Академический Документы
Профессиональный Документы
Культура Документы
Übungsmaterial
für den Sprachunterricht
2007
2
Рецензенты:
Крот О.Н., , к.фил.н., доцент кафедры иностранных языков БУПК
Скокова Т.Н., к.фил.н., доцент кафедры немецкого языка БелГУ
Inhaltsverzeichnis
Themen: Seite
3. Jugend .......................................................................... 37
…………………….
Quellenverzeichnis ............................................................ 91
……………………
4
leistungsstark – успевающий
leistungsschwach – слабоуспевающий
Ganztagsschule – школа продленного дня
was ist Ursache und was ist Wirkung – что есть следствие, а что – причина
rackern – вкалывать, мучиться
messen alles nur an sich selbst – всех мерить по себе
sich in etwas verrennen – запутаться в чем-л.
I
Die Schulen
Gymnasium gibt es heute kaum noch. Die Regel ist heute in den Gymnasien der alten
Bundesländer die reformierte Oberstufe (11. bis 13. Schuljahr), in der ein Kurssystem
die herkömmlichen Klassenverbände abgelöst hat. In den Kursen sollen sich die
Schüler neben bestimmten Pflichtgebieten hauptsächlich mit den Fächern
beschäftigen, die sie besonders interessieren und welche ihren Neigungen
entsprechen. Durch diese Wahlmöglichkeiten wird ihnen der Übergang zur
Hochschule erleichtert. Neben den Gymnasien mit reformierter Oberstufe gibt es
noch Sonderformen wie z. B. das Wirtschaftsgymnasium oder das Technische
Gymnasium. Zur Zeit wird darüber diskutiert, ob die Dauer der Schulzeit bis zum
Erreichen der allgemeinen Hochschulreife bundeseinheitlich auf zwölf Jahre verkürzt
werden soll.
Das Reifezeugnis oder Abitur berechtigt zum Studium an wissenschaftlichen
Hochschulen. Allerdings hat die Zahl der Abiturienten gegenwärtig so stark
zugenommen, daß es nicht für alle, die studieren wollen, einen Studienplatz nach
Wunsch gibt. Aus diesem Grund gelten in besonders gefragten Studiengängen
Aufnahmebeschränkungen, die eine Verteilung der zur Verfügung stehenden
Studienplätze nach Abiturnote und Eignungstests notwendig machen.
Ein weiteres Modell ist die Gesamtschule, welche die drei traditionellen
Schulformen zusammenfaßt. Bei dieser Schulform werden die Kinder in der Regel
von der 5. bis zur 10. Klasse betreut. Einige Gesamtschulen haben eine eigene
Oberstufe, die wie die gymnasiale Oberstufe gestaltet ist. Der Schüler kann je nach
Fähigkeit Kurse mit höheren oder einfacheren Anforderungen belegen.
Berufskundlicher Unterricht wird in den Lehrplan einbezogen. Die Abschlüsse an
Gesamtschulen sind in allen Bundesländern anerkannt. Die Gesamtschule hat sich im
Laufe der letzten Jahre als Fortsetzung der Tradition der alten Volksschule neben
dem immer öfter angestrebten Gymnasium als zweite starke Säule der
Schullandschaft etabliert; die Haupt- und Realschulen mußten demgegenüber
Einbußen an Beliebtheit bei den Schülern und Eltern hinnehmen.
In den neuen Ländern gibt es als weitere Schultypen die “Regelschule”
(Thüringen), “Mittelschule” (Sachsen) und “Sekundärschule” (Sachsen-Anhalt).
Dabei sind die Bildungsgänge der Haupt- und Realschule zusammengefaßt, ab Klasse
7 wird in abschlußbezogenen Klassen/Kursen unterrichtet. Die Abschlüsse gleichen
denen in den alten Ländern.
Kinder und Jugendliche, die wegen einer Behinderung in den allgemeinen
Schulen nicht ausreichend gefördert werden können, werden an Sonderschulen
unterrichtet.
Der Zweite Bildungsweg bietet die Möglichkeit, während der Schulzeit
Versäumtes nachzuholen. Abendgymnasien geben Berufstätigen die Möglichkeit,
sich neben ihrer täglichen Arbeit auf die Reifeprüfung vorzubereiten.
Die Lehrer. Für jede Schulart gibt es in der Bundesrepublik besonders
ausgebildete Lehrer. Für alle ist ein Hochschulstudium Voraussetzung, doch sind die
Studiengänge unterschiedlich. Der künftige Grund- und Hauptschullehrer studiert im
allgemeinen mindestens sechs Semester lang. Ein längeres Studium wird für Lehrer
an Realschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen verlangt. Alle
Lehramtskandidaten müssen nach dem Studium ein Examen ablegen; es folgt eine
9
praktische Ausbildung in der Schule (Referendariat) und dann ein zweites Examen.
Die Lehrer werden in der Regel zu Beamten auf Lebenszeit ernannt. Für die Lehrer in
den neuen Bundesländern gelten derzeit noch Übergangsregelungen.
Worterklärungen
ÜBUNGSTEIL
Übung 4: Stellen Sie für Deutsche unser eigenes Schulsystem vor. Nennen Sie
organisatorische und prinzipielle Unterschiede zwischen den Schulsystemen der
beiden Staaten. Was würden Sie aus dem Schulsystem der BRD annehmen, was
würden Sie ablehnen? Warum? Welche Kritik werden Sie an beiden Systemen üben?
Übung 5: Halten Sie ein Kurzreferat über das Schulsystem der BRD oder lassen Sie
sich von einem Kommilitonen darüber interviewen.
10
GRUNDSCHULE
Kinder wollen lernen. Lehrerinnen und Lehrer sind darum bemüht, diesen Lernwillen
in der Schule zu erhalten. Dazu ist es wichtig, daß die Kinder gern in die Schule
kommen und sich dort wohlfühlen. Denn für alle ist eines gewiß: Was mit der Freude
gelernt wird und was mit positivem Erleben verbunden ist, das wird besser behalten.
Kinder lernen nicht nur mit dem Kopf, Denken, Fühlen, Erleben und Wollen gehören
zusammen. So heißt es in den Richtlinien für die Grundschule, daß „kindliches
Lernen ein Lernen mit dem ganzen Körper und mit allen Sinnen ist". Die
Grundschule ist deshalb auch keine Institution, die nur Wissen vermittelt. Sie fördert
das Kind in seiner gesamten Persönlichkeit. Sichaussprechen, Malen und Singen,
Spielen und auch Feiern gehören ebenso dazu wie Schreiben und Rechnen. Die
Klassenlehrerin spielt in der Grundschule eine besonders wichtige Rolle. Sie ist mit
den Kindern die meiste Zeit zusammen, ist also, mit ihren Neigungen und Interessen,
besonders vertraut. Mit den anderen Lehrkräften der Klasse spricht sie den
Wochenplan oder den Tagesplan ab. So nimmt die Schule Rücksicht auf die
natürlichen Leistungsschwankungen der Kinder, auf ihre Belastbarkeit und
Konzentrationsfähigkeit. Im Stundenplan stehen solche Fächer, wie Sprache,
Sachunterricht, Mathematik, Förderunterricht, Sport,Musik, Kunst/Texilgestaltung,
Religionslehre.
SPRACHE
Ein Beispiel aus dem Unterricht: Die Kinder lesen Märchen "aus der Zeit, als das
Wünschen noch geholfen hat" - Märchen vom Wunschring, vom Wunschtöpfchen.
Sie spielen ein Märchen, schreiben Einladungen, malen Kulissen und führen ihr
Stück für andere Klassen auf. Sie schreiben selber Wunschmärchen (eine Fee schenkt
drei Wünsche), stellen aus ihren eigenen Märchen ein Buch für die Schulbücherei
her. Sie denken über das Wünschen nach und lernen zu unterscheiden: zwischen
materiellen Wünschen und solchen, die man sich mit Geld erfüllen kann: zwischen
Wünschen nur für mich und solchen für uns oder gar für alle Menschen: zwischen
Wünschen, die erfüllbar sind und solchen, die wohl immer unerfüllt bleiben werden.
So lernen die Kinder, sich in einer größeren Gruppe mitzuteilen und einander
zuzuhören, sich auch schriftlich auszudrücken. Sie lernen Texte (z.B. Erzählungen,
Gedichte, Briefe oder Gebrauchstexte wie Rezepte, Gebrauchsanweisungen,
Mitteilungen) besser zu verstehen, zu werten, aber auch selbst anzufertigen. In der
Rechtschreibung sollen die Kinder im Laufe der Grundschulzeit einen Grundbestand
an Wörtern und einen kleinen Bestand an grammatischen Begriffen beherrschen
lernen. Das Lesen beginnen die Kinder in der Regel mit der Druckschrift. Das
Schreiben beginnt heute vielfach mit dem Schreibdrucken. Wenn die Kinder die
Druckschrift beherrschen, lernen sie eine Schreibschrift. Zum Schreiben lernen
werden die Lateinische Ausgangsschrift oder die Vereinfachte Ausgangsschrift
verwendet.
MATHEMATIK
Im ersten Jahr lernen die Kinder die Zahlen von 1 bis 100 kennen. Und am Ende des
Jahres können sie schon im Zahlenbereich von 1 bis 20 addieren und subtrahieren.
Dann lernen sie multiplizieren und dividieren, mit Längenmaßen, Gewichten und
Zeitangaben umgehen. Der Lernplan verlangt auch andere mathematische
11
werden die Kinder mit dem christlichen Glauben in seiner jeweiligen konfessionellen
Ausprägung vertraut gemacht. Die Kinder entdecken im Alten und Neuen Testament
den menschenfreundlichen Gott. So lernen sie, Wertmaßstäbe und Orientierungen zu
entwickeln, "hinter die Dinge zu sehen" und die Welt als Schöpfung Gottes zu
begreifen.
KUNST/ TEXTILGESTALTUNG
Malen und Formen, Basteln und Nähen, Schmücken und Vorführen, all dies bereitet
den Kindern Freude. Sie erproben ihre gestalterischen Fähigkeiten und verbessern
ihre Geschicklichkeit. Auch lernen sie die "Sprache" der Bilder verstehen. Die
Kinder besuchen Kirchen und Museen, sie betrachten Bilder und Denkmäler.
SCHULLEBEN
Zensuren gibt es erst ab Klasse 3. Zeugnisse gibt es in den Klassen 1 und 2 nur
einmal, und zwar am Ende eines jeden Schuljahres. Darin wird die schulische
Entwicklung der Kinder beschrieben. In den Klassen 3 und 4 gibt es zweimal im
Schuljahr Zeugnisse. Diese erhalten dann Noten. Bei grundsätzlichen Fragen des
Bildungs- und Erziehungeschehens in der Grundschule erfolgt die Zusammenarbeit
vor allem in der Schulkonferenz. Hier beraten und entscheiden Vertreter der Eltern
und der Lehrer gemeinsam über die Unterrichts- und Schulgestaltung. Wenn es um
Dinge geht, die eine einzelne Klasse betreffen, sind alle Eltern der Kinder dieser
Klasse im Rahmen der Klassenpflegschaft beteiligt. Die Vorsitzenden dieser
Klassenpflegschaft bilden die Schulpflegschaft. Sie vertritt die Interessen aller Eltern
einer Schule und wählt die Elternvertreter in die Schulkonferenz. Zum Schulleben
gehören auch der Morgenkreis mit Singen und Erzählen, das gemeinsame Frühstück,
Feiern und Wandern, gemeinsames Spiel. Lernen läßt sich im übrigen nicht in einem
45-Minuten-Takt zwängen. Lernen verträgt keinen Zeitdruck. Man braucht kein
Klingelzeichen fürs Üben oder Spielen, für Gespräch oder Feier, für Singen oder
Malen. Und Lesen und Schreiben, Mathematik müssen ohnehin täglich geübt werden.
Aufgegliedert in verschiedene Zonen (z.B. Leseecke, Experimentier- und
Bastelecke), bietet das Klassenzimmer vielseitige Möglichkeiten - für den
Gesprächskreis ebenso wie für ungestörtes Lesen oder für freies Arbeiten.
SONDERSCHULE
Manche Kinder haben besondere Schwierigkeiten und können deshalb am Unterricht
der Grundschule nicht mit hinreichendem Erfolg teilnehmen. Die Ursache kann in
einer seelischen oder geistigen Störung liegen: aber auch ein Hör- oder Sehfehler
oder andere körperliche Behinderungen können dafür verantwortlich sein. In der
Sonderschule kümmern sich besonders ausgebildete Lehrer um die spezielle
Schwierigkeit, vor der ein Kind steht. Hier können die Kinder in vielen Fällen die
gleichen Schulabschlüsse erreichen, die an den anderen Schulen vergeben werden.
Aktionen, an denen alle Schüler der Schule beteiligt sind, helfen, sich als Teil der
Schulgemeinschaft zu verstehen und Freundschaften mit Kindern anderer Kulturen,
anderer Klassen, anderer Altersstufen zu knüpfen. Durch Feste und deren
Vorbereitung lernen Schüler fröhlich und freiwillig ganz viel, z. B. den Umgang mit
alt und jung, mit anderen Sitten und Bräuchen. Sie lernen gemeinsam zu planen, zu
recherchieren, zu organisieren und können ihr Wissen aus dem Fachunterricht (Lesen,
Schreiben, Rechnen, künstlerisches Gestalten, Umgang mit den neuen Medien,
Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen usw.) sinnvoll und praktisch in
Zusammenarbeit im Team anwenden. Viele dieser besonderen Ereignisse haben an
Schulen eine lange Tradition. In jedem Jahr feiert die Schule z.B. Karneval oder ein
Sommerfest. Sie veranstaltet Projekttage oder -wochen, Sportfeste, Lesewettbewerbe,
Schreibwerkstätten, Weihnachts- und Abschlussfeiern. In die Vorbereitung der Feste
fließen die Wünsche und Ideen der Kinder und Jugendlichen mit ein; bei der
Durchführung helfen Eltern in unterschiedlicher Form mit.
Am Ende dieser Anstrengungen steht dann der Spaß des gemeinsamen Feierns, was
das Selbstbewusstsein und das Wir-Gefühl stärkt.
Abigag
Rund 270 000 Schülerinnen und Schüler legen in den Sommerwochen in Deutschland
ihre Abiturprüfungen ab. Am letzten regulären Schultag für die Abiturienten oder am
Tag, an dem der letzte Abiturient seine Prüfung abgelegt hat, kommt es an den
meisten Gymnasien und Gesamtschulen Deutschlands zu dem Ereignis, auf das die
jüngeren Schüler mit Begeisterung und die Lehrer mit gemischten Gefühlen gewartet
haben: dem Abigag. Nach 13 Jahren Schulstress und Ärger mit den Lehrerinnen und
Lehrern organisieren die Schüler eine Art lustigen „Racheakt", bei dem die Rollen
vertauscht sind und die Abiturierenten das Kommando über ihre ehemaligen Lehrer
übernehmen. Das ist für die jüngeren Schüler natürlich immer ein großes Ereignis.
Welcher Schüler sieht seinen eigenen Mathelehrer nicht gerne mit nassem Hemd und
Luftschlangen in den Haaren „Für dich soll's rote Rosen regnen" singen?
gebe. So warnt ein Lehrer: „Die Schultüte darf nicht zum Statussymbol der Eltern
werden, die sich gegenseitig übertrumpfen wollen". Das wäre der falsche Einstieg in
die Schulzeit. Nichts einzuwenden sei gegen ein paar Süßigkeiten und „nützliche
Kleinigkeiten für die Schule".
15
II
Berufliche Bildung
In Deutschland steigt die Zahl der Abiturienten ständig an, und immer mehr
Schulabgänger entscheiden sich für ein Studium, während der Anteil der beruflichen
Ausbildung stagniert. Handwerk und Industrie mangelt es heute an Auszubildenden.
Jugendliche, die nicht mit dem Abitur die Hochschulreife erwerben, entscheiden sich
in der Regel für eine Berufsausbildung, aber auch viele Abiturienten nehmen eine
Berufsausbildung auf. Die Mehrzahl wird im „dualen System" ausgebildet, d. h. einer
Verbindung von praktischer Ausbildung im Betrieb mit der theoretischen Ausbildung
in der Berufsschule. Die private Wirtschaft und der Staat sind also gemeinsam für die
berufliche Bildung verantwortlich. Auf staatlicher Seite ist der Bund für die
außerschulische Berufsbildung zuständig, während die Berufsschulen den einzelnen
Ländern unterstehen. In zehn bevorzugten Berufen konzentrieren sich fast 40 Prozent
der männlichen Auszubildenden, bei den weiblichen Auszubildenden sind es sogar 55
Prozent. Die Jungen entscheiden sich am häufigsten für die Ausbildung zum
Kraftfahrzeugmechaniker, Elektroinstallateur, Industriemechaniker oder Kaufmann
im Groß- und Außenhandel, während von den Mädchen Berufe wie Arzthelferin,
Kauffrau im Einzelhandel, Friseurin und Bürokauffrau bevorzugt werden.
Die Berufsschule. Neben der Ausbildung im Betrieb muß der Jugendliche drei Jahre
lang an ein bis zwei Tagen pro Woche die Berufsschule besuchen. Im Unterricht wird
neben allgemeinbildenden Fächern jener Teil der vorwiegend fachtheoretischen
Kenntnisse vermittelt, die der Jugendliche hier besser und in breiterem Umfang als
im Betrieb lernen kann. Die Leistungen werden in einem Abschlußzeugnis
bescheinigt. Die Berufsschule ist auch Pflichtschule für alle Jugendlichen, die noch
nicht 18 Jahre alt sind und keine andere Schule besuchen. Im sogenannten
Berufsvorbereitungsjahr eignen sich diese Schüler ein theoretisches Berufswissen an
und können sich so leichter für eine Ausbildungsrichtung entschließen.
ÜBUNGSTEIL
Übung 2: Geben Sie die wesentlichen Gedanken des Textes wieder. Was regt in dem
Text zur Diskussion an?
Themengebunden-varierende Übungen
16
(Fortsetzung) eingefallen ist, meint der Lehrer: “Nun, ich wußte, daß du es gelernt
hast.”
Beispiel 3. Der Lehrer übernimmt eine neue Klasse.
Lehrer A läßt sich von einem Vorgänger über die Abneigungen und Vorlieben der
Schüler, ihre häuslichen Verhältnisse und ihre Freundschaften berichten.
Lehrer B verzichtet darauf.
(H. Becker / H. Uhl. Thema. Politik)
Übung 1.4: Viele Schüler gehen ungern in die Schule, manche haben sogar
Angst davor. Dies hat viele Ursachen:
Angst vor der Schule zeigt sich z. B. in der Furcht vor Prüfungen und
Klassenarbeiten. Schüler haben aber auch schon Angst, wenn sie vom Lehrer im
Unterricht aufgerufen werden. Im einzelnen berichten 51 % der Realschüler, 49% der
Hauptschüler und 39 % der Gesamtschüler, sie könnten am Anfang einer Prüfung
keinen klaren Gedanken fassen. Ein Fünftel der Hauptschüler (20 %) und ein Sechstel
der Gesamtschüler (16 %) behaupten, daß sie vor einer wichtigen Klassenarbeit
Bauchschmerzen haben. Viele Schüler, insbesondere die Hauptschüler, geben an, sie
könnten vor einer Prüfung nicht essen. 39 % der Realschüler, 35 % der Hauptschüler,
33 % der Gymnasiasten und 23 % der Gesamtschüler bekommen “das Zittern”, wenn
sie vom Lehrer nach vorne an die Tafel gerufen werden.
Beispiele:
1) Aus einem Aufsatz eines Jungen der 8. Gymnasialklasse:
“Die Mutter öffnet ihm die Tür mit den Worten: “Na, wie ist das Zeugnis
ausgefallen?” Er schüttelt nur den Kopf und bricht schließlich in lautes Geheule aus.
Er öffnet die Schulmappe und steckt ihr das Zeugnisheft entgegen. Als Mutter es
öffnet, ist sie selber den Tränen nahe. Der Junge kann diese Spannung nicht ertragen,
er reißt die Glastür auf, rennt die Treppe hinunter...”
2) “Ich hab’ so eine Angst gehabt dort in der Mittelschule, das war furchtbar.
Morgens im Bus habe ich manchmal noch die Aufgaben gemacht. Und in der Schule:
ich bin rumgelaufen, heulend, und hab’ gesagt: komm, gib mir doch deine Aufgaben,
laß mich doch mal abschreiben, und dann hat mich keiner mehr abschreiben lassen.”
3)”Wenn einer nicht gut ist, können die Lehrer ihn gleich nicht richtig leiden. So
erging es mir im Gymnasium. Ich war nicht gut, und so war ich gleich unten durch
(пасть, потерять авторитет) bei den Lehrern. Ich konnte mir noch so viele Mühe
geben, ich war anständig zu ihr, ich war höflich, nichts, ich war unten durch bei der.
Nur bei unserem Erdkundelehrer, da habe ich mich gut ausgekannt (разбираться в
ч.-л.), und deshalb kam ich mit ihm auch gut aus.”
Aufgaben:
— Stellen Sie alle Situationen in einer Liste zusammen, in denen Schüler in der
Schule Angst haben können.
— Überlegen Sie, haben die Schüler mehr Angst vor der Schule oder in der Schule?
— Auf welche Weise kann der Lehrer den Teufelskreis schlechte Zensuren — Angst
— schlechte Zensuren unterbrechen?
Übung 1.5: Eine Schülerin erzählt, was ihr an ihrer Lehrerin nicht gefällt oder
gefällt.
18
Kritik Lob
daß wir jeden Tag Schularbeiten wenn sie nett ist und nicht so viele
aufkriegen Hausaufgaben aufgibt
daß sie so viele Diktate aufgibt und so daß sie meistens gerecht ist
viel Rechnen wenn ich gute Noten bekomme
wenn sie die Tür immer zuschlägt wenn sie ab und zu etwas falsches sagt
wenn sie immer schimpft und einem wenn sie sich Zeit nimmt, um
immer was durchstreicht schwierige Aufgaben zu erklären
wenn sie der ganzen Klasse wenn sie auf den Unterricht gut
Strafarbeiten aufgibt, weil einer etwas vorbereitet ist
angestellt hat und der sich nicht meldet daß sie uns öfters mitentscheiden läßt,
wenn sie immer so schreit was wir im Unterricht machen sollen
wenn sie immer so meckert, weil die daß sie eine Entschuldigung auch
Tafel nicht sauber ist annimt
wenn der Unterricht langweilig ist daß sie sich auch widersprechen läßt
wenn wir Stillarbeit machen müssen
wenn sie mit einigen Schülern mehr
Geduld hat als mit mir
daß sie manchmal schlecht gelaunt ist
ihrem Freund Dieter gefahren, der seinen Armeedienst leistete. Herausgekommen war
die ganze Sache durch einen dummen Brief, den Petra an Dieter in einer
Unterrichtsstunde geschrieben und dann versehentlich im Heft gelassen hat. Dort
fand ihn Frau Lenz bei der Durchsicht einer Hausaufgabe. Natürlich versuchte sie, ein
klärendes Gespräch mit Petra zu führen.
Frau Lenz: Hier, Petra, habe ich dir etwas zurückzugeben. Der Inhalt hat mich, offen
gesagt, sehr enttäuscht. Kannst du mir helfen, die Zusammenhänge zu begreifen?
Petra: Sie werden es doch nicht verstehen.
Frau Lenz: Einen Grund, der so einen Betrug rechtfertigt, kann ich mir wirklich kaum
vorstellen. Oder hast du einen?
Petra: Mein Vater hat mir verboten, daß ich mit Dieter gehe. Eigentlich darf ich ihm
nicht einmal schreiben. Aber wir haben uns wirklich gern. Dieter hatte an diesem Tag
seinen ersten Ausgang, und Vater hätte mich ja doch nicht fahren lassen.
Frau Lenz: Dafür wird er wohl einen Grund gehabt haben.
Petra: Ach, mein Vater ist furchtbar intolerant. Von Anfang an hat ihm nicht gepaßt,
daß Dieter lange Haare hat und einen Bart trägt. Als er dann noch hörte, daß Dieter in
einer Beatgruppe vom Jugendklubhaus spielt, wurde es noch schlimmer. Er hat mir
sogar verboten, dorthin zu gehen.
Frau Lenz: Aber du hast es trotzdem getan?
Petra: Ja.
Frau Lenz: Und zu Hause geschwindelt?
Petra: Was sollte ich denn anderes tun?
Frau Lenz: Vielleicht vernünftig mit deinem Vater reden.
Petra: Haben Sie vielleicht eine Ahnung! Sage ich ein Wort, heißt es gleich, ich bin
frech und undankbar. Sage ich nichts, dann schimpft er, ich wäre bockig. Frau Lenz:
Also wie ich deinen Vater kenne...
Petra: Alle denken, er ist ganz toll. Aber in Wirklichkeit ist er ein Spießer!
Frau Lenz: Petra, bei deinem Ton wundert es mich wirklich nicht, wenn dir dein
Vater Zügel anlegt.
Petra: Aber man muß doch fragen, was ist Ursache und was ist Wirkung. Mein
Vater mißt alles nur an sich selbst. Wer nicht Tag und Nacht rackert wie er, ist ein
Faulenzer. Wer nicht Bach, sondern nur Beatplatten hört, ist kulturpolitisch nicht
auf der Höhe. Wer nicht nur über Politik, sondern auch mal über Mode redet, ist
kleinbürgerlich. Und wer sich mal richtig vergnügen will, der hat den Sinn des
Lebens nicht begriffen!
Frau Lenz: Petra, ich glaube, du hast dich in etwas verrannt. Ich verstehe schon, daß
du Dieter ernsthaft magst. Aber ich kann mir auch vorstellen, daß ich andere
gewichtige Dinge zu hören bekomme, wenn ich demnächst zu deinem Vater gehe.
Petra: Was, Sie wollen es meinen Eltern sagen?
Frau Lenz: Findest du nicht auch, daß euer Verhältnis zu Hause in Ordnung gebracht
werden muß?
Petra: Wenn Sie das tun, machen Sie alles noch schlimmer. Dann brauche ich gar
nicht erst nach Hause zu kommen, dann ist alles aus!
20
Was sollte die Lehrerin nun tun? Frau Lenz stand vor einer echten
Gewissensfrage. Sie überlegte tagelang, zögerte erst, entschloß sich dann aber doch,
einen ganz "normalen"' Elternbesuch zu machen.
Vater: Gut, daß Sie kommen, Frau Lenz. Wir haben nämlich Sorgen mit Petra und
wissen bald keine Lösung mehr. Ist sie zur Zeit in der Schule auch so schwierig?
Frau Lenz: Nein, das kann ich eigentlich nicht sagen. Allerdings habe ich den
Eindruck, daß sie Kummer hat.
Mutter: Hat sie etwa darüber gesprochen? Sie ist offensichtlich noch immer nicht
über die Sache mit dem Dieter weg. Es sitzt eben tiefer, als wir dachten.
Vater: Trotzdem muß ja wohl mal ein Schlußstrich gezogen werden.
Frau Lenz: Warum eigentlich?
Vater: Das hat sie Ihnen natürlich nicht erzählt.
Frau Lenz: Gesprochen hat sie schon darüber, aber es war alles ein bißchen subjektiv
gefärbt; die langen Haare, der Beat und ähnliches.
Vater: Ich mag eben diese äußerliche Verweiblichung der jungen Männer nicht.
Frau Lenz: Das ist so ein Problem! Mir persönlich gefällt es auch nicht. Aber soll ich
den jungen Leuten meinen Geschmack aufzwingen. Wir sollten uns dadurch nicht
vom Entscheidenden ablenken lassen, von der Sorge um das, was in den Köpfen
vorgeht.
Vater : Das ist nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem bleibt das Äußere doch ein
Teil des Menschen, es zeigt seine Persönlichkeit oder es unterstreicht sie zumindest.
Aber das war nicht der Kern unserer Auseinandersetzung mit Dieter. Es war einfach,
weil Petra nur noch den Beatschuppen und ihr langhaariges Musikgenie zu sehen
begann.
Mutter Na ja, talentiert muß er schon sein. Nach der Armeezeit soll er von seinem
Betrieb zum Musikstudium delegiert werden.
Vater: Aber sie war auf dem besten Wege auf eine einseitige Bahn zu kommen.
Deshalb habe ich einen Riegel vorgeschoben. Aber was passiert? Sie hintergeht uns.
Erzählt uns, sie geht ins Theater. In Wirklichkeit ist sie wieder in dieser Beathöhle.
Mutter: Mein Mann ist ihr einmal nachgegangen und hat sie sozusagen überführt.
Und da war der Krach natürlich da.
Vater: Das Schlimmste kam ja noch. Als ich Petra aufforderte, mit nach Hause zu
gehen, wirft mir dieser Dieter an den Kopf, ich wär ein ganz kleinlicher Spießer. Na
ja, und das Mädchen ist seitdem die reinste Opposition. Sie hat nur noch den Jungen
und ihren Modefimmel im Kopf. Beatplatten hört sie so laut, daß das ganze Haus
zusammenläuft. Ein Glück, daß der Bursche bei der Armee ist, da hört das alles
vielleicht von allein auf.
Frau Lenz: Das glaube ich nicht. Petra scheint diesen Jungen wirklich gern zu haben.
Und glauben Sie tatsächlich, daß man gegen Gefühle mit Strenge und Verboten
ankommt? Für solche Erziehungsmaßnahmen sind 17 jährige junge Menschen bei
aller Unfertigkeit doch schon zu reif.
Vater: Wo landen wir denn, wenn wir prinzipiell auf Strenge verzichten...
