Wasserstoffstrategie angekündigt, die die und die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufzubau-
Entwicklung der Forschungs- und Umsetzungsmaßnah- en und deutsche Technologien bei der internationalen
men zur Produktion, zur Speicherung, zum Transport Wasserstoffproduktion einzubringen (BMWi, 2019).
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 65
organisatorisch und inhaltlich zur Entwicklung serstoff-Marktgröße von etwa 85 Mrd. EUR in 2030 (ambi-
von Konzeptideen zu den Themen Wasserstoff tioniertes Szenario) (Abb. 23) und unter der Annahme
und Brennstoffzellen beraten werden. eines proportionalen Anteils des deutschen Marktes daran,
kann der deutsche Wasserstoffmarkt mittelfristig bis 2030
ZUKÜNFTIGE MARKTENTWICKLUNG ein Umsatzvolumen von ca. 17 Mrd. EUR ausmachen13.
Bislang spielt Wasserstoff für die Energieversorgung in Im Hinblick auf die Entwicklung der Beschäftigten
Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. In 2015 wur- zahlen geht der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoff
den in Deutschland rund 57 TWh Wasserstoff größten- zellen-Verband (DWV) davon aus, dass bis 2030 etwa
teils aus fossilen Rohstoffen erzeugt und vorwiegend in 70.000 Arbeitsplätze in Deutschland in der Wasserstoff-
der Industrie genutzt (iwd, 2019). Vor dem Hintergrund und Brennstoffzellen-Industrie entstehen können (DWV,
der zunehmenden Bedeutung und Förderung der Tech- 2018). Bei Eintritt des im vorigen Abschnitt dargestell-
nologie ist jedoch auch in Deutschland bis 2030 mit ten ambitionierten Szenarios des FCH JU (d.h. einem
einem sektorübergreifenden Anstieg der Nachfrage zu raschen Markthochlauf bereits in den kommenden Jah-
rechnen. Für eine Abschätzung der zukünftigen ren und entsprechend hohen Investitionen) ist bis 2030
Marktentwicklung in Deutschland wurden dabei die mit einer noch höheren Zahl zwischen 120.000 und
Annahmen für die Marktentwicklung auf europäischer 150.000 Arbeitsplätzen in Deutschland zu rechnen. Im
Ebene zugrunde gelegt, da davon ausgegangen werden Vergleich zu heute zeichnet sich damit in beiden Szena-
kann, dass Deutschland als wichtiger Leitmarkt inner- rien eine starke Zunahme der Arbeitsplätze ab. Heute
halb Europas einen wesentlichen Anteil zur gesamteuro- sind laut einer aktuellen Erhebung des Verbands Deut-
päischen Marktentwicklung beitragen wird. scher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in Deutsch-
land rund 1.500 Mitarbeiter in der Wasserstoff- und
Legt man für Deutschland die gleiche Nachfrageentwick- Brennstoffzellenwirtschaft beschäftigt (VDMA, 2019)14.
lung wie für die EU zugrunde (d.h. eine Verdopplung der
Nachfrage bis 2030 und eine Versiebenfachung bis 2050 Mit Blick auf die Erreichung der Klimaziele spielt der
im ambitionierten Szenario, vgl. Abb. 22), könnte der Was- Mobilitäts- und Verkehrssektor für die weitere Marktent-
serstoffbedarf in Deutschland bis 2030 auf 114 TWh und wicklung im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen
bis 2050 auf 399 TWh steigen (Abb. 26). Aufgrund der ak- auch in Deutschland eine zentrale Rolle. Der Verkehrs-
tuellen Bestrebungen von Politik und Industrie in sektor verursachte 2018 rund 19% der Treibhausgas
Deutschland, die Markttechnologie voranzutreiben, emissionen in Deutschland und bislang ist es nicht ge-
könnte die Gesamtnachfrage nach Wasserstoff in Deutsch-
land sich aber auch noch stärker entwickeln als der ge-
samteuropäische Durchschnitt (vgl. etwa die Prognosen
12 Michalski et al. (2019) nehmen beispielsweise an, dass die Nachfrage nach
der aktuellen Wasserstoffstudie Nordrhein-Westfalen12). Wasserstoff in allen relevanten Sektoren in Deutschland sowie mit dem Ziel,
die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 95% zu senken, bereits 2030 auf
334 TWh und 2050 bis auf 644 TWh steigen könnte.
Der Markthochlauf der Wasserstoff- und Brennstoffzellen- 13 Für die Berechnung wurde ein Anteil Deutschlands von 19,6% am EU-Volumen
(Anteil BIP Deutschland an der Gesamt-EU in 2018 abzüglich Exporten und
Industrie führt erwartbar auch in Deutschland zu einem zuzüglich Importen) zugrunde gelegt.
signifikanten Anstieg der Marktgröße. Bei einer EU-Was- 14 Die Erhebung berücksichtigt allerdings nicht alle möglichen Marktsegmente.
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 67
3.4 Marktentwicklung
Baden-Württemberg
in
serstoff als Energieträger einsetzen und den Markthoch- Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung
lauf der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie Baden-Württemberg (ZSW), das zu Technologien zur
fördern. Aufgrund der Stärke des Landes in der nachhaltigen und klimafreundlichen Bereitstellung von
Automobilindustrie und der Bedeutung des Verkehrs- Strom, Wärme und erneuerbaren Kraftstoffen forscht.
und Mobilitätssektors für die Erreichung der Klima- Darüber hinaus sind in Baden-Württemberg weitere in-
schutzziele liegt ein Fokus der Förderung auf dem Be- ternational renommierte universitäre und außeruniver-
reich Verkehr und Mobilität. sitäre Forschungsinstitutionen angesiedelt, die die Ent-
wicklung der Technologien aktiv vorantreiben. Des
Die verschiedenen Aktivitäten und Kompetenzen im Weiteren ist in Baden-Württemberg bereits heute eine
Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen in Baden- Vielzahl an wichtigen Unternehmen ansässig, die in die
Württemberg werden im "Cluster Brennstoffzellen BW" Weiterentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
gebündelt. Das 2013 gegründete Cluster setzt sich für Technologie investieren, um in absehbarer Zeit die
die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den maß- Markreife in verschiedenen Segmenten zu erreichen
geblichen Akteuren aus Wirtschaft, Forschung, Verbän- (siehe auch Kap. 4.1).
den und Politik ein, um den Ausbau der Wasserstoff-
und Brennstoffzellen-Technologie und die Markreife Durch das sektorübergreifende Engagement konnten in
der Anwendungen im Land voranzutreiben. Um die Baden-Württemberg bereits in den vergangenen Jahren
Automobilindustrie zukunftsfähig zu gestalten, hat die mehrere wegweisende Projekte und Aktivitäten in den
Landesregierung darüber hinaus den "Strategiedialog Bereichen Forschung, Entwicklung und Anwendung der
Automobilwirtschaft Baden-Württemberg" initiiert. Der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie erfolg-
Strategiedialog bringt alle relevanten Akteure aus Poli- reich initiiert und durchgeführt werden. Abbildung 27
tik, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmerverbänden, liefert einen Überblick über eine Auswahl aktueller Ak-
Verbraucherorganisationen und Zivilgesellschaft zu- tivitäten.
sammen, um die Transformation der Automobilwirt-
schaft in Baden-Württemberg zukunftsfähig zu gestal- ZUKÜNFTIGE MARKTENTWICKLUNG
ten. Die Akteure des Strategiedialogs erarbeiten
gemeinsam innovative Transformationsmaßnahmen Im ambitionierten Szenario steigt die Nachfrage nach
und Konzepte und zeigen Handlungsfelder auf. Im Be- Wasserstoff in Deutschland bis 2030 auf 114 TWh und
reich Wasserstoff und Brennstoffzellen arbeitet der Stra- bis 2050 auf 399 TWh (siehe vorigen Abschnitt; FCH 2 JU,
tegiedialog derzeit unter anderem am Aufbau einer 2019). Daraus lässt sich für Baden-Württemberg eine
Infrastruktur für einen emissionsfreien öffentlichen Wasserstoffnachfrage von rund 17 TWh in 2030 und von
Personennahverkehr auf Basis der Wasserstoff- und 61 TWh in 2050 abschätzen. Auf Basis der oben getroffe-
Brennstoffzellen-Technologie und der Planung des Pro- nen Abschätzung der Marktgröße des deutschen Ge-
jekts "HyFab" (siehe Abb. 27) (SDA, 2019). samtmarktes in Höhe von 17 Mrd. EUR im Jahr 2030 er-
gibt sich daraus folgend für den Wasserstoff- und
Im Bereich der Wasserstoff- und Brennstoffzellen- Brennstoffzellen-Markt in Baden-Württemberg mittel-
Forschung gründete das Land bereits 1988 in Koopera- fristig bis 2030 eine geschätzte Marktgröße in Höhe von
tion mit den Universitäten Stuttgart und Ulm (u.a.) das rund 2,7 Mrd. EUR. Der heimische Markt in Baden-
Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie | 69
Württemberg und Deutschland kann daher für die loka- Durch die nationale und vor allem internationale
le Industrie eine wichtige Rolle für die Entwicklung und Marktentwicklung sind erhebliche Umsatz- und Be-
Demonstration eigener Produkte spielen, relevante wirt- schäftigungspotenziale für baden-württembergische
schaftliche Potenziale ergeben sich aber in deutlich grö- Unternehmen zu erwarten. Aufgrund der hohen Export
ßerem Maßstab auf dem europäischen und vor allem orientierung Baden-Württembergs wird sich ein Groß-
auf dem Weltmarkt. teil des Umsatzes, den baden-württembergische Unter-
nehmen im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen
Die rascheste Entwicklung wird dabei ebenfalls für den erzielen, jedoch durch die Aktivitäten auf dem nationa-
Mobilitäts- und Verkehrssektor angenommen. Auf Basis len und internationalen Wasserstoffmarkt ergeben.
der Abschätzungen der Entwicklungen für den deut- Dies gilt insbesondere für die derzeit zwei exportstärks-
schen Markt und des Anteils des Fahrzeugbestands der ten Warengruppen Baden-Württembergs Kraftwagen
relevanten Fahrzeugsegmente von Baden-Württemberg und Kraftwagenanteile sowie Maschinen (Statistisches
am deutschen Gesamtbestand ergibt sich ein Brenn- Landesamt BW, 2019b), da für die Herstellung von Kom-
stoffzellen-Fahrzeugbestand für Baden-Württemberg ponenten und Systemen, wie z.B. Brennstoffzellen-
von rund 94.000 Fahrzeugen in 2030 und von 1,2 Mio. in Stacks, weltweit Maschinen gebraucht werden und der
2050; darunter in 2030 rund 90.000 Pkw, 500 Busse und Mobilitäts- und Verkehrssektor eine wichtige Rolle im
Lkw und rund 3.800 leichte Nutzfahrzeuge und in 2050 zukünftigen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Markt
rund 1,1 Mio. Pkw, 24.000 Lkw, 3.000 Busse und 50.000 spielen wird.
leichte Nutzfahrzeuge15. Diese Zahlen liegen unter den
von e-Mobil (2016) prognostizierten Brennstoffzellen- Eine Prognose des gesamten Umsatzpotenzials für
Fahrzeugzahlen für Baden-Württemberg, was darauf baden-württembergische Unternehmen sowie für die
zurückgeführt werden kann, dass der erwartete Arbeitsplatzentwicklung in Baden-Württemberg wird in
Durchbruch und die Investitionen in der Wasserstoff- Kapitel 5 gegeben.
Technologie im Sektor Mobilität und Verkehr in den ver-
gangenen Jahren noch nicht in dem erwarteten Maße
erfolgt sind16.
Abbildung 27
Überblick über aktuelle Aktivitäten im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen in Baden-Württemberg
Baden-Württemberg bietet durch seine wirt- lität und Verkehr mit vielen vor Ort ansässigen Zuliefe-
schaftliche Ausgangssituation und als Standort rern und OEMs.
wichtiger Unternehmen und Forschungsinstitu-
tionen sehr gute Rahmenbedingungen, um den erwar- Ergänzt wird die Akteurslandschaft durch 18 universitäre
teten nationalen und internationalen Markthochlauf und außeruniversitäre Forschungsinstitutionen, die
der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie mit- insbesondere in der angewandten Wasserstoff- und
zugestalten und wirtschaftlich davon zu profitieren. Brennstoffzellen-Forschung stark aufgestellt sind und
Mehr als 90 im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzel- durch wegweisende Forschungs- und Demonstrations-
len tätige Unternehmen mit Standorten in Baden-Würt- projekte erheblich zur Innovationskraft des Standorts
temberg decken bereits heute die gesamte Wertschöp- Baden-Württemberg beitragen.
fungskette von Wasserstoff und Brennstoffzellen in
unterschiedlichen Integrationsstufen ab und bilden da- Aus wirtschaftlicher Sicht und mit Blick auf den aktuel-
mit einen substanziellen Anteil an den in Deutschland len Umsatz sowie die Beschäftigungszahlen spielen
und Europa in diesem Bereich aktiven Unternehmen. Wasserstoff und Brennstoffzellen zum jetzigen Zeit-
punkt noch eine eher untergeordnete Rolle, sie werden
Die baden-württembergische Akteurslandschaft im Be- jedoch von den Unternehmen als zukünftig relevantes
reich Wasserstoff und Brennstoffzellen verfügt neben Geschäftsfeld wahrgenommen, in das zunehmend in-
langjähriger Erfahrung in Forschung und Entwicklung vestiert wird. Um zukünftige Wertschöpfungspotenziale
über eine hohe technologische Kompetenz und Innova- der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie für
tionskraft. Zu den zentralen Akteuren gehören sowohl Baden-Württemberg zu nutzen und zukünftig im inter-
kleine und mittelständische wie auch international nationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben,
agierende Großunternehmen. In den letzten Jahren wird es daher in den nächsten zwei bis fünf Jahren ent-
sind kontinuierlich neue Akteure in das Geschäftsfeld scheidend sein, vorhandene Kompetenzen durch Inves-
Wasserstoff und Brennstoffzellen eingestiegen und titionen weiter auf- und auszubauen. Das Beispiel der
investieren in diesem Bereich, zuletzt etwa Bosch oder Batterietechnologie, bei der Europa gegenüber den
Iveco. Daneben erwägen weitere Unternehmen den asiatischen Leitmärkten den Anschluss an die Techno-
Markteintritt. Dadurch wächst die lokale Akteursland- logieentwicklung sowie seine Marktposition verloren
schaft kontinuierlich weiter. hat, zeigt deutlich, wie wichtig es ist, rechtzeitig in Zu-
kunftstechnologien zu investieren und Marktanteile
Mehrere baden-württembergische Unternehmen haben frühzeitig zu sichern.
bereits Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Anwen
dungen auf den Markt gebracht, die für eine kommer Im Rahmen dieses Kapitels wird die Wasserstoff- und
zielle Nutzung und bei der Bereitstellung von notwen Brennstoffzellen-Akteurslandschaft Baden-Württem-
digen Produktionskapazitäten für den Markthochlauf bergs detaillierter vorgestellt sowie deren nationale
bereitstehen. Bedingt durch die Wirtschaftsstruktur und internationale Wettbewerbsfähigkeit analysiert.
des Bundeslandes liegt eine besondere Stärke der In Kapitel 4.1 wird zunächst ein Überblick über die
baden-württembergischen Wasserstoff- und Brennstoff- baden-württembergischen Unternehmen und For -
zellen-Industrie im Bereich der Anwendungen für Mobi- schungsinstitutionen, die im Bereich Wasserstoff und
74 | Kapitel 4
Brennstoffzellen aktiv sind, sowie über aktuelle Um - in der Automobilindustrie sowie im Maschinenbau.
satz- und Beschäftigungszahlen gegeben. Die Analyse Gerade in diesen Bereichen, in denen der Standort
der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts folgt Baden-Württemberg klare Stärken aufweist, liegen vor
in Kapitel 4.2. dem Hintergrund der erwarteten weiteren Marktentwick-
lung für Wasserstoff und Brennstoffzellen und der zuneh-
4.1 Marktüberblick
und Akteure
mend wichtigen Rolle der Technologie signifikante wirt-
schaftliche Potenziale für Industrie und Unternehmen.
Abbildung 28
Auswahl international führender Unternehmen mit Sitz oder Standort in Baden-Württemberg,
die im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen tätig sind
[weltweiter Gesamtumsatz 2018 in Mrd. EUR, # Mitarbeiter weltweit 2018, gerundet]
Umsatz: 167,4 Mrd. EUR Umsatz: 78,5 Mrd. EUR Umsatz: 59,3 Mrd. EUR Umsatz: 20,6 Mrd. EUR
Beschäftigte: 299.000 Beschäftigte: 410.000 Beschäftigte: 92.000 Beschäftigte: 22.000
Umsatz: 12,6 Mrd. EUR Umsatz: 9,5 Mrd. EUR Umsatz: 4,0 Mrd. EUR Umsatz: 1,7 Mrd. EUR
Beschäftigte: 80.000 Beschäftigte: 49.000 Beschäftigte: 21.000 Beschäftigte: 10.000
produktion stellt derzeit noch keinen Bereich übernommen. Gleichzeitig beschäftigen sich aber ver-
nennenswerter Unternehmensaktivitäten dar. Bestehen- schiedene baden-württembergische Energieversorger
de Produktionsanlagen und Infrastrukturen, die vor und Infrastrukturbetreiber bereits mit den Potenzialen
allem für die herkömmliche Wasserstoffnutzung als möglicher zukünftiger Geschäftsaktivitäten im Bereich
Rohstoff in der Industrie sowie für den Standort des Wasserstoff und Brennstoffzellen; teilweise sind die Un-
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Lam- ternehmen schon in Demonstrationsprojekte bzw. die
poldshausen und seine Raketentriebwerksprüfstande Entwicklung weiterer Projekte im Land involviert (so
vorgehalten werden, werden vor allem durch etablierte z.B. EnBW, terranets BW, ZEAG Energie, MVV Energie
Industriegasehersteller betrieben, die nicht hauptsäch- und weitere).
