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Herausgegeben
im Auftrage der Gesellschaft für deutsche Sprache
von ihrem Vorsitzer
Staatssekretär D r . Hans Steinmetz
77.Jahrgang 1967
BIBLIOGRAPHISCHES INSTITUT · M A N N H E I M
Schriflleitung
Wilfried Seibicke, 53 Bonn, Germanistisches Seminar, Universitäts-Hauptgebäude
Universitäts-
Bibliothek
München
(Λ ^"' -·?:
3
Polenz, Peter von Tschirch, Fritz
Fremdwort und L e h n w o r t , sprach
y Verblaßt die Bildkraft unserer
wissenschaftlich betrachtet 65
/ v
Sprache? 253
Schaaf, Julius J. Veith, Werner
Die Ubergegenständlichkeit der D i e Stadt-Umland-Forschung als
Sprache 126 Gebiet der Sprachsoziologie 157
Schoof, Wilhelm Warner, Alfred
D e r N a m e A l s f e l d . E i n Beitrag z u r Johannes Erich H e y d e zum 75. G e
Flurnamenforschung 227 burtstag am 22. M a i 1967 125
Die Sprachwissenschaft in der D e
Schröder, Walter Johannes
zimalklassifikation 162
V o m guten Sinn der dummen Rede 139
Weisgerber, Leo
Schweckendiek, Adolf y D i e Sprachgemeinschaft als Z i e l der
Gedanken über das Possessivpro ' " Sprachpflege 1
nomen 371
Wendelken, Peter
Sodan, Günter
Das sogenannte »negative Urteil«. X 'Der Einfluß des Englischen auf das
heutige Werbedeutsch 289
Bekräftigung einer grundwissen
Wolf, Siegmund Α. ν
schaftlichen K l a r s t e l l u n g 133
D i e Ableitung und Herkunft von
Stave, Joachim »Düse« 377
W o der Büchmann aufhört. (Das
Wüster, Eugen
Sprachbarometer 72) 216
D i e terminologische Grundlegungs
Thiele, Joachim arbeit i m Zerrspiegel und i n der
Das große L a l u l a . Bemerkungen z u Wirklichkeit (Entgegnung auf Franz
einem Galgenlied C h r i s t i a n M o r D o r n e r : Z u r Terminologie der Ter
gensterns 200 minologie, i n : Muttersprache 1965,
Tillack, Hilmar S. 103 ff.) 98
»Entscheidung« — Hintergründe
: Wie die I S O - E m p f e h l u n g >Benen-
eines Schlagwortes 209 nungsgrundsätze< entstanden ist 169
IL Umschau
4
III. Besprechungen
5
Daniels, Karlheinz Lipka, Leonhard
Ober die Sprache. Erfahrungen und Er Die Wortbildungstypen > waterproof'
kenntnisse deutscher Dichter und Schrift und >grass-green< und ihre Entsprechun
steller des 20. Jhs. ( H . Rück) 241 gen im Deutschen (F. Braun) 180
Deutsch — gefrorene Sprache in einem Martens, Carl und Peter
gefrorenen Land? Phonetik der deutschen Sprache, 2. Aufl.
Hg. von F. Handt (R. Römer) 28 (B. Bock) 32
Die deutsche Sprache im 20. ]h. Abbildungen zu den deutschen Lauten
(K. Spalding) 315 (B. Bock) 32
Eggers, Hans Meyer, Hans, und Siegfried Mauermann
Deutsche Sprachgeschichte, II: Das Mit Der richtige Berliner in Wörtern und
Redensarten, 10. Aufl. (J. Stave) 117
telhochdeutsche (G. Müller) 151
Fischer, Werner Moser, Hugo
Die Flurnamen der Stadt Müllheim in Deutsche Sprachgeschichte, 5. Aufl.
(K. Spalding) 314
Baden (W. Fleischer) 120
Flämig, Walter Mötsch, Wolfgang
Untersuchungen zum Finalsatz im Deut Syntax des deutschen Adjektivs
(F. Braun) 57
schen (G. Harlaß) 29
Fleischer, Wolfgang Munske, Horst Haider
Das Suffix 'ùngal-unga in den germani
Die deutschen Personennamen (G. Holz) 119
schen Sprachen (G. Schieb) 112
Franke, Wilhelm
So red't der Berliner, 8. Aufl. (J. Stave) 117 Nitsche, Georg
Glinz, Hans Die Namen der Libelle (W. Seibicke) 382
Grundbegriffe und Methoden inhaltbe Pfeifer, Wolfgang
zogener Text- und Sprachanalyse Schabe (W. Seibicke) 382
Spanische Fliegen und Maiwürmer
(H.Rosenkranz) 110
(W. Seibicke) 383
Gössmann, Wilhelm
Prochownik, Edda
Sakrale Sprache (Udo M . Nix) 156
Berlinisch — eine Sprache mit Humor
Härtung, Wolfdietrich (J. Stave) 117
Die zusammengesetzten Sätze des Deut Sanders, Willy
schen (W. Müller) 378 >Glück<. Zur Herkunft und Bedeutungs
Heike, Georg entwicklung eines mittelalterlichen
Zur Phonologie der Stadtkölner Mund Schicksalsbegriffs (W. Schröter) 124
art (E. Benes) 115 Schmidt, Wilhelm
Helmers, Hermann Grundfragen der deutschen Grammatik
Sprache und Humor des Kindes (W. Müller) 345
(K.-R. Bausch) 316
Schulz, Dora, und Heinz Griesbach
Höllhuher, Ivo Grammatik der deutschen Sprache,
Sprache — Gesellschaft — Mystik. Pro 3. Aufl. (W. Müller) 380
legomena zu einer pneumatischen A n
Siebs
thropologie (F. Melzer) 248
Deutsche Hochsprache, Beispiele
Ischreyt, Heinz
(Th. Jörg) 182
Studien zum Verhältnis von Sprache und
Technik (D. Dorner) 284 Snyder, William H.
