Вы находитесь на странице: 1из 161

МИНИСТЕРСТВО ОБРАЗОВАНИЯ РЕСПУБЛИКИ БЕЛАРУСЬ

Минский государственный лингвистический университет

Е.В. ЗАРЕЦКАЯ

НЕМЕЦКИЙ ЯЗЫК: ТЕОРЕТИЧЕСКАЯ ФОНЕТИКА

DEUTSCH: THEORETISCHE PHONETIK

Допущено Министерством образования Республики Беларусь


в качестве учебного пособия для студентов высших учебных
заведений по специальности «Современные иностранные языки»

Минск, МГЛУ
2009

УДК 811.112.2’34(075.8)
-1-
ББК 81.432.4-12
З-34

Р е к о м е н д о в а н о Редакционным советом Минского


государственного лингвистического университета. Протокол № 2(22) от
16.03.09 г.

Р е ц е н з е н т ы : кандидат филологических наук, доцент


ВЛАСЮК Н.И. (Гродненский государственный университет им.
Я. Купалы), кандидат филологических наук, доцент СТЕЛЯ С.С. (БГУ)

Зарецкая Е.В.
З-34 Немецкий язык: теоретическая фонетика = Deutsch: Theoretische Phonetik:
учеб. пособие / Е.В.Зарецкая. – Минск: МГЛУ, 2009. – 160 с.: ил.
ISBN 978-985-460-305-60.

Пособие содержит комплект учебных материалов по курсу


теоретической фонетики немецкого языка, куда входят: текст лекций по
данной дисциплине; фонетический глоссарий; система упражнений,
предназначенных для самостоятельной работы студентов или проведения
семинарских занятиях по теоретической фонетике; тесты для
самоконтроля по каждой из тем и ключи к ним. Электронное приложение
предлагает компьютерную версию обучающих программ и тестов для
студентов, а для преподавателей – комплект PowerPoint-слайдов для
электронного сопровождения лекционного курса. Весь материал
представлен на немецком языке.
Адресовано преподавателям и студентам языковых вузов и факультетов
иностранных языков.

УДК 811.112.2’34(075.8)
ББК 81.432.4-12

ISBN 978-985-460-305-60. Ó Е.В.Зарецкая, 2009


Ó УО « Минский государственный лингвистический университет», 2009

Vorwort
-2-
Das vorliegende Lehrwerk wurde konzipiert aufgrund des Curriculums für
„Theoretische Phonetik der deutschen Sprache“ (Fachrichtung 21.06.01 – Moderne
Fremdsprachen, 2002) und der Bildungsstandards für diese Fachrichtung von
2008. Es ist als theoretische und praktische Unterstützung für die Studenten und
Lehrkräfte gedacht, die sich mit der Theorie der deutschen Sprache befassen und
nicht immer Zugang zur entsprechenden Fachliteratur haben. Zum potentiellen
Nutzerkreis des Lehrwerkes gehören deshalb sowohl die Fernstudenten als auch
die Studierenden der Präsenzform an den philologischen Fakultäten und ihre
Pädagogen.
Das Lehrwerk besteht aus drei relativ separaten Teilen und dem
elektronischen Anhang. Im e r s t e n Teil werden in kurzer Form die
theoretischen Informationen zu den Hauptproblemen der segmentalen und
suprasegmentalen Phonetik dargelegt. Zur kontrastiven Auswertung liegen die
Ansichten der deutschen, russischen und belarussischen Linguisten vor, die
manchmal kontrovers ausfallen, was die Studierenden zum kritischen Denken
bewegen soll. In diesem Teil wird auch auf das praktische Wissen der Lerner in
Phonetik der Mutter- und Fremdsprache zurückgegriffen. Dieses Wissen wird
systematisiert und in das gesamte Sprachsystem eingeordnet. Dadurch erhalten die
Studierenden einen tieferen Einblick in das Sprachsystem, seinen inneren Aufbau
und die Zusammenhänge zwischen einzelnen Teilen darin. Das soll sie anspornen
bewusst phonetische Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache zu erschließen und sie
effektiver bei der Kommunikation zu nutzen.
Der z w e i t e Teil des Lehrwerkes ist das phonetische Glossarium. Es
enthält über 200 alphabetisch geordnete phonetische Fachbegriffe mit ihren
Definitionen. Sie sollen den Studierenden die Arbeit an phonetischen Fachtexten
erleichtern.
Der d r i t t e Teil stellt einen Satz von praktischen Übungen zu den
wichtigsten Themen des Faches dar. Zu jedem Thema gehören einige Aufgaben
unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades, die konsequent oder wahlweise behandelt
werden können. Die Aufgaben sind so angeordnet, dass sie den Studierenden einen
Übergang von ihrem praktischen Wissen zu dessen theoretischer Systematisierung
erleichtern. Sie bieten den Lernern Wahlmöglichkeiten, zwingen sie zum
Vergleichen, Denken und Argumentieren, was den Intellekt jedes Einzelnen
herausfordert und ihm zum bewussten Aneignen des Stoffes verhilft. Diese
Übungen eignen sich vor allem für das Selbststudium, können jedoch auch in
Seminaren eingesetzt werden. Die digitale Version der Übungen ermöglicht den
Lernern eine computergestützte Arbeit an dem Stoff.
-3-
Wird das Praktikum ausschließlich für das Selbststudium benutzt, können
die Aufgaben durch Lösungen ergänzt werden, damit die Studierenden die
Selbstkontrolle unternehmen können. Bei Wunsch kann man einzelne Aufgaben zu
Abschlusstests zusammenfügen.
Jedes Thema wird mit einem kleinen Test zur Selbstkontrolle
abgeschlossen, der als Zwischenergebnis gilt. Der Test ermöglicht dem Lerner die
Bewertung seines aktuellen Wissenstandes, zeigt ihm eventuelle Lücken in seinen
Kenntnissen und regt ihn zur weiteren Arbeit am Stoff an. Um die Selbstkontrolle
der Tests zu ermöglichen, sind anschließend Lösungen angeführt. Dadurch können
sich die Lerner die Gewissheit holen, ob sie die Aufgaben richtig gelöst haben.
Der e l e k t r o n i s c h e A n h a n g bietet das Praktikum und Tests zur
Selbstkontrolle in digitaler Form, geeignet für die Arbeit der Studierenden am
Computer. Der Computer steuert die Arbeit jedes einzelnen Lerners am Lernstoff
dadurch, dass er auf die Lösung jeder Aufgabe sofort reagiert: Er bestätigt die
Richtigkeit der Lösung oder bittet den Lerner, eine andere Variante zu suchen. Erst
nach der richtigen Lösung der Aufgabe erfolgt der Übergang zur nächsten.
Die digitalen A b s c h l u s s t e s t s zur Selbstkontrolle werden vom
Computer geprüft und in Punkten bewertet. Dadurch erhält jeder Lerner am Ende
seiner Arbeit am Thema einen Nachweis darüber, wie er sich den jeweiligen Stoff
angeeignet hat. Danach kann er sich mit seiner Note zufrieden geben oder seine
Kenntnisse vertiefen.
Ich danke ganz herzlich der Leitung der Linguistischen Universität Minsk
sowie meinen Kollegen für ihre vielseitige freundliche Unterstützung bei der
Entwicklung dieses Lehrwerkes. Mein besonderer Dank gilt Fr. R.W. Schilowitsch
und Fr. T.A. Zessarskaja von der Abteilung für Informationstechnologien der
Universität, die mich bei der Entwicklung des digitalen Anhangs allseitig
unterstützt und konsequent weitergeführt haben. Ich bedanke mich von Herzen
auch bei meinen Gutachtern, die durch ihre wertvollen Hinweise zur Verbesserung
des Lehrwerkes beigetragen haben. Ich bin weiterhin für alle
Verbesserungsvorschläge offen.
Allen Nutzern der Unterrichtshilfe wünsche ich viel Spaß und Erfolg bei
der Arbeit an der thoretischen Phonetik der deutschen Sprache.
Verfasserin

TEIL 1: VORLESUNGEN
1. GRUNDBEGRIFFE DER PHONOLOGIE
-4-
1.1. Kommunikation und Sprache
1.2. Sprachzeichen und Sprechlaute
1.3. Relevante und redundante Merkmale des Lautes
1.4. Phonem und seine Funktionen in der Sprache
1.5. Phonem und seine Varianten (Allophone)
1.6. Phonem, Buchstabe, Graphem
1.7. Phonetik und Phonologie
1.8. Aus der Geschichte der Phonologie

1.1. Kommunikation und Sprache


Zu den wichtigsten Bedürfnissen des Menschen gehört seit je sein Wunsch nach
Kommunikation, d.h. nach Gedankenaustausch mit Mitmenschen, nach
Information, durch die er seinen Gesichtskreis erweitert, sich psychisch und mental
entwickelt. Der Mensch als soziales Wesen fühlt sich unwohl in Isolation und
leidet schwer darunter, deshalb bemüht er sich, mit allen Mitteln zu den
Mitmenschen Kontakt herzustellen, sich ihnen mitzuteilen und von ihnen
Informationen zu beziehen. Dafür hat er mit der Zeit zahlreiche Systeme erfunden:
Gesten, Formeln, Piktogramme, verschiedene Zeichen und das vollkommenste von
ihnen – die Sprache, die als häufigster und wichtigster Code bei der
Kommunikation dient: Der eine Kommunikationspartner verschlüsselt seine
Gedanken in Lauten oder Buchstaben, der andere empfängt sie mit seinen
Sinnesorganen, entschlüsselt und reagiert entsprechend auf die empfangene
Information. So verständigen sich die Menschen. Auf solche Weise organisieren
sie ihr gemeinsames Handeln und gestalten ihre Mitwelt.

1.2. Sprachzeichen und Sprechlaute


Was ist aber die Sprache, die als Code, als ein Hilfsmittel bei der Verständigung
fungiert? Darunter versteht man gewöhnlich ein System von besonderen Zeichen,
die zur Weitergabe von Informationen dienen. Man nennt sie Sprachzeichen.
Damit werden vereinfacht „relativ selbständige Einheiten der sprachlichen
Nachricht“ (G. Meinhold, S.13) gemeint, die bilateral sind: Sie besitzen einen
Inhalt – ideelle Zeichenbedeutung – und eine Form – den materiellen
Zeichenkörper. Das sind vor allem Wörter, d.h. bestimmte Lautfolgen, die sich auf
entsprechende Begriffe beziehen. So bezeichnen, z.B., die Wörter Haus, дом,
хата (Form, Zeichenkörper, Zeichengestalt) einen Bau zum Wohnen von
Menschen (Zeicheninhalt, Zeichenbedeutung). Ein Bau zum Wohnen von Tieren
wird Stall, хлеý, сарай oder auch anders genannt. Dabei wird deutlich, dass sich
-5-
auf einen Inhalt mehrere Formen beziehen können. Die Gesamtheit der Wörter
einer Sprache bildet ihr Lexikon.
Zeichengestalt und Zeichenbedeutung sind im menschlichen Hirn fest
verknüpft, wenn man eine Sprache beherrscht. Ist das nicht der Fall, bekommt man
Schwierigkeiten beim Verstehen einzelner Wörter. So geht es uns, z.B., manchmal
in der Mutter-, noch häufiger aber in der Fremdsprache, wenn wir auf ein
unbekanntes Wort stoßen: Wir können der wahrgenommenen Form keine
Bedeutung zuordnen, wir können mit der Form allein nichts anfangen.
Neben den elementaren Sprachzeichen (Wörtern) gehören zur Sprache Regeln zum
Verknüpfen von Wörtern, die man als Grammatik bezeichnet. Die Grammatik –
Morphologie und Syntax – ermöglicht es uns, nicht nur einzelne Elemente der
Welt zu benennen, sondern auch ihre Beziehungen miteinander darzustellen.
Durch die Verbindung von Wörtern können die Menschen ihre Gedanken
formulieren.
Um die Gedanken weiterzugeben, braucht man die dritte Sprachebene – die
Lautebene, die ideelle Gedanken materialisiert, d.h. in diskrete Schalleinheiten,
physikalische Wellen umwandelt. Das macht die Phonetik. Wir artikulieren die
Laute, verbinden sie miteinander und schicken sie als Schallwellen an unsere
Sprechpartner, damit sie unsere Gedanken empfangen. So erscheint die Sprache
letztendlich als Gesamtheit von mehreren Teilsystemen, die miteinander fest
verknüpft sind und durch ihr Zusammenwirken die menschliche Kommunikation
ermöglichen. Folgt man dieser Vorstellung weiter, so sieht man die Sprache als ein
kompliziertes System von abstrakten, ideellen Elementen, das theoretisch in
einzelnen Schichten, getrennt voneinander beschrieben werden kann. Praktisch
jedoch wird es nur durch die Tätigkeit des Menschen – das Sprechen – realisiert.
Sie dient dem Menschen als das wichtigste Verständigungsmittel.
Alle Zeichenkörper natürlicher Sprachen (Wörter) weisen dasselbe
Bauprinzip auf: Sie bestehen meist aus mehreren, zeitlich eng begrenzten
Schalleinheiten, die man Laute nennt: [k], [v], [e:], [s] usw. Unterschiedliche
Folgen von Lauten bilden zahlreiche Lautkomplexe, die wir als Wörter kennen,
wenn wir sie mit bestimmten Inhalten assoziieren: [d+a+x], [d+a+s], [w+a+s],
[n+a+s]. An diesen Beispielen sieht man deutlich, dass die Laute an sich keine
Sprachzeichen sind, denn sie haben keinen Inhalt, keine Bedeutung. Sie dienen nur
als Bausteine für die Sprachzeichen und ermöglichen deren physikalische Existenz.
Beim Sprechen ordnen wir unsere ideellen Denkinhalte adäquaten Lautfolgen zu
und senden sie als Schallcode dem Hörer zu. Der Hörer nimmt diese Schallfolgen
wahr und verarbeitet sie in mehreren Schritten, bis er daraus die ihm zugesandte

-6-
Botschaft gewinnt. So funktioniert die engste, untrennbare Verknüpfung von
Sprache und Sprechen, obwohl man sie theoretisch laut F.de Saussure trennen und
als System und Prozess, als abstrakt und konkret, als gemeinschaftlich und
individuell, als relativ konstant und variabel gegenüberstellen kann.
Obwohl die Sprechlaute keine Sprachzeichen sind, spielen sie in der Sprache
eine große Rolle: Einerseits sind sie Bauelemente für die Sprachzeichen,
andererseits unterscheiden sie die Sprachzeichen voneinander. So, z.B.,
unterscheiden sich die Wörter das, was, Fass, nass, lass je durch einen Laut – die
kleinste diskrete Schalleinheit einer Zeichengestalt. „Jene Einheit, die sich vom
Standpunkt der betreffenden Sprache her in noch kleinere aufeinander folgende
phonologische Einheiten nicht zerlegen lässt“, hat N.S. Trubetzkoy P h o n e m
genannt (N. Trubetzkoy, S.34).
Die Phoneme einer Sprache werden durch Vergleich von Minimalpaaren
ermittelt. Minimalpaare sind Kurzwörter, die sich nur durch ein Element
unterscheiden: [das] - [was]; [fas] - [nas]; [di:s] - [li:s]; [la:s] - [las]; [last] - [lɪst];
[lɪst] - [bɪst] usw. Durch einen konsequenten Vergleich aller möglichen
Minimalpaare einer Sprache kann man das gesamte Phoneminventar dieser
Sprache feststellen. Es ist begrenzt, d.h., jede Sprache hat nur eine bestimmte,
meist relativ kleine Anzahl von Phonemen.

1.3. Relevante und redundante Merkmale des Lautes


Woraus besteht ein Phonem? Warum kann es Sprachzeichen differenzieren? Eine
Antwort auf diese Fragen bekommt man, wenn man die Sprechlaute tiefer
betrachtet. Diese Schalleinheiten sind zwar physikalisch und artikulatorisch weiter
nicht teilbar, doch genauer gesehen bestehen sie aus einzelnen Bestandteilen –
Merkmalen. Diese Merkmale haben innerhalb des Lautes unterschiedlichen Wert.
Vergleichen wir, z.B., den Gehalt des [k]-Lautes in den folgenden Wörtern:

Merkmale kalt Kegel gekegelt Kugel


plosiv + + + +
velar + + + + distinktiv
dorsal + + + +
stimmlos + + + +
behaucht + + - +
palatalisiert - + + - redundant
labialisiert - - - +
Die k-Laute in diesen Wörtern enthalten teils Merkmale, die ihnen in allen
Positionen eigen sind, teils Merkmale, die in bestimmten Positionen vorhanden

-7-
sind, in anderen jedoch schwinden. Zum Phonem gehören stabile Merkmale eines
Lautes, die seinen Kern, sein Skelett bilden, die bei allen Veränderungen der
Lautposition im Wort, bei jeder Lautnachbarschaft bleiben. Sie werden relevant,
auch phonologisch oder differenzierend genannt, weil sie für die Wortbedeutung
wesentlich, wichtig sind, weil sie die Wortbedeutungen unterscheiden.
Vergleichen Sie:

Wörter Merkmale
[nas] sonor alveolar koronal Verschlussöffnungslaut nasal
[las] sonor alveolar koronal Verschlussöffnungslaut lateral

Oder:

Wörter Merkmale
[was] stimmhaft dental labial frikativ
[fas] stimmlos dental labial frikativ

Deshalb wird das Phonem auch als ein „Bündel von relevanten Merkmalen“
(N. Trubetzkoy) definiert. Diese Definition betont, dass den Gehalt jedes Phonems
nur wesentliche, distinktive Merkmale ausmachen.
In manchen Positionen bekommen die Phoneme – die Lautkerne –
zusätzliche Merkmale, die den Klang des Lautes mehr oder weniger ändern, die
Wortbedeutung jedoch nicht beeinflussen. Diese Merkmale, die im Laut mal
anwesend sind, mal fehlen, erleichtern die Verbindung der Laute im Redestrom
(Palatalisation, Nasalisation, Labialisation), machen den Redestrom natürlicher. Da
sie aber für die Wortbedeutung nicht wesentlich sind, werden sie irrelevant,
indistinktiv, nicht phonologisch oder redundant genannt.
Man darf dabei nicht vergessen, dass in verschiedenen Sprachen dasselbe
Merkmal relevant oder irrelevant sein kann. So ist, z.B., die Nasalität im
Deutschen ein redundantes Merkmal, weil sie die Wortbedeutung nicht ändert,
aber im Polnischen oder Französischen unterscheidet sie die Wortbedeutungen. Für
die deutschen Konsonanten ist die Palatalisation ein irrelevantes Merkmal, im
Russischen wirkt sie jedoch wortdifferenzierend: [рат] – [р'ат]; [стал] – [стал']
usw. Oder nehmen wir die Vokallänge: Sie gehört im Deutschen zu den
phonologischen Merkmalen, während sie im Russischen oder Belarussischen
redundant ist, d.h. die Wortbedeutungen nicht unterscheidet.
1.4. Phonem und seine Funktionen in der Sprache

-8-
Das Phonem spielt eine große Rolle in dem Sprachsystem: Es wirkt in
verschiedene Richtungen, und seine wichtigsten Funktionen sind:
 die konstitutive, d.h. bildende, integrierende: Die relevanten Merkmale
können an sich zusätzliche, irrelevante Merkmale binden und Laute
bilden;
 die distinktive, d.h. die bedeutungsunterscheidende;
 die identifizierende, d.h., das Phonem, die relevanten Merkmale darin
helfen unserem Ohr entsprechende Laute zu erkennen, auch wenn sie im
Redestrom oft wesentlich verändert sind;
 die repräsentative, d.h., das Phonem vertritt eine ganze Reihe von
ähnlichen Lauten: /p/, zum Beispiel, vertritt den behauchten und
palatalisierten [p]-Laut im Wort Peter, das labialisierte [p] im Wort
Puder, das verlängerte und halb entstimmlichte [p] in Abbau.
 Einige Phoneme können außerdem delimitativ, d.h. abgrenzend wirken. So
erscheinen z.B. die Phoneme /z/, /j/ oder /h/ nie am Ende des Wortes, die
Phoneme /ŋ/ oder /x/ sind am Wortanfang unmöglich. Wenn sie im
Redestrom erscheinen, signalisieren sie den Anfang des Wortes oder sein
Ende, d.h., sie helfen dem Hörer, im Redestrom Wortgrenzen zu finden.

1.5. Phonem und seine Varianten (Allophone)


Die Phoneme als Bündel von relevanten Merkmalen sind abstrakte Gebilde. Sie
bestehen als abstrakte Modelle in unserem Gehirn und gehören zum Sprachsystem.
Beim Sprechen verwandeln sie sich in Laute – konkrete, physikalische Größen, in
Schallwellen, die wir mit unseren Sprechorganen produzieren. Ein Laut enthält
neben den relevanten Merkmalen auch redundante, unwesentliche, die die
Wortbedeutung nicht verändern. Solche Gebilde werden in der
Sprachwissenschaft auch A l l o p h o n e oder Phonemvarianten genannt. Dabei
ist es so, dass ein Phonem die Grundlage für mehrere Allophone bilden kann:

[r]: fahren
ein labialisiertes [tº]: tun
/r/ [R]: Rampe
[]: wir
Rampe /t/ ein behauchtes [ ]: Thema
[ɐ]: unser ein labialisiertes [t̛ ]: Titel

Alle diese Laute unterscheiden sich etwas in ihrem Klang, doch wir erkennen sie
als entsprechende gleiche Phoneme, weil die Unterschiede für die Wortbedeutung
irrelevant sind.

-9-
Graphisch könnte man das Verhältnis zwischen dem Phonem und Allophon
auf folgende Weise darstellen (s. Abb. 1):

Phonem

Abb.1. Verhältnis zwischen dem Phonem und Allophon

Obwohl das Phonem und die Allophone wie Teil und Ganzes eng
zusammenhängen, gibt es zwischen ihnen jedoch einige wichtige Unterschiede:
 Phoneme sind situations- und positionsunabhängig, während die
Sprechsituation oder die Stellung des Lautes im Wort seine
Eigenschaften wesentlich verändern können;
 Phoneme sind abstrakte, mentale Konstrukte, während die Allophone
physikalische Realität besitzen, materiell sind;
 allophonische Variation hat keine Folgen für die Wortbedeutung,
während jede Veränderung im Bündel der relevanten Merkmale, d.h. im
Phonem für die Wortbedeutung folgenschwer ist;
 der Phonemgehalt einer Sprache ist relativ stabil, lange Zeit
unveränderlich, während die Allophone leicht und schnell neue
Eigenschaften erhalten.
Bedeutungs- und sinnunterscheidende Mittel gibt es nicht nur auf der
Lautebene, sondern auch im Bereich der Intonation. So wirken, z.B., die
Wortbetonung oder Melodie wort-und sinnunterscheidend:
mo′dern – ′modern; pas′sìv – ′Passiv.

Du machst das. (Befehl) – Du machst das? (Zweifel)

Bündel von prosodischen Merkmalen, die Bedeutungen unterscheiden,


werden P r o s o d e m e genannt.

- 10 -
1.6. Phonem, Buchstabe, Graphem
Zum Festhalten der vergänglichen mündlichen Texte hat die Menschheit in
verschiedenen Teilen der Erde versucht, bestimmte graphische Symbole zu finden.
So sind unterschiedliche Schriften entstanden, in denen für einzelne Phoneme
spezifische Zeichen erfunden wurden. Diese Zeichen erhielten den Namen
B u c h s t a b e n . Die Gesamtheit der Schriftzeichen einer Sprache bildet ihr
Alphabet.
Es gibt Tausende Sprachen in der Welt und viel weniger Schriftarten, denn
die Erfindung einer Schrift ist ein langer und mühseliger Prozess. Man kennt heute
die lateinische, die arabische, die kyrillische, die armenische, die altgriechische
und neugriechische Schrift, die Hieroglyphen der Chinesen, Japaner und anderer
orientalischer Völker und einige andere Alphabete; darunter sehr alte. Die meisten
Sprachen der Erde haben jedoch kein eigenes Alphabet und gebrauchen entlehnte
Schriftsysteme. So ist auch die deutsche Sprache: Sie verwendet das lateinische
Alphabet. Da aber die Phonemsysteme des Deutschen und des Lateinischen nicht
identisch sind, gibt es nicht für alle deutschen Phoneme entsprechende Buchstaben
im lateinischen Alphabet: Es fehlten, z.B., spezielle Zeichen für die Phoneme
/z/, /ŋ/, /y:/ und einige andere, weil es diese Laute in der lateinischen Sprache nicht
gab. Andererseits gibt es im lateinischen Alphabet Buchstaben, für die das heutige
Deutsch keine Phoneme hat: v, x, y, c. Das erschwert den Gebrauch eines fremden
Alphabets und zwingt die Völker, die fremde Schriften entlehnen, zu
Kompromissen – zum Verbinden von Buchstaben für einige Phoneme (sch, ch,
tsch, ng) oder zum parallelen Gebrauch einiger Zeichen für ein Phonem:

[f] Vater [y:] Übung [ks] wachsen


für hydro maximal

Ein Buchstabe oder eine Buchstabenverbindung zur Bezeichnung eines


Phonems wird G r a p h e m genannt. Das Graphem wird auch als die „kleinste
distinktive Einheit der geschriebenen Sprache definiert“ (G. Meinhold, S.210):
mehr – Meer; fiel – viel usw. Diese Einheiten sind distinktiv, weil manchmal nur
die Schreibweise des Wortes zu verstehen gibt, was gemeint wird:
Das waren sehr gute Waren. Oder: Das ahnen die Ahnen nicht.
Das bedeutet, dass jede Sprache, die sich eines entlehnen Alphabets bedient, neben
den Buchstaben noch ein System von Graphemen, Buchstabenkombinationen für
einige Phoneme haben muss. Dadurch kommt es zu komplizierten Beziehungen
zwischen den Buchstaben und Graphemen. Einerseits kann ein Phonem durch
verschiedene Grapheme bezeichnet werden. Andererseits muss man lernen, hinter
- 11 -
verschiedenen Graphemen dasselbe Phonem zu sehen und die Wörter entsprechend
auszusprechen, z.B.:

‹k› : Kiste ‹t›: mit


‹ck›: Backe ‹th›: Thema
/k/ ‹ch›: wachsen
Rampe /t/ Rampe
‹tt›: Watte
‹g›: Berg ‹d›: Bad

In der Linguistik kann man die Bezeichnung „Graphem“ in mehreren


Bedeutungen finden: als Synonym für „Buchstabe“ (I.A. Baudouin de Courtenay),
als Repräsentanten des Phonems (R. Jakobson, R. Große) oder als bedeutungs-
unterscheidende graphische Größe (J. Vachek). Die letzte Auffassung teilen heute
die meisten Wissenschaftler (G. Meinhold, S. 210).
Vergleicht man die Schreibweise eines Wortes mit seinem Klangkörper, so
merkt man leicht, dass ein Wort mehr Buchstaben als Grapheme haben kann, denn
einige Buchstaben können nur zusammen ein Phonem bezeichnen:

Wort Phonemzahl Buchstabenzahl Graphemzahl


was 3 3 3
siehst 4 6 4
Schnee 3 6 3

Grapheme werden in jeder Sprache nach bestimmten Regeln gebraucht. Ein


Regelwerk, das die Verwendung der Grapheme und Interpunktion in jeder Sprache
bestimmt, heißt Orthographie oder Rechtschreibung.
Eine phonetische Umschrift, die die Aussprache der geschriebenen Texte
erleichtert, heißt Transkription. Mit Hilfe von Transkriptionszeichen für die
Phoneme und zusätzlichen (diakritischen) Zeichen ( z.B., [:] für Länge, [’] für den
festen Einsatz, [ º ] für Labialisation usw.) kann man genau die Eigenschaften der
Laute fixieren, in die sich die Phoneme beim Sprechen verwandeln.
System der Ausspracheregeln einer Sprache bezeichnet man als Orthoepie.
Das Beherrschen der orthoepischen Regeln gehört zur Sprechkultur jedes
Einzelnen. Das gilt für die Muttersprache genauso wie für die Fremdsprache, denn
die Aussprache ist nämlich die Visitenkarte jedes, der zum Sprechen seinen Mund
aufmacht. Der Erfolg der Kommunikation hängt nicht zuletzt von dem deutlichen
Sprechen ab.

- 12 -
1.7. Phonetik und Phonologie
Durch die Unterschiede beim Herangehen an die Lautmaterie der Sprache
unterscheidet man heute zwei linguistische Teildisziplinen, die sich mit der
Klanggestalt des Wortes und größerer Einheiten befassen: P h o n e t i k und
P h o n o l o g i e . Unter Phonetik versteht man die praktische Lautlehre: Die
Phonetik macht uns mit dem Lautbestand einer Sprache bekannt, mit der
Artikulation jedes einzelnen Lautes, mit den Gesetzmäßigkeiten der Verbindung
der Laute im Redestrom, mit Akzentregeln, mit Veränderungen der Laute in
verschiedenen Positionen im Wort und Text. In ihrem Blickwinkel befinden sich
sowohl wesentliche als auch sprachlich unwesentliche Lauteigenschaften: Die
Phonetik erfasst alles, was zum Sprechen gehört und im Redestrom vorhanden ist.
Die Phonologie dagegen befasst sich mit dem Wert der Lautgebilde, mit den
Gesetzen, nach denen das menschliche Ohr wahrgenommene Schallwellen als
bestimmte Gestalten identifiziert, nach denen das Gehirn hinter unterschiedlich
klingenden Lauten dieselben Muster erkennt. Sie befasst sich mit jenen
Eigenschaften des Lautes, die dem Hörer die Distinktion ermöglichen. Sie
interessiert sich für die Funktion, d.h. für die Rolle der Laute und ihrer
Bestandteile im Redestrom. Sie versucht, relativ konstante, von der individuellen
Färbung freie, für die gesamte Sprachgemeinschaft gültige Normmuster im
Gedächtnis der Sprachträger zu ermitteln, nach denen sie die Laute produzieren,
miteinander verbinden und beim Hören erkennen. Sie filtert alles Zufällige,
Individuelle, Konkrete aus und konzentriert sich auf das allgemein Gültige,
Überindividuelle, Stabile. Die Phonologie verallgemeinert. Dadurch leistet sie
ihren Beitrag zur Sprachwissenschaft, zum Aufbau jenes detaillierten
Sprachsystems, das überzeugend erklären würde, wie die Sprache funktioniert.

1.8. Aus der Geschichte der Phonologie


Die Phonologie ist eine relativ junge linguistische Disziplin: Sie ist Ende der 20er
Jahre des vergangenen Jahrhunderts in dem Prager Linguistischen Zirkel
entstanden. Ehemalige russische Sprachforscher N. Trubetzkoy, S. Karcevskij und
R. Jakobson, die damals als Emigranten in Prag lebten und forschten, erregten
1928 auf dem Ersten Internationalen Linguistenkongress im Haag viel Aufsehen
mit ihren Thesen zur historischen Phonologie. Im Jahr 1939 erschien das berühmte
Werk von N. Trubetzkoy „Grundzüge der Phonologie“, das bis heute als
klassisches Werk der Phonologie gilt. Mit diesem Buch wurde der Öffentlichkeit
eine geschlossene, wenn auch wegen des Todes des Verfassers im Jahre 1938 nicht
völlig abgeschlossene Darstellung der phonologischen Prinzipien und Methoden

- 13 -
vorgelegt – eine damals revolutionäre Betrachtungsweise der Lautmaterie. Seitdem
gilt N. Trubetzkoy als Begründer der Phonologie. Das ist nicht ganz richtig,
obwohl dieser Wissenschaftler ohne Zweifel bis heute der bekannteste Phonologe
ist. Er stützte sich jedoch auf die Ideen seiner Vorläufer und Lehrer und
entwickelte sie weiter.
Den Grundstein zur phonologischen Betrachtung des Lautes legte der
russische Sprachforscher I.A. Baudouin de Courtenay, der ab 1875 zuerst in
Kasan, dann in Petersburg als Universitätsprofessor lehrte und zusammen mit
seinen Kollegen und Schülern phonologische Studien betrieb. N. Trubetzkoy
kannte die Auffassungen seines Lehrers, stützte sich darauf, entwickelte sie in Prag
weiter und brachte sie zu einer abgeschlossenen Lehre.
I.A. Baudouin de Courtenay ging in seiner Phonemtheorie auf das Phonem
psychologisch heran: Für ihn war das Phonem „eine einheitliche, der phonetischen
Welt angehörende Vorstellung, welche mittels psychischer Verschmelzung der
durch die Aussprache eines und desselben Lautes erhaltenen Eindrücke in der
Seele entsteht, psychisches Äquivalent des Sprachlautes“ (I.A. Baudouin de
Courtenay, 1985, S.9: zitiert nach G. Meinhold, S. 38). Er betonte, dass das
Phonem kein unteilbarer Komplex ist, sondern eine Summe artikulatorischer und
akustischer Vorstellungen (er nannte sie Kineme oder Akusmen) darstellt. Im
Phonem werden Kineme und Akusmen zu einem einheitlichen Ganzen verbunden.
Er warf auch die Frage auf, welche Rolle einzelne Laute für die Unterscheidung
der Wortformen spielen. Das ist gerade der Punkt, den N. Trubetzkoy in seiner
Theorie zum wichtigsten machte: die distinktive Rolle des Lautes. Dabei ging
N. Trubetzkoy einen Schritt weiter als sein Lehrer: Die Phoneme sind laut seiner
Ansicht imstande, nicht nur die Wortformen (поле – поля – полю), sondern auch
Wortbedeutungen zu unterscheiden: том – дом; дам – дым.
Die Arbeit des Prager Zirkels erstreckte sich über viele Gebiete
(Funktionalstilistik, Kommunikationstheorie, Sprechkultur u.a.m.), doch in der
Mitte steht vor allem die Phonologie, aufgebaut von N. Trubetzkoy und
R. Jakobson. Sie gingen von F. de Saussures Dichotomie zwischen Sprache und
Sprechen, zwischen Sprachgebilde (langue) und Sprechakt (parole) aus, leiteten
davon die Trennung zwischen Phonetik und Phonologie ab, zwischen
physikalischer Materie und abstrakter Lautstruktur. N. Trubetzkoy formulierte die
Hauptfunktionen des Phonems (distinktive, kulminative und delimitative), von
denen ihm die distinktive am wichtigsten war. Er entwickelte die Lehre von den
phonologischen Oppositionen, die sich als ein brauchbares praktisches Instrument
bei der Ermittlung des Phoneminventars einer Sprache erwiesen und später auf
- 14 -
anderen Gebieten der Linguistik ausprobiert wurden. N. Trubetzkoy definierte das
Phonem als „die Gesamtheit der phonologisch relevanten Eigenschaften eines
Lautgebildes“ (N. Trubetzkoy, S.35). Sein Beitrag zur Phonologie geht aber weit
darüber hinaus. Er formulierte Regeln für die Trennung der Phoneme und ihrer
Varianten, verglich und beschrieb Lautsysteme mehrerer Sprachen, darunter das
deutsche und das russische Phonemsystem. Sein Herangehen an die Laute nennt
man funktional, denn ihn interessierte vor allem die Funktion jedes Lautgebildes
im gesamten Sprachsystem.
Neben N. Trubetzkoy entwickelte die Phonemlehre ungefähr in derselben
Zeit sein englischer Kollege D. Jones. Er hatte aber eine andere Vorstellung vom
Phonem. Er betrachtete das Phonem als ein Glied in der Familie von
klangverwandten Lauten. Diese Laute werden in einer Sprache so gebraucht, dass
„kein Glied der Familie im Wechsel mit irgendeinem anderen Glied innerhalb
eines Wortes in dem gleichen phonetischen Zusammenhang auftritt“ (G. Meinhold,
S. 43). N. Trubetzkoy lehnte diese Vorstellung konsequent ab: Für ihn war die
Rolle eines Lautgebildes in der Sprache wichtiger als seine Verwandtschaft mit
ähnlichen Lauten in den Texten.
Ein weiterer Schritt in der Phonologie der Prager Linguisten war die
Entwicklung ihrer Ideen durch R.Jakobson und seine amerikanischen Kollegen
C.G.M. Fant und M. Halle in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA.
Auf Grund zahlreicher experimentell-phonetischer Untersuchungen ergänzten die
amerikanischen Forscher die Liste der artikulatorischen distinktiven Merkmale
von N. Trubetzkoy durch deren akustische Korrelate. Sie definierten deshalb
distinktive Merkmale als Summe bestimmter akustischer Schwingungen, die der
Hörer im Redestrom leicht heraushört, weil er das beim Erlernen der Sprache
gelernt hat. So haben diese Forscher der wissenschaftlichen Öffentlichkeit
12 Merkmale (neun Sonoritäts- und drei Tönungsmerkmale) präsentiert, die, wie
sie hofften, für die Beschreibung von Phonemen aller Sprachen der Welt
ausreichen würden. Doch bald zeigte sich, dass diese Merkmale unzureichend und
nicht universell anwendbar sind.
Die amerikanischen Strukturalisten der 50er Jahre (L. Bloomfield,
Z.S. Harris) verlegten die Wortbedeutung außerhalb der sprachlichen Formen und
analysierten lediglich die Form. Die amerikanischen Phonologen G.L. Trager,
H.L. Smith, Ch.F. Hockett u.a. machten sich im Rahmen dieser Theorie zum
Schwerpunkt die Distribution von Lauten in einer Sprache. Sie transkribierten
genau die Texte, gliederten darin einzelne Segmente aus, verglichen sie in
verschiedenen Positionen und versuchten auf dieser Grundlage zu bestimmen, ob