lich in Baden-Württemberg ansässig sind. Auch der
Betrieb der bisher in Baden-Württemberg errichteten Auch im Bereich Herstellung von Produktions- und
Wasserstoff-Tankstellen wird durch die jeweils verant- Fertigungsanlagen für Komponenten- und Endanwen-
wortlichen Unternehmen der Initiative H2 Mobility dungshersteller bestehen derzeit aufgrund des aktuellen
76 | Kapitel 4
Abbildung 29
Übersicht über die im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen tätigen Unternehmen
mit Standorten in Baden-Württemberg
Komponentenhersteller
Dr. Eugen Mohr LAMTEC Meß- und Regeltechnik Scheuermann & Heilig
für Feuerungen
DWT-Munk, Dichtungs- und Wartungstechnik Siemens
LEONI Bordnetz-Systeme
Eberspächer Smart Testsolutions
Liebherr-International Deutschland
EBM-Papst Staiger
Teil-Systemintegratoren Beratungen/Engineering-Dienstleistungen
prognum Automotive
PSW Engineering
Systemintegratoren Quintech
Daimler SL-TecH2
EvoBus SWE-Mobility
Freudenberg TechnoStart
Abbildung 30
Abdeckung verschiedener Stufen der Wertschöpfungskette für Wasserstoff und Brennstoffzellen
durch Unternehmen in Baden-Württemberg [Anzahl Hersteller]
Systemintegratoren1
Automobil
3 Elektrolyseur
1 Stationäre Anlagen
2
Teil-Systemintegratoren1
Komponentenhersteller
Membrane/Membran-
Bipolarplatten 1 Elektroden-Einheit 7 Gasdiffusionsschicht 2
Silberschneideanstalt
Umicore
between Lizenz
ElringKlinger
FUMATECH BWT
GMT Membrantechnik
Robert Bosch
Umicore
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 79
Komponentenhersteller
Engineering
Odenwald-Chemie Müller Behälter- und
Anlagenbau
Trelleborg Sealing Solutions
Germany
KNF Neuberger
MAHLE
Rietschle Thomas
Schaeffler
1 Farbcodierung zur Kennzeichnung der Abdeckung der Wertschöpfungskette aufgrund der geringeren Anzahl von Akteuren in diesen Segmenten angepasst
80 | Kapitel 4
Komponentenhersteller
Rohrleitungen 6 5 Sonstige2 14
PERIPHERIEKOMPONENTEN
Ventile
Aeroline Tube Systems Bürkert Fluid Control Systems Exyte Modine Europe
Baumann Magnet-Schultz Gustav Wahler Munk
Amrhein Messtechnik Otto Egelhof KACO new energy QuinTech
CeramTec Parcom Präzisionsarmaturen Krempel Rosenberger
Felss Group Staiger LEONI Bordnetz-Systeme S.M.A. Metalltechnik
Parcom Präzisionsarmaturen Mayser m.pore Scheuermann & Heilig
Rosenberger Mercedes-Benz Fuel Cell Stäubli Electrical Connectors
Zentro-Elektrik
Marktentwicklungsstandes noch keine nennens werten Auf Ebene der Komponentenhersteller kann weiterhin
Aktivitäten baden-württembergischer Unternehmen. zwischen Herstellern von Komponenten des Brennstoff-
Bisher gelieferte Anlagen sind Einzelanfertigungen ein- zellen-Stacks, Peripheriekomponenten-Herstellern und
zelner Hersteller und kein fester Bestandteil von deren Herstellern sonstiger Peripheriesysteme unterschieden
Produktportfolio. Zukünftig können sich aber mit dem werden.
weiteren Markthochlauf und der Ausweitung von
Produktionskapazitäten der Komponenten und Anwen- Wie aus Abbildung 30 ersichtlich ist, decken baden-
dungshersteller sowie dem Einstieg in die Serien württembergische Unternehmen die Subsegmente und
produktion hierbei neue Marktsegmente für die lokale Einzelkomponenten von Brennstoffzellen-Anwendun-
Maschinenbauindustrie entwickeln; vereinzelt waren gen in unterschiedlicher Intensität ab – grundsätzlich
baden-württembergische Unternehmen bereits am Bau sind baden-württembergische Unternehmen aber in allen
von Pilotanlagen beteiligt bzw. bereiten derzeit den relevanten Bereichen aktiv.
Markteintritt in das Segment vor.
Stack-Komponentenhersteller entwickeln und produ-
Für eine genauere Analyse der Aktivitäten baden-würt- zieren die elementaren Bestandteile einer Brennstoff -
tembergischer Unternehmen sind in der Gesamt-Wert- zelle bzw. eines Brennstoffzellen-Stacks. Hierzu gehö-
schöpfungskette von Wasserstoff und Brennstoffzellen ren die Membran-Elektroden-Einheit, Bipolarplatten
(die die Produktion, Speicherung und Distribution so- und die Gasdiffusionsschicht. Insbesondere mit Blick
wie Endanwendungen verschiedener Bereiche umfasst) auf die Herstellung der Membran-Elektroden-Einheit
verschiedene Wertschöpfungsstufen zu unterscheiden: verfügt Baden-Württemberg mit mehreren in dem Be-
Komponentenhersteller, Teil-Systemintegratoren und reich aktiven Unternehmen über eine sehr gute Abde-
Systemintegratoren. Die erste Wertschöpfungsstufe ckung bei einer der zentralen Komponenten der Tech-
umfasst dabei mit den Komponentenherstellern Ent- nologie.
wickler und Produzenten von einzelnen Bestandteilen,
die in komplexen Wasserstoff- und Brennstoffzellen- Zum zweiten Subsegment der Peripheriekomponenten
Systemen und -Anwendungen Verwendung finden. Auf zählen elementare Bestandteile, wie sie in verschiede-
dieser Stufe liegt ein klarer Schwerpunkt der aktuellen nen Brennstoffzellen-Systemen und -Anwendungen zum
baden-wür ttembergischen Wasserstoff- und Brenn- Einsatz kommen, z.B. in Fahrzeugen, Elektrolyseuren,
stoffzellen-Industrie, verbunden mit einem klaren Fo - Wasserstoff-Tankstellen und stationären KWK-Anlagen.
kus auf die Herstellung von Komponenten für Mobili- Zu den Peripheriekomponenten zählen z.B. Befeuchter,
tätsanwendungen. Dabei profitiert Baden-Württemberg Dichtungen, Druckbehälter, Filter, Katalysatoren, Kom-
von seiner etablierten starken Zulieferindustrie der pressoren, Pumpen und Reformer. Auch in diesem
Automobilwirtschaft. Diese kann dabei auf bestehende Bereich der Wertschöpfungskette decken baden-würt-
Kompetenzen aus ihrem Kerngeschäft aufbauen und tembergische Unternehmen, wie z.B. Freudenberg,
weist die notwendige technologische Kompetenz im Mann+Hummel oder CeramTec, alle wesentlichen Kom-
Bau von Komponenten für Mobilitätsanwendungen ponenten ab. Besonders stark sind baden-württember-
auf, um in diesem Segment auch im Bereich Wasser- gische Unternehmen dabei heute im Bereich Dichtun-
stoff und Brennstoffzellen erfolgreich tätig zu sein. gen und Pumpen vertreten.
82 | Kapitel 4
Die dritte Untergruppe der Komponentenhersteller bil- Endanwendungen, wie z.B. bei seiner GLC F-Cell-Klein-
den Hersteller von Peripheriesystemen wie Kühltech- serie oder den geplanten ÖPNV-Bussen mit Brennstoff-
nik, Leistungselektronik, Luftmanagement sowie Mess- zellen-Range-Extender. Audi hat seine Aktivitäten zum
und Steuerungstechnik. Es handelt sich dabei häufig Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle ebenfalls in
um Bestandteile, die die technischen Abläufe, z.B. eines jüngster Zeit intensiviert, befindet sich aktuell aber
Fahrzeugs oder eines Elektrolyseurs, steuern und unter- noch im Entwicklungsstadium; dabei deckt der Stand-
stützen. Auch hier sind Firmen aus Baden-Württemberg ort Neckarsulm die Entwicklung für den Bereich Brenn-
an der Produktion aller wesentlichen Komponenten be- stoffzellen für den gesamten VW-Konzern ab. Das Unter-
teiligt, wobei besonders die Hersteller von Leistungs- nehmen hat angekündigt, ab 2021 ebenfalls einen
elektronik stark vertreten sind, zu denen z.B. Unter eigenen Brennstoffzellen-Pkw in Kleinserie als Leasing-
nehmen wie Wasserelektrolyse Hydrotechnik und Fahrzeug auf den Markt bringen zu wollen.
MAHLE gehören.
Wie hierbei deutlich wird, sind auf Ebene der OEMs im
Die zweite Wertschöpfungsstufe der Wasserstoff- und Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen zunehmend
Brennstoffzellen-Industrie umfasst sogenannte Teil- Bestrebungen zu erkennen, mehrere Stufen der Wert-
Systemintegratoren, die einzelne Komponenten zu Sub- schöpfung innerhalb des eigenen Unternehmens abzu-
systemen verarbeiten, die dann Bestandteil einer kom- decken und somit die Position im Wettbewerb weiter zu
plexen Brennstoffzellen-Anwendung sein können. Der stärken; dies geschieht vor allem bei als wettbewerbs
dritten Stufe der Wertschöpfung werden System differenzierend ausgemachten Komponenten. So ver-
integratoren, wie bspw. OEMs oder Anlagenbauer, zuge- fügt Daimler mit Mercedes-Benz Fuel Cell über ein
ordnet, die eine Vielzahl technischer Subsysteme zu Tochterunternehmen, das Brennstoffzellen-Komponen-
einem Gesamtprodukt vereinen. In diesen beiden Wert- ten und -Systeme erforscht, entwickelt und vertreibt.
schöpfungsstufen ist die Anzahl tätiger Unternehmen Damit treten die OEMs partiell in direkter Konkurrenz
naturgemäß geringer – gleichzeitig weist Baden- zur lokalen Zulieferindustrie, insbesondere mit Blick
Württemberg aber auch hier eine breite Abdeckung der auf wettbewerbsdifferenzierende Komponenten wie
Wertschöpfung auf. Brennstoffzellen-Stacks. Andererseits lässt sich zum
gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein klarer Trend erken-
Auch bei der Betrachtung der Unternehmen auf diesen nen, der eine zunehmende Konzentration und Integra-
weiteren Ebenen der Wertschöpfungskette – den Teil- tion der Wertschöpfung bei den OEMs zur Folge hat und
Systemintegratoren und Systemintegratoren – zeigt sich die Zulieferindustrie, zumindest in einigen Bereichen,
Baden-Württembergs Stärke in der Automobilwirt- überflüssig machen würde. Grundsätzlich wird für
schaft. Daimler deckt beispielsweise mit seinen Tochter Brennstoffzellen-Systeme eine Vielzahl verschiedener
unternehmen Mercedes-Benz Fuel Cell, Mercedes-Benz Komponenten benötigt, die erwartbar nicht alle vom
und EvoBus die gesamte Bandbreite der Wertschöpfung selben Hersteller geliefert werden können; hierfür ist
im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen ab – von das System der Automobilzulieferer fest etabliert.
Forschung und Entwicklung einzelner Komponenten,
wie Brennstoffzellen-Stacks, über die Integration von Im Bereich Anlagenbau von Elektrolyseuren zur Wasser-
Brennstoffzellen-Systemen sowie die Produktion der stoff-Herstellung sind in Baden-Württemberg bislang
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 83
Abbildung 31
Entwicklungsstadium der Produkte und Aktivitäten der Unternehmen im
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Bereich [% je Antwortkategorie]
Umfrage: Entwicklungsstadium der Produkte und Aktivitäten
FRAGE: "In welchem Entwicklungsstadium befinden sich Ihre Aktivitäten und Produkte im H2/BZ-Bereich?" (n = 37)
nur wenige Unternehmen tätig. Eines davon ist das duziert die baden-württembergische Zulieferindustrie
Karlsr uher Unternehmen Wasserelektrolyse Hydro auch Komponenten für diesen Bereich, ohne dass je-
technik, das in den Bereichen Projektierung, Fertigung doch ein großer Hersteller von Elektrolyseuranlagen im
und Vertrieb von Elektrolyseuren aktiv ist und Land ansässig wäre.
schlüsselfer tige und individuell erstellte Gesamtan
lagen konzipiert und liefert. Allerdings wird für die Her- Mit Blick auf stationäre Wasserstoff- und Brennstoff
stellung von Elektrolyseuranlagen wiederum eine Viel- zellen-Anwendungen, wie z.B. KWK-Anlagen, verfügt
zahl von Komponenten benötigt, die teilweise im Baden-Württemberg unter anderem mit Viessmann
Bereich von Brennstoffzellen-Systemen und mobilen bzw. dessen im Land ansässigen Tochterunternehmen
Endanwendungen relevant sind. Dementsprechend pro- Hexis sowie mit Freudenberg Sealing Technologies der
84 | Kapitel 4
→ Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Die baden-württembergische Forschung profitiert von
→ Duale Hochschule Baden-Württemberg den hohen Ausgaben des Bundeslandes für Ausgaben
für universitäre oder sonstige nichtunternehmens
→ Europäisches Institut für Energieforschung interne Forschung. Unter allen Bundesländern weist
→ Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie Baden-Württemberg gemessen an der Wirtschafts
leistung den höchsten Anteil an Forschungsausgaben
→ Fraunhofer-Gesellschaft auf und hat darüber hinaus in den vergangenen fünf
→ Hahn-Schickard-Gesellschaft für Jahren die höchsten Fördermittel vom Bund erhalten.
angewandte Forschung
Verschiedene aktuelle Forschungs- und Entwicklungs-
→ Hochschule Esslingen
projekte, die die Forschungsinstitutionen unter ande-
→ Hochschule Furtwangen rem auch in Zusammenarbeit mit lokal ansässigen
Unternehmen durchführen, positionieren Baden-
→ Hochschule Konstanz
Württemberg als einen international wichtigen For-
→ Hochschule Offenburg schungsstandort der Wasserstoff- und Brennstoffzel-
len-Technologie – insbesondere im Mobilitäts- und
→ Hochschule Ulm
Verkehrssektor. Besondere Bedeutung hierbei hat das
→ Karlsruher Institut für Technologie aktuell in Planung befindliche Projekt "HyFab-Baden-
Württemberg". Im Rahmen des Projekts soll eine For-
→ Max-Planck-Gesellschaft
schungsfabrik für Brennstoffzellen und Wasserstoff in
→ Universität Ulm Ulm und Freiburg errichtet werden, in der automatisier-
te Fertigungs- und Qualitätssicherungsverfahren für
→ Universität Stuttgart
Brennstoffzellen-Stacks entwickelt und erprobt werden
→ Zentrum für Sonnenenergie- und sollen (Staatsministerium Baden-Württemberg, 2019).
Wasserstoff-Forschung BW Der Fokus liegt dabei auf dem Einsatz im Automobil
bereich. Der nach aktuellen Planungen geschätzte
Quelle: Roland Berger Finanzmittelbedarf
von rund 74 Mio. EUR in den nächs-
ten zehn Jahren wird durch das Land mitfinanziert. Zu
86 | Kapitel 4
Abbildung 33
Überblick über Gesamtumsatz der Unternehmen sowie im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Bereich
[Mio. EUR]
Umfrage: Umsätze der Unternehmen insgesamt und im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Bereich
FRAGE: "Bitte geben Sie folgende Kennzahlen Ihres Unternehmens an: Gesamtumsatz und Umsatz im H2/BZ-Bereich"
1 Keine Teilnahme von Unternehmen mit einem Gesamtumsatz zwischen 10 und 100 Mio. EUR. Quelle: Roland Berger
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 87
den beteiligten Hauptakteuren aus der Wissenschaft samtumsätze aller deutschen Unternehmen in diesem
gehören das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasser- Bereich1⁸. Die Umfrage verdeutlicht ebenfalls die große
stoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und das Bedeutung des europäischen Wasserstoff- und Brenn-
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Frei- stoffzellen-Marktes für die teilnehmenden baden-
burg (Fraunhofer ISE). Außerdem ist auch die Industrie württembergischen Unternehmen, die dort über 35%
mit den OEMs Audi, Daimler und BMW sowie zahlrei- ihrer Gesamterlöse erzielen (Abb. 33).
chen Zulieferunternehmen beteiligt. Die Kooperation
von Forschung und Industrie bietet Baden-Württem- In Bezug auf die Beschäftigungszahlen gaben die an der
berg die Chance, seine starke Position im Brennstoff Umfrage teilnehmenden Unternehmen an, im Bereich
zellen-Bereich im nationalen und internationalen Wett- Wasserstoff und Brennstoffzellen derzeit 442 Mitar
bewerb zu festigen und eine technologische beiter weltweit zu beschäftigen, davon 290 in
Vorreiterrolle in der seriellen Brennstoffzellenstack- Baden-Württemberg. Damit sind etwa 65% der Mit
Produktion in Europa zu erwerben. arbeiter der baden-württembergischen Unternehmen
im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Bereich direkt in
UMSATZ UND BESCHÄFTIGUNGSZAHLEN Baden-Württemberg beschäftigt. Eine Extrapolation
dieser Zahlen auf alle Unternehmen, die derzeit im Be-
Wasserstoff und Brennstoffzellen stellen derzeit noch reich tätig sind, ergibt, dass heute rund 840 Personen in
einen Nischenmarkt dar, der nach Einschätzung vieler Baden-Württemberg im Bereich Wasserstoff und Brenn-
befragter Unternehmen aber bereits in den nächsten stoffzellen beschäftigt sind. Da viele der im Wasserstoff-
Jahren zunehmend kommerziell relevant wird und in und Brennstoffzellen-Bereich Beschäftigten in der For-
den die Unternehmen daher zunehmend investieren. schung und Entwicklung tätig sind und die
Die an der im Rahmen der Studie durchgeführten Um- Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unter-
frage teilnehmenden Unternehmen gaben an, weltweit nehmen oftmals in Baden-Württemberg angesiedelt
aktuell etwa 27 Mio. EUR im Bereich Wasserstoff und sind, entstehen Wasserstoff- und Brennstoffzel -
Brennstoffzellen umzusetzen (Abb. 33). Extrapoliert len-Know-how und Innovationen vorrangig vor Ort.
man diese Umfrageergebnisse auf die gesamte
baden-württembergische Wasserstoff- und Brennstoff- Erzielte Umsätze und geschaffene Arbeitsplätze werden
zellen-Industrie, ergibt sich ein geschätzter Gesamt heute vor allem durch das produzierende Gewerbe im
umsatz der in Baden-Württemberg ansässigen Unter- Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen bereitgestellt.
nehmen im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen Neben weiterem Wachstum in diesen Branchen könn-
von im vergangenen Jahr rund 80 Mio. EUR weltweit. ten die Umsatz- und die Beschäftigungszahlen zukünf-
tig zusätzlich auch durch sich entwickelnde Geschäfts-
An diesen Zahlen zeichnet sich die aktuell starke Posi tätigkeiten im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen
tionierung Baden-Württembergs in der Wasserstoff-
und Brennstoffzellen-Industrie ab: Mit weltweit ge-
schätzten Umsätzen in Höhe von rund 80 Mio. EUR 18 Vgl. VDMA (2019); in den dort angegebenen Umsatzvolumina sind allerdings
nicht alle relevanten Segmente der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie
erzielen die teilnehmenden baden-württembergischen erfasst, sodass der Anteil Baden-Württembergs zunächst überproportional hoch
Unternehmen damit einen signifikanten Anteil der Ge- erscheint.