Johansson, Evald Die rechten Nebenflüsse der Donau von
der Quelle bis zur Einmündung des Inn
Die Deutschordenschronik des Nicolaus
(W. Fleischer) 243
von Jeroschin. Eine sprachliche Unter
suchung mit komparativer Analyse der Sperber, Hans
Wortbildung ( H . Wolf) 113
χ
Einführung in die Bedeutungslehre,
Kainz, Friedrich C 3. Aufl. (K.-R. Bausch) 281
Psychologie der Sprache V/1 (B. Bock) 283 Studia Grammatica,
Lentner, Leopold Bd. I—III (F. Braun) 57
Volkssprache und Sakralsprache Bd. V : Syntaktische Studien
(G. Holz) 30 (B. Carstensen) 63
6
Welke, Klans Thüringischer Dialektatlas,
Untersuchungen zum System der Modal Lfg. 2 (W. Seibicke) 154
verben in der deutschen Sprache der Ge
Wörterbuch der deutschen Tiernamen,
genwart (G. Stötzel) 52
Lfg. 3 und 4 und Beihefte 2—4
Wunder, Dieter
(W. Seibicke) 381
Der Nebensatz bei Otfried (W. Schröter) 183
Zinsli, Paul Verschiedenes
Vom Werden und Wesen der mehrspra Das neue Testament,
chigen Schweiz (G. Holz) 115 übertragen von Jörg Zink (Udo M . Nix) 252
Gass, Franz Ullrich
Wörterbücher, Sprachatlasse Werbung im Dienste der Kirche
(R. Römer) 244
Deutscher Wortatlas,
Bd. 14 (W. Seibicke) 153 Reclami
100 Jahre Universal-Bibliothek. E i n
Haensch, Günther
Almanach (W. Seibicke) 345
Wörterbuch der internationalen Bezie
Schischkoff, Georgi
hungen und der Politik (L. Drozd) 318
Die gesteuerte Vermassung. Ein sozial
Hansen, Albert philosophischer Beitrag zur Zeitkritik
Holzland-Ostfälisches Wörterbuch, hg. (E.-G. Geyl) 31
von H . Schönfeld (K. Bischoff) 242
Wencker-Wildberg, Friedrich
M elzer, Friso Der Treppenwitz der Weltgeschichte,
Das Wort in den Wörtern. Ein theo 11. Aufl. (J. Stave) 155
philologisches Wörterbuch (G. Schade) 286 Winterfeldt, Wolfgang
Siebenbürgisch-deutscher Sprachatlas, Besser texten — mehr verkaufen. Von
Bd. 1, Teil II: Laut- und Formenatlas, den Sprachmeistern der Werbung und
Bl. 61—150 154 ihrer Arbeit (R. Römer) 319
7
LEONHARD LIPKA
zusammen bilden ein Kompositum, eine Einheit, die selbst wieder als A d j e k t i v verwendet
w i r d . Es ist wesentlich, dabei genau zwischen Adjektivkomposita u n d P a r t i z i p a l b i l -
3
33
lassen sich eine Reihe v o n M e r k m a l e n dieser Wortklasse angeben, die aber keineswegs
allen, v o n der traditionellen G r a m m a t i k als A d j e k t i v e bezeichneten Wörtern gemeinsam
sind oder aber auch anderen Wortklassen z u k o m m e n . Dies sind: Steigerung, attributive 5
4. Einige Wörter kommen nicht attributiv v o r , so: gewahr, gewärtig, quitt, schuld.
Bei prädikativer Verwendung benötigen eine Reihe v o n A d j e k t i v e n — die attributiv
meist eine andere Bedeutung haben (z. B . würdig) — eine Ergänzung, z. B . beständig,
eigen, gefällig, kundig, überdrüssig, wert, würdig. Diese k a n n aus einer Infinitivgruppe
(wert I bemerkt zu werden) oder einem G e n i t i v - , D a t i v - oder Akkusativobjekt bestehen
(ihm I eigen, des Lesens I kundig, die Leute I überdrüssig). Bewußt u n d ρ flichtig erfordern
sogar zwei Objekte. D i e Ergänzung ist für einige A d j e k t i v e eine grammatische N o t w e n
digkeit (vgl. 5.), bei anderen k a n n sie fehlen. D i e Ungenauigkeit der Bedeutung bewirkt
aber i n der Regel die Hinzufügung einer Ergänzung, so b e i : arm an ..., bereit zu ...,
fähig zu ..., frei von ..., reich an ..sicher gegen . . . usw.