- 15 -
ein Phonem oder ein Allophon vorhanden ist. Sie berücksichtigten dabei einige
Prinzipien (des Kontrasts und der Komplementarität, der phonetischen
Ähnlichkeit, der Symmetrie und der Ökonomie). Das war ein aufwendiges und
sehr kompliziertes Verfahren, das der Willkür der Forscher großen Raum
gewährte, deshalb fand es keine große Verbreitung in der Fachwelt.
Die generative Grammatik der 60er Jahre (N. Chomsky und seine
Nachfolger) bettete die Phonologie in die kommunikativ-pragmatische
Komponente der Sprache ein. Dadurch hob sie die klassische Phonologie auf. Sie
interessierte sich nicht mehr für die Zuordnung der Varianten den Phonemen,
stellte nicht mehr Phonemsysteme auf. Sie erklärte die Merkmale für die
wichtigsten phonologischen Einheiten und versuchte Regeln aufzustellen, nach
denen die Merkmale in die grammatischen Formative – Morpheme – eingegliedert
werden. Das brachte die Phonologie wenig nach vorn.
Die sowjetische Phonologie ist durch einige wissenschaftliche Schulen
vertreten.
Die Leningrader Phonologische Schule ist mit den Namen von
L.W. Schtscherba, L.R. Sinder, M.I. Matussetitsch u.a. verbunden. So entwickelte
L.W. Schtscherba, in Anlehnung an N. Trubetzkoy, die Variantenlehre in
Anwendung auf die russische Sprache. M.I. Matussetitsch und L.W. Bondarko
forschten über die Rolle der physiologischen und akustischen Merkmale für das
Lautsystem einer Sprache. L.R. Sinder entwickelte die allgemeine Phonetik,
N.D. Swetosarowa und ihre Universitätskollegen befassten sich mit der Phonetik
der deutschen Sprache.
Die Moskauer Phonologische Schule ist durch solche bekannten
Wissenschaftler wie R.I. Avanessow, V.N. Sidorow, A.A. Reformatskij,
R.K. Potapova, L.P. Blochina u.a. vertreten. Diese Wissenschaftler stützten sich
überwiegend auf Baudouins Auffassungen des Phonems, obwohl sie die Ansichten
von N. Trubetzkoy auch nicht ablehnten. So berücksichtigt, z.B., A.A. Reformat-
ski bei der Segmentierung des Textes und bei der Phonemdifferenzierung vor
allem die Morphemidentität. Er sieht auch die phonologischen Merkmale anders,
als N. Trubetzkoy: A.A. Reformatskij trennt sie in integrierende (= irrelevante) und
differenzierende (= distinktive) und berücksichtigt bei der Phonembeschreibung
die beiden Klassen, auch wenn die integrierenden Merkmale keine Oppositionen
bilden. Ferner unterscheidet er zwischen Variation von Phonemen und
Phonemvarianten. Unter Variation versteht er Phonemveränderungen, bei denen
Lautgebilde entstehen, die mit anderen Phonemen dieser Sprache nicht
übereinstimmen: die Kuh [khu:]. Als Varianten werden solche
- 16 -
Phonemveränderungen gewertet, die sich mit anderen Phonemen überlappen:
Berge – Ber[k]. Offensichtlich ist die grammatische Orientierung der Forscher, die
auf B. de Courtanay zurückgeht. Die Moskauer Phonologische Schule entwickelte
in diesem Rahmen die Positionslehre – Theorie für starke und schwache Positionen
der Phoneme im Wort.
Die belarussischen Wissenschaftler entwickelten die Phonemlehre durch den
Aufbau strenger Phonemsysteme (W.I. Padlushny), forschten über das phonetische
System der belarussischen Sprache (W.I. Padlushny, L.T. Wygonnaja,) befassten
sich intensiv mit der Phonostilistik und mit verschiedenen Aspekten phonetischer
Systeme der europäischen Fremdsprachen (K.K. Baryschnikowa, S.M. Gaidučik,
T.W. Poplawskaja, L.P. Morosowa, E.B. Karnewskaja und viele andere).

- 17 -
2. SYSTEMATISIERUNG DER DEUTSCHEN VOKALE

2.1. Definition des Vokals


2.2. Artikulatorische und akustische Eigenschaften der Vokale
2.3. Funktionen der Vokale im Sprachsystem
2.4. Relevante Merkmale der deutschen Vokale
2.5. Systematisierungsmöglichkeiten der deutschen Vokale:
2.5.1. Das Vokalviereck
2.5.2. Systematisierung der Vokalphoneme nach phonologischen
Merkmalen
2.5.3. Phonologische Oppositionen der deutschen Vokale
2.5.4. Systematisierung der Vokale nach artikulatorischen und
akustischen Merkmalen
2.6. Phonologische Probleme im Bereich der deutschen Vokale

2.1. Definition des Vokals


Zu den bekanntesten Universalien der Sprache gehört die Unterscheidung
zwischen den Vokalen und Konsonanten. Diesen Unterschied gibt es in allen
Sprachen der Welt. Dabei ist die Anzahl der Konsonanten stets größer als die der
Vokale. Die kleinste bis jetzt fixierte Anzahl von Vokalphonemen ist 3, die größte
– 46, der Mittelwert beträgt ca. 8 Vokale (T.A. Hall, S.80).
Als V o k a l e bezeichnet man Öffnungslaute, reine Tonlaute, die nur aus
dem Ton bestehen. Sie entstehen durch das Schwingen der Stimmbänder und
erhalten durch unterschiedlich geformte Resonanzräume (Rachen und Mundhöhle)
unterschiedliche Qualität, unterschiedlichen Klang. Der Ton entsteht durch das
Vibrieren der Stimmbänder. Er gelangt durch den Rachen in den Mundraum, wo er
durch die Bewegung der Zunge nach oben und nach unten, nach vorn oder nach
hinten wesentlich modifiziert wird. So entstehen dunklere oder hellere Laute.
Dabei wird jedoch der Weg für den Luftstrom nie richtig gesperrt.
Deutsche Vokale – wie auch russische und belarussische – sind reine
Orallaute, d.h., die Nasenhöhle als Resonanzraum ist für sie irrelevant. Das ist
aber nicht in allen Sprachen der Fall. Für polnische oder französische Vokale, z.B.,
ist auch dieser Resonanzraum sehr wichtig, denn in diesen Sprachen gibt es orale
und nasale Vokalphoneme, die Wortbedeutungen unterscheiden. Im deutschen
Vokalsystem ist die Nasalisierung irrelevant.

- 18 -
2.2. Artikulatorische und akustische Eigenschaften der Vokale
Artikulatorisch sind die Vokale, wie oben erwähnt, Öffnungslaute. Das heißt, dass
bei ihrer Produktion im Mundraum oder im Rachen keine wesentlichen
Hindernisse für den Luftstrom entstehen, der aus der Lunge fließt. Die Luft strömt
ungehindert durch die Bronchien, erreicht die gespannten Stimmlippen und streift
sie. Die Stimmlippen vibrieren, erzeugen den Ton, der zuerst in den Rachen, dann
in die Mundhöhle gelangt. Dort wird er mehr oder weniger modifiziert und kommt
durch die geöffneten Lippen als Schallwelle ins Freie.
Akustisch sind Vokale Schallwellen von niedriger Frequenz: Ihr
Frequenzbereich überschreitet nicht 2500 Hz, während die Werte für die meisten
Konsonanten zwischen 7000 und 10 000 Hz liegen. Alle Vokale haben dabei zwei
wichtige Formantenbereiche: den oberen und den unteren. Diese Formanten liegen
bei jedem Vokal in spezifischer Höhe (s. Abb. 2).

Abb. 2. Sonogramme der deutschen langen Vokale (nach G. Lindner)

2.3. Funktionen der Vokale im Sprachsystem


Für die Sprache und das Sprechen spielen die Vokale eine sehr große Rolle. Sie
wirken
 konstitutiv, silbenbildend, d.h., sie verbinden einzelne Laute zu Silben;
 sie sind tontragend, d.h., sie machen unsere Rede hörbar; außerdem
 tragen sie prosodische Eigenschaften: Ton, Intensität und Dauer.
2.4. Relevante Merkmale der deutschen Vokale
- 19 -
Das deutsche Vokalsystem ist kompliziert. Es besitzt 15 bis 19 Vokalphoneme,
darunter 15–16 Monophthonge und 3 Diphthonge (die Differenz ergibt sich aus
unterschiedlicher Bewertung einzelner Laute durch verschiedene Phonologen).
Unter M o n o p h t h o n g e n versteht man einheitliche Laute, bei deren
Aussprache die Sprechorgane ihre Lage nicht verändern. D i p h t h o n g e sind
dagegen Gleitlaute: Bei ihrer Produktion gleiten die Sprechorgane aus einer Lage
in die andere.
Das gesamte deutsche Vokalinventar (Monophthonge und Diphthonge)
kann nach 6 phonologischen Merkmalen zusammengefasst werden:
 Die Stabilität der Sprechorgane trennt die Monophthonge von den
Diphthongen.
Für die Systematisierung der Monophthonge braucht man fünf weitere
Merkmale:
 die Quantität – Differenzierung der Vokale nach der Dauer;
 die Qualität – Grundlage für die offenen und geschlossenen Vokale;
 die Labialisierung – Unterschied zwischen gerundeten und nicht
gerundeten Vokalen;
 die Zungenreihe – Berücksichtigung der horizontalen Bewegung der
Zunge;
 die Zungenhebung – die vertikale Bewegung des Zungenkörpers.
Wenn man diese Merkmale nach ihrem Wert für den Phonemgehalt ordnet,
bekommt man die folgende Struktur (s. Abb. 3, nach G. Povilaitis):

In dieser Reihenfolge schwinden nämlich die Merkmale des Vokals bei der
Beschleunigung des Tempos.
2.5. Systematisierungsmöglichkeiten der deutschen Vokale
- 20 -
2.5.1. Das Vokalviereck
Das älteste und einfachste Vokalsystem der deutschen Vokale ist das V o k a l -
v i e r e c k (s. Abb. 4), in dem alle Monophthonge nach zwei Merkmalen
geordnet sind: nach der Zungenreihe und Zungenhebung.

In diesem klassischen Schema nehmen 16 deutsche Monophthonge folgende Lage


ein (s. Abb. 5):
vorn zentral hinten
hoch

mittelhoch

tief

Abb. 5. Matrix der deutschen Vokalphoneme nach T.A. Hall

Dieses System hat seine Vor- und Nachteile. Es ist einfach, übersichtlich,
erfasst aber nur wenige Merkmale. Das ist ein vereinfachtes, recht grobes System,
deshalb versuchten viele deutsche Phonologen es zu präzisieren. So sind, z.B., die
Vokalvierecke von G. Meinhold (Abb. 6) oder K. Kohler (Abb. 7, S. 22). Das
Viereck von Prof. G. Meinhold diferenziert genauer die Zungenhebungen (fünf
Stufen statt üblicher drei), zeigt unterschiedliche Reihen für die /a/-Phoneme (s.
Abb. 6). Das Viereck vom Prof. K. Kohler widerspiegelt Unterschiede in der Lage
der hohen Vokale [i:] und [u:], zählt zu den Vokalphonemen auch das reduzierte

- 21 -
[ə] und das vokalisierte [ɐ] (s. Abb. 7). Die beiden Wissenschaftler betonen auch,
dass die kurzen Vokale etwas weiter im vorderen Mundraum gebildet werden als
die entsprechenden langen.

Abb. 6. Deutsches Vokalviereck nach G. Meinhold

Abb. 7. Viereck der deutschen Vokale nach K.Kohler

2.5.2. Systematisierung der Vokalphoneme nach relevanten Merkmalen


Wenn man alle fünf relevanten Merkmale der Vokale berücksichtigt, kann man die
deutschen Monophthonge in einer Tabelle zusammenfassen (s. Tab. 2.1).
Zu den Vorteilen dieser Tabelle gehört die volle Erfassung aller relevanten
Merkmale jedes Vokals. Aus der Tabelle ist es auch ersichtlich, dass sich jedes
Vokalphonem von jedem anderen wenigstens durch ein wichtiges Merkmal
unterscheidet.

- 22 -
T a b e l l e 2.1. Deutsche Vokalphoneme, geordnet nach ihren relevanten
Merkmalen

Merkmal Gruppe Vokalphoneme


a: a :  e: i:  y: y ø: œ u: ʊ o: ɔ ə
Quantität lang + + + + + + + +
kurz + + + + + + + +
Qualität geschlos. + + + + + +
offen + + + + + + + + + +
Labiali- labial. + + + + + + + +
sierung nicht lab. + + + + + + + +
Zungen- vordere + + + + + + + + + +
reihe mittlere +
hintere + + + + +
Zungen- hohe + + + + + +
hebung mittlere + + + + + + + +
tiefe + +

Der Nachteil der tabellarischen Darstellung der Vokalphoneme ist jedoch die
Umständlichkeit des Systems: Die Tabelle enthält 12 Klassen, sie ist groß.

2.5.3. Phonologische Oppositionen der deutschen Vokale


Die Suche nach einer vollen und logischen Darstellungsweise der Phonemsysteme
brachte N. Trubetzkoy zum Begriff der O p p o s i t i o n , d.h. des Kontrasts, des
Gegensatzes. Die Minimalpaare, die einen bedeutungsdifferenzierenden Kontrast
aufweisen, nannte N. Trubetzkoy phonologische Oppositionen: [mast] – [mist];
[za:t] – [zat]; [las] – [nas]. Er entwickelte eine ganze Lehre über die Oppositionen,
systematisierte sie nach verschiedenen Merkmalen.
Bei der Behandlung der Oppositionen geht man streng logisch vor. Man
geht davon aus, dass jede Opposition zwei Glieder hat: eines mit einem Merkmal
(es heißt markiert, merkmalstragend) und das andere ohne Merkmal (unmarkiert,
merkmallos). So ist, z.B. in der Opposition [za:t] – [zat] das erste Glied markiert
(+), denn der Vokal trägt das Merkmal „Länge“. Das zweite [a] ist unmarkiert (-),
denn dem kurzen Vokal fehlt dieses Merkmal. In der Opposition [’:ə] – [’e:ə] ist
nach dem Merkmal „Geschlossenheit“ das zweite Glied markiert, weil das [e:]
geschlossen ist. Das erste Glied bleibt unmarkiert, weil ihm die Geschlossenheit

- 23 -
(Spannung) fehlt. Solche Oppositionen werden zum Systematisieren von
Phonemen gebraucht.
Für die deutschen Vokale wurden von N. Trubetzkoy 7 Oppositionen
aufgestellt, nach denen er alle Vokalphoneme zusammengefasst hat (s. Tab. 2.2).

T a b e l l e 2.2. Systematisierung der deutschen Vokale nach


phonologischen Oppositionen von N. Trubetzkoy

Phonologi- Vokalphoneme
sche Oppositionen a:  y: u:  ə
Merkmale
Quantität lang/nicht lang + - + + - -
Qualität gespannt/nicht gesp. - - + + - -
Labialisierung
rund/nicht rund - - + + - -
Zungenreihe vorn/nicht vorn - + + - + -
hinten/nicht hinten + - - + - -
Zungenhebung hoch/nicht hoch - - + + + -
tief/nicht tief + - - - - -

Diese Tabelle ist viel einfacher und übersichtlicher als die Tabelle 2.1. Sie
widerspiegelt jedoch nicht alle Eigenschaften der Vokale, sondern nur ihre
„starken Seiten“, d.h. nur diejenigen, die sie von den anderen Gliedern im System
unterscheiden. Jedes Vokalphonem hat darin sein eigenes „Gesicht“.
T. Allan Hall hat dieses System dadurch vereinfacht, dass er auf die
Opposition „vorn/nicht vorn“ verzichtete. In seinem System verwendet er zum
Merkmal „Zungenreihe“ nur die Gegenüberstellung „hinten/nicht hinten“ und
zählt alle Vokale, die nicht im vorderen Mundraum gebildet werden, zu den
unmarkierten. Infolgedessen hat sein System nur sechs Oppositionen, es ist noch
kürzer und übersichtlicher.

2.5.4. Systematisierung der Vokale nach artikulatorischen und akustischen


Merkmalen
Amerikanische Phonologen R. Jakobson, M. Halle und C.G.M. Fant haben Ende
der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts das phonologische System von N. Trubetzkoy
ergänzt. Sie haben versucht, die artikulatorischen Merkmale von N. Trubetzkoy
durch ihre akustischen Äquivalente zu vervollständigen, die sie inzwischen
experimentell gewonnen haben. So haben sie ein Verzeichnis von 9 Sonoritäts-

- 24 -
und 3 Tönungsmerkmalen zur phonologischen Beschreibung aller Sprachen der
Welt angeboten. Diese Merkmale sehen so aus (nach G. Meinhold, S. 45-46):

T a b e l l e 2.3. Akustisch-artikulatorische Eigenschaften der Phoneme

Sonoritätsmerk- Akustische Artikulatorische


male
vokalisch (+) / Vorhandensein (+) od. Stimmproduktion mit freiem
nicht vokalisch Nichtvorhandensein (-) einer Austritt des Schalls aus der
(-) scharf umrissenen Mundhöhle (+)
Formantenstruktur
konsonan- Geringe (+) bzw. hohe (-) Stimmproduktion mit
tisch (+) / Schallstärke gehemmtem Austritt des
nicht konsonan- Schalls aus der Mund-
tisch (-) höhle (+)
kompakt (+) / Größere (+) bzw. geringere Großes (+) od. kleines (-)
diffus (-) (-) Energiekonzentration in Verhältnis des Ansatzraums
einem schmalen Gebiet des vor dem Hindernis zum
Spektrums Raum hinter dem Hindernis
gespannt (+) / Mehr (+) oder weniger (-) Größeres (+) od. kleine-
ungespannt (-) scharf abgegrenzte res (-) Abweichen des
Resonanzbereiche im Ansatzraumes od. des
Spektrum mit größerer (+) artikulierenden Organs von
oder kleinerer (-) Schallstärke der Ruhestellung
stimmhaft (+) / Vorhandensein (+) od. Fehlen Periodische Schwingungen
stimmlos (-) (+) periodischer der Stimmlippen (+) oder
Schwingungen ihr Fehlen (-)
nasaliert (+) / Ausbreitung der Intensität Beteiligung des Nasenraums
nicht nasaliert (-) über breitere Frequenz- an der Artikulation (+)
bereiche und spezifische
Formantenveränderungen (+)
abrupt (+) / Plötzliche Schalländerung Rasches Ein- und Aussetzen
kontinuierlich (-) oder abrupte Stille (+), z.B. der Schallquelle durch
bei Verschluss) Öffnung und Schließung des
Ansatzraumes (+)
scharf (+) / Größere (+) od. geringere (-) Größere (+) / kleinere (-)
mild (-) Geräuschintensität Spannung der Sprech-
muskulatur
Fortsetzung der Tab. 2.3.
- 25 -
gehemmt (+) / Starke Intensitätsentwicklung Zusammenpressen oder
ungehemmt (-) in kurzer Zeit (+) bzw. Verschluss der Stimmlippen
geringe Intensitätsverände- (+) od. nicht (-)
rung in längerer Zeit (-)
Tönungsmerkmale
dunkel (+) / Intensitätskonzentration in Labiale sowie
hell (-) dem tieferen (+) od. höheren postpalatalvelare (+) oder
Bereich (-) dentale, alveolare,
präpalatale Position der
Artikulationsstelle (-)
tief (+) / Schwächung höherer Verschiedene Querschnitte
nicht tief (-) Frequenzen (+) oder Fehlen der Verengung am Ein- und
dieses Merkmals (-) Ausgang der Mundhöhle
spitz (+) / Erhöhung od. Verstärkung Verschiedene
nicht spitz (-) höherer Frequenzen (+) Minimalquerschnitte der
Verengung am pharyngalen
Ausgang der Mundhöhle

Zwar stellte sich mit der Zeit heraus, dass diese Merkmale nicht universell
anwendbar sind, dass man für alle Sprachen der Welt mehr Merkmale braucht
(E. Ternes rechnet mit etwa 30), doch das war ein kühner Versuch, die
artikulatorische Seite der Sprechlaute mit ihren akustischen, physikalischen
Eigenschaften zu verbinden.

2.6. Phonologische Probleme im Bereich der deutschen Vokale


Trotz vieler Systematisierungsmöglichkeiten der deutschen Vokalphoneme gibt es
im Bereich des deutschen Vokalismus bis jetzt nicht wenige ungelöste und strittige
Fragen. Die wichtigsten davon sind:
1.  Zahl der deutschen Vokalphoneme: Sie schwankt in unterschiedlichen
Klassifikationen zwischen 15 und 19. Problematisch sind dabei vor allem der
Vokal [ə] und das vokalisierte [r]. Für N. Trubetzkoy war das reduzierte [ə]
zweifellos ein Phonem, weil es die Wortbedeutungen unterscheiden kann: Boot –
Bote, Kohl – Kohle, Pol – Pole, List – Liste usw. Das war für den Begründer der
Phonologie der wichtigste Beweis für den phonologischen Wert eines Elementes.
Ähnliches gilt auch für das vokalisierte [r]: Lage – Lager, Fliege – Flieger usw.
Viele Phonologen bleiben bei diesem Standpunkt auch heute und zählen die beiden
- 26 -
Vokale zu den vollwertigen deutschen Vokalphonemen (z.B., K. Kohler). Ihre
Opponenten betonen dagegen die Tatsache, dass alle „richtigen“ Vokalphoneme
betont werden können, die beiden „defekten“ jedoch nie. Außerdem kann das
reduzierte [ə] in einigen Formen ausfallen, und das ändert nichts an der Bedeutung
des Wortes: Fliege nach Rom! – Flieg nach Rom! Packe deine Sachen! – Pack
deine Sachen! Das vokalisierte [r] wechselt dazu bei der Formveränderung des
Wortes mit dem Konsonanten [r] (weiter - weitere, bitter - bittere), was richtige
Vokale auch nie tun. Folglich, behaupten sie, seien das keine richtigen
Vokalphoneme, sondern Varianten der anderen Phoneme.
2.  Der zweite Stein des Anstoßes bei den deutschen Vokalen sind die
Diphthonge: ihre phonologische Bewertung und ihre Bestandteile.
Was die phonologische Bewertung angeht, so teilen sich die Ansichten, ob
Diphthonge monophonematisch oder biphonematisch sind, d.h. ob sie unteilbar
sind oder ob sie aus zwei Elementen bestehen.
Artikulatorisch sind diese Segmente zweifellos einheitlich, man merkt
keinen Übergang von einem Element zum anderen. Sie gehören auch zu einer
Silbe, was für die phonologische Bewertung wesentlich ist. Doch
wortunterscheidend wirken im Diphthong nicht die beiden Teile, sondern nur
einer, meist der zweite (Haus – heiß, man – mein, Eis – aus, Wannen – weinen
usw.). Auditiv nehmen wir auch deutlich zwei unterschiedliche Elemente in diesen
Segmenten wahr. Infolgedessen werden die Diphthonge bald als selbständige
Vokalphoneme, bald als Kombinationen von zwei Vokalphonemen bewertet, was
die Gesamtzahl der deutschen Vokalphoneme erhöht oder mindert.
Da das zweite Element in den Diphthongen schwach und undeutlich ist,
kann man es nicht genau identifizieren, und für die deutschen Diphthonge findet
man in der Fachliteratur verschiedene Bezeichnungen: [ai], [au], [ɔy] im Duden-
Wörterbuch, [ei], [ao] und [ɔø] im „Großen Wörterbuch der deutschen
Aussprache“, [au], [aɪ] und [oɪ] in der „Phonologie” von T. Alan Hall. Folglich
sind weitere Forschungen darüber nötig.
3.  Ein weiteres phonologisches Problem ist der Status des langen offenen
[:] im deutschen Vokalsystem. Einerseits kann man nicht leugnen, dass dieses
Element wort- und formunterscheidend wirkt: wegen - wägen, sehen - säen, Seele
– Säle, Beete – bäte, geben – gäben, Beeren- Bären usw. Doch die Zahl solcher
Oppositionen ist nicht groß. Außerdem bilden im Deutschen lange und kurze
Vokale immer Paare, nur zum kurzen offenen [] gehören zwei lange Vokale: [:]
und [e:], was das strenge System zerstört.

- 27 -
4.  Nicht eindeutig ist auch der phonologische Status der sonoren
Konsonanten. Akustisch sind sie den Vokalen gleich: Sie bestehen nur aus dem
Ton. Funktional, was für die Phonologie von besonderem Wert ist, sind sie auch
den Vokalen ähnlich: Sie können Silben bilden. Sollte man sie deshalb nicht zu
den Vokalen zählen? Aber sie treten leicht in natürliche Verbindung mit richtigen
Vokalen und bilden zusammen mit ihnen Silben. Außerdem sind sie deutliche
Hindernislaute im Unterschied zu den Vokalen, die Öffnungslaute sind. Auf solche
Weise schließen zwei Seiten dieser Phoneme einander aus: Sie sind weder richtige
Vokale noch vollwertige Konsonanten.
Zusammenfassend kann man sagen: Es ist offensichtlich, dass noch viele
phonologische Probleme gibt, die einer Lösung harren und Raum für weitere
Forschungen bieten. Außerdem muss man betonen, dass kein sprachliches System
vollkommen und stabil ist, und das ist für die Sprache sehr wichtig: Nur offene
Systeme haben Potential zur Entwicklung. Das Sprachsystem besitzt dieses
Potential und nutzt es.

- 28 -
3. SYSTEMATISIERUNG DER DEUTSCHEN KONSONANTEN

3.1. Definition des Konsonanten


3.2. Funktionen der Konsonanten in der Sprache
3.3. Relevante Merkmale der deutschen Konsonanten
3.4. System der deutschen Konsonanten nach ihren relevanten Merkmalen
3.5. Klassifikation der Konsonanten nach phonologischen Oppositionen
3.6. Phonologische Probleme im Bereich der deutschen Konsonanten

3.1. Definition des Konsonanten


Im Gegensatz zu den Vokalen, die reine Öffnungslaute sind, sind die Konsonanten
Hemmlaute oder Hindernislaute. Das bedeutet, dass bei ihrer Artikulation im
Mundraum unterschiedliche Hindernisse für den Luftstrom entstehen. Sie
verhindern den freien Luftstrom, und an diesen Stellen entsteht das Geräusch, das
für die Konsonanten typisch ist.
Hindernisse für den Luftstrom können verschiedener Art sein: Der Luftstrom
kann gesperrt werden (z.B., b ei der Artikulation der Verschlusslaute); er kann
verengt (wenn Frikative ausgesprochen werden) oder verlegt werden (z.B., bei der
Produktion von Nasalen).
Die Konsonanten unterscheiden sich von den Vokalen nicht nur
artikulatorisch, sondern auch akustisch und funktional. Akustisch sind die
Konsonanten Laute von hoher Frequenz: Ihre Schallwellen liegen im weiten
Bereich, von etwa 1000 Hz bei Sonoren bis zu 10 000 Hz bei den stimmlosen
Reibelauten. Das kann man deutlich auf dem Sonogramm sehen (Abb. 8).

Abb. 8. Registrierstreifen der Entscheidungsfrage „Sein Vater ist Maler?“

- 29 -
3.2. Funktionen der Konsonanten in der Sprache
Die Konsonanten sind reichlich in allen Sprachen vertreten. Dabei ist ihre Anzahl
meist größer als die der Vokale. Für das Deutsche gilt jedoch diese Regel nur
begrenzt: Diese Sprache hat fast so viele Konsonanten- wie Vokalphoneme.
Funktionell sind die Konsonanten nicht weniger wichtig für die Sprache als
Vokale. Während die Vokale den Ton tragen und Silben bilden, begleiten die
Konsonanten die Vokale, unterbrechen den Stimmton und ergänzen die Vokale zu
Silben, aus denen dann die Wörter entstehen: dann – wann – was – das – an;
Biene – Igel – biegen – viele – Miete – sieden – sieben.
Mit Recht betonen die Wissenschaftler, dass die Vokale unsere Rede hörbar
machen, die Konsonanten machen sie aber verständlich.

3.3. Relevante Merkmale der deutschen Konsonanten


Für deutsche Konsonanten sind 4 Merkmale relevant, d.h., sie genügen, um
alle Konsonanten in ein System zu bringen, einander gegenüberzustellen. Das sind:
 S o n o r i t ä t (Beteiligung der Stimme): Wie laut klingt der Konsonant?
 A r t i k u l a t i o n s a r t: Wie, auf welche Weise wird der Laut gebildet?
 A r t i k u l a t i o n s s t e l l e: Wo, an welcher Stelle entsteht das Hindernis?
 Ar t i k u l a t o r (artikulierendes Organ): Welches bewegliche Sprechorgan
beteiligt sich an der Hindernisbildung?
Die phonologischen Merkmale sind auf bestimmte Weise strukturiert, d.h.,
es gibt darunter Merkmale, die den Kern des Phonems bilden, und es gibt
diejenigen, die am Rand liegen. Diese Beziehungen kann man schematisch
folgenderweise darstellen (s. Abb. 9):

- 30 -
Den Kern des Konsonanten, wie es aus der Abblidung ersichtlich ist, bilden
zwei untrennbare Merkmale: die Artikulationsstelle und der Artikulator. Die
beiden Merkmale gehören zusammen, denn keines von ihnen kann allein den
Konsonanten produzieren. Nur gemeinsam können sie einen Verschluss oder eine
Enge bilden. Danach kommt die Artikulationsart. Sie bestimmt, wie der Laut
gebildet wird: durch eine Sprengung des Verschlusses, eine Enge, durch den
Wechsel von dem Verschluss zur Enge usw. Am äußeren Rand der
Konsonantenstruktur liegt die Sonorität (die Beteiligung der Stimmbänder). Dieses
Merkmal schwindet zuerst, wenn das Tempo schneller wird. Ihm folgen die
anderen in der Reihenfolge vom Rand zum Zentrum.
Diese vier phonologischen Merkmale werden genannt, wenn wir ein
Konsonantenphonem definieren, z.B.:
[d] ist ein stimmhafter (Sonorität) alveolar-koronaler (Artikulationsstelle +
Artikulator) Verschlusssprengkonsonant (Artikulationsart), oder:
[x] ist ein stimmloser (Sonorität) velar-postdorsaler (Artikulationsstelle +
Artikulator) Engereibekonsonant (Artikulationsart).

3.4. System der deutschen Konsonanten nach relevanten Merkmalen


Wendet man sich den phonologischen Merkmalen der deutschen Konsonanten zu,
so sieht man, dass jedes von ihnen recht viele Gruppen bilden kann. So gliedern
sich die deutschen Konsonanten nach dem Merkmal S o n o r i t ä t in drei
Gruppen:
 sonore Konsonanten, die nur aus dem Ton bestehen ([m], [n], [l], [r], [ŋ]);
 stimmhafte, die neben dem Ton auch Geräusch enthalten ([b], [d], [g], [v],
[z], [ჳ], [j]. Manche Phonologen rechnen dazu auch den [h]-Laut, weil er nur
vor und zwischen den Vokalen gesprochen wird und deshalb fast immer den
Stimmton enthält;
 stimmlose, die nur aus dem Geräusch bestehen ([p], [t], [k], [f], [s], [∫], [ç],
[x]).
Die A r t i k u l a t i o n s a r t bietet der Sprache folgende Möglichkeiten:
Zwei Sprechorgane, die Artikulationsstelle und der Artikulator, bilden einen
Verschluss, der
 gesprengt wird, wobei Verschlusssprenglaute (Explosive) entstehen ([b],
[p], [d], [t], [g], [k]),
 in eine Enge übergeht, wodurch man Gleitlaute, Verschlussengelaute oder
Affrikaten bekommt ([], [], []) oder

- 31 -
 bestehen bleibt, der Luftstrom entweicht aber auf einem anderen Weg, durch
eine Öffnung (Verschlussöffnungslaute: Nasale [m], [n], [ŋ] und Liquida [r]
und [l]).
Nähern sich zwei Sprechorgane einander, so bilden sie eine Enge, durch die
der Luftstrom mit Geräusch strömt. So entstehen Engelaute (auch Reibelaute,
Engereibelaute oder Frikative genannt): [f], [v], [s], [z], [∫], [ჳ], [ç], [j], [x], [h] –
die größte Konsonantengruppe im Deutschen.
Beim Vibrieren des Zäpfchens oder der Vorderzunge entstehen Zitterlaute
(oder Vibranten). Im Deutschen sind das nur zwei Laute: [R] und [r].
Die A r t i k u l a t i o n s s t e l l e , d.h. der unbewegliche Teil des
Sprechapparats, beteiligt sich sehr aktiv an der Bildung der Konsonanten. Als
Artikulationsstelle dienen verscheidene Teile des Sprechapparats, darunter:
 die Oberlippe: Dort werden die Lippenlaute [p], [b], [m] gebildet;
 die Oberzähne: Dort entstehen die Zahnlaute [f] und [v];
 der Zahndamm (die Alveolen), wo alveolare Konsonanten produziert
werden: [t], [d], [n], [l], [s], [z], [r];
 die hintere Seite des Zahndamms, wo postalveolare Laute [∫] und [ჳ]
gebildet werden;
 der harte Gaumen, der die Artikulationsstelle für die präpalatalen
Konsonanten [ç] und [j] bildet;
 der weiche Gaumen, wo die velaren Laute [k], [g], [ŋ] und [x] artikuliert
werden;
 das Zäpfchen: Bei seinem Vibrieren entsteht der Zäpfchenlaut [R];
 der Kehlkopf, wo der laryngal-pharyngale Hauchlaut artikuliert wird.
Was den A r t i k u l a t o r angeht, d.h. das bewegliche Sprechorgan, so
hat-der Sprechapparat dafür nicht viele Möglichkeiten. Das sind:
 die Unterlippe, die zusammen mit der Oberlippe oder den Zähnen Lippen-
und Zahnlippenlaute bildet: [p], [b], [m], [f], [v];
 die Vorderzunge (corona), die zusammen mit den Alveolen eine lange
Reihe von Konsonanten produziert: [t], [d], [n], [l], [s], [z], [∫], [ჳ], [r];
 die Mittelzunge, die an der Artikulation der Laute [ç] und [j] teilnimmt;
 die Hinterzunge, die im hinteren Mundraum, am weichen Gaumen, die
velaren Laute [k], [g], [ŋ] und [x] bildet;
 das Zäpfchen, das durch sein Vibrieren den [R]-Laut hervorbringt;
 die Stimmlippen (Glottis), die durch ihre Annäherung und Spannung den
Hauchlaut entstehen lassen.