Worterklärungen
21
Aufgaben:
1) Bilden Sie 2 Gruppen. Jede Gruppe sammelt jeweils Argumente (Aussagen), die
im Gegensatz zueinander stehen. Ordnen Sie die Argumente in die folgende Tabelle
ein:
Petra Eltern
2) Im pädagogischen Rat der Schule soll entschieden werden, ob Petra einen Verweis
(выговор, порицание) erhält. Versetzen Sie sich in die Rolle von Frau Lenz, der
Klassenleiterin, und geben Sie eine knappe Diskussionsgrundlage.
3) Bilden Sie nun eine Gesprächsrunde. Einige Teilnehmer verteidigen Petra, andere
vertreten die Eltern, die dagegen argumentieren. Diskutieren Sie darüber, ob ein
Verweis berechtigt ist.
Diskussionstypische Wendungen:
Eigene Meinung äußern
Ich finde / meiner Meinung nach / ich würde sagen,daß ... / trotzdem glaub’ ich,
daß ... / das wäre also doch ganz schön angebracht.
Zustimmung ausdrücken
Ich möchte dem zustimmen / das ist das richtige Wort / der Meinung bin ich auch / ja,
o.k. / eben, deswegen meine ich ja, ... / das ist was dran.
Ablehnung ausdrücken, widersprechen
Das halte ich für verfehlt / das kann man nicht so verallgemeinen / ich würde direkt
das Gegenteil behaupten.
4) Ersetzen Sie in folgenden Sätzen die expressiven Wörter und Wendungen durch
sachlich neutrale Ausdrücke!
1. Sie schwänzte den Unterricht und beschwindelte die Klasse.
2. Sie hatte sich völlig in die Sache verrant.
3. Der Vater rackert sich Tag und Nacht ab.
4. Jemand paßt mir nicht.
5. Sie hat nur den Burschen und ihren Modefimmel im Kopf.
6. Endlich ist die ganze Sache herausgekommen.
22
all die Abhängigkeiten die alten. Die Alternative ist der Glaube an den Menschen,
daß er fähig ist, sein Leben autonom zu gestalten, zusammen mit dem Mitmenschen.
Aufgaben:
1. Welche Themen werden im Interview behandelt?
2. Geben Sie eine Zusammenfassung der Gedanken von H.Pestalozzi.
1. Teilen Sie die Meinung von Pestalozzi, daß jede Schule Zwang, Gewalt,
Vergewaltigung, also immer Macht des Stärkeren ist, daß sie Widerstand bricht
und Unfrieden bringt?
1. Was halten Sie von der Meinung: “Wenn ich dem Kind helfe, es animiere, es
selber zu sein, dann habe ich intensive Beziehung zum Kind. Beziehung statt
Erziehung — darum geht es.” “Wir brauchen statt Lehrer eine Art Animatoren
(Betreuer).” Welche Vorstellungen verbindet Pestalozzi mit der “intensiven
Beziehung”? “Wir müssen einfach grundsätzlich das Prinzip Schule in Frage
stellen.” Was wird damit gemeint?
1. Halten Sie ein Kurzreferat über Pestalozzis Ansichten. Ziehen Sie
Schlußfolgerungen aus dem Interview.
1. Welche Bedeutung haben die folgenden vier phraseologischen Wendungen? Was
ist richtig: a), b) oder c)?
— etw. in Frage stellen a) eine Frage an jemanden richten
b) etw. bezweifeln
c) eine Frage aufwerfen
III
Die Hochschulen
Die älteste deutsche Hochschule, die Universität Heidelberg, wurde 1386
gegründet. Mehrere andere Universitäten haben bereits ihre Fünfhundertjahrfeier
hinter sich, darunter die traditionsreichen Universitäten von Leipzig (gegründet 1409)
und Rostock (gegründet 1419). Daneben bestehen auch ganz junge Universitäten -
mehr als 20 sind erst nach 1960 gegründet worden.
Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war für die Universitäten
das Bildungsideal bestimmend, das Wilhelm von Humboldt in der 1810 gegründeten
Universität Berlin zu verwirklichen suchte. Die Hochschule Humboldtscher Prägung
war für eine kleine Zahl von Studenten gedacht. Sie sollte vor allem eine Stätte reiner
Wissenschaft, zweckfreier Forschung und Lehre sein. Dieses Ideal entsprach
zunehmend nicht mehr den Erfordernissen der modernen Industriegesellschaft. Neben
den sich nur langsam entwickelnden Universitäten entstanden Technische
Hochschulen, Pädagogische Hochschulen und - insbesondere in den 70er und 80er
Jahren unseres Jahrhunderts - Fachhochschulen. Auch die Bildungspolitik wandelte
sich: Die Öffnung der Hochschulen grundsätzlich für alle jungen Menschen wurde
allgemein anerkanntes Ziel der Hochschulpolitik.
1960 begannen nur acht Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium, heute
bewirbt sich etwa jeder Dritte um einen Studienplatz. Die Zahl der Studienanfänger
ist damit weiterhin gegenüber den Vorjahren leicht gesunken. Der Staat suchte dem
Andrang seit Beginn der Bildungsexpansion in den sechziger Jahren Rechnung zu
tragen - durch Aus- und Neubau von Hochschulen, durch eine Aufstockung des
Lehrpersonals, durch eine Vervielfachung der finanziellen Mittel. Neue Studiengänge
wurden eingeführt und das Studium stärker auf die spätere berufliche Praxis hin
orientiert. Der Ausbau konnte allerdings mit dem Anstieg der Studentenzahlen nicht
Schritt halten, so daß sich die Studiensituation an den deutschen Hochschulen in den
letzten Jahren ungünstig entwickelt hat. Auch die durchschnittlichen Studienzeiten
sind zu lang. Bund und Länder beraten daher zur Zeit darüber, wie durch eine
26
Erklärungen
весомый
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Machen Sie sich die Bedeutung des folgenden Wortmaterials durch seine
Verwendung in angemessenen Situationskontexten bewußt.
1. Erklären Sie die folgenden Begriffe:
die Fünfhundertjahrfeier — das Bildungsideal — der Studiengang —
hauptamtlicher Rektor — die Promotion — der Lebensunterhalt — der
Förderungsbetrag — der Numerus Clausus — die Studienplatzkapazität — das
Auswahlgespräch.
2. Äußern Sie sich zu den folgenden Thesen und begründen Sie dabei Ihre Meinung.
Drücken Sie Ablehnung, Zustimmung oder Zweifel aus.
Ablehnung ausdrücken:
— das halte ich für ... (verfehlt, falsch usw.);
— nein, ich glaube eher, daß ... ;
— durchaus nicht, und zwar weil ... .
Zustimmung ausdrücken:
— genau, es kommt auf ... an;
— da stimme ich mit Ihnen überein;
— eben, deswegen meine ich ja, ... .
Zweifel ausdrücken:
— weniger ... , vielmehr ... ;
— auf der einen Seite ... auf der anderen Seite ... ;
— es ist auch eine Frage ... .
Ein Student kann sich Freizeit nehmen, wann er will.
Die Studenten können selbst entscheiden, welche Fächer und Lehrveranstaltungen
sie wählen.
In den Seminaren sollen die Hausaufgaben der Studenten regelmäßig kontrolliert
werden.
Ein Student hat niemals Freizeit.
Das Selbststudium ist wichtig, aber noch effektiver ist die kollektive Arbeitsweise.
In den Vorlesungen müßte die Anwesenheit kontrolliert werden, da viele Studenten
diese Veranstaltungen nur selten besuchen.
Das Zusammenleben in den Wohnheimen wirkt sich ungünstig auf die Leistungen
aus. Die Studenten lenken sich gegenseitig ständig vom Lernen ab.
Die Unterbringung der Studenten in Wohnheimen ist ideal: Sie brauchen sich nicht
um Heizung zu kümmern, zahlen sehr geringe Miete und haben keinen Ärger mit
Wirtinnen.
3. Welche Entwicklung verbirgt sich hinter der Bezeichnung:
— die älteste deutsche Hochschule, die Universität Heidelberg;
— die Hochschule Humboldtscher Prägung;
— Bildungspolitik;
— Studienstrukturreform;
29
— Selbstverwaltung;
— Fachhochschule;
— Gesamthochschule;
— Fernuniversität.
IV
Immatrikulation (Einschreibung)
Mit der Zulassung zum Studium erhält der Studienbewerber das Recht, sich für
ein bestimmtes Semester für ein oder mehrere Studienfächer an einer bestimmten
Hochschule zu immatrikulieren, d. h., sich an dieser Hochschule als Student
einzuschreiben. Auf dem Zulassungsbescheid sind die Bedingungen und Formalitäten
angegeben, die bei der Immatrikulation erfüllt werden müssen. Wird die Zulassung z.
B. von dem Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht (Prüfung zur Feststellung der
Hochschulreife oder Prüfung zum Nachweis deutscher Sprachkenntnisse), so kann
man erst immatrikuliert werden, wenn man die Prüfung bestanden hat.
Bei der Zulassung wird mitgeteilt, bei welcher Stelle in der Hochschule man
sich immatrikulieren kann. Die Universitätsämter haben unterschiedliche
Bezeichnungen, wie z. B. Immatrikulationsamt, Studentensekretariat oder (speziell
für ausländische Studenten) Akademisches Auslandsamt.
Möglichst bald nach Ankunft am Hochschulort sollte das Akademische
Auslandsamt bzw. das Sekretariat aufgesucht werden, weil dort Hinweise und
Informationen zu erhalten sind, die für den Studienbeginn wichtig sind. (Beachtet
werden sollten auch Anschlagtafeln [das Scnwarze Brett], auf denen wichtige
Informationen wie z. B. Einführungskurs, Veranstaltungen aller Art, aber auch
Termine für Studienberatung, Öffnungszeiten der Universitätsämter angegeben sind.)
Die Studenten erhalten dort die Einschreibungsformulare (Antrag auf
Einschreibung, Karteikarte oder ähnliches), die sie ausfüllen müssen. Außer diesen
Formularen sind zur Immatrikulation die Unterlagen nötig, die auf dem
Zulassungsbescheid angegeben sind, z. B. Original-Zeugnisse, Paßfotos,
Gesundheitsbescheinigung, Nachweis der Krankenversicherung und anderes.
Wichtig ist außerdem, daß die Immatrikulationsfrist, die auf dem
Zulassungsbescheid angegeben ist, eingehalten wird. Wenn man sich innerhalb dieser
Frist nicht immatrikuliert hat, verfällt die Zulassung. Sollte es aus zwingenden
Gründen nicht möglich sein, die Immatrikulationsfrist einzuhalten, erkundigt man
sich nach einer eventuellen Nachfrist und gibt den Grund an, weshalb man sich
verspätet einschreiben will.
Wenn alle im Zulassungsbescheid genannten Bedingungen erfüllt und die
erforderlichen Unterlagen volIständig abgegeben sind, wird man immatrikuliert.
Damit erhält man alle Rechte und Pflichten eines Studenten.
Mit der Immatrikulation erhält man das Recht, Lehrveranstaltungen des
gewählten Studienfaches zu besuchen. Außerdem kann man die
Universitätseinrichtungen in Anspruch nehmen, die allen Studenten offenstehen, wie
z. B. die Universitätsbibliothek, soziale Einrichtungen und anderes. Man kann an
akademischen Prüfungen teilnehmen, wenn die Voraussetzungen der
Prüfungsordnungen erfüllt sind. Zu den Rechten gehört auch das aktive und passive
Wahlrecht in der studentischen Selbstverwaltung.
31
verschmutzen – загрязнять
verunreinigen durch Akk. – загрязнять чем-либо…
das Abgas– выхлопные газы
das Schwefeldioxid – диоксид серы
die Verunreinigung durch Akk. – загрязнение через…
das Kohlenmonoxid – окись углерода
das Schwefeloxid – оксид серы
das Stickoxid– моноксид азота
das Fluor – фтор
die Schwermetallbildung – соединение тяжёлых металлов
die schleichende Meeresverschmutzung – постепенное загрязнение моря
der Schadstoff – вредные вещества
das Abwasser – сточная вода
beitragen zu Dat. –способствовать
der Abfall – отбросы, отходы
Einige Staaten lagern sogar den radioaktiven Müll in Betonbehältern in der Tiefsee ab
– некоторые государства хранят радиоактивные отходы в бетонных
контейнерах на глубине моря.
verursachen – вызывать
verenden – скончаться, погибать
Vernichtung des Unkrauts – уничтожение сорняка
Bekämpfung der Schädlinge – борьба с вредителями
das Quecksilber – ртуть
gelangen in Akk. – попадать в…
sterben an Dat. – погибать.
die giftspeienden Schornsteine der Staatseigenen Kraftwerke – выбрасывающие в
атмосферу яд дымовые трубы электростанций
verschwinden – исчезать
die Nachfrage nach Holzproduktion und Brennholz – спрос на древесину и горючее
die Ausrottung von – истребление
die Verminderung klimatischer Extreme – уменьшение количества климатических
катаклизмов
der Speicher – накопитель
die Aufmerksamkeit schenken –уделять внимание
der Treibhauseffekt – парниковый эффект
die Aufheizung – потепление
Der Anstieg der Weltmeere und die Überflutung von Küstenländern, die Ausbreitung
der Wüsten und die Hungersnöte – подъём уровня мировых океанов и затопление
прибрежных стран, увеличение площади пустынь и голод
34
Alles, was den Menschen umgibt, ist seine Umwelt. In dieser Umwelt herrscht
Gleichgewicht zwischen Mensch-, Pflanzen- und Tierwelt, Wasser, Luft und Erde:
das ökologische Gleichgewicht. Der Mensch ist nur ein Glied der biologischen Kette:
um leben zu können, muß er dieses Gleichgewicht bewahren, und dies ist die
Aufgabe des Umweltschutzes. Wodurch aber wird unsere Umwelt gefährdet?
Die Luft wird verschmutzt oder verunreinigt durch: die Motorabgase der
Autos (das Kohlenoxid, CO); die Abgase der Industrie, die sehr reich an
Schwefeldioxid (SO2) sind. In dichten Wohngebieten treffen Verunreinigung durch
die Industrie, durch die privaten Haushalte und durch den Verkehr zusammen, und
bei schlechten Wetterbedingungen entsteht der Smog. Die häufigsten Schadstoffe in
der Luft sind: Kohlenmonoxid, Schwefeloxide, Stickoxide (NO), Fluor und
Schwermetallbildungen (z. B. Blei). Die Luft enthält auch viel Staub.
Das Wasser. Die größte Gefahr liegt in der schleichenden
Meeresverschmutzung. Tatsächlich erreichen die Unmengen gefährlicher Schad- und
Nährstoffe die Ozeane. Der größte Anteil gelangt über die Flüsse und die Atmosphäre
in das Meer, das zu einem richtigen “Mülleimer der Welt” geworden ist. Die
Abwässer aus den Haushalten (synthetische Waschmittel) und aus Industriewerken
tragen zur Zerstörung des Wasserhaushalts (des Wassers, worüber wir verfügen) bei.
Da Wasser in einem ewigen Zyklus begriffen ist, ist eine besondere Sorgfalt für seine
Qualität notwendig. Dem Meer werden nämlich alle Abfälle der Abwässerkanäle
36
zugeführt, so daß nicht selten Plastikflaschen oder sonstige schmutzige Abfälle an der
Oberfläche schwimmen. Einige Staaten lagern sogar den radioaktiven Müll (Rest,
Abfälle) in Betonbehältern in der Tiefsee ab, und es kann natürlich ökologische
Katastrophen verursachen. Zum Beispiel mehr als 500 Delphine wurden nach
heftigen Stürmen an die französische Atlantikküste gespült. Sie konnten von
Tierfreunden nicht mehr gerettet werden und verendeten. Das geschah im Frühjahr
1989. Meeresbiologen stellten die Ursache für das Massensterben fest: die Delphine
wurden Opfer der Meeresverschmutzung, ihre Kadaver enthielten eine hohe
Konzentration einer giftigen Chemikalie.
Aber auch der Boden, unsere “Mutter Erde”, könnte diesen Namen nicht mehr
verdienen, denn die Landwirtschaft verwendet zur Vernichtung des Unkrauts und zur
Bekämpfung der Schädlinge und anderer Insekten gefährliche chemische Stoffe: die
Pestizide. Durch die Nahrungskette können gefährliche Stoffe wie das Quecksilber in
den menschlichen Körper gelangen. Die Folgen sind Krankheiten des Nervensystems,
Erregung, Schlaflosigkeit. An saurem Regen, vergiftetem Boden stirbt auch unser
Wald. Und an unseren Politikern, die nicht einmal dafür sorgen, die giftspeienden
Schornsteine der staatseigenen Kraftwerke sofort mit Filtern zu versehen. Während
der nächsten 20 Jahre werden auch weiterhin große Waldflächen auf der Erde
verschwinden, da die Nachfrage nach Holzproduktion und Brennholz zunimmt.
Wobei die größten Verluste sind in den tropischen Regenwäldern Afrikas, Asiens und
Südamerikas zu verzeichnen. Die Ausrottung von Pflanzen- und Tierarten wird
dramatisch zunehmen. Wälder sind aber unter anderem für den Wasserkreislauf über
den Kontinenten, zur Verminderung klimatischer Extreme und zur Luftreinhaltung
sowie als Speicher und Senke für Kohlendioxid von Bedeutung. Der vergiftete Boden
schädigt nicht nur Bäume. Wie die Wälder werden auch die Felder sterben. Es dauert
nur etwas länger. Im Erzgebirge zum Beispiel (BRD) gibt es bereits Landstriche, auf
denen kein Baum, kein Busch mehr wächst. In Hamburg sind 90 Prozent aller
Bäume krank.
Die Massenmedien schenken große Aufmerksamkeit diesem Problem. “Wir
stehen vor einem ökologischen Hiroshima”,— sagt “der Spiegel”. Kohlendioxid trägt
zum sogenannten “Treibhauseffekt”, also zur Aufheizung des Weltklimas, bei. Es
drohen in wenigen Jahrzehnten dramatische Auswirkungen für die Menschheit:
Anstieg der Weltmeere und Überflutung von Küstenländern, Ausbreitung der Wüsten
und Hungersnöte. Hauptverursacher des “Treibhauseffekts” sind die Industriestaaten,
die rund 80 Prozent aller Energieträger verbrennen. Sie produzieren also die größte
Menge klimaschädigender Gase.
Die Zerstörung der Umwelt ist also die Kehrseite des technischen Fortschritts.
Täglich verschwinden rund hundert Pflanzen- und Tierarten auf der Erde, und
Wissenschaftler schätzen, daß darunter viele sind, die noch kein Mensch gesehen hat.
Der Naturschutz schließt also nicht nur die sogenannte “Lebewelt”, sondern
auch die Bodenschätze, den Boden, die Gewässer, die Luft, den Schutz vor Lärm
sowie die schadlose Beseitigung und Nutzbarmachung der Abfallprodukte ein. Um
die bedrohte Umwelt zu schützen, soll eine richtige Umweltpolitik durchgeführt
werden. Das Thema Umwelt tauchte vor etwa 20 Jahren auf der Tagesordnung der
37
ÜBUNGSTEIL
— Arbeiten Sie Ihren Textabschnitt so durch, daß Sie ihn der Gesamtgruppe
erklären können (im Hinblick auf schwierige Wörter, Gegenstand der
Beschreibung).
Übung 4: Sammeln Sie Informationen aus dem Text zu den folgenden Stichwörtern:
Umwelt — Gleichgewicht — Rettung bedrohter Pflanzen- und Tierarten —
verschwinden — einschließen — auftauchen — Umweltkonferenz —
Meeresverschmutzung — große Waldflächen — Treibhauseffekt.
Übung 5: Stellen Sie eine Disposition zum Text auf und halten Sie einen Vortrag
über diesen Text.
Übung 6: Machen Sie nach dem Inhalt des Textes ein Interview. Benutzen Sie dabei
die Fragen von Übung 3.
Übung 7: Suchen Sie bitte die richtigen Zusammenhänge. Verwenden Sie dabei
folgende Situationsmodelle:
1) Das kommt daher, daß ...
2) Daraus ergibt sich folgendes ...
3) Das hängt damit zusammen, daß ...
Täglich verschwinden rund hundert Pflanzen- und Tierarten.
Das Thema Umwelt tauchte erst vor etwa 20 Jahren auf der Tagesordnung der
internationalen Politik auf.
Die größte Gefahr liegt in der schleichenden Meeresverschmutzung.
Künftig werden auch große Waldflächen auf der Erde verschwinden.
39
Übung 8: Wie finden Sie diese Zukunftsaussichten? Wiederholen Sie bitte die
Hauptaussagen und kommentieren Sie diese positiv, ironisch oder skeptisch.
Redemittel:
a) die Positiven: Du siehst ja, jedes Problem läßt sich lösen. Ich habe doch schon
immer gewußt, daß ... Ende gut, alles gut.
b) die Ironischen: Ja, ja! Der Traum von der heilen Welt. Schön! Das sind ja rosige
Aussichten.
c) die Skeptischen: Vorsicht! Das ist eine gefährliche Illusion! Na, wenn das keine
Vogel-Strauß- Politik ist! Zu schön, um wahr zu sein.
Übung 9: Hören Sie ein Interview mit einem Schüler. Beim ersten Anhören
versuchen Sie, das Wesentliche zu erfassen. Ignorieren Sie zunächst die Einzelheiten.
Hören Sie sich nun noch einmal den Text an, und achten Sie diesmal auf die
Details. Zum besseren Verstehen benutzen Sie die folgenden Schlüsselwörter:
Benzinautos — Elektroautos — abschaffen — Abgase machen — Feuerwehr —
versorgen — bremsen — mit Strom fahren — das Schild — sich einstellen —
bewirken (z. B. Veränderungen) — das Verkehrsministerium — abstimmen — im
mündlichen — sitzenbleiben — einsehen — etwas vor sich her schieben
(Schulaufgaben) — ohne Fleiß kein Preis.
Fragen:
1. Mit wem spricht die Interviewerin?
2. Wie lautet ihre erste Frage?
3. Warum sollen nach Tims Meinung Benzinautos abgeschafft werden?
4. Welche Autos möchte er gerne fahren sehen?
5. Warum möchte Tim die Feuerwehr-, die Polizei- und Krankenwagen noch mit
Benzinautos versorgen?
6. Welche Vorteile haben die Elektroautos?
7. Aber Tim glaubt, daß die Benzinautos besser wären. Warum? Belegen Sie es an
Beispielen.
8. Wozu soll sich jeder Radfahrer hinten ein Schild dran “Achtung” einstellen?
9. Mit wem könnte man diese Veränderungen abstimmen?
10. Was würde Tim noch gerne verändern, außer den Verkehr?
11. Warum ist Tims Bruder sitzengeblieben?
40
12. Wie verstehen Sie: “Man bleibt erst bei drei Sechsen sitzen oder übethaupt
nicht mehr. Und dann würde ich verändern, daß, wenn man sehr viel
Schulaufgaben macht oder sehr fleißig ist, aber im mündlichen sehr schlecht ist,
daß man dann keine Sechs kriegt.”
(Aus: Interviews mit Kindern, Tim — 10 Jahre. von M. Waltershausen)
41
II
einfach so sagen, die können wir einfach umbringen. Das find’ ich eben nicht richtig
von den Menschen.
Interviewerin: Nein. Die Einstellung darf keiner haben. Es gibt ja Jäger, die Wild
abschießen, wenn Jagdzeit ist.
Sandy: Ja. Aber es ist auch richtig, weil es gibt ja auch Tiere, die dann furchtbar
leiden, furchtbar alt sind oder irgendeine Wunde haben. Dann find’ ich es auch
richtig, daß sie dann das Tier totschießen, sonst muß es noch leiden. Und dann stirbt
es unter schlimmen Zuständen.
Interviewerin: Ja.
Sandy: Und mehrere Tiere, manche tun ja sehr viel Gutes für solche Tiere, die dann
sehr ausgerottet werden. Tun ja auch sehr viel Gutes und das find’ ich auch richtig.
Interviewerin: Man sollte zum Beispiel auch keine Vögel fangen. Es gibt ja auch
Völker, die Vögel fangen und essen.
Sandy: Ja, es ist ja auch traurig für die Vögel, daß ein, irgendein Vogel ein Ei legt
und Kinder sehen das und fassen das Ei an. Dann kommt ja kein Vogel mehr in das
Nest. Und dann ist es sehr traurig, daß das ohne eine Mutter aufwächst und kann sich
nicht selber ernähren, stirbt da gleich, wenn es keine Ernährung hat, weil’s ja noch
ganz klein ist. Das muß ja schon eine Mutter haben.
Interviewerin: Ja, wenn es nicht Glück hat, daß dann eine andere Mutter es aufzieht.
Sandy: Ja, ja. Es ist ja auch so bei den, in Afrika bei den Gnus. Die machen weite
Wanderungen. Von einem Platz aus wandern sie und kommen wieder auf den
gleichen Platz. Aber sie müssen über einen See. Und die gehen automatisch durch
den tiefen See. Da verlieren Ihre Mütter sehr viele Kinder. Nette Gnus nehmen dann
auch die andern, nehmen dann diese kleinen Tiere auf.
Interviewerin: Ja, vor allen Dingen brauchen die Kleinen von der Mutter die
Anweisung überhaupt fur das Leben.
Sandy: Ja, für das Leben. Und die müssen ja auch was zu essen haben. Können ja
nicht verhungern oder verdursten. Dann muß schon die Mutter sie dahin führen, wo
es Wasser gibt und dahin, wo Fleischstücke liegen und so. Irgendein Lebewesen kann
eigentlich nur leben mit einem Beisein, der ihm sagt, da und da und das ist das.
Sonst kann ein Lebewesen gar nicht leben.
Interviewerin: Braucht ein erwachsenes Leittier, sowie ein Kind die Eltern braucht?
Sandy: Ja, sonst kann es ja auch nicht leben.
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Hören Sie sich den Text sorgfältig an und finden Sie Informationen heraus
(das sogenannte Globalverstehen):
a) über die Sprecher (wer spricht mit wem);
b) über das Thema (worüber, mit welcher Absicht unterhalten sich die Sprecher).
Übung 2: Hören Sie sich nun den Text noch einmal an und beantworten Sie die
Fragen zu den Einzelheiten (das nennt man “Detailverstehen”).
1. Für welche Tiere interessiert sich Sandy?
2. Weswegen rotten die Menschen die Seerobben aus?
3. Wie töten sie die Robben?
4. Wie äußert sich Sandy zum Thema “Biber”?
5. Wann darf man nach Sandys Meinung das Wild abschießen?
6. Was ist traurig für die Vögel?
7. Was erzählt Sandy von den Gnus? Was machen sie Gutes?
8. Unter welchen Umständen kann ein Lebewesen leben?
Übung 3: Hier sind 4 Sätze. Übersetzen Sie bitte sie und versuchen Sie, diese mit
eigenen Worten zu erklären.
1. Aber die Robben sind gerad’ geboren und die dann gar keine Ernährung haben,
wenn die Menschen sie an einem Tag töten. (An welchem Tag?)
2. Die armen Robben, die wissen ja gar nichts davon, daß sich da solche
anschleichen, dann mit so ‘ner scharfen Axt in Rücken reinschlagen. (Was wird
gemeint unter “solche”?)
3. Aber trotzdem. Die Menschen rotten dann die Biber aus.
4. Die Elefanten tun etwas in Afrika. Dann arbeiten die für die Dings und dann rotten
sie auch noch viele Tiere aus. (Für was für “Dings” arbeiten “die”?)
b) finden Sie heraus, ob sich Sandy immer konsequent in Bezug auf den Tierschutz
äußert (vergleichen Sie, wie er von Bibern und Robben oder anderen Tieren spricht).
Warum gibt er den Menschen recht, daß sie die Biber ausrotten wollen?
c) versuchen Sie herauszufinden, wie Sandy seine Gedanken argumentiert.
Übung 5: Geben Sie eine inhaltliche Zusammenfassung des Textes, indem Sie die
angefangenen Sätze mit eigenen Worten ergänzen.
1. Es ist sehr traurig, daß ...
2. Die armen Robben, die wissen ja gar nichts davon, ...
3. Ich geb’ auch ein bißchen den Menschen recht, daß sie ...
4. Die Biber stehen jetzt unter Naturschutz, weil ...
5. Man sollte überhaupt keine Tiere ausrotten ...
6. Es gibt Jäger, die Wild abschießen. Aber es ist auch richtig, weil ...
7. Man sollte auch keine Vögel fangen, weil ...
8. Es ist traurig, daß das Tier ohne eine Mutter aufwächst und ...
9. Es gibt auch so bei den Gnus. Die machen weite Wanderungen ...
Übung 6: Und nun versuchen Sie bitte, den Dialog in ihren eigenen Worten
wiederzugeben.
III
Menschen werden gejagt, vertrieben oder vor ihrer Haustür getötet. Die
Katastrophe geschieht nicht irgendwo, sondern in den Städten, in denen wir leben: in
München, Frankfurt, Berlin, Hannover oder Hamburg. Die Städte, die wir gebaut
haben, sind zum Problem geworden:
—Die Luft ist vergiftet. Es sterben Pflanzen und Tiere. Die Menschen werden krank.
—Der Lärm erzeugt Herzleiden, erhöhten Blutdruck und Magengeschwüre.
—Die Autos haben sich zu Herren über die Menschen gemacht. Sie verletzen
Fußgänger, Radfahrer und Kinder oder töten sie.
—Wohnungen werden abgerissen. Statt dessen werden neue Banken, Büros und
Kaufhäuser gebaut.