1.4. D i e Untersuchung eines bestimmten Wortbildungstyps wirft einige Probleme auf,
die nicht übergangen werden dürfen. V o r allem erhebt sich dabei die Frage, wieweit i n der
Beschreibung Vollständigkeit erreicht werden k a n n u n d soll. H i e r z u erscheint es an
gebracht, die auf D E S A U S S U R E zurückgehende Trennung i n »langue« u n d »parole«, er
gänzt v o n E . C O S E R I U durch den Begriff der »norma« , z u berücksichtigen. Es genügt 8
34
z u wollen, ganz abgesehen davon, daß ein derartiges Unterfangen praktisch unmöglich
wäre. Augenblicksbildungen sind Erscheinungen der »parole« und als solche unendlich. D i e
beschreibende Sprachwissenschaft muß sich auf die »Norm«, auf die i n einer bestimmten
Sprache wirklich vorkommenden und gebräuchlichen Bildungen und Erscheinungen be
schränken, diese aber möglichst vollständig erfassen. Sie darf sich nicht mit der bloßen
Angabe der Möglichkeiten des Systems begnügen. Fachsprachen haben ihre eigene N o r m
und die Häufigkeit der dort vorkommenden Wörter weicht v o n der Gemeinsprache stark
ab. Sie müssen deshalb gesondert beschrieben werden.
1.5. Nicht immer ist die Frage leicht z u entscheiden, ob es sich bei einem zusammen
gesetzten A d j e k t i v um ein K o m p o s i t u m oder eine Suffixableitung handelt. Der Unter
schied zwischen beiden ist nicht grundsätzlicher N a t u r , denn viele Suffixe haben sich aus
selbständigen Wörtern entwickelt. Sie kommen aber nicht mehr frei vor und sind v o n
einem entsprechenden A d j e k t i v morphologisch oder semantisch isoliert. I m Englischen
unterscheidet sich so z . B . das Suffix -fui [fdl] durch seinen abgeschwächten V o k a l v o m
A d j e k t i v [fui]. Durch ihre Bedeutung sind die Suffixe -freudig, -gerecht, -lustig, -mäßig,
-treu i n Zusammensetzungen v o m freien A d j e k t i v geschieden (regelmäßig
9
heißt nicht
mäßig (maßvoll) in bezug auf die Regel). Ableitungen werden bei der Verneinung prä-
figiert, wie z. B. unregelmäßig, unzeitgemäß — Adjektivkomposita dagegen nehmen un
im Inneren der Verbindung auf, wie i n kampfunfähig, dienstuntauglich.
Eine A n z a h l v o n Bildungen wie baupolizeilich, entwicklungsgeschichtlich, erkenntnis
theoretisch, sprachwissenschaftlich, die formal dem T y p »Substantiv + Adjektiv« ent
sprechen, müssen auf G r u n d ihrer Bedeutung als Ableitungen v o n zusammengesetzten
Substantiven und nicht als Adjektivkomposita betrachtet werden . Bei den Zusammen 10
setzungen mit durstig, gierig, hungrig, kundig, überdrüssig, verdächtig, willig sind beide
Auffassungen möglich.
2. 1. D i e v o n den beiden Wörtern wasserdicht und grasgrün repräsentierten K o m
positionstypen unterscheiden sich i n der Oberflächenstruktur nur teilweise durch ihr
Betonungsmuster (vgl. 2. 2.). Bei semantischer Betrachtung müssen jedoch beide getrennt
werden. D e r T y p grasgrün k a n n dadurch gekennzeichnet werden, daß hier — zumindest
formal — ein Vergleich vorliegt (so grün wie Gras), wogegen der T y p wasserdicht alle
andersgearteten Beziehungen umfaßt. Wichtiger ist jedoch noch ein anderer Unterschied.
Semantisch ist beim T y p grasgrün das Determinatum (Grundwort) das entscheidende
Element und das Determinans (Bestimmungswort) kann vernachlässigt werden. Dies ist
vor allem bei den verstärkenden Verbindungen der F a l l (vgl. 4. 2. 2.). Dagegen dominiert
beim T y p wasserdicht das Determinans, ohne welches das reine A d j e k t i v (z. B . arm,
fähig, frei, reich, wert, würdig) ziemlich bedeutungsleer ist. Das Verhältnis zwischen
Determinans und Determinatum ist bei diesem T y p sehr viel komplexer als bei Wörtern
wie grasgrün.
2.2. Uber verstärkende Zusammensetzungen i m Deutschen und damit den T y p gras
grün gibt es eine recht ausführliche Literatur , i n der oft auf die ähnlichen Verhältnisse
n
35
vorliegt, so betont. I m Deutschen ist hier eine Einschränkung z u machen. Bildungen, i n
denen der Vergleich noch lebendig ist und die daher spezifizieren (d. h . eine Nuance der
betreffenden Eigenschaft bezeichnen, z. B . moosgrün), haben nur einen H a u p t a k z e n t auf
dem Substantiv. Dies sind i n der Regel Farbbezeichnungen. Emphatische Vergleiche u n d
Dimensionsbezeichnungen haben aber — wie i m Englischen — zwei Haupttöne. Einige
Wörter können je nachdem beide Bedeutungen und damit auch beide Akzentmuster haben
(bombensicher, blutarm, steinreich, veilchenblau). D i e Erklärung für die Akzentuierung
spezifizierender Komposita ist i n dem größeren Zusammenhang der kontrastiven Beto
nung z u finden. Grundsätzlich kann i m Englischen und Deutschen jedes Element i m Satz
den H a u p t t o n bekommen, wenn es ausdrücklich i m Gegensatz z u einem anderen steht.