- 32 -
Wenn man versucht, alle Merkmale der Konsonanten miteinander zu
verbinden, so bekommt man folgendes tabellarisches System der deutschen
Konsonanten (s. Tab. 3.1).

T a b e l l e 3.1. Tabellarische Zusammenfassung der deutschen Konsonanten

Artikulationsstelle
la- den dental- late- prä- prä-post- velar uvular lary-
Artikula- bial -tal alveo- ral pala- pala-
palatal ngal-
lar tal tal (velar) pha-
tionsart
Artikulierendes Organ ryn-
gal
la- labi- koro- koro- koro- medio- post- post- post-
bial al nal nal nal dorsal dorsal dorsal dorsal
Explo- stimmlos p t k
sive stimm- b d g
haft
Frika- stimmlos f s ∫ ç x
tive stimm- v z ჳ j h
haft
Nasale m n ŋ
Liquida r l R
(fließende)

Dabei müssen einige Merkmale (z.B., die Artikulationsstelle und das


artikulierende Organ) zusammengelegt werden, denn die Tabelle ermöglicht es
nicht, vier Merkmale einzeln zu präsentieren. Die Tabelle zeigt jedoch, welche
Konsonantenklassen es im Deutschen gibt und wie dicht alle Klassen besetzt sind.
In der Tabelle gibt es auch leere Kästen. Sie zeigen, dass es noch recht viele
Möglichkeiten gibt, neue deutsche Konsonanten zu bilden.
Die Konsonanten können nach ihren relevanten Merkmalen auch anders
systematisiert werden: Man kann die Konsonantenklassen auflisten und in der
Tabelle für jeden Konsonanten vier Merkmale markieren, die das entsprechende
Phonem besitzt. So bekommt jedes Konsonantenphonem in der Tabelle vier Plus-
Zeichen (außer [n] und [l], die je fünf Merkmale brauchen, um voll beschrieben zu
werden). Das gibt jedem Konsonanten sein genaues „Porträt“, d.h., nennt alle seine
wesentlichen Eigenschaften, die wir bei der Beschreibung des Phonems
erwähnen müssen (s. Tabelle 3.2).
- 33 -
T a b e l l e 3.2. System der deutschen Konsonanten nach ihren
relevanten Merkmalen

Rele- Konsonan- p b d n l m ŋ k s z h x R f j 
vante tengruppen
Merk-
male
Sonorität sonore + + + + +
stimmhafte + + + +
stimmlose + + + + + + +
Verschluss- + + + +
sprenglaute
Artikula- Verschluss- +
tionsart engelaute
Verschluss- + + + +
öffnungsl.
Engelaute + + + + + +
Zitterlaute +
Labiale + + + + +
Artiku- Koronale + + + + +
lator Mediale +
Dorsale + + +
Uvulare +
Lippenlaute + + + +
Zahnlaute + +
Alveolare + + + + +
Artikula- Nasale +
tions- Laterale +
stelle Postalveol.
Präpalatale +
Velare + + +
Uvulare +

Der Vorteil dieser Tabelle ist, dass sie jedem Konsonanten seine allseitige
Charakteristik gibt. Ihr Nachteil ist die Umständlichkeit: Sie enthält 22 Klassen.
Von vielen Merkmalen, die in der Tabelle enthalten sind, besitzt jeder Konsonant
nur vier (höchstens fünf), alle anderen Felder bleiben leer.
- 34 -
3.5. Klassifikation der Konsonanten nach phonologischen Oppositionen
Ein einfacheres, übersichlicheres System stellt die Klassifikation der Konsonanten
nach phonologischen Oppositionen dar. Bei diesem streng logischen Verfahren
werden durch Gegenüberstellung alle deutschen Konsonantenphoneme in Klassen
zusammengefasst, die von den vier relevanten Merkmalen dieser Phoneme
abgeleitet werden (s. Tab. 3.3). Dabei nimmt man von jedem Merkmal nicht alle
Möglichkeiten, die es bietet, sondern nur die wenigen, die für die
Gegenüberstellung dieses Konsonanten den anderen genügen.

T a b e l l e 3.3. Phonologische Oppositionen der deutschen Konsonanten

Merkmale Oppositionen
1. Sonorität obstruent (Geräuschlaute) / nicht obstruent (Laute
ohne Geräusch, Sonore)
Fortis (stimmlose) / Lenis (stimmhafte)
2. Artikulationsart frikativ/nicht frikativ (Engelaute)
3. Artikulator koronal/nicht koronal (Vorderzungenlaute)
4. Artikulationsstell - vorn/nicht vorn (im vorderen Mundraum gebildet)
e - hinten/nicht hinten (im hinteren Mundraum gebildet)
- nasal/nicht nasal (die Luft entweicht durch den
Nasenraum)
- lateral/nicht lateral (die Luft entweicht durch die
Öffnungen an den Seitenrändern der Zunge)
- laryngal-pharyngal/nicht laryngal-pharyngal (im
Kehlkopf und Rachen gebildet)

Nach diesen logischen Gegenüberstellungen hat N. Trubetzkoy alle


deutschen Konsonanten in einer kleinen Tabelle zusammengefasst (s. Tab. 3.4,
S. 36), die statt 22 Konsonantengruppen nur 9 Klassen enthält.
Genauso wie die vokalischen Oppositionen zeigen die konsonantischen
Kontraste nur einen Teil der „starken“ Seiten der Konsonantenphoneme, nämlich
diejenigen, die sie bei dem Vergleich der Minimalpaare voneinenander
unterscheiden. Andere wesentliche Merkmale bleiben dabei im Hintergrund,
während die Tabelle 3.2 alle relevanten Merkmale berücksichtigt. Das ist eben der
Preis für die Vereinfachung der Darstellung: Will man etwas einfacher
präsentieren, muss man auf einiges verzichten.
- 35 -
T a b e l l e 3.4. System der deutschen Konsonanten nach phonologischen
Oppositionen von N.Trubetzkoy

Oppositionen p t k b d g f s ∫ x h v z m n ŋ l r j
obstruent + + + + + + + + + + + + + - - - - - +
fortis + + + - - - + + + + + - - - - - - - -
frikativ - - - - - - + + + + + + + - - - - - +
koronal - + - - + - - + + - - - + - + - + + -
vorn + + - + + - + + + - - + + + + - + + -
hinten - - + - - + - - - + + - - - - + - - -
nasal - - - - - - - - - - - - - + + + - - -
lateral - - - - - - - - - - - - - - - - + - -
laryngal - - - - - - - - - - + - - - - - - - -

Spätere Sprachforscher haben die Tabelle von N. Trubetzkoy reduziert,


indem sie für das deutsche Konsonantensystem teils andere Merkmale gewählt
haben (vergl. Tab. 3.4 und 3.5), teils eine andere Interpretation für einige
Konsonanten angeboten haben (vergl. Tab. 3.4 und Tab. 3.5, 3.6).

T a b e l l e 3.5. Matrix der deutschen Konsonantenphoneme von E. Ternes

Oppositionen p t k b d g f s ∫ x h v z m n ŋ l R j
konsonantisch + + + + + + + + + + - + + + + + + + -
dauernd (frikat.) - - - - - - + + + + + + + - - + + + +
anterior (vord.) + + - - + - + + + - - + + + + - + - -
koronal - + - - + - - + + - - - + - + - + - -
nasal - - - - - - - - - - - - - + + + - - -
lateral - - - - - - - - - - - - - - - - + - -
stimmhaft - - - + + + - - - - - + + + + + + + +

Das betrifft, z.B., die Konsonanten [j] und [h], denen von manchen Linguisten der
Konsonantenstatus genommen wird, weil sie nicht alle Merkmale typischer
Konsonanten besitzen: Sie sind an besondere Positionen im Wort gebunden und
dienen in der Sprache mehr als Anhänger für Vokale denn als richtige
Konsonanten. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sie nur in Kombination mit
Vokalen in der Wörtern erscheinen, sonst nicht, z.B.: haben, verhindern, die Jacht,
jammern, jubeln usw.
- 36 -
T a b e l l e 3.6. Phonologische Oppositionen der deutschen Konsonanten
von T.A. Hall

p t k b d g f s ∫ x h v z m n ŋ l r j
Oppositionen
konsonantisch + + + + + + + + + + - + + + + + + + -
dauernd (frik.) - - - - - - + + + + + + + - - + + + +
anterior (vorn) + + - + + - + + + + - + + + + - + + -
koronal - + - - + - - + + - - - + - + - + - -
lateral - - - - - - - - - - - - - - - - + - -
stimmhaft - - - + + + - - - - - + + + + + + + +

Die strenge Logik der Klassifikation von N. Trubetzkoy fehlt jedoch diesen
neueren Darstellungen, denn manche Konsonanten, die sich deutlich voneinander
unterscheiden, haben in diesen Tabellen denselben phonologischen Gehalt (vergl.,
z.B. die Phoneme /s/ und /∫/, was in dem System von N. Trubetzkoy nicht vorkam.
Die Konsonanten kann man auch, genauso wie die Vokale, nach
universellen artikulatorisch-akustischen Merkmalen von R. Jakobson, M. Halle
und G. Fant klassifizieren. Dann gelten für sie dieselben akustischen und
artikulatorischen Sonoritäts- und Tönungsmerkmale, die für die Vokale auf S. 25-
26 angeführt sind.

3.6. Phonologische Probleme im Bereich der deutschen Konsonanten


Im Bereich der deutschen Konsonanten gibt es, wie auch unter den Vokalen,
problematische Fragen, über die lebhafte wissenschaftliche Diskussionen
andauern. Die wichtigsten davon sind:
1. Zahl der deutschen Konsonantenphoneme, die in verschiedenen Systemen
wesentlich schwankt. Einwände werden erhoben gegen das fremdsprachige [ჳ], das
in echt deutschen Wörtern nie vorkommt, gegen die Affrikaten, die nicht selten als
Verbindungen von zwei Phonemen angesehen werden, gegen den Hauchlaut als
selbständiges Konsonantenphonem, gegen das [ç] als Phonem usw.
2. Da das [ჳ] nur in Fremdwörtern (vor allem französischen und russischen)
vorkommt, gibt es Vorschläge, das Phonem aus dem deutschen Phoneminventar zu
eliminieren. Sonst müsste man konsequent bleiben und alle anderen fremden
Phoneme zu den deutschen gesellen, denn die gibt es in Fremdwörtern in Hülle
und Fülle, vor allem in englischen Wörtern, die jetzt massenweise in das Deutsche
einströmen.
- 37 -
3. Mit den deutschen Affrikaten hat man dasselbe Problem wie mit den
Diphthongen: Sind diese Lautverbindungen phonologisch trennbar oder
untrennbar? Sind das Monophoneme oder Biphoneme? Differenzieren sie
Wortbedeutungen als Ganzes oder nur durch einen Teil? (Panne – Pfanne, Tante –
tanze, Tischen – zischen,, zwischen – zwitschern, deutschen – deuten usw.).
Für N. Trubetzkoy waren die Affrikaten diejenigen Segmente, die
Wortbedeutungen differenzieren, untrennbar gesprochen werden, keine
Sonderpositionen im Wort verlangen. Das waren schwerwiegende Beweise für
ihren monophonematischen Status. Für Prof. G. Meinhold dagegen sind die
Bestandteile einer Affrikate zwei selbständige Phoneme, weil sie nur durch einen
kleinen Teil der Lautverbindung die Wörter unterscheiden, weil sie zu
verschiedenen Silben gehören, weil ihre Bestandteile als selbständige Phoneme im
deutschen Sprachsystem fungieren, weil es auch andere ähnliche
Lautkombinationen in der deutschen Sprache gibt, die jedoch nicht als Affrikaten
gewertet werden (z.B., [ks]: wachsen, Dachs, Fuchs oder [kv]: quer, Quartier,
quaken usw.). Die Meinungen bleiben bis heute geteilt.
Andererseits gibt es Vorschläge, neben den drei deutschen Affrikaten noch
die vierte, nämlich [] in das deutsche Phonemsystem aufzunehmen, weil es im
heutigen Deutschen viele englische Wörter gibt, die diese Affrikate enthalten.
Demzufolge sollte es im Deutschen nicht drei, sondern vier Affrikaten geben.
4. Ein weiteres Problem ist die phonologische Bewertung von [ç] und [x].
Das ist zweifellos ein Phonem, weil diese Laute die Wortbedeutungen nicht
unterscheiden. Sie ersetzen nur einander in verschiedenen Positionen: Buch –
Bücher, Dach – Dächer, brach – brechen usw. Doch was gehört in das
Phonemsystem: das ältere [x] oder das jüngere, doch gebräuchlichere [ç]? Eine
eindeutige Antwort gibt es auf diese Frage nicht.
5. Da der Hauchlaut nur vor oder zwischen den Vokalen gesprochen wird,
gibt es Vorschläge, diesen Laut nicht zu den Konsonanten zu zählen, sondern als
behauchten Einsatz der Vokale zu betrachten. Das sei kein Hemmlaut, behaupten
einige Phonologen, denn es gibt bei seiner Artikulation kein richtiges Hindernis im
Mundraum. Der Laut ist fest an die Vokale gebunden, wird nie am Wortende oder
in Verbindung mit Konsonanten gesprochen – was ist das für ein Konsonant? Das
ist nur eine Behauchung für die Vokale! Die deutschen Vokale haben einen
weichen und einen festen Einsatz. Daneben kann man dann auch von einem
behauchten sprechen. Haben sie Recht?

- 38 -
6.  Problematisch vom phonologischen Standpunkt aus sind auch die so
genannten komplementär verteilten Phoneme – Phoneme, die fest an bestimmte
Positionen gebunden sind und nie in anderen erscheinen können: Das [h], z.B. ist
nur vor Vokalen im Wortanlaut oder Wortinlaut möglich, das [ŋ] – nur nach
kurzen Vokalen am Wortende: [haŋ], [zaŋ]. Dasselbe gilt auch für die
Konsonanten [z] und [j], die nur vor oder zwischen den Vokalen, am Wortanfang
oder im Wortinnern zur Geltung kommen: die Sonne, der Sand, besonnen, die
Jacht, bejahen.
Nach den phonologischen Regeln von N. Trubetzkoy gelten solche
Lautgebilde als Varianten eines Phonems. Demzufolge sollten [h] und [ŋ] oder [z]
und [ŋ] als Varianten desselben Phonems bewertet werden. Dabei weisen diese
Laute keinerlei akustische oder artikulatorische Ähnlichkeit auf. Ihre
phonologischen Merkmale sind auch absolut verschieden. Man sieht also, dass die
phonologischen Regeln nicht immer in der Praxis konsequent anwendbar sind.
7.  Nicht eindeutig ist auch, wie oben behandelt, der phonologische Status
von den Sonoren, weil sie akustisch und funktional mehr den Vokalen ähneln als
den Konsonanten: Sie bestehen nur aus dem Ton und können Silben bilden.
Artikulatorisch sind sie aber richtige Konsonanten: Sie sind Hindernislaute,
verbinden sich leicht mit den Vokalen und bilden gemeinsam Silben, was für
richtige Vokale unmöglich ist. Das sind eben Grenzgebilde, eine Übergangsklasse
zwischen den Vokalen und Konsonanten, Phoneme, die zurzeit Merkmale der
beiden Klassen besitzen.
Diese und einige andere Probleme im Bereich der deutschen Konsonanten
warten auf weitere Lösungsvorschläge und junge Forscher mit neuen Ideen.

- 39 -
4. LAUTMODIFIKATIONEN IM REDESTROM UND LAUTWECHSEL

4.1. Koartikulation als Grundlage für Lautmodifikationen


4.2. Typen der Lautmodifikationen
4.3. Kombinatorische und positionsbedingte Lautmodifikationen
4.4. Vokalische und konsonantische Modifikationen
4.5. Phonologischer Lautwandel und phonetischer Lautwechsel

4.1. Koartikulation als Grundlage für Lautmodifikationen


Die relevanten und irrelevanten Merkmale spielen in der Sprache verschiedene
Rollen. Während die relevanten Merkmale für die Unterscheidung der Phoneme
und Wortbedeutungen sorgen, helfen die irrelevanten Merkmale dem Sprecher, die
Laute leichter miteinander zu verbinden, denn wir sprechen nicht mit einzelnen
Lauten, sondern mit ihren Folgen, die sehr schnell einander ablösen.
Jeder Laut durchläuft bei der Artikulation einige Etappen:
 die A n f a n g s p h a s e (Anglitt), in der sich die Sprechorgane auf die
Aussprache des Lautes vorbereiten;
 die H a u p t p h a s e , wo der Laut richtig zur Geltung kommt, weil die
Sprechorgane ihre Stellung bereits fixiert haben, und
 die E n d p h a s e (Abglitt), wenn die Sprechorgane bereits zum nächsten
Laut übergehen.
Dabei kommen diese Etappen nicht genau nacheinander, sondern sie
überlappen sich, decken sich teilweise, z.B.:
[ k y: l ]
Anglitt Hauptphase Abglitt Hauptphase Abglitt Hauptphase Abglitt
Anglitt Anglitt

In unserem Beispiel wirkt der starke, betonte ü-Vokal, der zu den


labialisierten und vorderen gehört, auf die Artikulation der beiden Konsonanten:
Der k-Laut wird labialisiert, weil die Lippen sich im Voraus auf die Artikulation
von [y:] vorbereiten. Gleichzeitig wird dieser Konsonant leicht palatalisiert, weil
sich die Zunge im Voraus auf die Artikulation des vorderen Vokals [y:] einstellt.
Der l-Laut wird ebenfalls teilweise gerundet gesprochen, weil sich die Lippen nach
dem Vokal [y:] nicht so schnell ihre Rundung aufgeben können. Doch da für die
Artikulation von [k] und [l] die Lippenrundung nicht wesentlich ist, merken wir
diese zusätzliche Artikulation gar nicht.
Die partielle Überlappung der artikulatorischen Grenzphasen einzelner Laute
wird in der Linguistik als K o a r t i k u l a t i o n bezeichnet (mit-Artikulation,
- 40 -
ein Teil der fremden Artikulation). Sie erleichtert wesentlich die Verbindung der
Laute im Redestrom, dadurch werden aber die Laute teilweise verändert,
modifiziert.
Die Koartikulation ist im Prinzip unvermeidlich beim Sprechen in jeder
Sprache, denn unsere Sprechorgane haben eine begrenzte Flexibilität: Sie können
nicht im Nu ihre Lage ändern. Doch in verschiedenen Sprachen ist die
Koartikulation stärker oder schwächer vertreten, sie weist ihre Besonderheiten auf.
Im Deutschen, z.B., mit seiner energischen, deutlichen Artikulation ist die
Koartikulation weniger ausgeprägt als im Russischen oder Belarussischen. Doch
auch hier gibt es bemerkbare Modifikationen von Lauten beim Sprechen.
Im Redestrom können die Vokale die Konsonanten beeinflussen oder
umgekehrt. Im Deutschen sind die Vokale sehr stark, sie werden energisch
ausgesprochen, deshalb wirken sie wesentlich auf die Konsonanten. Im
Russischen und Belarussischen, umgekehrt, sind die Konsonanten zahlreicher und
stärker im Wort, sie verursachen zahlreiche Modifikationen der Vokale. Deshalb
hat jede Sprache bei einer begrenzten Zahl von Phonemen eine sehr große Anzahl
von ihren Varianten (Allophonen).
Durch die Koartikulation passen sich die Laute teilweise oder voll
aneinander an. Sie gleichen sich an, und diese partielle Angleichung bezeichnet
man im Allgemeinen als A s s i m i l a t i o n .

4.2. Typen der Lautmodifikationen


Die Laute können einander mehr oder weniger im Redestrom beeinflussen, das
hängt von verschiedenen Faktoren ab. Man unterscheidet deshalb mehrere Typen
der Lautassimilationen, d.h. der Lautangleichungen.
Nach der P o s i t i o n der Laute, die aufeinander wirken, unterscheidet
man die
 kontakte Assimilation, bei der die beiden Laute sich in unmittelbarer
Nachbarschaft befinden, nebeneinander im Wort liegen: in + mobil =
Immobilien; es gibt = [ɛs gi:pt], und die
 distante Assimilation (Fernassimilation): Der Laut, der auf den anderen
wirkt, ist von ihm durch einige Laute getrennt: die Macht – mächtig:
Berücksichtigt man die R i c h t u n g , in der ein Laut auf den anderen
einwirkt, so unterscheidet man die
 progressive Assimilation, bei der der erste Laut in der Lautkette den
nächsten modifiziert: das Buch;

- 41 -
 die regressive, wenn wir mit der Rückwirkung zu tun haben: du hebst
[du´he:pst]. Sie ist im Deutschen weniger verbreitet als im Russischen;
 die gegenseitige (reziproke), wenn das erste Element das zweite
modifiziert und gleichzeitig der zweite Laut den ersten verändert:
hängen. In diesem Fall verschiebt der Hinterzungenkonsonant [g] die
Artikulation des alveolaren [n] nach hinten, und gleichzeitig nimmt der
Verschlussöffnungslaut [n] dem Verschlusssprenglaut [g] die Sprengung;
 die doppelseitige (bilaterale), wenn ein Laut von den beiden Seiten, von
links und von rechts, beeinflusst wird: der Alkohol: Der Hauchlaut wird
in diesem Fall durch zwei Vokale, den linken und den rechten, stimmhaft
gemacht.
Nach dem G r a d der Lautmodifikation unterscheidet man die
 volle (totale) und
 partielle Assimilation.
Bei der totalen Assimilation gleicht der stärkere Laut den schwächeren
völlig an: kumber – Kummer; in + materiell = immateriell. Bei der partiellen
Assimilation wird der schwächere Laut zwar modifiziert, doch nicht völlig vom
stärkeren aufgeschluckt: das Glas.
Was die M e r k m a l e angeht, die durch die Koartikulation aufgehoben
werden können, so spricht man von der
 Assimilation der Stimmhaftigkeit (Entstimmlichung), wenn die stimmhaften
Konsonanten in manchen Positionen stimmlos werden: die Berge – die
Bergkette ['bɛrkkɛtə],
 Assimilation der Artikulationsart, wenn sich die Artikulationsart des
Konsonanten ändert: zimber = Zimmer: Der Verschluss wird nicht mehr
gesprengt; aus dem Verschlusssprenglaut [b] entsteht der nasale
Verschlussöffnungslaut [m], oder
 Assimilation der Artikulationsstelle: Der beeinflusste Laut bekommt eine
neue Artikulationsstelle: in + mobil = Immobilien, und der alveolare
Konsonant [n] verwandelt sich in den bilabialen Lippenlaut [m].
Mit Hinblick auf die K l a s s e n v o n L a u t e n , die sich beeinflussen,
unterscheidet man:
 die Assimilation, bei der Laute gleicher Klasse einander modifizieren
(Vokale die Vokale und Konsonanten die Konsonanten: Vokalharmonie,
partielle Entstimmlichung der Konsonanten) und
 die Akkommodation, bei der Vokale und Konsonanten im Wechselspiel
stehen: Palatalisation, Labialisation usw.
- 42 -
4.3. Kombinatorische und positionsbedingte Lautmodifikationen
Alle Arten von Lautmodifikationen haben dieselben zwei Ursachen: Sie werden
entweder durch die Lautnachbarschaft oder durch die Position des Lautes im Wort
verursacht. Manchmal wirken die beiden Faktoren zusammen (z.B., bei der
Gemination).
Lautmodifikationen, die durch die Nachbarlaute im Redestrom entstehen,
werden k o m b i n a t o r i s c h genannt. Sie beziehen sich sowohl auf Vokale
als auch auf Konsonanten: Vokalharmonie, Labialisierung, Palatalisation usw.
Modifikationen, die durch die Veränderung der Position des Lautes im Wort
hervorgerufen werden, heißen p o s i t i o n e l l . Sie können dabei entweder durch
die Veränderung der Stellung des Lautes im Wort (Anlaut, Inlaut oder Auslaut)
oder durch die Verschiebung der Betonung zustande kommen: Auslautverhärtung,
Reduktion oder Dehnung der Vokale u.ä.m. Manchmal sind die beiden Faktoren
gleichzeitig im Spiel. Das erleben wir, z.B., bei dem festen Einsatz: Hier ist die
Stellung des Vokals im Wort wichtig (der Wortanlaut) und auch Betonung (eine
betonte Silbe). Dasselbe gilt auch für die Behauchung: Stimmlose Plosive werden
nur in betonten Silben am Wortanfang oder -ende behaucht gesprochen.

4.4. Vokalische und konsonantische Modifikationen


Modifiziert werden im Redestrom sowohl Vokale als auch Konsonanten. Dabei
sieht man unter diesen Modifikationen sowohl Assimilationen als auch
Akkommodationen.
Zu den vokalischen kombinatorischen Assimilationen gehören:
 der U m l a u t – Veränderung der Reihe oder Hebung der Vokale [a], [o],
[u] durch einen Vokal der vorderen Reihe: die Nacht – nächtlich, die Woche
– wöchentlich;
 die V o k a l h a r m o n i e – leichte Hebung oder Senkung des reduzierten
[ə] unter dem Einfluss des betonten Stammvokals: haben – heben – unter
den Hieben. Bei diesem Prozess gleicht sich der unbetonte Vokal dem
betonten teilweise an.
 die N a s a l i s a t i o n der Vokale oder Konsonanten durch die nasalen
Nachbarlaute: binden, Namen.
Vokalische positionelle Modifikationen sind im Deutschen ebenfall vetreten
und zeigen sich als

- 43 -
 R e d u k t i o n (Raffung) der langen Vokale in unbetonten Silben: ´Uni –
Universi´tät; ´Bio – Biolo´gie;
 leichte D e h n u n g der unbetonten Vokale am absoluten Wortende:
im Kino [o·], dein Foto [o·];
 V o k a l i s i e r u n g des [r] nach langen Vokalen (vor allem im Auslaut,
aber auch im Inlaut: die Ehre, die Herde, die Erde -– []) und im Auslaut
in Verbindung mit dem reduzierten [ә]: bitter, unser – [ɐ] usw. und den
 f e s t e r E i n s a t z der betonten Vokale am Silbenanfang: zu ’Ende,
er’öffnen, be’enden usw.
Zu den kombinatorischen Assimilationen der Konsonanten zählen:
 A s s i m i l a t i o n d e r S t i m m h a f t i g k e I t : das sind;
 A s s i m i l a t i o n d e r A r t i k u l a t i o n s s t e l l e : singen;
 A s s i m i l a t i o n d e r A r t i k u l a t i o n s a r t: zimber = Zimmer;
 N a s a l i s a t i o n der Konsonanten zwischen zwei Nasalen: finden;
 G e m i n a t i o n – Zweigipfligkeit und Dehnung des Konsonanten an der
Morphem- oder Wortgrenze: kann nicht, dickköpfig. Es sei nochmals betont,
dass in diesem Fall die Position und die Nachbarschaft der Laute zusammen
im Spiel sind.
Positionell bedingt sind solche Konsonantenmodifikationen wie:
 die A u s l a u t v e r h ä r t u n g (das Auslautgesetz), d.h. die
Entstimmlichung stimmhafter Konsonanten am Morphemende: Berge –
Ber[k]; halbe – hal[p];
 die A s p i r a t i o n (Behauchung) – stark behauchte Aussprache der
stimmlosen Anfangs- und Endplosive in betonten Silben: tut, Kessel;
Die wichtigsten Akkommodationsarten sind:
 die L a b i a l i s i e r u n g – gerundete Artikulation der Konsonanten durch
den Einfluss der labialisierten Vokale: das Bºuch, die T ºücher, die K ºugel;
 die P a l a t a l i s i e r u n g – Verschiebung der Artikulationsstelle in
Richtung harter Gaumen durch die Vokale der vorderen Reihe: Küche,
Kirche, ging, der Dienst;
 die V e l a r i s i e r u n g – Verschiebung der Artikulationsstelle des [ç]-
Lautes nach hinten durch die hinteren Vokale: Kü[ς]e – Ku[x]en; Kö[ς]e –
ko[x]en, Brü[ς]e – gebro[x]en.

- 44 -
Zur Bezeichnung der regelmäßigen Lautmodifikationen werden in der
Transkription spezifische – diakritische – Zeichen verwendet. Sie bezeichnen
konkrete Eigenschaften jedes Lautes: [a:], [a·], [bº] usw.

4.5. Phonologischer Lautwandel und phonetischer Lautwechsel


Unter L a u t w e c h s e l versteht man Austausch eines Lautes durch einen
anderen bei der Veränderung der Wortform: Garten – Gärten, sehen – er sieht.
Der Lautwechsel wird durch verschiedene Ursachen hervorgerufen, ist mehr
oder weniger in jeder Sprache verbreitet und dient verschiedenen Zwecken.
Mancher Wandel erleichtert nur die Artikulation ([`fa:t ɐ - `fa:tərs]), mancher dient
zur Form- oder Wortbildung: Mantel – Mäntel, jung – jünger, gehen – der Gang,
brechen – der Bruch usw. Aus diesem Grund macht man einen Unterschied
zwischen dem phonologischen Lautwandel und dem phonetischen Lautwechsel.
Unter phonologischem Lautwechsel versteht man den Austausch von
Lauten, der grammatikalisiert oder lexikalisiert ist, d.h. den Lautwandel, der zur
Bildung grammatischer Formen oder neuer Wörter dient: alt – älter, tragen – trägt,
schlafen – schlief, schreiben – die Schrift, schneiden – der Schnitt usw. Dieser
Prozess vollzieht sich sehr langsam, im Laufe von Jahrhunderten, deshalb wird er
auch L a u t w a n d e l genannt. Er beginnt damit, dass eine Zeit lang auf
phonetischer Ebene einige Varianten desselben Phonems in der Sprache
nebeneinander existieren, wie es zurzeit im Deutschen, z.B., mit den r-Varianten
oder [x]- und [ç]-Lauten der Fall ist. In der zweiten Etappe beginnen die
Diskussionen um die Phonologisierung der Varianten: Ist das ein Phonem oder
sind das zwei verschiedene? Langsam wird das Ergebnis der Differenzierung der
beiden Lautformen morphologisiert: Der Unterschied bindet sich an bestimmte
grammatische Formen. Schließlich wird die neue Form soziologisiert: Sie wird von
der Sprachgemeinschaft akzeptiert oder abgelehnt. Akzeptierte Formen werden als
Norm angesehen und setzen sich mit der Zeit überregional durch (O. Kosmin).
Zum phonologischen Lautwandel gehören im Deutschen:
 der U m l a u t – Veränderung der Reihe der Vokale [o], [u] und der Hebung
des Vokals [a]. Der Umlaut wird im Deutschen aktiv sowohl bei der Form-
als auch bei der Wortbildung eingesetzt: der Ofen – die Öfen, hoch – höher,
das Dach – die Dächer, schlafen – er schläft, die Nacht – nächtlich usw.;
 der A b l a u t – eine sehr alte, aus heutiger Sicht unmotivierte Veränderung
des Stammvokals der starken Verben, die zur Bildung von Grundformen
dieser Verben dient: stehen – stand – gestanden, laufen – lief – gelaufen,
fahren – fuhr – gefahren, stehlen – stahl – gestohlen usw.;
- 45 -
 die V o k a l e r h ö h u n g (auch Brechung genannt) – Veränderung der
Hebung des e-Vokals in der 2. und 3. Person Singular einiger starker Verben
mit dem e-Stammvokal: geben – er gibt, nehmen – du nimmst; essen – er
isst;
 der K o n s o n a n t e n w e c h s e l , dessen Gründe man heute nicht mehr
nachvollziehen kann: war – gewesen, tragen – die Tracht, verlieren – der
Verlust, ziehen – der Zug.
Eine Chance für die Phonologisierung hat wohl heute im Deutschen der
Wechsel von [ɐ] -Lauten und von [ç] und [x].
Zum phonetischen Lautwechsel gehören lebendige, verständliche, erklärbare
Veränderungen der Laute in bestimmten Positionen, die keine feste grammatische
oder lexikalische Aufgabe haben und nur das Sprechen erleichtern. Das sind:
 die A u s l a u t v e r h ä r t u n g – Entstimmlichung stimmhafter
Konsonanten am Wort- oder Morphemende: abbrechen, abtragen, das Glas,
der Korb usw.;
 Wechsel von b e h a u c h t e n und u n b e h a u c h t e n Konsonanten :
tun – getan; die Tünche – getüncht;
 Wechsel von l a b i a l i s i e r t e n und n i c h t l a b i a l i s i e r t e n
Konsonanten: z˚og – ziehen, f˚uhr – fahren;
 Wechsel der e i n f a c h e n und g e m i n i e r t e n Konsonanten: ab –
Abbruch, an – annehmen;
 Wechsel von p a l a t a l i s i e r t e n und n i c h t p a l a t a l i s i e r t e n
Lauten: geben – gab; ging – gegangen; schlief – geschlafen;
 Wechsel des k o n s o n a n t i s c h e n [r] mit dem v o k a l i s i e r t e n :
mehrere - mehr, fuhren – fuhr;
 V o k a l h a r m o n i e : gehen – gingen – gegangen; fuhren – gefahren;
 w e i c h e r / f e s t e r Vokaleinsatz: hinab – ’ab, darauf – ’auf;
 l a n g e / h a l b l a n g e Vokale bei der Verschiebung der Wortbetonung:
´Mathe – Mathema´tik, po´litisch – Poli´tik.
An diesen Beispielen sieht man, dass die redundanten Lauteigenschaften
auch wichtig sind und ihre Berechtigung in der Sprache haben: Sie erleichtern uns
wesentlich das Sprechen.

5. PHONOLOGIE DER SILBE


- 46 -
5.1. Definition der Silbe
5.2. Funktionen der Silbe in der Sprache
5.3. Silbe aus phonetischer und phonologischer Sicht
5.4. Silbentypen
5.5.Silbenmodelle im Deutschen
5.6. Probleme der Silbenbildung und Silbentrennung
5.7. Deutsche Phonotaktik

5.1. Definition der Silbe


Als S i l b e bezeichnet man in der Sprache die kleinste natürliche Sprecheinheit,
die aus einem Kern (Gipfel) und einem oder einigen Satelliten besteht. Den Kern
der Silbe bildet ein lautes Segment – in der Regel ein Vokal. Als Satelliten
fungieren leisere Laute – die Konsonanten.
Die Silbe kann nur aus dem Kern bestehen (o-ben, U-fer) oder neben dem Kern
einen oder mehrere Satelliten enthalten: an-neh-men, herbst-lich, Wet-ter. In
einigen Sprachen (im Tschechischen, z.B., auch im Deutschen) können den
Silbenkern nicht nur Vokale, sondern auch sonore Konsonanten bilden: [`fın-dn].
Für die Satelliten des Silbenkerns gibt es in der Linguistik mehrere
Bezeichnungen: Onset (Silbenanlaut: Silbensegment bis zum Vokal, auch
Anfangsrand genannt) am linken Rand, Silbenauslaut (Endrand) am rechten Rand (T.A. Hall),
z.B.:

blind

Onset (Anfangsrand) Silbenkern Silbenauslaut (Endrand)

5.2. Funktionen der Silbe in der Sprache


Die Silbe gehört in den europäischen Sprachen nicht zu den kleinsten
phonologischen Gebilden, sie differenziert nicht die Wortbedeutungen. Diese Rolle
spielen die Phoneme. Die Silbe hat aber auch in diesen Sprachen einige wichtige
Aufgaben:
 Sie wirkt konstitutiv, d.h., sie verbindet einzelne Laute miteinander, bildet
aus getrennten Lauten größere Segmente für den Aufbau der Wörter.
 Sie trägt prosodische Eigenschaften des Wortes: Betonung, Dauer, Intensität
und Tonhöhe.