88 | Kapitel 4
von Energieversorgern, Netzbetreibern, Betreibern von unbedingt Marktführer sind, aber in der Spitzengruppe
Wasserstoff-Erzeugungsanlagen, Power-to-Gas-Anla- des Wettbewerbs anzusiedeln sind und sich auf Augen-
gen, Tankstelleninfrastrukturen sowie Dienstleistern höhe mit dem internationalen Wettbewerb befinden.
für Wartungs- und Reparaturleistungen von Endanwen- Die bereits bestehenden Kompetenzen im Bereich der
dungen und Infrastrukturanlagen weiter ansteigen. Da- Brennstoffzellenstack-Entwicklung und -Herstellung
neben ergeben sich durch den Transport von Wasser- sowie die angekündigten Investitionen weiterer Unter-
stoff zukünftige Geschäftsfelder für Gasnetzbetreiber, nehmen, wie etwa des größten Automobilzulieferers der
die die nötige Infrastruktur bereitstellen. Somit entste- Welt Bosch (Bosch, 2019), in diesen Markt ebenso wie
hen für eine Vielzahl von weiteren Industrien und Seg- die geplante Errichtung der Forschungsfabrik HyFab
menten zusätzliche Umsatzquellen und Beschäftigungs- (Staatsministerium Baden-Württemberg, 2019) eröff-
möglichkeiten infolge der Ent wicklung des nen Baden-Württemberg die Chance, zu einem der füh-
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Marktes. Eine detail- renden Standorte für diese Kernkomponente der Was-
lierte Prognose der Umsatz- und Wertschöpfungspoten- serstoff- und Brennstoffzellen-Technologie zu werden.
ziale sowie der Beschäftigtenzahlen des Wasserstoff-
und Brennstoffzellen-Sektors in Baden-Württemberg Eine differenziertere Betrachtung erfordert die Bewer-
erfolgt in Kapitel 4. tung der Rolle der lokalen OEMs im Bereich Wasser-
stoff- und Brennstoffzellen. Auf der einen Seite verfügen
4.2 Wettbewerbsfähigkeit
und Perspektiven
die in Baden-Württemberg ansässigen OEMs über lang-
jährige Expertise in der Technologie und leisten wichti-
ge Entwicklungsarbeit in diesem Bereich. So gehört bei-
Die in der Branche tätigen baden-württembergischen spielsweise Daimler zu den weltweiten Pionieren der
Unternehmen verfügen heute im europäischen und in- Entwicklung von Brennstoffzellen-Antriebssträngen für
ternationalen Vergleich in vielen Bereichen der Wasser- Fahrzeuge und war einer der ersten Produzenten von
stoff- und Brennstoffzellen-Wertschöpfungskette über Testfahrzeugen und Erprobungs-Kleinserien und ver-
eine gute bis sehr gute Positionierung im Vergleich zum fügt daher über hohes technologisches Know-how. Auch
Wettbewerb. Die größte Wettbewerbsfähigkeit weist die Audi hat am Standort Neckarsulm die Entwicklung von
baden-württembergische Zulieferindustrie für Endan- Brennstoffzellenantrieben für den gesamten VW-Kon-
wendungen auf, insbesondere im Mobilitätsbereich. Vor zern übernommen, ist seit mehreren Jahren in diesem
allem die Zulieferunternehmen verfügen bereits heute Bereich aktiv und plant, Anfang der 2020er-Jahre die ers-
über kommerziell verfügbare Produkte, die in verschie- te Kleinserie eines von Brennstoffzellen angetriebenen
denen Anwendungen zum Einsatz kommen können. Pkw auf den Markt zu bringen. Im zukünftig wichtigen
Die Produkte gehören bezüglich des technischen Ent- Marktsegment des Bus- und Schwerlastverkehrs plant
wicklungs- und Innovationsstandes sowie in puncto Europas größter Bushersteller EvoBus, Tochter des
Qualität zu den führenden Produkten auf dem Welt - Daimler-Konzerns, die Serienproduktion eines batterie-
markt und werden global nachgefragt. Gleichzeitig be- betriebenen Busses mit Brennstoffzellen-Range Exten-
steht international ein vielfältiger Wettbewerb für die der ab 2022. Daimler arbeitet zudem an der Entwicklung
lokale Industrie, innerhalb dessen Unternehmen aus und serienmäßigen Produktion eines Brennstoffzel-
Baden-Württemberg hinsichtlich der Marktanteile nicht len-Lkw, der ab Ende des kommenden Jahrzehnts auf
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 89
den Markt kommen soll. Auch CNH Industrial/Iveco will nologie eine entscheidende Bedeutung haben und ein
zukünftig stark in Brennstoffzellenantriebe für Lkw in- wichtiger Standortfaktor für die lokale Industrie sind.
vestieren, wobei der baden-württembergische Standort Um die zukünftigen Potenziale der Wasserstoff- und
in Ulm möglicherweise eine wichtige Rolle spielen Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg diffe-
kann. Hinsichtlich produzierter Stückzahlen sowie des renziert zu beurteilen, wird im Folgenden ein detaillier-
Ambitionsniveaus der zukünftigen Produktionsausbau- ter Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der lokalen Un-
pläne und der Aktivitäten zum Ausbau des Produktport- ternehmen in den verschiedenen Stufen und Segmenten
folios sind derzeit jedoch vor allem asiatische Hersteller der Wertschöpfungskette geworfen. Hierbei wurden
den OEMs am Standort zum Teil deutlich voraus. Auch wesentlich auch die Ergebnisse der Online-Umfrage
wegen der Bedeutung der heimischen OEMs für die lo - baden-württembergischer Unternehmen und der Inter-
kale Zulieferindustrie wird für die zukünftige Position views zu deren eigener Einschätzung ihrer Wett
des Standorts im globalen Wettbewerb entscheidend bewerbsfähigkeit in die Analyse einbezogen.
sein, ob die heimischen OEMs in den nächsten Jahren
Investitionsentscheidungen treffen, die den heutigen KOMPONENTENHERSTELLER
Abstand zur internationalen Konkurrenz verringern
können. Auf der Stufe der Komponentenhersteller ist Baden-
Württemberg aufgrund seiner starken Zulieferindustrie,
Andere Segmente der Wertschöpfungskette der Wasser- vor allem auch im Automobilsektor, sehr gut aufgestellt.
stoff- und Brennstoffzellen-Industrie sind weniger stark Obwohl der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Markt für
durch baden-württembergische Unternehmen besetzt, die meisten Unternehmen noch ein Nischenmarkt ist, ver-
dementsprechend spielen lokale Unternehmen auf dem fügen bereits heute viele der Zulieferer über fertig ent
globalen Markt nur eine eingeschränkte Rolle. Vor allem wickelte und kommerziell verfügbare Produkte für
sind es erneut Zuliefererunternehmen, die Komponen- Brennstoffzellen-Anwendungen. Insgesamt können die
ten beispielsweise für Elektrolyseure und PtG-Anlagen Unternehmen in Baden-Württemberg die gesamte Pro-
liefern und dabei ebenfalls hinsichtlich des technischen duktpalette typischer Komponenten abdecken. Zudem
Reifegrads ihrer Produkte mit dem Wettbewerb auf gehören viele der baden-württembergischen Zulieferer zu
Augenhöhe agieren können. Im Bereich der stationären den internationalen Marktführern in ihrem jeweiligen
Brennstoffzellen-Anwendungen sind derzeit nur wenige Segment sowie zu den umsatzstärksten Unternehmen
lokale Unternehmen tätig. Es besteht jedoch eine Koope- weltweit mit entsprechender Innovations- und Investi
ration mit dem internationalen Markführer aus Japan, so- tionskapazität, z.B. Bosch, ElringKlinger, MAHLE, Freu-
dass Unternehmen am Standort von dessen Know-how denberg und Mann+Hummel. Aufgrund ihrer weltweiten
profitieren und sich auch in diesem Marktsegment zu- Marktpräsenz und der bereits bestehenden technolo
künftig wettbewerbsfähig positionieren können. gischen Kompetenzen haben die lokalen Zulieferunter-
nehmen das Potenzial, auch im Wasserstoff- und Brenn-
Baden-Württemberg verfügt daneben mit seiner breit auf- stoffzellen-Markt eine führende Position einzunehmen.
gestellten Forschungslandschaft über auf internationa-
lem Niveau agierende Institutionen, die für die (Weiter-) Inwieweit die Komponentenhersteller, vor allem der Zu-
Entwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Tech- lieferindustrie im Automobilbereich, von der zukünfti-
90 | Kapitel 4
gen Entwicklung des Wasserstoff- und Brennstoffzellen- OEMs, die verstärkt in die Wasserstoff- und Brennstoff-
Marktes profitieren werden, hängt auch davon ab, wie zellen-Technologie investieren, werden auch perspek
die regionalen Unternehmen vor allem an der erwartbar tivisch Investitionen der Zulieferer in diesem Bereich
starken Marktentwicklung in Asien partizipieren kön- auslösen. Die großen lokalen Automobil-OEMs sind be-
nen. Gleichzeitig sind die Unternehmen abhängig von reits seit längerer Zeit im Wasserstoff- und Brennstoff
der Entwicklung eines ausreichenden Marktwachstums zellen-Bereich aktiv, haben jedoch gegenwärtig noch
in Europa und der Präsenz der europäischen OEMs in keine Produkte bzw. nur Kleinserien auf dem Markt. Die
diesem Markt. Um nachhaltig wettbewerbsfähig zu sein, asiatischen Marktführer hingegen produzieren ihre Pro-
müssen die Unternehmen Skaleneffekte vergleichbar dukte, wie z.B. den Toyota Mirai, teilweise bereits in grö-
mit denen der asiatischen Hersteller erreichen können. ßeren Serien.
Aufgrund der aktuell dynamischeren Entwicklung der
Technologie in Asien wird der Erfolg der heimischen Zu- Eine stärkere Positionierung der OEMs wird auch die
lieferunternehmen daher vor allem auch von deren Ak- Marktposition der lokalen Zulieferindustrie zukünftig
tivitäten in diesen Wachstumsmärkten abhängen. Viele stärken. Einige Unternehmen der lokalen Zulieferindus-
Unternehmen sind zwar bereits heute international und trie sind bisher in Anbetracht der noch nicht klar er-
insbesondere auch in Asien aktiv, dennoch bestehen oft- kennbaren Umsatzpotenziale und der unklaren Posi
mals höhere Eintrittsbarrieren in diese Märkte, wie z.B. tionierung der lokalen OEMs bisher noch nicht oder nur
andere Normen und Spezifikationen, die dort präsente in eingeschränktem Maße bereit, größere Investitionen
Bevorzugung einheimischer Hersteller oder regulatori- in die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie zu
sche Hürden, die die Unternehmen vor zusätzliche Her- tätigen. Andere Zulieferer hingegen orientieren sich be-
ausforderungen stellen. Um Wertschöpfungspotenziale reits jetzt sehr stark an den weltweiten Wachstums-
in den asiatischen Märkten realisieren zu können, ist märkten, z.B. in Asien. Sollten lokale und andere
häufig der Aufbau lokaler Produktionskapazitäten not- europäische OEMs zukünftig im Markt nur eine
wendig. Dies kann im Umkehrschluss jedoch bedeuten, Nischenposition einnehmen, kann die lokale Zuliefer-
dass dem Standort Baden-Württemberg ggf. Wertschöp- industrie nur international tätig sein, was mit einer ver-
fungsanteile entzogen werden und ins Ausland abwan- schärften Wettbewerbssituation (z.B. durch längere Lie-
dern. Fokus der baden-württembergischen Standorte ferketten oder höheren Logistikkosten), höheren
wären dann vor allem Forschungs- und Entwicklungsak- Markteintrittsbarrieren und insgesamt höheren Risiken
tivitäten. sowie einer Verlagerung von Wertschöpfung aus
Baden-Württemberg, Deutschland und Europa verbun-
Zudem ist im Automobil-Segment die zukünftige Rolle den ist.
und Positionierung der OEMs von entscheidender Be-
deutung, da die Aktivitäten der OEMs eng mit denen der BRENNSTOFFZELLEN-SYSTEME
Zulieferindustrie verbunden sind. Insbesondere der Mo-
bilitäts- und Verkehrssektor, in dem Baden-Württem- Die technologische Kernkomponente jeder Brennstoff-
berg eine klare Stärke besitzt, hat das Potenzial, zukünf- zellen-Anwendung, der Brennstoffzellen-Stack, wird
tig einer der wichtigsten Anwendungsbereiche der Was- ebenfalls von mehreren Unternehmen in Baden-
serstoff- und Brennstoffzellen-Technologie zu werden. Württemberg hergestellt bzw. ist die zukünftige Herstel-
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 91
Abbildung 34
Anzahl hergestellter Brennstoffzellen-Pkw seit Produktionsstart je OEM
lung geplant. Der nationale Marktführer ist hier das treibt die Entwicklung in diesem Bereich voran. Weiter-
baden-württembergische Unternehmen ElringKlinger, hin hat Bosch als Weltmarktführer im Automobil-
das umfassende Kompetenzen in diesem Bereich aufge- Zulieferer-Segment angekündigt, verstärkt in die Brenn-
baut hat. Die Brennstoffzellen-Stacks der Fima werden stoffzellen-Technologie zu investieren und Kapazitäten
bereits heute schon in zahlreichen Brennstoffzellen- für eine Serienfertigung von Brennstoffzellen-Stacks für
Systemen verwendet und sind heute kommerziell bereits den Einsatz in Automobilen aufzubauen (Bosch, 2019).
verfügbar. Auch investiert ElringKlinger in die zukünftige Die Weiterentwicklung des Brennstoffzellen-Stacks soll
Serienproduktion von Brennstoffzellen-Systemen und in Zusammenarbeit mit dem europäischen Marktführer
92 | Kapitel 4
Abbildung 35
Schätzung Marktanteile der bis heute hergestellten Brennstoffzellen-Pkw [# Brennstoffzellen-Pkw, %]
PowerCell erfolgen. Die industrielle Fertigung der Außerdem produziert das baden-württembergische Un-
Brennstoffzellen-Stacks soll dann durch Bosch allein er- ternehmen EPH elektronik ein Brennstoffzellen-System,
folgen. Zudem wird die industrielle Fertigung von das als hybrides System im Systemverbund mit Batterien
Brennstoffzellen-Stacks durch das von Forschung und genutzt wird.
Industrie ins Leben gerufene Forschungsprojekt HyFab
aktiv in Baden-Württemberg vorangetrieben. Aufgrund Die vorhandenen Kompetenzen und zukünftig geplan-
der Vielzahl an beteiligten Instituten und Unternehmen ten Investitionen sowie das Projekt HyFab bieten Baden-
aus Forschung und Industrie sowie der angekündigten Württemberg die Möglichkeit, zu einem der internatio-
Investitionen wird die industrielle Produktion mit nal führenden Standorte der Brennstoffzellenstack-
Hochdruck vorangetrieben. Technologie und deren industrieller Fertigung aufzu-
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 93
Abbildung 36
Geplante Produkteinführungen von Brennstoffzellen-Pkw von OEMs weltweit (Auswahl)
¹ Indikativ; bislang keine offizielle Unternehmenskommunikation zum geplanten Zeitpunkt Start Serienproduktion. Quelle: Roland Berger
Abbildung 37
Patentanmeldungen von Unternehmen der Automobilindustrie im Bereich Brennstoffzelle
[# Patente]
nehmen heute die internationale Marktführerschaft tioniert. Das Tochterunternehmen Mercedes-Benz Fuel
ein. Insbesondere hinsichtlich der Ausweitung von Pro- Cell erforscht, entwickelt und vertreibt seit vielen Jahren
duktionskapazitäten und der Erweiterung des verfügba- Brennstoffzellen-Komponenten und -Systeme.
ren Produktportfolios weisen die lokalen Hersteller
Daimler und Audi Aufholbedarf vor allem im Vergleich WASSERSTOFF-ANWENDUNGEN – BUSSE
zur asiatischen Konkurrenz auf (Abb. 34).
Im Bereich der Brennstoffzellen-Busse verfügt Baden-
Während Hyundai und Toyota derzeit kommerziell ver- Württemberg mit EvoBus über den größten europäi-
fügbare Produkte in größeren Stückzahlen auf dem schen Bushersteller. EvoBus beschäftigt sich bereits seit
Markt verfügbar haben (der 2014 eingeführte Toyota 1990 mit der Brennstoffzellen-Technologie für Stadtbusse
Mirai wurde beispielsweise bereits ca. 10.000-mal ver- im ÖPNV und produzierte schon bis 2003 30 Busse für
kauft), stellt Daimler derzeit lediglich einige hundert einen Kleinflottenversuch im Rahmen des Demon
Exemplare seines GLC F-Cell im Leasingmodell für aus- strationsprojektes HyFLEET:CUTE sowie seit 2009
gewählte Kunden zur Verfügung. 23 Mercedes-Benz Citaro FuelCELL-Hybrid Busse, die
im Rahmen des CHIC-Projekts ("Clean Hydrogen in
Eine Entscheidung über zukünftige Produkte und European Cities") eingesetzt wurden. In Europa nahm
Stückzahlen im Pkw-Bereich ist bislang nicht gefallen. EvoBus damit bis zum Jahr 2014 eine führende Position
Audi plant den erstmaligen Produktlaunch einer Brenn- ein. Zwischen 2015 und 2018 hat EvoBus keine weiteren
stoffzellen-Kleinserie im Jahr 2021 (Abb. 36). Hierfür Brennstoffzellen-Busse produziert, der angekündigte
investiert Audi in die Erforschung der Brennstoffzel- Start eines Serienmodells wurde mehrfach verschoben.
len-Technologie am Standort Neckarsulm, der Ent Im gleichen Zeitraum lieferte der belgische Hersteller
wicklungsstandort in diesem Bereich für den gesamten Van Hool als aktueller europäischer und weltweiter
Volkswagen-Konzern ist; dieser legt momentan gemäß Marktführer im Brennstoffzellen-Bereich 37 Brennstoff-
öffentlichen Verlautbarungen den Schwerpunkt seiner zellen-Busse aus.
Entwicklungsarbeit und Produktpalette aber auf die
Batterietechnologie. Weitere Serien von Brennstoff Van Hool sicherte sich außerdem bereits mehrere Groß-
zellen-Fahrzeugen in größeren Stückzahlen sind bei aufträge von deutschen Gemeinden. Weitere europä
Audi erst für den weiteren Verlauf der 2020er-Jahre ge- ische Hersteller haben ebenfalls Brennstoffzellen-Busse
plant. Von Daimler sind derzeit keine konkreten Pläne hergestellt bzw. bieten derzeit Produkte im Markt an,
im Pkw-Bereich bekannt. wenn auch nur in sehr geringen Stückzahlen. Internati-
onal hat bspw. Toyota angekündigt, 100 Brennstoffzel-
Die technologische Vorreiterstellung der asiatischen len-Busse für die Olympischen Spiele 2020 zu liefern
Hersteller spiegelt sich zudem auch im Ranking der und seine bestehende Produktion des Brennstoffzellen-
Brennstoffzellen-Patentanmeldungen von 2010 bis 2016 Modells Hino weiter auszubauen, das in Europa aber
wider, welches von Hyundai, Toyota und Honda ange- bislang nicht verfügbar ist (Abb. 39). Auch von nordame-
führt wird (Abb. 37). Daimler ist jedoch im Vergleich zu rikanischen Herstellern wurden bereits Brennstoffzellen-
den deutschen und europäischen Wettbewerbern auf- Busse, allerdings ebenfalls rein für den dortigen Markt,
grund seiner langjährigen Entwicklungsarbeit gut posi- hergestellt.