Moosgrün befindet sich meist nicht dem Buchstaben nach i m Gegensatz z u einem anderen
Grün, i m mitgemeinten Kontext kontrastiert es jedoch mit allen möglichen Abtönungen
dieser Farbe.
3.1. Eine Untersuchung der T y p e n wasserdicht und grasgrün unter syntaktischen G e
sichtspunkt muß v o n einem Vergleich zwischen den Komposita u n d entsprechenden syn
taktischen Gruppen ausgehen. Eine Analyse der Beziehungen zwischen beiden gibt A u f
schluß darüber, wie die Tiefenstruktur eines solchen Kompositums i m allgemeinen aus
sieht, und damit, wie ein Sprecher ein i h m unbekanntes K o m p o s i t u m auflösen kann. D i e
untersuchten zusammengesetzten Adjektive sind alle i n einem einfachen Kopulasatz v o n
der Form
Sub(jekt) + ist + Pr(ädikativ)
als Prädikativ (Prädikatsnomen) verwendbar. Letzteres läßt sich i n eine einfache syn
taktische Gruppe — meist v o n der F o r m A(djektiv) + P(artikel) + N(omen) — auf
lösen (z. B . wasserdicht -> dicht gegen Wasser). Umgekehrt können damit auf trans-
formationellem Wege die Komposita aus Kopulasätzen, die keine Zusammensetzungen
1 2
36
(1) Sub + ist + A + P + Ν .
Beispiele dafür sind die Sätze es ist arm an Alkohol I it is proof against water. Das
Substantiv (Determinatum des Kompositums) ist hier O b j e k t i m Kernsatz. M i t H i l f e
einfacher Transformationen, die die Löschung v o n Sub, ist und Ρ und die Inversion v o n A
und Ν z u Ν + A bewirken, lassen sich damit aus einfachen Sätzen Adjektivkomposita
erzeugen . So w i r d aus es ist arm an Alkohol —>- alkoholarm I it is proof against water
13
13
Z u r A n w e n d u n g dieser Methode auf die N o m i n a l i s i e r u n g v o n S ä t z e n vgl. R O B E R T B. L E E S : The Grammar
of English Nominalizations, 2nd p r i n t , T h e H a g u e 1963.
11
A u f eine damit z u s a m m e n h ä n g e n d e g r u n d s ä t z l i c h e Eigenheit dieser Bildungen m u ß hingewiesen werden. Bei
p r ä d i k a t i v e r V e r w e n d u n g kann das K o m p o s i t u m nicht durch das betreffende einfache A d j e k t i v ersetzt werden. D e r
Aussage » D a s K l e i d ist busenfrei« entspricht nicht »das K l e i d ist frei«, dagegen vertritt »der M a n t e l ist wasser-
dicht (grasgrün)« den Satz »der M a n t e l ist dicht (grün)*.
37
ist die für das Kompositum charakteristische Wortstellung ( N + A ) bereits i m Satz vor
handen (er ist des Amtes müde). Das Substantiv erscheint i m Genitiv, seltener auch im
D a t i v . Hierher gehören die meisten Komposita mit bewußt,
1 5
eigen, fähig, fremd,
kundig, müde, überdrüssig, verwandt, wert, würdig. Oft bietet sich aber dafür besser eine
verbale Auflösung an. A u f einer eindeutig verbalen Grundlage beruhen die meisten
Komposita mit bedürftig, durchlässig, durstig, lieb, scheu. H i e r ist i m Kernsatz statt der
K o p u l a ein V o l l v e r b (V) vorhanden, das i n adjektivierter F o r m erscheint und das
Determinatum i n der Zusammensetzung bildet. Bei der U m w a n d l u n g v o n syntaktischer
G r u p p e i n Kompositum findet Transposition v o n der Wortklasse Verb i n die des Adjektivs
statt.
D e r Kernsatz ( 4 ) S u b + v + N g e n okk; d o t
ist Ausgangspunkt für die Transformation v o n : »er bedarf der Hilfe« z u »er ist hilfe
bedürftig«, »er dürstet nach Macht« zu »er ist machtdurstig« usw. Das i n Komposita wie
abzugsfähig, lebensmüde, siegesbewußt usw. auftretende -s- ist keineswegs i n allen Fäl
len als Flexionsendung des vorausgehenden Substantivs zu deuten. Es kommt sehr häufig
gerade bei femininen Substantiven v o r und tritt automatisch an -ung, -ion und -schaft
heran. Ebenso erscheint dieses sogenannte Fugen-s oft bei den Komposita mit eigen und
fremd, w o es beim D a t i v nicht möglich wäre. A n den Bildungen mit bedürftig zeigt sich,
daß es gerade bei den maskulinen Substantiven fehlt, bei den femininen, w o es nicht h i n
gehört, aber auftritt. Auch i n der Nominalkomposition mit zwei Substantiven ist es
ebenfalls oft dort zu finden, w o es nie Flexionsendung gewesen sein k a n n , wie i n Ankunfts
zeit, Arbeitslohn, Hilfskraft, Liebesdienst. D a m i t zeigt sich, daß das -s- unter synchroni-
schem Gesichtspunkt als reines Fugenelement bei der Komposition z u betrachten ist.