- 47 -
 Sie ist die kleinste natürliche Sprech- und Wahrnehmungseinheit der
Sprache, d.h., wir können ohne Schwierigkeiten den Text in Silben
skandieren und den skandierten Text mühelos verstehen.
 Sie ist der kleinste Rhythmusträger der Sprache, d.h., bestimmte
Kombinationen von betonten und unbetonten Silben rhythmisieren den
Redestrom.
 Die Silbe zeigt alle möglichen Phonemkombinationen in der Sprache.

5.3. Silbe aus phonetischer und phonologischer Sicht


Der sprachliche Status der Silbe wird in der Linguistik bis jetzt diskutiert.
Niemand leugnet dabei, dass die Silbe eine phonetische Einheit ist: Sie wird
artikuliert und wahrgenommen, sie hat messbare akustische Eigenschaften, ist
folglich eine Realität der Sprache. Man kann jedes Wort in Silben trennen. Das tut
jeder Sprachträger mehr oder weniger sicher. Der Silbe wird jedoch von manchen
Theoretikern der phonologische Status genommen, weil sie die Wortbedeutungen
nicht unterscheidet.
Das stimmt: In den europäischen Sprachen wirkt die Silbe nicht
wortdifferenzierend. Doch das bezieht sich nur auf Lautsprachen, nicht auf die
Sprachen der Welt insgesamt. In der Welt gibt es nicht wenige große Sprachen
(z.B. Chinesisch), in denen die Silben die kleinsten phonetischen Einheiten sind
und die Wortbedeutungen unterscheiden. Das sind so genannte syllabische
Sprachen. Die syllabischen Sprachen kennen keine Laute. Die Wörter bestehen
dort aus Silben, die nicht weiter getrennt werden können. Dort besitzen die Silben
die wichtigste phonologische Eigenschaft – die relevante. Deshalb müssen sie zu
den phonologischen Einheiten der Sprache gezählt werden. Die Phonologen haben
dafür auch andere Argumente, z.B.:
1.  Silbenmodelle bestehen, genauso wie Phoneme, nur abstrakt im
Bewusstsein der Sprachträger, als mögliche Kombinationen der Laute in jeder
Sprache. Erst beim Sprechen verwandeln sich die abstrakten Modelle in konkrete
Sprechsegmente, genauso wie aus Phonemen beim Sprechen die Laute entstehen.
2.  Die Zahl der Silbenmodelle ist in jeder Sprache begrenzt, genauso wie
die Anzahl der Phoneme. Folglich muss die Silbe als eine phonologische Größe
betrachtet werden. Doch diejenigen Phonologen, denen es auf die
Bedeutungsunterscheidung ankommt, weisen diese Argumente vom Tisch.
Wir sehen: Eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob Silben zur Phonologie
gehören oder nur phonetische Gebilde sind, gibt es nicht. Es ist wohl so, dass die
Silbe im Prinzip eine phonologische Einheit ist, doch sie zeigt ihr phonologisches
Potential nicht in allen Sprachen. Da Deutsch zu den Lautsprachen gehört, wirkt
- 48 -
hier die Silbe nicht wortunterscheidend. Sie dient als Baustein für
bedeutungstragende Elemente der Sprache – Morpheme und Wörter. In den
syllabischen Sprachen ist sie jedoch eine richtige phonologische Einheit.

5.4. Silbentypen
Die Sprachen der Welt kennen nur zwei Silbentypen:
 o f f e n e Silben, die mit einem Vokal enden (da, Schu-le, To-re) und
 g e s c h l o s s e n e Silben, die mit einem oder mehreren Konsonanten
ausgehen: das, uns, Obst usw.
Neben diesen Grundtypen unterscheidet man die so genannten
 p o s i t i o n e l l g e s c h l o s s e n e n Silben, d.h. an sich offene
Strukturen, die aber in einigen Positionen, bei der Formveränderung des
Wortes, durch die Konsonanten geschlossen werden: ge-hen, aber: du gehst
– er geht; schla-fen, aber: du schläfst – er schläft; Tü-ren, aber: die Tür.
Positionell geschlossene Silben können bei der Formveränderung geöffnet
werden: du hebst – he-ben; Meer – Mee-re; er steht – ste-hen usw., deshalb
sind die Vokale darin lang.
Der Unterschied zwischen den geschlossenen und positionell geschlossenen
Silben ist sehr wichtig für das Deutsche, denn der Silbentyp regelt im Deutschen
die Vokaldauer: In offenen und positionell geschlossenen Silben werden die
Vokale lang gesprochen, während sie in richtig geschlossenen Silben kurz sind: er
geht [ge:t], schläft [∫lε:ft], trägt [trε:kt], aber: du schaffst, bist, sprichst.
Die offenen und geschlossenen Silben sind in den Sprachen der Welt
unterschiedlich häufig vertreten. Die Tabelle 5.1. zeigt, dass Deutsch in diesem
Punkt unter vielen Sprachen eine Sonderposition einnimmt: Während in anderen
Sprachen offene Silben über die Hälfte aller Silben ausmachen, beträgt ihre Anzahl
im Deutschen kaum ein Drittel.

T a b e l l e 5.1. Distribution der offenen Silben in verschiedenen Sprachen


(nach G. Meinhold)

Sprache Anteil der Sprache Anteil der


offenen Silben offenen Silben
Deutsch 33% Italienisch 74,0%
Englisch 55% Französisch 75,5%
Tschechisch 69% Japanisch 100%
Spanisch 73,5%

- 49 -
Für diese Distribution gibt es keine akzeptable linguistische oder historische
Erklärung. Die Sprachentwicklung der Kinder zeigt, dass alle Kinder der Welt
zuerst die offenen Silben produzieren. Das ist der älteste und leichteste Silbentyp.
Warum und wie die deutsche Sprache so viele geschlossene und
konsonantenreiche Silben entwickelt hat, kann heute niemand erklären.

5.5. Silbenmodelle im Deutschen


S i l b e n m o d e l l nennt man die Folge von Lauten in einer Silbe: Vokal (V)
und Konsonanten (K), z.B.: das (KVK), nimmst (KVKKK), liest (KVKK).
Obwohl das deutsche Sprachsystem fast gleich viele Vokale und
Konsonanten besitzt, gebraucht die Sprache diese Phoneme unterschiedlich oft: Sie
bevorzugt deutlich Konsonanten. Sie deutsche Silbe kann von einem bis zu 8
Lauten enthalten, d. h., zu einer Silbe können bis zu 7 Konsonanten gehören. Dass
die deutsche Sprache die Konsonanten besonders mag, zeigt überzeugend die
Tabelle der deutschen Silbenmodelle (Tab. 5.2).

T a b e l l e 5.2. Silbenmodelle der deutschen Sprache (nach P. Menzerath)

Modell Beispiel Modell Beispiel


V Ei KKV Schnee
VK in, ich, an KKVK flach
VKK Art, Ast KKVKK Schrank
VKKK Obst, Arzt KKVKKK trinkt
VKKKK ernst KKVKKKK bringst
VKKKKK impfst KKVKKKKK schrumpfst
KV da KKKV Stroh
KVK Tor, hier KKKVK stramm
KVKK Bild KKKVKK Strand
KVKKK Furcht KKKVKKK Strumpf
KVKKKK Herbst KKKVKKKK pfropfst
KVKKKKK kämpfst

Wir sehen, dass von den 23 fixierten Modellen im Deutschen nur 4 Modelle offen
sind, alle anderen enthalten bisweilen eine enorme Zahl von Konsonanten, von
einem bis sieben. Sie stehen gruppenweise sowohl vor dem Vokal, als auch
danach, vor allem aber danach.

- 50 -
Obwohl die deutsche Sprache so viele Silbenmodelle hat, gebraucht sie diese
Modelle nicht gleich oft: Von 23 Strukturen kann man nur zwei richtig
gebräuchlich nennen (s. Tab. 5.3): KVK und KV, die fast drei Viertel aller Wörter
umfassen (72,5%). Die Häufigkeit aller anderen ist sehr gering.

T a b e l l e 5.3. Häufigkeit der einzelnen Silbenmodelle im Deutschen


(nach G. Meinhold)
Modell Prozentueller Modell Prozentueller
Anteil Anteil
KVK 44,0 KVKK 3,5
KV 28,5 KKV 3,5
VK 8,0 VKK 3,5
KKVK 4,0 Sonstige 5,0

Die Tabelle zeigt, dass das häufigste Modell – es erfasst fast die Hälfte aller
Silben – das Modell KVK ist. Die Struktur KV kommt viel seltener vor, nur fast
jede vierte deutsche Silbe gehört zu diesem Typ. Das Modell VK wird in der
deutschen Sprache noch seltener, 3,5mal seltener gebraucht als KV, und der Anteil
aller anderen Strukturen liegt unter 4%. Man sieht folglich, dass von der großen
Vielfalt der Modelle nur wenige Strukturen richtig populär sind. Das bedeutet, dass
die Sprache viel mehr Potential hat, als sie es praktisch nutzt.
5.6. Probleme der Silbenbildung und Silbentrennung
Da die Silbe eine wichtige Rolle in der Sprache spielt, versuchen die
Wissenschaftler seit langem zu verstehen, wie die Silben gebildet werden, warum
in verschiedenen Sprachen verschiedene Silbentypen und -modelle verbreitet sind,
wie die Silben mit der Wortlänge verbunden sind und Ähnliches.
Für die Erklärung der Silbenbildung wurden zahlreiche Theorien aufgestellt,
jedoch keine davon ist richtig praktikabel: Jede hat eine bestimmte Erklärungskraft
und viele Schwächen. So wurde, z.B., die Silbenbildung mit der Atmung
verbunden (E. Sievers), mit der Muskelspannung (P. Fouchè und M. Grammon),
mit der Sonorität der Laute (O. Jespersen und W. Vietor), mit dem Öffnungsgrad
des Mundraums bei der Artikulation der Laute (F. de Saussure), mit dem
- 51 -
Spannungsbogen der Lautintensität (N.I. Shinkin). Nach einer allgemein
akzeptablen Erklärung dieses Phänomens wird jedoch weiter gesucht.
Während die Silbenbildung eine wichtige theoretische Frage ist, gehört die
Silbentrennung in jeder Sprache zu aktuellen praktischen Problemen. Mit dieser
Aufgabe wird jeder Sprachträger mehr oder weniger oft konfrontiert.
Das Problem der Silbenabgrenzung ist leicht gelöst in den Sprachen, die nur
offene oder viele offene Silben haben: Da liegt die Silbengrenze unmittelbar nach
dem Vokal. Diese Frage ist jedoch sehr schwer für das Deutsche, wo man
bestimmte Regeln für die Trennung mehrgliedriger Konsonantenketten braucht.
Problemlos ist im Deutschen die Abgrenzung der offenen Silben: Die
Silbengrenze liegt nach einem langen Vokal: O-fen, U-fer, Schu-le, Blu-me usw.
Stehen mitten im Wort zwei Konsonanten, gibt es auch hier keine großen
Schwierigkeiten: Die Silbengrenze liegt zwischen den beiden Konsonanten: fin-
den, Aus-gang, Gip-fel, Sil-be, Kin-der.
Komplizierter ist die Trennung von mehrgliedrigen Konsonantenketten: Ärz-
te oder Är-zte? Fens-ter oder Fen-ster? Fürch-test oder für-chtest? Konventionell
wird in diesen Fällen der letzte Konsonant abgetrennt, also: Ärz-te, fürch-test,
Fens-ter, Imp-fung, Kämp-fe usw. Zusammengesetzte Wörter werden jedoch nach
ihren Bestandteilen, nicht nach der Zahl der Konsonanten getrennt: Fahr- plan,
Feld-blume, Eis-klumpen.
Besonders schwierig ist die Silbentrennung in vielen deutschen Wörtern
nach den kurzen Vokalen mit einem nachfolgenden Konsonanten, denn dieser
Konsonant wird auf zwei Silben zerrissen: kom-men, Hem-mung, tren-nen. Die
deutsche Orthographie hat dafür in den meisten Fällen die Doppelschreibung des
Konsonanten. Diese Doppelschreibung könnte leicht den Eindruck erwecken, dass
der Konsonant lang ausgesprochen wird. Das ist aber im Deutschen nicht der Fall:
Der Konsonant ist kurz. Zwei Buchstaben dienen nur dazu, seine Teilung auf zwei
Silben zu ermöglichen. Das ist nur ein orthographisches Ausweichmanöver in
einer heiklen Situation, wo man sonst einen Buchstaben halbieren müsste.

5.7. Deutsche Phonotaktik


Die Silbenstruktur zeigt alle Möglichkeiten für die Verbindung der Laute in jeder
Sprache, das ist eine ihrer wichtigen Aufgaben. Auf dieser Grundlage ist die
P h o n o t a k t i k entstanden – ein Wissenszweig, der die Gesetzmäßigkeiten der
Kombinatorik von Phonemen in verschiedenen Teilen des Wortes erforscht. Die
Phonotaktik studiert die Verteilung einzelner Laute in jeder Sprache und zeigt,
welche Phonemfolgen im Anlaut, Inlaut und Auslaut des Wortes möglich sind.
- 52 -
Die deutsche Phonotaktik lehrt erstens, dass nicht alle Phoneme einer
Sprache beim Sprechen gleich oft gebraucht werden. So liegt, z.B., nach
G. Meinhold der Anteil der Vokale im Deutschen bei knappen 40%, während die
Konsonanten fast 60% aller Laute ausmachen. Die langen Vokale werden dabei
viel seltener gebraucht als die kurzen (78% der Laute sind kurz). Unter den kurzen
Vokalen sind das reduzierte [ə] mit 20,7%, das [a] mit 17,8%, und das [ı] mit 16%
die häufigsten. Der Anteil aller anderen Kurzvokale liegt weit unter 9%.
Unter den Langvokalen sind das [i:] mit 6%, die [e:] und [a:] mit je
5% ebenfalls die häufigsten, während die Quote aller anderen Langvokale bei
etwa 2% und weniger liegt.
Die deutschen Konsonantenphoneme verteilen sich im Redestrom auch
ungleichmäßig. Zu den häufigsten gehören das [n] mit 15,1%, das [t] mit
14,6% und das [r] mit 12,3%. Der Anteil von [s] und [d] beträgt etwa 8% , alle
anderen Konsonanten liegen tief darunter. Das ist, z.B., auf der Computertastatur
berücksichtigt: Die häufigen Phoneme liegen im Zentrum der Tastatur, während
die weniger häufigen an die Ränder kommen.
Was die Phonemkombinationen angeht, so sind die Verbindungs-
möglichkeiten der Konsonanten am Wortende viel reicher als die am Wortanfang.
Im deutschen Wortanlaut sind nur 23 zweigliedrige und 6 dreigliedrige Folgen
möglich (s. Tab. 5.4 und 5.5).

T a b e l l e 5.4. Zweigliedrige Phonemkombinationen am Wortanfang


(nach G. Meinhold)

K2 r l n v m p t f s
K1
∫ + + + + + + +
k + + + +
g + + +
p + + +
b + +
f + +
t + +
d +

- 53 -
T a b e l l e 5.5. Dreigliedrige Phonemkombinationen am Wortanfang
(nach G. Meinhold)

K1 sv fr fl pr pl tr
K2
t +
p + +
∫ + + +

Am Wortende sind dagegen im Deutschen 135 Konsonantenketten


festgestellt worden, von den zweigliedrigen bis zu den fünfgliedrigen, jede in
mehreren Varianten (s. Tab. 5.6).

T a b e l l e 5.6. Kombinationen der Konsonantenphoneme im Wortauslaut


(nach G. Meinhold)

Struktur Zahl Beispiele


Zweigliedrige 40 pf, ts, ft, st, xt, xs, mp, mf, ps, ks usw.
Dreigliedrige 62 mpf, nts, nkt, nft, nst, lft, lst, rst, pst usw.
Viergliedrige 30 pfst, mpft, mpst, ntst, mpfs usw.
Fünfgliedrige 3 mpfst: schimpfst, rpsts: Herbsts, nt∫st:
lyntschst

Ein Vergleich der neuhochdeutschen Texte mit den mittelhochdeutschen


zeigt dabei, dass mit der Entwicklung der Sprache sich die Palette der
Konsonantenkombinationen vergrößert. So kannte, z.B., das Mittelhochdeutsche
die vier- und fünfgliedrigen Konsonantenketten gar nicht. Im heutigen Deutschen
gibt es eine Menge davon. Die Wörter werden immer mehr konsonantengesättigt.

6. PHONOLOGIE DES MORPHEMS UND DES WORTES


- 54 -
6.1. Das Morphem im Sprachsystem
6.2. Silbe und Morphem
6.3. Phonomorphologie als linguistische Teildisziplin
6.4. Entstehungswege der Allomorphe
6.5. Das Wort aus lexikalischer und phonetischer Sicht
6.6. Prododische Mittel der Sprache aus akustischer und perzeptiver Sicht
6.7. Funktionen der prosodischen Mittel im Wort
6.8. Prosodische Eigenschaften des Wortes
6.8.1. Wortbetonung
6.8.2. Dauerverteilung im Wort
6.8.3. Dynamische Verhältnisse zwischen den Silben
6.8.4. Tonhöheverteilung im Wort
6.9. Wortabgrenzende Signale im Redestrom

6.1. Das Morphem im Sprachsystem


Phoneme und Allophone sowie Silben sind zwar phonetische Gebilde, jedoch
keine Sprachzeichen: Sie haben keine Bedeutung, d.h., mit ihnen verbinden sich in
unserem Bewusstsein keine Inhalte. Die kleinste bedeutungstragende Einheit der
Sprache ist das M o r p h e m : leb-st, mit-reis-t, ver-steh-st.
Morpheme sind in der Sprachwissenschaft eine Zwischenstufe von den
Nichtzeichen zu den Sprachzeichen: Sie sind nicht so bedeutungslos wie Phoneme
oder Silben, aber auch nicht richtig eindeutig bedeutungstragend wie vollwertige
Wörter: Sonne, Wind, Baum, schwimmen, rudern, schnell usw. Sie sind
mehrdeutig, d.h., jedes Morphem hat mehrere Bedeutungen. So verbinden wir,
z.B., das Morphem –er mit
 der Mehrzahl: Kind+er, Büch+er,
 dem Komparativ der Adjektive: jüng+er, kält+er, freundlich+er,
 der Endung der Adjektive: ein klug+er Mann, ein bunt+er Teppich,
 dem männlichen Handlungsträger: Fahr+er, Flieg+er, Läuf+er usw.
Dabei kann dasselbe Morphem manchmal formbildend sein (Plural, Komparativ,
Adjektivendungen: Männ+er, bunt+er), manchmal wortbildend: Er+zeug+er,
Er+find+er, Nenn+er, Zähl+er usw.
Ein Wort kann aus einem oder mehreren Morphemen bestehen. Die
Einmorphem-Wörter werden monomorphemisch oder Wurzelwörter genannt
(Tisch, Brot, war, schlimm), und die Wörter, die aus Morphemkomplexen

- 55 -
bestehen, bezeichnet man als heteromorphemisch: Tisch+es, Auto+s, Un+fall,
be+zeichn+en.

6.2. Silbe und Morphem


Das Verhältnis zwischen Silbe und Morphem ist kompliziert: Man kann nicht
sagen, dass ihre Grenzen nie zusammenfallen, aber man kann auch das Gegenteil
nicht behaupten. Es gibt in der Sprache nicht wenige Wortformen, wo die
Morphemgrenzen gleichzeitig auch Silbengrenzen sind: Nacht, Tag, un+frei, Plan,
glaub+te, nächt+lich, wuss+te, kunst+voll usw. Doch es gibt viel mehr Wörter,
wo diese Grenzen verschieden verlaufen: Leh-rer und Lehr+er; Näch-te und
Nächt+e; Ta-ges und Tag+es usw. Dabei können zwei volle Morpheme zu einer
Silbe gehören (glaub+st, Ball+s, plan+t) oder ein Morphem wird auf zwei Silben
geteilt: Fah-rer, käl-ter, be-spre-chen. Die Beispiele zeigen, dass die
grammatische und phonetische Wortstruktur oft nicht zusammenfallen. Sie
unterordnen sich verschiedenen Prinzipien.

6.3. Phonomorphologie als linguistische Teildisziplin


Die linguistische Teildisziplin, die sich mit phonetischen Morphemmodifikationen
innerhalb einer Sprache befasst, nennt man P h o n o m o r p h o l o g i e .
Gegenstand der Phonomorphologie ist folglich die phonetische Gestaltung der
Morpheme in verschiedenen Positionen.
Aus dem Sprachgebrauch wissen wir, dass dasselbe Morphem bei der
Formveränderung des Wortes eine andere Gestalt bekommen kann: Ta[k] – Ta[g]
+es – t[ε:k]+lich; geh+en, ging, ge+gang+en, gäng+ig; lauf+en, läuf+t, lief; du
denk+st, arbeit+est, heiz+t. Sprachliche Ursachen dafür sind Assimilationen,
phonologischer Lautwandel oder positionelle Veränderungen der Vokale und
Konsonanten.
Die Zahl der phonetisch modifizierten Formen eines Morphems ist nicht
stabil, sie schwankt für verschiedene Morpheme. Solche phonetisch modifizierten
Morpheme werden in Anlehnung an Phoneme Allomorphe oder Alternanten
genannt. So hat, z.B., das Morphem Tag drei Alternanten, das Morphem geh- -
vier Alternanten, die Morpheme lauf- und –st – je drei Alternanten.

6.4. Entstehungswege der Allomorphe


Die Allomorphe können auf einem von vier Wegen entstehen:
1) durch die N e u t r a l i s i e r u n g , d.h., durch die Aufhebung des
Kontrastes in bestimmten Positionen: le[b]+en – le[p]+t, ba[d]+en – das
Ba[t], wei[z]+en – er wie[s];
- 56 -
2) durch den p h o n o l o g i s c h e n L a u t w a n d e l der Vokale und
Konsonanten: zieh+en – zog, die Zucht;
3) durch die T i l g u n g (Synkope), d.h. den Schwund eines wortinternes
Elementes: teuer – teurer; angeln – Angler; wachs+en – wächs+st =
wächst;
4) durch die E p e n t h e s e – Einfügung eines zusätzlichen Elements:
arbeit+est, bad+est, antwort+ete, widm+ete.
Volle Listen der Alternanten jedes Morphems sind nicht nur von
theoretischem Interesse. Sie sind äußerst wichtig für die Informatiker, wenn sie
Computerprogramme zum Erkennen von schriftlichen und mündlichen Texten
sowie Übersetzungsprogramme entwickeln. Dem Computer muss man beibringen,
dass den Formen schreib, schrieb und Schrift dasselbe Morphem zugrunde liegt,
damit er sie richtig identifiziert. Alle Allomorphe jedes Wortes muss man aber
vorher voll erfassen. Das ist eine sehr schwierige und zeitraubende Arbeit.

6.5. Das Wort aus lexikalischer und phonetischer Sicht


Als W o r t bezeichnet man in der Sprache einen Lautkomplex, der mit einem
bestimmten Inhalt, einem Begriff verbunden ist. Auf solche Weise ist das Wort das
wichtigste Sprachzeichen: Es besitzt zwei wichtige Seiten, die für ein
Sprachzeichen notwendig sind: eine bestimmte Form und den entsprechenden
Inhalt. Das Wort ist hiermit die wichtigste bedeutungstragende Einheit – viel
konkreter und eindeutiger als das Morphem.
Für die Phonetik ist das lexikalische Wort weniger wichtig als das
phonetische Wort – eine enge Verbindung von dem Hauptwort und seinen
Begleitsegmenten im Redestrom: Präpositionen, Konjunktionen, Artikeln,
unbetonten Pronomen usw., z.B.:
Unsere Studenten/ haben/ dieses Fach/ überhaupt nicht.
Doch phonetische Wörter werden immer aus lexikalischen gebildet, und darum hat
der Redestrom und jedes Wort darin zwei parallele Ebenen: die segmentale, d.h.
die Lautebene, und die suprasegmentale oder prosodische, die über den Lauten
liegt. Die prosodische Ebene verbindet oder trennt die Laute, hebt einige Segmente
hervor, rückt die anderen in den Hintergrund, z.B.: begleiten [bə-´glai-tn]. Über
der Lautkette aus sieben Segmenten (Lauten) liegt die Betonung, die die mittlere
Silbe stärker macht und die anderen abschwächt. Die hervorgehobene Silbe zieht
die schwächeren Silben an sich und hält sie zusammen, bildet mit ihnen eine
Einheit. Die Vokale werden in den schwachen Silben reduziert, in den betonten
- 57 -
gedehnt. Man sieht daran deutlich, dass die beiden phonetischen Ebenen eng
zusammenhängen, im Wort nicht zu trennen sind.

6.6. Prosodische Mittel der Sprache aus akustischer und perzeptiver Sicht
Physikalisch ist unsere Rede ein Strom von Schallwellen, deshalb haben die
Sprechlaute alle akustischen Eigenschaften einer Welle:
 die Z e i t , die wir als Dauer wahrnehmen;
 die F r e q u e n z , d.h. Zahl der Schwingungen pro Sekunde, die wir als
Tonhöhe hören;
 die A m p l i t u d e (Intensität) oder Schwunghöhe der Schallwelle, von der
die auditive Lautstärke abhängt.
Diese drei akustischen Mittel werden prosodische Sprachmittel (auch:
Suprasegmentalia) genannt. Sie bilden in verschiedenen Kombinationen die obere
phonetische Ebene, die einzelne Laute ergänzt, verbindet und aus ihnen Silben,
phonetische Wörter, Syntagmen und Texte aufbaut.
Wir produzieren beim Sprechen akustische Schallwellen und schicken sie an
unsere Sprechpartner. Die akustischen Wellen erreichen das Ohr des Hörers,
verwandeln sich dort in Nervenimpulse und werden ins Gehirn geleitet. Das
Gehirn verarbeitet sie, und der Hörer nimmt sie perzeptiv (auditiv) als Lautdauer,
Tonhöhe und Lautstärke wahr. Laufende Veränderungen dieser Mittel im
Redestrom modifizieren die Silben und können die Bedeutung des Wortes oder des
Satzes verändern: ´modern – mo´dern. Hier! Hier? Hier.

6.7. Funktionen der prosodischen Mittel im Wort


Prosodische Mittel haben im Wort vielfältige Aufgaben:
 Sie wirken konstitutiv, d.h., sie verbinden einzelne Laute zu größeren
Segmenten.
 Sie heben eine Silbe im Wort hervor, machen sie zum Wortgipfel (die
kulminative Funktion).
 Sie differenzieren die Bedeutung der Wörter oder ihre grammatischen
Formen: го´ры – ´горы, ле´са – ´леса, ко´пать – ´капать, ′modern –
mo´dern, pas´siv – ´Passiv, ´ umstellen – um´stellen usw. (die distinktive
Funktion).
 Sie gliedern den Redestrom, trennen die Wörter voneinander (die
delimitative Funktion). Dazu dient, z.B., die gebundene Wortbetonung im
Tschechischen: Sie liegt immer auf der ersten Silbe. Deshalb weiß man:
Wenn eine Silbe betont wird, beginnt hier ein neues Wort.
- 58 -
Nicht in allen Sprachen haben dieselben prosodischen Mittel die gleichen
Funktionen. Nicht in allen Sprachen, z.B., trennt die Wortbetonung die Wörter,
nicht in allen Sprachen differenziert die Betonung die Wortbedeutungen, doch
konstitutiv wirken die prosodischen Mittel in jeder Sprache.

6.8. Prosodische Eigenschaften des Wortes


6.8.1. Wortbetonung
Jedes Wort hat eine Dauer, eine Lautstärke, tiefer und höher liegende Silben, d.h.,
alle prosodischen Mittel funktionieren in jedem gesprochenen Wort. Doch die
wichtigste prosodische Eigenschaft des Wortes, die es von einer Silbe
unterscheidet, ist die Betonung. Die W o r t b e t o n u n g – Hervorhebung einer
Silbe über die anderen im Wort – macht aus einer losen Silbenkette ein größeres
phonetisches Segment, das wir mit einem Inhalt verbinden und Wort nennen.
Die Betonung hat im Wort vielfältige Aufgaben:
 Sie verbindet die Silben miteinander (die konstitutive Funktion),
 zeigt im Wort den Gipfel an (die kulminative Funktion),
 unterscheidet in manchen Sprachen die grammatischen Formen und
Wortbedeutungen (die distinktive Funktion),
 kann in manchen Sprachen verlässlich den Redestrom in Wörter gliedern
(die delimitative Funktion).
Die Wortbetonung kann man von verschiedenen Seiten betrachten.
Berücksichtigt man die P o s i t i o n der Betonung im Wort, so unterscheidet man
freie Wortbetonung, die auf verschiedene Silben im Wort fallen kann (z.B., die
russische oder belarussische), und gebundene, die immer auf derselben Silbe liegt:
der letzten Silbe im Französischen, der ersten im Tschechischen, der vorletzten im
Polnischen. Da die deutsche Wortbetonung nicht an eine bestimmte Silbe, sondern
fest an bestimmte Morpheme gebunden ist (es gibt betonte und unbetonte Präfixe,
betonte und unbetonte Suffixe), nennt man sie morphemgebunden.
Zur Hervorhebung der Silbe werden in verschiedenen Sprachen
unterschiedliche a k u s t i s c h e M i t t e l eingesetzt. In einigen Sprachen
werden die wichtigsten Silben durch die Dehnung dieser Silben hervorgehoben
(man spricht dann von der quantitativen Betonung, z.B. im Russischen). In
anderen Sprachen werden betonte Silben wesentlich lauter gesprochen
(dynamischer Akzent, z.B. im Deutschen). In wieder anderen Sprachen erfolgt die
Hervorhebung der Silbe durch die Veränderung der Tonhöhe: Die betonten Silben
werden höher oder tiefer als die unbetonten gelegt. So entsteht der musikalische
Akzent (z.B. im Chinesischen). Meist aber werden einige akustische Mittel zur
- 59 -
Hervorhebung der Silbe kombiniert. So dienen, z.B. im Deutschen als die
wichtigsten Mittel zur Hervorhebung der Silbe Tonhöheveränderungen und
Intensität (laut Experimenten von G. Heike). Im Russischen und Belarussischen
wird die betonte Silbe dadurch auffallend gemacht, dass sie gedehnt und lauter
gesprochen wird.
Wenn das Wort einige Betonungen hat, so unterscheiden sie sich nach der
S c h w e r e und man spricht von der Haupt- und Nebenbetonung im Wort. Diese
Art Betonung ist, z.B., in deutschen zusammengesetzten Wörtern gut bekannt: die
´Fahr¸bahn, das ´Wärme¸kraftwerk, die ´Ganztags¸schule.
Von allen Aspekten der Betonung ist aus linguistischer Sicht die funktionelle
Seite am wichtigsten, d.h. die R o l l e der Wortbetonung in der Sprache.
O. von Essen unterscheidet in dieser Hinsicht den etymologischen, den
rhythmischen und den grammatischen Akzent. Unter etymologischem Akzent
versteht er die Hervorhebung des semantisch wichtigsten Segments im Wort:
´essen, der ´Esser, ´essbar, die ´Esszeit. Rhythmisch nennt er die gebundene
Wortbetonung, die den Redestrom sicher in Wörter trennt. Der grammatische
Akzent kann grammatische Formen des Wortes unterscheiden (по´ля – ´поля, во
´ды – ´воды). Die deutsche Wortbetonung besitzt dieses Potential nicht.
Diese Reihe von sprachlich wichtigen Funktionen der Wortbetonung kann
man noch durch die bedeutungsdifferenzierende (distinktive) Funktion ergänzen:
за´мок – ´замок, му´ка – ´мука, пи´ли – ´пили, ´память – по´мять sowie durch
ihre wichtige konstitutive (bildende) Rolle: Sie verbindet Silben zu Wörtern.
Die deutsche Wortbetonung hat die distinktive Funktion nur in sehr
begrenztem Maße: ´durchsetzen – durch´setzen, ´umwerfen – um´werfen,
´umstellen – um´stellen. Diese Betonung unterscheidet aber oft die Bedeutung der
Fremdwörter: ak´tiv – ´Aktiv, ´Perfekt – per´fekt usw.

6.8.2. Dauerverteilung im Wort


Unter W o r t d a u e r versteht man die zeitliche Dimension des Wortes.
Die gesamte Wortdauer setzt sich aus der Dauer einzelner Laute zusammen,
die ihre eigene (inhärente) Dauer haben, durch die Wortbetonung jedoch gedehnt
oder gerafft werden. Deshalb gilt im Großen und Ganzen die Regel: Je mehr Laute
ein Wort enthält, desto größer ist seine Dauer. Je mehr lange Phoneme im Wort
sind, desto länger ist es insgesamt. Je mehr Silben im Wort betont werden, desto
länger ist es. Feste Grenzen für die Wortdauer gibt es jedoch nicht.

- 60 -
6.8.3. Dynamische Verhältnisse zwischen den Silben
Die Wahrnehmung der Schallamplitude durch unser Ohr bezeichnet man als
L a u t s t ä r k e . Die Verteilung der Lautstärke im Wort hängt auch sehr eng mit
der Wortbetonung zusammen: Betonte Silben werden immer lauter gesprochen als
die unbetonten. Dabei gibt es ebenfalls keine festen Gesetze für die Verstärkung
der betonten Silbe: um 10%, 20% oder 200%. Die relative Verstärkung genügt,
damit wir die Silbe als hervorgehoben wahrnehmen.
Der zweite wichtige Faktor für die Wortlautheit ist die inhärente (eigene)
Lautstärke der einzelnen Laute: Selbstverständlich klingt das Wort alle lauter als
das Wort Ast, weil das erste Wort nur sonore Laute enthält, während zum zweiten
zwei stimmlose Konsonanten gehören. Nach der abnehmenden eigenen Lautstärke
bilden die Laute solch eine Reihe: Vokale – Sonanten – stimmhafte Konsonanten –
stimmlose Konsonanten.

6.8.4. Tonhöheverteilung im Wort


Die Tonhöhe bleibt beim Aussprechen eines Wortes nie gleich: Der Ton gleitet
stets nach oben und nach unten. Wichtig ist dabei nicht die absolute Tonlage, wie
beim Singen, sondern die relative, bezogen auf die Höhe der anderen Silben in
diesem Wort. Unserem Ohr genügt, wenn es fixiert, ob der Ton nach oben oder
nach unten geht. Dafür braucht man nicht unbedingt ein feines, gut geschultes
musikalisches Gehör, das tun wir alle beim Sprechen.
Diese allgemeine Relativität gilt jedoch nicht für alle Sprachen. In den
Sprachen mit musikalischer Wortbetonung sind die Tonbewegungen viel feiner
differenziert: Es ist wichtig, ob die Silbe hoch oder tief liegt, ob die Tonbewegung
darin stabil bleibt oder sich ändert, ob der Ton dabei nach unten oder nach oben
geht. Das unterscheidet in den Tonsprachen die Wortbedeutungen. So bedeutet in
der afrikanischen Sprache Ewe, z.B., die Silbe [tsi] im Hochton Suppe, im Tiefton
– Wasser.
Im Chinesischen sind die tonalen Unterschiede noch krasser. Da gibt es vier
phonologische Töne: flach (---), steigend (/), fallend-steigend (v) und fallend (\).
So bedeutet etwa sie Silbe [ma] im flachen Ton ‚Mutter’, im steigenden Ton
‚Hanf’, im fallend-steigenden Ton ‚Pferd’ und im fallenden Ton ‚schimpfen’.
Solche Paare gibt es im Chnesischen zu Hunderten, betont E.Ternes (E. Ternes,
S.133).
Die Tonhöhebewegung in europäischen Sprachen ist nicht zu trennen von
der Wortbetonung: Betonte Silben werden höher gelegt, während auf den
unbetonten der Ton nach unten schweift. Doch bedeutungsunterscheidend ist
- 61 -
dieses Schweifen nicht. Nur Reste des musikalischen Akzentes sind in einigen
europäischen Sprachen geblieben (im Norwegischen, Schwedischen, Litauischen
und einigen anderen).