Wir müssen verlangen, daß die neuen Städte menschenfreundlicher werden:
mit Wohnungen, Schulen und Kindergärten, mit Geschäften und Altenheimen.
Wir müssen verhindern, daß die Menschen aus den Städten vertrieben werden.
In Trabantenstädte, getrennt nach Armen und Reichen, Junggesellen, Alten und
Kinderreichen.
Wir wollen dort Kinos und Cafes, Theater und Biergärten und den Milchladen
an der Ecke. Oder wir werden erleben, daß unsere Gesellschaft zerstört wird und
unsere Städte sterben.
(Aus DaF I B, Klett)
45
ÜBUNGSTEIL
Übung 3: Aus diesen Materialien ergibt sich ein ziemlich pessimistisches Bild von
der Zukunft des Waldes, des Meeres, der Menschheit usw. Was kann man tun, um
die Entwicklung zu verändern?
IV
Deutsche Stimmen zum Thema “Natur und Naturschutz”
Übung 1: Hören Sie die folgenden sechs Interviews zweimal (das erste Mal mit
Pausen). Beantworten Sie beim ersten Anhören vor allem die Frage, ob die Personen
sich in ihrer Freizeit für die Natur interessieren (ja / nein). Beim zweiten Anhören
achten Sie bitte auf die anderen Fragen: wann, wo, warum.
Wortschatz
1 Ein Umwelt-ABC
Die Liste der Umweltprobleme, denen sich die Menschheit heute gegenübersieht, ist
lang. Gehen Sie die folgende Liste durch.
a) Welche Probleme kennen Sie aus eigener Erfahrung?
b) Welche schätzen Sie als besonders wichtig ein?
c) Mit welchen Themen müsste diese Liste aus Ihrer Sicht ergänzt werden?
Artensterben, Ozonloch
Artenverlust, Ölpest
Artenschwund Pflanzenschutzmittel (Pestizide)
Altlasten Quecksilber (in Batterien)
Bevölkerungsexplosion Radioaktivität
Bodenerosion Regenwald
Bodenverseuchung Rinderhaltung
Chemieunfälle Schadstoffbelastung
CO2 Smog
Dioxin Treibhauseffekt
Emissionen Tankerkatastrophen
Gewässerbelastung Umwelt
Hausmüll Uran
Insektizide Verkehrsinfarkt
J... Verpackungsmüll
Klimakollaps Waldsterben
Landschaftszersiedlung x...
Lärm Y...
Massentourismus Zeitungspapier
Naturzerstörung Zellstofffabriken
Gehen Sie noch einmal das Umwelt-ABC durch. Was sind Ursachen, was sind
Folgen (wovon)? Verwenden Sie folgende Redemittel:
... ist / sind eine Ursache für ...
... verursacht, dass ...
... verursacht + A
... wird verursacht durch ...
... hat zur Folge, dass ...
... hat + A zur Folge.
... bewirkt, dass ...
... hat positive / negative Auswirkungen auf + A
... lässt sich auf + A zurückführen
... bringt es mit sich, dass ...
3 Ergänzen Sie die folgenden Sätze und Halbsätze mit Redemitteln (aus Übung
2) und Ihren eigenen Ideen zum Thema:
a) Die zunehmende Zahl von Plastikverpackungen ...
b) Recycling...
c) Wenn mehr Menschen nicht nur vom Umweltschutz sprechen, sondern auch etwas
für die Umwelt tun,...
d) Die Probleme mit dem Klima ...
e) Wenn man seinen Hausmüll getrennt nach Papier, Plastik-, Metall-und Bioabfall
entsorgen muss, dann ...
f) Viele Tiere finden kaum noch genug freie Natur als Lebensraum vor, ...
g) Viele Menschen kaufen nur noch Öko-Lebensmittel und biologisch abbaubare
Materialien, ...
Leseverstehen
5 Die sieben ökologischen Gefahren für die Menschheit
Lesen Sie den Text aufmerksam durch. Beachten Sie dabei, welche Sätze
zusammengehören, also thematisch eine Einheit bilden. Unterteilen Sie den Text
durch kräftige Markierungen in Abschnitte. Schreiben Sie anschließend bitte die
sieben Gefahren, denen die Menschheit nach Aussage des Textes ausgesetzt ist, aus.
Die sieben ökologischen Gefahren für die Menschheit
Die globalen Folgen ökologischer Zerstörungen sind offensichtlich: Da ist zunächst
die Erwärmung der Erde, der sogenannte Treibhauseffekt, der als die vielleicht größte
globale Gefahr das Klima weltweit verändern wird, mit noch unabsehbaren Folgen
für die Vegetation und Landwirtschaft, für Klimabildung und Meeresspiegel. Auch
die Zerstörung der Regenwälder gehört zu den vieldiskutierten globalen ökologischen
Veränderungen, die das weltweite Klima, aber auch den Artenreichtum und die Gen-
reserven der Erde nachhaltig beeinflusst. Ebenso ist heute die wachsende
Ausdünnung und Zerstörung der Ozonschicht Gegenstand weltweiter Erörterungen;
das zu erwartende Übermaß schädlicher UV-Strahlung trifft heute schon Menschen
südlicher Länder (Australien, Neuseeland, Chile) und wird immer weitere Kreise
ziehen. Die Menschheit als Ganzes ist auch betroffen von der Verschmutzung der
Meere. Diesem „gemeinsamen Erbe der Menschheit" droht stellenweise durch
industrielle und giftige Schadstoffe bereits der biologische Tod. Die Üherfischung
durch moderne Fangflotten zerstört außerdem die Regenerationsfähigkeit der Meere
und ihrer Lebewesen, eine schwere Hypothek für künftige Generationen. Durch die
Erosion des Bodens gehen der Landwirtschaft jedes Jahr Millionen von Hektar
fruchtbaren Landes verloren. Unangepasste Bewirtschaftung oder Abholzung führen
zu Versteppung, Versalzung und Verwüstung (Desertifikation); schon 11 % der
Landoberfläche der Erde sind von einer derartigen Degradierung des Bodens
betroffen. Die Vergiftung der Luft durch Schadstoffe aller Art ist längst nicht mehr
nur ein Problem in den industriellen Ballungszentren des Nordens. In vielen Teilen
der Welt leiden Menschen unter der Schadstoffbelastung industrieller Produktionen;
rund 2/3 der Stadtbevölkerung weltweit lebt unter Luftbedingungen, welche die
Weltgesundheitsorganisation als inakzeptabel einstuft. Der Verlust der Arten ist
schließlich eine wenig beachtete, dennoch gravierende Gefahr für die Zukunft der
Menschheit. Täglich werden 50 bis 100 Pflanzen- und Tierarten ausgerottet,
überwiegend durch die Zerstörung der Regenwälder. Viele dieser Arten sind der
Wissenschaft nicht einmal bekannt. Mit den Arten verschwinde ein immenses
Genreservoir, von dessen Bedeutung niemand etwas ahnt. Die Menschheit ähnelt, so
49
Hoimar von Ditfurth, einem Passagier, der während eines Fluges alle Instrumente aus
dem Cockpit reißt, deren Funktion er nicht erkennen kann.
(Degradierung: Veränderung eines guten Bodens zu einem schlechten).
6. Der Text, den Sie eben gelesen haben, verwendet bestimmte sprachliche Mittel,
um das Verhältnis von Ursache und Wirkung zu beschreiben. Ergänzen Sie die
folgenden Sätze sinngemäß mit Informationen aus dem Text.
a) __________wird________verändern.
b) _____hat noch unabsehbare Folgen für ________.
c) _______beeinflusst_________.
d)_______wird immer weitere Kreise ziehen.
e) _______ist betroffen von_________.
f)_______führen zu_____________.
g)_______leiden unter________.
h) ______ist eine Gefahr für_______.
1991 32 38 30
1992 29 42 29
1993 34 42 24
1994 31 43 26
1995 36 41 23
1996 39 39 22
1997 37 41 22
1998 38 41 21
1999 37 41 22
Quelle: Waldzustandsbericht der Bundesregierung 1999
angemeldet haben.
• Damit die Risiken neuer Stoffe besser abgeschätzt werden können, müssen
Hersteller und Importeure vorgeschriebene Mindestprüfungen vornehmen und
nachweisen.
• Gefährliche Stoffe müssen entsprechend verpackt und gekennzeichnet werden.
• Die zuständigen Behörden haben das Recht, bei entsprechender Gefährlichkeit
Beschränkungen bis hin zu Verboten zu erlassen.
• Verstöße gegen Vorschriften des Gesetzes können mit bis zu fünf Jahren
Freiheitsstrafe geahndet werden.
Müllverbrennung
Bis zum Jahr 2005 müssen nach der „Technischen Anleitung Siedlungsabfall“ die
meisten der gegenwärtig noch 460 Müll-Deponien in Deutschland geschlossen
werden. Dann bleibt außer der Verwertung nur die Müllverbrennung. Was die
günstigere Alternative ist, hängt von der jeweiligen Art des Abfalls ab.
Müll ist nicht einfach Müll. Vom Entsorgungsgesichtspunkt sind beispielsweise
Verpackungen aus Plastik etwas ganz anderes als solche aus Papier oder Pappe. Sie
haben eine unterschiedliche Öko-Effizienz. Die entsprechenden
Untersuchungsmethoden wurden vom deutschen Chemieunternehmen BASF
entwickelt und inzwischen beispielsweise vom Umwelttechnikzentrum der
europäischen Kunststoffhersteller (Association of Plastic Manufacturers in Europe;
APME) übernommen.
Die Öko-Effizienz-Analyse lässt sich am Recycling von Kunststoff-Verpackungen
besonders gut verdeutlichen. Gegenwärtig liegt die Verwertungsquote innerhalb der
Europäischen Union bei 15 Prozent, den gleichen Anteil hat die Müllverbrennung als
konsequente Alternative zur Rückgewinnung der Stoffe, siebzig Prozent der
Plastikabfälle landen auf Deponien. Nach entsprechenden wissenschaftlichen
Berechnungen würden sich bei einer Steigerung der Verwertungsquote auf 50 Prozent
die Kosten verdreifachen. Der Energieaufwand für Sortieren und Verwerten liegt
zudem deutlich über dem, den die Herstellung von Neumaterial erfordert. Würden
Kunststoffabfälle zur Hälfte statt wie bisher zu 15 Prozent verwertet, wäre die Um-
weltentlastung gleichwohl nicht höher, als wenn jeder EU-Bürger im Jahr 20
Kilometer weniger Auto fahren würde.
Vor diesem Hintergrund ist ein möglichst erschöpfendes Recycling für den
Kunststoffbereich insbesondere nicht vorteilhafter als die Verbrennung. Aber es gibt
noch eine Alternative, die nicht wie das Verbrennen mit der (fragwürdigen)
Vorstellung vom „Verschwenden“ endlicher Ressourcen verbunden ist: „Allein die
bisherigen Anstrengungen zur Müllvermeidung durch gewichtmäßiges Abspecken
von Kunststoff-Verpackungen brachten eine genauso große Umweltentlastung wie
alle Recycling-Maßnahmen“, erklärt Neil Mayne, Leiter des APME-
Umwelttechnikzentrums.
Müllvermeidung ist immer noch die beste Prophylaxe gegen den Müll-„Infarkt“.
Vielleicht lässt sich dann auch die staatliche Regelungsdichte lockern: Immerhin
gelten für den Müll in Deutschland gegenwärtig etwa 800 Gesetze und annähernd
5000 Verwaltungsvorschriften.
THEMA: „STADT“
Teil I. Alte Stadt
Text 1.
1. Machen Sie sich mit dem Text bekannt! Beachten Sie die unterstrichenen
Vokabeln!
KURZER GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK
Die Entstehung des deutschen Volkes und Staates war ein historischer Prozess,
der mehrere Jahrhunderte dauerte. Bevor im 9. und 10. Jh. das deutsche Königreich
56
Römische Reich, seine Wirtschaft wurde zerrüttet, und der Handel ging zurück.
Somit begann im 3. Jh. der Untergang des Römischen Reiches. Im 4. Jh. zerfiel das
Imperium in das Oströmische Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel und in das
Weströmische Reich mit der Hauptstadt Mailand. Im 5. Jh. bildeten sich auf dem
Territorium des Weströmischen Reiches verschiedene germanische Königreiche.
In der zweiten Hälfte des 3. Jh. begann der Aufstieg des germanischen
Stammes der Franken. Ende des 5.ih. eroberte König Chlodwig, der aus der Dynastie
der Merowinger stammte, Gallien und begründete das Frankenreich. Im Jahre 531
wurde das mächtige Thüringerreich von den Franken und Sachsen in der Schlacht au
der Unstrut vernichtet und dem Frankenreich angeschlossen. Zur Festigung des
fränkischen Staates trug die Übernahme der christlichen Religion bei.
Das Frankenreich erreichte seine Blüte während der Regierungszeit Karls des
Großen zwischen 762 und 814. Papst Leo III. setzte Karl dem Großen im Jahre 800
die Kaiserkrone auf. Das riesige Frankenreich erstreckte sich von den Pyrenäen bis an
die Elbe-Saale- Grenze und von der Nordsee bis nach Oberitalien. Seine Hauptstadt
war Aachen.
Die Karolinger, die Enkel Karls des Großen, führten Brüderkriege
gegeneinander. Mehrmals kam es zu Teilungen der Territorien. Nach langen
Kämpfen einigten sich die drei Enkel 843 im Vertrag von Verdun darüber, das
Frankenreich in drei Teile aufzuteilen:
in das Westfrankenreich, das Mittelreich und das Ostfrankenreich. Aus dem
Westfrankenreich entwickelte sich später Frankreich. Aus dem Ostfrankenreich ging
etwa 75 Jahre später das mittelalterliche deutsche Reich hervor. Auf Grund der
Abkommen von 870 und 880 wurden die Teile des Mittelreiches dem
Ostfrankenreich angegliedert. Im 9. Jh. taucht zum ersten Mal der Begriff ‚‚deutsch“
als die Bezeichnung für die in Ostfranken gesprochene Volkssprache auf. Im Jahre
919 wurde der sächsische Herzog Heinrich 1. von den sächsischen und einem Teil
der fränkischen Feudalherren zum deutschen König gewählt. Somit gelang es, einen
mächtigen deutschen Feudalstaat zu gründen, der das Zusammenwachsen
verschiedener germanischer Stämme zum deutschen Volk beschleunigte. König
Heinrich 1. und sein Sohn Otto 1. festigten die Zentralmacht, deren wirtschaftliches
Zentrum zwischen Westfalen und Magdeburg lag. Im 10. Jh. wurden Grenzanlagen
und Burgen errichtet und ausgebaut, manche dieser Festungen und Burgen wurden zu
Keimzellen künftiger Städte, wie z. B. Quedlinburg, Merseburg und Meißen. im
Kampf um die Freiheit der Kirche vom Joch der weltlichen Macht wandte sich der
Papst sowohl gegen die Vorherrschaft des Kaisertums, als auch gegen die
orientalische Macht des Islam. 1095 rief Papst Urban II. zum Kreuzzug gegen den
Islam auf. 2 Jahrhunderte lang zogen Kaiser, Könige, Fürsten, Ritter, Geistliche,
Bürger und Bauern aus allen Teilen Europas in sieben Kreuzzügen aus, das „Heilige
Land“ zu befreien.
Kaiser Friedrich 1., der von den Italienern wegen seines rotblonden Bartes
„Barbarossa“ genannt wurde, versuchte, Streitigkeiten unter den deutschen
Herzogtümern beizulegen und die Zentralmacht zu stärken. Der Kaiser regierte von
1152 bis 1190 und wurde vom niederen Adel unterstützt. Die mächtigsten deutschen
Fürsten (Kurfürsten) beanspruchten für sich das Recht, den König zu wählen. Im
58
Jahre 1356 erließ Karl IV. ein Gesetz, das den Kurfürsten dieses Wahlrecht sicherte.
Fortan durften nur sie den deutschen König wählen. Der mit Stimmenmehrheit
gewählte König galt gleichzeitig als „erwählter römischer Kaiser“. Mit einer
Goldbulle besiegelt, ist dieses Gesetz (seit 1400 unter dem Namen „Goldene Bulle“)
als eines der bedeutendsten Gesetze des mittelalterlichen Reiches in die Geschichte
eingegangen. In seinen Bestimmungen über die Königswahl und das
Kurfürstenkolleg blieb es bis zum Jahre 1806 wirksam. Die „Goldene Bulle“ vertiefte
die politische Zersplitterung Deutschlands.
Teilen Sie den ganzen Text in thematische Abschnitte ein und betiteln Sie sie!
Erzählen Sie knapp über Perioden in der Geschichte Deutschlands!
Text 2.
Hier finden Sie den Text über die mittelalterlichen deutschen Städte. Nennen Sie
die wichtigsten Momente zu jedem Subthema!
Mittelalterliche Städte
1. Deutsche Städte
Die Gruppe der ältesten Städte in Deutschland geht auf römische Gründungen
zurück. Köln, Trier, Mainz, Worms, Augsburg, Passau und Regensburg waren seit
dem Ende der Römerzeit ohne Unterbrechung besiedelt. Es waren Bischofssitze, und
diese Bischofssitze bildeten Mittelpunkte der kirchlichen Organisation.
Eine zweite Gruppe von deutschen Städten geht auf Gründungen der
spätkarolingischen und ottonischen Zeit zurück.
Um 1000 erlebte der Handel in Europa einen Aufschwung. Die Kaufleute ließen
sich gern in der Nähe der alten Städte nieder. Sie gründeten Siedlungen, in denen
bald auch Handwerker auftauchten, die zunächst Waren für den Eigenbedarf, später
für den Markt produzierten. Die Siedlungen wuchsen auch zu Städten.
Wehrbauten geschützt, hohe Türme verstärkten die Mauer. Mauern, Türme und
Wehrgänge verliehen einer Stadt den Charakter einer Festung.
Charakteristisch für eine mittelalterliche Stadt waren: die Burg oder das Schloß des
Herren, die nicht weit von der Stadt lagen; die Kirche, die im Zentrum der Stadt stand
und als Landmarke weithin zu sehen war; der Marktplatz, der im Zentrum der Stadt
im Mittelpunkt des Straßenkreuzes lag.
Um den Marktplatz gruppierten sich große Gasthäuser und Geschäfte. An den
Markttagen wurden auf diesem Platz die verschiedensten Erzeugnisse feilgeboten,
wodurch die Stadt zum wirtschaftlichen Zentrum eines größeren Raums wurde. Auf
dem Marktplatz wurde auch das Rathaus errichtet, in dem die Bürger ihre
Ratssitzungen abhielten.
ein Kreuz an den Mantel heften, te, t прикреплять крест к плащу, накидке
Der Tempelherr тамплиер, член одного из средневековых духовно-
рыцарских орденов: храмовник
der Orient здесь: Ближний Восток
der Kreuzfahrer, - крестоносец
moslemisch мусульманский
jüdisch еврейский
etw. bestätigen, te, t подтверждать что-л.
die Krankenpflegebruderschaft, -en братство по уходу за больными
etw. stiften, te, t учреждать что-л.
die innere Spannung, -en внутреннее напряжение
eigennützige Interessen haben иметь корыстные интересы
den Idealen der Ritter angemessenes Betätigungsfeld поле деятельности, соответствующее рыцарским
идеалам
die Möglichkeiten zum Erwerb von Ländereien und возможности приобретения земель и богатства
Reichtümern
das Zuckerrohr сахарный тростник
sich am Fernhandel beteiligen, te, t торговать с другими странами
die Assimilation ассимиляция: слияние одного народа с другим
61
Das Spiel
Stellen Sie sich vor! Sie wollen eine Stadt bauen. Wählen Sie gemeinsam einen
günstigen Ort und begründen Sie Ihre Meinung.
Bilden Sie einige Gruppen der Bürger und halten Sie eine Ratssitzung ab, wo Sie die
Frage der Bürgerrechte der „Unehrlichen" und der Juden besprechen.
Machen Sie sich mit dem Wortschatz zum Thema „Geschichte der Stadt“
bekannt!
Übung 1. Hören Sie den Vortrag und notieren Sie dabei Stichpunkte zur
städtebaulichen Entwicklung Frankfurts.
Frankfurt
Die heutige Stadt Frankfurt wuchs über einem alten Siedlungsplatz, der sich
durch seine günstige Lage in einem durch Gebirge und Wald geschützten Flusstal am
weitgehend hochwasserfreien Nordufer des Mains auszeichnete. Auf prähistorische
Siedlungsplätze folgten römische Villen und alemannisch-fränkische Hofe. Als
Frankfurt erstmals urkundlich erwähnt wurde — im Jahr 794 — war es hauptsächlich
von Händlern und Handwerkern bewohnt. Die ältesten Häuser gruppierten sich um
die fränkische Königspfalz auf einer Anhöhe in unmittelbarer Nähe des Flusses.
Zusammen mit dem später errichteten Dom bildete die Pfalz bis weit in die Neuzeit
hinein das Zentrum der Stadt, die sich von hier aus in konzentrischen Ringen immer
weiter ausdehnte.
Im 10. Jh. war die spätere Braubachstrasse die Nordgrenze von Frankfurt, nach
Süden begrenzte bis ins II. Jh. der Main die Stadt. Mit dem Bau des ersten festen
Fußübergangs in der Achse der Alten Brücke und der Ausbildung eines
Brückenkopfes auf der gegenüberliegenden Uferseite, aus dem sich später
Sachsenhausen entwickelte, begann die Ausdehnung der Stadt nach Süden. Die
Staufer ließen eine romanische Wehrmauer um die Stadt ziehen und errichteten am
Ufer des Mains eine neue Kaiserpfalz, von der Teile eines Wohntrakts, eines Turms
und der Pfalzkapelle erhalten sind (Saalhof). Im 14.Jh. wurde die staufische Mauer
durch eine stattliche, von 60 Türmen bewehrte Befestigung ersetzt (davon heute noch
vier erhalten). Einen größeren Ring um die Stadt schloss dann die ab etwa 1400
errichtete Landwehr. Von ihren fünf Warten stehen heute noch die Galluswarte, die
Bockenheimer, die Sachsenhäuser und die Friedberger Warte.
Frankfurt besaß im Mittelalter eine Reihe von Kirchen und Klöstern, von denen
viele trotz zum Teil schwerer Kriegsschäden bis heute erhalten sind. Im ältesten Teil
der Stadt, nur wenig östlich des Marktes, wurde ab dem 13.Jh. über den baufälligen
Mauern einer karolingischen Salwatorkirche der Domneubau hochgezogen. Er ist
neben dem 1280 vollendeten Gotteshaus der Dominikaner eine der frühesten
Hallenkirchen im Mittelrheingebiet. lm 14.Jh. wurde dem Dom ein neuer
hochgotischer Chor und ein langes Querschiff hinzugefügt. Der nach Planen von
Dombaumeister Modern Gerthener, 1415 begonnene Westturm überragt das
66
Kirchenschiff um etwa das Doppelte und ist mit seiner gewaltigen Höhe ähnlich wie
die Turmbauten in Ulm oder Freiburg nicht auf die Proportionen des Kirchenschiffs
abgestimmt, sondern als weithin sichtbarer Point-de-Vue im Stadtbild konzipiert.
Ungewöhnlich für die deutsche Gotik ist dagegen der Turmabschluss, der nicht den
maßwerkdurchbrochenen Spitzhelm, sondern eine Steilkuppel aufweist.
Bis weit ins 18. Jh. hinein prägten Wohnhäuser in Fachwerkbauweise das Bild
der Stadt. Ein massiv ausgeführtes Erdgeschoss ließ auf einen wohlhabenden Besitzer
schließen, reine Steingebäude waren die Ausnahme und blieben meist den
Patrizierwohnsitzen vorbehalten. Im heutigen Stadtbild ist von der mittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Bebauung nur noch wenig greifbar, da fast die gesamte
Altstadt Frankfurts den Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer fiel.
Allein die weitgehend rekonstruierte Bebauung des Römerbergs, der einstige
Mittelpunkt der Stadt, vermittelt noch einen Eindruck dieser Epoche.
Übung 2. Hören Sie die Fortsetzung des Vortrags und notieren Sie dabei
Stichpunkte zur städtebaulichen Entwicklung Frankfurts im 18., 19. und 20.
Jahrhundert.
Der Erste Weltkrieg brachte auch in Frankfurt die gesamte Bauwirtschaft zum
Stillstand. Wie überall in deutschen Großstädten mangelte es in den zwanziger Jahren
vor allem an Wohnraum. Doch es fehlte nicht nur an Wohnungen, sondern auch an
neuen städtebaulichen und architektonischen Konzepten. Dass Frankfurt in den
zwanziger Jahren den Anschluss an die architektonische Avantgarde fand, verdankte
es vor allem der Tätigkeit seines Baudezernenten Ernst May, der 1925 von dem
liberalen Bürgermeister Landmann auf diesen Posten berufen wurde. May suchte die
Lösung des Wohnungsproblems nicht in einer weiteren Verdichtung und
unkontrollierten Ausdehnung des Stadtraums, sondern in einer Dezentralisierung der
Stadterweiterung durch überschaubare, mit allen notwendigen Einrichtungen
ausgestattete Trabantensiedlungen, die durch einen Grüngürtel von der Stadt getrennt
sein sollten. [...] Keine hohen Mietskasernen mit schattigen Hinterhöfen beherrschten
in diesen Siedlungen das Bild, sondern zwei- bis dreigeschossige Häuserzeilen mit
hellen, möglichst nach Süden ausgerichteten Wohnungen, die über einen Garten, eine
Dachterrasse oder gemeinschaftlich nutzbare Grünflächen verfügten. Ein separates
Bad, eine eingebaute Küche, Heizungs- und Warmwasserversorgung im ganzen Haus
gehörten zum selbstverständlichen Wohnkomfort. [...]
Nach den schweren Bombenangriffen im März 1944 lag die Altstadt von
Frankfurt in Schutt und Asche. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war fast die
gesamte historische Bausubstanz im Zentrum zerstört, ein Großteil der angrenzenden
Stadtteile schwer beschädigt. Der Wiederaufbau der Innenstadt beschränkte sich
zunächst auf hochrangige Kulturdenkmäler von nationaler Bedeutung wie den Dom,
die Paulskirche (beide ab 1948) sowie das Goethehaus ( 946-1951), wohingegen die
einstige Mitte Frankfurts, die Altstadt zwischen Dom und Römer, erst in den
achtziger Jahren mit der Neuerrichtung der Ostzeile und dem Bau der Schirrt wieder
an Kontur gewann. Das neue, überwiegend moderne Gesicht der Stadt prägte sich in
den sechziger und siebziger Jahren aus, als Frankfurt seine Stellung als Metropole der
Kreditwirtschaft wieder einnahm. Der Bedarf an Büroflächen für die Geldinstitute
und Verwaltungssitze internationaler Unternehmen zwang zu baulichen
Verdichtungen im historischen Bankenviertel und ließ hier und entlang der
Wallanlagen die ersten Bürohochhäuser heranwachsen.
(Baedeker, Frankfurt am Main)
Übung 4. Halten Sie mit Hilfe Ihrer Notizen einen kurzen Vortrag über die
Entwicklung der Stadt Frankfurt.
l. Der Siedlungsplatz zeichnete sich durch seine günstige Lage in einem durch
Gebirge und Wald geschützten Flusstal aus.
2. Mit der Ausbildung eines Brückenkopfes auf der gegenüberliegenden Uferseite
68
Übung 6. Suchen Sie im Lesetext Wörter zum Thema Stadtarchitektur und ordnen
Sie sie in bestimmte Thematische Gruppen.
a) weltliche Gebäude
b) kirchliche Gebäude
c) Gebäudeteile
d) Schutzvorrichtungen
e) Baustile und Stilepochen
f) ……(Ergänzen Sie es um weitere Kategorien).
Spiel „Stadtrallye"
Bereiten Sie eine Fußgängerrallye durch Ihre Stadt vor. Dabei sollen die
Mitspielenden eine bestimmte Strecke laufen und dabei Aufgaben/Fragen zur
Architektur und Baugeschichte der Stadt bearbeiten.
1 Bestimmen Sie den Weg durch die Stadt, der gelaufen werden soll, und achten
Sie darauf, dass er an den wichtigsten Baudenkmälern vorbeiführt.
Formulieren Sie Fragen und Aufgaben zu einzelnen Stationen des Wegs. Dabei
müssen Sie darauf achten, dass die Mitspielenden an den entsprechenden Stellen die
Antworten/Lösungen finden können (z.B. auf Schrifttafeln, durch Befragung von
Passanten etc.). Die Fragen/Aufgaben sollten nicht zu leicht sein und können auch
witzig formuliert sein. Beispiele: Aus welchem Material wurde das Gebäude X
erbaut?
Welche Ausstellung findet derzeit im Museum Y statt?
Was sieht man, wenn man vom Rathaus aus nach links blickt?
2 Die Rallye-Teilnehmer bilden Gruppen zu vier bis fünf Personen. Die Gruppen
starten zeitversetzt (also im Abstand von etwa 15 Minuten). Die Gruppe, die im
kürzesten Zeitraum die meisten Aufgaben richtig gelöst hat, ist Siegerin und erhält
von den anderen eine Belohnung.
Berlin
Hier ist ein Beispiel für die Beschreibung einer Siedlung in Deutschland. Machen Sie
sich mit diesem Text bekannt!