E i n e grundsätzlich andere Tiefenstruktur haben die übrigen Komposita i m Deutschen,
die auf einem Kernsatz mit verbalem Element beruhen. E i n m a l ist hier nicht das Deter
minatum, sondern das Determinans eine U m f o r m u n g einer verbalen Konstruktion, z u m
anderen tritt diese i n einer infiniten F o r m auf, und das Verb des Kernsatzes ist — wie bei
allen anderen Kernsätzen mit Ausnahme v o n (4) — die K o p u l a . Dieser syntaktische T y p
w i r d vertreten durch: ( 5 ) .
S u b + i s t + A + I n f
wobei V ein V o l l v e r b ist, das z u Ν gehört, aber nicht von ihm abgeleitet ist, ζ. B . »fähig,
ein Geschäft zu tätigen (Satisfaktion z u leisten, ein Urteil zu fällen).
A l l e drei Infinitivkonstruktionen treten vor allem bei den Komposita mit fähig, wert
und würdig auf. Bei den T y p e n a) und b) findet erneut eine Transposition statt, aber hier
v o n einer V e r b f o r m z u m N o m e n .
Für Dimensionsbezeichnungen, die i n mancher Hinsicht v o n den übrigen Komposita der
F o r m Ν + A abweichen, müssen besondere Regeln angegeben werden. Einige zusammen
gesetzte A d j e k t i v e lassen sich nicht mit den behandelten syntaktischen T y p e n erfassen . 1€
1 5
D e r A r t i k e l kann als z u N g e n , d a t g e h ö r i g a u f g e f a ß t werden. Das gleiche gilt f ü r das Reflexivpronomen lbei
den Bildungen mit bewußt. Beide lassen sich aber auch rein formal als Ρ betrachten.
1 6
Sie sind in meiner Diss., 74 f. a u f g e f ü h r t und besprochen. V g l . dort ebenfalls die E r ö r t e r u n g der Dimensioms-
bezeichnungen.
38
3 . 4 . E i n Vergleich zwischen K o m p o s i t u m u n d entsprechender syntaktischer Gruppe
ganz allgemein, auf G r u n d der Untersuchung der T y p e n wasserdicht und grasgrün, macht
zwei wesentliche Unterschiede deutlich. Das Kompositum hat erstens i n der Regel eine
Wortfolge, die der i m Satz vorhandenen entgegengesetzt ist. I n den seltenen Fällen, w o
die syntaktische O r d n u n g der Wortstellung i m Kompositum entspricht, ist dieses durch
andere M e r k m a l e ausgezeichnet. D i e zweite, noch tiefer greifende Verschiedenheit erfaßt
F o r m u n d inhaltliche Seite. D i e oft recht komplexen Beziehungen zwischen Determinans
und Determinatum werden i n der syntaktischen Gruppe offen ausgedrückt — i m K o m
positum bleiben sie dagegen unbezeichnet. S P I T Z E R hat diesen Tatbestand so formuliert:
» . . . D i e K o m p o s i t i o n ermöglicht gewissermaßen eine vage syntaktische Beziehung, sie
entdeutlicht, verunklärt, u n d ist darum phantasievoller als die jede Beziehung klar u n d
eindeutig hinstellende syntaktische Fügung . . . « . 17
4 . 1 . B e i der semantischen Analyse ist eine Scheidung der T y p e n wasserdicht und gras
grün unerläßlich (vgl. 2 . 1.). N a c h der Beziehung zwischen Determinans und Determina
tum lassen sich folgende T y p e n aufstellen, die genauso auch für die entsprechenden eng
lischen K o m p o s i t a gelten:
Typ grasgrün:
1. s p e z i f i z i e r e n d
a) direkter Vergleich, z . B . blutrot, moosgrün
b) Vergleich mit fehlendem G l i e d , z . B . blütenweiß, krebsrot
2. intensivierend
a) übertragener Vergleich, z . B . giftgrün, kornblumenblau,
b) reine Intensiva, ζ. Β . blutjung, kreuzfidel.
3. D i m e n s i o n s b e z e i c h n u n g e n
a) intensivierend, ζ. B . meilenweit,
b) R a u m und Zeit, ζ. B . brusthoch, stundenlang.
Typ wasserdicht:
D i e Beziehung zwischen Determinans und Determinatum ist:
1. lokativ, ζ. B . kreuzlahm, lungenkrank,
2. temporal, ζ. B . nachtblind,
3. p r i v a t i v , ζ. B . alkoholfrei, geräuscharm,
4. protektiv, ζ. B . feuerbeständig, krisenfest,
5. kausativ, ζ. B . pestkrank, regennaß,
6. zielend, ζ. B . machthungrig, rachsüchtig,
7. allgemein »was anbetrifft«, ζ. B . geschlechtsreif, wortgewaltig.