6.9. Wortabgrenzende Signale im Redestrom


Zu den prosodischen Eigenschaften des Wortes gehören auch wortabgrenzende
Mittel. So werden diejenigen Signale genannt, die mehr oder weniger sicher die
Wortgrenzen im Redestrom anzeigen. Man muss jedoch betonen, dass die
Sprachen wenige wortabgrenzende Signale besitzen, sehr sichere schon gar nicht.
Das ist wohl dadurch zu erklären, dass wir sie nicht unbedingt brauchen, denn wir
sprechen nicht in Wörtern, sondern in ihren Kombinationen, und zur Trennung von
Syntagmen oder Äußerungen haben die Sprachen viel sicherere Mittel.
Wortabgrezende Mittel, auch wenn sie nicht sehr sicher sind, gibt es jedoch
auf segmentaler und suprasegmentaler Ebene. Auf segmentaler Ebene sind das
Laute, die fest an bestimmte Positionen gebunden sind. Das ist im Deutschen, z.B.,
der Laut [ŋ], der nie im Wortanlaut steht. Hören wir diesen Laut, wissen wir sofort,
dass hier ein Wortende ist. Dasselbe kann man über den Hauchlaut oder die
Konsonanten [z] und [j] sagen, die nie am Wortende erscheinen, nur am
Wortanfang oder am Anfang einer Wurzel (bejahen, besinnen, besuchen), oder
über die Verbindungen [∫t] und [∫p], die ebenfalls nur am Wortanfang möglich
sind: Spiel, Sport, starten, spotten usw. Solche Lautkombinationen wie -en, -er, -
es, -em dagegen markieren das Wortende. Wenn wir einen Text in Wörter trennen
müssen, sind solche Laute für uns eine kleine Orientierungshilfe.
Wortabgrenzende Signale sind, z.B., auch die Behauchung der stimmlosen
plosiven Konsonanten und der feste Einsatz der Vokale: Sie markieren nur den
Wortanfang oder das Wortende, in anderen Positionen sind sie unmöglich.
Zu den prosodischen wortabgrenzenden Mitteln gehören:
 der gebundene (rhythmische) Akzent in den Sprachen, die ihn haben;
 leichte Dehnung der letzten Silbe im Wort, die jedoch im Redestrom kaum
wahrnehmbar ist;
 kleinere Lautstärke am Wortende, die ebenfalls im Text kaum hörbar ist.
Die meisten von diesen Mitteln fungieren in allen Sprachen, sie sind nicht
nur spezifische Eigenschaften des Deutschen. Auf sie ist jedoch in allen Sprachen
nicht viel Verlass. Für das Verstehen der Texte sind größere Segmente wichtiger,
und auf die konzentriert sich unser Ohr beim Wahrnehmen des Textes.

- 62 -
7. PROSODISCHE MITTEL DER SPRACHE

7.1. Begriff der Prosodie


7.2. Drei Aspekte der Prosodie
7.3. Prosodie und Intonation
7.4. Prosodische Segmente der Rede
7.5. Bestandteile der Prosodie
7.6. Funktionen der Prosodie in der Sprache
7.7. Prosodem als sprachliche Einheit suprasegmentaler Ebene

7.1. Begriff der Prosodie


Unter P r o s o d i e versteht man die Gesamtheit von zeitlichen, melischen und
dynamischen Charakteristika der Rede, d.h., jene Eigenschaften des Redestroms,
die über den Lauten liegen und aus ihnen Sprachzeichen gestalten –
inhaltstragende Redesegmente:

[vi `fa:rən / nax bɛr``li:n //]


In diesem Beispiel haben wir mehrere einzelne Laute, die als segmentale
Ebene der Rede bezeichnet werden. Über ihnen liegen aber die Wort- und
Satzbetonung, die Melodie, die Pausen, bestimmte Dauer und Lautstärke, die aus
den Lauten eine größere sprachliche Einheit machen – eine Äußerung. Die
einzelnen Laute bezeichnen an sich nichts, die Äußerung dagegen bringt einen
Gedanken zum Ausdruck. Diese Sprachmittel, die über den Lauten liegen und sie
auf bestimmte Weise verbinden oder trennen, nennt man p r o s o d i s c h oder
suprasegmental.

7.2. Drei Aspekte der Prosodie


Die Prosodie hat drei für die Sprache und die Kommunikanten wichtige Aspekte:
 den akustischen, denn unsere Rede ist ein Strom von Schallwellen. Diese
Wellen besitzen alle physikalischen Eigenschaften einer Welle: Zeit,
Frequenz und Amplitude. Wir können sie mit physikalischen Geräten recht
genau messen;
 den perzeptiven, d.h. den auditiven Eindruck, den wir beim Hören
empfinden: Dauer, Tonhöhe und Lautstärke. Sie sind für den Empfänger des
mündlichen Textes wichtig, den die Schallwelle erreicht;
 den funktionalen oder sprachlichen, d.h., wozu die prosodischen Mittel beim
Sprechen dienen, welche Informationen sie tragen, was sie dem Hörer
signalisieren.
- 63 -
7.3. Prosodie und Intonation
Die Gesamtheit von zeitlichen, melischen und dynamischen Eigenschaften der
Rede wird in der Linguistik P r o s o d i e , aber auch I n t o n a t i o n genannt.
Der zweite Name ist vor allem für die sowjetische Sprachwissenschaft typisch. Das
Wort Intonation wird jedoch in der westlichen Linguistik in einer anderen
Bedeutung verwendet: als Synonym für Melodie. Um diese Zweideutigkeit eines
wissenschaftlichen Terminus zu vermeiden, ist es ratsam ein Wort zu gebrauchen,
das alle gleich verstehen. Das ist eben die Prosodie.
In der sowjetischen Linguistik wurde die Intonation auch nicht gleich
definiert und interpretiert. W. Artemow, z.B., bezog sie nur auf die Äußerungen,
während er für die kleineren Redesegmente (Silben, rhythmische Takte,
Syntagmen) den Termin prosodisch bevorzugte. N.D. Swetosarowa identifizierte
die Intonation mit Melodie und sprach von Betonung und Intonation. L.W. Sla-
toustowa zählte zur Intonation den Rhythmus nicht. Der Terminus ‚Prosodie’ ist in
dieser Hinsicht besser: Er vereint alle Eigenschaften der Redesegmente, die über
den Lauten liegen.

7.4. Prosodische Segmente der Rede


Prosodische Eigenschaften der Rede beziehen sich auf kleinere oder größere
Textsegmente. Die kleinsten prosodischen Einheiten sind die Silben. Sie setzen
sich meist aus einigen Lauten zusammen und haben eine bestimmte Dauer, tragen
den Ton und haben eine größere oder kleinere Lautstärke: Wo willst du hin? –
Nach Hau-se. Silben sind zwar phonetische Segmente, doch keine Sprachzeichen:
Sie haben keine Bedeutung.
Die Silben verbinden sich zu größeren Segmenten, die unterschiedlich
genannt werden: rhythmische Takte (S.M. Gaidučik), phonetische Wörter
(L.W. Slatoustowa), rhythmische Gruppen (L.W. Schtscherba, J.W. Dubowski)
oder die kleinsten Akzentgruppen (K.K. Baryschnikowa). Sie bestehen aus einer
betonten Silbe, die mehrere unbetonte Silben an sich ziehen kann: Ich interes´siere
mich/ ´dafür /´´´gar nicht. Wenn man diese Einheiten genauer betrachtet, sieht
man, dass alle ihre Namen berechtigt sind: Das sind wirklich die kleinsten
Akzenteinheiten der Sprache, die gleichzeitig dem Redestrom den Rhythmus
verleihen. Sie sind auch die kleinsten bedeutungstragenden Segmente, denn sie
bestehen aus Wörtern. Wir sehen, die Bezeichnung phonetisches Wort ist für sie
auch nicht falsch: Einige Wörter werden untrennbar, wie ein einheitliches
Segment, wie ein Wort gesprochen: aus dem ´Buch, in der ´Tasche usw.

- 64 -
Die rhythmischen Takte verknüpfen sich zu Segmenten, die Teilgedanken
zum Ausdruck bringen. Diese Segmente werden als Syntagmen (L.W. Schtscherba,
L.R. Sinder), Sinnschritte (O. von Essen), rhythmische Phrasen (S.M. Gaidučik),
Sprechtakte (O. Zacher) oder Akzenteinheiten (K.K. Baryschnikowa) bezeichnet.
Ihr wichtigstes phonetisches Merkmal ist eine verstärkte Betonung, die gewöhnlich
im letzten rhythmischen Takt liegt. Sie werden auch oft durch Pausen voneinander
getrennt, damit der Hörer ihren Inhalt besser verarbeiten kann. Syntagmen sind die
kleinsten sinntragenden Redesegmente, sie beinhalten Teile einen Gedankens.
Die wichtigsten Segmente der Rede sind jedoch Einheiten, die ganze
Gedanken – Urteile über die Welt – ausdrücken. Für ihre Benennung gibt es in der
Sprachwissenschaft ebenfalls einige Termini: Äußerungen (K. Mathesius),
Aussprüche (O. von Essen), Phrasen (S.M. Gaidučik). Ihre phonetischen Marken
sind: die Hervorhebung des sinnwichtigsten Wortes (Schwerpunkt), auch die
Endpause, die dem Hörer eine kurze Zeit zur Entspannung signalisiert.
Äußerungen fügen sich zu Texten zusammen – Folgen von Aussprüchen,
die einen logischen, thematischen und formellen Zusammenhang aufweisen. Mit
Texten werden ganze Situationen beschrieben.
Prosodische Mittel beteiligen sich aktiv an der Gestaltung aller
hierarchischen Segmente des Textes.

7.5. Bestandteile der Prosodie


Das Wechselspiel von drei prosodischen Mitteln der Sprache – Zeit, Frequenz und
Amplitude der Schallwelle – produziert mehrere prosodische Eigenschaften der
Rede:
 Veränderungen der Tonhöhe in der Zeit bringen die M e l o d i e hervor.
 Variationen der Intensität in der Zeit werden als L a u t s t ä r k e
(Lautheit) wahrgenommen.
 Verbinden sich Tonhöhe- und Intensitätssprünge mit der Zeit, hören wir
Hervorhebung der Silben oder S a t z b e t o n u n g e n .
 Regelmäßíge Wiederkehr der Konturen, die durch betonte Silben gebildet
werden, nennt man R h y t h m u s .
 Bestimmte Zahl von Segmenten (Silben oder Wörter) pro Zeiteinheit schafft
das T e m p o .
 Kurze Unterbrechungen im Redestrom werden P a u s e n genannt.
 Variationen der Stimmfarbe, die durch Veränderung der Spannung unserer
Sprechmuskeln entstehen, bezeichnet man als K l a n g f a r b e oder
Timbre.
- 65 -
7.6. Funktionen der Prosodie in der Sprache
Vielseitige Funktionen der Prosodie in der Sprache unterliegen der wichtigsten –
der kommunikativen. Das heißt, dass die Prosodie in der Sprache dazu dient, die
Gedanken des Sprechers an den Hörer herüberzubringen und die Verständigung
der beiden zu sichern. Dazu dienen im Einzelnen:
 die konstitutive Funktion (integrierende, bildende) – die Verknüpfung der
kleineren Segmenten zu immer größeren;
 die delimitative (trennende, abgrenzende) Funktion – Abgrenzung der
Sprecheinheiten im Redestrom voneinander, um dem Sprecher Zeit für das
Formulieren von Gedanken und dem Hörer Zeit zur Verarbeitung von
Informationen zu gewähren;
 die distinktive (sinnunterscheidende) – Vermittlung unterschiedlicher
kommunikativer Absichten: Da rauscht etwas. Hörst du das? (Vermutung,
Anfrage nach Information). Aber: Mach sofort den Fernseher aus! Hörst du
das?! (Drohung)
 die Thema-Rhema-Gliederung – Einstufung der einzelnen Wörter im
Ausspruch nach ihrer Wichtigkeit für den Sinn. Wir markieren durch eine
schwächere Betonung das weniger Wichtige (das Thema) und durch eine
verstärkte Betonung – das Neue (das Rhema) in der Mitteilung: Am ´Rande
des ´´Waldes / lag ein ´kleines ´´´Dorf. // Dort ´lebte ein weiser ´´´Alter.
 die syntaktische Funktion – Markierung der Abgeschlossenheit oder
Nichtabgeschlossenheit des Ausspruchs:
Das ist meine Schule.
Das ist meine Schule, die ich dir gern zeigen wollte.

 die stilistische Funktion, durch die offizielle oder inoffizielle Beziehungen


zwischen den Sprechpartnern ihren Ausdruck finden;
 die modale Funktion, d.h. der Ausdruck der subjektiven Modalität, des
Verhaltens des Sprechers zum Inhalt des Ausspruchs: seiner Sicherheit oder
Unsicherheit, des Nachdrucks oder der Gleichgültigkeit, der Annahme oder
Ablehnung usw.;
 die expressive Funktion, die zum Ausdruck von Gefühlen des Sprechers
dient: Angst, Freude, Zorn, Trauer usw.
 die ästhetische Funktion, die dem Text Schönheit verleiht (z.B., durch den
gleichmäßigen Rhythmus).

- 66 -
7. 7. Prosodem als sprachliche Einheit suprasegmentaler Ebene
Die Prosodie hat, genauso wie der Laut, wesentliche, relevante Merkmale, die für
den Sinn der Äußerung entscheidend sind, und begleitende, nebensächliche, die
Informationen über etwas anderes bringen, den Sinn des Redesegments jedoch
nicht beeinflussen: Hier bleiben? Hier bleiben!
Im ersten Fall haben wir eine Vermutung, wo für den Sinn die Tonbewegung
relevant ist. Die Länge der Pause oder das Tempo verändern den Sinn der
Äußerung nicht.
In der zweiten Äußerung haben wir einen Befehl. Für seine gestaltung ist
nicht nur die fallende Tonführung wichtig, sondern auch ein großes tonales
Intervall und die steile Bewegung des Tons nach unten. Erst dann hören wir einen
Befehl, nicht eine Bitte.
Die Gesamtheit von prosodischen Merkmalen, die für den Sinn der
Äußerung relevant sind, bezeichnet man als P r o s o d e m. Das ist die
suprasegmentale Struktur, die genug und notwendig ist, um gesprochene Texte
sinngemäß zu gestalten und entsprechend zu verstehen.
Keine Sprache der Welt hat zurzeit eine volle Liste von Prosodemen. Ihre
Entwicklung ist eine Herausforderung für die Phonologen und Phonetiker der
Gegenwart und Zukunft. Diese Liste ist dringend notwendig, wenn der Mensch
den künstlichen Intellekt entwickeln will, wenn er den Computer lehren will,
mündliche Texte zu produzieren und zu verstehen.

- 67 -
Wo gehst du hin? – Nach Hause. (Mitteilung)

Wo gehst du hin? – Nach Hause. (Befehl)


8. PROSODISCHE GESTALTUNGSMITTEL DER MÜNDLICHEN REDE
Wo gehst du hin? – Nach Hause. (Vermutung)
8.1. Die Melodie
8.2. Die Satzbetonung
8.3. Der Rhythmus
8.4. Das Tempo
8.5. Die Lautstärke
8.6. Die Pausen
8.7. Die Klangfarbe

8.1. Die Melodie


Unter M e l o d i e versteht man Veränderungen der Schallfrequenz unserer
Stimme beim Sprechen. Wir nehmen sie als Schwankungen der Tonhöhe in der
Zeit oder als Tonverlauf wahr.
Die Melodie ist sehr flexibel. Die Menschen machen davon aktiv Gebrauch
beim Sprechen und beim Singen, doch sie verwenden sie dabei unterschiedlich:
Beim Singen kommt es auf genaue Tonhöheabstufungen der Silben an. Beim
Sprechen genügt es, wenn wir den Tonfall oder Tonanstieg hören. Sie tragen die
wichtigsten Informationen für jeden Hörer, auch wenn er nicht sonderlich
musikalisch ist.
Die Funktionen der Melodie in der Rede sind mannigfaltig:
 Sie bringt die kommunikative Absicht des Sprechers zum Ausdruck: Sie
zeigt, ob der Sprecher etwas mitteilt, befiehlt oder fragt:

Wo gehst du hin? – Nach Hause. (Mitteilung)

Wo gehst du hin? Nach Hause! (Befehl)

Wo gehst du hin? Nach Hause? (Vermutung)

 Die Melodie signalisiert die Abgeschlossenheit oder Nichtabgeschlos-


senheit des Ausspruchs (die syntaktische Funktion):

Wann kannst du das tun? – Morgen.

Morgen, wenn nichts dazwischen kommt, kann ich das machen.


 Sie wirkt delimitativ, d.h., sie signalisiert (meist zusammen mit der Pause)
das Ende des Ausspruchs oder des Syntagmas.

- 68 -
 Die Melodie bringt Gefühle zum Ausdruck (die expressive Funktion): Ärger,
Zorn, Freude, Niedergeschlagenheit usw.:
Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düsteren Ort? (Angst)
 Sie drückt die subjektive Modalität aus (die modale Funktion): Sicherheit,
Zweifel, Nachdruck, Ablehnung usw.:

Er kommt zu uns? Nächste Woche? (Zweifel)

 Die Tonhöhe beteiligt sich auch an der Akzentuierung der Silben: Betonte
Silben werden höher oder tiefer gelegt als unbetonte.
Um diese vielseitigen Aufgaben zu erfüllen, hat die Melodie zwei wichtige
Instrumente:
 Richtung der Tonhöheveränderungen und
 Tonhöhenintervalle, d.h., die Größe des Tonanstiegs oder Tonfalls in der
Silbe im Vergleich zu ihrer Umgebung.
Sprachlich relevant sind drei Richtungen der Melodie: der Tonfall (die
terminale Melodie), der Tonanstieg (die interrogative Melodie) und die
schwebende (progrediente) Melodie, die weder wesentlich nach oben, noch
deutlich nach unten geht, sondern in der Schwebe stagniert.
Da die phonologische Beschreibung der phonetischen Objekte auf
Oppositionen beruht, versuchen die Wissenschaftler auch die prosodische Ebene in
diesen Begriffen zu beschreiben. Bei dem Versuch, die Melodiebewegungen in
phonologischen Oppositionen zu präsentieren, hat G. Meinhold folgende Kontraste
bekommen (s. Tab. 8.1, S.70).
Die Tabelle zeigt, dass für die Zusammenfassung dreier Melodierichtungen
zwei Oppositionen genügen: Zuerst wird die terminale Melodie (Intonem 1) den
beiden anderen Typen gegenübergestellt (Intonem 2). Innerhalb des Intonems 1
unterscheidet Prof. G. Meinhold zwei weitere Möglichkeiten: Der Ton steigt nicht
sehr hoch an (Es regnet.) : _______ oder hoch (Es regnet!) : _________ .
Danach fällt er in beiden Fällen. Im ersten Fall (Intonem 1a) hören wir sachliche
Information, im zweiten (Intonem 1b) – emotionelle, gefühlsbetonte Information.
Das distinktive Merkmal ist die Größe des Intervalls: Bei der emotionellen
Information ist es wesentlich größer als bei der sachlichen. Bei der Wiedergabe der
modalen Schattierungen der Rede spielt das Intervall auch eine große Rolle.

- 69 -
T a b e l l e 8.1. Melodische Oppositionen von G. Meinhold

Oppositio Intoneme Intonem- Strukturen Semantik


-nen varianten
tiefer Intonem 1a kleines positives sachliche
Tonfall Intonem 1 Intervall (Der Ton Information
steigt nicht sehr
hoch und fällt nicht
sehr steil)
Intonem 1b großes positives emotionelle
Intervall (Der Ton Information
steigt hoch und fällt
danach steil)
/nicht Intonem 2a negatives Intervall Kontaktsuche
tiefer (Der Ton steigt an)
Intonem 2 Intonem 2b kleines positives Unentschlossen-
Tonfall
Intervall (Der Ton heit
fällt zuerst, dann
stagniert er.)

Wenn die Melodie nach unten geht, wenn die vorhergehende Silbe höher
liegt als die folgende, spricht man vom positiven Intervall. Liegt aber die folgende
Silbe höher als die vorhergehende, hat man mit einem negativen Intervall zu tun
(Intonem 2a). Mit dieser Melodie bewegt der Sprecher seinen Partner zu einer
Reaktion, zu einer Antwort:

Kommst du? WeiЯt du das?


Bei der schwebenden Melodie fällt die Melodie langsam, doch einen
richtigen tiefen Tonfall, der das Ende der Information signalisiert, bekommt man
dabei nicht, der Ton bleibt in der Schwebe:

´Wenn wir auf das Pro´blem ´´tiefer eingehen,// ´´sehen wir,// das es ...
 Das Intonem 1a wird bei ruhigem, sachlichem Sprechen und in sachlichen
Aufforderungen gebraucht: ´´Geben Sie mir das bitte!
 Das Intonem 1b hat Platz in Ausrufen und strengen Aufforderungen, auch in
Kommandos: So´fort zu´´´rück! Wie´´´ schade!

- 70 -
 Das Intonem 2a wird gebraucht zum Ausdruck von Ungeduld, Zweifel,
Höflichkeit, Warnung, Trost, Drohung, Angst usw.:

Kommst du nun endlich? Soll ich das noch mal sagen?

Hast du gehцrt? Kцnnten Sie mir, bitte, helfen?

Dabei wurde festgestellt: Je stärker die Emotion oder Modalität ausgeprägt ist,
desto höher geht der Ton.
 Aufgabe des Intonems 2b ist Markierung der Nichtabgeschlossenheit
in weiterweisenden Syntagmen.

8.2. Die Satzbetonung


Mit S a t z b e t o n u n g (Satzakzent) meint man die Hervorhebung eines Wortes
über die anderen im Ausspruch.
Ein Ausspruch hat in der Regel mehrere Satzbetonungen, je nach der
Wichtigkeit der einzelnen Wörter für den Inhalt. Diese Betonungen bilden im
Ausspruch eine Hierarchie: Die schwächeren unterliegen den stärkeren.
Die Grundlage für die Satzbetonung bildet die Wortbetonung: Sie wird
innerhalb des Ausspruchs verstärkt oder abgeschwächt, je nach dem Wert des
entsprechenden Wortes für den Sinn des Ausspruchs.
Die wichtigsten Aufgaben der Satzbetonung in der Rede sind:
 die einzelnen Wörter zu größeren Segmenten zu integrieren (die
konstitutive Funktion) und
 die Wörter nach ihrer Wichtigkeit für den Inhalt der Äußerung zu
differenzieren (die kommunikative Funktion).
Die wichtigste Rolle in der Hierarchie der Hervorhebungen spielt die
Hauptbetonung, die auch Schwerpunkt oder Nukleus genannt wird. Sie liegt auf
dem Wort, das für den Inhalt des Ausspruchs am wichtigsten ist (''').
Jedes Syntagma hat ebenfalls ein Wort, das für seinen Sinn wichtig ist.
Dieses Wort bekommt die syntagmatische Betonung ('').
Nebensächliche Begriffe, die für den Inhalt weniger wichtig sind, werden
auch weniger hervorgehoben, entsprechende Wörter werden schwächer betont.
Diese Betonungen heißen Nebenbetonung, Nebenakzente oder rhythmische
Betonungen ('), weil sie einzelne Silben zu rhythmischen Takten verbinden.
Hilfselemente im Ausspruch, die nur zur Bindung von bedeutungstragenden
Wörtern dienen, bleiben unbetont.

- 71 -
So enthält eine normale, ohne besonderes Gefühl gesprochene Äußerung drei
bis vier Hierarchiestufen von Satzbetonungen: Schwerpunkt, (syntagmatische
Betonung, die in kurzen Aussprüchen fehlt), rhythmische Betonung und unbetonte
Hilfswörter.
Der Schwerpunkt liegt in der Regel am Ende des Ausspruchs:
Wer in einem ´´Glashaus sitzt, /sollte nicht mit ´´´Steinen werfen.//
Emotional gesprochene Texte werden aber anders akzentuiert: Neben dem
Schwerpunkt am Ende des Ausspruchs können in einzelnen Äußerungen andere
wichtige Begriffe stark hervorgehoben werden, so dass der Ausspruch mehrere
inhaltliche Zentren, einige starke Betonungen hat:
Ge´´´sehen habe ich ihn ´´nie.
Im ´´´Anfang war das ´´´Wort. (Bibl.)
Dein ´Schlüssel liegt nicht ´´´in der Tasche, sondern ´´´unter der Tasche.
Solche Satzbetonungen werden emphatisch, kontrastiv, Nachdrucksbetonung,
Überbetonung oder auch Fokus genannt. Sie verleihen dem Text Expressivität,
größere Ausdruckskraft.
Es gibt im Redestrom manchmal Betonungen, die keinen inhaltlichen Wert
haben und nur aus rhythmischen Gründen gesetzt werden. Das geschieht, wenn im
Ausspruch lange unbetonte Silbenketten entstehen:
... und ´als wir dann vor einem ´´Käfig standen, ...
´Willst du mich noch zu ´´Hause antreffen,/ ´musst du dich be´´´eilen.
´Wenn wir uns nicht mehr ´´sehen sollten, ...
Rhythmische Betonungen in diesen Beispielen haben keinen inhaltlichen Wert. Sie
erleichtern bloß dem Sprecher die Produktion des Textes, denn es ist nicht leicht,
eine lange Silbenfolge in gleicher Tonlage zu halten.
Die Satzbetonungen im Ausspruch sind von der Melodiebewegung nicht zu
trennen. So bildet die Reihenfolge von Satzbetonungen, die melische Hebungen
und Senkungen verursachen, die so genannte akzent-rhythmische Struktur des
Ausspruchs mit ihren drei Teilen:
 der Silbenfolge vor der ersten betonten Silbe, die Vorlauf genannt wird,
 der Silbenkette zwischen der ersten und letzten Satzbetonung, die Binnenlauf
oder rhythmischer Körper heißt, und
 den unbetonten Silben nach der letzten Satzbetonung (Nachlauf):

Unsere ║ ´Hochschule feiert im ´Januar ihr Jubi´´´lä║um.


Vorlauf Binnenlauf´ = rhythmischer Körper Nachlauf

- 72 -
Für die Melodiebewegung im Ausspruch sind immer die letzte betonte Silbe
und die nachfolgenden unbetonten Silben sehr wichtig: Hier steigt oder fällt der
Ton, was für den Sinn des Ausspruchs entscheidend ist. Dieses Segment des
Ausspruchs wird Endphase oder Kadenz genannt:
Kommst du ´´´mit in den Lesesaal?

8.3. Der Rhythmus


Mit der Satzbetonung hängt aufs engste die rhythmische Gestaltung der Rede
zusammen, die eine wichtige Funktion hat: Sie ordnet den Redestrom und
erleichtert dem Hörer seine Aufnahme. Das ist vor allem die ästhetische Funktion.
Unter R h y t h m u s versteht man die mehr oder weniger regelmäßige
Wiederkehr gleicher oder ähnlicher Strukturen im Text (O. von Essen). Diese
Strukturen sind rhythmische Takte, die durch die Satzbetonungen entstehen: Die
betonten Silben ziehen unbetonte an sich von links (Proklise) und rechts (Enklise)
an:
Der ´Stein /´rollte schnell /den ´´´ Berg herunter.
Proklise Enklise
In gut rhythmisierten Versen sind die Abstände zwischen den betonten
Silben gleich, der Rhythmus ist streng:
´Tiefe ´Stille ´herrscht im ´Wasser,
´Ohne ´Regung ´liegt das ´Meer. (J.W. von Goethe)
Beim freien Sprechen gibt es jedoch diese strenge Ordnung nie, die
rhythmischen Takte sind nur ungefähr gleich.
Die wichtigsten rhythmusbildenden Faktoren sind Betonung und Zeit:
Silbenfolgen mit einer betonten Silbe kehren in bestimmten Abständen wieder.
Dabei ist es wichtig, zwischen Metrum und Rhythmus zu unterscheiden. Metrum
ist ganz strenger Wechsel von Stärken und Schwächen. So tickt, z.B., die Uhr, so
schlägt auch ein gesundes Herz.
In der Sprache sind jedoch die Abstände zwischen „hervorgehoben“ und
„nicht hervorgehoben“ nie ganz genau. Sie sind nur mehr oder weniger gleich, und
das bezeichnet man als Rhythmus.
Die kleinsten sprachlichen Träger des Rhythmus sind die Silben. Einige von
ihnen bekommen im Redestrom den Satzakzent und bilden die Kerne der Takte,
die anderen verlieren ihre Betonung und schließen sich den starken Silben an:
´Denk ich/ an ´´Deutschland/ in der ´Nacht,
So ´bin ich/ um den ´´´Schlaf gebracht. (H. Heine)

- 73 -
Rhythmustragend sind in der Rede die rhythmischen Takte von
verschiedener Struktur – Folgen von einer betonten und einigen unbetonten Silben,
die sich von links oder rechts an die betonte anhängen. Man unterscheidet einige
Arten von rhythmischen Takten:
 s t e i g e n d e Takte, die mit einer oder einigen unbetonten Silben beginnen
und mit einer betonten Silbe enden, d.h., die Spannung wächst von den
unbetonten Silben zur betonten: - ´-/ - - `- : Der ´Mann / ging am ´´´Stock.;
 f a l l e n d e , die mit einer betonten Silbe beginnen und mit unbetonten
enden: `- - - : ´Regelmäßige / ´Wiederkehr / der ´starken / ´´Silben //
´schafft / den ´´´Rhythmus. Die Spannung sinkt in diesen Takten nach der
betonten Silbe;
 s t e i g e n d – f a l l e n d e , wenn die akzentuierte Silbe in der Mitte des
Taktes liegt: - `- - : Die Spannung wächst zuerst, dann sinkt sie:
Am ´Vortage / des ´Unfalls / amü´´´sierte sich die Stadt.
In jeder Sprache überwiegen die einen oder anderen Strukturen, überwiegen
kürzere oder längere Takte. Die Akzentstruktur der Sprache verursacht das. Jede
Sprache hat einen besonderen Akzenttyp, bestimmte Wortlänge. Auf dieser
Grundlage entsteht der statische (formelle) Rhythmus der Sprache – ihr metrisches
Fundament. Dieser Rhythmus hängt nicht vom Inhalt des Textes ab, er wird dem
Text durch die Sprache, durch ihr System aufgezwungen. Typische Merkmale des
deutschen statischen Rhythmus sind, z.B., deutliches Überwiegen von vier- und
fünfsilbigen Takten sowie eine große Anzahl steigend-fallender rhythmischer
Takte: Sie machen mehr als die Hälfte aller Takte in jedem Text aus. Dieser
Rhythmus bildet die formelle Struktur des Textes.
Im Text ist aber der Inhalt wichtiger als die Form. Der Sinn differenziert die
Takte nach dem Wert und nach der Stärke: Er hebt manche Takte hervor und
schwächt die anderen ab. So entsteht der dynamische Rhythmus, der den statischen
überlagert und modifiziert:
Tiefe ´´Stille herrscht im Wasser,
Ohne ´´Regung ´liegt das ´´´Meer.
Träger des dynamischen Rhythmus sind Syntagmen, denn innerhalb von
Syntagmen werden die Takte nach ihrer Schwere abgewogen.
Im dynamischen Rhythmus unterscheidet man zwei verschiedene
Rhythmisierungsarten: Man kann jeden Takt gleich stark betonen, jedem dieselbe
Wichtigkeit beimessen: Wir ´´sind /auf ´´dieses/ ´´Geld /´´nicht/ ´´angewiesen.
Dieser Rhythmus wird in der Linguistik podisch oder isolierend genannt, denn er
trennt, isoliert jeden Takt von dem anderen. Solche Sprechweise bringt viele
- 74 -
Informationen herüber, ist aber schwer für die Wahrnehmung: Der Hörer muss die
ganze Information allein verarbeiten, er bekommt von dem Sprecher keine
Hinweise, was für den Inhalt wichtig und was nebensächlich ist.
Eine andere Möglichkeit bietet der dipodische oder integrierende Rhythmus:
Der Sprecher differenziert die Takte nach der Wichtigkeit. Der Hörer merkt das an
der Betonungsstärke und weiß, was wichtig und was zweitrangig für den Inhalt ist.
Er orientiert sich an starken Betonungen wie an Meilensteinen: Er überhört das
Nebensächliche, nimmt nur das Wichtige auf. Das erleichtert ihm die Verarbeitung
von Informationen. Ein Teil der Informationen geht dabei natürlich verloren, aber
das Verstehen solcher Texte ist wesentlich leichter als die Wahrnehmung der
Passagen mit gleich starken Betonungen, mit podischem Rhythmus, wo alles
gleich wichtig dargeboten wird.
Keine von diesen Rhythmisierungsarten ist schlecht oder falsch. Für
verschiedene Anlässe kann man die eine oder die andere Form wählen, wenn man
versteht, was dadurch gewonnen wird und was verloren geht.

8.4. Das Tempo


Als T e m p o bezeichnet man die Geschwindigkeit der Rede, Zahl der
Sprechsegmente (Silben oder Wörter) pro Zeiteinheit (Sekunde oder Minute). Ein
bestimmtes Tempo hat jeder gesprochene Text, dabei ist das Tempo sehr variabel
und vielseitig determiniert.
Die wichtigsten Aufgaben des Tempos in der Rede sind:
 Hervorhebung des Wichtigen durch die Verlangsamung der Rede (die
kommunikative Funktion);
 Ausdruck von Gefühlen (die expressive Funktion);
 Markierung der Beziehungen zwischen den Sprechpartnern:
offiziell/inoffiziell (die stilistische Funktion).
Das Sprechtempo hängt von vielen linguistischen und extralinguistischen
Faktoren ab. Zu den wichtigsten l i n g u i s t i s c h e n Faktoren gehören:
 Länge der Akzenteinheit: Lange Segmente werden schneller gesprochen als
kurze;
 Betonung: Betonte Silben werden langsamer hervorgebracht als unbetonte;
 Position des Segments im Text: Anfangssilben werden immer schneller
gesprochen, das Ende verlangsamt sich;
 Position der Silbe hinsichtlich der Betonung: Segmente vor der Betonung
werden schneller gesprochen als solche nach der Betonung.

- 75 -
Wesentliche e x t r a l i n g u i s t i s c h e Faktoren, die das Tempo
beeinflussen, sind:
 Wert der Information: Wichtige Informationen werden langsamer
herübergebracht als nebensächliche;
 Kompliziertheit des Inhalts: Schwerer Inhalt wird langsamer dargelegt als
einfacher;
 Beziehungen zwischen den Sprechpartnern: In einer offiziellen Situation
wird langsamer gesprochen als in einer inoffiziellen;
 Emotionalität der Rede: Einige Gefühle verlangsamen das Tempo (Trauer,
Niedergeschlagenheit), andere beschleunigen es (Freude, Zorn, Aufregung);
 allgemeines Lebenstempo: Wir sprechen im 21. Jahrhundert im Allgemeinen
schneller, als unsere Vorfahren im 18. oder 19. Jahrhundert das getan haben;
 Mentalität der Nation: Südländer, z.B. Italiener oder Spanier, sprechen
gewöhnlich schneller als Nordländer (Schweden, Finnen, Norweger).
Das Tempo kann von Situation zu Situation und vom Sprecher zum Sprecher
wesentlich variieren. Wichtig ist, dass es immer angemessen ist.

