20.11.2010 – 28.03.

2011

Nan Goldin
Berlin work
Fotografien 1984 – 2009
NAN GOLDIN – BERLIN WORK
Nan Goldin (*1953 in Washington, D.C.) begann
im Teenageralter zu fotografieren. Sie verließ ihr
Elternhaus im Alter von 14 Jahren und wechselte
an die alternative Satya Community School, wo sie
eine Obsession entwickelte, ihr Leben in Bildern
festzuhalten. Goldins Motive sind damals wie heute
Darstellungen ihres unmittelbaren Lebensumfelds –  drucks schuf.
ihrer Partnerschaften und ihres Freundeskreises, den
sie stets als ihre „Familie“ deklariert. In Boston, wo
sie ab 1972 das Nachtleben der Drag Queens in der
Bar „The Other Side“ dokumentierte und begleite-
te, begann sie 1974 ein Fotografiestudium und zog
1978 nach New York, wo sie sich vornehmlich der
Darstellung des Alltags ihrer Freunde widmete,
einem Bohèmekreis aus Filmemachern, Künstlern
und Musikern. Der internationale Erfolg ihres ersten
großen Werkes, der Diashow „The Ballad of Sexual
Dependency“, begründete nicht nur ein weltweites
Interesse an ihrer Arbeit, sondern auch zu einem
wesentlichen Teil ihren heutigen Status innerhalb
der Fotografiegeschichte: Mit der Präsentation der
Bilder als narrative Diasequenz rückte Nan Goldin die
Fotografie einerseits in den Bereich des Filmischen,
während sie andererseits durch die Konzentration
auf zutiefst persönliche Ausschnitte aus ihrem Leben
eine vollkommen neuartige Form subjektiven Aus-
Die Ausstellung Nan Goldin – Berlin Work zeigt erst-
mals umfassend bekannte und bisher unveröffent-
lichte Arbeiten, die seit den 1980er Jahren während
der zahlreichen Aufenthalte der amerikanischen
Künstlerin in Berlin entstanden sind.
Nan Goldin (*1953 in Washington, D.C.) began taking cinema and creating an entirely new form of subjec-
photographs as a teenager. She left home when she tive expression by concentrating on deeply personal
was 14 and was soon attending the alternative Satya extracts from her own life.
Community School, where she became obsessed
The exhibition Nan Goldin – Berlin Work is the first
with preserving her life in pictures. Goldin’s themes,
opportunity to see a large number of well-known, but
then as now, are drawn from her immediate envi-
also previously unpublished works by this American
ronment – her relationships and the circle of friends
artist, produced since the 1980s during her numerous
she has always called her “family”. In Boston, she
visits to Berlin.
observed and recorded the night life of drag queens
in the bar “The Other Side” from 1972, later – in 1974 –
enrolling to study Photography. In 1978 she moved to
New York, devoting herself primarily to depicting the
day-to-day lives of her friends in a bohemian milieu
of film-makers, artists and musicians. Her first major Ausstellung mit freundlicher Unterstützung von: 
slide show, “The Ballad of Sexual Dependency”, was Exhibition supported by:
a great success, sparking worldwide interest in her
work and largely establishing her continuing place in
the history of photography. By presenting her images
as a narrative sequence of slides, Nan Goldin was
both exploring an affinity between photography and
PortrÄts
Angesichts der Bedingungslosigkeit, mit der Nan
Goldin von menschlichen Kontakten lebt, ist sie gera-
dezu prädestiniert für die Arbeit als Porträtfotografin.
In ihren Bildnissen zeigt sie die ungezwungenen
Momente im Alltagsleben sowie die Gefühlszustände
ihrer Freunde und legt durch die Titel ihre intimen und
vertrauten Beziehungen zu den Dargestellten offen.
Auch formal betrachtet nehmen diese Aufnahmen
einen besonderen Platz im künstlerischen Werk ein.
Sie strahlen – bedingt durch die Konzentration auf
ein Individuum – eine formale Ruhe aus, die einen
persönlichen Blick auf die Protagonisten erlaubt.
Goldins Berliner Freundeskreis bildete sich während
ihrer ersten Besuche seit 1982 aus den Bekannt-
schaften mit den Mitgliedern der Band „Die Tödliche
Doris“ sowie Alf Bold und erweiterte sich insbeson-
dere 1991 während ihres DAAD-Stipendiums. Auf
Einladung von Bold zeigte sie 1984 „The Ballad of
Sexual Dependency“ im Kino Arsenal.