96 | Kapitel 4
Abbildung 38
Anzahl verkaufter Brennstoffzellen-Busse seit Produktionsstart je OEM
Abbildung 39
Schätzung Marktanteile Brennstoffzellenbusse-Hersteller
[# Brennstoffzellen-Busse, %]
Hyundai (Südkorea)
30
Solaris (Bozen)
12
Abbildung 40
Zukünftige Produkteinführungen von Brennstoffzellen-Bussen von OEMs weltweit
2019 2022
Gemeinsame Entwicklung
EvoBus plant derzeit den Start einer kommerziellen Bussen entstehen hier beträchtliche Wertschöpfungspo-
Serienfertigung des neuen eCitaro mit Brennstoffzel- tenziale für die baden-württembergischen Unternehmen,
len-Range Extender ab 2022 (Abb. 40). Da EvoBus im Ver- auch in der Zulieferindustrie. In diesem für die weitere
gleich zu den Wettbewerbern eine mit Abstand führende Marktentwicklung von Wasserstoff und Brennstoffzellen
Marktposition besitzt, ist davon auszugehen, dass EvoBus vor allem in den nächsten Jahren wichtigen Marktseg-
mit einem kommerziell verfügbaren Brennstoffzellen- ment könnte der Standort Baden-Württemberg daher vor
Produkt zukünftig große Marktanteile im Brennstoffzel- allem in Europa eine führende Stellung einnehmen.
len-Segment erobern wird. Zudem kann EvoBus vor allem
von der hohen Nachfrage in den Heimatmärkten Deutsch- WASSERSTOFF-ANWENDUNGEN – LKW
land und Europa profitieren, wo das Unternehmen bereits
heute stark positioniert ist. Eine entsprechend hohe Im zukünftig potenziell wachstumsstarken Lkw-Segment
Nachfrage in diesem Segment zeichnet sich bereits ab: Die (vgl. Kap. 3) befinden sich die Aktivitäten der baden-
25 Busbetriebe des deutschen Brennstoffzellenbus- württembergischen OEMs bisher noch auf der Forschungs-
Clusters haben bereits eine Nachfrage von insgesamt 500 und Entwicklungsstufe. Auf nationaler Ebene ist auch hier
Brennstoffzellen-Bussen angemeldet. In Anbetracht der Daimler führend und hat kürzlich angekündigt, bis Ende
erwarteten hohen Nachfrage nach Brennstoffzellen- des nächsten Jahrzehnts einen Brennstoffzellen-Lkw in
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 99
Abbildung 41
Zukünftige Produkteinführungen von Brennstoffzellen-Lkw von OEMs weltweit
Gemeinsame Entwicklung
Kleinserie auf den Markt zu bringen (Süddeutsche Zei- Auch im Gesamtmarkt ist das Segment Lkw derzeit noch
tung, 2019). In den Jahren zuvor sollen Prototypen getestet vor allem im Prototypen- und Demonstrationsstadium
werden. Die zukünftigen Wachstumspotenziale im zu verorten, es existiert derzeit kein kommerzielles Pro-
Lkw-Segment, die in Europa vor allem durch eine sich in duktangebot in diesem Segment; allerdings haben meh-
den nächsten Jahren massiv verschärfende Emissions- rere internationale Hersteller ambitionierte Pläne geäu-
regulierung getrieben werden, haben international auch ßert. Im Rahmen des Projekts H2Haul werden derzeit
andere Unternehmen erkannt. Ein positives Zeichen für 16 Brennstoffzellen-Lkw an mehreren Orten in Europa
den Standort Baden-Württemberg kommt vom Nutz- in der Praxis getestet. Die Fahrzeuge werden von den
fahrzeug-Hersteller CNH Industrial/Iveco. Das Unterneh- Herstellern Iveco, FPT Industrial, die beide zu CNH
men hat den Standort Ulm als einen potenziellen Entwick- Industrial gehören, und VDL ETS entwickelt und produ-
lungs- und Produktionsstandort für die Herstellung von ziert. In den Schwerlastfahrzeugen kommt jedoch auch
Brennstoffzellen-Lkw ausgewählt und plant in den nächs- Technologie aus Baden-Württemberg zum Einsatz: Die
ten Jahren signifikante Investitionen in diesem Bereich. Firma ElringKlinger liefert die Brennstoffzellen für die
Obwohl diesbezüglich noch keine finale Entscheidung Fahrzeuge. Außerdem sind auch die Unternehmen
getroffen wurde, zeugt dies von den Standortvorteilen Hydrogenics (Kanada/Deutschland) und PowerCell
Baden-Württembergs im Bereich Automobilbau. (Schweden) mit der Brennstoffzellenlieferung beauf-
100 | Kapitel 4
tragt. Das Projekt wird vom FCH JU für einen Zeitraum men entsprechende Kapazitäten und Kompetenzen auf-
von fünf Jahren mit 12 Mio. EUR gefördert. und ausbauen, um nicht den Anschluss an den europä-
ischen und internationalen Wettbewerb in diesem
Das 2014 in den USA gegründete Unternehmen Nikola lukrativen und zukunftsträchtigen Segment zu verlieren.
Motors fokussiert sich auf die Entwicklung eines Brenn-
stoffzellen-Lkw und kann laut eigenen Aussagen bereits WASSERSTOFF-ANWENDUNGEN –
mehrere tausend Vorbestellungen verzeichnen. Viele Un- STATIONÄRE ANLAGEN
ternehmen haben das Wertschöpfungspotenzial im Seg-
ment der Brennstoffzellen-Schwerlastfahrzeuge erkannt Der Bereich der stationären Brennstoffzellen-Anlagen
und investieren beträchtliche Summen in das Start-up. ist derzeit generell in Europa und damit auch für
Hierzu gehört neben CNH Industrial auch Bosch. baden-württembergische Unternehmen noch ein
Nischenmarkt. Hierbei ist jedoch das Segment der
Der französische Automobil-OEM Renault hat angekün- Mikro-KWK-Anlagen insbesondere für zwei lokale
digt, Ende 2019 und im Jahr 2020 zwei leichte Brennstoff- Firmen relevant. Der Mikro-KWK-Hersteller Hexis mit
zellen-Nutzfahrzeugmodelle auf den Markt zu bringen Standort in Konstanz entwickelt seit 1990 bereits
(Renault, 2019). Die beiden Modelle sind mit einer Batte- Festoxidbrennstoffzellen-Systeme und bringt seine
rie und einer Brennstoffzelle als Range Extender ausge- Expertise seit der Übernahme im Jahr 2015 in der Viess-
rüstet, die die Reichweite der Fahrzeuge erhöhen soll. mann Gruppe ein. Viessmann gilt als europäischer
Marktführer im Bereich Mikro-KWK und kooperiert zu-
Insgesamt bestehen im Lkw-Segment für die Automobil- dem seit 2012 mit dem Weltmarktführer Panasonic aus
OEMs und die Zulieferer aus Baden-Württemberg große Japan, welcher bereits 140.000 PEM-Brennstoffzel-
wirtschaftliche Potenziale: In diesem Bereich erwarten len-Systeme verkauft hat und damit mit deutlichem Ab-
die befragten Unternehmen und Experten die größten stand internationaler Marktführer ist. Daneben bietet
Wachstumspotenziale hinsichtlich der Wasserstoff- und Freudenberg Sealing Technologies infolge der Übernah-
Brennstoffzellen-Anwendungen in den nächsten Jahren. me des Brennstoffzellen-Herstellers Elcore eine
Im Schwerlastverkehr bietet die Brennstoffzellen-Tech- Brennstoffzellen-Heizung an. Im Vergleich zum Welt-
nologie einen klaren Vorteil gegenüber der Batterietech- marktführer Panasonic dürften die bisher abgesetzten
nologie, da ein wasserstoffbasierter Antrieb bedeutend Stückzahlen der beiden baden-württembergischen Her-
größere Reichweiten ermöglicht. Gegenwärtig sind die steller jedoch weitaus geringer sein.
konkreten Pläne zum Ausbau der Produktionskapa
zitäten und der Entwicklung von Produkten in diesem WASSERSTOFF-HERSTELLUNG
Bereich aber noch verhalten und liegen hinter den Plä-
nen wichtiger internationaler Wettbewerber zurück (z.B. Im Bau von Power-to-Gas-Anlagen und Elektrolyseuren
plant Hyundai, in den nächsten Jahren 1.600 Lkw in der sind derzeit nur wenige Unternehmen als (Teil-)System
Schweiz auf die Straße zu bringen; auch Nikola Motors integratoren aus Baden-Württemberg aktiv. Jedoch kön-
verfolgt international ambitionierte Pläne, die aktuell nen auch viele lokale Zulieferunternehmen vom Wachs-
größten Stückzahlen an Brennstoffzellen-Lkw werden in tum dieses Marktes profitieren. Der internationale
China produziert). Daher sollten die lokalen Unterneh- Markt für Elektrolyseuranlagen wird derzeit von Markt-
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 101
führer Siemens sowie weiteren großen Herstellern wie den Marktwachstum profitieren. Für eine Wasser-
NEL (Norwegen), Hydrogenics (Kanada) oder ITM Power stoff-Tankstelle werden z.B. Komponenten wie Druckbe-
(Großbritannien) dominiert. Zahlreiche weitere euro hälter, Kompressoren, Pumpe, Ventile und Dichtungen
päische und internationale Hersteller sind in diesem benötigt. In diesen Bereichen verfügt Baden-
Bereich tätig. Aktuelle Großaufträge gehen vor allem an Württemberg über eine Vielzahl von etablierten Unter-
diese Hersteller, die einen Großteil des Marktes unter nehmen mit hohem technischen Know-how und
sich aufteilen; keiner dieser Hersteller verfügt über wettbewerbsfähigen Produkten.
Standorte in Baden-Württemberg. Die Firma Wasser
elektrolyse Hydrotechnik mit Sitz in Karlsruhe ist der- Auf der Ebene der Wasserstoff-Infrastrukturanbieter
zeit als einziges baden-württembergisches Unterneh- bzw. -Produzenten gibt es keine in Baden-Württemberg
men im Bereich der Elektrolyseur-Herstellung tätig. Das ansässigen Unternehmen. Der Marktführer in diesem
Unternehmen konzipiert und liefert schlüsselfertige Segment, die Firma Linde, produziert seit 2014 Wasser-
und individuell erstellte Gesamtanlagen im kleineren stoff-Tankstellen inklusive eines eigens entwickelten
Umfang; international geht der Trend derzeit hin zur ionischen Wasserstoff-Kompressors in Serienfertigung
Herstellung immer größerer Anlagen im Multi-MW- am Entwicklungs- und Produktionsstandort Wien.
Bereich.
MASCHINEN- UND ANLAGENBAUER
Aufgrund des signifikanten Anstiegs des Wasserstoff
bedarfs in der Zukunft ergeben sich für baden-württem- Neben den Unternehmen, die direkt an der Wertschöp -
bergische Unternehmen mit hoher technologischer fung im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Bereich
Expertise interessante Perspektiven in diesem Markt- beteiligt sind, können zukünftig auch die starken und
segment. Vor allem für die Komponentenhersteller bie- international gut positionierten baden-württember
tet dieser Markt zusätzliche Wertschöpfungspotenziale. gischen Maschinen- und Anlagenbauer von der Entwick-
Viele Zulieferunternehmen verfügen bereits heute über lung dieses Marktes profitieren. Die Aktivitäten dieser
Produkte, die für den Einsatz in Wasserstoff-Herstel - Unternehmen machen einen beträchtlichen Teil der
lungsanlagen benötigt werden. Wertschöpfung der baden-württembergischen Industrie
aus. Die Herstellung von Produktionsanlagen für Her-
WASSERSTOFF-INFRASTRUKTUR steller von Komponenten und Endanwendungen der
Brennstoffzellenindustrie, vor allem für die zukünftige
Auch im Bereich der Produktion von Wasserstoff-Infra- Serienfertigung mit entsprechend hohen Ansprüchen
strukturanlagen und den entsprechend benötigten an Produktionsgeschwindigkeit und -präzision, kann
Komponenten bestehen signifikante Entwicklungs- zukünftig ein interessantes Marktsegment für die lokale
chancen für baden-württembergische Unternehmen Maschinenbauindustrie darstellen; mehrere Hersteller
durch den absehbaren Investitionsbedarf in solche Infra erwägen bereits einen Einstieg in diesen Bereich.
strukturen. Da perspektivisch mehr Brennstoffzellen-
Fahrzeuge verkehren, wird z.B. der Ausbau des Wasser- FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN
stoff-Tankstellennetzes notwendig sein. Vor allem die
Komponentenhersteller können von dem zu erwarten- In Baden-Württemberg ist eine Vielzahl von Forschungs-
102 | Kapitel 4
einrichtungen ansässig, die zum Thema Wasser - stoff- und Brennstoffzellen-Bereich führend, während
stoff- und Brennstoffzellen-Technologie forschen und auch die Tsinghua University in Peking mit ca. 100 Pa-
entwickeln. Insbesondere die Institute der Fraunhofer- tentanmeldungen im Jahr 2018 ihre Forschungskompe-
Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft, das tenz stark ausbaut. Die Fraunhofer-Gesellschaft besitzt
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Deutsche im Vergleich derzeit ca. 700 Patente. Die Aufholjagd der
Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das Zen chinesischen Forschungsinstitute ist teilweise politisch
trum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung induziert, da staatliche Fördermittel für Forschung, Ent-
Baden-Württemberg (ZSW) gehören zu den in Europa wicklung, Demonstration (FED) seit 2015 signifikant
und international führenden Institutionen in diesem gestiegen sind und 2018 bereits beinahe die Hälfte der
Bereich. Auch die Entscheidung zur Etablierung des europäischen Fördermittel ausmachten.
neuen Forschungszentrums "HyFab-Baden-Württem-
berg" in Ulm und Freiburg untermauert die Positionie- Als langjährig etablierter Forschungsstandort stehen im
rung Baden-Württembergs als wichtiger Forschungs- Land umfangreiche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
und Entwicklungsstandort für die Technologie. Die Forschungsgelder zur Verfügung. Die Verfügbarkeit
Forschungseinrichtungen sind sowohl in der Grund finanzieller Ressourcen für FED in Baden-Württemberg
lagenforschung als auch in der angewandten Forschung kann derzeit als international wettbewerbsfähig ein
in Kooperation mit ansässigen Unternehmen tätig. Von gestuft werden. Die massiven Investitionen v.a. der asia-
dieser Nähe zur Industrie profitiert der Unternehmens- tischen Länder stellen aber eine zunehmend starke Kon-
standort klar; die Kooperation mit der Forschung kurrenz dar. Um international wettbewerbsfähig zu
ermöglicht es den lokalen Unternehmen, die Wett bleiben, sollten Investitionen in die Forschung sowie
bewerbsfähigkeit ihrer Wasserstoff- und Brennstoff die Kooperation mit den Unternehmen weitergeführt
zellenprodukte zu steigern. Die starke Forschungs und ausgebaut werden.
landschaft Baden-Württembergs im Bereich der
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie kann SELBSTEINSCHÄTZUNG ZUR WETTBEWERBS-
daher als wichtiger Standortfaktor gelten, der günstige FÄHIGKEIT DER LOKALEN UNTERNEHMEN
Rahmenbedingungen für die zukünftige Wettbewerbs-
fähigkeit der lokalen Industrie schafft. Aus der Befragung der lokalen Unternehmen, die im Be-
reich Wasserstoff und Brennstoffzellen tätig sind, ergibt
Die Entwicklung der Forschungsaktivitäten in den asia- sich bei der Einschätzung ihrer aktuellen Wettbewerbs-
tischen Märkten verdeutlich aber auch, dass zukünftig fähigkeit des Standorts Baden-Württemberg im interna-
mit einem verstärkten Wettbewerb zu rechnen sein wird. tionalen Vergleich ein Bild, das den oben getroffenen
Analog zum schnellen Aufbau von Wasserstoff- und Ausführungen entspricht (Abb. 42). Rund 40% der Un-
Brennstoffzellen-Expertise asiatischer Unternehmen ternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben,
fokussieren sich auch asiatische Forschungseinrichtun- beurteilen den Standort Baden-Württemberg im interna-
gen zunehmend auf die Wasserstoff- und Brennstoffzellen- tionalen Vergleich als stark positioniert, ohne ihn jedoch
Technologie. Das Korean Institute of Technology ist als klar weltweit führend anzusehen. Gleichzeitig schätzt
international mit mehr als 1.000 Patenten im Wasser- ca. ein Drittel den Standort als vergleichsweise schwach
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 103
Abbildung 42
Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie Baden-Württembergs
im internationalen Vergleich [%]
im internationalen Wettbewerb sowie ein weiteres Drittel von langjähriger Expertise und Technologieführerschaft
der Befragten den Standort als weder besonders stark mit wichtigen im Bereich tätigen Unternehmen, vor
noch als schwach ein. Im europäischen Vergleich stellt allem in der Zulieferindustrie und bezogen auf den Mo-
sich das Bild tendenziell positiver dar: Hier beurteilen bilitätsbereich. Vor allem international wird aber zuneh-
20% der Befragen Baden-Württemberg als führenden mend die Konkurrenz asiatischer Player spürbar, die
Standort, weitere 50% sehen das Land als stark positio- derzeit mit hohen Investitionen und ambitionierten
nierten Standort an; insgesamt schreiben damit rund Plänen im Weltmarkt aufholen und in einigen Bereichen
70% der Befragten Baden-Württemberg eine heraus bereits führend sind. Viele der befragten Unternehmen
gehobene Stellung im europäischen Wettbewerb zu. haben daher Zweifel, ob der Standort Baden-Württem-
berg für die Zukunft wettbewerbsfähig aufgestellt ist, da
Dieses Ergebnis spiegelt übergreifend gut die aktuelle vergleichbare Investitionsankündigungen und ambitio-
Situation der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie nierte Pläne einheimischer Unternehmen bislang nur in
in Baden-Württemberg wider: Diese profitiert weiterhin eingeschränktem Maße formuliert wurden. Es wird da-
104 | Kapitel 4
Abbildung 43
Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Produkte und der
Innovationskapazität der Unternehmen im Vergleich zu den Marktführern und weiteren Wettbewerbern [%]
FRAGE: "Bitte vergleichen Sie die H2/BZ-Produkte Ihres Unternehmens im Vergleich zum wichtigsten Wettbewerber je Region"¹
FRAGE: "Bitte bewerten Sie die Innovationskapazität Ihres Unternehmens/Ihrer Institution im Vergleich
zum wichtigsten Wettbewerber je Region"2
her für die zukünftige Rolle der lokalen Unternehmen in Dies wird auch durch die Bewertung der eigenen Inno-
diesem Markt entscheidend sein, in den nächsten zwei vationskapazität der befragten Unternehmen deutlich:
bis fünf Jahren den Anschluss an die internationale Diese wird zwar überwiegend ebenfalls als vergleichbar
Konkurrenz nicht zu verlieren und weiterhin eine wich- mit dem Wettbewerb oder als marktführend einge-
tige Rolle im Markt zu spielen. Hierzu sind klare Investi schätzt, jedoch ist die Bewertung nicht so positiv wie in
tionsentscheidungen in den nächsten Jahren notwen- Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit aktueller Produkte.
dig, die die Voraussetzungen für den Erhalt relevanter Auch hierin spiegeln sich Zweifel der Befragten dahinge-
Marktanteile im sich beschleunigt entwickelnden hend wider, ob ihre Unternehmen mit dem weltweiten
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Markt der Zukunft Wettbewerb zukünftig Schritt halten können, da derzei-
schaffen, vor allem hinsichtlich der Entwicklung eines tig angekündigte Investitionen im Vergleich zu diesem
attraktiven Produktportfolios, vor allem der OEMs, und eher verhalten ausfallen. Gleichzeitig sieht sich ein gro-
des Aufbaus der benötigten Produktionskapazitäten. ßer Anteil der lokalen Unternehmen in dieser Hinsicht
wettbewerbsfähig aufgestellt; dies verdeutlicht einmal
Ein Blick auf die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit mehr, dass klare Potenziale für die einheimische Indus-
der Produkte, die die Unternehmen Baden-Württem- trie für eine wichtige Rolle im zukünftigen Markt beste-
bergs anbieten, unterstreicht dieses Bild: Hier zeichnet hen, wenn in den nächsten Jahren nachdrücklicher als
sich ein überwiegend positives Bild bezüglich der Wett- bisher in die Industrie investiert wird.
bewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich ab (Abb.