8.5. Die Lautstärke


Mit L a u t s t ä r k e (Lautheit) meint man die Wahrnehmung der Intensität der
Schallwelle. Das ist der Höreindruck, den wir von den einzelnen Silben und ihren
Ketten im Text bekommen. Dieser Eindruck ist doppelseitig determiniert:
einerseits durch die Intensität, d.h. durch die Amplitude der Schallwelle,
andererseits durch die Eigenschaften unserer Hörorgane, durch unser
Hörvermögen. Das bedeutet, dass dieselbe Intensität von verschiedenen Menschen
als unterschiedlich lautes Geräusch erlebt werden kann.
Alle Laute haben verschiedene inhärente (eigene, innere) Lautstärke. Am
lautesten sind natürlich die Vokale, ihnen folgen die Sonoren. Weniger laut sind
die stimmhaften Konsonanten und sehr leise klingen die stimmlosen Laute.
Deshalb ist es verständlich, dass die Wörter, die viele Vokale oder Sonore
enthalten (alle, Wiesen, Name, malen, ähnlich usw.) westlich lauter klingen als
Redesegmente mit vielen stimmlosen Konsonanten: Ast, Herbst,, packst usw.
Die Hauptfunktionen der Lautstärke in der Rede sind:
 den Redestrom hörbar zu machen: Vokale und Sonore tragen den Ton, sie
machen unsere Stimme hörbar;
 bestimmte Segmente hervorzuheben, z.B., betonte Silben, inhaltlich
wichtige Wörter;

- 76 -
 den Redestrom in kleinere Segmente zu trennen, denn am Ende jedes
Sprechsegmentes klingt die Stimme etwas leiser als an seinem Anfang;
 Gefühle auszudrücken, denn viele Emotionen machen unsere Stimme laut:
Zorn, Wut, Aufregung usw.
Alle die Lautstärke modifizierenden Faktoren kann man, wie beim
Sprechtempo, in linguistische und extralinguistische trennen. Zu den l i n g u i -
s t i s c h e n Faktoren gehören:
 die inhärente (eigene) Lautheit der Segmente, die den Ausspruch füllen:
Alle Namen stehen auf der Teilnehmerliste.;
 Position des Segments im Redeabschnitt: Der Anfang ist immer lauter als
das Ende.
Von den e x t r a l i n g u i s t i s c h e n Faktoren, die die Lautstärke
beeinflussen, kann man nennen:
 die kommunikative Wichtigkeit des Segments: Wichtige Abschnitte
werden lauter gesprochen als zweitrangige;
 die Individualität des Sprechers: Es gibt Menschen, die von Natur aus
eine laute oder eine leise Stimme haben;
 äußere Umstände: Ruhe oder Lärm im Raum, Zahl der Zuhörer,
Raumgröße usw.;
 Beruf: Lehrer, z.B., sprechen immer lauter als Ärzte oder Apotheker.
Wichtig beim Sprechen ist, dass wir unsere Lautstärke stets ändern, sie der
Situation anpassen.

8.6. Die Pausen


Als P a u s e n bezeichnet man kurze Unterbrechungen im Redestrom, die ihn in
kleinere Segmente trennen und dem Hörer dadurch die Wahrnehmung der
Informationen erleichtern. Pausen sind jedoch nicht nur für den Hörer wichtig. Sie
sind nicht weniger notwendig für den Sprecher, denn er holt in dieser Zeit Luft, um
weiter sprechen zu können, und plant seinen weiteren Text.
Die Hauptfunktion der Pausen in der Rede ist die delimitative: Die Pausen
trennen den kontinuierlichen Strom von Lauten in kleinere Abschnitte. Außerdem
sind die Pausen physiologisch wichtig (zum Einatmen) und strategisch notwendig
(zur Redeplanung, zur Suche nach richtigem Wort). In manchen Fällen wirkt die
Pause außerdem distinktiv: Ein bekanntes Beispiel dafür ist: Казнить /нельзя //
помиловать, aber auch im Deutschen gibt es solche Sätze, die verschiedenen
Sinn bekommen, wenn die Stelle der Pause geändert wird, z.B.:

- 77 -
a) Er schenkte den Ring der Tochter/ seiner Freundin.
Er schenkte den Ring / der Tochter seiner Freundin.
b) Der Angeklagte sagte,/ der Richter sei verrückt.
Der Angeklagte,/ sagte der Richter,/ sei verrückt.
c) Der brave Mann/ denkt an sich selbst zuletzt.
Der brave Mann denkt an sich, / selbst zuletzt.
Pausen kann man nach verschiedenen Prinzipien klassifizieren, und die
Wissenschaft kennt einige Pausenklassifikationen.
Auf der physiologischen Grundlage unterscheidet man Pausen zum Einatmen
und Pausen ohne Einatmen. Pausen zum Einatmen gliedern den Redestrom, geben
dem Sprecher Zeit zur Redeplanung. In dieser Zeit versorgt der Redner seine
Lunge mit Luft. Pausen ohne Einatmen spielen nur die delimitative und
strategische Rolle.
Sprechpausen sind unterschiedlich lang. Nach ihrer Länge unterscheidet man
 überkurze (unter 100 msek.),
 kurze (100-250 msek.),
 mittellange (250-500 msek.),
 lange (500-1000 msek.) und
 überlange Pausen (über 1 Sekunde).
Ungefähr so werden die Redeunterbrechungen von unserem Ohr bewertet.
Von allen Klassifikationen der Pausen ist für die Linguistik ihre Gliederung
nach sprachlichem Wert am wichtigsten, d.h. die Einteilung der Pausen nach ihrer
Rolle in der Sprache. Von diesem Standpunkt aus unterscheidet man syntaktische
und nichtsyntaktische Pausen (Hesitationen).
S y n t a k t i s c h e Pausen liegen an der Grenze syntaktischer Einheiten
und trennen den Text in Sinnesabschnitte, z.B.: Die Musik / verzauberte den
Raum.// Sie war die Südwind,/ wie eine warme Nacht, / wie ein gebauschtes Segel
unter Sternen,/ ganz und gar unwirklich,/ diese Musik/ zu „Hoffmanns
Erzählungen“. // (E.-M. Remarque). Dadurch erleichtern diese Pausen dem Hörer
das Verstehen des Textes.
N i c h t s y n a k t i s c h e Pausen erscheinen an falschen Stellen im Text.
Sie zerreißen ihn, erschweren die Wahrnehmung des Inhalts und nerven den Hörer:
Sie sind ... sie ist später gekommen und ...e-e-e-e ... hatte kein ... e-e-e- ... keine
Dokumente mit.
Hesitationen zeugen von der Unsicherheit des Sprechers, von seinen
geringen rhetorischen Fertigkeiten und sind nach Möglichkeit zu vermeiden.
Besonders ärgert sich der Hörer über nichtsyntaktische Pausen, die mit
- 78 -
verschiedenen Lauten (e-e-e-e, m-m-m-m, a-a-a-a usw.) gefüllt sind. Diese
Einschübe sind in erster Linie aus der Rede zu verbannen.
Syntaktische Pausen trennt man in gliedernde (Endpausen) und verbindende
(Zäsuren). Zäsuren trennen die Teile der Aussprüche und sind mit Spannung
gefüllt. Die Endpausen signalisieren dem Hörer eine kurze Entspannung, weil die
Information provisorisch zu Ende ist.
Syntaktische Pausen sind beim Sprechen absolut notwendig und in jeder
Rede willkommen. Nichtsyntaktische Pausen müssen nach Möglichkeit gemieden
werden.

8.7. Die Klangfarbe


Unter K l a n g f a r b e versteht man spezifische Färbung der Stimme, die durch
die Obertöne verursacht wird. Modifikationen der Obertöne entstehen durch
unterschiedliche Spannung der Sprechmuskeln: Sind die Muskeln stark gespannt,
ist die Stimme kalt, unpersönlich. Mindert sich die Spannung, wo bekommt die
Stimme eine warme, zärtliche Note.
Man muss betonen, dass die Klangfarbe nicht hundertprozentig zu den
prosodischen, suprasegmentalen Eigenschaften der Rede gehört, denn ihre
Wurzeln liegen in der segmentalen Ebene, in der Formantenstruktur der Laute. Die
Formanten jedoch, die für die Klangfarbe zuständig sind, gehören nicht zu den
Hauptbestandteilen des Lautes, sondern liegen in deren oberem Bereich, über den
Lautformanten (deshalb werden sie auch Obertöne genannt). Sie ändern sich bei
der Veränderung der Muskelspannung und modifizieren leicht die Laute. Da die
Klangfarbe aber nicht nur die einzelnen Laute, sondern ganze Texte färbt, kann sie
unter den suprasegmentalen Eigenschaften der Rede behandelt werden.
Die Klangfarbe dient in der Sprache zum:
 Markieren von offiziellen/inoffiziellen Beziehungen,
 Ausdruck von Gefühlen und
 subjektiver Modalität (Nachdruck, Bitte, Distanz zum Sprecher usw.).
Sie ändert sich meist automatisch, wir merken das gar nicht und können den
Prozess schlecht steuern. Nur wenige Künstler können die Stimmen der anderen
Menschen kopieren, indem sie bewusst die Muskelspannung ihrer Sprechorgane
und die Resonanzräume verändern.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Sprache über eine reiche
Palette von suprasegmentalen Ausdrucksmitteln verfügt, die jedem von uns beim
Sprechen zur Verfügung stehen und die bei ihrem richtigen Einsatz wesentlich die
Wirkung unserer Rede erhöhen können.
- 79 -
9. PHONOSTILISTIK

9.1. Begriff der Phonostilistik


9.2. Phonetischer Stil
9.3. Klassifikationsprinzipien der phonetischen Stile
9.4. Phonostilistische Mittel
9.4.1. Das Ausdruckspotential der Stimme
9.4.2. Spezifische Mittel der Klangstilistik

9.1. Begriff der Phonostilistik


Als P h o n o s t i l i s t i k bezeichnet man die Verwendung der lautlichen Mittel
zu stilistischen Zwecken – zur Erhöhung der Ausdruckskraft der Rede (E. Riesel,
E. Schendels). Den Hauptinhalt tragen in dem Text die Wörter, doch es gibt auf
grammatischer und phonetischer Ebene Mittel, die die Wirkung des Wortes
verstärken. Die Phonostilistik befasst sich mit dem Ausdruckspotential der
phonetischen Mittel und wird deshalb auch Laut- oder Klangstilistik genannt. Ihr
Gegenstand sind phonetische Mittel, die die Wirkung des Wortes ergänzen und
verstärken.

9.2. Phonetischer Stil


Der Hauptbegriff der Phonostilistik ist der p h o n e t i s c h e S t i l – Gesamtheit
von phonetischen Merkmalen, die mehrere Texte kennzeichnen, die unter gleichen
Umständen, in ähnlichen Situationen entstehen (S.M. Gaidučik).
Aus unseren Lebenserfahrungen wissen wir, dass in verschiedenen
Lebenssituationen anders gesprochen wird: Eine Grabrede klingt anders als ein
Trinkspruch bei der Hochzeit. Für ein Beileid suchen wir nicht nur andere Worte,
sondern auch einen anderen Ton als für einen Glückwunsch zum Geburtstag. Die
Situation bestimmt die Wahl der entsprechenden Sprachmittel. Die Gesamtheit von
außersprachlichen Faktoren, die die Auswahl von Sprachmitteln bestimmen,
bezeichnete Ch. Bally als Sprechsituation oder Redesituation. Dazu gehören:
 Gegenstand der Rede,
 Zweck des Sprechens,
 Beziehungen zwischen den Partnern (offiziell oder inoffiziell),
 Grad der Vorbereitung des Textes,
 psychischer Zustand des Sprechers (ist er zufrieden, verärgert, gereizt,
nervös, sicher usw.),
 Bildungsniveau des Sprechers,

- 80 -
 äußere Umstände des Sprechaktes (Zahl der Hörer, Raumgröße usw.).
Alle diese Faktoren beeinflussen mehr oder weniger sowohl die Wortwahl,
als auch den Klang der Stimme: Wir sprechen in jeder Situation lauter oder leiser,
langsamer oder schneller, artikulieren deutlicher oder lässiger, betonen mehr oder
weniger Wörter. Das alles erhöht oder mindert die Ausdruckskraft unserer Rede,
gehört deshalb zu der Phonostilistik.

9.3. Klassifikationsprinzipien der phonetischen Stile


Die Zahl der phonetischen Stile, die in der Linguistik genannt werden, ist
unterschiedlich. Sie schwankt in bedeutenden Grenzen, zwischen zwei und fünf,
weil der Gliederung verschiedene Kriterien zugrunde gelegt werden.
Für L.W. Schtscherba war, z.B., die Artikulationsweise ausschlaggebend.
Auf dieser Grundlage stellte er den vollen Stil, wo alle Laute deutlich artikuliert
werden, der Umgangssprache gegenüber, wo es auf die genaue Artikulation
weniger ankommt.
E. Stock dagegen meinte, dass für die phonetische Gestaltung des Textes vor
allem sein Produktionsweg wichtig ist: Wird der Text frei gesprochen oder wird
ein Manuskript vorbereitet und danach ausdrucksvoll vorgelesen. Deshalb machte
er einen Unterschied zwischen zwei anderen phonetischen Stilen: frei
gesprochenen und künstlerisch vorgelesenen mündlichen Texten.
Im „Großen Wörterbuch der deutschen Aussprache“, das die Sichtweise der
DDR-Linguisten präsentiert, werden drei phonetische Stile genannt:
 feierlicher Vortrag,
 Lesung von Manuskripten und
 ruhiges sachliches Gespräch.
Es ist nicht leicht, in dieser Klassifikation ein einheitliches
Einteilungsprinzip zu finden. Man könnte jedoch die Artikulationsschärfe
vermuten, denn sie sinkt von der Feierrede zum Gespräch. Auf jeden Fall liegen
alle diese Stile im Bereich der Hochlautung.
Der Moskauer Phonetiker O. Kosmin präsentiert vier phonetische Stile (er
nennt sie zwar nicht Stile, sondern Varianten der mündlichen Rede). Dabei
berücksichtigt er bei ihrer Differenzierung einige Aspekte: Grad der Vorbereitung
des Textes, Form der Rede (Dialog/Monolog), Ort des Empfangs (Rede in der
Öffentlichkeit oder im Alltag), direkten oder mittelbaren Kontakt zwischen den
Sprechpartnern. Je nach Verbindung dieser Kriterien unterscheidet er zwischen
 vorbereitetem offiziellem Monolog,
 öffentlicher dialogischer Kontaktrede,
- 81 -
 unvorbereitetem Monolog und
 Alltagsdialog.
Ch. Zacharias und S.M. Gaidučik sprechen von je fünf phonetischen Stilen,
trennen sie jedoch nach verschiedenen Grundsätzen. Ch. Zacharias unterscheidet
vor allem zwischen zwei Ebenen der deutschen Sprache: Hochsprache und
Umgangssprache. Innerhalb der Hochsprache differenziert sie zwischen Vortrag
und gehobenem Vortrag. In der unteren Ebene unterscheidet sie zwischen
gehobener, mittlerer und niedriger Stufe der Umgangssprache. Schematisch kann
man das folgenderweise darstellen:

Vortrag
Hochsprache gehobener Vortrag
Sprache gehobene Stufe
Umgangssprache mittlere Stufe
niedrige Stufe

Für S.M. Gaidučik waren auch einige Faktoren von Bedeutung: der
Lebensbereich, in welchem die Sprache funktioniert, und Beziehungen zwischen
den Sprechpartnern. Von diesem Standpunkt aus machte er einen Unterschied
zwischen drei Ebenen in dem offiziellen Verkehr (Feierrede, wissenschaftliche
Rede und offizielle sachliche Kommunikation) und zwei Ebenen in der
inoffiziellen Umgangssprache: alltägliche Umgangssprache und familiärer Stil.
Schematisch sieht das folgenderweise aus:

Feierrede
offiziell wissenschaftliche Rede
Beziehung offizielle sachliche Rede
inoffiziell ungezwungene Umgangssprache
familiäre Umgangssprache

Man kann sehen, dass keine von diesen Klassifikationen hundertprozentig


streng ist, deshalb wird nach den Systematisierungsmöglichkeiten der mündlichen
Texte weiter gesucht. Das gilt nicht nur für die deutsche Sprache, sondern auch für
alle anderen.

- 82 -
9.4. Phonostilistische Mittel
9.4.1. Das Ausdruckspotential der Stimme
Jede Sprache besitzt recht viele Klangmittel, die wirksam eingesetzt werden
können, um die Wirkung des Wortes zu erhöhen. Dazu gehören:
 die Stimme selbst, die vielseitige Informationen dem Hörer bietet:
a) über den Sprecher: über sein Geschlecht, manches über sein Alter (Kind
oder Erwachsener), über das Temperament, den körperlichen und
psychischen Zustand – das alles sind Aspekte, die für die
Kommunikation von Bedeutung sind;
b) über die Absicht des Sprechers: will er den Hörer über etwas informieren,
fordert er etwas, droht er, bittet er oder empfiehlt er etwas;
c) über seine Gefühle, sein Verhalten zum Inhalt des Textes sowie zum
Hörer;
 Variationen der prosodischen Gestaltungsmittel: Tempo, Gliederung des
Textes durch Pausen, Betonung, Lautstärke, Melodiesprünge usw.;
 Artikulation, die in offiziellen Situationen genauer und deutlicher ist als in
inoffiziellen. Die lässige Artikulation verursacht eine größere Zahl von
Lautvariationen in inoffiziellen Gesprächen im Vergleich zu den offiziellen.
Das alles sind phonetische Mittel, die jeder von uns regelmäßíg im
Sprachverkehr verwendet.

9.4.2. Spezifische Mittel der Klangstilistik


Außer diesen weit bekannten Mitteln besitzt die Sprache besonderes
phonostilistisches Potential, das in verschiedenen Fällen von den Sprechern
bewusst oder unbewusst eingesetzt wird. Das sind:
1. Die Lautsymbolik – ein seit der Antike umstrittener Bereich, der jedem
Laut bestimmte Wirkung zuschreibt. Laut dieser Theorie gibt es
angenehme und unangenehme, weiche und harte Laute, aggressive und
milde, warme und kalte, helle und dunkle usw. Laute verschiedener
Qualität wirken auf das Unterbewusstsein des Hörers und beeinflussen
ihn dadurch zusätzlich zum Wort. Dabei wird behauptet, dass sie leichter
und schneller den Empfänger erreichen als die Worte, denn sie haben zu
ihm einen direkten Zugang als Schallwellen und brauchen keine
Bearbeitung durch das Gehirn.
Dieses Mittel wird gern verwendet in magischen Formeln, in der
Poesie, in der Werbung, z.B.: Liebe, Licht, Leben lautet die Aufschrift

- 83 -
auf dem Grabstein von Herder; oder: „Zeitung zeigt Zähne“ heißt ein
Artikel in dem „Handelsblatt“.
Eine eindeutige Antwort auf viele Fragen in diesem Bereich –
welche Bedeutung welchen Lauten zukommt, ob die Laute überhaupt
eigene Bedeutungen haben, ist diese Bedeutung universell oder
spezifisch für jede Sprache – eine Antwort auf diese Fragen gibt es heute
noch nicht, obwohl sich viele Forscher damit beschäftigen.
2. Lautmalerei (Onomatopoesie) werden Wörter genannt, die als
Nachahmung der Naturgeräusche entstanden sind (miauen, zischen,
knurren, rauschen, lallen, summen usw.) oder als Wiederholung
tierischer Laute: der Wau-wau, der Kuckkuck, ki-ke-ri-ki usw. Das sind
sehr alte Lexeme, sie sind vermutlich als erste Wörter menschlicher
Sprache entstanden, als motivierte Sprachzeichen. Sie werden oft in der
Kindersprache verwendet.
3. Phonetische Wiederholungen, die in verschiedenen Formen bestehen: Es
werden Vokale oder Konsonanten, einzelne Laute oder ihre Verbindungen
wiederholt. Die wichtigsten davon sind:
a) die Alliteration (der Stabreim) – Wiederholung anlautender Konsonanten
in mehreren Wörtern: „Milka macht müde Männer munter“ wirbt die Schweizer
Schokolade für ihr Produkt. Bekannte Dichter machen gern davon Gebrauch:
Всяк, кто вольно Отчизну покинул,
Волен выть на вершинах веков. (В. Набоков)
Веками, веками, Свинцовые веки
Сверкала, взводила, Смеженные
Горбачусь из серого камня Видят
Сивилла. В сей нищенской жизни –
Свинцовые веки Лишь час величавый.
Смежились – Из серого камня – гляди –
Не выдать. Твоя слава. (М. Цветаева)
Wurzeln der deutschen Alliteration liegen in der altgermanischen Dichtung.
Dieses phonetische Mittel hat zahlreiche Spuren in der deutschen Phraseologie
hinterlassen: mit Stumpf und Stiel ausrotten, mit Haut und Haaren jemanden
fressen, hoch und heilig versprechen, mit Kind und Kegel ziehen usw.
b) Assonanz heißt in der Stilistik Wiederholung von betonten Vokalen in
mehreren Wörtern: Komm, liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele
spiel ich mit dir (J.W. von Goethe).

- 84 -
Die Wirkung der Assonanz verbindet man oft mit Lautsymbolik – der
positiven Wirkung auf unsere Psyche der vorderen Vokale und dem negativen
Einfluss auf unsere Psyche der Hinterzungenvokale:
Erreicht den Hof mit Müh und Not –
In seinen Armen das Kind war tot. (J.W. von Goethe).
Dieser Zusammenhang muss jedoch überzeugend nachgewiesen werden.
c) Der Reim ist Wiederholung der Endsilben in den Verszeilen:
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung liegt das Meer.
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher. (J.W. von Goethe).
Werden betonte Endsilben wiederholt, so spricht man vom männlichen
Reim: ´Meer – um´her. Wenn unbetonte Endsilben sich reimen, entsteht der
weibliche Reim: ´Wasser –´Schiffer. Man findet ihn milder als den männlichen.
Den Reim nennt man rein, wenn die Laute in sich reimenden Silben völlig
übereinstimmen:
Es erklingen alle Bäume
Und es singen alle Nester.
Wer ist der Kapellenmeister
In dem grünen Waldorchester? (H. Heine)
Wenn das nicht geschieht, haben wir einen unreinen Reim: Wasser – Schiffer.
Gleich lautende Silben können in zwei unmittelbar nacheinander folgenden
Zeilen liegen (aa, bb – Paarreim). Sie können durch eine Zeile voneinander
getrennt sein (ab, ab – Kreuzreim). Sie können die ganze Strophe umfassen (abba –
umschließender Reim) oder innerhalb der Strophe paarweise gruppiert sein (aa, bb,
cc – Schweifreim).
Der Reim macht die Rede wohllautend und erleichtert dem Leser oder Hörer
die Wahrnehmung des Textes. Sein Anwendungsgebiet ist die Poesie.
d) Als Versfuß bezeichnet man die rhythmische Grundlage der poetischen Rede
– Wiederholung der betonten Silben nach der gleichen Zahl von unbetonten, z.B.
in diesen Zeilen von H. Heine:
Wenn ´ich an ´deinem ´Hause So ´freut’s mich, du ´liebe ´Kleine,
Des ´Morgens vo´rüber´geh, Wenn ´ich dich am ´Fenster ´seh.
Die Silbenketten können dabei von verschiedener Länge sein. Die
gebräuchlichsten sind die zwei- und dreisilbigen Versfüße.
- 85 -
Unter den zweisilbigen Versfüßen gibt es Strukturen mit der ersten betonten
Silbe (der Trochäus):
´Tiefe ´Stille ´herrscht im ´Wasser,
'Ohne 'Regung 'liegt das 'Meer. (J.W. von Goethe)
und die mit der zweiten betonten Silbe (der Jambus):
Ich ´ging im ´Walde Und ' nichts zu ' suchen,
So ´für mich ´hin Das ' war mein ' Sinn. (J.W. von Goethe)
Zu den dreisilbigen Versfüßen gehören:
 der Daktylus mit der ersten betonten Silbe (´- - -) :
´Über die ' Heide ' hallet mein ' Schritt;
' Dumpf aus der ' Tiefe ' wandert es ' mit.
' Herbst ist ge' kommen. ' Frühling ist ' weit –
' Gab es denn ' einmal die ' selige ' Zeit? (Th. Storm)
 der Amphybrachus mit der Betonung in der Mitte (-´- -):
Ich ' weiß nicht, was ' soll es be' deuten,
dass ' ich so ' traurig ' bin;
ein ' Märchen aus ' alten ' Zeiten,
das ' kommt mir ' nicht aus dem ' Sinn. (H. Heine)
 der Anapäst mit der dritten betonten Silbe (- -´-):
Es er´klingen alle ´Bäume
und es ´singen alle ´Nester.
' Wer ist der Ka' pellenmeister
In dem ' großen Waldor' chester? (H. Heine)
Die Versfüße ordnen den Redestrom und erleichtern dem Leser seine
Erfassung. An den angeführen Beispielen sehen Sie aber, dass sich die Dichter
nicht sehr streng an das metrische Schema in ihren Werken halten, dass sie in
demselben Gedicht von einem Versfuß zum anderen wechseln können. Sie stellen
die Form dem Inhalt unter.
Reim und Versfuß spielen eine große ästhetische Rolle: Sie machen den
Text schön. Deshalb bleiben viele Verszeilen jahrezehntelang in unserem
Gedächtnis.

- 86 -
10. ENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN AUSSPRACHENORM

10.1. Aus der Geschichte der deutschen Aussprachekodifizierung


10.2. Regionale und nationale Varianten der deutschen Aussprache

10.1. Aus der Geschichte der deutschen Aussprachekodifizierung


Unter K o d i f i z i e r u n g der Aussprache versteht man das Fixieren,
schriftliches Festhalten der vorbildlichen, erwünschten Aussprachevarianten.
Die Entwicklung jeder Nationalsprache hängt aufs engste mit der Geschichte
des Landes zusammen. Deshalb ist es durchaus verständlich, dass das zersplitterte,
in mehrere kleine Fürstentümer zerstückelte Deutschland lange Zeit keine
einheitliche Sprache und keine kodifizierte Aussprache hatte. Jede Region sprach
ihren Dialekt, den der Nachbar oft nicht verstand. Durch die politische und
wirtschaftliche Isolation einzelner Länder vergrößerten sich mit der Zeit die
Unterschiede zwischen den Dialekten, jeder davon ging seinen historischen Weg.
Es gab in Deutschland viele Jahrhunderte lang kein starkes wirtschaftliches oder
politisches Zentrum, das die vielen Fürstentümer zu einem Land hätte vereinen
können. Das erschwerte wesentlich die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte
zwischen den Orten, verstärkte noch mehr ihre Isolation.
Die Herausbildung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache begann mit
der Übersetzung der Bibel aus dem Lateinischen ins Deutsche. Das verwirklichte
Martin Luther 1521-34. Damit begann jedoch die Entwicklung der Normen für die
deutsche Schriftsprache (Hochsprache). Diese Normen galten zuerst nur für
Sachsen, wo M. Luther lebte und wirkte, für die sächsische Kanzlei und sächsische
Druckereien. Allmählich aber verbreiteten sie sich auch auf die anderen Gegenden,
vor allem durch die Bücher. Das waren jedoch die Normen für die geschriebene,
nicht gesprochene Sprache. Bis zur Herausbildung der Aussprachenormen hat es
noch Jahrhunderte gedauert.
Den ersten Schritt zur Normierung der deutschen Aussprache machten nicht
die Linguisten, sondern die Künstler – die Theaterleute. Deutsche Wander-
schauspieler brauchten ein Verständigungsmittel in allen Teilen des Landes, um
Publikum bei ihren Vorstellungen zu haben, deshalb setzten sich große deutsche
Dichter und Schriftsteller aktiv für die Regelung der Aussprache ein. J.W. Goethe,
z.B., der daran interessiert war, dass seine Dramen überall in Deutschland
verstanden werden, schrieb als erster „Regeln für Schauspieler“. Das war der erste
Schritt zur Regelung der deutschen Aussprache. In diesen Regeln rief er die
Schauspieler auf, sich von den Fehlern des Dialektes zu befreien und eine

- 87 -
„vollständig reine Aussprache“ zu erlangen. Die Regeln zur Artikulation waren
zwar sehr allgemein, doch das war ein kühner Regelungsversuch.
Eine systematische Regelung der deutschen Aussprache begann viel später,
erst im 19. Jahrhundert. Sie erfolgte ebenfalls im Auftrag der Bühne, für die sie
lebenswichtig war. So erschien 1885 das Buch von W. Vietor „Die Aussprache des
Schriftdeutschen“. Das war eine Hilfe für die einheitliche Umsetzung der
Buchstaben in die Laute, eine Lesehilfe. Sie lehrte die Leser einen geschriebenen
deutschen Text mehr oder weniger gleich in einen mündlichen umwandeln, weil
nicht alle Buchstaben in verschiedenen Regionen gleich gesprochen wurden.
Dieses Werk ermöglichte allen Deutschen, die lesen konnten, eine mehr oder
weniger gleiche Aussprache von schriftlichen Zeichen.
Der bekannte deutsche Germanist Theodor Siebs forschte über die Sprechart
der deutschen Schauspieler, die sich an der norddeutschen Aussprache orientierten.
Er und seine Helfer untersuchten die ruhige Sprechweise der Schauspieler an 22
großen deutschen Bühnen und fixierten die Ausspracheweise der Wörter in
phonetischer Transkription. Ihre Ergebnisse fassten sie 1898 in dem ersten
richtigen deutschen Aussprachewörterbuch zusammen, das „Deutsche
Bühnenaussprache“ hieß. Damit wurde der Grundstein zur richtigen Kodifizierung
der literarischen deutschen Aussprache (Hochlautung) gelegt, zum Verfassen von
Aussprachewörterbüchern.
Die Normen von Th. Siebs verlangten eine deutliche Artikulation aller
Laute, eine langsame und laute Sprechweise, sehr genaue Produktion aller Vokale,
eine besonders präzise Artikulation der Konsonanten. Diese Normen waren ein
Ideal, das man anstreben sollte, vor allem an den Universitäten, in den Schulen, in
der Kirche, im öffentlichen Leben.
Viele Jahrzehnte war die „Deutsche Bühnenaussprache“ das einzige
Regelwerk für die deutsche Hochlautung. Erst nach dem Krieg, als das geteilte
Deutschland sich vom Kriegselend einigermaßen erholt hat, machte man sich – in
beiden deutschen Staaten getrennt – an die Forschung der wirklich gesprochenen
Sprache, nicht der Sprechweise der Künstler. So erschien 1962 in Mannheim
(BRD) das erste Duden-Aussprachewörterbuch, Band 6. Es wurde von der Duden-
Redaktion unter der Leitung von Paul Grebe konzipiert und herausgegeben. Die
Autoren blieben noch bei strengen Normen der Bühnenaussprache,
berücksichtigten aber einigermaßen die gemäßigte Hochlautung. Diesem Werk
folgte 1964 das „Wörterbuch der deutschen Aussprache“ (DDR), das von einem
Autorenkollektiv unter Hans Krech vorbereitet wurde. Dieses Wörterbuch nahm

- 88 -
mehr Rücksicht auf die allgemeingültige, gemäßigte Aussprache, denn seine
Autoren orientierten sich nicht mehr an der Bühne, sondern an der Aussprache
guter Rundfunk- und Fernsehsprecher, die dem Alltagsverkehr näher als Künstler
standen.
1982 erschien das letzte DDR-Ausspracheregelwerk – „Großes Wörterbuch
der deutschen Aussprache“. Es enthielt schon stilistische Varianten der deutschen
Standardaussprache und ging – zwar bescheiden, aber doch – auf die
Intonationsnormen ein. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands fixiert die
Veränderungen in der deutschen Aussprache die Duden-Redaktion. Sie sorgt auch
für die Neuauflagen des Duden-Aussprachewörterbuches.
Neue Ausgaben des DUDEN-Aussprachewörterbuches werden stets
erweitert, vor allem durch geographische Namen und Fremdwörter. Heute heißt
das wichtigste Regelwerk der deutschen Hochlautung „Aussprachewörterbuch.
Wörterbuch der deutschen Standardaussprache“. Es widerspiegelt die Normen, die
zurzeit als angemessen, gebräuchlich in gebildeten Kreisen, deshalb auch
anstrebenswert gelten.
Die deutsche Aussprachenorm gilt im Allgemeinen als schriftnah (die
Ausspracheregeln weichen nicht sehr weit von der Schreibung ab) und
überregional, d.h., sie gilt für den gesamten deutschsprachigen Raum, auch über
die Grenzen Deutschlands hinaus. Schulen und Hochschulen, auch Massenmedien
tragen sie in die Massen, und so wird sie langsam zur allgemeinen
Aussprachenorm, obwohl die regionalen Aussprachevarianten noch bei weitem
nicht vergessen sind.

10.2. Regionale und nationale Varianten der deutschen Aussprache


Neben der literarischen deutschen Aussprachenorm – Hochlautung – leben in allen
Teilen Deutschlands immer noch Dialekte – Varianten der Nationalsprache, die
sich auf größere Regionen beziehen (z.B., Sachsen, Bayern, Schwaben,
Niederdeutsch) und Mundarten – Varianten, die in einzelnen kleineren
Ortschaften gesprochen werden.
Dialekte und Mundarten weisen Unterschiede nicht nur im Lautinventar auf.
Sie unterscheiden sich auch im Wortschatz, doch die Aussprache fällt besonders
stark auf.
Die regionalen Varianten der Hochsprache und Hochlautung haben ihren
Platz vor allem im Alltag. Sie werden aber manchmal auch auf die Bühne
gebracht, besonders von Komikern, denn sie bieten reichlich Stoff für Wortspiel,

- 89 -
Sprachscherz u.a.m. Im öffentlichen Leben vermeidet man dagegen den Dialekt
und versucht hochdeutsch zu sprechen.
Neben den dialektalen Varianten der deutschen Aussprache bestehen einige
typische nationale Unterschiede in der Aussprache von Lauten und ihren
Kombinationen in den deutschsprachigen Ländern – in der Schweiz, in Österreich
und Luxemburg.
Einen Österreicher erkennt man an der Aussprache einiger Laute und an der
Prosodie. Die Österreicher
 artikulieren die Vokale weiter im Mundraum als die Deutschen [hama],
 reduzieren stark das unbetonte [e] – [g‘za:kt],
 gebrauchen nur das Vorderzungen-r,
 realisieren das Suffix -ig als [ik] (sel[ik]), das Graphem ‹ ch › im Wortanlaut
als [k]: ([k]ina, [k]emie),
 sonorisieren den stimmlosen Morphemauslaut: tä[g]lich, mö[g]lich,
 gebrauchen nur den weichen Einsatz der Vokale: vereinen, beobachten.
Das Schweizerdeutsch (Schwyzerdütsch) verwandelt alle Diphthonge in
Monophthonge (sein – sin, heute – hüte); das offene [] wird geschlossen realisiert:
helfen [' helfn]. Das Suffix -ig wird – wie in Österreich – als [ik] gesprochen:
richt[ik], wicht[ik].
Die Unterschiede zwischen der deutschen Hochlautung und dem
schweizerischen Deutsch sind recht groß, auch wenn es um das so genannte
Schweizer Hochdeutsch geht. Gebildete Schweizer beherrschen jedoch die
deutsche Hochlautung, nur die ländliche Bevölkerung spricht meist ihr stark
mundartgefärbtes Schwyzerdütsch. Im alltäglichen Verkehr verwenden aber auch
die gebildeten Schweizer ihre regionale Variante des Deutschen.