39
bezeichnet, ζ. Β . moosgrün. Diese spezifizierenden Bildungen haben i m Deutschen einen
Hauptakzent. Andererseits kann der Vergleich so weit verblaßt sein, daß das Determinans
rein intensivierende F u n k t i o n hat und am semantischen Gehalt des Determinatums nichts
verändert (feuerrot, schneeweiß, blitzschnell, kerngesund, schnurgerade). Gelegentlich
entscheidet der Kontext darüber, ob ζ. B . mit grasgrün ein saftiges, dunkles Grün gemeint
ist oder ob nur die Aussage, daß etwas grün ist, verstärkt werden soll. Je nachdem w i r d
dann das Kompositum verschieden betont. Bei einer dritten Gruppe v o n Bildungen, wie
blitzdumm, kreuzbrav, steinreich, stockstill, i m Englischen cocksure, dog-tired, stock-still,
stone-deaf usw., läßt sich kein eindeutig sinnvoller Bezug zwischen Substantiv und
A d j e k t i v herstellen (vgl. 4 . 2 . 2 . ) . In den spezifizierenden Farbwörtern, wie sie besonders
die Modesprache verwendet, z. B . baby-blau, diorrot, mitternachtsblau, saharagelb, hat
das Determinans an sich keine Bedeutung mehr, sondern rein differenzierende und Signal
funktion. Es könnte auch durch Zahlen ersetzt werden. A l s Träger v o n positiven
Konnotationen ist es aber meist motiviert. D e r Wert dieser Konnotationen zeigt sich
deutlich i m Englischen. H i e r können — i m Gegensatz zum Deutschen — Substantive allein
als Farbbezeichnungen auftreten. So erscheinen z . B . i n attributiver Stellung burgundy,
chalk, cherry, chestnut, coral, flame, jet, rust, slate, straw u n d andere. H i e r z u gehören
grundsätzlich fast alle Edelsteinnamen, wie emerald, jade, ruby, topaze usw.
4 . 2 . 2 . M i t Ausnahme spezifizierender Komposita sind alle Wörter des Typs grasgrün
verstärkend. Sie bezeichnen — verglichen mit dem einfachen A d j e k t i v — eine Höchststufe.
Z u r Erklärung der zahlreichen intensivierenden Bildungen, i n denen kein erkennbarer
Bedeutungszusammenhang zwischen den beiden Elementen besteht, wurden zwei ver
schiedene Deutungen gegeben. D i e allgemein vertretene Analogietheorie, zuletzt v o n
B E R Z dargelegt, erklärt die Wörter als entstanden nach dem Vorbilde v o n solchen, i n
denen ein sinnvoller Bezug vorliegt, also z . B . blitzdumm nach blitzschnell . Dagegen 18
, s
Nicht nach blitzblank und blitzsauber (die selbst schon analog entstanden sind), wie WALTER HENZEN:
Deutsòe Wortbildung, T ü b i n g e n , 1957, 65 meint.
2
1 9
E M M Y S A C H S : On »Steinalt«, »Stock-StilU, and Similar Formations, i n : Journal of English and G e r m a n i c
Philology L X I I (1963), 581—596.
2 0
Diese gilt bei synchronischer Betrachtung f ü r alle Bildungen mit Splitter, Stein, Stock.
40
Akzentträgers hat, denn der doppelte A k z e n t ist i n erster Linie das M e r k m a l der ver
stärkenden Adjektivkomposita. D e r Sprecher sucht nach einem Morphem, durch das er
seine emotionale Gestimmtheit mit H i l f e des zusätzlichen Starktons z u m Ausdruck
bringen kann. Dies erklärt die W i r k u n g der Analogie, denn i n einem parallelen Muster
(vgl. 5.) stehen derartige Morpheme bereits z u r Verfügung. Ihr semantischer Gehalt ist
dabei völlig unwesentlich. Lautliche Faktoren stehen daher bei der Verstärkung im Vorder
grund, wie auch die Rolle der Alliteration (z. B . blitzblank, blitzblau, grasgrün) zeigt.
Dies w i r d i m Englischen besonders klar sichtbar, w o neben verstärkenden A d j e k t i v
komposita häufiger syntaktische Gruppen auftreten, die oft nur durch Alliteration
motiviert sind, wie z . B . as bold as brass, as brown as a berry, as cool as a cucumber,
as jit as a fiddle, as happy as Harry.
4.3. D e r T y p wasserdicht hat keine so k l a r umrissenen Teilgebiete aufzuweisen, wie
es beim T y p grasgrün die Farbwörter, die verstärkenden Bildungen und die Dimensions
bezeichnungen sind. I n seiner Gesamtheit ist er sehr viel komplexer, u n d wie aus der
großen Z a h l möglicher Ρ und verschiedener Kernsätze ersichtlich ist, herrscht eine Vielfalt
von Beziehungen zwischen Determinans und Determinatum. Auch die semantischen Typen
zeigen dies. I n allen Komposita des Typs wasserdicht bestimmt das Substantiv das
A d j e k t i v näher, wie besonders aus der Auflösung mit »in bezug auf« deutlich w i r d . D a m i t
wären auch diese Komposita als »spezifizierende« zu bezeichnen, und so ließe sich zugleich
eine umfassende Deutung der Betonungsverhältnisse geben. W i r beschränken den Gebrauch
des Terminus jedoch auf die Farbwörter u n d verstehen i h n als Gegensatz z u »intensi
vierende« Bildungen. Unter semantischem Gesichtspunkt liegt a m häufigsten privative,
protektive u n d kausative Beziehung zwischen Determinans und Determinatum vor. Bei
privativen Komposita w i r d das vom Determinans bezeichnete als abwesend (frei) oder i n
quantitativ nur geringem Maße anwesend (arm) genannt. Neben der Scheidung nach dem
G r a d der Abwesenheit besteht eine weitere Differenzierung zwischen Komposita mit
diesen beiden A d j e k t i v e n : i n Bildungen mit arm ist das v o m Determinans Bezeichnete
meist erwünscht, i n solchen mit frei aber unerwünscht. Protektive Komposita drücken
Schutz v o r dem schädlichen Einfluß des v o m Determinans Bezeichneten (feuerbeständig)
oder dem Entweichen (luftdicht) b z w . Eindringen (schalldicht) der betreffenden Dinge
aus. Das weitaus fruchtbarste Determinatum i m Englischen ist dabei proof, dem i m
Deutschen meist fest und sicher entsprechen. B e i den Komposita mit kausativer Beziehung
ist die v o m Determinatum genannte Eigenschaft durch das v o m Determinans bezeichnete
hervorgerufen (schamrot, seekrank, tränenfeucht). Dieser T y p ist seltener als der privative
und protektive. D i e übrigen Bildungen des T y p s wasserdicht verteilen sich auf den loka-
tiven, temporalen, zielenden und den allgemeinen T y p . Das Determinans bezeichnet dabei
O r t und Zeit des Auftretens der betreffenden Eigenschaft (kreuzlahm, lungenkrank,
nachtblind) sowie das Z i e l , auf das sie gerichtet ist (machthungrig, rachsüchtig). Beim
allgemeinen T y p ist das Verhältnis zwischen Determinans und Determinatum nicht immer
eindeutig z u bestimmen. Es kann meist durch »in bezug auf, was . . . anbetrifft« umschrie
ben werden.