DAS IST NORTRUP
Die über 800 Jahre alte Gemeinde hat eine Größe von rund 2700 ha. 102
landwirtschaftliche Betriebe und Nebenerwerbsstellen über 0,5 ha LN bewirtschaften
2000 ha LN in Nortrup. Davon sind 900 ha Acker und 1100 ha Grünlandflächen. 500
71
ha Wald und 200 ha Wege und Gewässer ergeben die Größe der Gemeinde. 32
landwirtschaftliche Betriebe sind ohne Nebenerwerb. In allen Betrieben werden heute
ca. 2400 Stück Rindvieh, 7830 Schweine, 40 Pferde und 66 500 Hühner gehalten.
In 517 Häusern leben in 756 Haushalten 2439 Einwohner.
Seit 1890 bestehen in Nortrup die Industriebetriebe Delkeskamp und Kemper. Diese
beiden Betriebe beschäftigen heute rund 830 Arbeiter und Angestellte aus Nortrup
und dem gesamten Artland. Die Fa. Delkeskamp hat davon 387 Arbeiter und
Angestellte und die Fa. Kemper 380 Arbeiter und Angestellte und 63 Aushilfskräfte.
Seit dem 1. 7. 1972 bildet Nortrup mit der Gemeinde Suttrup eine Einheitsgemeinde,
die dann Mitgliedsgemeinde der Samtgemeinde Artland ist. Nortrup hat eine
Grundschule und eine Schülerzahl von z.Z. 116 Kindern. Das Altenwohnheim,
Eigentum der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bersenbrück, wurde im Jahre 1975
fertiggestellt und verfügt über 23 Wohneinheiten. Das Hochhaus, Eigentum der Fa.
Kemper, wurde 1974 bezugsfertig und weist 24 Wohneinheiten nach.
Desweiteren verfügt die Gemeinde über ein modernes Freizeitgelände mit Turnhalle,
beheiztem Freibad, Sport- und Hartplatz, Tennisplätze und Einrichtungen für alle
Sportarten. Für den Reitsport ist eine große Reithalle erichtet worden und der
Turnierplatz „Feldteichwiese“ hat schon einen Namen über die Grenzen von Nortrup
hinweg.
Vorhanden ist auch eine modern eingerichtete Gemeindeverwaltung mit angebautem
Postamt und einem Feuerwehrgerätehaus, das im Jahre 1973 erbaut wurde. Eine
evangelische sowie eine katholische Kirche und ein Kindergarten für z.Z. 65 Kinder
runden das Bild der öffentlichen Einrichtungen ab.
Ein praktischer Arzt und ein Zahnarzt sowie eine Apotheke wurden für das
Gesundheitswesen im Industriegebiet „Am Bahnhof“ angesiedelt. Die alte Schule4
Farwick wurde umfunktioniert in Jugendräume.
Für den Wanderer und Erholungssuchenden sind herr liehe Waldwanderwege, die
Wasserburg von Ham merstein und Lokale im altdeutschen Stil vorhanden.
Nortrup ist eine Reise wert!
Nortup, den 29. 5. 1986
Thema: JUGEND
I
Die Jugend.
geben nichts auf die Meinung не считаться с чьим-либо
мнением
die Befriedigung des Bedürfnisses удовлетворение потребности
nach Protest через протест
sich ertappen bei D. ловить себя на мысли,
застигнуть на чем-нибудь
allzu hochtragende Gedanken приземлять самые высокие
erden мысли
sich nicht den Nichtigkeiten des не размениваться на мелочи
Lebens ausliefern жизни
die Abstumpfung der Seele притупление души
das Unlustgefühl чувство нежелания
andeuten намекать
die Ausbildung innerer Zwänge развитие внутренних
побуждений
ekeln sich vor D. испытывать отвращение
der Märchenprinz сказочный принц
die Angst vor Einsamkeit страх одиночества
die Marktlücke ниша
der Freak(s) фанат
die Verheißung обещание
die Verleugung отречение, отрицание
der Einzelgänger одиночка
der Spitzenreiter лидер
verführen соблазнять
der Babbysitter няня
avancieren продвигаться по службе
fit sein быть в форме
auf eigenen Füssen stehen стоять на собств. ногах,
ни от кого не зависеть
niederprasseln auf Akk. обрушиваться
das ausgehende Jahrtausend уходящее тысячелетие
der Eckpfeiler краеугольный камень
die Ein- Eltern- Familie неполная семья
out sein быть не в моде!!!!
der Zauderer колеблющийся
passe sein прошло
73
So, und jetzt sag mir wie die Jugend ist. Aber vorher mußt du wissen: sehen ist
nicht wissen; hören ist nicht verstehen. Um den “Generationskonflikt” zu lösen, hilft
nur Reden, Toleranz und Zuhören.”
74
Das sind die Gedanken eines 15-jährigen Mädchens über das heutige Bild der Jugend
in der Bundesrepublik Deutschland.
Es ist schwierig, “die” Jugend zu katalogisieren. “Die” Jugend gibt es nicht,
sondern eher eine Vielzahl unterschiedlicher Jugendlicher: Popper, Punks, Mods,
Freaks, Grüne, Linke, Autonome, Ausgeflippte. Aber auch Liberale und
Konservative. Vom politisch Engagierten bis zum fanatischen Fußballfan, vom
Breakdancer bis zum Baghwan-Anhänger. Vielleicht ist diese Vielfalt der deutschen
Jugend der Grund dafür, warum man unter den älteren Generationen häufig auf die
Pauschalurteile über die jungen Menschen stößt. Mal sind sie zu unpolitisch, mal zu
revolutionär, mal kleiden sie sich zu nachlässig, dann wieder zu schick. “No-Future-
Generation”, “Null-Bock-Kultur”, die “Wende-Jugend” oder einfach die “Schlappies”
sind weitere oberflächliche Etiketten.
Jugend ist ein historisch-gesellschaftlicher Faktor, beobachtete der Münchner
Sozialpädagoge Walter Hornstein, sie befindet sich dauernd “in derart raschem
Wandel”, daß jeder Versuch, Tendenzen zu fixieren zu dem Zeitpunkt, zu dem er
unternommen werde, auch schon in seinen Ergebnissen überholt erscheine. In den
letzten Jahren — und gerade im “Internationalen Jahr der Jugend 1985” (IJJ) — gab
es eine Fülle von Untersuchungen zur Situation der Jugendlichen in der
Bundesrepublik Deutschland. Bei der öffentlichen Diskussion über die Situation der
heutigen Jugend haben sich viele Vorurteile gefestigt: man spricht von schlechten
Berufs- und Ausbildungschancen, steigender Kriminalität, Drogenmißbrauch,
zunehmender Verwahrlosung des jugendlichen Stadtproletariats und schließlich von
“Wertewandel”. Nach eingehender Beschäftigung mit diesem Meinungsbild spricht
Hornstein von einer “Neudefinition” der gesellschaftlichen Rolle der Jugend.
Haben sich die jungen Menschen tatsächlich völlig von den bisher geltenden
Wertbegriffen abgewendet? Sind sie heute wirklich ein völlig anderes soziologisches
Phänomen?
Die Lage der jungen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland hat sich
innerhalb von 25 Jahren grundlegend verändert: während beispielsweise 1962 nur 20
Prozent der 16 - bis 18 jährigen die Schule besuchten und das Gros schon im
Berufsleben stand oder eine Lehre machte, haben sich die Schulgänger aus diesen
Altersjahrgängen heute verdreifacht; nur jeder zwanzigste ist erwerbstätig. Über die
Hochschulreife verfügen heute fast ein Viertel der Schulabgänger, verglichen mit
14,4 Prozent im Jahre 1960. Die Jugendzeit hat sich also stetig verlängert: junge
Menschen drücken länger die Schulbank und steigen später in den Beruf ein.
Dadurch bleiben sie auch länger von ihrer Umwelt, ihren Eltern und Erziehern
abhängig. Als Folge des steigenden Bildungsniveaus läßt sich ein allgemeiner
Bewußtseinswandel feststellen. Jede Jugend hat sich — jeweils mit den Mitteln ihrer
Zeit — von den Älteren zu lösen und sich abzugrenzen gesucht. Den moralischen
Aufschrei, den der Boogie Woogie und Rock’n Roll in den 50-er Jahren verursachte,
kann man sich heute kaum noch vorstellen. Wer in der Bundesrepublik Deutschland
in den Jahren 1967 und 1968 am Abend sein Fernsehgerät einschaltete, um die
Nachrichten vom Tage zu verfolgen, konnte mit Regelmäßigkeit Bilder
demonstrierender und gelegentlich auch randalierender Jugendlicher sehen. Damals
75
herrschte auch Übereinstimmung darüber, daß die “Unruhe” die jungen Menschen in
ihrer Gesamtheit ergriffen hatte.
Kann man wirklich von einem “Wertwandel” sprechen, wenn junge Menschen
heute entsprechend den veränderten Bedingungen, unter denen sie leben, “ihren”
Weg mit neuen Mitteln suchen?
Die Frage nach dem Wertwandel stellten sich, neben vielen anderen, auch die
Frankfurter Soziologen Klaus Allerbeck und Wendy Hoag. Das Interessante gerade
dieser Untersuchung ist die außergewöhnliche Verfahrensweise: um ein möglichst
genaues Meßergebnis zu erhalten, nahmen sich die beiden Soziologen eine Umfrage
von 1962 vor und wiederholten sie “originalgetreu”.Das heißt, den befragten jungen
Menschen wurden dieselben Aussagen vorgelegt, die die Forscher 1962 für ihre
Untersuchung benutzten. Die Ergebnisse wurden kürzlich von dem Deutschen
Jugendinstitut herausgegeben. Befragt wurden 1983 erneut Jugendliche im Alter von
16 bis 18 Jahren. Hinsichtlich der Einschätzung der beruflichen Arbeit stellten
Allerbeck und Hoag seit 1962 eine Veränderung fest: im Gegenteil zu damals hat
“Arbeit” für die Jugendlichen in diesem Jahrzehnt einen geringeren Stellenwert im
Leben. Allerdings blieb das Ausmaß dieser Veränderung ziemlich gering: diejenigen,
die “auch ohne Arbeit glücklich” zu sein vorlegen, haben nur von 6,1 Prozent auf 8,3
Prozent zugenommen.
Fragetext: Jeder Mensch hat seine eigene Auffassung darüber, was die Arbeit
für sein Leben bedeutet. Können Sie mir sagen, welche von
diesen Ansichten Ihrer Auffassung von der Arbeit am nächsten
kommt ?
Die Jugendverbände.
Worterklärungen.
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Lesen Sie den ganzen Text vorerst abschnittsweise und erfassen Sie den
wesentlichen Inhalt. Beantworten Sie nach jedem Abschnitt folgende Fragen:
1. Welche Probleme wurden von den Soziologen untersucht?
2. Was halten Sie von den Gedanken des 15-jährigen Mädchens über das heutige Bild
der Jugend in der BRD? Sind seine Aussagen belegt? Stimmen Sie diesen
Gedanken zu?
3. Wo scheinen die Ursachen für den “Generationskonflikt” zu liegen?
4. Welche Informationen gibt der Text über:
— die Katalogisierung der Jugend;
— die Situation der heutigen Jugendlichen (hinsichtlich Berufs- und
Ausbildungschancen, steigender Kriminalität usw.);
— den Wertewandel der Jugend (hinsichtlich “Arbeit”, “Moral”,
“Religion” usw.);
— die wichtigsten politischen Aufgaben der Jugend;
— die Jugendverbände der BRD ?
Übung 2: Wenn man von der heutigen Jugend gesprochen wird, fällt manchmal das
Wort von der “No-Future-Generation”, der “Null-Bock-Kultur”, der “Wende-Jugend”
oder einfach den “Schlappies”. Was ist damit gemeint?
Übung 3: Wie stehen Sie selbst zu dem Phänomen “Wertewandel”, wie beurteilen
Sie selbst den heutigen Stand der Berufs- und Ausbildungschancen, steigender
Kriminalität, Drogenmißbrauchs, zunehmender Verwahrlosung des jugendlichen
Stadtproletariats?
Übung 4: Klären Sie folgende Aussagen, legen Sie ihre Meinung dazu dar und
begründen Sie diese.
“Die” Jugend gibt es nicht, sondern eher eine Vielzahl unterschiedlicher
Jugendlicher.
Als Folge des steigenden Ausbildungsniveaus läßt sich ein allgemeiner
Bewußtseinswandel feststellen.
Die Jugendzeit hat sich verlängert.
Die Gleichberechtigung der Frau erreicht einen sehr hohen Stellenwert.
78
Übung 5: Hier sind einige Gedanken von Daniela Dahn über die Jugend von heute.
Kommentieren Sie diese während der Lesung. Was halten Sie von Sokrates’
Meinung? Gibt es da Parallelen?
Worterklärungen:
1. ...werden sich die Hörner abstoßen = solide / vernünftig werden.
2. Bummelanten = jemand, der oft die Arbeit unentschuldigt versäumt.
3. lungern nur rum = nichts tun = sich irgendwo untätig aufhalten.
4. wie die Besengten = sich wie geistig Beschränkte verhalten.
5. Macke (eine ~ haben) = verrückt sein.
Redemittel:
Das hat’s zu unserer Zeit nicht gegeben — man kommt nicht mehr mit — wie
soll das noch enden — wollen keine Lehren annehmen — es geht ihnen eben zu gut
— wenn ich was zu sagen hätte — hören gar nicht zu — werden sich die Hörner
abstoßen. Große Worte, nichts dahinter — Faulpelze und Bummelanten — und so
was soll mal unsere Rente bezahlen — nehmen keine Rücksicht — lungern nur rum
— saufen — kein Benehmen — nicht mehr bei Sinnen — wie die Besengten — ist
das noch normal — wird Zeit, daß sie zur Armee kommen — werde nicht mehr mit
ihnen fertig — Früchte der antiautoritären Erziehung — wird ihnen alles zu leicht
gemacht.
Das hätte ich mir nicht erlauben dürfen — keine Moral mehr — nichts anderes
im Kopf als das — schamlos — können’s nicht erwarten — aber nicht, solange sie
die Beine noch unter meinen Tisch stecken — man will doch ihr Bestes.
Keine Ideale mehr — wie die aussehen — mit dem Knüppel müßte man
dreinschlagen — Flegel, Rüpel, Halbstarke, Gammler, Hippies, Rocker — wie die
Wilden — kaum zu glauben — kennen keine Grenzen — Kriminelle, Intellektuelle
— so eine Unverschämtheit — wer nicht hören will, muß fühlen — so was hat man
sich nun groß gezogen.
Ein weiser Mann faßte diese Stimmen treffend zusammen:
“Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet
die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie
arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn ältere das
Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der
Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine
übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.”
Nehmen wir es als Phänomen oder als Gesetzmäßigkeit, als Erfahrungsverlust oder
als Triebkraft, als öffentliches Ärgernis oder als heimliche Hoffnung?
Versöhnlerisches Angebot: von jedem etwas. Jugendlich Abweichung — ein
79
Übung 6: Erarbeiten Sie eine Gliederung des Textes “Das Erscheinungsbild der
deutschen Jugend”, die aus Einleitung, Hauptteil und Schluß bestehen sollte und
geben Sie dessen Inhalt in einer knappen Zusammenfassung wieder.
Übung 7: Jugendliche und Alkohol (nach: W. und A. Beile “Themen und Meinungen
im Für und Wider”)
1) Hören Sie sich bitte drei Texte ein- oder zweimal an und versuchen Sie, das
Wesentliche zu erfassren. Als Hilfe zum besseren Verstehen benutzen Sie folgende
Schlüsselwörter:
zu 6 A: sich etwas leisten — Erfahrungen sammeln — besoffen sein — sich
besäuseln (= sich betrinken) — Fete — Schützenfest — angebracht sein —
Stimmung aufkommen lassen (= Stimmung erhöhen) — erste Erfahrungen
machen (zum ersten Mal erleben) — Bock haben (упрямиться);
zu 6 B: ‘ne Party läuft — auf etwas eingehen — etwas ausprobieren — tabuisieren
— freizügige Handhabung — halten für ... ;
zu 6 C: falsche Moral — sich mal anständig schlucken — gelegentlich — Alkohol
kosten — härtere Sachen — ‘n Schlückchen.
2) Jetzt haben Sie das Wesentliche erfaßt. Hören Sie sich nun noch einmal die Texte
an und achten Sie diesmal auf die Details. Orientieren Sie sich an folgenden Fragen:
zu 6 A: a) Wie alt sind die Schüler, die ihre Meinung äußern?
b) Wo haben die Schüler zum ersten Mal Alkohol getrunken?
c) Warum haben sie Alkohol getrunken?
zu 6 B: a) Wie äußert sich die Studentin zum Thema “Alkohol”? Was ist das
Gefährliche? Warum ist das gefährlich?
b) Von welchen Extremen spricht sie?
c) Wie sollten sich Eltern dazu verhalten?
zu 6 C: a) Bei Feten wird Alkohol getrunken. Wie finden Sie das?
b) Was versteht der Vater unter “falscher Moral”?
c) Wie reagiert die Mutter, wenn der Sohn mal von ihrem Glas probieren
möchte?
3) Äußern Sie sich zu der Frage: “Was halten Sie davon, daß Eltern ihre Kinder mal
etwas Alkoholisches zu Hause probieren lassen?”
Übung 8: Organisieren Sie nun eine Gesprächsrunde zum Thema “Jugend von
heute”. Überlegen Sie vorher: wer / wieviele Teilnehmer wollen die Argumente und
Gegenargumente vertreten. Lesen Sie zusätzlich einige Aussagen zu dieser
Problematik.
Brunhild (16 Jahre alt):
80
Die Jugend so einzurichten, daß sie interessant ist. Bei mir steht da augenblicklich
das Berufsziel im Vordergrund. Tanzen gehe ich nur manchmal, das Fernsehen ist
mir zur Zeit noch lieber.
Eckard (18):
In der Gemeinschaft glücklich sein und sich mit der Freundin gut verstehen.
Gemeinsam mit Freunden in den Urlaub fahren. Skat spielen und auch mal ein Glas
Bier trinken.
Karin (18):
Jugend genießen? Man kann in jeder Altersstufe genießen. Ich finde “Jugend
genießen” ist ein falscher Ausdruck. Das Leben zu genießen, heißt für mich, meine
Freizeit mit sinnvollen Hobbys auszufüllen.
Sabine (24):
Die Jugend nutzen statt genießen. In dieser Periode ist man sicherlich
temperamentvoller und energiegeladener, hat mehr Unternehmungsgeist. Nutzen
insofern, ... mich für das weitere Leben zu bilden.
Angelika (24):
Als Schülerin wollte sie einen reichen Mann heiraten. Jetzt ist sie mit einem “ganz
normalen” jungen Mann verlobt. Für die Zukunft hat sie keine Pläne. “Ich nehme das
Leben so, wie es ist.”
Wolfgang (20):
Ich wollte der Chef in meinem Betrieb werden, aber das klappt nicht. Er möchte eine
Insel besitzen und dort ganz allein wohnen. “Mensch sein, wie ich mir das vorstelle,
kann ich hier nicht.”
Eine junge Dame irrt durch die Straßen einer Stadt. Überall trifft sie auf Pärchen, die
sich inniglich küssen. Keiner nimmt von ihr Notiz. Die Frau wird immer trauriger und
verzweifelter. Plötzlich piept ein Signalton, Sekunden später ertönt eine Stimme:
„Hallo, ich bin's. Dein Märchenprinz.“ Jetzt kann die junge Frau wieder lachen. Ihr
Märchenprinz hat an sie gedacht - und ihr über den Cityruf für junge Leute eine
Nachricht zukommen lassen. „Nie mehr allein“ - diese Werbebotschaft einer großen
Telekommunikationsfirma ist Slogan und Verheißung zugleich.
Die Angst vor Einsamkeit ist von den Werbestrategen als Marktlücke entdeckt wor-
den. Und der junge einsame Mensch ist die Zielgruppe. Was in dem Fernsehspot so
spielerisch als harmlose kleine Geschichte mit Happy-End daherkommt, hätte man im
wahren Leben vor ein paar Jahren noch als Absurdität abgetan. Niemand wäre auf die
Idee gekommen, eine junge, gutaussehende Frau mit Einsamkeit in Verbindung zu
bringen. Alt und einsam, ja; krank und einsam, ja. Aber jung und einsam? Das schien
ein Widerspruch in sich und ist heute immer noch ein Tabu. Einsamkeit paßt einfach
nicht zu dem Idealbild, das Werbung und Gesellschaft in einer unheilvollen Allianz
vom jungen Menschen entworfen haben. Keine Generation wird derart massiv mit
Wünschen und Hoffnungen befrachtet wie die heute 20-bis 30jährigen. In ihren Hän-
den liegt die Zukunft - und die soll in jeder Beziehung rosig sein. Die Forderungen,
die da auf die Twenty-somethings niederprasseln, haben das Gewicht der Zehn
81
Gebote:
• Du mußt erfolgreicH sein.
• Du mußt auf eigenen Düßen stghen.
• Du mußt"fit sein.
• Du mußt gut aussehen.
• Du mußt beliebt sein.
• Du mußt tolle Leute kennen.
• Du mußt glücklich sein.
• Du mußt wahnsinnig verliebt sein.
Du mußt, du mußt, du mußt... Gegen diese hohen Ansprüche steht das wahre LeBen -
und sein „Nährboden“, auf dem81sich die 20-bis 30jährigen zu strahlenden Siegern
entwickeln sollen, Ist ausgedörrt. Sie haben das Pech, in der Endzeitstimmung eines
ausgehenden Jahrtausends aufzuwachsen. Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung und
atomare Bedrohung sind die Eckpfeiler ihrer Zukunft. Die Familie als traditionelle
und mittlerweile einzige Form einer stabilen Gemeinschaft wird immer brüchiger.
Die „heile“ Familie ist fast schon ein Ausnahmezustand. Jede dritte Ehe wird
geschieden. In Deutschland leben 2,6 Millionen „Ein-Eltern-Familien“. Die
wirtschaftliche Not nimmt beständig zu. Etwa 15 Prozent der Familien leben an der
Armutsgrenze. Deutschland ist auf dem Weg in eine Zwei-Drittel-Gesellschaft,
schreibt die Psychologin Claudia Friedmann in ihrem Buch „Die kühle Gesellschaft -
von der Unmöglichkeit der Nähe“. Das heißt nichts anderes, als daß zwei Drittel es
„schaffen“ werden und ein Drittel nicht. In einer Zeit, in der Arbeits- und Ausbil-
dungsplätze knapp geworden sind, teilt sich die Jugend schon früh in Sieger und
Verlierer auf. Die Verlierer sind die 442000 jungen Menschen unter 25, die Anfang
des Jahres ohne Arbeit waren.
Schule, Ausbildung, Studium haben inzwischen den Wert eines „Arbeitsplatzes“, an
dem Leistungs- und Konkurrenzdruck herrschen. Die Jungen dürfen sich keine Fehler
leisten - die Zeiten für Zauderer, Spätentwickler, Sozialromantiker sind endgültig
passe. Hießen in den 60er und 70er Jahren die Vorbilder der Jugend noch Rudi
Dutschke, Che Guevara oder Neil Young, bekommt sie heute vom Bundeskanzler
höchstpersönlich den 19jährigen Jungunternehmer und Millionär Lars Windhorst als
leuchtendes Beispiel vorgesetzt. Das nagt am Selbstbewußtsein. Um gut drauf zu
sein, greift bereits jeder vierte Jugendliche im Alter von zwölf bis 24 Jahren zu
illegalen Drogen. Der Bielefelder Jugendforscher Klaus Hurrelmann nennt das
„Doping in Eigenregie“. Untersuchungen belegen, daß sich das Suchtverhalten junger
Leute tiefgreifend verändert hat. Haschisch und Heroin mit ihren betäubenden
Wirkungen sind out, gesucht werden zur Problem- und Lebensbewältigung immer
häufiger synthetische Substanzen wie Ecstasy mit antriebs-und leistungssteigernder
Wirkung. „Ein Hunger nach Zuneigung und Aufmerksamkeit in einer nüchternen
Wettbewerbsgesellschaft ist bei vielen ein Antrieb, diese Drogen zu nehmen“, so
Hurrelmann, „obwohl sie sich der gesundheitlichen Risiken bewußt sind.“
Der Leistungsdruck macht auch vor der Freizeit nicht halt. Längst reicht es nicht
mehr aus, Anerkennung und Bestätigung nur über gute „Noten“ in Ausbildung, Beruf
oder Studium hereinzuholen. Auch in der Freizeit ist betriebsames Verhalten
angesagt. Wer das Wochenende ganz unspektakulär allein mit Pizza und TV im Bett
82
verbringt, sollte sich schämen. Freizeit ist keine Erholungszeit - Freizeit ist Action,
Spaß. Ein Kurztrip nach London, Paris, Rom, 48-Stunden-Raves. Extrem-Hobbys wie
Drachenfliegen, Paragliding oder auch nur ein schlichter Bungee-Sprung setzen
Maßstäbe für das, was erlebt werden muß. Wem das zu sportlich ist, der hole sich die
ganze Pracht der virtuellen Welt ins Haus. Technikfreaks schwärmen von
Cyberspace, interaktivem Fernsehen und der totalen Vernetzung auf dem
Informations-Highway. Up to date ist derjenige, der seinen PC mit ein paar tausend
Mark aufgerüstet hat, um mit dem Rest der Welt in Kontakt zu stehen.
Was die Jungen auch heute anstellen, es muß „super“ sein. Durchschnittlichkeit ist
nicht gefragt. Von allem nur das Beste. Er/sie muß super aussehen, super Laune
haben und super erfolgreich sein. Ansprüche der Superlative werden auch an den
Partner gestellt. Schaut man sich die Kontaktanzeigen an, begegnen einem
narzißtische Alleskönner, die ihresgleichen suchen. Deutschland ist mit 12,4 Singles
Spitzenreiter in den europäischen Einzelgänger-Charts, davon stellten die 25- bis
30jährigen nach einer IMAS-Umfrage von 1991 mit 1,1 Millionen die größte Gruppe.
Tendenz steigend. Die meisten von ihnen sind nicht freiwillig allein. Doch sie
scheuen sich, es zuzugeben, weil Einsamkeit heute „eine Quelle der Scham, des
Wegblickens, der Verleugnung ist und Ausdruck persönlichen und sozialen
Versagens“, schreibt der Münchener Sozialpsychologe Eberhard Elbing in seinem
Buch „Einsamkeit“.
Gleichzeitig ist die Angst, etwas von sich preiszugeben, enorm gewachsen. „Dahinter
steckt“, so BRIGITTE-Psychologin Dr. Eva Wlodarek, „die Scheu davor, nicht
perfekt zu sein und dann fallengelassen zu werden.“
Heute 30jährige sind schon unter dem Druck der Vollkommenheit aufgewachsen, und
heute Sechsjährige verfügen bereits über einen prall gefüllten Terminkalender. Mit
Tennis, Judo, Musik, Ballett, Computerkurs und all den „kleinen Dingen, die helfen
sollen, aus ihnen lebenstüchtige Individuen zu machen". Die Soziologin Elisabeth
Beck-Gernsheim faßt Kindheit heute zusammen: „Das Kind darf immer weniger
hingenommen werden, so wie es ist, mit seinen körperlichen und geistigen
Eigenheiten, vielleicht auch Mängeln. Es wird zum Zielpunkt vielfältiger
Bemühungen. Möglichst alle Mängel sollen korrigiert, möglichst alle Anlagen
entwickelt werden.“ Die Kinder, deren Eltern sich nicht die teure und intensive
Förderung leisten können, bleiben oftmals sich selbst überlassen. Während sie sich
früher zum Spielen auf der Straße trafen, wachsen sie heute zunehmend isoliert zu
Hause auf. Mama und Papa haben keine Zeit, und Spiel- und Freizeitflächen sind in
den Städten knapp. Die Krönung dieser „Spielwelten“ für Kinder sieht man nicht sel-
ten vor der tristen Kulisse einer Hochhaussiedlung: die Schaukel-Wippe-Kletterge-
rüst-Anlage auf Beton. Wohin also mit ihnen, wenn die Welt draußen keine Plätze für
sie bereithält? Das Vordringen der Medien mit ihren Informationsmöglichkeiten, aber
auch mit ihrem Informationsüberfluß verführt Eltern und Kinder gleichermaßen,
sich die bunte, aufregende Welt in die gute Stube zu holen. „Niemals zuvor gab es
eine Generation, die unter einem derart massiven Einfluß von Medien heranwächst“,
konstatiert das Fachblatt „Psychologie heute“. So verbringt das Durchschnittskind
heute bis zu seinem 14. Lebensjahr 18000 Stunden vor dem Bildschirm, aber nur
14000 in der Schule. Der Computer und das Fernsehen sind Spielpartner, Freund,
83
Paukhilfe und Babysitter zugleich. Spiele, Gespräche, Kontakte mit anderen bleiben
da auf der Strecke.
Als „kleine Erwachsene“, die viel zu früh mit dem Ernst des Lebens konfrontiert
werden, bezeichnet denn auch Klaus Hurrellmann die Kinder und Jugendlichen der
90er Jahre: „Einen sozialen Schonraum für ihre Entwicklung kennen sie nicht. Ohne
Filter sind sie den sozialen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Umwäl-
zungen in dieser Gesellschaft ausgesetzt und müssen sie genauso aufnehmen und
verarbeiten wie die Erwachsenen.“ Viele von ihnen sind damit überfordert und
werden krank. Neueste Untersuchungen zeigen, daß rund zwei Millionen junge Men-
schen in Deutschland psychische und soziale Auffälligkeiten aufweisen, die weit über
das Maß üblicher Entwicklungskrisen hinausgehen.