11. PHONETISCHE FORSCHUNGSMETHODEN


- 90 -
11.1. Methodologische Grundlage der phonetischen Forschung
11.2. Allgemeinwissenschaftliche Methoden in Phonetik
11.3. Spezifisch phonetische Forschungsverfahren

11.1. Methodologische Grundlage der phonetischen Forschung


Jeder Wissenszweig hat ein grundlegendes theoretisches Fundament, auf dem er
seine Erkenntnisse aufbaut. Für die Linguistik bildet die Philosophie dieses
Fundament: Die Linguistik stützt sich auf philosophische Gesetze bei der
Interpretation ihrer Daten. Dazu gehören solche philosophischen Grundsätze wie
Verbindung zwischen Denken und Sprache, zwischen Qualität und Quantität,
zwischen Sinn und Form, zwischen Besonderem und Allgemeinem u.a.m.

11.2. Allgemeinwissenschaftliche Methoden in Phonetik


Unter Methode versteht man in der Wissenschaft den Weg, auf dem man zu
seinem Ziel kommt.
Die Linguistik hat im Laufe ihrer Geschichte mehrere Verfahren entwickelt,
die ihr ermöglichen, verschiedene Seiten der Sprache zu analysieren. Diese
Methoden können zur Erforschung des Wortschatzes, der Grammatik oder
Phonetik eingesetzt werden. Man nennt sie allgemeinlinguistische Methoden. Dazu
gehören:
 Die B e o b a c h t u n g : Sie setzt einen aufmerksamen Blick auf
empirische Daten voraus. Damit beginnt jede Forschung.
 Die s e m a n t i s c h e A n a l y s e , d.h. Erfassen der
Bedeutungsunterschiede in Wörtern oder größeren Redesegmenten: finden –
binden – winden. Man verwendet sie in Phonetik, um das Phonem- und
Prosodeminventar einer Sprache zu ermitteln, um zu erfahren, welche
phonetischen Modifikationen relevant und welche redundant sind.
 Die d e s k r i p t i v e A n a l y s e , die ein detailliertes Fixieren von allem
voraussetzt, was der Redestrom enthält, und langsames Aufbauen des
entsprechenden Sprachsystems. Sie findet Anwendung vor allem bei der
Erforschung unbekannter Sprachen und Dialekte.
 Die k o m p a r a t i v e A n a l y s e , die auf dem Vergleichen von
Elementen einer Sprache in verschiedenen Epochen oder mehreren Sprachen
beruht. Das ist die Hauptmethode bei historischen und typologischen
Forschungen.

- 91 -
 Die S u b s t i t u t i o n nennt man das Auswechseln von einigen
sprachlichen Segmenten durch ähnliche. Wenn man, z.B., erfahren will, ob
die Silbe am Wortende und am Wortanfang gleiche Eigenschaften hat,
ersetzt man die Endsilbe durch die identische Anfangssilbe und vergleicht
die Wirkung:
Der Knabe bekommt einen Apfel. = Der Knabe bekommt einen Apfel. Oder:
Das machen wir Ende Dezember. = Das machen wir Ende Dezember.
Man vergleicht die Sätze mit vertauschten Silben, und wenn man keinen
Unterschied hört, heißt es, dass die beiden Silben gleich sind oder
unwesentliche Differenzen haben.
 T r a n s f o r m a t i o n heißt die Forschungsmethode, bei der die äußere
Form des Ausspruchs verändert wird, der Sinn jedoch dergleiche bleibt: Er
heißt Adam. = Sein Name ist Adam. = Man nennt ihn Adam. In phonetischer
Forschung begleitet sie oft die Suche nach synonymen prosodischen
Formen.
 S t a t i s t i s c h e M e t h o d e n ermöglichen den Sprachforschern die
qualifizierte quantitative Bearbeitung von Belegen, Verwendung der
Zahlenangaben zur Bewertung von sprachlichen Phänomenen.

11.3. Spezifisch phonetische Forschungsverfahren


Neben den Forschungsmethoden, die nicht nur in Phonetik, sondern auch in
Lexikologie, Grammatik, Stilistik Verwendung finden, gibt es spezifisch
phonetische Verfahren, die auf das Erlernen der Laute als Schallwellen und die
Artikulationsfeinheiten zielen. Darunter unterscheidet man
 A b h ö r m e t h o d e n , die auf Wahrnehmung der phonetischen Gebilde
beruhen;
 e l e k t r o a k u s t i s c h e A n a l y s e , d.h. das Zerlegen der Schallwelle
in ihre akustischen Bestandteile: Zeit, Frequenz, Amplitude;
 p h y s i o l o g i s c h e M e t h o d e n , die Bewegung und Spannung
einzelner Muskeln bei der Produktion von Lauten zeigen.
Die Abhörmethode setzt (bei Bedarf mehrmalige) Wahrnehmung eines
Ausspruchs oder seines Teils voraus, um z.B. Pausen festzustellen und ihre Länge
zu bewerten, um Betonungen zu ermitteln und nach Stärke zu differenzieren, um
Melodiebewegung zu verfolgen usw. Zum Abhören werden Segmente mit
ausgetauschten Lauten, Silben oder Wörtern angeboten, ganze Texte oder ihre
Abschnitte. Gliederung längerer Textpassagen in kürzere Teile nennt man
Segmentation.
- 92 -
Das Abhören ist die wichtigste Methode für die linguistische Bewertung
aller ermittelten phonetischen Unterschiede: Sprachlich relevant ist das, was das
Ohr unterscheidet.
Um den Redestrom in seine akustischen Bestandteile zu zerlegen, verwendet
man die Oszyllographie (s. Abb. 10), heute gekoppelt mit dem Computer:

Abb. 10. Registrierstreifen des Ausspruchs „Sein Vater ist Maler?“

Die innere Struktur der Laute, ihre inhärenten Frequenzbereiche (Formanten)


werden bei der Spektralanalyse der Schallwelle registriert (s. Abb. 11).

Abb. 11. Sonogramm der Laute im Wort „ansehen“ (nach G. Lindner)

Die Sprachsynthese befasst sich mit der künstlichen Produktion von Texten:
Der Apparat nimmt Frequenz, Dauer und Amplitude einzelner Laute und mixt
daraus Wörter und ihre Kombinationen. Damit der Text natürlich klingt, müssen
jedoch prosodische Eigenschaften dazukommen: Satzbetonungen, Pausen,
Melodiebewegung, bestimmtes Tempo usw. Das ist eine wichtige praktische
Herausforderung für die Phonetik und Elektronik: Gute Redesynthese würde
Tausenden blinder Menschen in Form von Hörbüchern den Zugang zu den Werken
öffnen, die sie jetzt nicht lesen können.
- 93 -
Unter physiologischen Forschungsmethoden kann man die Palatographie
nennen – Ermittlung genauer Artikulationsstelle des Lautes, die Miographie, die
Spannung der Muskeln beim Sprechen fixiert, auch das Röntgen, das die Lage der
Sprechorgane bei der Produktion von Lauten fixiertt, die wir nicht sehen können,
und das Filmen, das Bewegung der sichtbaren Sprechorgane registriert.
Bei phonetischer Forschung werden in der Regel mehrere Methoden
verwendet, die einander ergänzen.

- 94 -
TEIL 2: PHONETISCHES GLOSSARIUM
A
Abglitt, der – Endphase der Artikulation, in der die Sprechorgane zum nächsten
Laut übergehen.
Abhörmethode, die – auditive Bewertung der Eigenschaften mündlicher Texte bei
phonetischer Forschung.
Affrikate, die – der Verschlussengelaut: der Verschluss zweier Sprechorgane geht
schnell in eine Enge über: [′pfaifņ].
akzent-melodische Struktur der Äußerung, die – Folge der betonten und unbe-
tonten Silben im Ausspruch und Bewegung der Melodie im Zusammenhang damit.
Alliteration, die – Wiederholung anlautender Konsonanten in mehreren Wörtern
in einem Satz: Zeitung zeigt Zähne. Wissen, was wichtig wird.
Allomorph, das – phonetische Variante eines Morphems: du denk+st, arbeit+est.
Allophon, das – (auch: Laut, Phonemvariante): Gesamtheit von relevanten und
irrelevanten Merkmalen eines Lautgebildes, materielles Äquivalent des abstrakten
Phonems.
Alphabet, das – Gesamtheit der Buchstaben einer Sprache.
Alveole, die – der Zahndamm: kleine Erhöhung im Mundraum hinter den Zähnen.
anterior – im vorderen Mundraum gebildet.
Alternant, der – (auch: das Allomorph): phonetische Variante eines Morphems:
geh+st, ging, der Gang – die Gäng+e.
Akkommodation, die – gegenseitige Einwirkung der Laute verschiedener Klassen
im Redestrom: der Vokale auf Konsonanten und umgekehrt.
Amplitude, die – die Schwunghöhe der Schallwelle, von der die Lautstärke
abhängt.
Anglitt, der – Anfangsphase der Artikulation eines Lautes, in der die Sprechorgane
sich in die entsprechende Stellung bewegen.
Anlaut, der – der Laut am Wortanfang: aber.
Artikulationsart, die – die Weise, wie ein Laut gebildet wird: durch die
Sprengung eines Verschlusses, durch die Überwindung einer Enge, durch das
Vibrieren eines Sprechorgans usw.
Artikulationsstelle, die – unbeweglicher Teil des Sprechapparats, an den sich das
artikulierende Organ nähert, um bei der Artikulation eines Konsonanten ein
Hindernis für den Luftstrom zu bilden (die Alveolen, die Oberlippe, die Zähne).
Artikulator, der – (auch: artikulierendes Organ): beweglicher Teil des
Sprechapparats, der zusammen mit der Artikulationsstelle ein Hindernis für den
Luftstrom bildet (Unterlippe, verschiedene Teile der Zunge, Zäpfchen).
- 95 -
artikulierende Organ, das – s. Artikulator.
Assonanz, die – Wiederholung gleicher betonter Vokale in mehreren Wörtern:
Komm, liebes Kind, komm, spiel mit mir!
Aspiration, die – behauchte Aussprache der stimmlosen Verschlusssprenglaute
am betonten Wortanfang und -ende: die Tat [tha:th].
Assimilation, die – Angleichung eines Lautes an die anderen im Redestrom. Auch:
Einwirkung der Laute gleicher Klasse aufeinander: Vokale auf Vokale und
Konsonanten auf Konsonanten.
Auslaut, der – Endlaut des Wortes: mit.
Auslautgesetz, das – s. Auslautverhärtung.
Auslautverhärtung, die – (auch: Auslautgesetz): stimmlose Aussprache der
stimmhaften Konsonanten am Wort- oder Morphemende: Ber[g]e – Ber[k].
Ausspruch, der – (auch: Äußerung): Haupteinheit der Kommunikation;
prosodisch gestaltete Lautkette, die einen abgeschlossenen Gedanken zum
Ausdruck bringt.
Äußerung, die – s. Ausspruch.

B
Baudouin de Courtenay, I.A. – polnischer und russischer Sprachwissenschaftler,
Professor an der Universität Kasan, später Petersburg; legte den Grundstein zum
Strukturalismus und zur Phonemlehre.
Betonung, die – Hervorhebung eine Elements über die anderen: be´ginnen.
bilateral – zweiseitig, beiderseitig; bilaterales Sprachzeichen – Verbindung
zwischen Inhalt und Form.
Binnenlauf, der – (auch: rhythmischer Körper): Teil der akzent-melodischen
Struktur des Ausspruchs von der ersten bis zur letzten betonten Silbe: Da´nach
´war er einige ´Jahre in Af´´´ghanistan.
biphonematisch – aus zwei Phonemen bestehend: [kn], [ks].
Buchstabe, der – graphisches, schriftliches Zeichnen für ein Phonem.

D
Dauer, die – wahrgenommene Zeit, Länge eines Sprechsegmentes.
delimitativ – trennend, abgrenzend, gliedernd (z.B., fester Einsatz oder Pause).
dental – an den Zähnen gebildet: [f], [v].
diakritische Zeichen, das – Symbol für zusätzliche Eigenschaften eines Lautes
(z.B., Doppelpunkt für die Vokallänge [a:] oder [¢ ] für die Betonung).

- 96 -
Diphthong, der – vokalischer Zwielaut, der durch die gleitende Artikulation
entsteht ([ai], [au]) und den Wert eines Phonems besitzt.
dipodische Rhythmus, der – (auch: integrierender Rhythmus: stärkere
Hervorhebung wichtigerer Takte im Redestrom im Vergleich zu den weniger
wichtigen.
Distribution, die – Verteilung der Laute in der Sprache.
Dialekt, der – regionale Variante der nationalen Sprache, die sich auf eine größere
Gegend bezieht.
differenzierend – unterscheidend, wesentlich für den Inhalt.
distante Assimilation, die – (auch: Fernassimilation): Einwirkung eines Lautes
auf einen anderen, der von ihm durch einige Laute getrennt ist: mächtig.
distinktiv – (auch: phonologisch, relevant): unterscheidend, wesentlich für die
Bedeutung: [das] – [nas].
dorsal – mit der Zungenwurzel (Hinterzunge) gebildet: [x], [k].
dynamische Wortbetonung, die – Hervorhebung der betonten Silbe durch die
Verstärkung ihrer Intensität.
dynamische Rhythmus, der – rhythmische Regelung des Redestroms, die durch
den Inhalt des Textes, durch die besonderen Akzente des Sprechers entsteht.

E
elektro-akustische Analyse, die – phonetisches Forschungsverfahren, bei dem die
Schallwelle in die akustischen Bestandteile zerlegt wird: Zeit, Frequenz, Intensität.
emphatische Betonung, die – auffallende, gefühlsmäßige Hervorhebung einzelner
Begriffe im Ausspruch.
Engelaut, der – (auch: Reibelaut, Engereibelaut, Frikativa oder Spirant):
Konsonant, der durch das Reiben des Luftstroms in einer Enge entsteht, die zwei
Sprechorgane bilden: [s], [f], [v] u.a.
Enklise, die – unbetonte Silben im rhythmischen Takt nach der betonten: Mit
deiner ´guten /´Aussprache/ kannst du Pho´´´netik lehren.
Epenthese, die – Einfügung eines Elementes in das Wort bei der Veränderung
seiner grammatischen Form: er entwort+et, du bad+est.
ethymologische Akzent, der – Hervorhebung des bedeutungswichtigsten
Elementes im Wort: ´annehmen, ´abnehmen, ´zunehmen, ´wegnehmen.
Explosiva, die – (auch: Sprenglaute, Verschlusslaute): Konsonanten, die durch die
Sprengung des Verschlusses zwischen zwei Sprechorganen entstehen: [p], [b] u.a.
expressive Funktion der Sprachmittel, die – Ausdruck von Gefühlen des
Sprechers.
- 97 -
F
fallende rhythmische Takt, der – Takt, der mit einer betonten Silbe beginnt und
mit unbetonten endet: ´Ahnungslos /´ ´atmete er/ das ´Gift ´´´ein.
Fernassimilation, die – (auch: distante Assimilation): Angleichung der Laute, die
nicht nebeneinander liegen, sondern durch einige andere Laute voneinander
getrennt sind: nächtlich.
Fokus, der – (auch: emphatische Betonung): zusätzlich stark hervorgehobene,
inhaltlich besonders wichtige Elemente im Ausspruch: ´´´Weinen tut er ´´´nie.
´´´Allein gehe ich dorthin ′′′nicht.
Form, die – (auch: materieller Zeichenkörper, Formativ): Laut- oder Buchstaben-
folge, die einen Denkinhalt materialisiert, ihn hörbar oder sichtbar macht.
Formant, der – die Klangfarbe bestimmender, stark hervortretender Teilton, der
durch die Eigenschwingung von Hohlräumen gebildet wird.
Formativ, das – auf die Gestaltung bezüglich, formbildend.
Fortis, die – stimmloser, ohne Stimmton gebildeter Konsonant: [k], [s].
Frequenz, die – Zahl der Schwingungen der Schallwelle pro Sekunde (Hz).
freie Wortbetonung, die – Betonung, die an keine bestimmte Silbe im Wort
gebunden ist, die auf die erste, zweite, dritte usw. Silbe fallen kann: ´бед-ный,
бо-´гатый, мо-ло-´ко.
frikativ – durch das Reiben des Luftstroms an ein Hindernis entstehend, in einer
Enge gebildet.

G
gebundene Wortbetonung, die – Betonung, die immer auf dieselbe Silbe im Wort
fällt: auf die letzte im Französischen, auf die vorletzte im Polnischen usw.
Gemination, die – Doppelgipflichkeit und Verlängerung des Konsonanten an der
Wort- oder Morphemgrenze, wenn zwei gleiche Konsonanten aufeinander treffen:
Auffahrt, Annahme, Abbild.
geschlossene Silbe, die – Silbe, die mit einem oder einigen Konsonanten endet:
Wis-sen, Gren-zen, Wort.
Graphem, das – ein Buchstabe oder eine Buchstabenkombination, die ein Phonem
bei dem Schreiben bezeichnet (z.B.: oben, Ohr, Moos)
Grammatik, die – Teilsystem der Sprache, Gesamtheit von Regeln zur
Veränderung und Verbindung der Wörter beim Sprechen.
grammatische Akzent, der – Wortbetonung, welche die grammatischen Formen
unterscheidet: ´леса – ле´са, ´поля – по´ля.
„Grundzüge der Phonologie“ (1939) – klassisches Werk der Phonologie von
N. Trubetzkoy, in dem die Grundlagen dieses Wissenszweiges formuliert sind.
- 98 -
H
Hauptbetonung, die – Hervorhebung des wichtigeren Stammes im
zusammengesetzten Wort oder des wichtigsten Wortes im Ausspruch: der ´Haupt-
bahnhof, die ´Tonhöheveränderung. Der ´Zug fährt in drei Mi´nuten ´´´ab.
Hemmlaut, der – (auch: Hindernislaut, Konsonant): Laut, bei dessen Bildung der
Luftstrom auf ein Hindernis im Mundraum stößt.
heteromorphemisch – aus mehreren Morphemen bestehend: aus+fall+en.
Hesitation, die – Pause, die an falscher Stelle im Ausspruch entsteht und den
Sinneszusammenhang zerreißt: An dies... an seiner Stelle e-e-e… könnte man...
Hindernislaut, der – s. Hemmlaut, Konsonant.
Hochlautung, die – (auch: Standardaussprache oder Orthoepie): literarische,
allgemein akzeptierte und angestrebte Aussprache im Deutschen.

I
identifizierend – erkennungshelfend, als Hilfe beim Erkennen dienend.
indistinktiv – nicht wesentlich für die Bedeutung, nicht bedeutungs-
unterscheidend.
Inhalt, der – (auch: Zeichenbedeutung): psychischer, ideeler Sachverhalt, der
Zusammenhänge der Objekte in der Realität widerspiegelt.
Inlaut, der – Position des Lautes mitten im Wort: bist.
integrierende Rhythmus, der – s. dipodischer Rhythmus.
Intensität, die – Stärke, Kraft, Spannung; dynamische Eigenschaft der
Schallwelle, die hinter der Lautstärke steht.
Intervall, das – Abstand zwischen zwei Tonhöhe- oder Intensitätspunkten.
Intonation, die – Gesamtheit der prosodischen Eigenschaften des Redestroms
(in der westlichen Linguistik auch Synonym für Melodie).
Intonem, das – sinnunterscheidende tonale Struktur der Äußerung (Kombination
von Richtung der Melodie und tonalen Intervallen).
irrelevant – unwesentlich, ohne Folgen für die Wortbedeutung (z.B., die
Behauchung im Deutschen); etwas, was die Wortbedeutung nicht verändert.

J
Jakobson, Roman – russischer, später amerikanischer Linguist, enger Mitarbeiter
von N. Trubetzkoy, der aktiv die Phonologie entwickelte. Zusammen mit seinen
amerikanischen Kollegen M. Halle und G. Fant ergänzte er die artikulatorischen
phonologischen Merkmale von N. Trubetzkoy durch ihre akustischen Korrelate.

- 99 -
Jones, Daniel – englischer Sprachwissenschaftler, Zeitgenosse von N. Trubetzkoy;
hat seine eigene Phonemlehre entwickelt.

K
Kadenz, die – Teil des Ausspruchs, der die letzte betonte und die folgenden
unbetonten Silben im Ausspruch (den Nachlauf) umfasst: Das ´hast du mir aber
ver ´´´sprochen!
Klangfarbe, die – (auch: Timbre): spezifische Färbung der Stimme durch die
Obertöne.
Koartikulation, die – zusätzliche Artikulation, die ein Laut von den
Nachbarlauten übernimmt.
kombinatorische Lautmodifikationen – Lautveränderungen im Redestrom, die
durch die Einwirkung der Nachbarlaute entstehen: Labialisation, Palatalisation.
komplementär – ergänzend, z.B. [x] und [ς] im deutschen Konsonantensystem.
Kommunikation, die – Verständigung zwischen den Menschen, gegenseitiger
Gedankenaustausch.
Konsonant, der – (auch: Mitlaut, Hemm- oder Hindernislaut): Laut, bei dessen
Bildung der Luftstrom im Mundraum auf ein Hindernis stößt: [x], [t].
konstitutiv – bildend, zu einer Ganzheit integrierend.
koronal – mit der Vorderzunge gebildet.
kulminativ – gipfelbildend: be′tonen.

L
labial – mit Beteiligung der Lippe gebildet: [m], [b], [p], [f], [v], [pf].
Labialisation, die – zusätzliche Lippenrundung bei der Aussprache eines nicht
gerundeten Lautes unter der Einwirkung eines runden Nachbarlautes: [b◦u:x].
lateral – an den Zungenseiten gebildet: [l].
laryngal – im Kehlkopf gebildet: [h]
Laut, der – das kleinste Segment des Wortes, das man getrennt aussprechen kann:
[n], [p], [v].
Lautstärke, die – wahrgenommene Amplitude der Schallwelle.
Lautmalerei, die – Wörter, die Naturgeräusche nachahmen: bellen, miauen,
muhen, summen, knarren usw.
Lautsymbolik, die – eine alte Lehre vom Zusammenhang zwischen dem Laut und
seiner Wirkung auf das Unterbewusstsein des Menschen.
Lautwandel, der – historische Veränderung des Lautbestandes eines Wortes: skola
(lat.) → Schule.
- 100 -
Lenis, die – stimmhafter, den Stimmton enthaltender Konsonant.
Lexikon, das – Teilsystem der Sprache, ihr Wortschatz.
Liquida, die – fließender Laut: [l], [r].

M
markiert – merkmalstragend, mit einem Merkmal versehen (z.B., [a:] ist
merkmalstragend nach der Länge, d.h., der Vokal besitzt dieses Merkmal).
medial – (auch: mediodorsal): mit der Mittelzunge gebildet: [ς], [j].
Melodie, die – Veränderungen der Tonhöhe in der Zeit beim Sprechen.
Merkmal, das – Bestandteil eines Objektes (Lautes, Wortes usw.).
Minimalpaar, das – zwei Kurzwörter, die sich nur durch ein Element
unterscheiden (was – Fass; wer - der).
Mitlaut, der – s. Konsonant, Hindernislaut, Hemmlaut.
modale Funktion der Sprachmittel, die – Ausdruck des subjektiven Verhaltens des
Sprechers zum Inhalt der Äußerung (Sicherheit, Zweifel, Nachdruck usw.).
monomorphemisch – aus einem Morphem bestehend: Dach, Holz, er.
monophonematisch – aus einem Phonem bestehend: [p], [b], [d].
Monophthong, der – einfacher Vokal, der bei stabiler Lage der Sprechorgane
gebildet wird ([a], [y:], [u]).
Morphem, das – die kleinste bedeutungstragende Einheit der Sprache: Wurzel,
Suffix, Präfix, Endung.
Mundart, die - regionale Variante der Nationalsprache, die sich auf kleine
Gegenden beschränkt.
musikalische Wortbetonung, die – Hervorhebung der betonten Silbe durch die
Veränderung der Tonhöhe (z.B., im Chinesischen).
Myographie, die – Fixieren der Spannung einzelner Muskeln beim Sprechen.

N
Nachlauf, der – Teil der akzent-melodischen Struktur der Äußerung nach der
letzten betonten Silbe: ´Lass den ´Ball ´´´liegen!
Nasale, die – Konsonanten, für die als Resonanzraum die Nasenhöhle dient: [m],
[n], [ŋ].
Nasalisation, die – spezifische nasale Färbung des Lautes, die dadurch entsteht,
dass bei seiner Artikulation der Luftstrom völlig oder teils durch den Nasenraum
entweicht: Ch[ã]ce.
Nebenbetonung, die – schwache Hervorhebung des weniger bedeutenden
Stammes im zusammengesetzten Wort: der ′Haupt*bahnhof, das ′Motor*rad.
- 101 -
negatives Intervall, das – der folgende Punkt liegt höher als der vorhergehende
(bei steigender Melodie).
Neutralisierung, die – Aufhebung des phonetischen Kontrastes in bestimmten
Positionen: Ta[g]e – Ta[k]; brem[z]en – brem[s]t.
nicht syntaktische Pause, die – (auch: Hesitation): Pause, die mitten in einer
syntaktischen Struktur, an falscher Stelle entsteht; Pause, die der syntaktischen
Gliederung des Redestroms nicht entspricht: An dieser e-e-e- Stelle möchte ich
betonen, dass …
Nukleus, der – (auch: Schwerpunkt): Hauptbetonung in der Äußerung.

O
obstruent – Geräusch enthaltend, Geräuschlaute (stimmhafte und stimmlose).
offene Silbe, die – Silbe, die mit einem Vokal endet: po-li-ti-sche Schrit-te.
Onset, das – Anfangsrand: konsonantischer Teil der Silbe vor dem Vokal: [bal].
Opposition, die – Gegensatz, Kontrast.
Orallaut, der – Laut, bei dessen Bildung der Luftstrom durch den Mundraum
entweicht.
Orthographie, die – Rechtschreibung, Gesamtheit der Regeln zum Gebrauch von
Graphemen und Satzzeichen einer Sprache.
Orthoepie, die – (auch: Hochlautung, Standardaussprache): literarische
Aussprachenormen, Gesamtheit der Regeln für die richtige, vorbildliche
Aussprache.

P
Palatalisation, die – Erweichung des Konsonanten durch die Verlagerung seiner
Artikulationsstelle zum harten Gaumen unter dem Einfluss eines Vorderzungen-
vokals: [K]ind, [G]egend, [T]üte.
partielle Assimilation, die – nicht volle Angleichung der Laute im Redestrom:
leichte Palatalisation, Labialisation, reduzierte Stimmhaftigkeit.
Pause, die – kurze Unterbrechung, Schweigezeit beim Sprechen.
perzeptiv – wahrgenommen durch die Sinne (auditiv, visuell, taktil usw.).
pharyngal - im Rachen gebildet.
Phonetik, die – Lautlehre, Regeln zur Bildung und Verbindung von Lauten und
deren größeren Folgen (Silben, rhythmischen Takten, Syntagmen) beim Sprechen.
Phonem, das – Bündel von relevanten Merkmalen des Lautes; die kleinste
bedeutungsunterscheidende Einheit der Sprache.
Phoneminventar, das – Gesamtheit der Phoneme einer Sprache.
- 102 -
Phonologie, die – linguistische Teildisziplin, Lehre vom Wert der Lautgebilde im
Sprachsystem, vom ihrem Funktionieren in der Sprache.
Phonemvariante, die – (auch: Allophon, Laut): Gesamtheit von relevanten und
irrelevanten Merkmalen eines Lautgebildes; materielle, physikalische
Repräsentanz eines Phonems.
phonetische Lautwechsel, der – Wechsel von durch die Nachbarschaft oder
Position modifizierten Lauten und nicht modifizierten in verschiedenen Formen
des Wortes; lebendiger, motivierter, verständlicher Lautwechsel: le[b]en – du
le[p]st.
phonologisch – (auch: relevant, distinktiv): wesentlich, wichtig, bedeutungs- oder
sinnunterscheidend.
phonologische Lautwandel, der – Veränderung der Laute in verschiedenen
Formen des Wortes, die zur Bildung von grammatischen Formen oder zur
Wortbildung dient (Umlaut, Ablaut, Vokalerhöhung, Konsonantenwechsel:
schreiben –Schrift).
Phonomorphologie, die – linguistische Teildisziplin, die phonetische
Modifikationen von Morphemen ermittelt: steh+en – stan[t] – stan[d] +en -
stünd+e, die Ständ+e.
phonetische Stil, der – Gesamtheit von phonetischen Merkmalen, die für mehrere
Texte in gleichen Situationen typisch sind.
Phonostilistik, die – linguistische Teildisziplin, die sich mit der Auswahl
angemessener phonetischer Mittel für unterschiedliche Sprechsituationen befasst.
Phonotaktik, die – Wissenszweig, der über die Verbreitung einzelner Laute in der
Sprache und ihre möglichen und unmöglichen Verbindungen forscht.
plosiv – (auch: explosiv, Verschlusslaut, Verschlusssprenglaut): durch die
Sprengung des Verschlusses zweier Sprechorgane gebildet: [p], [b], [k].
physiologischen Forschungsmethoden, die – Fixieren der Lage und Spannung von
einzelnen Muskeln und Organen beim Sprechen.
podische Rhythmus, der – (auch: isolierender Rhythmus): gleich starke
Hervorhebung aller rhythmischen Takte im Redestrom.
positionell geschlossene Silbe, die – Silbe, die mit einem Konsonanten endet,
doch dieser Konsonant schwindet in der Silbe bei der Veränderung der Wortform:
gehst – ge-hen; Laut – Lau-te.
positionellen Lautmodifikationen, die – Lautveränderungen im Redestrom, die
durch die Stellung des Lautes im Wort (Anlaut, Inlaut, Auslaut) oder Betonung
verursacht werden: fester Einsatz, Behauchung, Reduktion u.a.

- 103 -
positive Intervall, das – der folgende Punkt liegt tiefer als der vorhergehende (bei
der fallenden Melodie).
postalveolar – am hinteren Rand der Alveolen gebildet: [∫], [ჳ].
postdorsal – mit dem hinteren Zungenrücken gebildet: [x], [g] u.a.
postpalatal – (auch: velar): am weichen Gaumen gebildet: [k], [x], [ŋ].
präpalatal – am harten Gaumen gebildet: [j], [ς].
Proklise, die – unbetonte Silben im rhythmischen Takt, die vor der Betonung
liegen: Mit deiner ´guten /´Aussprache/ kannst du Pho´´´netik lehren.
prosodisch – über den Lauten liegend (Betonung, Tonhöhe, Pausen, Tempo usw.).
Prosodem, das – Bündel der relevanten prosodischen Merkmale einer Äußerung;
Struktur der prosodischen Merkmale, die den Sinn einer Äußerung von dem einer
anderen mit demselben Lautgehalt unterscheidet.
Prosodie, die – Sammelbegriff für alle sprachlich-artikulatorischen
Erscheinungen, die über den Lauten liegen; Gesamtheit von akustischen
Eigenschaften der Rede (Zeit, Frequenz, Amplitude).

Q
Qualität, die – Grad der Geschlossenheit oder Gespanntheit der Vokale.
quantitative Wortbetonung, die – Hervorhebung der betonten Silbe durch ihre
Dehnung (z.B., im Russischen oder Belarussischen).
Quantität, die – Dauer der Sprechlaute, Zeit ihrer Artikulation.

R
Reduktion, die – Kürzung, Raffung der Lautdauer.
redundant – nicht unbedingt notwendig; Merkmal, das anwesend sein oder fehlen
kann: Die Bedeutung des Wortes verändert sich dadurch nicht.
Reim, der – Wiederholung gleicher Endsilben in Verszeilen:
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.
relevant – (auch: phonologisch, distinktiv): wesentlich, wichtig, bedeutungs- oder
sinnunterscheidend.
repräsentativ – stellvertretend für eine ganze Gruppe, mit typischen Merkmalen
dieser Gruppe versehen.
Resonanzraum, der – Teil des Sprechapparats, in dem der Ton verstärkt oder
modifiziert wird (Nasenraum, vorderer oder hinterer Mundraum).

- 104 -
rhythmische Betonung, die – schwache Hervorhebung weniger wichtiger Wörter
in der Äußerung.
rhythmische Phrase, die – s. Syntagma, Sinnschritt, Sprechtakt.
rhythmische Takt, der – (auch: rhythmische Gruppe, phonetisches Wort oder
die kleinste Akzenteinheit): Folge aus einer betonten Silbe und einer oder
mehreren unbetonten, die das hervorgehobene Segment begleiten: ´Denk ich /an
´Deutschland/ in der ´Nacht, / so ´bin ich/ um den ´Schlaf/ ge´bracht.
rhythmische Wortakzent, der – (auch: gebundene Betonung): Wortbetonung, die
immer auf dieselbe Silbe im Wort fällt und dadurch dem Text einen bestimmten
Rhythmus verleiht.
Rhythmus, der – regelmäßige Wiederkehr gleicher oder ähnlicher Strukturen im
gesprochenen Text.

S
Satellit, der – ein Konsonant oder einige Konsonanten, die den Vokal in einer
Silbe begleiten: Kopf.
Satzbetonung, die – stärkere oder schwächere Hervorhebung einzelner Wörter in
der Äußerung, je nach ihrem Wert für den Sinn des Ausspruchs.
Saussure, Ferdinand de – schweizerischer Sprachwissenschaftler, besonders
bekannt durch seine Vorlesungen zur Zeichentheorie und Systemtheorie.
Begründer des Strukturalismus in der Linguistik.
Schwerpunkt, der – Hauptbetonung im Ausspruch beim neutralen Sprechen: Das
wusste er ```immer.
segmentale Sprachebene, die – Folge von Lauten im Redestrom.
Sonorität, die – Beteiligung der Stimme an der Bildung der Sprechlaute.
sonor – nur aus dem Ton bestehend, ohne Geräusch: [m], [n], [l], [r], [ŋ].
Silbe, die – die kleinste natürliche Sprech- und Wahrnehmungseinheit der Sprache,
die meist aus einem Vokal und einem oder mehreren Konsonanten besteht.
Silbenkern, der – der silbenbildende Vokal (seltener sonorer Konsonant).
Silbenmodell, das – Folge von Konsonanten und Vokalen in einer Silbe: Obst =
VKKK; Ball = KVK.
Silbentyp, der – vokalischer (offene Silben: Schu-le) oder konsonantischer
(geschlossene Silben: Kost, Bild) Ausklang der Silbe.
Sinnschritt, der – s. Syntagma.
Sprache, die – ein System von Sprachzeichen und Regeln für deren Gebrauch;
Gesamtheit von Teilsystemen: Wortschatz, Grammatik und Phonetik.

- 105 -
Sprechtakt, der – s. Syntagma, Sinnschritt.
Sprachzeichen, das – bilaterale Einheit, die Inhalt und Form besitzt.
Sprechen, das – menschliche Tätigkeit, Prozess der Umsetzung der ideelen
Denkinhalte in marerielle Formen – Äußerungen und Texte.
Sprechsituation, die – Gesamtheit von außersprachlichen Faktoren (Inhalt der
Rede, Bereich, psychologische und soziale Eigenart des Sprechers), die die
Auswahl der Sprachmittel für die Kommunikation bestimmen.
Standardaussprache, die – s. Hochlautung, Orthoepie.
statische Rhythmus, der – rhythmische Regelung des Redestroms, die sich
automatisch aus der Akzentstruktur der Sprache ergibt.
steigende rhythmische Takte – Takte, die mit einer betonten Silbe enden: in der
´Nacht, bis zu´letzt.
stilistische Funktion der Sprachmittel, die – Markierung der Beziehungen
(offiziell/inoffiziell) zwischen den Sprechpartnern.
stimmhaft – mit Beteiligung des Stimmtons neben dem Geräusch: [b], [d], [g].
stimmlos – nur aus Geräusch bestehend, ohne Stimmton: [p], [f], [s].
Strukturalismus, der – linguistische Richtung, die sich zum Ziel setzte, die
Bestandteile und den inneren Aufbau des Sprachsystems zu ermitteln.
suprasegmentale Sprachebene, die – Eigenschaften der Rede, die über den Lauten
liegen: Betonung, Dauer, Tonhöhe, Lautstärke.
syllabische Sprachen – Sprachen, in denen die Silbe die kleinste phonetische
Einheit ist, z.B. Chinesisch.
Synkope, die – (auch: Tilgung): Schwund eines Lautes bei der Veränderung der
Form: teuer-teurer.
Syntagma, das – (auch: Sprechtakt, Sinnschritt oder rhythmische Phrase): das
kleinste sinntragende Segment der Rede; ein Wort oder einige miteinander
verknüpfte Wörter, die einen Teilgedanken zum Ausdruck bringen.
syntaktische Funktion der prosodischen Mittel, die – Markierung der
Abgeschlossenheit oder Nichtabgeschlossenheit des Redesegments.
syntaktische Pause, die – kurze Schweigezeit an der Stelle der syntaktischen
Gliederung des Textes: Bei seinem letzten Aufenthalt in Berlin / hat er dieses
Geschäft / nicht erledigen können//.
Synthese, die – künstliche Produktion von mündlichen Texten durch Computer.