Portraits
As Nan Goldin lives so unconditionally from human
contact, she seems ideally placed to work as a por-
trait photographer. Her portraits show spontaneous
moments of everyday life and the emotional moods
of friends, and their titles reveal her intimate, familiar
relationships with those she portrays. In formal terms
too, these pictures occupy a special place in her arti-
stic output, for they emanate a formal composure – 
a result of concentrating on an individual – which
permits a personal view of the protagonist.
Goldin’s circle of friends in Berlin has evolved since
her earliest visits from 1982 onwards, when she met
the band “Die Tödliche Doris” and also Alf Bold, who
invited her to show “The Ballad of Sexual Dependen-
cy” in the Arsenal Cinema in 1984. The circle grew
particularly in 1991, while she stayed in the city on a
DAAD bursary.
SELBSTPortrÄts
Nan Goldin hat sich selbst immer wieder zum Gegen-
stand ihrer Fotografie gemacht. Ihre Selbstporträts
entstehen, wie für künstlerische Selbstbildnisse cha-
rakteristisch, meist in solchen Konfliktsituationen,
in denen das Leben entweder eine Wendung nimmt
oder einen Tiefpunkt erreicht. Ob sie der Kamera ihr
durch Schläge zugerichtetes Gesicht präsentiert oder
sich nach ihrer Ankunft in Berlin kritisch im Bade-
zimmerspiegel betrachtet – oftmals greifen die Bilder
augenscheinlich auf tradierte Typen der Selbstcha-
rakteristik zurück, wie denjenigen der exemplarisch
Leidenden oder den der nachdenklich-introspektiven
Künstlerin. Bei näherem Hinsehen jedoch widersetzt
sich Goldin jeglicher Typisierung: Sie inszeniert sich
weder als Opfer noch als unsicherer Neuankömm-
ling. Vielmehr verkörpert sie ein unerschütterliches
Selbstbewusstsein, das sie durch einen festen Blick
in die Kamera und durch den frisch aufgetragenen,
roten Lippenstift untermauert.
SELF-Portraits
Nan Goldin has always been a subject of her own
photography. Like so many artistic self-portraits, hers
are usually created in situations of conflict when life
has either undergone a sudden twist or reached a
low point. Whether she turns her bruised face to the
camera or, after arriving in Berlin, watches herself
critically in the bathroom mirror, these images often
appear to be drawing on traditional typologies of
self-characterisation, be it exemplary suffering or the
contemplative, introspective artist. But on closer exa-
mination, Goldin resists any such typology: she does
not set herself up either as a victim or as an anxious
newcomer. Rather, she personifies an unwavering
assertiveness, underscored by the firm gaze into the
camera and the fresh red lipstick.
INTERIEURS
Unbewohnte oder unbenutzt wirkende Räume
erscheinen in Nan Goldins Œuvre auf den ersten
Blick wie Fremdkörper. Tatsächlich aber passt bei
näherem Hinsehen der billige und kitschige Pomp der
menschenleeren Interieurs mit ihren Samtvorhängen,
Kunstblumen oder gold gefassten Putten in Zimme-
recken zu der ausgeprägten Affinität der Künstlerin
für Glamour und Extravaganz ein, welche auch in
zahlreichen Details der Porträts oder Momentaufnah-
men zum Tragen kommen. Für Nan Goldin bringen
diese Räumlichkeiten, die bereits in „The Ballad
of Sexual Depedency“ als Metaphern emotionalen
Versagens integriert waren, existentielle Gefühle wie
Verlust, Sehnsucht und Einsamkeit zum Ausdruck.
INTERIORS
Apparently unoccupied or unused rooms seem at first
glance to be foreign bodies in Nan Goldin’s œuvre.
On closer scrutiny, however, the cheap, kitschy
pomp of these abandoned interiors, with their satin
curtains, plastic flowers and gilt cherubs in corners,
fit well with the artist’s distinct fondness for glamour
and flamboyance, displayed in so many details in
the portraits and snapshots. For Nan Goldin, these
spaces, already integrated in “The Ballad of Sexual
Dependency” as metaphors of emotional failure,
echo existential feelings such as loss, yearning and
loneliness.