„Hört das Leben denn nie auf?“ ist als Graffito an einer Hamburger Häuserwand zu
lesen. Das Leben ist komplex und kompliziert geworden. Heute ist von der Wiege bis
ins Grab nichts mehr sicher und kalkulierbar. Ein Schulabschluß garantiert keine
Ausbildung mehr, eine Ausbildung keinen Arbeitsplatz. Die berufliche Laufbahn
wird zu einem beständigen Dazu-und Umlernen, die Karriere wird plötzlich durch
Arbeitslosigkeit unterbrochen, und auch im Privaten währt nichts mehr für die
Ewigkeit. Der Mensch avanciert zum „Jongleur“ seiner eigenen Biographie, so
der Soziologe Ulrich Beck, und zwar von Kindesbeinen an. Die Anforderungen, die
heute schon an die Jüngsten gestellt werden, lassen die Grauzonen von
Kindheit, Jugend und Erwachsenwerden verwischen. Wo hohe Ansprüche herrschen,
ist die Angst zu versagen allgegenwärtig. Wer nicht das ist oder hat, was er laut
gesellschaftlichem Konsens sein müßte oder haben sollte, fühlt sich schnell außen
vor. Isoliert. Allein. Hinter der Einsamkeit der Jungen verbirgt sich ein
grundsätzliches Gefühl von Verlassenheit, Leere und Orientierungslosigkeit. Wer
heute 20 ist, von dem wird die Erfahrung eines ganzen Lebens erwartet. Das neue
Jahrtausend will den starken, zupackenden festentschlossenen Menschen, der sein
Leben so früh wie möglich selbst in die Hand nimmt. Da ist keine Zeit mehr für
Zögern, Ausprobieren, Fehlermachen. Wer es bis 30 nicht geschafft hat, erfolgreich,
unabhängig und wahnsinnig glücklich zu sein, der hat es schwer auf dieser Welt.
Aber wenn er sich ein bißchen umguckt, wird er feststellen, daß er damit nicht allein
steht.
BRIGITTE 20/96
Single - englisches Wort für „einzeln“, „unverheiratet“. Der Begriff hat sich im
Deutschen eingebürgert für Erwachsene aller Alterstufen, die allein in einer
Wohnung, in einem Haus leben. Über 50% aller Haushalte in Deutschland bestehen
aus Singles. Die Hintergründe für das Alleinleben sind sehr unterschiedlich:
• Studentinnen und Studenten während ihres Studiums
• Menschen, die für sich eine klare Entscheidung getroffen haben: Ich will alleine
leben
• eine Frau oder ein Mann nach der Trennung der Ehe
• alte Menschen (meistens Frauen) nach dem Tod ihres Ehepartners
• Es gibt arme und reiche Singles, in kleinen und großen Wohnungen, einsame und
solche mit vielen Freunden und Verwandten, solche, die die Unabhängigkeit
84
schätzen, und solche, die nach einem Partner suchen, z.B. über Kontaktanzeigen,
über das Internet oder über Single-Partys.
Eine Wohngemeinschaft (kurz WG) bezeichnet das freiwillige Zusammenleben
mehrerer unabhängiger Personen in einer Wohnung. Allgemeine Räume wie Bad,
Küche, evtl. Wohnzimmer werden dabei gemeinsam genutzt. In vielen anderen
Ländern ist diese, vor allem unter Studenten bevorzugte, Lebensform nicht so
verbreitet wie etwa in Deutschland oder Österreich.
Es tun sich zwei bis viele Menschen zusammen (3-5 sind besonders häufig) und
mieten gemeinsam eine Wohnung. Umgangssprachlich unterscheidet man die
Zweck-WG, deren Bewohner und Bewohnerinnen nur aus Kostenersparnisgründen
zusammen leben, wo Gemeinschaftsleben aber eine untergeordnete Rolle spielt.
Das Gegenteil ist die Nicht-Zweck-WG, in der oft Freunde und Freundinnen
zusammenleben wollen und viel miteinander unternehmen. Vorteile der
Wohngemeinschaft: Das Wohnen wird billiger, man kann sich die Hausarbeit, das
Putzen, das Kochen teilen, man ist nicht einsam.
Vieles ist wie in einer Kommunalka: Jeder oder jede Partei hat i.d.R. ein eigenes
Zimmer (eine Mutter mit ihrem Kind hat evtl. ein oder zwei Zimmer). Küche, Bad,
Toilette werden gemeinsam genutzt.
WGs „halten“ meistens nur ein paar Jahre. Man lebt in bestimmten Lebensphasen in
einer WG, bevorzugt in der Ausbildungszeit.
Wer es sich finanziell leisten kann oder wer in eine andere Lebensform wechselt
(man möchte vielleicht in einer Zweier-Beziehung leben, man möchte heiraten und
Kinder kriegen, man möchte andere Mitbewohner), zieht aus - in eine andere WG
oder in eine eigene Wohnung.
WGs funktionieren nur, wenn die Bewohner bis zu einem bestimmten Grad
zueinander passen und das Reglement einhalten, das sich die jeweilige WG gegeben
hat.
Will man als „Neuer“ in eine bestehende WG, z.B. weil jemand ausgezogen ist, muss
man meistens ein „Prüfungsgespräch“ mit den restlichen Bewohnern führen, in dem
festgestellt werden soll, ob man in die WG passt.
In den neuen Bundesländern gibt es kaum Ausländer, in den alten konzentrieren sich
ausländische Familien auf die Städte. Hochzeiten zwischen den Kulturen sind eine
Ausnahme, türkische Mädchen heiraten nach wie vor Türken (wenn auch lieber die in
Deutschland geborenen). Viele türkische Jungen pflegen eine Macho-Kultur, die ganz
in der Tradition ihrer Väter steht. Familien ausländischer Herkunft halten stärker
zusammen, die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, männlichen Nachkommen
und ihren Schwestern ist klar definiert.
Wer aus dieser knappen Zustandsbeschreibung den Schluss zieht, die Integration sei
gescheitert, denkt zu kurz. „Das ist der Fehler im Ansatz der meisten Ausländer-
Studien“, kritisiert Artur Fischer, der Leiter des Psydata-Instituts in Frankfurt/Main,
das die Studie erarbeitet hat. „Diese Studien gehen davon aus, dass den ausländischen
Jugendlichen etwas fehle, dass sie zwischen den Kulturen zerrieben, zu Hause, in der
Öffentlichkeit, im Beruf unter Druck gesetzt werden.“
Die Shell-Jugendstudie geht einen anderen Weg: Sie lässt sich auf die Blickrichtung
der Jugendlichen selbst ein. Und dabei kommt heraus - gerade in den langen
biografischen Interviews - dass die Jugendlichen ausländischer Herkunft längst
verstehen, mit Gegensätzen zu leben. Sie haben gelernt, von beiden Seiten zu
profitieren. Sie sind es leid, sich von deutschen Sozialpädagogen bemitleiden zu
lassen, wollen heraus aus dem „Döner-Ghetto“, werden Bundestagsabgeordnete,
führen die besten Trend-Lokale, arbeiten in deutsch-türkischen Reisebüros oder
Banken, geben Zeitschriften heraus, studieren Turkologie und Literaturwissen-
schaften und drehen Filme. Zwei Sprachen, zwei Kulturen, zwei Lebenswelten - und
sie sind stolz darauf.
Nebeneinander
Junge Deutsche treffen mit jungen Ausländern außerhalb von Schule und Studium
kaum zusammen: Fast ein Viertel bekundet, „überhaupt nichts“ mit ihren
ausländischen Altersgenossen zu tun zu haben, fast die Hälfte (46,9 Prozent)
„weniger häufig“. Das gilt unabhängig von Alter und Geschlecht.
Shell-Jugendstudie 2000
Zwar geht es nicht allen so gut. Die sozialen Gegensätze sind schärfer als unter den
Deutschen: Die Arbeitslosenquote unter den Ausländern liegt mit 20 Prozent doppelt
so hoch wie bei den Deutschen, drei Viertel der arbeitslosen Ausländer hat keine
abgeschlossene Berufsausbildung, die ausländischen Jugendlichen haben immer noch
schlechtere Abschlüsse und damit schlechtere Startchancen.
86
Aber der Trend zu höheren Schulabschlüssen ist da: 30,7 Prozent haben einen
mittleren Abschluss und 14,6 Prozent die Hochschulreife erreicht (Juni 1999). 1983
verließen noch ein Drittel der Schulabgänger die Hauptschule ohne Abschluss, 16
Jahre später waren es nur noch 17 Prozent.
Die Mehrheit der deutschen Jugendlichen (62 Prozent) ist der Meinung, in
Deutschland lebten zu viele Ausländer. Rund 37 Prozent meinen, ihr Anteil sei
„gerade richtig“. Ist die deutsche Jugend - trotz der erzielten Integrationserfolge -
ausländerfeindlich?
Die Forscher warnen davor, die Antworten als Zeichen von Ausländerfeindlichkeit zu
interpretieren. Erstens sei der Begriff nicht genau definiert: Fängt Ausländerfeind-
lichkeit bereits bei Türkenwitzen an oder erst bei handfesten Schlägereien? Zweitens
seien Übergänge zwischen normalen, rational begründeten Argumenten zu einer
grundsätzlich ablehnenden Haltung nicht erfasst. Und drittens könne man
Ausländerfeindlichkeit nicht als Jugendproblem behandeln. Die Studie: „Vieles
spricht im Gegenteil dafür, dass Xenophobie kein typisches Jugendproblem ist, das
mit den spezifischen Konstellationen des Jugendalters zu tun hat, sondern eine
Erscheinung, die ebenso bei Erwachsenen zu konstatieren ist.“
Das Deutschlandbild der jungen Generation steht grundsätzlich nicht im
Zusammenhang mit der Einstellung zu Ausländern. Das bedeutet: Ausländerfeindlich
eingestellte Jugendliche haben kein positiveres Bild von Deutschland als andere
Gruppen. Die Studie: „In einem sind sich so gut wie alle einig: Deutschland ist ein
zivilisiertes Land, in dem vor allem das Niveau der sozialen Rechte imponiert.“
Ausgesprochen ausländerfeindlich sei nur eine Minderheit der Jugendlichen; diese
allerdings entschieden und unversöhnlich. Diese Haltung hat nichts mit viel oder
wenig Kontakt mit Nichtdeutschen zu tun.
Die Forscher schlussfolgern: „Im Kern der Ausländerfeindlichkeit scheinen sich
Ängste zu verstecken, bzw. die Furcht, in der wachsenden Konkurrenz um
Arbeitsplätze und Zukunftschancen zu unterliegen.“ Besonders diejenigen, die sich
schlechtere Chancen ausrechnen oder benachteiligt fühlen, sprechen von einer
Konkurrenz zwischen Deutschen und Ausländern. Und das sind vor allem die
Jugendlichen im Osten. Bei ihnen bleibt die negative Haltung über alle Altersgruppen
hinweg auf einem konstant hohen Niveau. „Mit aller gebotenen Vorsicht“ ergeben
sich als Hintergrund für „hoch ausländerfeindliche Einstellungen“ die Faktoren:
schlechtere Lebensbedingungen, geringere Bildung, schlechtere materielle
Ausstattung.
87
Übung 1: Lesen Sie den ganzen Text und erfassen Sie den wesentlichen Inhalt.
Übung 3: Präsentieren Sie die Ergebnisse auf A3-Bögen oder auf der Tafel.
Übung 6: Führen Sie eine Umfrage unter ihren Freunden und Bekannten durch, ob sie ins
Ausland auswandern wollen, in welches Land und zu welchem Zweck. Fassen Sie Ihre
Ergebnisse in Form eines Zeitungsartikels.
REINER KUNZE
Fünfzehn
Sie trägt einen Rock, den kann man nicht beschreiben, denn schon ein einziges Wort
wäre zu lang. Ihr Schal dagegen ähnelt einer Doppelschleppe: lässig um den Hals
geworfen, fällt er in ganzer Breite über Schienbein und Wade. (Am liebsten hätte sie
einen Schal, an dem mindestens drei Großmütter zweieinhalb Jahre gestrickt haben -
einc Art Niagara-Fall aus Wolle. Ich glaube, von einem solchen Schal würde sie
behaupten, daß er genau ihrem Lebensgefühl entspricht. Doch wer hat vor
zweieinhalb Jahren wissen können, daß solche Schals heute Mode sein würden.) Zum
Schal trägt sie Tcnnisschuhe, auf denen sich jeder ihrer Freunde und jede ihrer
Freundinnen unterschrieben haben. Sie ist fünfzehn Jahre alt und gibt nichts auf die
Meinung uralter Leute - das sind alle Leute über dreißig.
Könnte einer von ihnen sie verstehen, selbst wenn er sich bemühen würde? Ich bin
über dreißig.
Wenn sie Musik hört, vibrieren noch im übernächsten Zimmer die Türfüllungen. Ich
weiß, diese Lautstärke bedeutet für sie Lustgewinn. Teilbefriedigung ihres
Bedürfnisses nach Protest. Überschallverdrängung unangenehmer logischer Schlüsse.
Trance. Dennoch ertappe ich mich immer wieder bei einer Kurzschlußreaktion: Ich
89
spüre plötzlich den Drang in mir, sie zu bitten, das Radio leiser zu stellen. Wie also
könnte ich sie verstehen - bei diesem Nervensystem?
Noch hinderlicher ist die Neigung, allzu hochragende Gedanken erden zu wollen.
Auf den Möbeln ihres Zimmers flockt der Staub. Unter ihrem Bett wallt er.
Dazwischen liegen Haarklemmen, ein Taschenspiegel, Knautschlacklederreste,
Schnellhefter. Apfelstiele, ein Plastikbeutel mil der Aufschrift „Der Duft der großen
weiten Welt“, angelesene und übereinandergestülpte Bücher (Hesse, Karl May,
Hölderlin), Jeans mit in sich gekehrten Hosenbeinen, halb- und dreiviertelgewendete
Pullover, Strumpfhosen, Nylon und benutzteTaschentücher. (Die Ausläufer dieser
Hügellandschaft erstrecken sich bis ins Bad und in die Küche.) Ich weiß: Sie will sich
nicht den Nichtigkeiten des Lebens ausliefern. Sie fürchtet die Einengung des Blicks,
des Geistes. Sie fürchtet die Abstumpfung der Seele durch Wiederholung! Außerdem
wägt sie die Тätigkeiten gegeneinander ab nach dem Maß an Unlustgefühlen, das mil
ihnen verbunden sein könnte, und betrachtet es als Ausdruck persönlicher Freiheit,
die unlustintensiveren zu ignorieren. Doch nicht nur, daß ich ab und zu heimlich ihr
Zimmer wische, um ihre Mutter vor Herzkrämpfen zu bewahren - ich muß mich auch
der Versuchung erwehren, diese Nichtigkeiten ins Blickfeld zu rücken und auf die
Ausbildung innerer Zwänge hinzuwirken.
Einmal bin ich dieser Versuchung erlegen.
Sie ekelt sich schrecklich vor Spinnen. Also sagte ich: „Unter deinem Bett waren
zwei Spinnennester.“
Ihre mit lila Augentusche nachgedunkelten Lider verschwanden hinter den
hervortretenden Augäpfeln, und sie begann „Iix! Ääx! Uh!“ zu rufen, so daß ihre
Englischlehrerin, wäre sie zugegen gewesen, von soviel Kehlkopfknacklauten -
englisch „glottal stops“ - ohnmächtig geworden wäre. „Und warum bauen die ihre
Nester gerade bei mir unterm Bett?“
„Dort werden sie nicht oft gestört.“ Direkter wollte ich nicht werden, und sie ist
intelligent.
Am Abend hatte sie ihr inneres Gleichgewicht wiedergewonnen. Im Bett liegend,
machte sie einen fast überlegenen Eindruck. Ihre Hausschuhe standen auf dem
Klavier. „Die stelle ich jetzt immer dorthin“, sagte sie. „Damit keine Spinnen
hineinkriechen können.“
Kunze (1976).
neue Cover, Klingeltöne oder Handys. In zwanzig Minuten muss alles vorbei sein. In
kaum einer Schule sind eingeschaltete Handys noch erlaubt. Zu störend fanden die
Lehrer das ständige Klingeln, zu unkonzentriert waren die Schüler, die lieber SMS
verschickten als Mathe zu pauken. An manchen Schulen wird gar zu drastischen
Mitteln gegriffen: Wer im Unterricht beim SMS-Schreiben erwischt wird, muss das
Handy abliefern. Die Eltern können es dann wieder abholen.
Zu Hause benutzen die Jugendlichen ihr Handy oft täglich. Schon 12- und 13-jährige
telefonieren mobil, 18-19-jährige haben fast alle ein Handy. Vor wenigen Jahren
waren es noch viel weniger.
4. Risiken
So viele Möglichkeiten das Handy auch eröffnet, es birgt auch Risiken. Die
finanziellen Risiken wurden schon erwähnt. Weitere Risiken betreffen
gesundheitliche Gefahren. Offenbar reagiert eine zunehmende Anzahl von Menschen
empfindlich auf elektromagnetische Felder. Schlafstörungen, Migräne-Attacken und
Herzbeschwerden können die Folge sein. Nachdem australische Wissenschaftler vor
91
einige elementare Regeln ins Gedächtnis zu rufen ist ja nicht falsch“, so der Minister,
dessen Behörde in Kürze eine Informationsbroschüre über den Gebrauch von
Mobiltelefonen veröffentlicht.
Folgende Empfehlungen sprach der gelernte Arzt aus: Grundsätzlich sollte man das
mobile drahtlose Telefon nicht allzu lange benutzen - vor allem nicht in
geschlossenen Einrichtungen wie Fahrstühlen, unterirdischen Parkhäusern oder in
Autos. Zudem sei das Unfallrisiko um ein Sechsfaches größer, wenn man während
der Fahrt telefoniere. Schwangere Frauen, so der Minister, sollten ihr Handy nicht
dicht am Körper bei sich tragen. Der Apparat sollte in jedem Fall möglichst fern vom
Genitalbereich sein. Kinder sollten täglich nicht länger als zehn Minuten ihr mobiles
Telefon benutzen.
Als erste Stadt in Frankreich hat denn auch die Verwaltung von Narbonne das Handy
in Kindergärten, in Vor- und in Hauptschulen verboten. Das sei eine reine Vorsichts-
maßnahme, begründete der Generalsekretär des Rathauses, Patrice Millet, das Verbot.
Natürlich würden die Stadtväter weitere Studien der Wissenschaftler zum Thema
„Einfiuss der Radiofrequenz auf den Handybenutzer“, besonders auf junge
Menschen, abwarten - und Entwarnung geben, wenn sich das Telefonieren mit
Handys als völlig unschädlich erweise.
Der Wissenschaftler Denis Zmirou hatte im vergangenen Jahr eine Untersuchung
über die Wirkung von elektromagnetischen Feldern auf Menschen vorgelegt, die
keine alarmierenden Erkenntnisse erhält. Zmirou empfiehlt trotzdem einen
vorsichtigen Umgang mit den Mobilgeräten. Dennoch entstehen vor allem in
Großstädten wie in Paris immer mehr „wilde“ Funkmasten - auch dort, wo eine
Distanz der Antennen von mindestens 100 Metern zu Altenheimen, Schulen und
Krankenhäusern vorgeschrieben ist. Eigentlich dürfen die Funkmasten nur mit
Einwilligung der zuständigen Stadtverwaltung errichtet werden.
II
Natürlich wollen sie schön sein. Sie probieren neue Frisuren aus, Kleider und
wie sie aussehen, wenn sie sich anmalen. Auch sind sie manchmal unsicher, ob sie
nun hübsch sind oder nicht. Doch sitzen sie heute lockerer und weniger
selbstquälerisch vor dem Spiegel. Die einstigen Seelenqualen junger Mädchen, das
Gefühl, daß immer die Freundin schöner war und man selbst potthäßlich, erleiden sie
viel seltener. Die Ausstrahlung einer Frau finden sie genauso wichtig wie ihr
Aussehen.
Die Mädchen sind heute unabhängiger und selbstbewußter als ihre Mütter,
befanden die Münchner Wissenschaftlerinnen Gerlinde Seidenspinner und Angelika
Burger in ihrer Studie über die "Lebenssituation und das Lebensgefühl 15- bis
93
wollen sie führen. Das emanzipierte Denken aber hört dort auf, wo es ernst wird:
Ungefähr die Hälfte aller Mädchen findet Arbeitslosigkeit bei einem Mann schlimmer
als bei einer Frau. Das fügt sich in ihr noch ungenaues Bild vom Leben: Die meisten
möchten Beruf und Familie verbinden, wollen aber keine Fremdbetreuung der
Kinder, sie denken an Teilzeitarbeit und planen munter nach dem Rezept, daß schon
heute bei Beamtinnen funktioniert: "Solange die Kinder mich brauchen, bleibe ich zu
Hause, nachher steige ich wieder in den Beruf ein". Das ist realistisch, den Mann als
Ernährer der Familie zu sehen und sich selbst notfalls eben doch zu Hause bei den
Kindern.
Was auffällt an dieser Untersuchung: Wie moderat die Aussagen dieser
kommenden Fraugeneration ausfallen und wie nah bei allen Veränderungen die
Wünsche an traditionellen Vorstellungen bleiben.
Sind sie politisch engagiert? Die Friedensbewegung hat den größten Zulauf, 13
Prozent machen mit und über 50 Prozent interessieren sich ernsthaft. Viele Mädchen
fühlen sich von den Grünen angesprochen. Mit Sympathie, aber nicht mit Taten
können die Frauenbewegung und die Hausinstandbesetzer rechnen. Extreme Gruppen
rechts und links werden abgelehnt, ebenso die Punks.
Alles in allem: Von "no future" kann keine Rede sein — jedes zweite Mädchen
freut sich auf die Zukunft.
Erklärungen:
sich anmalen (umg.) = sich schminken
selbstquälerisch = zu selbstkritisch
potthäßlich (umg.) = sehr häßlich
Bildungsexplosion = der explosionsartige Anstieg des Bildungsniveaus
schmusen = liebkosen = schmeicheln
im Visier haben = anstreben (sich fügen in A. = passen in A.)
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Lesen Sie den Text abschnittsweise. Beantworten Sie nach jedem
Abschnitt folgende Fragen. Lesen Sie diese Fragen vorher durch.
1. Wie verhalten sich die heutigen Mädchen zu ihrem Aussehen?
2. Die Mädchen sind heute unabhängiger und selbständiger als ihre Mütter,
behaupten Münchener Wissenschaftlerinnen. Worin äußert sich diese
Unabhängigkeit? Können Sie es an Beispielen belegen?
3. Wie gehen dieMädchem mit dem anderen Geschlecht um? Wie ist die Einstellung
der 15-jährigen und der älteren Mädchen zur Sexualität?
4. Worauf setzen die Mädchen mehr: auf den Beruf oder auf die Familie? Was ist für
sie exotisch?
5. Warum haben die Mädchen Angst vor der Zukunft?
6. Was steht im Text über alleinerziehende Mütter? Äußern Sie ihre Meinung dazu.
7. Was ist schlimmer: die Arbeitslosigkeit bei einem Mann oder bei einer Frau?
Warum? Was für ein “Rezept” finden die Mädchen realistisch?
95
Übung 2: Arbeiten Sie den Text noch einmal durch, damit Sie folgende Aufgaben
zum Wortschatz lösen können.
1. Danach sind die Mädchen heute besser auf die Zukunft vorbereitet als frühere
Generationen
2. ... als hätte es nie den fatalen Satz gegeben: ”Ein Mädchen braucht nichts
Großartiges zu lernen...” Was ist hier gemeint?
a) Diesen Satz hat es früher tatsächlich gegeben.
b) Diesen Satz hat es in Wirklichkeit nie gegeben.
3. ... alleinerziehende Mütter .. sind die Mütter, die
a) ihr Kind allein erziehen;
b) nur einKind haben;
c) allein erzogen worden sind.
4. Die meisten ... wollen aber keine Fremdbetreuung der Kinder ... Das heißt:
a) sie wollen keine fremden Kinder betreuen;
b) sie wollen nicht, daß ihre Kinder von fremden Leuten betreut werden;
c) sie wollen nicht, daß ihre eigenen Kinder fremder Leute Kinder betreuen.
Übung 3: Bilden Sie Gruppen. Jede Gruppe sucht Informationen zu einem oder zwei
der folgenden Aspekte:
Aussagen der Mädchen zur Rolle des Aussehens, der Bildung und der Ausbildung,
des Berufs und über ihre Einstellung zur Sexualität, zu Ehe und Familie, zur Politik
und zur Zukunft.
Übung 4: Glauben Sie, daß viele deutsche Jugendliche pessimistisch in die Zukunft
blicken? Worin sehen Sie die Ursachen für die Jugendunruhen? Was erwarten sie von
der Zukunft?
Übung 5: Wie stehen Sie zu der Fragestellung: ”Soll eine Frau wegen ihrer Kinder
den Beruf aufgeben?”
Übung 7: Stellen Sie sich vor, deutsche Jugendliche sind bei Ihnen zu Hause zu
Besuch. Erklären Sie ihnen, was die allgemeine Meinung in unserem Land zu diesem
Thema ist.
III
Er wollte nach London (Ein Lied von Udo Lindenberg).
Und morgens um 7 hatten sie ihn, sein Alter war leider schneller.
Worterklärungen.
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Hören Sie sich das Lied ein paarmal an und notieren Sie Stichwörter
zu folgenden Fragen:
1. Mit 13 2- 3. “So um 15
— Was hat er getan? — Was hat er wieder getan?
97
Übung 2: Erzählen Sie die Geschichte dieses jungen Mannes mit Hilfe Ihrer Notizen.
abklingen - затихать
Auf einer Landstraße wird ein Radfahrer von einem Motorrad angefahren. Auf
dem Motorrad saßen zwei Jugendliche, betrunken, aber so weit zurechnungsfähig,
daß sie sich ihrer Tat bewußt wurden. Sie fahren weiter, ohne dem Verletzten zu
helfen. Für den Fall, daß ihnen die Polizei auf die Spur kommt, verabreden die
“Freunde” ein Alibi.
Eine andere Situation: Seit Wochen schreibt Mischa von Rolf Chemie-
Hausaufgaben ab. Rolf gewährt diesen “Freundschaftsdienst”, denn Mischa ist sonst
kein schlechter Schüler — aber in Chemie wählt er stets den bequemen Weg des
geringsten Widerstandes.
Und ein letztes Beispiel: Thomas ist ein guter Facharbeiter, und auch für seine
Arbeit wird er oft gelobt und ausgezeichnet. Er sieht ständig seine großen Aufgaben,
bemerkt aber manchmal die kleinen und größeren Probleme in seinem Kollektiv nicht
mehr. Als ihm sein Freund eines Tages vorwirft, er sei kein guter Organisator und das
mit vielen Beweisen untermauert, ist Thomas beleidigt und kündigt die Freundschaft.
Drei sehr unterschiedliche Situationen, in denen die Beteiligten das Wort
“Freundschaft” im Munde führen. In den beiden ersten Beispielen halten sich zwei
für “Freunde”, weil sie aus diesem Umstand zeitweilig zweifelhaften Nutzen ziehen.
Im dritten Beispiel begreift Thomas den Nutzen, den er aus jenem wirklichen
Freundschaftsdienst für seine Arbeit und sich persönlich ziehen könnte, nicht.
Stellen wir also die Frage: Was ist überhaupt Freundschaft?
Freunde zu gewinnen und zu erhalten ist wie die Freundschaft selbst eine sehr
individuelle Angelegenheit und setzt demzufolge auch bei beiden Partnern
Anstrengungen und Persönlichkeit voraus. Persönlichkeit, die sich ausdrückt in
eigener Haltung und eigenen Ansichten, die man in die Freundschaft einbringt, aber
auch in der Achtung der Haltung und Ansichten des anderen. Persönlichkeit, die sich
zeigt in Konsequenz gegenüber den Schwächen des Freundes, aber auch in Toleranz.
Eine andere wichtige Grundlage dafür, jemandem ein guter Freund zu sein, ist
Charakter. Charakter zeigt, wer dem Freund auch das sagt, was diesem unangenehm
ist, wie im dritten Beispiel angedeutet. Charakter zu haben schließt ein, auch bei sich
die Ursachen zu suchen, an denen eine Freundschaft auseinanderbrechen kann. Es ist
durchaus nicht ungewöhnlich oder gar egoistisch, wenn eine Freundschaft nur
zeitweilig von Bestand ist, weil sich der eine Teil schneller weiterentwickelt hat als
der andere, wenn dadurch die Interessen auseinandergehen und die Freundschaft für
den einen nur noch aus Geben und für den anderen aus Nehmen besteht. Eben weil
die Freundschaft eine sehr individuelle, aber sehr zweiseitige Angelegenheit ist, und
so nur für die zwei ausgeprägten Wert hat, kann man niemandem Freundschaft
aufzwingen, muß jedem die Möglichkeit bleiben, andere Freunde oder andere
zwischenmenschliche Beziehungen zu suchen, wie Kameradschaft,
Interessengruppen, Arbeitskollektive, Bekanntschaften. Diese können durchaus ihren
Wert für die Persönlichkeitsentwicklung haben. So mancher empfindet es nicht als
101
Mangel, keinen Freund zu haben, sondern viele gute Bekannte. Es füllt ihn aus,
bestätigt und fördert seine Persönlichkeit vielleicht ebenso.