5. Eine Reihe v o n Adjektiven hat i n Zusammensetzungen eine größere Z a h l v o n
Bildungen aufzuweisen. Dies sind v o r allem arm, bereit, fähig, fertig, fest, frei, krank,
lang, reich, sicher, süchtig, wert, würdig und i m Englischen free, mad, proof, tight, weary,
worthy. D i e z u m gleichen A d j e k t i v gehörenden Komposita bilden zusammen ein Muster,
das als Vorlage für Analogiebildungen dient u n d solche hervorruft. Erleichtert w i r d das
W i r k e n der Analogie durch die Einfachheit der zugrunde liegenden Beziehung zwischen
Determinans und Determinatum bei den erwähnten Mustern. So sind z . B . , mit Ausnahme
der verstärkenden Bildungen, alle Komposita mit arm und reich mit H i l f e der Partikel an
aufzulösen. I m Englischen sind fast alle Wörter mit proof i n syntaktischen Gruppen mit
against wiederzugeben. Daneben ist eine weitere Erscheinung für die große Produktivität
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dieser Muster entscheidend. A l l e diese Adjektive erfordern bei prädikativem Gebrauch
eine Ergänzung. D i e Erfordernis k a n n eine grammatische Notwendigkeit sein, wie bei
fest, frei, wert, würdig und i m Englischen free, mad (on), proof, worthy; viel häufiger
ist sie aber semantisch bedingt, durch die Unbestimmtheit der betreffenden A d j e k t i v e
(vgl. 1.3.). D i e syntaktische G r u p p e aus A d j e k t i v und Ergänzung w i r d nun kondensiert
und als Ganzes i n die Wortklasse A d j e k t i v transponiert. D i e grammatische N a t u r dieses
Vorgangs erklärt die Leichtigkeit, m i t der ständig Augenblicksbildungen, aber auch
bleibende neue Komposita des Typs wasserdicht geprägt werden. D i e Produktivität des
Typs grasgrün ist dagegen recht beschränkt, da es sich hier i n der Regel gerade nicht um
eine einfache grammatische U m f o r m u n g einer syntaktischen Gruppe handelt, sondern die
Bildungen sehr häufig idiomatischen Charakter haben.
6. D i e Wortbildungstypen wasserdicht und grasgrün sind — wie systematisches Sam
meln neuer Bildungen zeigt — heute sehr produktiv. Stilwert und Verwendungsbereich
der einzelnen Komposita ist jedoch recht unterschiedlich. Uber die Häufigkeit ihres
Gebrauchs i n der Literatursprache können, wegen fehlender Untersuchungen, kaum
Aussagen gemacht werden. D i e Ergebnisse einer genauen Materialsammlung lassen darüber
hinaus eher Schlüsse auf den Stil des betreffenden Autors z u als auf die Sprache selbst. Es
sei hier nur darauf hingewiesen, daß z . B . i n den Erzählungen T H O M A S M A N N S häufig
Komposita aus »Substantiv + Adjektiv« vorkommen, worunter zahlreiche individuelle
Prägungen sind, wie absinthklebrig, brotblond, erkenntnisstumm, glockenfeierlich, traum
blöde, verlegenheitsträchtig, wirklichkeitsgierig u n d andere. Besonders häufig werden
Komposita der untersuchten T y p e n jedoch i n der Volkssprache, Reklamesprache u n d i n
Fachsprachen verwendet. I n der Volkssprache ist i m Deutschen wie i m Englischen v o r
allem der T y p grasgrün (und davon besonders die verstärkenden Bildungen) gebräuchlich.