43). Über 70% der Unternehmen sagen aus, dass ihr Pro - Aus den bisherigen Ausführungen der Studie ist deutlich
dukt marktführend oder auf Augenhöhe mit dem Pro- geworden, dass bedeutende Wertschöpfungspotenziale
dukt des Marktführers ist. Im Vergleich zu den weiteren in der zu erwartenden Entwicklung des Wasserstoff-
Wettbewerbern im Markt sehen sich die Unternehmen und Brennstoffzellen-Marktes für baden-württem
sogar zu 92% mindestens auf Augenhöhe in Bezug auf bergische Unternehmen entstehen werden. Die
ihre Produkte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Unter- baden-württembergische Wasserstoff- und Brenn
nehmen, die über ein Produkt für den Wasserstoff- und stoffzellen-Industrie verfügt dabei grundsätzlich über
Brennstoffzellen-Markt verfügen, sich im internationa- eine gute Ausgangslage, um eine gewichtige Rolle in die-
len Wettbewerb hinsichtlich des technologischen Reife- sem sich entwickelnden Markt zu spielen, muss aber vor
grads ihrer Produkte gut aufgestellt sehen. Die sich dar- allem in den nächsten Jahren weiter in die Technologie
in widerspiegelnde hohe Technologiekompetenz auf investieren, um den Anschluss an den internationalen
Augenhöhe mit dem internationalen Wettbewerb ist Wettbewerb nicht zu verlieren. Unternehmen in Baden-
dabei als gute Ausgangsbasis zur Positionierung der ein- Württemberg zeigten zuletzt ein verstärktes Interesse an
heimischen Industrie im zukünftigen Markt zu werten der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie.
– es wird in den nächsten Jahren darauf ankommen, die Viele Zulieferer haben die zukünftige Bedeutung der
vorhandenen Kompetenzen zu nutzen und durch nach- Technologie erkannt und investieren in Forschung, Ent-
haltige Investitionen in zukünftige signifikante Markt- wicklung und Ausbau der Produktionskapazitäten. Die
anteile zu verwandeln. OEMs agieren derzeit jedoch noch eher zögerlich und
deren Investitionen sind im Vergleich zu denen in die
Batterietechnologie weitaus geringer. Das Engagement
106 | Kapitel 4
vieler führender Unternehmen, vor allem auch der im internationalen Wettbewerb sein. Der Markt für
OEMs, ist jedoch ein wichtiges Signal für die Industrie Wasserstoff und Brennstoffzellen wird sich in den nächs-
insgesamt. ten Jahren signifikant weiterentwickeln – es liegt in der
Hand der lokalen Akteure, darin eine wichtige Rolle für
Auch wenn die Wertschöpfungspotenziale in den nächs- den Standort Baden-Württemberg zu entwickeln.
ten Jahren noch eher gering sein werden, ist mittelfristig
mit einem signifikanten Marktwachstum zu rechnen. Das Beispiel der Entwicklung der Batterietechnologie in
Um von dieser zukünftigen Entwicklung zu profitieren, Europa verdeutlicht dabei, dass es essenziell ist, die gute
müssen sich die lokalen Unternehmen bereits heute Positionierung der baden-württembergischen Wasser-
und verstärkt in den nächsten Jahren im Markt positio- stoff- und Brennstoffzellen-Industrie zu nutzen und vor-
nieren. Die Investitionsentscheidungen von Unterneh- handene Kompetenzen und Kapazitäten kontinuierlich
men, Landesregierung und Kunden der Wasserstoff- auf- und auszubauen, um international wettbewerbs
und Brennstoffzellen-Industrie in den nächsten Jahren fähig zu bleiben und Wertschöpfungspotenziale nicht
werden wegweisend für die Positionierung der Industrie an die internationale Konkurrenz zu verlieren. Die Ent-
Stand der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württemberg | 107
Abbildung 44
Umsätze entlang der Wertschöpfungskette und nach Sektoren in der Wasserstoff-Wirtschaft in Europa 2030
[Mrd. EUR]
Die Umsätze in Deutschland tätiger Firmen durch den Equipment-Bereich werden die durchschnittlichen Um-
Verkauf von Wasserstoff werden aus dem Anteil Deutsch- satzanteile folgender Wirtschaftszweige verwendet:
lands am Umsatz in Europa (EU28) innerhalb des Wirt-
schaftszweigs 20.11 (WZ20.11 "Herstellung von Indust-
riegasen") nach Daten von Eurostat abgeschätzt.19 Diese
Umsatzzahlen erfassen sowohl die Umsätze in Europa 19 Eigene Berechnung für 2016 (letztes verfügbares Jahr) basierend auf Daten von
als auch die Umsätze durch Exporte. Für die Umsätze im Eurostat (2016).
Prognose des Umsatz-, Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenzials in Baden-Württemberg | 111
Abbildung 45
Systematik der Zuordnung der Wirtschaftszweige20
Für Equipment im Transport-Sektor Im ambitionierten Szenario des FCH JU ergibt sich für
→ Wirtschaftszweig 29 (WZ29 "Herstellung von in Deutschland tätige Unternehmen 2030 ein Umsatz
Kraftwagen und Kraftwagenteilen") und potenzial von ca. 44 Mrd. EUR. In Baden-Württemberg
→ Wirtschaftszweig 30 (WZ30 "Sonstiger tätige Unternehmen sind daran mit einem Volumen von
Fahrzeugbau"). ca. 9 Mrd. EUR beteiligt. Abbildung 46 schlüsselt das
Für Equipment in den Sektoren Stromerzeugung, Umsatzpotenzial entlang der Wertschöpfungskette auf.
Gebäudewärme und -strom und industrielle Energie Die Zahlen verdeutlichen, dass der Schwerpunkt der
→ Wirtschaftszweig 27 (WZ27 "Herstellung von baden-württembergischen Wasserstoff- und Brennstoff-
elektrischen Ausrüstungen") und zellen-Industrie auf der Herstellung von Komponenten
→ Wirtschaftszweig 28 (WZ28 "Maschinenbau"). und Teil-Systemen liegt. Über 97% des Umsatzpoten
zials (ca. 8,6 Mrd. EUR) liegen in diesem Bereich. Hier
Diese Wirtschaftszweige erfassen wesentliche Aktivi kann Baden-Württemberg seine starke internationale
täten, wie etwa die Herstellung von Brennstoffzellen Wettbewerbsfähigkeit nutzen. Baden-Württemberg
(WZ27.9 "Herstellung von sonstigen elektrischen Aus- nimmt in den betrachteten Industrien eine bedeutsame
rüstungen und Geräten") und die Herstellung von Elek- Rolle innerhalb Europas ein. So werden mehr als 8%
trolyseanlagen (Michalski et al., 2019). des europäischen Umsatzes in diesen Industrien durch
in Baden-Württemberg tätige Firmen erwirtschaftet.
Die Umsätze im Zulieferbereich (sowohl in Europa als Der Herstellung von Wasserstoff per se kommt hin
auch durch Exporte) werden aus dem durchschnittli- gegen nur eine geringe Bedeutung für den Industrie
chen Anteil Deutschlands in Europa der WZ27, 28, 29 standort Baden-Württemberg zu. Einhergehend mit
und 30 abgeschätzt. In der FCH-JU-Studie werden die den in Deutschland vergleichsweise hohen Stromge
Umsätze der Zulieferer nicht weiter nach Sektoren un- stehungskosten kann daher davon ausgegangen werden,
tergliedert. Dies ist für die Berechnungen insofern sinn- dass Baden-Württemberg sowie Deutschland insgesamt
voll, da Zulieferunternehmen nur schwer einem Sektor langfristig Wasserstoff importieren werden.
zugeordnet werden können. Vielmehr muss damit ge-
rechnet werden, dass Zulieferer Teile und Komponen- In Baden-Württemberg gab es 2017 insgesamt 4,6 Mio.
ten an eine Vielzahl von Unternehmen aus unterschied- sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, davon ent
lichen Sektoren liefern. fielen rund 630.000 auf Wirtschaftszweige, denen der
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Sektor zugeordnet
Für die weitere Zerlegung des deutschen Umsatzes auf werden kann.21 In diesen Wirtschaftszweigen werden
in Baden-Württemberg tätige Unternehmen wird die bis 2030 durch den Hochlauf der Wasserstoff- und
gleiche Methodik angewendet. Damit wird für die in- Brennstoffzellen-Technologie zusätzliche Bruttowert-
dustrielle Entwicklung von Wasserstoff (inkl. Equip - schöpfung und somit neue Arbeitsplätze entstehen.
ment) die gleiche Marktposition Baden-Württembergs
wie bisher in den jeweiligen Industrien unterstellt. Hier-
zu werden Daten des Statistischen Bundesamtes ge-
nutzt (Statistisches Bundesamt, 2017a). 21 Eigene Berechnung basierend auf Daten der Bundesagentur für Arbeit (2017).
Betrachtet wurden die WZ20 und WZ27-30.
Prognose des Umsatz-, Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenzials in Baden-Württemberg | 113
Abbildung 46
Prognose des Umsatzpotenzials für die EU, Deutschland und Baden-Württemberg im
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Sektor in 2030 [Mrd. EUR]
Abbildung 47
Prognose der Bruttowertschöpfung und Arbeitsplätze in Baden-Württemberg im
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Sektor 2030 [# Arbeitsplätze, Mrd. EUR]
Die Berechnung des zusätzlichen Wertschöpfungs- und EUR für das Jahr 2030 an (Fraunhofer ISI und Fraun
Arbeitsplatzpotenzials erfolgt dabei mithilfe von Daten hofer ISE, 2019). Unterstellt man den gleichen Anteil
des Statistischen Bundesamtes zu Bruttowertschöp - Baden-Württembergs wie im kompletten verarbeiten-
fungsanteilen sowie Daten der Bundesagentur für Arbeit den Gewerbe (22%) (Statistisches Bundesamt, 2017a),
zu sozialversicherungspflichtig Beschäftigten für die je- ergäbe dies einen Wertschöpfungsanteil von etwa 2 Mrd.
weiligen relevanten Wirtschaftszweige (Statistisches EUR.
Bundesamt, 2017a, Statistisches Bundesamt, 2017b).
Dabei ist das Umsatz- und Produktionspotenzial in Aus dieser zusätzlichen Bruttowertschöpfung im Was-
Baden-Württemberg durch die installierten Produk serstoff- und Brennstoffzellen-Sektor ergeben sich rund
tionskapazitäten begrenzt. Die verfügbare Produktions- 16.500 neue Arbeitsplätze in Baden-Württemberg. Da-
kapazität wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. von entfallen rund 11.000 auf den Bereich Zulieferer,
So wird es etwa aufgrund von technischem Fortschritt rund 5.000 auf den Bereich Equipment sowie weitere
und Produktivitätssteigerungen – beispielsweise durch 350 Arbeitsplätze auf den Bereich der Wasserstoff-Her-
Investitionen in Industrie 4.0 – zukünftig möglich sein, stellung (Abb. 47). Dies entspricht einem Zuwachs von
bei geringeren Kosten die gleiche Menge zu produzieren. knapp 3% in den betrachteten Wirtschaftszweigen. Die
Mit der steigenden Produktivität kommt es ebenfalls zu Anzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze liegt damit
einer stetig wachsenden Kapitalintensität. Das bedeutet, etwas höher als die Anzahl der aktuell im sonstigen
dass der Einsatz von Kapital im Verhältnis zum Einsatz Fahrzeugbau (WZ30) Baden-Württembergs sozialver
von Personal ansteigt. Dies hat wiederum einen Anstieg sicherungspflichtig Beschäftigten (Abb. 48).
der Arbeitsproduktivität zur Folge, was sich direkt auf
die Beschäftigung in einer Industrie auswirkt. Für einen Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit Befunden
gegebenen Output der Industrie verringert sich daher anderer Studien zu den Beschäftigungseffekten der
die Arbeitsnachfrage und somit die Beschäftigung. Es Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie. So
wird im Folgenden eine Produktivitätssteigerung von schätzt der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
2% pro Jahr angenommen. Verband (DWV), dass in Deutschland bis 2030 bis zu
70.000 Arbeitsplätze in diesem Bereich neu entstehen
Die Ergebnisse zeigen, dass im ambitionierten Szenario können (DWV, 2018). Vor dem Hintergrund, dass
des FCH JU durch den Aufbau des Wasserstoff- und Baden-Württemberg einen Anteil von knapp über 20%
Brennstoffzellen-Sektors Bruttowertschöpfung in Höhe an den Beschäftigten Deutschlands in den betrachteten
von 2,3 Mrd. EUR im Jahr 2030 in Baden-Württemberg Industrien hat, würde dies rund 16.000 zusätzlichen Ar-
entstehen könnte, zu großen Teilen in den Bereichen beitsplätzen entsprechen.
Zulieferer und Equipment (Abb. 47). Dies entspricht
etwa 1,6% der aktuellen Bruttowertschöpfung des verar-
beitenden Gewerbes22 Baden-Württembergs. Dies deckt
sich mit der Wertschöpfungsprognose des Fraunhofer 22 Zum verarbeitenden Gewerbe zählen laut Klassifikation der Wirtschaftszweige
WZ05 bis WZ33. Dazu gehören unter anderem die Gewinnung von Erdöl und
ISI sowie des Fraunhofer ISE. Die Autoren geben einen Erdgas, die Herstellung von Nahrungsmitteln, Textilien und pharmazeutischen
Erzeugnissen sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung. Die
Anstieg der globalen Wertschöpfung deutscher Herstel- Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg
ler bei Elektrolyse und Brennstoffzellen auf etwa 10 Mrd. betrug 2017 (aktuell verfügbares Jahr) rund 144 Mrd. Euro.
116 | Kapitel 5
Abbildung 48
Arbeitsplätze in Baden-Württemberg nach Wirtschaftszweigen und Prognose der Arbeitsplätze
im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Sektor 2030 [# Arbeitsplätze]
280.000
∑ = ca. 44%
630.000
Arbeitsplätze
2017 217.000
34%
84.000
13%
32.000
13.000 16.500
5%
2% 3%
Auch decken sich die Ergebnisse mit denen aus der für Anzumerken ist, dass es sich bei diesen Ergebnissen um
diese Studie angefertigte Befragung baden-württember- Bruttobeschäftigungseffekte handelt. Es wird somit
gischer Unternehmen. Die befragten Unternehmen lediglich betrachtet, wie viele Arbeitsplätze durch die
schätzen, dass sie 2030 etwa 6.000 Mitarbeiter im Was- Marktentwicklung der Wasserstoff- und Brennstoffzel-
serstoff- und Brennstoffzellen-Bereich beschäftigen. len-Technologie in Baden-Württemberg in den betrach-
Eine Extrapolation auf alle Unternehmen, die in teten Industrien neu entstehen. Nettoeffekte, welche
Baden-Württemberg im Wasserstoff- und Brennstoffzel- den Abbau von Arbeitsplätzen in anderen Bereichen be-
len-Bereich tätig sind, ergibt etwa 16.000 zukünftige schreiben, werden hingegen nicht betrachtet. Dabei
Mitarbeiter in diesem Bereich. könnte es sich etwa um Arbeitsplätze in der Rohölverar-
Prognose des Umsatz-, Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzpotenzials in Baden-Württemberg | 117
beitung oder in der Herstellung von Komponenten des Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass die Entwick-
Verbrennungsmotors handeln. lung des Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Sektors mit-
tel- bis langfristig Arbeitsplätze in Baden-Württemberg
Festzuhalten ist insbesondere das wirtschaftliche sichern kann. Dabei liegen unsere Ergebnisse der
Potenzial der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Tech- szenariospezifischen Prognose sogar eher am unteren
nologie für Baden-Württemberg im Verkehrssektor. Ende der Einschätzung von Experten. Die baden-
Zum einen lässt sich dort ein hohes Umsatz- und Wert- württembergischen Unternehmen könnten vom
schöpfungspotenzial ermitteln, zum anderen kommt weltweiten Wachstum des Wasserstoff- und Brenn
der Automobilindustrie als Arbeitgeber für Baden- stoffzellen-Sektors aufgrund ihrer ausgeprägten
Württemberg ohnehin eine große Bedeutung zu. Vor Auslandsverflechtung und starken Exportstellung sogar
dem Hintergrund des bevorstehenden Strukturwan- noch überproportional stärker als andere Regionen in
dels in der Automobilindustrie und der damit verbun- Deutschland profitieren. Damit könnte der Umsatz
denen Abkehr vom klassischen Verbrennungsmotor anteil Baden-Württembergs im Wasserstoff- und Brenn-
hin zu klimaneutralen Alternativen könnten Brenn- stoffzellen-Sektor sogar noch höher als in den betrach-
stoffzellen-Fahrzeuge somit einen bedeutenden Anteil teten Wirtschaftszweigen ausfallen. Zudem sind die
an Wertschöpfung in Baden-Württemberg halten. betrachteten Wirtschaftszweige eng mit anderen Sekto-
Denn während bei der Produktion von batterieelektri- ren verbunden, wie z.B. der Herstellung von Metall- oder
schen Fahrzeugen ein Teil der Wertschöpfung in Gießereierzeugnissen (WZ25 und WZ24.5) (Statistisches
Baden-Württemberg verloren gehen wird, könnte bei Bundesamt, 2015). Es ist deshalb davon auszugehen,
der Herstellung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen ein dass ein Hochlauf der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
großer Teil vor Ort gehalten werden. Das liegt daran, Technologie durch Spillover-Effekte zusätzlich Arbeits-
dass etwa die Fertigung von Batteriezellen, welche der- plätze in anderen Branchen schaffen wird. Es gilt, ent-
zeit einen bedeutenden Anteil an der Wertschöpfung sprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, um
eines batterieelektrischen Fahrzeugs haben, voraus- Investitionen im Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
sichtlich im Ausland bzw. in anderen Bundesländern Sektor zu fördern. So kann der Industriestandort
stattfinden wird. Somit wird es langfristig durch den Baden-Württemberg langfristig gestärkt werden.
veränderten Antriebstrang zu einem Beschäftigungs-
rückgang in der Automobilindustrie kommen (Fraun-
hofer IAO, 2018; IAB, 2018). Brennstoffzellen-Fahrzeuge
haben zwar ebenfalls eine Batterie, diese besitzt jedoch
aufgrund ihrer geringeren Kapazität einen niedrigeren
Anteil an der Wertschöpfung als bei batterieelektri-
schen Fahrzeugen (e-mobil BW, 2019). Dahingegen
besteht bei Brennstoffzellen-Fahrzeugen noch die
Möglichkeit, die wesentlichen Teile der Wertschöp -
fungskette in Baden-Württemberg zu produzieren und
somit eine höhere Wertschöpfung zu halten.
