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Seit die Menschheit die Kommunikation entdeckt hat, versucht sie, sich zu verständigen. Doch die
Geschichte der Menschheit ist trotzdem eine Geschichte der Missverständnisse. Das hat ganz
unterschiedliche Gründe. Deutsche verstehen beispielsweise Polen sehr schlecht, was daran liegt,
dass Polen mit Vorliebe eine Sprache benutzen, die sie Polnisch nennen. Sagt ein Pole "dworzec",
verstehen 98 Prozent aller Deutschen nur Bahnhof, und damit liegen sie ausnahmsweise richtig,
denn dworzec heißt Bahnhof.
Wäre uns aber wirklich geholfen, wenn es ein
Wörterbuch gäbe, aus dem man entnehmen kann,
was Bahnhof in 255 verschiedenen Sprachen
bedeutet? Schließlich gibt es in einigen Sprachen
mangels Bahnhof im Land gar kein Wort dafür.
Gebrauchen Menschen verschiedene Sprachen, kann
man immerhin nachvollziehen, warum sie sich nicht
verstehen, aber die Deutschen, die ja alle so etwas
Ähnliches wie Deutsch sprechen, verstehen sich
untereinander eigentlich noch viel weniger als
Deutsche und Polen. Woran liegt das denn nun
wieder?
Die Neuropsychologin Louann Brizendine fand vor kurzem heraus, dass das weibliche Gehirn weitaus
mehr Kommunikationszellen besitzt als das männliche. Sie sagt: "Frauen haben einen achtspurigen
Highway, um ihre Gefühle auszudrücken, Männer nur eine Landstraße." Unter diesen genetischen
Vorbedingungen ist es eigentlich ausgeschlossen, dass Männer und Frauen sich auch nur
ansatzweise verstehen. Aber allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz wollen Frauen
weiterhin mit Männern zusammenleben, obwohl sie sich eigentlich viel besser mit einem Lemuren
oder einem Zebra verständigen könnten. Weil Zebras nie ihre Unterhosen herumliegen lassen und in
Savannenkreisen als sehr einfühlsame Zuhörer gelten. Viele verständigungsgestörte Beziehungen
enden vor dem Scheidungsrichter oder der Scheidungsrichterin. Diese Menschen benutzen dann eine
Sprache, die überraschenderweise von Männern und Frauen gleichermaßen sofort verstanden wird.
Es gibt nämlich keinen Ratgeber mit dem Titel: "Warum Scheidungsrichter an uns vorbeireden" oder
mit der These: "Scheidungsrichterinnen können nicht einparken". Die Sprache der Obrigkeit versteht
jeder sofort. Niemand hat Schwierigkeiten, einen Satz wie: "Die Steuererklärung 2004 liegt uns
immer noch nicht vor. Ich verhänge daher ein Zwangsgeld in Höhe von 3000 Euro" zu begreifen.
Eine weitere Quelle vieler Missverständnisse scheint die Gleichberechtigung zu sein. Frauen und
Männer sind gleichberechtigt, überhaupt sind alle Menschen angeblich gleich, und selbst wenn einer
mal Chef ist und die anderen herumkommandieren könnte, dann darf er das nicht raushängen
http://www.geo.de/GEO/kultur/gesellschaft/55496.html?t=print 20.11.2007
GEO WISSEN Nr. 40 - 10/07 - Das Geheimnis der Sprache: 'Frauen verstehen alles,... Seite 2 von 3
lassen, sondern muss so kommunizieren, dass alle Untergebenen glauben, sie würden die wirklich
wichtigen Entscheidungen treffen.
Auch für diesen Bereich des Lebens gibt es natürlich
Fachbücher. Beispielsweise: "Unkündbar! Wie Sie
sich für Ihren Chef unentbehrlich machen", "Den
Chef im Griff - Strategien für den richtigen Umgang
mit Vorgesetzten". Merkwürdigerweise müssen
dennoch immer wieder Menschen ihren Arbeitsplatz
aufgeben, weil sie die Anweisung: "Um Punkt zwölf
habe ich die Akte Schröder-Schwalmstedt auf
meinem Tisch, sonst fliegen Sie" nicht verstanden
haben. Und kaum schwächelt die Konjunktur, ist auf
einmal jeder entbehrlich, selbst wenn er drei
Rhetorikseminare absolviert und jeden Tag am
Vorgesetztensimulator trainiert hat. Doch auch
Führungskräfte sind oft hilflos. Sie wünschen sich © Thomas Herbrich
erfrischend klare Lebenshilfen wie: "So Herr Lämmchen, Sie müssen einfach deutlich
kommandieren Sie richtig", "Befehle erteilen leicht aggressiver werden
gemacht", "Clever argumentieren durch
Herumschreien" oder "Wie verbitte ich mir jede Einmischung?" Das ist es doch, was jede
Führungskraft will - aber nicht darf. Immer soll möglichst viel kommuniziert und selbst der
nichtsnutzigste Mitarbeiter miteinbezogen werden.
Nun ist Gott erwiesenermaßen kein Mensch und reagierte deshalb auf unbotmäßiges Verhalten
seiner Angestellten völlig beratungsresistent: einmal mit Betriebsschließung (Paradies), einmal mit
Ertränken (Sintflut) und einmal mit Verbrennen (Sodom und Gomorrha). Diese sehr wirkungsvollen
Maßnahmen wird man in handelsüblichen Ratgebern vergeblich suchen. Manchmal fragt man sich:
Kannte Robert Mugabe, der Präsident von Simbabwe, eigentlich das Buch "Endlich Chef - was nun?
Was Sie in der neuen Position wissen müssen"? Haben Saddam Hussein oder George W. Bush sich
Rat geholt aus: "Der erste Führungsjob - wie Sie sich durchsetzen, wie Sie Fehler vermeiden"?
In Teheran liest man jedenfalls nur ein Buch: "Meine erste Atombombe - so setze ich sie
überzeugend ein". Lohnt es sich überhaupt noch zu kommunizieren? Wider besseres Wissen hoffen
Menschen auf der ganzen Welt, es könne ihnen gelingen, jemand anderen zu verstehen, zu
überzeugen, zu faszinieren, zu lieben oder wenigstens von jemand anderem verstanden, überzeugt,
fasziniert oder geliebt zu werden. Einer Bevölkerungsgruppe zumindest ist es wirklich in ganz
herausragender Weise gelungen, sich mit anderen zu verständigen - den Verfassern und
Produzenten von Kommunikationsratgeberliteratur. Ihre Botschaften werden anscheinend nicht nur
begriffen, die Menschen sind sogar bereit, mit Geld und Aufmerksamkeit dafür zu bezahlen.
Und das kann man nur begrüßen, denn solange
jemand in einem Kommunikationsratgeber liest,
kann er wenigstens kein Gespräch führen und dabei
einen Fehler nach dem anderen begehen.
Wünschenswert wäre also ein ganz dickes Buch, mit
dessen Lektüre man ein Leben lang beschäftigt ist:
"Wer liest, der redet nicht". Doch leider verbringt
man immer noch einen großen Teil seines Lebens
mit hilflosen Kommunikationsversuchen. Obwohl es
so großartige Nachschlagewerke wie "Schöne Reden
zur Hochzeit" oder "Humorvolle Vortragstexte zum
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