M i t seinem starken affektiven und expressiven Gehalt kommt er dem Streben nach deut
licher oder sogar drastischer Ausdrucksweise sehr entgegen (z. B . blitzdumm, gottserbärm
lich, hundemüde, kreuzbrav, saublöd, todmüde). Auch i n der Sprache der Reklame sind
verstärkende Bildungen nicht ungewöhnlich. Daneben ist aber der T y p wasserdicht sehr
beliebt. O f t läßt sich keine klare Scheidung treffen. Ist rauchzart (Whisky) oder tisch fein
(Geschirr) verstärkend oder liegt eine andere Beziehung vor? Auch bei eindeutig nicht
verstärkenden Bildungen läßt sich das Verhältnis zwischen Determinans und Deter
minatum nicht m i t Sicherheit festlegen. Bedeutet mischungstreu (von einer Zigarette)
»die Mischung ist treu bewahrt«, »die Zigarette ist der Mischung treu« oder »der H e r
steller ist der Mischung treu«? G a n z deutlich zeigt sich hier, wie sehr — mit den Worten
SPITZERS ausgedrückt — das K o m p o s i t u m »entdeutlicht« und »verunklärt«. Im Gegensatz
zur syntaktischen Gruppe, die notwendigerweise die Beziehung zwischen den einzelnen
Elementen offen darlegen muß, ist das Kompositum nicht gezwungen, sozusagen Farbe
zu bekennen. Genau das ist es aber, was die Werbung i n der Regel z u vermeiden sucht.
Eine klare Festlegung ist hier geradezu unerwünscht. Durch die Vielfalt der möglichen
syntaktischen Beziehungen zwischen Determinans und Determinatum sind die T y p e n
waterproof und grass-green hierfür besonders geeignet. Daraus und aus den Vorteilen
der knappen Ausdrucksmöglichkeit erklärt sich ihre große Produktivität i n der Reklame
sprache. Es scheint auf den ersten Blick paradox, daß gerade i n Fachsprachen u n d tech
nischer Terminologie — w o U n k l a r h e i t j a u m jeden Preis vermieden werden muß — der
T y p wasserdicht ebenfalls äußerst fruchtbar ist. Mehrdeutigkeit w i r d hier aber dadurch
vermieden, daß neue Wörter nach fest eingeführten Mustern (z. B . arm, frei, reich)
gebildet werden, bei denen die Beziehung zwischen Determinans u n d Determinatum
eindeutig festliegt. D e r wichtigste G r u n d für die Bevorzugung v o n Komposita an Stelle
präziser syntaktischer Gruppen ist i n der Sprachökonomie z u finden. D i e Vorteile einer
knapperen Ausdrucksform für Technik u n d Fachsprachen liegen auf der H a n d . Einige
Termini aus der Sprache der Wirtschaft sollen hier als Beispiel für die Produktivität
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dienen: bankfähig (Wechsel), börsentäglich (Mitteilungen), buchungswichtig (Angaben),
ertragsschwach, exportintensiv, investitionswirksam, kostengünstig, liquiditätsschwach,
marktkonform, preiselastisch (Nachfrage).
7. T r o t z der Ähnlichkeit der Typen wasserdicht u n d grasgrün u n d ihrer englischen
Entsprechungen lassen sich doch i m einzelnen deutliche Unterschiede i n beiden Sprachen
feststellen. A l s wichtigster ist die ungleiche Produktivität u n d Häufigkeit z u nennen. I m
Deutschen lassen sich etwa doppelt soviel Komposita erfassen wie i m Englischen; darüber
hinaus werden diese offenbar auch viel häufiger verwendet. D i e Z a h l der Neubildungen
scheint ebenfalls größer zu sein. Viele deutsche Wörter können bei synchronischer Betrach
tung sowohl als Ableitungen v o n zusammengesetzten Substantiven wie auch als K o m p o s i t a
aufgefaßt werden. Das Englische leitet dagegen i m allgemeinen keine Adjektive v o n
Substantivkomposita ab. A n morphologischen Unterschieden fällt v o r allem das A k z e n t
muster auf. I m Englischen haben spezifizierende Bildungen, wie verstärkende, zwei
Haupttöne, i m Deutschen dagegen nur einen kontrastiven Hauptakzent. N u r i m Deut
schen werden bei der Komposition zusätzliche Fugenelemente eingeschoben. Besonders
unter syntaktischem Gesichtspunkt zeigen sich wichtige Strukturunterschiede. D i e den
deutschen Komposita zugrunde liegenden syntaktischen G r u p p e n sind sehr viel komplexer,
und teilweise ist auch die dem Kompositum eigentümliche Wortstellung ( N + A ) bereits
im Kernsatz vorhanden. Eine verbale Grundlage ist für das Englische nur i n seltenen
Fällen anzunehmen, für viele deutsche Komposita ist sie jedoch — trotz morphologisch
nominaler F o r m des Determinans — die natürlichste Auflösung. N u r bei einigen deutschen
Bildungen ist das Determinatum als adjektivische Transposition eines Vollverbs i m K e r n
satz aufzufassen. Verstärkende Vergleiche sind i n beiden Sprachen auch i n F o r m v o n
syntaktischen Gruppen gebräuchlich, i m Englischen jedoch viel häufiger und nur dort oft
ausschließlich durch Alliteration (as cool as a cucumber) motiviert. A l l e diese Unterschiede
treten jedoch zurück gegenüber den Gemeinsamkeiten der deutschen und englischen K o m
posita. Ubereinstimmend i n beiden Sprachen ist v o r allem die auffallende Diskrepanz
zwischen einfacher Oberflächenkonstruktur (Substantiv + A d j e k t i v ) und darunter ver
borgener, sehr komplizierter und vielfältiger Tiefenstruktur.
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