- 106 -
T
Tempo, das – Geschwindigkeit der Rede, Zahl der Silben pro Minute oder Laute
pro Sekunde.
Tilgung, die – (auch: Synkope): Schwund eines Vokals oder Konsonanten in dem
Inlaut des Wortes bei der Veränderung seiner Form: angeln – der Angler.
Tonhöhe, die – wahrgenommene Frequenz der Schallwelle.
totale Assimilation, die – volle Angleichung eines Lautes an den anderen: kumber
– Kummer.
Transkription, die – System von Symbolen für Phoneme und diakritischen
Zeichen für zusätzliche Eigenschaften der Laute, das es ermöglicht, die genaue
Lautung jedes Sprechsegmentes (Silbe oder Wortes) zu fixieren.
Trubetzkoy, N. S. – hervorragender russischer Wissenschaftler, aktives Mitglied
des Prager Linguistischen Zirkels; Begründer der Phonologie.

U
unmarkiert – ohne Merkmal, merkmallos (z.B.: [a] ist unmarkiert nach der Länge,
d.h., der Vokal besitzt dieses Merkmal nicht).
uvular – mit dem Zäpfchen gebildet.

V
Variation, die – Veränderung, Annahme einer anderen Form.
variabel – veränderlich, nicht stabil.
velar – am weichen Gaumen gebildet.
Velarisierung, die – Verschiebung der Artikulationsstelle des Lautes nach hinten
unter dem Einfluss der hinteren Nachbarlaute: Bü[V]er – Bu[x].
Verschlusssprenglaut, der – Laut, der durch die Explosion des Verschlusses
zwischen der Artikulationsstelle und dem Artikulator entsteht: [p], [b], [k], [d].
Verschlussengelaut, der – (auch: Affrikate): Laut, der dadurch entsteht, dass der
Verschluss zwischen dem Artikulator und der Artikulationsstelle in eine Enge
übergeht: [pf], [ts], [t∫].
Verschlussöffnungslaut, der – Laut , der dadurch entsteht, dass der durch den
Verschluss gesperrte Luftstrom im Mundraum einen anderen Weg findet: durch
den Nasenraum oder an den Seitenrändern der Zunge: [m], [n], [ŋ], [l].
Versfuß, der – Wiederholung der betonten Silbe nach der gleichen Zahl der
unbetonten; Grundlage der poetischen Rede.

- 107 -
Vokal, der – Tonlaut, der ohne wesentliche Hindernisse für den Luftstrom im
Mundraum entsteht.
Vokalharmonie, die – Assimilationsprozess, bei dem alle Vokale innerhalb des
Wortes in mindestens einer phonetischen Eigenschaft übereinstimmen (Türkisch,
Finnisch, Ungarisch). Im Deutschen zeigt sie sich als partielle Angleichung des
reduzierten [ә] in den unbetonten Silben an die Höhe des betonten Vokals in
demselben Wort.
Vokalviereck, das – schematische Darstellung der Vokale, die sie nach der
Zungenreihe und Zungenhebung systematisiert.
Vorlauf, der – unbetonte Silben im Ausspruch, die vor der ersten Betonung liegen:
Bei ´starkem ´Sturm ´sollte man lieber im ´´´Haus bleiben.

W
wortabgrenzenden Mittel, die – Laute oder prosodische Merkmale, die den
Anfang oder das Ende des Wortes signalisieren (fester Einsatz, reduziertes [ә],
gebundene Betonung, leichte Dehnung der letzten Silbe im Wort, kleinere
Lautstärke usw.).
Wortbetonung, die – Hervorhebung einer Silbe im Wort über die anderen.

Z
Zahndamm, der – (auch: die Alveolen): kleine Erhöhung hinter den Zähnen.
Zäsur, die – kurze, mit Spannung gefüllte Pause innerhalb einer Äußerung.
Zitterlaut, der – Laut, der durch das Vibrieren eines Sprechorganes entsteht: [r].
Zungenreihe, die – horizontale Bewegung der Zunge bei der Aussprache der
Vokale (nach vorn oder nach hinten).
Zungenhebung, die – vertikale Bewegung der Zunge bei der Artikulation von
Vokalen (nach oben oder nach unten).

- 108 -
TEIL 3: PRAKTIKUM
1. SPRACHE UND SPRECHEN.
PHONEME, ALLOPHONE, GRAPHEME

1.  Welche Merkmale beziehen sich auf die Sprache und welche auf das Sprechen?
a) abstrakt h) gemeingültig
b) individuell i) konkret, physikalisch
c) variabel j) stabil
d) ein Prozess k) invariant
e) situationsunabhängig l) konservativ
f)) situationsgebunden m) kollektives, soziales Produkt
g) besitzt eine begrenzte Zahl n) besteht nur als Tätigkeit des
von Elementen Individuums

2.  Kreuzen Sie falsche Thesen an.


a) Die Sprache lebt nur dann, wenn sie gesprochen wird.
b) Die Sprache entwickelt sich durch das Sprechen.
c) Die Sprache ermöglicht uns das Sprechen und Verstehen von Texten.
d) Das Sprechen vernichtet die Sprache.
e) Die Sprache bildet die Grundlage für das Sprechen.
f) Das Sprechen und Verstehen der Rede sind unmöglich ohne
Sprachzeichen.
g) Das Sprechen begrenzt die Sprache.
h) Das Sprechen ist die Verwendung von Sprachzeichen.

3.  Suchen Sie Synonyme für bedeutungsunterscheidend.


a) unwesentlich e) distinktiv
b) redundant f) phonologisch
c) relevant g) wesentlich
d) differenzierend h) irrelevant

4.  Finden Sie das Kuckucksei (Wort, das in die logische Reihe nicht passt).
a) relevant, sinnunterscheidend, phonologisch, differenzierend, redundant,
wesentlich, distinktiv;
b) redundant, unwesentlich, irrelevant, distinktiv.

- 109 -
5.  Welche Merkmale beziehen sich auf das Phonem und welche auf seine
Varianten (Allophone)?
Es ist a) individuell g) Es enthält nur wesentliche Merkmale.
b) abstrakt h) Es wirkt distinktiv.
c) invariant i) Es bildet die Grundlage für die Buchstaben.
d) überindividuell j) Es gilt als Element im Sprachsystem.
e) konkret k) Es hat physikalische Korrelate.
f) materiell l) Es integriert relevante und irrelevante Merkmale
des Lautes.

6.  Ordnen Sie die folgenden Phonemauffassungen entsprechenden Wissenschaft-


lern zu.
a) Phonem ist ein typischer Vertreter I) B. de Courtenay
einer Familie von ähnlichen Lauten. 2) L.W. Schtscherba
b) Phonem ist ein Bündel von aku- 3) N.S. Trubetzkoy
stisch-artikulatorischen Merkmalen. 4) D. Jones
c) Phonem ist unsere Vorstellung von 5) R. Jakobson
einem Laut. 6) R.I. Avanessow
d) Phonem ist ein Bündel von relevan- 7) M. Halle
ten Merkmalen.

7.  Welche Eigenschaften gelten für die Phonetik und welche für die Phonologie?
a) Praktische Hilfe für den Unterricht.
b) Grundlage für die Systematisierung der phonetischen Gebilde.
c) Wissenschaftlicher Bereich, der alle Eigenschaften der Laute untersucht.
d) Theoretischer Wissenszweig.
e) Sie konzentriert sich auf den sprachlichen Wert des phonetischen
Gebildes.
f) Eine jahrhundertalte Disziplin.
g) Sie arbeitet mit abstrakten Konstrukten.
h) Sie behandelt materielle, physikalische Gebilde.
i) Sie ist eine junge Wissenschaft, besteht erst seit wenigen Jahrzehnten.
j) Sie bezieht sich auf das Sprechen.

8.  Wie heißen diese Begriffe?


a) Eine feste Verbindung von Inhalt und Form in der Linguistik.
b) Lehre vom Wert der phonetischen Gebilde.
- 110 -
c) Merkmal, das Phoneme unterscheidet.
d) Praktische Hilfe für den Sprachunterricht.
e) Ein Bündel von relevanten Merkmalen des Lautes.
f) Gesamtheit von relevanten und irrelevanten Merkmalen des Lautes.
g) Das kleinste funktionell relevante Element in der geschriebenen Sprache.
i) System der Grapheme einer Sprache.

9.  Suchen Sie für die folgenden Phoneme alle möglichen Grapheme.


a) /e:/ b) /i:/ c) /s/ d) /k/ e) /ɔy/ f) /∫ /
_____________________________________
1.‹ s › 2. ‹ck› 3. ‹ee› 4. ‹ss› 5. ‹e› 6. ‹ß› 7. ‹k› 8. ‹eh›
9. ‹eu› 10. ‹sch› 11. ‹au› 12. ‹ i › 13. ‹ch› 14. ‹ie› 15. ‹g› 16. ‹ih›
17. ‹ieh›

10.  Was bedeuten die folgenden diakritischen Zeichen? Verbinden Sie die


Buchstaben mit entsprechenden Nummern.
a) [´he:bәn] 1) Überkürze
b) [´bi:o·] 2) Betonung
c) [´ztsn] 3) Länge
d) [ẽ´sãblә] 4) Halblänge
e) [ak´tsio:nI 5) fester Einsatz
f) [das ´b°u:x 6) silbenbildende Funktion
g) [´za:gn] 7) untrennbare Artikulation
h) [’am] 8) Nasalisation
i) [´ha:bn] 9) reduzierte Stimmhaftigkeit
10) Unsilbigkeit

TEST ZUR SELBSTKONTROLLE 1

1.  Welche Rolle spielen die kleinsten phonetischen Einheiten in der


Kommunikation? (Richtiges ankreuzen)
a) Sie benennen die Gegenstände um uns herum.
b) Sie verbinden die Wörter miteinander und zeigen die Beziehungen
zwischen ihnen.
c) Sie geben den Gedanken materielle Gestalt.
d) Sie differenzieren die Bedeutung der Wörter.
e) Sie sind bilaterale Sprachzeichen mit Form und Bedeutung.

- 111 -
2.  Wie ist die Phonetik mit der Phonologie verknüpft? (Richtiges ankreuzen)
a) Die Phonologie verallgemeinert das, was die Phonetik dem Ohr liefert.
b) Die Phonologie untersucht die Aufgaben der Lautgebilde in der
Kommunikation.
c) Die Phonologie holt aus dem variablen phonetischen Strom das Stabile
heraus.
d) Die Phonetik liefert der Phonologie die Grundlage für das Erkennen der
Lautmuster.
e) Die Phonetik lebt in unserem Gehirn, die Phonologie kommt aus dem
Mund.

3.  Welche von den unten angeführten Merkmalen gehören zum Phonem /t/ im
Wort das Tuch?
a) stimmlos d) alveolar
b) Verschlusssprenglaut e) Vorderzungenlaut
c) labialisiert f) behaucht

4.  Welche Merkmale aus der Üb. 3 gehören zu den redundanten im Phonem /t/?

5.  Was gehört zum Allophon? Kreuzen Sie die richtige Variante an.
a) Alle relevanten Merkmale des Lautes;
b) alle irrelevanten Merkmale des Lautes;
c) relevante und irrelevante Merkmale des Lautes.

6.  Verbinden Sie die Namen der Funktionen links mit den Aufgaben des Phonems
rechts.
a) repräsentativ 1) verbindet Elemente zu einem Ganzen
a) distinktiv 2) gliedert den Redstrom
b) delimitativ 3) ermöglicht das Erkennen des Gebildes
c) indentifikativ 4) unterscheidet Bedeutungen
e) konstitutiv 5) vertritt eine ganze Klasse von ähnlichen
Gebilden

7.  Wie viele Phoneme, Buchstaben und Grapheme enthält das Wort Theater?

Phoneme Buchstaben Grapheme

- 112 -
8.  Ordnen Sie chronologisch die Namen der Wissenschaftler, die zur Entwicklung
der Phonologie wesentlich beigetragen haben.

1) D. Jones 2) B. de Courtenay 3) N. Trubetzkoy 4) R. Jakobson


5) M. Halle 6) C.G. Fant

2. SYSTEM DER DEUTSCHEN VOKALE

1.  Welche phonologischen Merkmale beziehen sich auf die deutschen Vokale?


a) Nasalität f) Zungenhebung
b) Qualität g) Quantität
c) Zungenreihe h) Artikulationsstelle
d) Beteiligung der Stimme i) artikulierendes Organ
e) Labialisierung

2.  Ordnen Sie die phonologischen Merkmale der Vokale nach ihrer Wichtigkeit
für
das Phonem: Geben Sie jedem Merkmal einen Rang.
□ Qualität □ Labialisierung
□ Zungenreihe □ Zungenhebung
□ Qualität

3.  Suchen Sie vokalische Kuckuckseier. Nennen Sie auch Merkmale, nach denen
die logischen Reihen gebildet sind.
a) [i:], [], [y:], [y], [o:], [e:], [ø:];
b) [i:], [o:], [y:], [a:], [u:], [o:];
c) [i:], [y:], [ø:], [ε:], [e:], [o:], [u:];
d) [ø:], [œ], [y:], [y], [e:], [o:], [ɔ] , [u:];
e) [a:], [a], [ε :], [ε], [e:];
f) [u:], [ʊ], [o:], [ɔ], [], [a:];
g) [i:], [], [y:], [y], [u:], [ʊ], [a].

4.  Ergänzen Sie die fehlenden Eigenschaften der Vokale.


a) [] ist ein kurzer, offener ... Vokal der vorderen Reihe, der hohen
Zungenhebung.
b) [œ ] ist ein ..., offener ... Vokal der vorderen Reihe, der mittleren
Zungenhebung.
- 113 -
c) [y:] ist ein langer, ..., labialisierter Vokal der ... Reihe, der ...
Zungenhebung.
d) [e:] ist ein ..., ..., nicht ... Vokal der ... Reihe, der ...
Zungenhebung.
e) [u:] ist ein ..., ..., ... Vokal der ... Reihe, der ... Zungenhebung.

5.  Finden und berichtigen Sie Fehler in der phonologischen Beschreibung der


Vokale.
a) [ε] ist ein kurzer, offener, nicht labialisierter Vokal der vorderen Reihe,
der hohen Zungenhebung.
b) [ø:] ist ein langer, offener, nicht labialisierter Vokal der vorderen Reihe,
der mittleren Zungenhebung.
c) [o:] ist ein kurzer, geschlossener, labialisierter Vokal der mittleren Reihe,
der hohen Zungenhebung.
d) [a] ist ein kurzer, offener, nicht labialisierter Vokal der vorderen Reihe,
der hohen Zungenhebung.
e) [] ist ein langer, offener, labialisierter Vokal der vorderen Reihe, der
hohen Zungenhebung.

6.  Schreiben Sie in das Viereck entsprechende Vokalphoneme.

7.  Welche Vokale passen zu den folgenden Definitionen?


a) Ein langer, offener, nicht labialisierter, mittelhoher, vorderer Vokal.
b) Ein kurzer, offener, labialisierter, hoher Hinterzungenvokal.
c) Ein langer, geschlossener, nicht labialisierter, mittelhoher
Vorderzungenvokal.
d) Ein kurzer, offener, labialisierter, hoher Vorderzungenvokal.
e) Ein langer, offener, nicht labialisierter, tiefer Hinterzungenvokal.

- 114 -
8.  Kreuzen Sie in der Tabelle phonologische Merkmale der deutschen Vokale an.

Merkmale a: a ε: ε e: ø: œ i: y: y u: ʊ o: ɔ ә

lang +
kurz
geschlossen
offen +
labialisiert
nicht labialis. +
vordere Reihe
mittl. Reihe
hintere Reihe +
hohe Hebung
mittelhohe H.
tiefe Hebung +

9.  Ordnen Sie die phonologischen Oppositionen der deutschen Vokale deren


differenzierenden Merkmalen zu.
a) lang/kurz 1) Labialisierung
b) rund/nicht rund 2) Zungenhebung
c) geschlossen/offen 3) Quantität
d) vokalisch/nicht vokalisch 4) Qualität
e) vorn/nicht vorn 5) Zungenreihe
f) hinten/nicht hinten 6) Öffnung des Mundes
g) hoch/nicht hoch für den Luftstrom
h) tief/nicht tief.

10. Kreuzen Sie markierte Glieder der vokalischen Oppositionen an.


Oppositionen Vokalphoneme
a: a ε: ε e: ø: œ i:  y: y u: ʊ o: ɔ ә
vokalisch +
hoch
niedrig +
vorn
hinten +
rund
gespannt
- 115 -
lang +
11. Welche Definition stimmt für die Diphthonge aus phonologischer Sicht?
a) Zwei Vokale, die untrennbar gesprochen werden.
b) Eine enge Verbindung von zwei Vokalen mit dem Wert eines Phonems.
c) Eine feste Verbindung von einem Vokal und einem Konsonanten, in
der der Vokal führend ist.

12. Welches phonologische Merkmal ist für die Diphthonge zuständig?


a) Qualitat d) Quantitat
b) Zungenreihe e) Artikulationsstabilitat
c) Labialisierung f) Zungenhebung

13. Welche Eigenschaften besitzen die deutschen Diphthonge?


a) Sie gehören zu einer Silbe.
b) Sie sind fallend.
c) Sie werden mit stabiler Artikulation produziert.
d) Sie sind ungefähr so lang wie lange Monophthonge.
e) Sie passen gut in das deutsche Vokalsystem.
f) Sie sind nur in besonderen Positionen im Wort möglich.
g) Die Elemente des Diphthongs fungieren im deutschen Vokalsystem als
selbständige Monophthonge.
h) Sie werden mit einer einheitlichen gleitenden Bewegung der
Sprechorgane artikuliert.

14. Welche Eigenschaften der deutschen Vokale werden umstritten?


a) Dauer der Diphthonge;
b) phonologischer Wert des [ә];
c) Position der reduzierten Vokale im Wort;
d) Zahl der Vokalphoneme;
e) Art des ersten Elements der Diphthonge;
f) Wesen des zweiten Bestandteils der Diphthonge;
g) steigender/fallender Typ der Diphthonge;
h) phonologische Bewertung der Diphthonge;
i) phonologischer Wert der Qualität;
j) Zahl der mittelhohen Vokalphoneme.

- 116 -
TEST ZUR SELBSTKONTROLLE 2

1.  Markieren Sie die Funktionen der Vokale in der Sprache.


a) Sie bilden Kerne für die Silben.
b) Sie gliedern den Redestrom in kleinere Segmente.
c) Sie tragen prosodische Eigenschaften der Rede.
d) Sie machen die mündliche Rede hörbar.
e) Sie zeigen die Beziehungen zwischen den Wörtern im Text.
f) Sie bilden die Grundlage für die Buchstaben.
g) Sie trennen die Merkmale in relevante und irrelevante.

2.  Finden Sie rechts phonologische Merkmale, die in jeder Vokaldefinition fehlen.


1. [y] ist ein offener labialisierter Vorderzungenvokal a) Labialisierung
der hohen Zungenhebung. b) Qualität
2. [ε:] ist ein langer offener Vorderzungenvokal c) Quantität
der mittleren Zungenhebung. d) Zungenreihe
3. [o:] ist ein langer geschlossener Hinterzungen- e) Zungenhebung
vokal.
4. [a] ist ein kurzer offener Vorderzungenvokal.
5. [œ] ist ein kurzer Vorderzungenvokal.

3.  Finden Sie rechts die Merkmale, von denen die folgenden vokalischen
Oppositionen gebildet sind.
1. gespannt/ nicht gespannt a) Zungenreihe
2. hinten/nicht hinten b) Quantität
3. vorn/nicht vorn c) Zungenhebung
4. lang/nicht lang d) Qualität
5. rund/nicht rund e) Labialisierung
6. hoch/nicht hoch
7. tief/nicht tief

4.  Markieren Sie unter den angeführten Merkmalen der Diphthonge, diejenigen,


die umstritten sind.
a) Dauer d) Art der ersten Elementes
b) phonologischer Wert e) Art der zweiten Elementes

- 117 -
c) Position im Wort f) fallender Typ
5.  Bezeichnen Sie in den phonologischen Oppositionen markierte Glieder für die
folgenden Vokale.
Oppositionen a: i: ε ε: ø: a
1. vokalisch +
2. hoch
3. niedrig +
4. vorn
5. hinten +
6. rund
7. gespannt
8. lang +

3. DEUTSCHE KONSONANTEN IM PHONOLOGISCHEN SYSTEM

1.  Kreuzen Sie distinktive Merkmale der deutschen Konsonanten an.


a) Artikulationsart f) Labialisierung
b) Zungenreihe g) artikulierendes Organ
c) Zungenhebung h) Qualität
d) Quantität i) Palatalisation
e) Beteiligung der Stimme j) Artikulationsstelle

2.  Suchen Sie deutsche Namen für die folgenden lateinischen Bezeichnungen der
konsonantischen Merkmale.
a) präpalatal 1) Reibelaut
b) postpalatal 2) Sprenglaut
c) labial 3) Vorderzungenlaut
d) uvular 4) Kehlkopflaut
e) dental 5) Zäpfchenlaut
f) vibrant 6) Rachenlaut
g) koranal 7) Zitterlaut
h) alveolar 8) Zahnlaut
i) dorsal 9) Zahndammlaut
j) velar 10) Lippenlaut
k) explosiv 11) Gaumensegellaut
l) frikativ 12) Hintergaumenlaut
13) Vordergaumenlaut

- 118 -
14) Engelaut
15) Zungenrückenlaut
3.  Ordnen Sie die Konsonantengruppen ihren distinktiven Merkmalen zu.
a) Zitterlaute 1) Sonorität
b) Hinterzungenlaute 2) Artikulationsstelle
c) Verschlusslaute 3) Artikulator
d) Verschlussengelaute 4) Artikulationsart
e) stimmlose Laute
f) stimmhafte Laute
g) Seitenlaute
h) Engelaute
i) Lippenlaute
j) Zäpfchenlaute
k) laryngal/pharyngale Laute
l) Verschlussöffnungslaute
m) Hintergaumenlaute
n) Sonore

4.  Finden Sie in den folgendem Reihen Kuckuckseier und erklären Sie, warum
diese Begriffe in die logischen Reihen nicht passen.
a) stimmhaft, stimmlos, koronal, sonor;
b) Verschlusssprenglaut, Verschlussöffnungslaut, Zitterlaut,
Vorderzungenlaut, Engelaut, Verschlussengelaut;
c) Gaumenlaute, Nasale, Laterale, Lippenlaute, Vibranten, Alveolare;
d) Vorderzungenlaute, Hinterzungenlaute, Verschlussöffnungslaute,
Zäpfchenlaute, Mittelzungenlaute, Lippenlaute;
e) Präpalatale, Postpalatale, Frikative, Dentale, Labiale, Uvulare.

5.  Füllen Sie die Reihen mit entsprechenden deutschen Konsonanten aus.


Frikative: ____________________________________________________
Labiale: _____________________________________________________
Plosive: _____________________________________________________
Koronale: _____________________________________________________
Hinterzungenlaute: _____________________________________________
Vibranten: ____________________________________________________
Seitenlaute: ___________________________________________________
Nasale: _______________________________________________________
- 119 -
Zahndammlaute: _______________________________________________
Sonore: ______________________________________________________
Dentale: ______________________________________________________
Verschlussengelaute: ____________________________________________

6.  Suchen und berichtigen Sie Fehler in den Definitionen der deutschen


Konsonanten.

a) [t] ist ein stimmloser labio-dentaler Verschlusssprenglaut.


b) [l] ist ein sonorer lateraler Verschlussengelaut.
c) [∫] ist ein stimmhafter palatal-alveolarer Engelaut.
d) [x] ist ein stimmloser Vordergaumen-Reibelaut.
e) [h] ist ein stimmhafter Stimmritzen-Verschlusssprenglaut.
f) [n] ist ein sonorer alveolar-koronaler Engelaut.
g) [k] ist ein stimmhafter Hintergaumen-Verschlusssprenglaut.
h) [f] ist ein stimmloser alveolar-koronaler Engelaut.
g) [b] ist ein stimmhafter bilabial-koronaler Verschlusssprengkonsonant.

7.  Trennen Sie die phonologischen Oppositionen in die vokalischen und

konsonantischen.

a) fortis/lenis i) laryngal-pharyngal/nicht lar.-phar.


b) lang/kurz j) frikativ/nicht frikativ
c) geschlossen/offen k) rund/nicht rund
d) koronal/nicht koronal l) lateral/nicht lateral
e) nasal/nicht nasal m) vokalisch/nicht vokalisch
f) vorn/nicht vorn n) konsonantisch/nicht kosnonant.
g) hinten/nicht hinten o) hoch/nicht hoch
h) obsruent/nicht obstruent p) niedrig/nicht niedrig

8.  Kreuzen Sie Oppositionen an, die den deutschen Vokalen und Konsonanten
gemeinsam eigen sind.

a) lang/nicht lang e) hoch/nicht hoch


b) vokalisch/nicht vokalisch f) hinten/nicht hinten
- 120 -
c) obstruent/nicht obstruent g) nasal/nicht nasal
d) vorn/nicht vorn h) rund/nicht rund

9.  Ordnen Sie die phonologischen Oppositionen der deutschen Konsonanten deren


distinktiven Merkmalen zu.
a) obstruent/nicht obstruent 1.Artikulationsstelle
b) nasal/nicht nasal 2. Artikulationsart
c) koronal/nicht koronal 3. artikulierendes Organ
d) laryngal-pharyngal /nicht laryngal-pharyngal 4. Beteiligung der
e) vorn/nicht vorn Stimme
f) hinten/nicht hinten
g) frikativ/nicht frikativ
h) lateral/nicht lateral
i) fortis/lenis

10. Kreuzen Sie in der Tabelle markierte Glieder der deutschen Konsonanten an.

Oppositionen p b m f v d t n l s z ∫ ჳ j x k g ŋ r h
konsonant. +
obstruent +
frikativ
fortis +
laryngal
nasal
vorn +
hinten
koronal
lateral

11. Welche Probleme im Bereich der deutschen Konsonanten sind heute


umstritten?
a) Klassifikation der Verschlusslaute;
b) Gesamtzahl der deutschen Konsonantenphoneme;
c) Zahl der Artikulationsarten;
d) phonologische Bewertung des [h];
e) Zahl der Affrikaten;
f) phonologische Bewertung der Affrikaten;
- 121 -
g) phonologische Bewertung der [r]-Varianten;
h) Zahl der Oppositionen für die deutschen Konsonanten;
i) phonologische Bewertung der Laute [x] und [ς];
j) Lage des [ჳ] im deutschen Konsonantensystem;
k) Klassifikation der deutschen Nasale;
l) akustische Merkmale der deutschen Konsonanten;
m) Beziehungen zwischen den Konsonanten [ς ] und [j], [x] und [h].

TEST ZUR SELBSTKONTROLLE 3

1. Markieren Sie relevante Merkmale der Konsonanten.


a) Labialisierung e) Artikulationsart
b) Artikulationsstelle f) Zungenhebung
c) Sonorität g) Artikulator
d) Palatalisation h) Aspiration

2. Finden Sie richtige deutsche Namen für die folgenden lateinischen Termini.
a) dental 1) Zahnlaut c) dorsal 1) Reibelaut
2) Lippenlaut 2) Hintergaumenlaut
3) Sprenglaut 3) Zungenrückenlaut
b) postpalatal 1) Zahndammlaut d) koronal 1) Zäpfchenlaut
2) Rachenlaut 2) Vorderzungenlaut
3) Hintergaumenlaut 3) Mittelzungenlaut

3. Nach welchem Merkmal ist jeder Konsonantentyp gebildet?


a) Verschlussöffnungslaute 1) Sonorität
b) Sonore 2) Artikulationsart
c) Lippenlaute 3) Artikulationsstelle
d) Alveolare 4) Artikulator
e) Hinterzungenlaute
f) Stimmlose
g) Verschlusssprenglaute
h) Engereibelaute
i) Mittelzungenlaute
j) Zäpfchenlaut

4.  Finden und markieren Sie Fehler in den Konsonantendefinitionen.

- 122 -
a) [k] ist ein (1) stimmloser (2) präpalatal- (3) dorsaler (4) Verschluss-
sprengkonsonant.
b) [s] ist ein (1) stimmhafter (2) dental- (3) koronaler (3) frikativer
Konsonant.
c) [v] ist ein (1) stimmhafter (2) dental- (3) koronaler (4) Verschluss-
engelaut.
d) [n] ist ein (1) sonorer (2) dental- (3) labialer (4) Verschlussengelaut.

5.  Welche Oppositionen gehören zu jedem phonologischen Merkmal?


a) Artikulationsstelle 1) obstruent/nicht obstruent
b) Artikulationsart 2) fortis/lenis
c) Artikulator 3) koronal/nicht koronal
d) Sonorität 4) frikativ/nicht frikativ
5) vorn/nicht vorn
6) hinten/nicht hinten
7) nasal/nicht nasal
8) lateral/nicht lateral
9) laryngal/nicht laryngal

6.  Kreuzen Sie markierte Glieder in den phonologischen Oppositionen der


folgenden Konsonanten an.

Oppositionen p m l x g v
1. konsonantisch +
2. obstruent +
3. frikativ
4. fortis +
5. laryngal
6. nasal
7. vorn +
8. hinten
9. koronal
10. lateral

- 123 -
4. LAUTMODIFIKATIONEN UND LAUTWANDEL

1.  Finden Sie rechts Namen für die folgenden phonetischen Erscheinungen.

a) Die Überlappung der Artikulationsphasen der 1. Assimilation


benachbarten Laute im Redestrom. 2. Vokalharmonie
b) Partielle Angleichung von Vokalen und 3. Palatalisation
Konsonanten. 4. Koartikulation
c) Bestimmte Lage der Sprechorgane bei der 5. Labialisierung
Aussprache eines Lautes. 6. Reduktion
d) Angleichung der Laute gleicher Klasse aneinan- 7. Aspiration
der im Redestrom. 8. Fester Einsatz
e) Einwirkung der runden Vokale auf die 9. Auslautgesetz
Konsonanten. 10. Akkommodation
f) Partielle Angleichung des [ә] an den 11. Gemination
betonten Stammvokal. 12. Artikulation
g) Dehnung des Konsonanten durch seinen Kontakt
mit dem gleichen Laut an der Morphemgrenze.
h) Weiche Aussprache der Konsonanten durch
die Verlagerung ihrer Artikulationsstelle zum
harten Gaumen.
i) Raffung der Vokale in der unbetonten Position.
j) Stimmlose Aussprache der stimmhaften
Konsonanten am Wort- und Morphemende.
k) Behauchte Artikulation stimmloser Verschluss-
sprenglaute in betonten Anfangs- und Endsilben.
l) Energischer, starker Anfang der betonten
Anfangsvokale im Wort.

2.  Nach welchen Merkmalen erfolgt die Klassifizierung der folgenen Laut-


veränderungen?
a) Volle (totale) / partielle Assimilation; 1) Richtung
b) progressive / regressive / reziproke / beiderseitige 2) Umfang
Assimilation; 3) Stellung
- 124 -
c) kontakte / distante Assimilation; 4) Merkmal
d) Assimilation der Sonorität/ der Artikulationsart /
der Artikulationsstelle.
3.  Welche Art des Lautwandels liegt in diesen Fällen vor?
a) [mi: ] 1. voll
b) [hºu:t] 2. partiell
c) [das gә´zεts] 3. regressiv
d) [bә´hauxn] 4. progressiv
e) [´kʊmber] - [kºʊm ] 5. beiderseitig
f) [´ausglaɪς] 6. kontakt
g) [´kan nɪςtI 7. distant
h) [kɔŋ´rεs] 8. Assimilation der Artikulationsart
9. Akkommodation
10. Gemination
11. Nasalisation
12. Palatalisation
13. Labialisation
14. Assimilation der Artikulationsstelle

4.  Welche Oppositionsglieder fehlen hier?


a) total / ... b) kontakt / ... c) regressiv / ....

5.  Welche Lautmodifikationen von den angeführten sind im Deutschen unmöglich?


a) [´’auzzagә] e) [´’auzg’e:n] i) [bεrk´’auf]
b) [´’aussa:gn] f) [´tºu:gәnt] j) [hεr´’ab]
c) [´k’e:rәn] g) [´kºu:gl] k) [m’e:R]
d) [´’u:hu] h) [´phakn] l) [´’auzzu:xn]

6.  Was davon bezieht sich auf den phonetischen Lautwechsel und was gehört zum
phonologischen Lautwandel?
Der Wechsel a) besitzt keine phonologische Relevanz.
b) unterscheidet grammatische Formen.
c) ist lebendig, motiviertt, verständlich.
d) ist in der heutigen Sprache unmotiviert, nicht transparent.

7.  Trennen Sie die phonetischen Lautmodifikationen von dem phonologischen


Lautwandel.
- 125 -
a) schreiben – die Schrift d) las - gelesen
b) tun – getan e) ging - gegangen
c) alt – älter f) heben - gehoben
g) der Bruch – die Brüche n) der Berg – das Gebirge
h) helfen – er hilft o) der Chor – die Chöre
i) still - stilllegen p) besser - bessere
j) gehen – ausgehen r) die Bio – die Biologie
k) an – die Annahme s) die Uhr – die Uhren
l) geben – die Mitgift t) auf- darauf
m) ´einen Stuhl – einen ´Stuhl u) heben - beheben

8.  Bestimmen Sie in der Übung 7 die Art der Lautmodifikationen, die in den
Wörtern entstehen.
1) die Palatalisation 8) die Vokalbrechung
2) die Gemination 9) der Ablaut
3) die Konsonantenverschiebung 10) der Umlaut
4) die Aspiration 11) die Reduktion
5) der feste Vokaleinsatz 12) die Assimilation
6) die Labialisierung 13) die Auslautverhärtung
7) die Vokalisierung des [r] 14) die Vokaldehnung

9.  Ordnen Sie die Lautmodifikationen der Vokale und Konsonanten dem


phonetischen Wechsel oder dem phonologischen Wandel zu.
a) der Umlaut
b) fester Einsatz/weicher Einsatz
c) labialisierte/nicht labialisierte Konsonanten
d) der Ablaut
e) vokalisiertes []/konsonantisches [r]
f) behauchte/unbehauchte Verschlusslaute
g) die Brechung (Vokalerhöhung)
h) einfache/gedehnte Konsonanten
i) harte/leicht palatalisierte Konsonanten
j) die Vokalharmonie
k) lange/reduzierte Vokale
l) stimmhafte/stimmlose Konsonanten (die Auslautverhärtung)
m) die Konsonantenverschiebung

- 126 -
10.  Suchen Sie Fehler in den folgenden Definitionen, berichtigen Sie sie.
a) Die Assimilation ist das Angleichen der Vokale an Vokale und
Konsonanten an Konsonanten.
b) Die Aspiration ist die geschwächte Aussprache der Verschlusslaute am
Wortende.
c) Unter Auslautgesetz versteht man d