6
6 Herausforderungen
für die Marktentwicklung
und Lösungsansätze
H2
§
H
Herausforderungen für die Marktentwicklung und Lösungsansätze | 119
In den vorangegangenen Kapiteln wurde be- laubt – auch solchen, die anderweitig nur schwer oder
schrieben, welche Rolle Wasserstoff und Brenn- gar nicht dekarbonisierbar wären. Aus heutiger Sicht ist
stoffzellen im zukünftigen Energiesystem ein- die Realisierung solcher Ziele ohne eine Anwendung
nehmen können und welche Potenziale in der erwarteten von Wasserstoff und Brennstoffzellen nicht denkbar.
weiteren Marktentwicklung dabei für die baden-würt-
tembergische Industrie entstehen können. Für diese Neben den Potenzialen zur Dekarbonisierung aller
weitere Marktentwicklung wurden auf europäischer und Energiesektoren durch die Nutzung von Wasserstoff
nationaler Ebene in Deutschland durch die Europäische und Brennstoffzellen und zum Erhalt der zukünftigen
Kommission und die Bundesregierung bereits wichtige Wettbewerbsfähigkeit des Technologie- und Industrie
Rahmenbedingungen durch die Verabschiedung von standorts Baden-Württemberg durch Investitionen in
Klimaschutzzielen und -plänen sowie konkrete regula diese Technologie ist die Entwicklung eines bedeut
torische Vorgaben zur Emissionsreduktion und Steige- samen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Marktes mit
rung der Energieeffizienz gesetzt, die eine breite Markt- wesentlichen Herausforderungen verbunden: Die Reali-
durchdringung von Wasserstoff und Brennstoffzellen sierung eines neuen Energiesystems allein auf Grund
und die Entwicklung eines signifikanten Marktes für die lage erneuerbar erzeugter Energie mit der Realisierung
Technologie vor allem nach 2030 erwartbar machen. von Sektorkopplung durch Wasserstoff stellt eine große
gesellschaftliche, ökonomische und technologische
Der 2016 von der Bundesregierung verabschiedete Klima Herausforderung dar, die in den nächsten Jahren bewäl-
schutzplan 2050 sowie das im Oktober 2019 verabschie- tigt werden muss. Gleichzeitig sind alle diese im Folgen-
dete Klimaschutzprogramm 2030 beinhalten sektor den ausführlicher dargestellten Herausforderungen aus
spezifische Emissionsminderungsziele für das Jahr heutiger Sicht beherrschbar. Es existieren bereits vielfäl-
2030, insbesondere für die Stromerzeugung, aber auch tige Lösungsansätze, mit denen heute noch bestehende
den Gebäude- und Verkehrssektor und den industriel- Herausforderungen für die weitere Marktentwicklung
len Bereich, zu deren Erreichung Wasserstoff und ausgeräumt werden können. Hierzu bedarf es vor allem
Brennstoffzellen einen wesentlichen Beitrag leisten einer nachhaltigen und konsequenten Umsetzung und
können. Die Erreichung dieser Zielsetzungen erfordert Akzeptanz solcher Ansätze durch Politik, Industrie und
nicht nur eine Energiewende in der Stromerzeugung, Unternehmen sowie Privatkunden in den nächsten Jah-
sondern auch eine Verkehrs- und Wärmewende. Folg- ren, in denen wichtige Weichen für den Umbau unserer
lich ist eine der drei Säulen der Klimastrategie der Bun- Energiesysteme und die Rolle von Wasserstoff und
desregierung neben der Steigerung der Energieeffizienz Brennstoffzellen dabei gestellt werden. In den nächsten
und der direkten Nutzung erneuerbarer Energien zur Jahren werden wichtige Grundlagen für die mittel- bis
Stromerzeugung die Realisierung der Sektorkopplung langfristige Marktentwicklung von Wasserstoff und
im Energiesystem und damit die Nutzung erneuerbaren Brennstoffzellen gelegt und nur durch die konsequente
Stroms in allen wesentlichen Sektoren mit hohem Ener- Umsetzung entsprechender Maßnahmen und nachhal-
giebedarf. Wasserstoff spielt für die Realisierung der tige Investitionen in die Technologie kann bis 2030 und
Sektorkopplung eine wesentliche Rolle als flexibel spei- darüber hinaus ein signifikantes Marktwachstum erfol-
cherbarer und transportierbarer Energieträger, der eine gen, von dem deutsche und baden-württembergische
Dekarbonisierung in allen Anwendungsbereichen er- Unternehmen profitieren können.
120 | Kapitel 6
Abbildung 49
Herausforderungen hinsichtlich des Einsatzes und der Entwicklung von
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Anwendungen [%]
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
7% 17% 23% 13% 40% Ø 3,6
des Geschäftsmodells
Priorisierung anderer
7% 30% 20% 17% 27% Ø 3,3
Technologien
Regulatorische
7% 28% 21% 24% 21% Ø 3,2
Schranken
Fehlende Weiterentwicklung
10% 27% 20% 33% 10% Ø 3,1
der H2/BZ-Technologie
Fehlende
10% 27% 33% 20% 10% Ø 2,9
Finanzierung
Komplexität der
7% 43% 27% 13% 10% Ø 2,8
Genehmigung/Autorisierung
Fehlende Akeptanz
13% 37% 20% 23% 7% Ø 2,7
der Endkunden
Mangelnde technologische
20% 53% 20% 3% 3% Ø 2,2
Reife/Leistung
ren. Im Fokus sollen dabei die Förderung der einheimi- elle Projektbudget des Bundesverkehrsministeriums
schen Wasserstoff- und Brennstoffzellenindustrie sowie von 5 Mio. EUR zur Förderung von Brennstoffzellen-Pkw
die Förderung der Nutzung von "grünem" Wasserstoff in Fahrzeugflotten kann hierbei nur einen begrenzten
als erneuerbaren Energieträger durch Maßnahmen in Beitrag leisten. Dies ist auch dadurch bedingt, dass die
verschiedenen Sektoren stehen. Vor allem die asiati- Anschaffung von Brennstoffzellen-Pkw durch die
schen Leitmärkte im Wasserstoff- und Brennstoffzellen geringe Abdeckung mit Wasserstoff-Tankstellen und die
bereich haben bislang klare Zielsetzungen und nationa- geringe kommerzielle Verfügbarkeit von Brennstoff
le Roadmaps zur Entwicklung der nationalen zellen-Pkw in Deutschland für viele Unternehmen und
Wasserstoffmärkte definiert. Das Fehlen solcher Ziele Kommunen gar nicht infrage kommt.
und Strategien in Deutschland wurde auch in der im
Rahmen der Studie durchgeführten Umfrage und den Zudem führen einige Regulierungen im Energiesektor
Interviews kritisiert. Mit einem Durchschnittswert von für die Brennstoffzellenindustrie zu Fehlanreizen. So
3,7 bewerteten die Umfrageteilnehmer die fehlende po - wird z.B. der von Elektrolyseuren bezogene Strom mit
litische Unterstützung und Anreizsetzung auf Platz eins der EEG-Umlage belegt und der Elektrolyseur damit als
sowie die Priorisierung anderer Technologien auf Platz Endverbraucher definiert, obwohl die elektrische Ener-
drei der signifikantesten Hemmnisse für die weitere gie dort lediglich in Wasserstoff umgewandelt wird. Die-
Marktentwicklung. Insbesondere wurde dabei eine se Regulierung ist einer der Gründe, die Elektrolyseure
technologiespezifische Priorisierung der batteriebetrie- und Power-to-X-Anlagen insgesamt unrentabel macht,
benen Elektromobilität kritisiert und fehlende Techno - da die resultierenden Wasserstoff-Herstellungskosten
logieoffenheit bemängelt. deutlich zu hoch für eine breite Durchsetzung im Markt
sind. Eine mögliche Lösung hierfür kann es sein, Elektro
Andererseits ist die Regulierung ein klassisches Len- lyseuranlagen direkt an Wind- oder Solarparks anzu-
kungsinstrument der Politik zur Förderung innovativer schließen und dadurch anfallende Stromnetzgebühren
Technologien. Durch anreizsetzende Besteuerung oder zu vermeiden; hierfür müssen aber im Einzelfall die
Subventionierung kann die öffentliche Hand den Aus- Rahmenbedingungen für die Realisierbarkeit gegeben
bau neuer Technologien initiieren und beschleunigen, sein. Darüber hinaus könnte auch eine stärkere Besteu-
wie z.B. beim Ausbau erneuerbarer Energien durch das erung konventioneller Energieträger, z.B. durch eine
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geschehen. Aller- CO2-Steuer wie im Klimaschutzprogramm 2030 bereits
dings setzt die bestehende Förderung und Regulierung, vorgesehen, Anreize für die Herstellung von "grünem"
die die Brennstoffzellenindustrie direkt oder indirekt Wasserstoff setzen. Auch die gesetzliche Fixierung der
betrifft, derzeit noch zu wenige Anreize, um einen Markt- verbindlichen Einhaltung von Klimaschutzzielen in den
hochlauf effektiv zu beschleunigen. Die Förderung für verschiedenen Energiesektoren, weitere regulatorische
den Kauf von Brennstoffzellen-Pkw ist mit aktuell 4.000 Maßnahmen, wie z.B. die Festsetzung von Flottenemis-
EUR zu gering, um den derzeit um ein Vielfaches höhe- sionswerten für die Automobilhersteller, oder die Um-
ren Kaufpreis auszugleichen. Auch die geplante Erhö- setzung von Maßnahmen auf kommunaler Ebene, wie
hung der Förderung auf 5.000 bzw. 6.000 EUR in Abhän- Einfahrverbote für konventionell angetriebene Fahrzeu-
gigkeit vom Listenpreis wird den höheren Kaufpreis ge in Städten, können den Weg zur Wirtschaftlichkeit
nicht vollständig kompensieren können. Auch das aktu- der Technologie beschleunigen.
Herausforderungen für die Marktentwicklung und Lösungsansätze | 123
Des Weiteren könnten Beschaffungen öffentlicher Stel- Rahmen der Studie durchgeführten Umfrage bestätigt:
len als weiterer Hebel für die Marktentwicklung der 40% der Umfrageteilnehmer sehen die mangelnde Wirt-
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie dienen. Öf- schaftlichkeit des Geschäftsmodells als signifikantestes
fentliche Beschaffungen sind allein für ca. 10 bis 15% Hemmnis für die weitere Marktentwicklung an. Dies hat
des jährlichen deutschen Bruttoinlandsprodukts ver- eine Vielzahl von Gründen: Zunächst werden die meis-
antwortlich und sind dadurch ein enormer Wirtschafts- ten Produkte noch in Kleinserien produziert oder befin-
faktor. Dabei werden etwa 12% der Vergaben auf Bun- den sich in noch früheren Entwicklungsstadien. Ledig-
desebene, 30% auf Länderebene und ca. 58% auf lich 8% der Umfrageteilnehmer gaben an, dass ihr
kommunaler Ebene organisiert. Dennoch beschränkt Produkt in hohen Stückzahlen in Serienfertigung kom-
sich die Vergabe von öffentlichen Geldern im Bereich merziell verfügbar sei. Die fehlende Skalierung und
Wasserstoff und Brennstoffzelle derzeit mehrheitlich Kommerzialisierung hemmt derzeit noch die Realisie-
auf Pilot- und Demonstrationsprojekte, deren Förder- rung von Kostensenkungspotenzialen, die aber entlang
richtlinien derzeit meist noch für Einzelbeschaffungen der gesamten Wertschöpfungskette in signifikantem
mit begrenzter Betriebsdauer und direktem Forschungs- Maß vorhanden sind (vgl. Kap. 2.2). Mit zunehmendem
bezug ausgelegt sind und mit zunehmender Reife der Markthochlauf wird jedoch mit erheblichen Kosten
Technologie nicht mehr ausreichen. Um die Marktent- reduktionen gerechnet. Des Weiteren wirken sich auch
wicklung weiter voranzubringen und den Kommerziali- die im vorherigen Abschnitt genannten Hürden negativ
sierungsgrad der Technologie zu erhöhen, müssen Pro- auf die Wirtschaftlichkeit von Geschäftsmodellen im
jekte zunehmend skaliert werden. Jedoch sind die Pläne Bereich Power-to-X aus.
Baden-Württembergs, eine größere Anzahl an Brenn-
stoffzellen-Anwendungen im Mobilitätssegment zu be- Darüber hinaus ist, trotz des hohen technologischen
schaffen, bisher nicht realisiert worden, auch weil ein Reifegrads vieler Anwendungen, der Mangel an im
entsprechendes Produktangebot fehlt. Eine großflächi- Markt verfügbaren Produkten ein signifikantes Hemm-
gere und standardisierte Förderung der öffentlichen nis für die weitere Marktentwicklung. Insbesondere im
Beschaffung speziell von Brennstoffzellen-Nutzfahrzeu- Markt für mobile Endanwendungen sorgt dies dafür,
gen, z.B. im Bereich des öffentlichen Personennahver- dass von staatlicher Seite zur Verfügung gestellte Förde-
kehrs, könnte aber einen erheblichen Beitrag zum rungen, z.B. im Bereich der Beschaffung, von einge-
Markthochlauf leisten. Baden-Württemberg bietet hier- schränkter Wirkung bleiben. Städte und Kommunen,
für bereits eine technologieoffene Förderung der Inves- die sich mit der Beschaffung von Bussen oder anderen
titions- und Betriebskosten emissionsfreier Busse an. Nutzfahrzeugen auf Wasserstoffbasis auseinanderset-
zen, stehen vor der Herausforderung, dass es derzeit
ÖKONOMISCHE UND FINANZIELLE HERAUS- kaum Fahrzeughersteller gibt, die serienmäßig bzw. in
FORDERUNGEN UND LÖSUNGSANSÄTZE ausreichender Stückzahl Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge
produzieren und auf dem europäischen Markt zur Ver-
Die Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie und fügung stellen. Auch für private Nutzer sind keine
deren Anwendungen sind unter den aktuellen ord - Brennstoffzellen-Pkw aus baden-württembergischer
nungspolitischen Rahmenbedingungen oft noch nicht oder deutscher Herstellung und nur in sehr begrenzter
ökonomisch wettbewerbsfähig, was sich auch in der im Anzahl von asiatischen Herstellern verfügbar. Der von
124 | Kapitel 6
Daimler produzierte Mercedes GLC F-Cell, der einzige schwache Nachfrageentwicklung einen schnelleren bzw.
derzeit verfügbare Brennstoffzellen-Pkw eines deut- umfangreicheren Ausbau des Tankstellennetzes. Dieser
schen Herstellers, wird nur in Kleinserie produziert und Kreislauf ist bisher noch nicht vollständig durchbro -
für ausgewählte Kunden in einem Mietmodell angebo- chen worden.
ten. Die zunehmende Fokussierung auf die Batterie-
technologie im Pkw- und in weiteren Fahrzeugseg Darüber hinaus ist Wasserstoff als Treibstoff in Deutsch-
menten, insbesondere der deutschen Fahrzeugher- land für mobile Anwendungen wie Pkw oder Busse oder
steller, erschwert daher einen Markthochlauf für Lkw im Schwerlastbereich preislich noch nicht wettbe-
Brennstoffzellen-Fahrzeuge aus europäischer Produk werbsfähig. Wird Wasserstoff als Nebenprodukt gewon-
tion mit entsprechenden Rückwirkungen auf die heimi- nen oder konventionell erzeugt, ist er nicht CO2-frei,
sche Zulieferindustrie. Jedoch ist der Aufbau eines euro- wird er mittels Elektrolyse aus regenerativem Strom ge-
päischen Marktes essenziell, um lokal möglichst hohe wonnen, führen die hohen Stromkosten zu hohen Her-
Wertschöpfung generieren zu können und bei zuneh- stellungskosten. Dies führt zu einem deutlich höheren
mender Kommerzialisierung von Skaleneffekten zu pro- Treibstoffpreis pro gefahrenem Kilometer für den End
fitieren. Werden Skaleneffekte nur in anderen Regionen anwender für Wasserstoff als für ein konventionelles
der Welt realisiert, mindert dies zusätzlich die wirt- Diesel- oder Benzinerfahrzeug oder auch ein Batterie-
schaftliche Wettbewerbsfähigkeit der baden-württem- fahrzeug. Verbunden mit den signifikant höheren An-
bergischen bzw. deutschen Brennstoffzellenindustrie. schaffungskosten für ein Brennstoffzellen-Fahrzeug
Daher müssen sowohl das Produktportfolio als auch die fällt die Kaufentscheidung derzeit oft negativ für die
Produktverfügbarkeit weiter erhöht werden. Brennstoffzelle aus. Allerdings sollten zukünftig die
ganzheitlichen Systemkosten hierbei berücksichtigt
Des Weiteren wird vielfach die mangelnde Tankstellen- werden.
infrastruktur als Hemmnis für einen Markthochlauf im
Transportbereich genannt. Bisher gibt es in Deutsch- Zudem wurden auch fehlende Finanzierungsmöglich-
land 75 Wasserstoff-Tankstellen, Baden-Württemberg keiten für Investitionen unter den Umfrageteilnehmern
liegt hierbei auf Platz drei mit zwölf Tankstellen, hinter aus der Brennstoffzellen-Industrie als Entwicklungs-
Nordrhein-Westfalen und Bayern. Bis 2020 ist die Inbe- hemmnis genannt. Obwohl fehlende Finanzierung mit
triebnahme von 100 Tankstellen geplant. Im Vergleich einer durchschnittlichen Bewertung von 2,9 nur auf
mit den rund 14.500 Benzin- und Dieseltankstellen und Platz sechs der größten Herausforderungen liegt, muss
den rund 16.600 Ladestationen für Elektroautos ist die für eine ganzheitliche Bewertung auch die Nachfrage
Wasserstoff-Infrastruktur noch am geringsten ausge- seite in Betracht gezogen werden. In einer Umfrage des
baut und weit von einem flächendeckenden Angebot FCH JU unter Städten und Kommunen zu den größten
entfernt. Trotz der staatlichen Zuschüsse lassen sich Herausforderungen für den Einsatz von Wasserstoff-
Wasserstoff-Tankstellen aufgrund der geringen Zahl an Anwendungen wurde fehlende Finanzierung mit einem
Brennstoffzellen-Fahrzeugen derzeit noch nicht wirt- Durchschnitt von 4,2 als signifikantestes Hemmnis be-
schaftlich betreiben. Die fehlenden Tankstellen behin- wertet, noch vor der mangelnden Wirtschaftlichkeit der
dern im Gegenzug auch eine positive Nachfrageentwick- Geschäftsmodelle (FCH 2 JU, 2018b). Dies zeigt, dass
lung im Fahrzeugmarkt. Gleichzeitig verhindert die eine Förderung der Nachfrageseite, insbesondere im Be-
Herausforderungen für die Marktentwicklung und Lösungsansätze | 125
reich der Einsatzfinanzierung und Projektumsetzung, hören zu den weit ausgereiften Anwendungen, die
und ein zuträglicher ordnungspolitischer Rahmen auf bereits (in Kleinserien) kommerziell verfügbar sind, ge-
allen Ebenen von vorrangiger Bedeutung für die weitere folgt von Bussen, Notstromaggregaten, industriellen
Marktentwicklung ist. Darüber hinaus stärken KWK-Anlagen, verschiedenen Netzdienstleistungen
dezidierte Anreize oder Regulierungen für Industrie und Elektrolyseuren. Dennoch gibt es viele mögliche
investitionen im Brennstoffzellenbereich die Ange- Anwendungsbereiche für Wasserstoff und Brennstoff-
botsseite. Angrenzende Sektoren, wie z.B. die Produktion zellen, in denen bislang keine vergleichbare Erfahrung
von erneuerbaren Energien, profitieren bereits seit Jah- vorliegt und die sich noch im Forschungs- und Entwick-
ren von Finanzierungsinstrumenten, die in der Wasser- lungsstadium befinden. Hierzu zählen beispielsweise
stoff- und Brennstoffzellen-Industrie derzeit noch feh- Züge, Abfallentsorgungsfahrzeuge und Lieferfahrzeuge,
len oder hier nur sehr eingeschränkt verfügbar sind, wie aber auch Schwerlast-Lkw sowie im sehr frühen Stadium
z.B. öffentliche Aufträge, Public-Private-Partnerships Flugzeuge und Schiffe. Insbesondere in mobilen An-
oder Einspeisevergütungen. Die Schließung dieser wendungen sind Brennstoffzellen extremer Belastung
Lücke und die Implementierung langfristiger, risiko ausgesetzt, die bei der Entwicklung neuer Brennstoff-
reduzierender und speziell für den Wasserstoff- und zellen-Fahrzeuge intensiv geprüft und getestet werden
Brennstoffzellen-Sektor bestimmten Finanzierungs muss, um in Zukunft eine ähnliche Robustheit zu erzie-
instrumente könnte zu ähnlichen Erfolgen wie in den len wie die eines herkömmlichen Dieselmotors.