Akte
Goldins Aktaufnahmen bedienen nicht die klassische
Vorstellung einer Aktfotografie, entstehen sie doch
nicht aus dem Interesse heraus, einen nackten Kör-
per mittels einer choreografierten Pose in Szene zu
setzen. Vielmehr sind sie Bilder von Menschen, deren
Nacktheit der Situation geschuldet ist: weil sie gera-
de baden oder beim bzw. nach dem Sex fotografiert
werden. Das Motiv des weiblichen Körpers am oder
im Wasser hingegen taucht in dieser Kombination
vermehrt auf – entweder metaphorisch auf rituelle
Prozesse wie Reinigung oder Geburt verweisend oder
als sinnliche Komposition, die sich aus dem Zusam-
menspiel von Licht und (weiblicher) Körperlichkeit
ergibt. Der Akt als enthüllendes Bild des Porträtierten
kann darüber hinaus als Schlüssel zum Verständnis
des künstlerischen Anliegens Goldins betrachtet wer-
den: die Fotografie als das Medium einzusetzen, das
die tiefen und wahren Gefühle der Bildprotagonisten
offenzulegen vermag.
nudes
Goldin’s nudes do not draw on classical views of nude
photography, for they are not prompted by a desire to
highlight a naked body with the help of a choreograp-
hed pose. Rather, these are pictures of people whose
nakedness is contextual, because they are taking a
bath or have just had sex. In this combination, on the
other hand, the frequent theme of the female body
by or in water is either a metaphorical reference to
ritual processes such as cleansing or birth or else a
sensual composition, derived from the interplay of
light and the (female) body. The nude as a revealing
image of the subject can also be seen as a key to
Goldin’s artistic intentions: the use of photography
as a medium to uncover the deep, true feelings of the
person portrayed.
momente
„My work does come from the snapshot“, erklär-
te Nan Goldin 1996 im Interview mit Walter Keller
und David Armstrong und verortete ihre Fotografie
damals im Bereich der ungestellten fotografischen
Momentaufnahme. Für Goldin war dies die Form
der Fotografie, die aus der Liebe zu dem entstand,
was sie abbildet und die dazu diente, Erinnerungen
zu bewahren – an Menschen, Orte und Zeitpunkte.
Zugleich machte sie durch die Charakterisierung
ihrer Bilder als Schnappschüsse aber auch deutlich,
dass sie in ihrer Fotografie auf jegliche inszenatori-
sche Kunstgriffe verzichtete. Schließlich erforderte,
so Goldin, gerade die Darstellung von Wirklichkeit
die Implikation von Zufall und Risiko. Die Einzigar-
tigkeit von Nan Goldins Aufnahmen basiert auf einer
spürbaren Empathie, die jedes Werk zu Momenten
der Verbundenheit zwischen dem Modell und der
Fotografin werden lässt.
snapshots
“My work does come from the snapshot,” said Nan
Goldin in 1996 in an interview with Walter Keller and
David Armstrong, placing her photography then in a
spontaneous context. For Goldin, this form of pho-
tography sprang from a love of what it depicts and
enabled the preservation of memories – of people,
places and moments. By describing her pictures as
snapshots, she was also making it quite clear that
there is nothing stage-managed about her photo-
graphy. Ultimately, Goldin acknowledged, depicting
reality implies chance and risk. The uniqueness of
Goldin’s photographs is based on a sense of sensi-
bility and compassion, which allows each work to
become a moment of closeness between the model
and the photographer.
Rahmenprogramm events
Artist Talk
Nan Goldin im Gespräch
mit Joachim Sartorius,
Intendant Berliner Festspiele
20.11.2010 15 Uhr, in engl. Sprache
GESPRÄCHE
IN DER AUSSTELLUNG
Beziehungen, nicht
Beobachtungen –
Die Porträts von Nan Goldin
Dr. Matthias Harder, Kurator,
Helmut-Newton-Foundation Berlin
09.01.2011 11 Uhr
It’s about the narrative thread
Aspekte der Präsentation und
Inszenierung im Werk von Nan Goldin.
Felix Hoffmann, Kurator, c/o Berlin
16.01.2011 11 Uhr
Anders Weiterleben Lange Nacht der Museen
(seit Generationen)
Filmprogramm und Führungen
Erfahrungen vom Widerspruch zur Norm;
zur Ausstellung
nicht nur Samstag nachts, sondern
29.01.2011 18 – 02 Uhr
tagtäglich: fotografiert von Nan Goldin,
gemalt von Alice Neel, gefilmt im
Undergroundkino, seit Generationen. Programm für Kinder
Ein Gespräch über das Fortbestehen und Jugendliche
der Alternative.