Freundschaft setzt ehrliches Interesse an der gesamten Erlebniswelt des
Freundes voraus. Und hier beginnt sie, für manchen unbequem zu werden, dann
nämlich, wenn der Freund erwartet, daß er jederzeit und unter allen Umständen auf
den anderen zählen kann. Eine verfallene Kinokarte oder ein Wochenende, an dem
man dem Freund z. B. bei der Renovierung der Wohnung hilft, wird dann zu einem
Opfer, daß ein Freund aber zu bringen bereit ist. Zu diskutieren wäre auch, warum
uns das Große, was wir “Völkerfreundschaft” nennen, meist besser gelingt als das
Kleine, die sehr individuelle opferbereite Freundschaft zwischen zwei Menschen.
Wir haben festgestellt, daß zur Freundschaft Persönlichkeit gehört. Das heißt
aber nicht, daß starke Persönlichkeiten unbedingt die besten Freunde sein müssen.
Ihre Individualität kann sogar so stark ausgeprägt sein, daß es ihnen unmöglich ist,
sich jemandem unterordnen zu können. Starke Persönlichkeiten bedürfen oftmals
nicht der Hilfe und gegenseitigen Anteilnahme, die Freundschaft geben kann, sie
lösen viele ihrer Probleme selbst oder suchen und finden andere Arten von
Bindungen, wie geistigen Austausch oder spezielle Fachdispute. Und doch erhebt
sich hier die Frage: Brauchen diese Menschen nicht auch ein bißchen persönliche
Zuwendung?
(DaF 4 / 82)
Worterklärungen
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Erläutern Sie mit Hilfe der Aussagen im Text die folgenden Stichwörter:
anfahren — der Weg des geringsten Widerstandes — Freundschaft kündigen —
Nutzen ziehen — Anstrengungen voraussetzen — Freundschaft aufzwingen — sich j-
m unterodrnen.
Übung 4: Fassen Sie zusammen. Was gehört zur Freundschaft? Geben Sie den
Textinhalt mit eigenen Worten wieder. Welchen Meinungen des Beitrags können Sie
völlig (oder nur teilweise) zustimmen, welche lehnen Sie ab?
II
1. Typisch Mann?
Was ist eigentlich männlich? Mit dieser Frage kann man viele Leute in
Schwierigkeiten bringen. Stellen Sie einmal diese Frage in Ihrem Freundeskreis oder
in Ihrer Seminargruppe. Dann bekommen Sie zunächst die bekannten
103
2. Typisch Frau?
Heute ist gar nicht so leicht zu sagen, welches Verhalten tatsächlich “typisch
männlich” bzw. “weiblich” ist. Beispielsweise bezeichnen sich oft Frauen als
ängstlich, beweisen aber in konkreten Situationen — sei es beim Arztbesuch oder
auch im Beruf — daß dem gar nicht so ist.
104
“Klar, sie kann qualifizieren, wenn sie will. Aber nur, wenn ich und die Kinder dabei
nicht zu kurz kommen”.
“Ich will nicht, daß sie sich nach der Arbeit noch auf die Prüfungen vorbereiten muß.
Man möchte es sich zu Hause doch etwas bequem machen”.
Die jungen Männer von heute möchten zum überwiegenden Teil “Mädchen,
die sich auch politisch einen Kopf machen” (Den meisten Großvätern hätten sich die
Haupt- und Barthaare beim bloßen Gedanken an politisch aktive Frauen gesträubt).
“Eine, mit der ich nicht auch politisch streiten kann, weil sie nichts versteht, reicht
mir nicht.”
Nicht ganz so einheitlich sind die Meinungen über die Notwendigkeit
weltanschaulicher Übereinstimmung. Ein Teil meint, sie sei “nicht absolut
notwendig, wenn man sich sonst richtig versteht”.
Für die jungen Männer gibt es zwischen “Weib” und “schwach” oder gar
“minderwertig” keinen Zusammenhang mehr. Warum also sollen die Männer
herrschen und führen? Es gibt auch keinen Grund, weshalb nicht auch der Mann zur
gemütlichen häuslichen Atmosphäre beitragen und den gleichen Anteil an der
Erledigung häuslicher Arbeiten übernehmen sollte.
Die meisten jungen Männer finden auch nicht, daß sie unbedingt klüger sein
müssen als ihre Partnerin.
“Sie weiß mehr auf ihrem Gebiet, ich mehr auf meinem”.
“Mich stört, wenn sie weniger weiß, als sie wissen müßte”
Was die jungen Männer nicht mögen, ist übertriebenes Selbstbewußtsein,
sogenanntes “Emanzipationsgehabe”, das sie manchmal bei Mädchen finden.
“Wenn es kein Privileg ist, als Mann aufzuwachsen, ist es auch kein Vorrecht, eine
Frau zu sein”.
Die Aufzählung wäre unvollständig, würde nicht auch erwähnt, daß im
Partnerwunschbild der Männer die Frau mit hübschem Gesicht und guter Figur eine
wichtige Rolle spielt.
Karsten (18): “Ich stelle mir ein Mädchen vor, das sich natürlich gibt, also nicht
affektiert und doll geschminkt ist. Mit einem richtigen Mädchen muß ich mich
einwandfrei unterhalten können und seine Meinung ohne Wenn und Aber erfahren”.
Frauen scheinen sich mehr am Gesamteindruck zu orientieren, so an
“sportlicher Erscheinung”, am “männlichen Typ”...
Mitunter wird die Frage gestellt: “Wo lernen sich heute junge Leute kennen?”
Antworten von Verheirateten darauf ergaben eine nahezu unübersehbare Vielfalt der
Situationen. Aus ihnen ergibt sich kein Hinweis darauf, welcher Ort (Tanzboden,
Eckkneipe, Straßenbahnhaltestelle, Betriebskantine usw.) “typisch” ist fürs
Kennenlernen. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, daß man etwa vom Ort der ersten
gemeinsamen Bekanntschaft auf die Stabilität der künftigen Ehe schließen darf.
Der Hauptgesichtspunkt der zur Ehe führenden Entscheidung ist Liebe. Das
bestätigen alle entsprechenden Untersuchungen, die vom Zentralinstitut für
Jugendforschung (Leipzig) durchgeführt worden sind.
106
Was ist nun Liebe, jenes Gefühl, das jeder kennt, das uns in dieser oder jener
Form unser ganzes Leben begleitet, das uns Freud und Leid bereitet, von dem
manchmal träumt, das man aber nicht erzwingen kann.
Im Wörterbuch wird es als starkes Gefühl der Zuneigung zu einer Person, als
innige Beziehung zwischen zwei Menschen erklärt. Fragen wir doch einmal einige
große Geiste der Vergangenheit, was sie über die Liebe zu sagen haben.
Schon um 400 vor unserer Zeitrechnung meinte der griechische Dichter
Euripides: “Was ist’s nur, was die Menschen Liebe nennen? Ein Fühlen ... gemischt
aus Wonn’ und Schmerz.” Also Freud und Leid gehören zur Liebe, wenn wir
Euripides recht verstehen.
Eine sehr hohe Meinung von der Liebe hatte der russische Lyriker Block (1888
- 1921): “Liebe erniedrigt nicht, sondern befreit.”
Nach Diderot existiert die Liebe nur in der Phantasie des Menschen: “Die reine
Liebe ... ist nirgends zu finden. Die Zartheit der Empfindung ist ein bloßes
Hirngespinst.”
Für Petöfi, den ungarischen Nationaldichter (1823 - 1848), bedeutet Liebe
Unfreiheit, wenn er schreibt:
“Liebe, ich befreie mich von diesem Joch;
sind auch süß die Ketten, Ketten sind es doch.”
Groß ist die Zahl der Sprichwörter, die unter dem Stichwort Liebe / lieben im
Sprichwörterlexikon zu finden sind:
Von der Liebe allein kann man nicht leben.
Liebe ist der größte Reichtum.
Frühe Liebe , frühes Leid.
Alte Weisheiten:
Zorn und Liebe geben schlechten Rat
wenn man hat, das verdirbt, wenn man nicht hat, das wird geliebt.
Wer nicht hassen kann, kann auch nicht lieben.
Freundschaft ist Liebe mit Verstand.
Eine Heirat, bei der Vermögenserwägungen, bestimmte verwandschaftliche
Belange oder das Streben nach Prestige eine vordergründige Rolle spielen, gibt es so
gut wie nicht mehr. Statt dessen sind viele Erwartungen an andere
Persönlichkeitseigenschaften bei jungen Leuten beiderlei Geschlechts nachzuweisen.
Die meisten können als charakteristisch für das Partnerideal unserer Zeit gelten. Zu
ihnen gehören in erster Linie Eigenschaften wie Verläßlichkeit und Treue,
Hilfsbereitschaft und achtungsvolle Umgangsformen, Interesse für die Arbeit des
anderen, Bemühungen um sexuelle Harmonie. Auch die Erwartung, daß der Partner
Kinder wünscht, ein liebevoller Vater bzw. eine liebevolle Mutter ist, gehört zu den
bevorzugten Wünschen. Nicht alle Partnererwartungen tragen Merkmale des Neuen.
Es wird niemanden überraschen, wenn auch heute noch Erwarturgen an die
Häuslichkeit und Wirtschaftlichkeit mehr an die Frau als an die Männer gerichtet
sind.
Worterklärungen
Zu (1):
107
ÜBUNGSTEIL
4. Wie war die Einstellung der Männer vergangener Generation zur Berufstätigkeit
der Frau?
5. Wie verhalten sich dazu die jungen Männer von heute?
6. Verdeutlichen Sie bitte: Für die jungen Männer gibt es zwischen “Weib” und
“schwach” und “minderwertig” keinen Zusammenhang mehr.
Zu (3):
1. Von welcher Frage geht der Text aus?
2. Wie wird die Liebe im Wörterbuch erklärt?
3. Fassen Sie die Gedanken, die im Text über die Liebe geäußert werden, mit eigenen
Worten zusammen.
4. Nehmen Sie Stellung zu der Meinung von Euripides: “Zur Liebe gehören Freud
und Leid”.
5. Kommentieren Sie die inhaltliche Aussage der alten Weisheit: Zorn und Liebe
geben schlechten Rat.
6. Zu welchem Ergebnis ist die Befragung gelangt?
Übung 3: Aus den Argumenten der jungen Männer lassen sich einige Fragen
ableiten. Sagen Sie zu diesen Fragen Ihre Meinung. Versuchen Sie, aufgrund Ihrer
persönlichen Erfahrung einige Ratschläge zu erteilen.
Sprachliche Muster: Ich würde raten / empfehlen ... ; Aus meiner eigener Erfahrung
kann ich folgendes sagen ... .
1. Ist die Qualifizierung der Frau nur eine Frage eines höheren finanziellen Beitrages
für den gemeinsamen Haushalt (= das Budget)?
2. Muß es zu Hause ungemütlich sein, wenn sich die Frau in einem Abend- oder
Fernstudium qualifiziert?
3. Wirkt sich die Berufstätigkeit der Frau negativ auf die Erziehung der Kinder aus?
4. Sollte eine Frau wegen ihrer häuslichen Belastung ihren Beruf aufgeben?
Übung 4: Erläutern Sie, was junge Leute mit folgenden Aussagen meinen:
Mancher möchte aber auch noch gern alten Adam retten.
Wenn ich und die Kinder nicht zu kurz kommen.
Er soll nicht Autorität mimen, sondern “ein Kind im Mund” bleiben.
Man möchte es sich zu Hause doch etwas bequem machen.
109
Die jungen Männer ... möchten ... Mädchen, die sich auch politisch einen Kopf
machen.
Übung 5: Lesen Sie den folgenden Text und tauschen Sie die gekennzeichneten
Phraseologismen durch die unten stehenden bedeutungsähnlichen Wendungen aus.
Die Liebe ist eine Himmelsmacht (fast ein Märchen)
Es war einmal ein junges Mädchen, rank und schlank, zum Anbeißen (1)
schön. Anke, so hieß das Mädchen, wußte natürlich von ihrer Schönheit, denn sie sah
oft in den Spiegel. Die Jungen machten ihr schöne Augen (2), und mancher hätte sie
gern auf Händen getragen (3) und ihr die Sterne vom Himmel geholt (4), wenn sie
nur gewollt hätte. Anke aber ließ alle abblitzen (5), denn sie hatte Michael in ihr Herz
geschlossen (6), der sie aber kaum beachtete.
In einer Herzensnot fragte Anke zu Hause den Spiegel: “Spieglein, Spieglein,
sag’ mir doch, bin ich die schönste immer noch?”
Als Antwort blickte ihr wie immer ein schönes Spiegelbild entgegen. Da faßte
das Mädchen wieder Mut und war sicher, daß sie ihre stille Liebe (7) doch noch
erobern könnte. Aber so sehr Anke auch versuchte, ihrem Auserwählten den Kopf zu
verdrehen (8), er wollte und wollte nicht anbeißen. Da wurde das Mädchen immer
trauriger und weinte sich nachts die Augen aus dem Kopf (9). Eines Tages fragte sie
erneut ihren Spiegel: “Spieglein, Spieglein, wie kann ich’s beginnen, endlich seine
Liebe zu gewinnen?”
Aus dem Spiegel schaute ihr aber nur ein trauriges , gar nicht mehr so schönes
Gesicht entgegen. Da glaubte Anke, den Grund zu kennen, warum sie bei Michael,
ihrem Auserwählten, nicht landen konnte (10). Sie holte allerlei Dosen, Fläschchen
und Farbkästen herbei und machte sich wieder schön — wie sie meinte. Aus dem
Spiegel sah ihr zwar ein verändertes Gesicht entgegen, aber sie war sicher, daß sie
Michael betören würde.
Bedeutungsähnliche Wendungen
J-m einen Korb geben (j-s Werbung abweisen) — äußerst attraktiv, supermodern —
j-m den Himmel auf Erden versprechen (j-m alles versprechen, was er sich wünscht)
— ein Auge auf j-n werfen — von j-m schroff zurückgewiesen werden (eine Abfuhr
erhalten) — j-m zu Füßen liegen — bittere Tränen vergießen (stark weinen) — für j-n
Feuer und Flamme sein (für j-n stark begeistert sein) — j-m das Herz brechen (j-n in
sich verliebt machen) — j-s heimliche Liebe sein (jemand wird von j-m geliebt, ohne
es zu wissen).
Übung 6.1: Geben Sie den Inhalt dieser Geschichte in einer knappen
Zusammenfassung mit eigenen Worten wieder.
Übung 6.2: Warum wollte und wollte Michael nicht anbeißen? Auf welche Weise
könnte Anke ihm das Herz brechen? Können Sie der unglücklichen Anke mit einem
guten Rat helfen?
Übung 6.3: Was passiert in den folgenden Mikrotexten? Man kann die jeweilige
Situation mit Hilfe der rechts stehenden Wendungen erklären.
110
Übung 7.1: Erläutern Sie kurz, warum diese Bildergeschichte den Titel “Das
schwache Geschlecht” trägt? Oder stimmen Sie dem nicht zu?
111
Geben Sie den Inhalt der einzelnen Bildszenen wieder. Verwenden Sie den
folgenden zusätzlichen Wortschatz.
Bildszene 1: Er ist von sich überzeugt, daß er diese Frau gewinnen kann. Sie ist
abwartend, schüchtern ( eine abwartende Haltung einnehmen).
Bildszene 2: Er ist schon einfacher (beginnt auf sich aufmerksam zu machen). Sie
gewinnt an Ausstrahlungskraft, Selbstvertrauen. Mit weiblichem Instinkt (Koketterie)
versucht sie, bewußter auf sich aufmerksam zu machen.
Bildszene 3: Sie ist ihm ebenbürtig, veranlaßt ihn nachzudenken. Er stutzt. Sie
könnte ihm gefallen.
Bildszene 4: Er ist völlig von ihr begeistert, daß er Verstand verliert. Sie hat den
ersten Erfolg errungen.
Bildszene 5: Er ist so scharf auf sie, daß er ihr nachrennt. Sie wird immer stolzer.
Bildszene 6: Er bittet sie um Gehör.
Bildszene 7: Er kämpft immer mehr um sie und fleht sie an.
Bildszene 8: Er liegt ihr zu Füßen. Er vergöttert sie.
Bildszene 9: Hier ist das Resultat zu sehen: Sie hat ihn um den Finger gewickelt.
112
Bildszene 10: Er ist ihr völlig hörig (er ordnet sich ihr unter).
Übung 7.2: Geben Sie den Handlunsablauf der Bildergeschichte in der Form einer
Erzählung wieder.
Übung 7.3: Gestalten Sie anhand der Bilder 6 bis 8 einen Dialog zwischen dem
Mann und der Frau.
III
Erich Fromm
Lieben.
Dieser Text handelt auch von der Liebe, aber unter dem Aspekt HABEN und
SEIN. Das diskutieren wir. Sie sollen diesen Text total lesen. Durch totales Lesen
verstehen Sie den Text vollständig. Bevor wir mit der hier aufgeworfenen
113
Häufig ändert sich mit der Eheschließung die Situation grundlegend. Der
Ehevertrag gibt beiden das exklusive Besitzrecht auf den Körper, die Gefühle, die
Zuwendung des anderen. Niemand muß mehr gewonnen werden, denn die Liebe ist
zu etwas geworden, was man hat, zu einem Besitz. Die beiden lassen in ihrem
Bemühen nach, liebenswert zu sein und Liebe zu erwecken, sie werden langweilig,
und ihre Schönheit schwindet. Sie sind enttäuscht und ratlos. Sind sie nicht mehr
dieselben? Haben sie von Anfang an einen Fehler gemacht? Gewöhnlich suchen sie
die Ursache der Veränderung beim anderen und fühlen sich betrogen. Was sie nicht
begreifen, ist, daß sie beide nicht mehr die Menschen sind, die sie waren, als sie sich
ineinander verliebten; daß der Irrtum, man könne Liebe haben, sie dazu verleitete,
aufzuhören zu lieben. Sie arrangieren sich nun auf dieser Ebene, und statt einander zu
lieben, besitzen sie gemeinsam, was sie haben: Geld, gesellschaftliche Stellung, ein
Zuhause, Kinder. Die mit Liebe beginnende Ehe verwandelt sich so in einigen Fällen
in eine freundschaftliche Eigentümergemeinschaft, eine Körperschaft, in der zwei
Egoismen sich vereinen: die Familie. In anderen Fällen sehnen sich die Beteiligten
weiterhin nach dem Wiedererwachen ihrer früheren Gefühle, und der eine oder andere
gibt sich der Illusion hin, daß ein neuer Partner seine Sehnsucht erfüllen werde. Sie
glauben, nichts weiter als Liebe zu wollen. Aber Liebe ist für sie ein Idol, eine Göttin,
der sie sich unterwerfen wollen, nicht ein Ausdruck ihres Seins. Sie scheitern
zwangsläufig, denn Liebe ist ein Kind der Freiheit (wie es in einem alten
französischen Lied heißt), und die Anbeter der Göttin Liebe versinken schließlich in
solche Passivität, daß sie langweilig werden und verlieren, was von früherer
Anziehungskraft noch übrig war. Diese Feststellungen schließen nicht aus, daß die
Ehe der beste Weg für zwei Menschen sein kann, die einander lieben. Die
Problematik liegt nicht in der Ehe als solcher, sondern in der besitzorientierten
Charakterstruktur beider Partner und, letzten Endes, der Gesellschaft, in der sie leben.
Die Befürworter moderner Formen des Zusammenlebens wie Gruppenehe,
Partnertausch, Gruppensex etc., versuchen, soweit ich das sehen kann, nur, ihre
Schwierigkeiten in der Liebe zu umgehen, indem sie die Langeweile mit ständig
neuen Stimuli bekämpfen und die Zahl der Partner erhöhen, statt einen wirklich zu
lieben.
(Aus: Wege von D. Eggers)
Erklärungen
mithin: also
implizieren: einschließen, zur Folge haben
die Zweckdienlichkeit; hier: etwas, was dem wohl (der Gesellschaft) dient
die Anziehung: die Attraktivität, Attraktion
die Zuwendung: freundliche, liebevolle Aufmerksamkeit
sich arrangieren: sich verständigen und eine Lösung finden
der Befürworter: jemand, der für etwas ist, etwas unterstützt
115
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Suchen Sie im Text alle Substantive, Adjektive und Verben heraus, die
sich auf Lieben in der Weise des Habens und in der Weise des Seins beziehen.
Muster:
Liebe in der Weise
des Seins des Habens
Übung 2: Wortschatz
1. Warum steht am Anfang liebt in Anführungszeichen?
2. Haben die drei Infinitive einschränken, gefangennehmen und kontrollieren eine
ähnliche Bedeutung?
3. Sind die Adjektive erwürgend, lähmend, erstickend, tötend Synonyme? Welche
haben eine positive, welche eine negative Bedeutung?
4. Erklären Sie den Bedeutungsunterschied: “von physischen bis zu psychischen
Quälereien” — “bis zu dem Augenblick”.
5. Heißt also im folgenden Satz endlich”, auf diese Weise oder folglich: “Keiner hat
den anderen schon, also wendet jeder seine Energie darauf, zu sein, daß heißt zu
geben und zu stimulieren”?
6. Worauf bezieht sich dies im folgenden Satz: “Wird Liebe aber in der Weise des
Habens erlebt, so bedeutet dies, das Objekt, das man “liebt”, einzuschränken,
gefangenzunehmen oder zu kontrollieren”?
7. Wer oder was ist schockierend im folgenden Satz: “Die Berichte über
Grausamkeiten gegenüber Kindern, von physischen bis zu psychischen Quälereien,
von Vernachlässigung und purer Besitzgier bis hin zu Sadismus, die wir in bezug
auf die letzten zwei Jahrtausende westlicher Geschichte besitzen, sind so
schockierend, daß man geneigt ist zu glauben, liebevolle Eltern seien die
Ausnahme, nicht die Regel”?
8. Was ist in diesem Satz das gleiche: “Für die Ehe gilt das gleiche: Ob sie auf Liebe
beruht oder, wie traditionelle Ehen, auf gesellschaftlichen Konventionen und Sitte
— Paare, die einander wirklich lieben, scheinen die Ausnahme zu sein”?
9. Von der Ausnahme von welcher Regel ist die Rede im vierten Abschnitt?
10. Finden Sie im Text den Satz: “Heute kann man in dieser Hinsicht ...”In
welcher Hinsicht?
11. “Häufig ändert sich mit der Eheschließung die Situation grundlegend.” Welche
Situation ändert sich?
Übung 4: Und nun beschäftigen wir uns mit dem Textinhalt. Die folgenden Fragen
sollen Ihnen helfen:
1. Welche Formen des Liebens werden in diesem Text dargestellt?
2. Was ist der Unterschied zwischen Liebe und Lieben?
3. Wie wirkt Lieben in der Weise des Seins?
4. Welche Konsequenzen hat die Liebe in der Weise des Habens für das Verhältnis
zwischen Eltern und Kindern und zwischen Eheleuten?
5. Was verstand man früher unter Liebe in der Ehe? (Vergleichen Sie die Ansichten
von E. Fromm mit denen im Text 2)
6. Wie sieht das Verhältnis zwischen Mann und Frau vor und nach der Eheschließung
häufig aus?
7. Was hält der Autor von der Ehe und von modernen Formen des Zusammenlebens?
Übung 5: Mit Hilfe dieser Fragen versuchen Sie nun, eine inhaltliche
Zusammenfassung des Textes zu geben.
Übung 6: Sind Sie mit Fromms Theorie einverstanden? Welche Betrachtungen des
Autors regen zur Diskussion an? Was nehmen Sie an, was würden Sie ablehnen?
Übung 7: Hier unten einige statistische Angaben zum Problem der Kinder in
deutscher Familie. Kommentieren Sie diese während der Lesung und vergleichen Sie
die Situation mit der in unserem Land!
—60 Prozent finden, daß berufliche Karriere und Anschaffungen am Anfang der
Ehe wichtiger sind. Nach einigen Jahren möchten sie dann vielleicht auch
Kinder haben.
(Nach “Themen neu” Kursbuch 2. Max Hueber Verlag, 1997)
Übung 8: Lesen Sie den Text. Dieser Text gibt Ihnen Informationen
Übung 9: Äußern Sie den Wunsch, etwas über die Themen zu erfahren, indem Sie
folgende Sprechmittel verwenden:
1) Ich hätte gern über ... erfahren 2) Ich möchte gern wissen, ...
Übung 10: Der folgende Beitrag gibt einen Einblick in die Gestaltung eines
ländlichen Hochzeitsfestes. Sie lernen hier nicht nur Traditionelles, sondern auch eine
Möglichkeit seiner modernen Gestaltung kennen. Hören Sie sich die dazugehörende
Tonbandaufnahme an und erzählen Sie, was Sie verstanden haben. Als Hilfe zum
besseren Verstehen benutzen Sie folgende Schlüsselwörter:
Polterabend (Polter = девичник) — eingehen (совершать) — prunkvolles
Brauchtum — Steingut (Keramik) — Aufgebot bestellen (объявление) —
triftige Gründe (уважительные) — die Ehe eingehen (объединиться) —
vernehmliches Ja (четкое, ясное “да”) — im Beisen (в присутствии) —
Heiratsregister — schiefgehen (идти вкривь и вкось, не получаться) — sich
zurückziehen — auf jeden Fall — der Trauschein (Heiratsdokument) — auf die
Dauer (надолго) — anschließende Feier — fortführen — der Segen
(благословение), geleiten (сопровождать) — das Ineinanderfügen der Hände
(соединение) — zusammenfügen (объединять) — das Schleppern (грохот) —
pachten (брать в аренду) — der Fladen (лепешка) — zu kurz kommen (быть
обойденным) — auftischen (подавать на стол) — kredenzen (подносить
вино) — verhutzeltes Weibchen (высохшая, дряхлая).
(Nach “Was feiert der Deutsche” Hochzeit im Odenwald.)
Übung 11: Lassen Sie sich von einem Kommilitonen über die Gestaltung und den
Gesamtlauf des Hochzeitsfestes im Odenwald interviewen.
Collage
Sprecher:
Eine Hochzeit wird gefeiert. Mit Polterabend, standesamtlicher, dann kirchlicher
Trauung und dem Hochzeitaessen als Mittelpunkt des Festes.
Sprecher:
Wo immer Mann und Frau heiraten, das heißt eine durch Recht und Sitte anerkannte
Lebensgemeinschaft eingehen, wird dies gewohnlich mit einem Fest, der Hochzeit,
gefeiert. Mit ihr ist weltweit ein reiches, ja mitunter prunkvolles Brauchtum verbun-
den, das je nach Kultur und Landstrich ganz unterschiedlich ist. Auch in unserem
Land gibt es bei den Hochzeitsbräuchen große Unterschiede.
118
Sprecher:
Im Grenzbereich der Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg liegt der
Odenwald. Am südlichen Rand befindet sich das kleine, alte Städtchen Beerfelden
und etwas außerhalb des Ortes der Hühnerhof der Familie Schwinn. Hier leben die
Verlobten Petra und Andreas. Andreas ist der älteste Sohn der Scheinns, 26 Jahre alt,
Agrartechniker. Petra Knapp ist 22, von Beruf Anwaltsgehilfin. Aber seit einem
halben Jahr lebt und arbeitet sie auf dem Hühnerhof der Schwinns.
Sprecher:
Der alte Hochzeitsspruch: Du bist mein, ich bin dein- für Petra und Andreas ist er in
nicht einmal einem Jahr Wirkichkeit geworden. Im Januar Kennenlernen in einer
Disco, im März Verlobung, im Sommer der Entschluß zu heiraten. Jetzt im
November findet das große Ereignis statt: die Hochzeit.
Poltergeräusche
Sprecher:
Es beginnt mit dem Polterabend, dem Junggesellenabschied. Verwandte und Freunde
kommen auf den Hof, zerschlagen Steingut oder Porzellan. Das soll den Brautleuten
Glück bringen. Am Ende des Polterns sollen sie die Scherben gemeinsam zusammen-
kehren - als Zeichen künftigen Ehefriedens.
Polterabend
Sprecher:
Nach dem Gepolter, Geschrei und Gelächter schließt sich ein Essen an, zu dem Braut
und Brautigam die Freunde einladen.
Andreas Schwinn:
Ich bedanke mich für den Dreck, den Sie gemacht haben und lade euch alle zur
Bahnhofswirtschaft ein zum Essen und Trinken.
Applaus
Sprecher:
Wer läßt sich das zweimal sagen, besonders in einer eiskalten Novembernacht. Bald
sitzen die Gäste dichtgedrängt an langen Tischen, essen, trinken, feiern mit den
Brautleuten ausgelassen den Abschied vom Jungesellenleben.
Gasthausatmosphäre
Sprecher:
Nach deutschem Recht kann jede Ehe nur vor dem Standesbeamten geschlossen
werden. Die standesamtliche Trauung muß der kirchlichen vorausgehen. So begeben
sich Petra und Andreas am nächsten Tag zu ihrer Eheschließung ins Standesamt im
Rathaus von Beerfelden. Vier Wochen zuvor hatten sie hier ihr Aufgebot bestellt.
Dieses Aufgebot ist der Hinweis auf eine bevorstehende Eheschließung. Es wird eine
Woche lang öffentlich ausgehängt. Dadurch erhält jedermann Gelegenheit, der Ehe
zu widersprechen, falls er triftige Gründe dagegen vorbringen kann.
Standesbeamter:
Verehrte Anwesende, sehr verehrtes Brautpaar. Ein bedeutsamer und feierlicher
Anlaß führt Sie heute hierher. Sie wollen die Ehe miteinander eingehen und Ihren
künftigen Lebensweg gemeinsam zurücklegen. In dieser Stunde treten Sie in einen
neuen Abschnitt Ihres Lebens ein. Es ist wohl Ihrer beider Wunsch, daß dieser
119
... und werdet fortan künftig als Mann und Frau euren Lebensweg gemeinsam gehen.