angrenzenden Sektoren führen. Bessere Koordination
zwischen verschiedenen Förderprogrammen und ver- Infrastrukturell bleibt die Herausforderung bestehen,
einfachte Verfahren zur Bewilligung der Förderung kön- dass Wasserstoff je nach Nutzung in Pkw, Lkw oder Bus-
nen die Finanzierung kommunaler Projekte weiter ver- sen in unterschiedlichen Drücken an Tankstellen vorge-
einfachen. Darüber hinaus ist die Beteiligung privater halten werden muss. Für etwaige Anwendungen im
Finanzierung für einen Markthochlauf unerlässlich, da Fernlastverkehr muss zusätzlich noch das Tanken
die öffentliche Hand das benötigte Fördervolumen für flüssigen Wasserstoffs in Betracht gezogen werden, da
einen großflächigen Rollout der Technologie nicht flüssiger Wasserstoff mit einem geringeren Volumen
alleine stemmen kann. größere Reichweiten bei gleichem Tankvolumen ermög-
licht. Hierzu müssen teilweise noch technische Konzep-
TECHNISCHE HERAUSFORDERUNGEN te und Voraussetzungen geschaffen werden (z.B. ent-
UND LÖSUNGSANSÄTZE sprechende Tankprotokolle). Zudem muss der weitere
Ausbau der Infrastruktur vorangetrieben werden. Auch
Die technologische Reife von Wasserstoff- und Brenn- bei Anwendungen im Power-to-Gas Bereich gibt es noch
stoffzellen-Anwendungen wird unter den Umfrageteil- Herausforderungen, die vor einem Markthochlauf ge-
nehmern mehrheitlich nicht als signifikantes Hemmnis meistert werden müssen, wie beispielsweise die Rege-
wahrgenommen. Viele Endanwendungen sind heute lung des Transports von größeren Mengen Wasserstoff
schon technologisch ausgereift, weitreichend getestet in bestehenden Erdgasleitungen. Wasserstoff kann der-
und bereits über Jahre hinweg im Regelbetrieb im Ein- zeit nur begrenzt in das Erdgasnetz eingespeist werden,
satz. Insbesondere Pkw, Gabelstapler und Mikro-Kraft- da es sich in der chemischen Zusammensetzung von
Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) für Wohnhäuser ge- Erdgas unterscheidet und dadurch Auswirkungen auf
126 | Kapitel 6
2030
2040
2050
Handlungsempfehlungen | 129
Für die Realisierung der im Rahmen dieser Stu- Rolle der Standort Baden-Württemberg zukünftig dabei
die dargestellten wirtschaftlichen und weiteren spielen wird.
Potenziale der Technologie sind unmittelbar
und in den nächsten Jahren zielgerichtete Maßnahmen Nur wenn bereits heute weiter in Forschung und Ent-
aller relevanten Stakeholder notwendig. Hierbei müs- wicklung, Ausbau des Produktportfolios der lokalen
sen die Angebots- wie die Nachfrageseite im Bereich Unternehmen sowie den Ausbau von Produktionskapa
Wasserstoff und Brennstoffzellen so entwickelt werden, zitäten investiert wird, kann die weltweit steigende Nach-
dass mittelfristig ein signifikanter Markt für die Techno- frage nach Wasserstoff und Brennstoffzellen auch aus
logie entstehen und deren Kommerzialisierung erreicht Baden-Württemberg bedient werden. Gleichzeitig wer-
werden kann. Diese Ziele und die im Folgenden be- den dadurch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass
schriebenen Handlungsempfehlungen sollten auch Be- baden-württembergische Unternehmen über die Kom-
rücksichtigung in der angekündigten nationalen Was- petenzen und Kapazitäten verfügen, um am zukünftigen
serstoffstrategie der Bundesregierung finden, um die globalen Markt zu partizipieren und mit der internatio-
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Deutsch- nalen Konkurrenz, die weiter in die Technologie inves-
land auf Bundes- und Länderebene optimal zu fördern. tiert, auf Augenhöhe zu agieren. Der Ausbau der Förde-
rung bestehender Aktivitäten und der weitere Ausbau
Um diese Ziele zu erreichen und wirtschaftliche Poten- der lokalen Kompetenzen im Bereich Wasserstoff und
ziale für Baden-Württemberg zu realisieren, darf mit der Brennstoffzellen sind dabei aus Sicht der Studie wichtig
Umsetzung entsprechender Maßnahmen und weiteren für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Techno
Investitionen in die Technologie nicht gewartet werden logie- und Industriestandorts Baden-Württemberg.
– vielmehr werden die nächsten zwei bis fünf Jahre ent-
scheidend dafür sein, welche Rolle der Standort Baden- Das Beispiel der Batteriefertigung zeigt dabei eindrück-
Württemberg im zukünftig entstehenden Weltmarkt für lich, welche Folgen es hat, wenn Investitionen in inno -
Wasserstoff und Brennstoffzellen spielen wird. Bereits vative Technologien ausbleiben und europäische Unter-
heute besteht eine wachsende Nachfrage nach Produk- nehmen die eigenen vorhandenen Kompetenzen nicht
ten der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie, die weiterentwickeln – internationale Konkurrenten über-
in Europa nicht vollständig durch auf dem Markt verfüg- nehmen den Markt, erreichen einen deutlichen Ent-
bare Produkte gedeckt werden kann (vgl. auch die Er- wicklungsvorsprung und bauen Produktionskapa
gebnisse der Regionen-Initiative der FCH JU: FCH 2 JU, zitäten so auf, dass sie den Weltmarkt dominieren.
2018b). Wie in Kap. 3 beschrieben, wird darüber hinaus Heute wird als Reaktion auf diese Entwicklung versucht,
in den nächsten Jahren bis 2030 ein kontinuierliches den Vorsprung der internationalen Konkurrenz durch
Wachstum des Marktes für Wasserstoff- und Brennstoff- massive Investitionen und politische Interventionen
zellen-Anwendungen erwartet, der für Unternehmen einzuholen – ob diese Bemühungen zum Erfolg führen
zunehmend kommerziell relevant wird. Regierungen, werden, ist derzeit noch völlig offen. Vor diesem Hinter-
Unternehmen und relevante Kunden in den weltweiten grund empfiehlt sich aus unserer Sicht eine aktive Posi-
Leitmärkten sind sich einig, dass diese globale tionierung der Landesregierung und der regionalen
Marktentwicklung in den nächsten Jahren stattfinden Stakeholder zum Thema Wasserstoff und Brennstoffzel-
wird – offen ist dabei aus heutiger Perspektive, welche len, um Baden-Württemberg als führenden Industrie
130 | Kapitel 7
standort in diesem Bereich und wichtigen Motor der Wir sehen dabei für die Landesregierung und die regio-
weiteren Marktentwicklung in Europa und darüber hin- nalen Stakeholder aus Industrie, Forschung und Nutzer-
aus zu positionieren. seite vor allem die folgenden Handlungsbedarfe:
Abbildung 50
Handlungsempfehlungen im Überblick
Die Roadmap sollte die folgenden Elemente enthalten: → Festlegung der hierzu zu leistenden Beiträge aller
→ Klar definierte und mit konkreten Zahlen hinter- wesentlichen Stakeholder-Gruppen (Landes
legte Ziele für Entwicklung des Sektors auf regierung, Unternehmen, Forschung, Städte und
Angebots- und Nachfrageseite (z.B. xx MW instal- Kommunen, Verbände, Projektentwickler,
lierte Elektrolyseur-Kapazität bis 20xx, yy Tank- Energieversorger etc.)
stellen im Betrieb bis 20xx, zz Brennstoffzel- → Eine gemeinsame Erklärung aller beteiligten
len-Fahrzeuge im Einsatz bis 20xx) Stakeholder als gemeinsame Verpflichtung auf
→ Identifikation wesentlicher umzusetzender die Umsetzung der gemeinsam gesetzten Ziele
Schritte und konkreter Maßnahmen, um die und festgelegten Maßnahmen
formulierten Ziele zu erreichen (z.B. Forschungs-
und Entwicklungsmaßnahmen, Förderungs- und Die Roadmap sollte dabei auch in den Blick nehmen,
Finanzierungsmaßnahmen, konkrete Projekt wie der Wasserstoffbedarf in Baden-Württemberg vor
entwicklungen) allem mittel- bis langfristig gedeckt werden kann. Aus
132 | Kapitel 7
Sicht aller lokalen Experten ist das lokale Produktions- Automobilwirtschaft können hierfür als Grundlage die-
potenzial begrenzt und es wird absehbar Wasserstoff in nen. Ein weiteres Beispiel ist die im Jahr 2013 aufgesetzte
signifikanten Mengen importiert werden müssen. Hier- Smart-Grids-Plattform Baden-Württemberg, auf deren
für sind zum einen infrastrukturelle Voraussetzungen Basis im Anschluss an den Dialogprozess ein eigenstän-
zu schaffen, zum anderen sind möglicherweise "Energie diger Verein entstand.
partnerschaften" o.Ä. mit Regionen zu entwickeln, in
denen "grüner" Wasserstoff in großen Mengen und kosten- Zur grundsätzlichen Strukturierung der Roadmap
günstig hergestellt und von dort importiert werden kann. könnte beispielsweise ein vergleichbarer Ansatz gewählt
werden, wie ihn e-mobil BW in Bezug auf den Ausbau
Die Erarbeitung der lokalen Roadmap sollte in einem der Wasserstoff-Infrastruktur in Baden-Württemberg
intensiven Dialogprozess unter aktiver Beteiligung aller 2013 skizziert hat, unter Erweiterung der Roadmap um
relevanten lokalen Stakeholder in mehreren übergrei- die weiteren relevanten Bereiche sowie eine angepasste
fenden Konferenzen und durch Arbeitsgruppen zu ver- Zeitplanung:
schiedenen Themenbereichen erfolgen. Die gemeinsam
erarbeiteten Ziele, Maßnahmen und Beiträge der einzel- Phase 1 – Demonstrationsphase (parallel zu den ande-
nen Stakeholder sollten in einem gemeinsamen "Me- ren Phasen nur dort, wo in ausgewählten Bereichen
morandum of Understanding" bzw. "Letter of Intent" noch notwendig, z.B. Fähren oder Spezialfahrzeuge)
festgehalten und von allen beteiligten Stakeholdern un- Phase 2 – Marktvorbereitungsphase (ab 2020)
terschrieben werden, um ihnen Verbindlichkeit zu ver- Phase 3 – Markthochlauf (ab 2025)
leihen. An der Entwicklung der Roadmap sollten alle
wesentlichen Stakeholder (Landesregierung, Unterneh- Alle Phasen sollten mit konkreten Zielen und Projekten
men, Verbände, Energieversorger, Kommunen und wei- zur Realisierung, dafür notwendigen Maßnahmen und
tere relevante öffentliche Stellen, wie z.B. ÖPNV-Betrei- Stakeholder-Beiträgen hinterlegt sein, die einerseits
ber) beteiligt werden. Der Erfolg des Dialogprozesses ambitioniert, andererseits aber auch erreichbar sind.
hängt dabei wesentlich von der aktiven Beteiligung der Dabei ist unter anderem zu prüfen, ob das in der Vergan-
wesentlichen Stakeholder, vor allem auf Unterneh- genheit formulierte Ziel einer Anzahl von 100.000 bis
mensseite, und vom gemeinsamen Willen aller Beteilig- 175.000 Pkw und leichten Nutzfahrzeugen im Betrieb in
ten zur Festlegung einer gemeinsamen Roadmap für Baden-Württemberg bis 2030 im Licht der aktuellen
Baden-Württemberg ab. Marktentwicklung noch aufrechterhalten werden kann;
dies scheint aus aktueller Perspektive nicht mehr realis-
Der Dialogprozess sollte zentral mit klarer Verantwort- tisch.
lichkeit koordiniert und vorangetrieben werden. Zudem
sollte von Beginn an ein klarer Arbeitsplan mit kon
kreten terminlichen Zielen definiert werden, um den
Dialogprozess stringent durchführen und innerhalb
von ca. sechs Monaten zu einem konkreten Ergebnis
bringen zu können. Das Cluster Brennstoffzelle bei
e-mobil Baden-Württemberg und der Strategiedialog
Handlungsempfehlungen | 133
2. STÄRKUNG DER WETTBEWERBSFÄHIGKEIT erscheint vor dem Hintergrund bereits etablierter Un-
LOKALER "H2-CHAMPIONS" ternehmen aus anderen Bundesländern in diesen Seg-
menten nicht zielführend.
Ergänzend zur Formulierung einer H2-Roadmap für das
Land zur Unterstützung der lokalen Marktentwicklung Im Einzelnen ergeben sich aus Sicht der Studie die fol-
sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die heute be- genden Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbs
reits stark positionierte baden-württembergische Was- fähigkeit baden-württembergischer Unternehmen:
serstoff- und Brennstoffzellen-Industrie wettbewerbs → Förderung anwendungsbezogener Kooperations-
fähig für die Zukunft aufzustellen und bestmöglich bei forschung zwischen regionalen Forschungsinsti-
der Realisierung zukünftiger globaler Marktpotenziale tutionen und Industrie bzw. mehreren Unterneh-
zu unterstützen. Insbesondere sollten dabei die Er- men zur Erreichung kommerzieller Produktreife
schließung und der Ausbau internationaler Märkte ge- und Schaffung von Voraussetzungen für die
fördert werden, was zudem bestehende Abhängigkeiten zukünftige Serienproduktion, wie aktuell bspw.
der baden-württembergischen Zulieferindustrie von lo - im Projekt HyFab geplant
kalen OEMs reduzieren wird. Die Maßnahmen sollten → Förderung des Ausbaus von Prüfstand- und
sich dabei darauf konzentrieren, bestehende Stärken Testkapazitäten an Forschungsinstitutionen zur
weiter auszubauen und gezielt zu fördern und Schwä- Nutzung durch lokale Unternehmen, um erwarte-
chen bzw. Bereiche, in denen die lokale Industrie bis- ten Engpässen in diesem Bereich in der kritischen
lang nicht so stark positioniert ist, durch gezielte Phase der Marktvorbereitung entgegenzuwirken,
Kooperationen (bspw. mit anderen Bundesländern wie z.B. im Rahmen des Projekts HyFab
Bayern) auszugleichen und dieses gebündelte Know- → Förderung des Wissens- und Technologie-Know-
how auf dem Weltmarkt als integrierte Wertschöpfungs- how-Transfers aus bestehenden Projekten, von
kette zu vermarkten. Forschungseinrichtungen und im Sektor bereits
erfahrenen Unternehmen hin zu weiteren, bislang
Aufgrund der bestehenden Wirtschaftsstruktur und der noch nicht im Sektor aktiven Unternehmen, für
vorhandenen Schwerpunktaktivitäten der Unterneh- die hier aber erhebliche zukünftige Potenziale
men empfiehlt sich für Baden-Württemberg eine Kon- bestehen (z.B. im Maschinenbau, in weiteren
zentration auf Mobilitätsanwendungen über die gesam- Unternehmen der automobilen Zulieferindustrie
te Wertschöpfungskette hinweg sowie die Nutzung etc.). Insbesondere die im Rahmen des Projekts
vorhandener Kompetenzen im Mobilitätssegment für HyFab zukünftig gesammelten Erfahrungen zur
die Ausweitung des Angebotsportfolios für weitere Serienfertigung von Brennstoffzellen-Systemen
H2-Anwendungsbereiche, vor allem im Bereich der sollten interessierten Unternehmen zugänglich
Komponenten- und Teilsystemherstellung. Die Förde- und diese damit für die Zukunft wettbewerbsfähig
rung des Aufbaus von Kompetenzen in bislang nicht aufgestellt werden.
repräsentierten Marktsegmenten mit Mitteln der Lan- → Förderung oder vorteilhafte Finanzierungsunter-
desregierung (wie dies bspw. derzeit auf nationaler stützung für Unternehmensinvestitionen in den
Ebene im Bereich der Batteriefertigung geplant ist; hier Auf- und Ausbau von Kompetenzen und Kapazi
vor allem bzgl. des Baus von H2-Produktionsanlagen) täten im Bereich Wasserstoff und Brennstoffellen.