Schulprojekttage und Kunst-
Jan Verwoert, Essayist und Dozent am
kurse im Atelier Bunter Jakob
Piet Zwart Institute, Rotterdam
Weitere Informationen und Anmeldung:
23.01.2011 11 Uhr
Jugend im Museum e.V.
Soundbilder und Blaumeisen Di – Fr 9 – 15 Uhr
1980 gründete Wolfgang Müller das www.jugend-im-museum.de
Kollektiv „Die Tödliche Doris“. Er erzählt Tel +49(0)30-266 42-2242
von der Doris und der Westberliner
Bohème der 80er Jahre sowie von Nan
Änderungen vorbehalten!
Goldins ersten Berlin-Besuchen und
„Blue Tit“ (1995), seiner Ausstellung in Weitere Veranstaltungen
Zusammenarbeit mit der Künstlerin. und Informationen unter
Wolfgang Müller, Künstler, Musiker, Autor www.berlinischegalerie.de
13.02.2011 11 Uhr
Alle Veranstaltungen im Eintritt enthalten!
information / Impressum
Berlinische Galerie
Landesmuseum für
Moderne Kunst, Fotografie
und Architektur
Stiftung öffentlichen Rechts
Alte Jakobstraße 124 – 128
10969 Berlin
Tel +49 (0)30-78 902-600
bg@berlinischegalerie.de
www.berlinischegalerie.de
Verkehrsverbindungen
Public Transport
Bus: M29, 248
U1 Hallesches Tor
U6 Kochstraße / Hallesches Tor
U8 Moritzplatz
Eintrittspreise bis 28.02.2011
Admission until Feb 28th 2011
Tageskarte 8 €, ermäßigt 5 €
Day Ticket 8 €, reduced 5 €
Jeden 1. Mo im Monat 4 €
1st Monday of the month 4 €
Eintrittspreise ab 02.03.2011
Admission From mar 3rd 2011
Tageskarte 6 €, ermäßigt 3 €
Day Ticket 6 €, reduced 3 €
Jeden 1. Mo im Monat 2 €
1st Monday of the month 2 €
Freier Eintritt bis 18 Jahre
Admission free for visitors under 18
Öffnungszeiten Opening Hours
Mi – Mo 10 – 18 Uhr / Wed – Mon 10am – 6pm
Führungen Guided Tours
Kuratorenführungen Mo 14 Uhr
Wochenendführungen Sa, So 15 Uhr
Diese Führungen im Eintritt enthalten
Gruppenführungen Groups
Anmeldung von Führungen und Gruppen
Information and registration:
FührungsNetz Kulturprojekte Berlin
Tel +49 (0)30-247 49-888
Führungen ab 55 € zuzüglich
ermäßigter Eintritt pro Person
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Herausgeber: Berlinische Galerie
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Ausstellung und Booklet: Dr. Thomas
Köhler, Christina Landbrecht bnymellon.com
Redaktion: Ulrike Andres, Christina
Landbrecht
Übersetzung: Kate Vanovitch
Gestaltung: Thoma + Schekorr
Medienarbeit: Artefakt Kulturkonzepte
© 2010 Berlinische Galerie
© für die Werke Nan Goldin
In verschiedenen Ländern können Produkte und Dienstleistungen von Tochtergesellschaften, verbundenen Unternehmen oder von Joint Venture-Gesellschaften der
The Bank of New York Mellon Corporation zur Verfügung gestellt werden. Jedes dieser Unternehmen hat nach den Erfordernissen des jeweiligen Rechtsraums die
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nische Galerie; Nan Goldin, Amanda on my Fortuny, Berlin, 1993, © Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York; David in
bed, Leipzig, 1992, © Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York; Bel Ami bedroom, Berlin, 1991, © Nan Goldin /
Courtesy Matthew Marks Gallery, New York; Amanda at the Sauna, Hotel Savoy, Berlin, 1993, © Nan Goldin / Courtesy Matthew
Marks Gallery, New York; Amanda at a party, Berlinale, Berlin, 1993, © Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York;
Shiobhan with a cigarette, Berlin, 1994, © Nan Goldin / Courtesy Matthew Marks Gallery, New York