Für euch und für uns alle ist das ein Grund zur Freude. Denn es ist nicht gut, daß der
Mensch allein sei, sagt die Heilige Schrift. Und es ist etwas Schönes, Erfreuliches,
einen Menschen zu haben...
Sprecher:
Nach der Hochzeitsansprache des Pfarrers erfolgt der liturgische Höhepunkt der
Trauung: Der Pfarrer fragt die Brautleute nach ihrem Ehewillen, der Austausch der
Ringe, das Ineinanderfügen der Hände wird vorgenommen, und das Paar wird
gesegnet.
Pfarrer:
Herr, hilf! Herr, hilf! Herr, laß alles wohl gelingen! Amen. Nun frage ich vor Gott
dem Allwissenden und in Gegenwart dieser Zeugen dich, Andreas Schwinn, willst du
diese Petra, geborene Knapp, als deine Ehefrau аus Gottes Hand hinnehmen, sie
lieben und ehren, in guten und bösen Tagen sie nicht verlassen und alle Zeit die Ehe
mit ihr nach Gottes Willen führen bis der Tod euch scheidet, so antworte Ja.
Andreas Schwinn: Ja.
Pfarrer:
Vor Gott dem Allwissenden und in Gegenwart dieser Zeugen frage ich dich Petra,
geborene Knapp, willst du diesen Andreas Schwinn als deinen Ehemann aus Gottes
Hand hinnehmen, ihn lieben und ehren, in guten und bösen Tagen ihn nicht verlassen
und alle Zeit die Ehe mit ihm nach Gottes Willen führen bis der Tod euch scheidet, so
antworte Ja.
Petra Schwinn: Ja.
Pfarrer:
So tretet herzu, empfanget eure Ringe.
Pfarrer:
Rein wie das Gold sei eure Liebe und ohne Ende wie dieser Ring sei eure Treue. Nun
gebt euch die Hand. Nachdem ihr solches vоr Gott und den Zeugen bekannt und
darauf die Ringe empfangen habt, so segne ich euren ehelichen Bund im Namen des
Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Was Gott also
zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Der Friede des Herrn sei
mit euch alle Zeit. Amen.
Sprecher:
Glückwünsche aller Gäste beenden das feierliche Zeremoniell. Begleitet von
Orgelmusik bewegt man sich langsam zum Ausgang. Vor der Kirchentür warten viele
Kinder. Die Geldstücke und die Bonbons, die die Braut jetzt den Kindern zuwirft,
sollen Glück bringen. Hier steht auch das geschmückte Hochzeitsauto bereit, un die
Brautleute zur Hochzeitsfeier zu fahren. In das Geläut der Stadtkirche mischt sich das
Scheppern der Blechbüchsen, die der Wagen auf seinem Weg zum nahegelegenen
Restaurant hinter sich herzieht. Krach und Lärm haben schon immer zum Heiraten
gehört.
123
Sprecher:
Unter dem Applaus der Hochzeitsgesellschaft nimmt das Ehepaar einen tiefen
Schluck aus dem Pokal. - Das soll die beginnende Lebensgemeinschaft zum
Ausdruck bringen und weihen.
im Gasthaus
Sprесher :
Wie sehr sich die Zeiten ändern: Früher war der Hochzeitskuchen ein einfacher
Fladen oder bestenfalls ein Lebkuchen aus Mehl, Honig, Mandeln und allerlei
Gewürzen. Aber doch keine üppiqe Torte mit Sahne und Buttercreme wie sie jetzt
hereingetragen und vor das Brautpaar gestellt wird. Das Anschneiden des Kuchens
spielt eine große Rolle. Und so schneidet das Paar gemeinsam an und teilt jedem der
Gäste ein Stückchen davon aus.
Sprecher:
Damit keiner an diesem Tag zu kurz kommt, stehen Kuchen über Kuchen auf der
langen Hochzeitstafel. Die haben die Nachbarsfrauen gebacken und hierher gebracht,
ehe die Gäste eintrafen - als Zeichen der Gemeinsamkeit.
Sprecher:
Nach dem Kaffeetrinken, das bis in den späten Nachmittag hinein andauert, ist kaum
Zeit, sich zu zerstreuen. Denn schon beginnt das Hochzeitsessen.
Blumengeschmückte Platten mit feinstem Fleisch und Gemüse werden aufgetischt,
dazu Wein von Besten kredenzt. Jeder läßt es sich gefallen, und bald ist die
Stimmung auf dem Siedepunkt. Gewöhnlich ist das der Augenblick, wo die
Geschwister oder die besten Freunde der Brautleute diese mit einer Hochzeitszeitung
oder mit einem Stück, das sie gemeinsam aufführen, überraschen. Lustige und
wichtige Ereignisse aus dem Leben des jungen Paares werden in Gedichtform
dargestellt. Und hier ist es nicht anders. Die Schwester der Braut erhebt sich, bittet
um Ruhe, indem sie mit dem Messer ans Glas schlägt.
Schwester der Braut:
Also, wir haben zwar 'nen Brautvater und auch 'nen Vater vom Bräutigam. Aber
keiner hat 'ne Rede gehalten. Und deshalb hat die Schwester dran glauben müssen.
Sprecher:
Und hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Hochzeitsgedicht.
Schwester der Braut:
... Gedanken von der Schwester der Braut,
die verkündige ich jetzt ganz laut.
Wißt ihr noch, wie es war im März 1964 vor 22 Jahr'?
Gehofft haben die Eltern ganz beklommen,
ein Bub' möcht' zur Welt doch endlich mal kommen.
Doch meist kommt es anders als wie man sich's denkt,
Und so ein verhutzeltes Weibchen, die Petra, erblickte die Welt.
125
Kurze Zeit später verlassen die Eheleute die lustige Hochzeitgesellschaft. Morgen ist
auch noch ein Tag. Morgen, das heißt in nicht einmal fünf Stunden, beginnt ihre
Hochzeitsreise. Und die frohen, erwartungsvollen Mienen der beiden lassen sich
nicht besser beschreiben als mit einem Vers, den ein junger Mann einmal seiner
Zukünftigen dichtete: "Kein beßres Glück auf Erden, als Braut und Bräutigam zu
werden".
knapp, einige kurze Begrüßungsworte und nicht so ausgiebig. Erstens kann das
kaum jemand wirklich nett machen - alle Stationen von der Geburt an
unterhaltsam erzählen. Und irgendwie finden wir das auch nicht mehr so
zeitgemäß.
A. Sie sagte gleich, sie selbst sei nicht verheiratet, habe aber jetzt diesen Job, sei
also gar nicht so kompetent in dieser Sache. Deshalb wolle und könne sie uns
gar keine Ratschläge mit auf den Weg geben. Das alles hat die Stimmung
schon gelockert. Ihre Ansprache war sehr kurz, nur ein paar Worte, und dann
haben wir die Heiratsurkunde unterschrieben. Und die Eheringe getauscht.
Hochzeitsgeschenke
Claudia und Jürgen Linn (28/31, Ärzte, Niederkassel-Mohndorf):
"Dann haben wir die Geschenkeliste erstellt. Sie ist von meiner Mutter verwaltet
worden. Eigentlich sind wir damit recht gut gefahren: 95% der Leute haben aus dieser
Liste ein Geschenk ausgewählt. So haben wir doch fast nur Sachen bekommen, die
wir auch wirklich gebrauchen konnten, z.B. Porzellan, Haushaltssachen und alles
Mögliche. Das hat gut geklappt. Das machen aber im Grunde genommen fast alle so.
Es nimmt heutzutage auch keiner mehr Anstoß daran.
Für manche Geschenke hatten sich mehrere Gäste oder Bekannte zusammengetan,
denn auf unserer Liste waren ja Wünsche im Wert zwischen 10 und 150 Euro (z.B.
Mikrowelle) enthalten. Jeder konnte also auch entsprechend seines persönlichen
Finanzrahmens aussuchen und z.B. mehrere Teller für 30 Euro kaufen.
Wer sich nicht an so eine Liste halten will, braucht es auch nicht. Aber meist
bekommt man von diesen Leuten Geschenke, die man weiterverschenkt.
Am nächsten Tag, nach der Hochzeit, mußten wir erst mal die Geschenke auspacken.
Auch Buch führen: was von wem und so. Und natürlich die ganzen Danksagungen
schreiben, der Schriftkram und so. Das muß man schon gut durchorganisieren."
Wunschliste zur Hochzeit von Claudia und Jürgen:
• Porzellanservice (je nach Geldbeutel vom Salzstreuer bis zum kompletten
Kaffeeservice)
• Gläser (für Sekt, Weißwein, Rotwein etc.)
• von den Großmüttern: Erbstücke von Porzellan und Schmuck
• selbstgefertigte Portraits mit Rahmen
• Schnellkochtopf
• Bettwäsche
• eine Kiste Winzersekt
• Champagner
• Personenwaage fürs Bad
• Zitruspresse
• Mikrowelle
• ampingluftmatratze
• Friteuse
• Kerzenständer
• Eierkocher
• Pommes-Frites-Zange
128
aus. Ein Mozart-Trio. Klarinette, Fagott und Violine. Das war sehr schön. Eben
meine Lieblingssachen gespielt. Wir hatten auch Fürbitten selbst ausgesucht, die
dann die Trauzeugen vorlesen sollten. Und auch die einzelnen Gebete für den Ablauf
der Trauung. Bis auf die eigentliche Trauzeremonie und die Predigt hatten wir alles
selbst ausgewählt. Das war in einem kleinen Heft zusammengefaßt, und dieses
Programm lag auf jedem Platz in der Kirche, damit auch jeder mitlesen, mitsprechen
und mitsingen konnte. Bestimmt 10 Seiten. Vorn mit einem schönen Motiv drauf:
zwei Täubchen, die sich küssen. Nett gezeichnet, vorn auf dem Titelblatt. Mit zwei
Ringen, ineinander verschlungen. Wir hatten uns also wirklich viel Mühe gegeben.
Man mußte an so viele Kleinigkeiten denken: daß die Kirche geschmückt wird; daß
die Blumen vorher besorgt werden; daß die Musiker ihr Geld bekommen; daß ein
Extra-Fotograph bestellt ist, der nur die Bilder in der Kirche macht. Meine Eltern
hatten die ganze Trauung auf Kassette aufgenommen, nichts auf Video, sondern nur
auf Tonband - als Überraschung für uns, wir wußten das gar nicht.
Nach der Trauung, wenn man rauskommt, gratulieren ja alle Leute. Das dauert eine
Weile. Wir haben uns danach in Bewegung gesetzt und sind mit dem Auto nach
Königswinter gefahren, in einer langen Auto-Kolonne mit den Hochzeitsgästen."
Das Hochzeitsfest
Claudia und Jürgen Linn: "Das Besondere bei uns war: auf dem Rhein haben wir
dann auf einem Schiff gefeiert. Bei einer Dampferfahrt. Das Schiff hatten wir ganz
für uns gemietet, nachmittags und abends. Zuerst gab's was zu trinken und danach
Kaffee und Kuchen. Zu diesem Anlaß haben wir die Hochzeitstorte ausgeteilt. Jürgen
sprach einige Begrüßungsworte zu den Gästen, ganz offiziell. Im weiteren Verlauf
ging es ganz zwanglos zu. Wir hatten ja schönes Wetter, und so konnte jeder auf dem
Schiff herumgehen, während wir - zwischen vier und acht Uhr - auf dem Rhein
geschippert sind - hoch und runter. Um acht Uhr hat das Schiff angelegt und ist an
dieser Stelle geblieben. Wer nun mit Kindern da war oder eine weite Heimreise hatte,
konnte jederzeit gehen. Abends gab's Büffet, dazu hatten wir so einen Allein-
Unterhalter an Bord, der vom Band so Sachen gespielt hat. Da muß man sehr
aufpassen, daß man einen guten aussucht. Der ist uns empfohlen worden, wir waren
aber nicht so zufrieden mit ihm. Es war allerdings nicht weiter schlimm, denn unsere
Gäste haben derart viel Programm gemacht, mit Spielen und Überraschungen,
Einlagen etc., daß der Aliein-Unterhalter kaum zum Zuge gekommen ist. Immer nur
ganz kurz mal, zwei oder drei Lieder, auf die man tanzen konnte. Und danach hatte
schon wieder irgend jemand was vorbereitet. Das Brautpaar muß übrigens den
Eröffungswalzer tanzen - auch mit den Schwiegereltern. Ja, und so wurde halt
"geschwoft".
Uns ist das noch alles in bester Erinnerung, auch den Gästen, denn es war ja auch
etwas Besonderes mit dieser Dampferfahrt. Allerdings sind zwei Leute auch seekrank
gewesen, die haben es weniger vertragen. Sie konnten aber schnell nach oben an
Deck... Ich denke, irgendwie versucht jeder, aus einem solchen Fest ein klein bißchen
was Besonders zu machen - sei es mit der Örtlichkeit, oder mit einer ganz tollen
Band. Je mehr Hochzeiten man bei anderen miterlebt hat, umso mehr bekommt man
einen Blick dafür, ob sich die Leute da reingekniet haben oder ob es so auf die
130
Schnelle absolviert worden ist. Manche überlassen auch viel ihren Freunden. Da weiß
man aber nicht so genau, ob alles klappt - das hängt dann sehr vom Bekanntenkreis
ab. Wichtig ist auch, daß man viele junge Leute einlädt. Das macht für die ganze
Stimmung schon sehr viel aus. Nur mit Verwandtschaft und vielen Älteren, und
vielleicht gar noch alle mit einer festen Tischordnung - das wird wesentlich steifer
und nicht so nett. Es sei denn, man hat einen guten Allein-Unterhalter oder eine gute
Band, die das wieder rausreißt. Das habe ich auch schon erlebt."
Hochzeitsreise ("Flitterwochen")
Claudia und Jürgen Linn: "Die Hochzeitsreise steht bei uns immer noch aus. Wir
hatten am 4. September geheiratet und am 1. September den Schlüssel zu unserem
Haus bekommen, das wir in diesem Jahr gekauft hatten. Statt Flitterwochen also
Baustellen-Arbeit. Das ganze Haus umgebaut. Geplant war, entweder mit dem
Wohnmobil die Schweizer Seen abzuklappern. Oder ein Zelturlaub durch Italien. An
der Adria runter und an der Riviera wieder hoch. 4 Wochen etwa. Das werden wir
eines Tages nachholen. Nach dem Standesamt hatten wir zwei Tage Urlaub
genommen, einen Abend waren wir in der Oper, am nächsten ein Stadtbummel durch
Köln, und danach noch e|n schönes langes Wochenende."
Kleine Geheimnisse machen die Ehe spannend, meinen die einen. Sie sind ein
Vertrauensbruch, die anderen. Alles eine Frage des Fingerspitzengefühls, sagen
Psychologen.
Fast den ganzen Frühling über hütete Helga S. (34), Hausfrau aus Berlin, vor ihrem
Mann ein kleines Geheimnis: Jeden Morgen, wenn sie einkaufen ging, lächelte ihr
der junge Verkäufer aus der Drogerie durchs Schaufenster zu. Es war ein gutes
Gefühl zu wissen, daß jugendliche Typen noch solche Blicke für sie hatten. Ende Mai
aber wurde das verschwörerische Flirtspiel plötzlich verfänglich: Eines Vormittags
stand der sympathische junge Mann nicht im Laden, sondern davor - und drückte der
Überraschten eine rote Rose in die Hand. Ob sie nicht einen Kaffee mit ihm trinken
wolle?
Rasch redete Helga S. sich damit heraus, daß sie zu sehr in Eile sei. So wurde sie
zwar den Verehrer fürs erste los, nicht aber ein mit der Rose aufgetauchtes Problem:
Durfte sie zu Hause weiter schweigen? Würde ihr Mann, wenn er davon erfuhr, es
nicht als Vertrauensbruch werten, wenn sie auch jetzt noch so tat, als sei nichts
geschehen? Gewissenskonflikte entstehen: In der weiblichen Seele geraten
Harmoniebedürfnis (nur kein Streit!) und Ehrlichkeit (ich will ihn nicht belügen),
Egoismus (das ist meine Sache!) und Verantwortungsgefühl (er hat ein Recht darauf,
alles zu erfahren) in einen oft unlösbaren Konflikt. Das Ergebnis sind häufig
Fehlreaktionen mit fatalen Folgen.
Der US-Ehetherapeut Arnold Lazarus, Autor des Bestsellers „Fallstricke der Liebe",
warnt: „Die totale Offenheit entpuppt sich schnell als totale Belastung, das Ego des
Partners wird angekratzt, seine Seele schmerzt - oft ohne ernsthaften Grund." Der
Hamburger Psychologe Michael Thiel rät dagegen: „Geheimnistuerei ist für eine Ehe
genauso gefährlich, denn sie schockiert und kränkt den Partner" - oft mehr, als ihn die
Lappalie geärgert hätte, die frau ihm verschwieg.
Das Problem ist so alt wie die Ehe - Mythos und Historie bieten Beispiele in Fülle:
Die schöne Helena verschwieg ihrem Ehemann Menelaos die heimlichen
Annäherungsversuche des Paris. Dadurch ermutigt, entführte der Prinz die Königin -
der wütende König entfesselte den Trojanischen Krieg.
Maria von Brabant wagte aus lauter Angst vor ihrem jähzornigen Ehemann Ludwig
von Bayern nicht, auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen, daß ein junger
Ritter sie beim Schachspiel gebeten hatte, ihn zu duzen. Als der Herzog durch Zufall
davon hörte, glaubte er, sie habe nur geschwiegen, weil sie in Wahrheit noch viel
mehr zu verbergen habe, und ließ die Unschuldige als Ehebrecherin enthaupten.
Katharina Howard versäumte es, ihrem königlichen Bräutigam eine voreheliche
Affäre mit dem hübschen Höfling Thomas Culpepper zu beichten. Als die Sache nach
der Hochzeit herauskam, wurde die Schöne zum Henker geschleift - der zornige
Ehemann war niemand anderes als der britische Blaubart Heinrich VIII.
132
Aber auch Geständigen drohen Nachteile: Maria Callas berichtete ihrem Ehemann
Battista Meneghini, daß sie mit Onassis geflirtet habe - wutentbrannt trennte sich der
Industrielle daraufhin sofort von ihr und verweigerte der Operndiva aus Rachsucht
sieben Jahre lang die Scheidung. Zwei Ratschläge aus reicher Lebenserfahrung: „Ein
Test für die Ehe ist die gegenseitige Respektierung von Geheimnissen", meint
Marcello Mastroianni. Schauspielerin Claudia Cardinale behauptet: „Die Ehe
funktioniert am besten, wenn beide Partner nicht immer alles voneinander wissen."
Faßt man die Erkenntnisse der Psychologie zusammen, lautet die Antwort auf die
Frage „Wie viele Geheimnisse braucht eine Ehe?": genau so viele, wie jeder der
beiden Partner auch beim anderen billigt.
(Für Sie, 10/ 95).
Die traditionelle Familie
Papa und Mama - natürlich verheiratet - mit ein bis zwei Kindern: Das ist die
traditionelle Form der deutschen Familie der letzten Jahrzehnte. Nach diesem "Ideal"
strebt immer noch der Großteil der Bevölkerung. In Bayern gaben sich im letzten Jahr
60.000 Paare das Ja-Wort. Und auch wenn 28.000 bayerische Ehen Jahr für Jahr
wieder geschieden werden, so sind die meisten Paare mit dem Wunsch, Kinder zu
bekommen und eine kleine, klassische Familie zu gründen vor den Traualtar getreten.
1,4 Kinder hat eine solche Familie im Durchschnitt. In Deutschland leben derzeit
über 35 Millionen Menschen in dieser Familienform, 44 Prozent der
Gesamtbevölkerung.
Änderung der Rollenverteilung
Eine wesentliche Veränderung hat sich bei der traditionellen Familie im Laufe der
Jahrzehnte jedoch ergeben: Während früher die Frau meist als Hausfrau und Mutter
für das häusliche Wohl der Kinder und des Ehemanns sorgte, gehen die heutigen
Familienmütter häufig arbeiten. Sobald die Kinder in den Kindergarten kommen,
suchen sich viele Frauen einen Halbtagsjob, um ihren Beitrag zu den
Familienfinanzen zu leisten.
Im Gegenzug machen mittlerweile auch Väter von ihrem Recht auf Erziehungsurlaub
- heute Elternzeit genannt - Gebrauch. Doch die Zahl derjenigen Männer, die eine
Arbeitspause für die Kinderbetreuung einlegen, ist mit zwei Prozent sehr gering. Seit
Anfang 2001, als die Reform des Bundeserziehungsgeldgesetzes in Kraft getreten ist,
haben Väter noch eine andere Chance, mehr Zeit mit ihrem Nachwuchs zu
verbringen: Sie haben einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit.
Auch sonst hat die traditionelle Familie eine gute rechtliche Absicherung: Vom
Unterhaltsrecht bis hin zum Sorgerecht für die Kinder sind in dieser Familienform die
gesetzlichen Regelungen am umfangreichsten.
Die Großfamilie
Hier leben mehrere Generationen unter einem Dach: Großeltern, Eltern und eine
ganze Reihe Kinder, oft auch noch Geschwister mit ihren gesamten Familien oder der
alte Großonkel wohnen unter einer Adresse. Diese Lebensform hat die beste Chance
auf Harmonie, wenn genügend Raum vorhanden ist.
Gegenseitige Toleranz ist Pflicht
Früher fand man diese Gemeinschaften öfter: Bevor die Familien in die Städte zogen,
133
waren Großfamilien in ländlichen Gegenden völlig normal. Oft waren sie auf
Bauernhöfen anzutreffen, auf denen jede helfende Hand benötigt wurde. Heute sind
solche großen Familienverbände seltener geworden - und wenn man sie findet, dann
meist so: Jede Generation lebt in ihrem eigenen abgeschlossenen Bereich, das
Zuhause ist in mehrere separate Wohnungen unterteilt. In solchen vielköpfigen
Familien herrscht meist ein gut funktionierender Generationenvertrag: Die Oma hütet
das Enkelkind, dafür kocht die Tochter für die älteren Hausbewohner das Mittagessen
mit, die größeren Kinder gehen für den alten Onkel Einkäufe machen.
Doch bei all der gegenseitigen Hilfestellung und dem Zusammenhalt: Eine solch
große Familie braucht viel Toleranz und Rücksicht, denn jedes Mitglied bringt eine
eigene Persönlichkeit, verschiedenste Charakterzüge und Bedürfnisse mit in das
System Großfamilie.
Die Einelternfamilie
"Allein erziehend" - war vor einigen Jahrzehnten noch ein Fremdwort und wurde sehr
negativ beurteilt. Heute ist es eine alltägliche und auch vom Gesetz beachtete
Familienform. Sieben Prozent aller Deutschen leben in einer "Zwei-Personen-
Familie", in der Mutter und Kind (seltener Vater und Kind) den Alltag miteinander
meistern. Diese Konstellation, die vor allem in den ersten Jahren oft große
Belastungen mit sich bringt, ergibt sich aus den unterschiedlichsten Gründen: Die
Eltern haben sich scheiden lassen bzw. getrennt, sie haben noch nie zusammengelebt
oder ein Elternteil ist gestorben.
Voraussetzung: Gute Nerven und Organisationstalent
Die Erziehung eines Kindes alleine zu übernehmen, stellt besonders hohe
Anforderungen: Zunächst bedeutet die Betreuung eines Kindes ohne Partner
zweifelsohne eine große psychische und körperliche Belastung. Berufstätige
Alleinerziehende müssen wahre Organisationsgenies sein: Kinderkrippe, Babysitter,
Tagesmutter, Hort, Mittagsbetreuung -all diese Einrichtungen sollen den allein
erziehenden Mamis und Papis im täglichen Spagat zwischen Job und Familie helfen.
Und trotzdem müssen sie dabei oft sehr flexibel sein. Und gute Nerven beweisen ...
Eine weitere Sorge: Allein erziehende Mütter oder Väter geraten oft in finanzielle
Schwierigkeiten. Nicht selten wird für das Kind nicht einmal der übliche
Regelunterhalt durch den anderen Elternteil des Kindes geleistet. So werden
Einelternfamilien schnell zu Sozialhilfeempfängern - zumindest solange die Kinder
noch klein sind und die Arbeit nicht wieder aufgenommen werden kann.
Patchwork-Familie
Ein "Fleckerlteppich" aus mehreren verschiedenen Familien - das ist die Patchwork-
Familie. Ein neuer Begriff für eine neue Art des Zusammenlebens: Wie ein bunter
Teppich setzen sich diese Familien auf den ersten Blick aus zufällig
zusammengewürfelten Personen zusammen. Die Eltern - die vielleicht gar nicht
verheiratet sind - haben mehrere Kinder, wobei vielleicht nur eines ein gemeinsames
ist. Die anderen wurden vom Vater und/oder der Mutter aus der ersten Ehe
mitgebracht. So oder so ähnlich sieht diese Familienform aus, zu der nach Angaben
des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden bereits rund 15 Prozent aller deutschen
Familien mit Kindern gehören - Tendenz steigend.
Doch diese Mischung bereitet auch Probleme: Oft sitzt der Trennungsschmerz der
134
Kinder von der "Ur-Familie" noch so tief, dass die neue Frau oder der neue Mann
abgelehnt wird. Neben dem Schmerz, sich von einem Elternteil trennen zu müssen,
muss das Kind dann auch noch mit neuen Menschen - oft auch mit als Konkurrenz
empfundenen Stiefgeschwistern - zurechtkommen. Vertrauen in die neue
Familiensituation zu fassen fällt manchen schwer. Auch die Erwachsenen können in
Stresssituationen geraten: Eine neue Beziehung zum Partner und den Stiefkindern
muss aufgebaut werden, der Kontakt zum ExPartner muss für den gemeinsamen
Nachwuchs gepflegt werden und oft kommen Gewissenskonflikte gegenüber den
eigenen Kindern dazu.
Dennoch hat die neue Familienform nach Ansicht von Psychologen und Pädagogen
durchaus auch Vorteile. Nicht selten bringen Kinder aus Patchwork- oder
Fortsetzungs-Familien ein höheres Maß an sozialer Kompetenz mit. So lernen sie
etwa von ihren "neuen" Eltern, die beide eine Trennung durchgemacht haben, leichter
Kompromisse zu schließen. Von der Politik wird die neue Familienform nach wie vor
stiefmütterlich behandelt. Auch nach der Reform des Kindheitsrechts von 1998 wird
die Patchwork-Familie gegenüber der Kernfamilie benachteiligt. Wenn ein Partner
auch für Kinder Verantwortung übernehmen will, die nicht mit ihm blutsverwandt
sind, muss er oder sie individuelle Verträge aufsetzen, die ein Sorgerecht festlegen.
Kinderloses Ehepaar
Doppelverdiener ohne Kinder - das klingt nach Luxus pur. 24 Prozent der Deutschen,
also über 22 Millionen Menschen in der Bundesrepublik, leben in Familien ohne
Kinder. Jeder dritte Erwachsene bleibt heute kinderlos, einige gewollt, sehr viele
leiden jedoch unter dem fehlenden Nachwuchs. Mit fast allen Methoden versuchen
Millionen von Ehepaaren, eigene Kinder zu bekommen. Doch natürlich gibt es auch
die Menschen, die zwar eine Ehe eingehen, jedoch keinen Kinderwunsch hegen.
Die Paare, die sich bewusst gegen Kinder entschieden haben, genießen nicht selten
finanziellen Wohlstand, gelten als besonders konsumfreudig, machen Karriere oder
verfolgen einen anderen Lebenstraum. Sie sind eben kinderwunschlos glücklich.
Wilde Ehe
Rund zwei Millionen Paare leben in Deutschland ohne Trauschein, in fünf Prozent
der bayerischen Privathaushalte (fast 300.000 Lebensgemeinschaften) findet man
solch "wilde Ehen". Jede vierte bayerische eheähnliche Gemeinschaft hat ein oder
mehrere leibliche Kinder. An sich leben diese Familien meist wie die traditionellen
Familien zusammen. Doch weil der Trauschein fehlt, gibt es einige rechtlichen
Unterschiede.
Knackpunkt: Fürsorge im Fall einer Trennung
Das Bundesverfassungsgericht hat die so genannten eheähnlichen
Lebensgemeinschaften als "gegenseitige Verantwortungs- und
Einstehensgemeinschaft", die über eine bloße Haushalts- und
Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht, definiert. Eine Gleichstellung mit der Ehe
erfolgte bisher allerdings nicht. Nicht verheiratete Paare können zwar seit dem Jahr
1970 auch ohne Trauschein für die leiblichen Kinder sorgen, doch gibt es noch keine
Möglichkeit, eheähnlichen Partnerschaften eine rechtliche Absicherung zu geben, wie
die Fürsorge im Fall einer Trennung aussehen soll. Und einen weiteren rechtlichen
Knackpunkt gibt es: Ist ein Paar nicht verheiratet, hat im Fall einer Trennung der
135
KINDERBETREUUNG
Vorbilder im Ausland
136
Die meisten dänischen Mütter gehen ein halbes Jahr nach der Geburt wieder zur
Arbeit. Nur so lange dauert der Erziehungsurlaub, die Arbeitsplatzgarantie wird
höchstens um weitere sechs Monate verlängert. Ziel der Regierung ist es, jedem Kind
ab sechs Monaten einen Platz in einer Vuggestue, einer Kinderkrippe, zu garantieren.