134 | Kapitel 7
Dafür Schaffung eines engen Austauschs zwischen 3. FÖRDERUNG VON LOKALEN "H2-PROJEKTEN
Unternehmen, möglichen Finanzierern (wie ALS SCHAUFENSTER FÜR DIE WELT"
Haus- oder Landesbanken) und dem Land
Baden-Württemberg zur Unterstützung und Für die Erreichung der Ziele einer zu definierenden
Informationsweitergabe H2-Roadmap sollte die Umsetzung entsprechender kon-
→ Etablierung eines gemeinsamen Vermarktungs kreter Implementierungsprojekte gefördert werden.
ansatzes und Außenauftritts der baden-württem- Hierbei sollten bereits heute marktreife Wasserstoff-
bergischen Wasserstoff- und Brennstoffzellen- Anwendungen in größeren Volumina im Dauerbetrieb
Industrie mit Fokus auf den Bereich (als wirklicher Ersatz bisher genutzter konventioneller
Mobilitätsanwendungen im Sinne der Präsen Technologien) zum Einsatz gebracht werden, z.B. Pkws,
tation und Vermarktung einer integrierten Busse, Züge oder Anlagen zur stationären Energie
Wertschöpfungskette (vergleichbar mit den erzeugung. Hierzu sind nicht nur Finanzierungsmittel
Aktivitäten der Landesagentur Umwelttechnik BW in entsprechendem Umfang, sondern teilweise auch
und des Portals für Umwelttechnik und eine Anpassung von Förderrichtlinien hin zur Unter-
Ressourcenffizienz Baden-Württemberg) stützung der Marktaktivierung und Kommerziali
→ Schaffung von weiteren Unterstützungsangeboten sierung notwendig.
für Unternehmen, z.B. Beratungsangebote für
den generellen Markteintritt bzw. den Eintritt in Auf europäischer (durch den FCH JU Call zu "Hydrogen
spezifische Einzelmärkte weltweit, Beratungsan Valleys") sowie nationaler Ebene (durch die NOW-Förde-
gebote für die Projektrealisierung zum Einsatz rung "HyLand – Wasserstoffregionen in Deutschland")
von Wasserstoff-Anwendungen (z.B. in Fahrzeug- kommen derzeit verstärkt Ansätze zum Einsatz, die den
flotten) sowie Weiterbildungs- und Qualifizie- Aufbau lokaler Wasserstoff-Ökosysteme als Nukleus
rungsangeboten für Mitarbeiter einer zukünftigen Wasserstoffwirtschaft etablieren wol-
len. Innerhalb solcher Ansätze soll die gesamte H2-Wert-
Die Umsetzung der hier genannten Maßnahmen sollte schöpfungskette abgebildet und verschiedene
koordiniert durch eine zentrale Stelle erfolgen, etwa Wasserstoff-Anwendungen in größerem Umfang zum
durch die Schaffung eines "Kompetenzzentrums H2 Einsatz gebracht werden. Auch verschiedene baden-
Baden-Württemberg", das als Anlaufstelle für Unterneh- württembergische Akteure und Regionen beschäftigen
men dienen und Förder- und Unterstützungsangebote sich derzeit mit der Entwicklung und Umsetzung sol-
konzipieren und anbieten sollte. cher Konzepte.
Schaufenster für lokale Produkte und technologisches zielte Investitionen der öffentlichen Hand in den nächs-
Know-how dienen und damit einen Beitrag zur Positio- ten Jahren das Marktwachstum unterstützt werden kann.
nierung baden-württembergischer Unternehmen auf
dem Weltmarkt leisten. ROLLE DER LOKALEN STAKEHOLDER
Dabei empfiehlt sich ein Ansatz, bei dem in einer H2-Re- Wie bereits dargestellt, sind für die Umsetzung der ge-
gion große Ankerprojekte (bei denen per se große Men- nannten Maßnahmen in allen erwähnten Handlungs-
gen Wasserstoff umgesetzt werden, z.B. eine Kombina- feldern die Beiträge aller relevanten Stakeholder in Ba-
tion aus Nutzung von Wasserstoff als Industrierohstoff den-Württemberg notwendig. Nur wenn alle Beteiligten
sowie Einsatz von Wasserstoff für den Betrieb von Zü- bereit sind, langfristig in die Entwicklung der Wasser-
gen oder Busflotten) als Ausgangspunkt dienen, um stoff- und Brennstoffzellen-Industrie in Baden-Württem
dann weitere Anwendungsprojekte vor Ort zu realisie- berg zu investieren, können wirtschaftliche Potenziale
ren. Durch ein solches lokales Wasserstoff-Ökosystem gehoben und ein Beitrag zur zukünftigen Wettbewerbs-
können Synergieeffekte genutzt und z.B. Business Cases fähigkeit des Standorts geleistet werden. Für die zentra-
für Produktions- und Tankstellenanlagen verbessert len Stakeholder-Gruppen ergeben sich dabei vor allem
werden. Insbesondere werden dabei auch der Reifegrad die folgenden Handlungsbedarfe:
und die Anwendbarkeit der Technologie demonstriert, → Politik und Landesregierung: Erklärtes Ziel der
was für eine steigende Sichtbarkeit und Akzeptanz in Landesregierung muss es sein, die notwendigen
der Bevölkerung von enormer Bedeutung ist. Durch den Rahmenbedingungen zu schaffen, um Baden-
aktuellen Fokus der baden-württembergischen Wasser- Württemberg zukünftig als einen der führenden
stoff- und Brennstoffzellen-Industrie empfehlen sich Standorte der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
vor allem Projekte im Mobilitätsbereich für die Realisie- Industrie zu erhalten. Hierfür ist der Einsatz der
rung von "H2-Regionen" (z.B. Züge, Busse, leichte und Landesregierung vor allem für einen förderlichen
schwere Nutzfahrzeuge, Pkw sowie die hierzu benötigte regulatorischen Rahmen, insbesondere über eine
Infrastruktur). Daneben kann die Nutzung von "grü- angemessene CO2-Bepreisung für fossile Energie-
nem" Wasserstoff in der Industrie oder die dezentrale träger, Förderprogramme und Finanzierungsmaß-
Energieerzeugung mit Brennstoffzellen in Baden-Würt- nahmen, die Koordinierung des vorgeschlagenen
temberg zur Anwendung kommen. Beispiele solcher Dialogprozesses sowie für die Unterstützung bei
ambitionierten Projektideen, die für eine signifikante der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen
Ausweitung der Förderung der Marktentwicklung ste- zur Unterstützung der lokalen Unternehmen
hen und als Orientierung dienen können, wurden bei- erforderlich.
spielsweise im Rahmen der europäischen Initiative → Unternehmen: Die baden-württembergischen
"Hydrogen4Climate" formuliert bzw. werden bereits im Unternehmen müssen weiter und in verstärktem
Rahmen der nationalen Initiative HyLand gefördert. Maße in ihre Aktivitäten im Bereich Wasserstoff
und Brennstoffzellen investieren, ihr Produktport-
Gleichzeitig stellen der ÖPNV (auf Straße und Schiene) folio weiterentwickeln und ausbauen, ausreichen-
sowie die Umstellung des Landesfuhrparks auf alterna- de Produktionskapazitäten aufbauen und damit
tive Antriebe wichtige Bereiche dar, in denen durch ge- ihren Beitrag zur Kommerzialisierung der Techno-
136 | Kapitel 7
logie leisten. Für den Industriestandort insgesamt Aufbauend auf seiner breit aufgestellten Forschungs-
wird dabei vor allem die zukünftige Positionie- und Unternehmenslandschaft, den über Jahre hinweg
rung der ansässigen OEMs entscheidend sein, die aufgebauten Technologiekompetenzen sowie seiner
eng mit der lokalen Zulieferindustrie verbunden Innovationsfähigkeit, ist der Standort Baden-Württem-
sind – eine klare Positionierung der OEMs für berg heute gut positioniert, um vom zukünftig ent
die Technologie und Forcierung ihrer Aktivitäten stehenden globalen Markt für Wasserstoff und Brenn-
in dem Bereich würde die Positionierung des stoffzellen nachhaltig zu profitieren – seine zukünftige
Standorts Baden-Württemberg im Bereich Wasser- Rolle in diesem Markt und die Erschließung vorhan
stoff und Brennstoffzellen entscheidend stärken. dener Potenziale hängt nun von der Bereitschaft der
→ Städte und Kommunen/ÖPNV-Betreiber/Projekt- lokalen Stakeholder ab, weiter in die Technologie zu
entwickler/Privatkunden: Die Investitionsbereit- investieren und Baden-Württemberg auch zukünftig im
schaft der lokalen Unternehmen kann nur dann globalen Wettbewerb als einen führenden Standort der
gestärkt werden, wenn eine nachhaltige Nachfrage Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie zu etablieren.
am Markt besteht. Potenzielle Kunden der Wasser-
stoff- und Brennstoffzellen-Industrie müssen
daher ebenfalls ihrerseits bereit sein, schon heute
in die Technologie zu investieren und Produkte zu
kaufen, auch wenn aktuell die Technologiekosten
noch hoch sind und der Einsatz der Technologie
bzw. die Entwicklung entsprechender Projekte
noch komplex zu sein scheint. Insbesondere für
die Realisierung lokaler H2-Regionen ist das
Engagement lokaler Abnehmer und Projektent-
wickler notwendig, um solche komplexen Projekte
inkl. der hierfür notwendigen Finanzierung
realisieren zu können.
→ Forschung: Die im Land ansässigen Forschungsin-
stitutionen müssen weiter zielgerichtet zur Ent-
wicklung des Sektors beitragen. Sie sollten dabei
ihre Aktivitäten auf die Erreichung der Serien- und
Marktreife von Wasserstoff- und Brennstoffzellen-
komponenten und -anwendungen legen und Ge-
meinschaftsforschungsprojekte mit der Industrie
forcieren. Eine enge Abstimmung und Koordinie-
rung von Forschungsaktivitäten im Bereich sollte
angestrebt werden.
Abbildungsverzeichnis | 137
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 13: Kostenvergleich für verschiedene Abbildung 27: Überblick über aktuelle Aktivitäten im Bereich
KWK-Anwendungen 39 Wasserstoff und Brennstoffzellen in
Baden-Württemberg 70
Abbildung 14: Politisches Engagement zur Unterstützung des
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Marktes Abbildung 28: Auswahl international führender Unternehmen
nach Anwendungen 46 mit Sitz oder Standort in Baden-Württemberg,
die im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen
Abbildung 15: Prognostizierte Entwicklung der tätig sind 75
globalen Wasserstoffnachfrage 49
Abbildung 29: Übersicht über die im Bereich Wasserstoff
Abbildung 16: Prognostizierte globale Wasserstoff- und Brennstoffzellen tätigen Unternehmen
marktentwicklung in den Bereichen Umsatz mit Standorten in Baden-Württemberg 76
und Investitionen 50
138 | Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 30: Abdeckung verschiedener Stufen der Abbildung 44: Umsätze entlang der Wertschöpfungskette und
Wertschöpfungskette für Wasserstoff und nach Sektoren in der Wasserstoff-Wirtschaft in
Brennstoffzellen durch Unternehmen in Europa 2030 110
Baden-Württemberg 78
Abbildung 45: Systematik der Zuordnung der
Abbildung 31: Entwicklungsstadium der Produkte und Aktivitäten Wirtschaftszweige 111
der Unternehmen im Wasserstoff- und
Abbildung 46: Prognose des Umsatzpotenzials für die EU,
Brennstoffzellen-Bereich 83
Deutschland und Baden-Württemberg im
Abbildung 32: Überblick über universitäre und außeruniversitäre Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Sektor
Forschungsinstitutionen, die in Baden-Württemberg in 2030 113
im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen
Abbildung 47: Prognose der Bruttowertschöpfung und Arbeits-
aktiv sind 85
plätze in Baden-Württemberg im Wasserstoff-
Abbildung 33: Überblick über Gesamtumsatz und Brennstoffzellen-Sektor 2030 114
der Unternehmen sowie im Wasserstoff-
Abbildung 48: Arbeitsplätze in Baden-Württemberg
und Brennstoffzellen-Bereich 86
nach Wirtschaftszweigen und Prognose
Abbildung 34: Anzahl verkaufter Brennstoffzellen-Pkw der Arbeitsplätze im Wasserstoff- und
seit Produktionsstart je OEM 91 Brennstoffzellen-Sektor 2030 116
Abbildung 35: Schätzung Marktanteile der bis heute verkauften Abbildung 49: Herausforderungen hinsichtlich des Einsatzes
Brennstoffzellen-Pkw 92 und der Entwicklung von Wasserstoff- und
Brennstoffzellen-Anwendungen 121
Abbildung 36: Zukünftige Produkteinführungen von
Brennstoffzellen-Pkw von OEMs weltweit 93 Abbildung 50: Handlungsempfehlungen im Überblick 131
Abbildung 37: Patentanmeldungen von Unternehmen der Abbildung 51: Überblick über Anzahl und organisatorische
Automobilindustrie im Bereich Brennstoffzelle 94 Zuordnung der Teilnehmer der Online-Umfrage
sowie die Relevanz des baden-württembergischen
Abbildung 38: Anzahl verkaufter Brennstoffzellen-Busse
Marktes für die teilnehmenden Unternehmen 142
seit Produktionsstart je OEM 96
Abbildung 52: Überblick über Aktivitäten der Unternehmen,
Abbildung 39: Schätzung Marktanteile
die an der Online-Umfrage teilgenommen haben,
Brennstoffzellenbusse-Hersteller 97
im Bereich Wasserstoff und Brennstoffzellen 143
Abbildung 40: Zukünftige Produkteinführungen von
Abbildung 53: Überblick über die Aktivitäten und Forschungsziele
Brennstoffzellen-Bussen von OEMs weltweit 98
der Forschungsinstitutionen, die an der
Abbildung 41: Zukünftige Produkteinführungen von Online-Umfrage teilgenommen haben 144
Brennstoffzellen-Lkw von OEMs weltweit 99
Abbildung 42: Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit der
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie
Baden-Württembergs im internationalen
Vergleich 103
Abbildung 43: Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit der
Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Produkte
und der Innovationskapazität der Unternehmen
im Vergleich zu den Marktführern und weiteren
Wettbewerbern 104
Abkürzungsverzeichnis | 139
Abkürzungsverzeichnis
DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt NIP Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff-
und Brennstoffzellentechnologie
EE Elektrische Energie
OEM Original Equipment Manufacturer
EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz
Opex Operational Expenditures
EU-EHS EU-Emissionshandelssystem
PEM Proton Exchange Membrane
EV Electric Vehicle
PtG Power-to-Gas
FCEV Fuel Cell Electric Vehicle
(Brennstoffzellen-Fahrzeug) SMR Steam Methane Reforming (Dampfreformierung)
FCH JU Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking zGG Zulässiges Gesamtgewicht
FED Forschung, Entwicklung und Demonstration ZSW Zentrum für Sonnenenergie- und
F&E Forschung und Entwicklung Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg
140 | Anhang
Glossar
BEGRIFF ERLÄUTERUNG
"Blauer" Wasserstoff Aus fossilen Brennstoffen gewonnener Wasserstoff, bei dem bei der Herstellung entstehendes
Kohlenstoffdioxid mittels Carbon Capture and Storage (CSS) abgeschieden und unterirdisch
gespeichert wird,sodass es nicht in die Atmosphäre gelangt
"Brauner" Wasserstoff Aus Braunkohle gewonnener Wasserstoff, bei dessen Herstellung Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird
Capital Expenditures (Capex) Investitionsausgaben für längerfristige Anlagegüter (z.B. für Maschinen und Gebäude)
Carbon Capture and Storage (CSS) Verfahren zur Abscheidung von Kohlenstoffdioxid aus Verbrennungsprozessen in Kraftwerken bzw.
Industrieanlagen sowie zur nachfolgenden unterirdischen Speicherung des Kohlenstoffdioxids in
geologischen Formationen
Dampfreformierung Großindustrielles Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff aus kohlenstoffhaltigen Energieträgern
(insb. Erdgas); derzeit wird Wasserstoff überwiegend durch Dampfreformierung gewonnen
Elektrolyse Aufspaltung einer chemischen Verbindung mithilfe von Strom. Die Wasserelektrolyse, bei der Wasser in
Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird, dient zur Gewinnung von Wasserstoff. Zur Herstellung von
Wasserstoff existieren derzeit drei Varianten des Elektrolyseverfahrens, deren Unterschied in der Wahl
des Elektrolyten liegt: die alkalische Elektrolyse, die Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse (PEM)
und die Hochtemperaturelektrolyse
"Grauer" Wasserstoff Aus Erdgas gewonnener Wasserstoff, bei dessen Herstellung Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird
"Grüner" Wasserstoff Aus erneuerbaren, grünen Energieträgern (mittels Elektrolyse aus grünem Strom oder Biomasse)
gewonnener Wasserstoff, bei dessen Herstellung kein Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Gleichzeitige Umwandlung von Energie in Strom und nutzbare Wärme in einem thermodynamischen
Prozess. Bei der Erzeugung des Stroms entsteht Wärme, die für Heizzwecke oder Produktionsprozesse
genutzt werden kann
Operational Expenditures (Opex) Betriebsausgaben, d.h. laufende Ausgaben, die für einen funktionierenden operativen Geschäftsbetrieb
notwendig sind (z.B. Ausgaben für Rohstoffe und Personal)
Power-to-Gas Nutzung von Strom (hauptsächlich aus erneuerbaren Energien) zur Herstellung von Gasen,
insbesondere von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse. Der so produzierte Wasserstoff kann
anschließend methanisiert, d.h. zu synthetischem Methan weiterverarbeitet werden, das
z.B. als Ersatz für natürliches Methan genutzt werden kann
Power-to-X Umwandlung von Stromüberschüssen bei der Stromerzeugung durch regenerative Quellen in andere,
speicherbare Energieformen. Power-to-X-Technologien tragen dazu bei, dass Strom aus erneuerbaren
Energien sektorübergreifend nutzbar gemacht werden kann
Glossar | 141
BEGRIFF ERLÄUTERUNG
"Schwarzer" Wasserstoff Aus Kohle gewonnener Wasserstoff, bei dessen Herstellung Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird
Sektorkopplung Verknüpfung verschiedener Sektoren (Stromerzeugung, Industrie, Mobilität und Verkehr sowie
Gebäudewärme und -strom) mit dem Ziel, den Energieverbrauch zu senken und durch eine
sektorübergreifende Nutzbarmachung von erneuerbaren Energien die Dekarbonisierung
des Energiesystems voranzutreiben. Eine wichtige Rolle für die Sektorkopplung spielen
Power-to-X-Technologien, mit deren Hilfe Strom aus erneuerbaren Energien gespeichert und
somit in anderen Sektoren nutzbar gemacht werden kann
"Türkiser" Wasserstoff Unter Nutzung von Biomasse bzw. Biogas mittels Pyrolyse hergestellter Wasserstoff,
bei dessen Herstellung kein bzw. nur sehr wenig Kohlenstoffdioxid freigesetzt wird
142 | Anhang
Abbildung 51
Überblick über Anzahl und organisatorische Zuordnung der Teilnehmer der Online-Umfrage sowie die Relevanz
des baden-württembergischen Marktes für die teilnehmenden Unternehmen [# Teilnehmer, % der Unternehmen]
1
25 Teilnehmer beantworteten die Umfrage vollständig, 29 teilweise.
2
Darunter ein Verein, zwei Wirtschaftsförderungsunternehmen, eine Stadtverwaltung, ein Messeveranstalter sowie eine Landesagentur.
Quelle: Roland Berger
Überblick über Teilnehmer Online-Umfrage | 143
Abbildung 52
Überblick über Aktivitäten der Unternehmen, die an der Online-Umfrage teilgenommen haben, im Bereich
Wasserstoff und Brennstoffzellen [% der Unternehmen, # Unternehmen]
Anlagenbauer/ 1 - 6 37%
22% Betreiber von H2/BZ-Anwendungen
Integrator
Komponenten- 4 5 10 79%
12% Herstellung von Wasserstoff
hersteller2
7% Interessenvertretung/Lobbying
10% Sonstige1
Abbildung 53
Überblick über die Aktivitäten und Forschungsziele der Forschungsinstitutionen,
die an der Online-Umfrage teilgenommen haben [% der Forschungsinstitutionen]
Forschungsaktivitäten Forschungsziele
FRAGE: "An welchen Stufen der Wert- FRAGE: "Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Forschung?" (n = 5)
schöpfungskette forscht Ihre Institution?"
(n = 5)
80% Grundlagenforschung 20%
Lehrauftrag 60%
Sonstige1 20%
Überblick Experteninterviews
EvoBus GmbH
MAHLE GmbH
MANN+HUMMEL GmbH
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