Wo dieses Ziel noch nicht erreicht ist, hilft der Staat auf andere Weise: Er bezahlt
Mütter oder Väter, die mit dem eigenen Baby auch fremde Kinder betreuen. In
Kopenhagen gehen 80 Prozent der Kinder im Alter zwischen einem und zwei Jahren
in eine Vuggestue, die meist von sieben bis 17 Uhr geöffnet sind. Der Staat trägt den
Löwenanteil der Kosten, die Eltern übernehmen mit rund 500 Mark im Monat ein
Drittel.
Mit drei Jahren wechseln die Kleinen in den Kindergarten, mit fünf beginnt die
Vorschule. Bereits um sieben Uhr können Eltern den Nachwuchs im Fritidshjem, ei-
nem Jugendhort, abliefern. Erst wird gefrühstückt, dann bringt der Hort-Pädagoge die
Kinder zur Schule. Nach Schulschluss wechseln sie wieder ins Fritidshjem.
Auch in Frankreich ist es völlig normal, dass Eltern ihre Kinder den ganzen Tag
weggeben. Der Staat hat ein fast lückenloses Betreuungssystem aufgebaut. Vor
Beginn der Ecole maternelle (ab 2,5 Jahren) werden die Kinder entweder in der
Creche (Krippe) versorgt oder durch eine staatlich zugelassene Tagesmutter. Kosten:
rund 130 Franc (40 Mark) pro Tag. Der Staat übernimmt die Sozialversicherung.
Im Alter von zweieinhalb Jahren können Kinder die Ecole maternelle, eine Mischung
aus Kindergarten und Vorschule, besuchen, vom dritten Lebensjahr an sind Plätze
garantiert. Der Besuch (8.30 bis 17 Uhr) ist kostenlos. Eltern können die Kleinen
schon vor Beginn der offiziellen Zeiten in einen Hort geben und abends länger dort
lassen.
Mit dem sechsten Lebensjahr beginnt die Schulpflicht. Alle Schulen sind
Ganztagsschulen (9 bis 17 Uhr). Grundschüler können vor und nach dem Unterricht
in den Hort gehen (bis 19 Uhr, in Großstädten sogar länger). Für die älteren Kinder
bieten die Schulen nach 17 Uhr Hausaufgabenbetreuung.
Bernd Hauser/Astrid Dellwig
(Stern 10/2001)
viel zu aufgeregt. Als ich dann vor meiner Abteilung stand, wäre ich am liebsten
wieder umgekehrt. Aber dann kam Carolin. Sie nahm mich im wahrsten Sinne des
Wortes an die Hand, führte mich überall herum und stellte mich allen vor. Wenig-
stens Carolin ist noch da - außer ihr kenne ich kaum noch jemanden. Wieviel sich
doch in den drei Jahren verändert hat! Statt in Einzelbüros arbeiten jetzt alle in einem
Großraumbüro, und jeder hat einen Computer. An richtiges Arbeiten war allerdings
heute noch nicht zu denken. Hoffentlich erwarten sie nicht von mir, daß ich mich mit
allem auskenne, bloß weil ich eigentlich keine richtig „Neue“ bin.
DER 2.TAG
Mein erstes Kundengespräch. Herr Wischnewski konnte sich tatsächlich noch an
mich erinnern und hat sich sehr gefreut, mich wiederzusehen. Marlies, eine neue
Kollegin, mußte mir bei dem Gespräch zwar assistieren, weil ich mit einigen neuen
Abrechnungs-Vorgängen noch nicht vertraut bin, aber es lief ganz gut Schon
komisch: Sie ist fünf Jahre jünger als ich und erst seit zwei Jahren in dem Job.
Trotzdem weiß sie besser Bescheid als ich. Hätte ich keine Babypause eingelegt,
wäre ich jetzt vermutlich ihre Vorgesetzte.
DER 5. TAG
Die erste Woche ist geschafft. Ich bin ziemlich stolz auf mich. Aber auch ganz schön
ausgepowert - ich könnte im Stehen schlafen. Dabei gibt es noch jede Menge zu tun:
einkaufen, putzen, bügeln. Unglaublich, was im Haushalt alles liegengeblieben ist.
Außerdem will ich soviel Zeit wie möglich mit Julian verbringen. Der Kleine soll
nicht mehr als nötig unter meiner Arbeit leiden. Obwohl, es scheint ihm bei seiner
Tagesmutter zu gefallen. Als ich ihn gestern abholen wollte, wäre er am liebsten noch
dageblieben und hätte weiter, mit den anderen Kindern gespielt Das hat mir schon
einen Stich versetzt. Von wegen, alles sei eine Frage der Organisation! Mein
schlechtes Gewissen läßt sich nicht wegorganisieren.
DER 13. TAG
Es ist schon etwas ganz anderes, arbeiten zu gehen oder daheim zu sein. Allein die
Sache mit den Klamotten. Nicht, daß mir mein Aussehen vorher egal gewesen wäre.
Aber man zieht sich doch ganz anders an, wenn man den ganzen Tag mit einem
Kleinkind verbringt. Jetzt muß ich mir jeden Abend überlegen, was ich morgen zur
Arbeit anziehe. Ich benutze nicht nur Lippenstift, sondern auch wieder Mascara. Mir
tut es gut, mich mal wieder um mich zu kümmern. Gerd auch. Er hat mir gestern das
erste Mal seit langem ein großes Kompliment gemacht und sich auffallend
interessiert danach erkundigt, wie denn so meine männlichen Kollegen sind.
Julian hat schlimme Alpträume. Im Job unterlaufen mir blöde Fehler. Am liebsten
würde ich alles hinschmeißen.
fürchterlich aufgeregt. Schließlich hatte ich überhaupt keine Ahnung, was sie von mir
wollte. Sie sagte mir, daß sie sehr zufrieden mit meiner Arbeit sei. „Ich weiß. Sie
habe ein Kind zu versorgen. Um so bemerkenswerter finde ich Ihr Engagement!“ Ich
habe mich wahnsinnig über ihr Lob gefreut. Zudem hat sie mich mit einer neuen
Aufgabe betraut. Ich soll mir ein neues Organisationssystem für die Abteilung
überlegen. „Bei Ihren Fähigkeiten halte ich Sie für die geeignetste Person hier.
Außerdem kennen Sie den Betrieb schon lange“, hat sie gesagt.
DER 93. TAG
Wieder ein Rückschritt. Ich mußte meiner Abteilungsleiterin mitteilen, daß ich den
Termin für die Abgabe meines Konzepts um eine Woche verschieben muß. Eigent-
lich wollte ich am Wochenende noch etwas tun, aber da hat Gerd sich quergestellt.
Wir haben uns richtig in den Haaren gelegen deswegen. Nachdem wir uns eine
Stunde angebrüllt haben und ich mit den Nerven wieder einmal völlig fertig war,
habe ich plötzlich gemerkt, wie geschafft ich eigentlich bin. Gerd hat recht. Ich habe
mir wohl wieder mal zuviel zugemutet. Ich bin nun einmal eine Perfektionistin. Und
es fällt mir schwer, einzugestehen: Es geht nicht, alles 100prozentig gut zu erledigen.
DER 100. TAG
„Wie schaffst du das bloß alles?" hat mich Carolin heute gefragt, als ich sie zu
Julians Kindergeburtstagsparty eingeladen habe. Zehn Kinder sollen kommen, dazu
noch ein paar Freunde und Verwandte. Und mein Organisations-Konzept für die
Abteilung ist auch endlich fertig geworden - meine Abteilungsleiterin war begeistert.
Ja, wie schaffe ich das alles eigentlich? Wenn ich über mein tägliches Pensum
nachdenke, wird mir selbst ganz schwindelig. Hätte mir vor 100 Tagen jemand ge-
sagt, wieviel Streß die Rückkehr in den Job bedeutet - ich glaube nicht, daß ich den
Schritt gewagt hätte. Es gibt viele Momente, in denen ich mich in die Zeit zurück-
sehne, als ich noch allein Hausfrau und Mutter war. Andererseits: Ich will nicht mehr
zurück. Ich möchte keines von beidem mehr missen. Auch wenn es bedeutet, daß ich
mich oft wie zwischen den beiden Welten zerrieben fühle und manchmal abends so
erschöpft bin, daß ich wegen jeder Kleinigkeit in Tränen ausbreche. Es ist nicht
gerade der einfachste Weg, den ich mir ausgesucht habe. Aber einen anderen könnte
ich mir jetzt gar nicht mehr vorstellen.
140
Teil I.
1. Einführendes Wortgut
a)
1. sympathisch 48. feinfühlig 92. unberechenbar
2. beharrlich 49. witzig 93. wählerisch
3. charakterfest 50. temperamentvoll 94. lebensmüde
4. selbstlos 51. ehrfürchtig 95. keck
5. uneigennützig 52. brüderlich 96. gefräßig
6. selbstaufopfernd 53. opferwillig 97. selbstbewusst
7. nüchtern 54. diskret 98. dreist
8. gutmütig 55. bereitwillig 99. misstrauisch
9. entschlossen 56. gerecht 100. argwöhnisch
10. zielbewusst 57. human 101. mutlos
11. aufrichtig 58. zuvorkommend 102. kokett
12. anständig 59. hilfreich 103. stuf
13. vernünftig 60. liebenswürdig 104. vertrauensselig
14.rücksichtsvoll 61. liebevoll 105. demütig
15. großherzig 62. lustig (ein Spaßvogel, 106. tollkühn
16. gerade ein Spaßmacher) 107. widerspenstig
17. heiter 63. klug (ein kluges Haus, 108. aufbrausend
ein
18. lebhaft Gelehrtes Haus, eine 109. launenhaft
Leuchte)
19. arbeitsam 64. patriotisch 110. launisch
20. selbstkritisch b) 111. kapriziös
21. gesellig 65. unsympathisch 112. wetterwendisch
22. ausgeglichen 66. unschlüssig 113. gleichgültig
23. redlich 67. schüchtern 114. verzärtelt (ein
Muttersöhnchen)
141
c) 173. arglistig
126. charakterlos 174. heimtückisch
127. charakterschwach 175. hinterlistig
128. nachlässig 176. unaufrichtig
129. schlampig 177. verleumderisch
130. fahrlässig 178. grausam
131. willenlos 179. herzlos
132. eitel 180. hämisch
133. halsstarrig 181. lächerlich
134. hochmütig 182. geschmacklos
142
Übung 1. Lesen Sie aufmerksam das Einführende Wortgut. Übersetzen Sie ins
Russische und schreiben Sie die unbekannten Wörter und Redewendungen in Ihr
Vokabelheft.
143
Übung 3 . Nennen Sie alle sinnverwandten Wörter; zeigen Sie anhand von Beispielen
Unterschiedliches in der Bedeutung und stilistischen Schattierung der aufgezählten
Wörter:
schüchtern, frech, grob, dünkelhaft, beharrlich, selbstlos, nachlässig, lustig,
halsstarrig, gemein, ehrlich, schmeichlerisch, beschränkt, rücksichtsvoll, faul,
egoistisch, mutig, mitleidig, milde, witzig, jähzornig, misstrauisch, bereitwillig,
launisch, opferwillig, vorlaut, hinterlistig, klug, heldenmütig.
Text N 1.
Übung 1. Lesen Sie den Text und übersetzen Sie ins Russische.
2. Der reine Ph1egmatiker ist ein träger, wenig lebhafter, kalter Mensch.
Ruhe und Bedächtigkeit gehen dem Phlegmatiker über alles. Er ist an richtigen
Platz in solchen Berufen, die keinen Feuergeist, dafür eine ruhige Hand erfordern.
Seine ruhevolle Bedachtsamkeit, seine Treu und Zuverlässigkeit sollen rund genug
sein, ihm einiges von seinem Phlegma nachzusehen.
19. der von sich eine bescheidene Meinung hat, sich nicht geltend zu machen sucht,
anspruchslos ist?
20. der weder sorgsam, noch sorgfältig ist?
21. der alles leicht nimmt und entsprechend handelt?
22. der der Arbeit abgeneigt ist, sich gern auf die Bärenhaut legt, der Trägheit
hingibt?
23. der stets wankt, ohne Stetigkeit und Festigkeit, hin und her schwankt?
24. der die Arbeit liebt, gern und unverdrossen arbeitet?
25. der immer zum Nachgeben bereit ist?
26. der gern und viel redet?
27. der ohne Umschweife und Umwege aufs Ziel losgeht, rückhaltlos und offen, aber
auch zuweilen rücksicits1os, derb und plump ist?
28. der leicht in Zorn gerät?
29. der immer etwas fordert oder berechtigt zu sein glaubt, etwas zu fordern?
30. der sich gern anderen Menschen anschließt?
31. der die anderen meidet?
32. der aus dem Hinterhalt einen Streich gegen jemanden führt, (ein Mensch von
boshafter Gesinnung)?
33. der häufig lügt?
34. der geradsinnig ist, der sich so äußert, wie er denkt?
II. 1) Was fällt Ihnen an dem Mann auf? Passt das alles zusammen?
2) Wie ist es mit seinem Gesichtsausdruck?
3) Wie interpretieren Sie den?
4) Welche Tageszeit ist es wohl?
5) Woher könnte er kommen?
148
6) Wohin fahren?
7) Wie sehen Sie das Vernalten der anderen?
8) Ist jemandem von Ihnen schon etw. Ähnliches passiert? Hat jemand
schon etwas Ähnliches gesehen?
z.B.: Nach der Hypothese "Der Mann kommt vom Bahnhof, er ist im
Schlafwagen ausgeraubt worden" schreiben Sie eine Geschichte, Betiteln Sie so:
"Die Nacht im Zug".
Übung 2. Hören Sie den Text und kreuzen Sie an, was richtig ist:
a) sehr aktiv
b) uniteressiert
c) faul und bequem
d) müde und erschöpft
2. Von welchen Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen, spricht der Mann?
149
Musik hören
schlafen
fernsehen
neue Menschen kennenlernen
Kino besuchen
ins Ausland reisen
Sport treiben
zu Hause arbeiten
im Bus Spazierenfahren
wandern
Übung 3. Hören Sie den Text noch einmal und verbinden Sie die Sätze, die
zusammengehören:
1. Abends ist er kaputt und ausgelaugt a) weil er nicht gern in der Kälte wartet.
2. Beim Aufstehen ist er immer müde, b) weil er sich eigentlich nicht leisten kann.
3. Er bleibt lieber zu Hause vor dem Fernseher, c) weil er am Montag ja wieder die harte Arbeit
beginnt.
4. Er fühlt sich als neuer Mensch, d) aber die Vorbereitungen sind ihm zu aufwendig.
5. Er unternimmt nicht viel, e) weil er nicht gut schlafen kann.
6. Er geht nicht ins Kino, f) weil er hart anpacken muß.
7. Wer meint, dass das Sport frei macht, g) aber er hat Angst vor der Rückkehr.
8. Das Wochenende ist am schlimmsten für ihn, h) weil er da in Ruhe sein Bier trinken kann.
9. Er hat keinen Sinn, am Sonntag rauzufahren, i) der belügt sichnur selbst.
10. Er würde schon gern mit Kumpels Urlaub machen, j) wenn er sich umgezogenund geduscht hat.
11. Ein Urlaub in Spanien oder Portugal würde ihm k) weil er nicht weiß, wie er die Zeit totschlagen
gefallen, soll.
12.Als Kind war er mit der Familie in Urlaub, l) wenn er sich zu Hause gemütlicht macht.
Übung 3.
Rollenspiel: Suchen Sie sich einen Partner. Schlagen Sie ihm ein interessantes
Programm vor. Überzeugen Sie ihn, obwohl er wenig Lust hat. Notieren Sie sich
Argumente:
Vorschläge: Argumente:
VI.
Übung 1. Aus den in Klammern angegebenen Wörtern ist jeweils dasjenige
herauzusuchen, das am besten zum ganzen Stück paßt. Wenn Sie Möglichkeit
haben, vergleichen Sie die eigene Lösung mit dem Urtext. Aber zuerst lesen Sie die
ganze Übung durch.
Präsident Feisler.
Der Präsident des Volksgerichtshofs, der höchste Richter im deutschen Lande zu
jener Zeit,Feisler, hatte das (Aussehen, Antlitz) eines (gebildeten, ausgebildeten)
Mannes. Er war nach der Terminologie des Werkmeisters Otto Quangel, ein
(gewählter, feiner) Herr. Er wußte seinen Talar mit (Hochmut, Anstand, Dünkel) zu
tragen, und das Barett verlieh seinem Haupt (Anstand, Würde), saß nicht (unsinnig,
sinnlos) angeklebt darauf wie auf vielen andern Köpfen. Die Augen waren
(gescheit, klug),aber (kalt, eisig). Er hatte eine hohe, schöne Stirn, aber der Mund
war (niederträchtig, gemein), dieser Mund mit den (harten, grausamen,
mitleidlosen) und doch (begehrlichen, vollüstigen) Lippen verriet den Mann, einen
(Nascher, Lüstling), der alle Genüsse dieser Welt gesucht hatte und der stets
anderedafür hatte zahlen lassen.
Und die Hände mit ihren langen, knotigen Fingern waren (gemein, niedrig), Finger
wie die Krallen eines Geiers - wenn er eine besonders verletzende Frage stellte, so
krümmten sich diese Finger, als wühlten sie ihm Fleisch des Opfers. Und seine Art
zu sprechen war (bestialisch, gemein): dieser Mann konnte nie (ruhig, geruhsam)
und (ungefärbt, sachlich) sprechen, er hackte auf seine Opfer los, er beschimpfte sie,
er sprach mit schneidender Ironie. Ein (bösartiger, gemeiner) Mensch, ein
(schlimmer, schlechter) Mensch.
(H. Fallada "Jeder stirbt für sich allein")
Schwach und ... von Natur, übt er sich, .., zu scheinen, weil in seiner Vorstellung
Bismark es war. Und mit unberechtigter Berufung auf einen noch Höheren wird
er ... und unsolide. Kein Zweifel: die Siege seiner Eitelkeit werden geschäftlich
Zwecken dienen.
(H. Mann "Der Untertan")
__________________________________________________________________
__
lärmend, eisern, mutlos, gewöhnlich, friedfertig.
b) Der Mann am Steuer hatte inzwischen all seinen ... verloren; ..., die Lippen
zusammengepreßt, saß er vorbeugt da, das Rennfieber hatte ihn gepackt, und
plötzlich hing die ... seines Lebens davon ab, um keinen Preis gegen den Kläffer
neben sich klein beizugeben.
Wi r dagegen hockten scheinbar ... auf unseren Sitzen. Der Buick existierte für
uns gar nicht. Köster blickte ... auf die Straße, ich schaute ... in die Luft; und
Lenz, obschon er ein Bündel ... war, zog seine Zeitung hervor und tat, als ob
es nichts Wichtigeres für ihn gäbe, als gerade jetzt zu lesen.
(E.M. Remarque „Drei Kameraden“)
__________________________________________________________________
__Ehre, Hochmut, Spannung, ruhig, gleigültig, ärgerlich, geiangweilt.
Teil II.
Text N 2.
Übung 1. Machen Sie sich mit diesem Text bekannt!
Doktor Quint
Die Pfeifer waren ihrem Arzt aus tiefstem Herzen zugetan, und heimlich
bewunderten und verehrten sie ihn, wenn sie auch unter sich nie anders als mit
einer Art von duzbrüderlicher Nachsicht von ihm sprachen und sich über manche
seiner Eigentümlichkeiten weidlich lustig machten. Sie nannten ihn nur den Alten,
und wenn er mit ihnen scherzte, auf seine Weise wohlwollend und erbarmungslos
zugleich, oder sie gar für ihre Standhaftigkeit lobte, so lächelten sie mit
niedergeschlagenen Augen und wussten vor verlegenem Stolz nichts zu erwidern.
Der Alte, oder Doktor Quint, wie er eigentlich hieß, kam stets in einem
blendendweißen Ärztemantel daher, der nach Stärke und nach einem scharfen Essig
roch und unter dem die streng gebügelten Hosen eines englischen Anzuges
hervorsahen. An den Füßen trug er bunte Seidenstrümpfe und Halbschuhe aus
glänzendem Lackleder. Gerne ließ er dazu eine Krawatte aus leuchtendroter Seide
sehen; er bevorzugte diese Farbe, weil sie, wie er sagte, allen Bonzen ärgerlich
war. Wegen einer gewissen Neigung zur Aufsässigkeit in dienstlichen
Angelegenheiten und seiner zur Schau getragenen Nichtachtung allen
Gamaschenwesens war er bei den vorgesetzten Behörden der Klinik nicht gut
angeschrieben; aber da er Ungewöhnliches leistete und seine ganze starke Person
bis zur Erschöpfung in den Dienst an den Kranken und Getroffenen einsetzte, so
hatte es bei einigen sehr vorsichtig abgefassten Verweisen gegen ihn sein Bewenden.
Er war bei schmalem und bleichem Gesicht von ungemein breitschultriger und
gedrungener Gestalt, und alle Schwestern und Pflegerinnen erröteten, wenn er, die
Hände in die Taschen seines Mantels gesenkt, mit schnellen, federnden Schritten
durch die Korridore daherkam.
Seine Augen waren groß und von dunklem Feuer; aber sie standen völlig
schief zueinander, und darum verdeckte er eines davon gerne mit dem
lichtversammelnden Hohlspiegel, den er zu seinen Untersuchungen benötigte und
ohne den er sich selten innerhalb der Kliniken zeigte. Saß er mit diesem Instrument
vor den Verwundeten, so schien er mit dem Spiegelauge noch zu prüfen und zu
beobachten, während das andere seitwärts in eine Ferne schweifte, als Sinne er schon
153
über neue Methoden der Heilung nach, und die Pfeifer vertrauten fest darauf. Darum
spotteten sie wie nach einer geheimen Übereinkunft niemals über seine Augen.
Doktor Quint hatte Kräfte wie ein Riese. Er betrieb zu seiner Erholung das
Stemmen und Hochreißen von zentnerschweren Gewichten und das sportgerechte
Hantieren mit eisernen Kugeln und Scheiben von erschreckendem Umfang. Gern
zeigte er sich den Pfeifern in diesen Künsten, bevor er sie operierte. Mit
grenzenlosem Vertrauen hielten sie danach den Messern stille.
Solchen Kräften Doktor Quints entsprach der Umfang seiner Stimme.
Gemeinhin sprach er zwar nicht übermäßig laut, doch vergnügte er sich zuweilen
damit, die Schwestern in Furcht und Schrecken zu versetzen, indem er urplötzlich
über der Arbeit gewissermaßen zu trompeten anhub. Gewöhnlich erschien er nicht
lange danach auf den Gängen draußen und trug gelassenen Schrittes und aus den
Augenwinkeln lächelnd einen frisch Operierten wie eine Puppe quer auf den Armen
vor sich her, während die Schwestern halb erheitert und halb verstört mit einer
leeren Rollbahre hinter ihm drein fuhren. Zu diesem Manöver pflegte er sich die
schwersten und stämmigsten Verwundeten der Belegschaft auszusuchen, die er dann
in ihre Decken gebündelt und noch tief schlafend von den Dämmergiften behutsam
auf ihr Lager bettete.
Bei anderen aber war ihm das Schreien verhaßt. Es gebe keinerlei Grund, zu
wimmern und zu schreien, verkündigte er darum vor schmerzhaften Eingriffen an
Unbetäubten; er verbitte es sich geradezu; denn im ganzen genommen werde die
Sache vollkommen schmerzlos verlaufen. Ein einziger böser Augenblick sei
allerdings nicht zu vermeiden, den wolle er vorher ansagen; dann könne gebrüllt
werden. Gewöhnlich saßen dann die Opfer ohne einen Laut und hielten still, bis er
plötzlich die Messer und Zangen in die Schale warf, den Hohlspiegel aus dem Auge
rückte und, über die Schulter nach dem nächsten ausspähend, erklärte, dass alles
vorüber sei.
Zu den Pfeilern aber sagte er: Schreien! Schreien! hielt sie bei den Schultern
fest wie in einer Umarmung und presste ihnen mit unerbittlicher Gewalt die
schmerzhaften Rohre zwischen den Narben hindurch, und sie liebten ihn dafür.
Alverdes (leicht gekürzt)
Merken Sie sich fett gedruckte Vokabeln und bilden Sie mit ihnen Sätze!
gelungenen Operation seinen Schützling auf muskelstarken Armen selbst über die
langen Flure trägt. . .“ (Richtig herausgearbeitet und wohlgeformt dargestellt!)
Übung 4. Vergleichen Sie Ihre Beurteilung mit der schon verfassten Charakteristik.
Dr. Quint ist ein Arzt, der in das Lazarett der Schwer- und
Schwerstverwundeten paßt: Behutsam wie eine Mutter, zart wie ein junges
Mädchen, rauh, grob und herrisch wie ein alles in den letzten Kampf werfender
Feldherr. Widerborstig stellt er sich gegen seine Vorgesetzten, spielt den „Roten“
in konservativen Kreisen, erhebt Forderungen hoher Opferwilligkeit und erfüllt selber
die höchsten.
Die Verwundeten und Kranken und ihre Heilung, das bedeutet sein Lebens er
fühlt all ihre Schmerzen mit, bereitet ihnen größere, heißere um der Genesung willen,
an die er sie glauben gelehrt hat, „und“, so schließt Alverdes ein Kapitel, „sie liebten
ihn dafür“.
Sie liebten ihn, ob er ihnen das Schreien verbot oder befahl, sie ertrugen sein
Messer in der glücklichen Erwartung seiner Anerkennung; sie nannten den kaum
älteren Mann den „Alten“ und gaben ihm damit einen Namen tiefer, verhaltener
Zärtlichkeit. Der Alte! Das heißt: Der Donnerer und Brüller und der heimlich
Lächelnde; das Original, der Komische und der doch schlechthin Anerkannte und
Bewunderte; das heißt: Chef des Hauses, Vater der Getroffenen, Mutter der zuinnerst
Wunden und der Soldaten-Kinder, Helfer, Retter, Starker! Das alles ist Dr. Quint und
ist es ihnen.
Wie andere Arzte trägt er den Kittel blendend weiß, die Bügelfalte streng und
scharf; aber eine kleine, fast liebenswürdige Eitelkeit findet ihren Raum: Dr. Quint
liebt Lackschuhe und bunte seidene Strümpfe; die gleiche Selbstgefälligkeit lässt ihn
einen körperlichen Makel, das schielende Auge, auch zu ungewöhnlicher Zeit hinter
dem Hohlspiegel verbergen. Doch was bedeuten diese menschlich verständlichen
Schwächen, zu denen auch die knabenhafte Lust gehört, die Schwestern des Hauses
durch eine künstliche Donnerstimme zu erschrecken! Sie fallen ab von dem Mann,
der im Glück einer gelungenen Operation seinen Schützling auf muskelstarken
Armen selbst über die langen Flure trägt und den „von den Dämmergiften noch tief
Schlafenden behutsam auf sein Lager bettet“.
gesamten Wesen erfasst hast, gehst du am besten aus von ihrer — nennen wir es:
Charaktermitte, auf die ja letztlich Einzelzüge und auch Einzelmerkmale bezogen
sind. Das ist in unserem Beispiel der Arzt Quint, dessen Lebenssinn die Heilung
seiner Kranken ist, wie der Verfasser der Charakteristik sagt. Und deshalb steht die
Wirkung Doktor Quints auf seine Umwelt an erster Stelle, sowohl der Reihenfolge
als der Wirkung nach.
Machen Sie sich, gerade an diesem Beispiel, die Mühe, die Reihenfolge:
Merkmale, Charakterzüge, Wirkung — jeweils zusammengestellt — peinlich
einzuhalten, und Sie werden feststellen, wie durch so eine scheinbar äußerliche
Änderung das Beste an unserer Charakteristik verloren geht!
Text N 3.
Übung 1. Machen Sie sich mit diesem Text bekannt!
Wunderschöne Geschichten könnte ich von Marlene erzählen, aber die eignen
sich nicht für Life. Sie hatte zwar nichts dagegen, und auch ich nicht. Aber es gibt
Leute, die etwas dagegen hätten. Marlene stellt ihre eigenen Lebensregeln auf, doch
der Maßstab, den sie dabei an Benimm und Anstand der Mitmenschen legt, ist
nicht weniger streng als derjenige der ursprünglichen zehn Gebote.
Das ist es wahrscheinlich, was sie geheimnisvoll macht: dass eine so schöne
und begabte Frau, die tun kann, was sie will, nur tut, was sie für unbedingt richtig
hält, und dass sie so klug und mutig war, die Regeln aufzustellen, die sie befolgt.
Sie hat ein gutes literarisches Urteil, und ich bin nie glücklicher, als wenn ich
etwas geschrieben habe, das ich gut finde, und sie liest es und es gefällt ihr auch. Da
sie sich in den Dingen auskennt, über die ich schreibe — Land und Leute, Leben
und Tod, Fragen der Ehre und des Verhaltens -gebe ich mehr auf ihr Urteil als auf
das mancher Kritiker. Da sie sich in der Liebe auskennt und weiß, sie ist entweder
vorhanden oder nicht, gebe ich da mehr auf ihr Urteil als auf das der Professoren. Ich
finde nämlich, sie versteht mehr von der Liebe als sonst jemand.
Mary, meine Frau, bewundert Marlene und hält sie für eine der famosesten
Frauen auf der Welt. Auch sie könnte Geschichten von ihr erzählen, sagte aber, sie
wolle es lieber dabei bewenden lassen.
Ich weiß jedenfalls, dass ich Marlene noch nie sehen konnte, ohne dass sie mir
zu Herzen ging und mich glücklich machte. Falls Sie dadurch geheimnisvoll wird, ist
es ein schönes Geheimnis. Es ist ein Geheimnis, von dem wir schon lange wissen.
Übung 2. Teilen Sie den Text in einzelne Teile ein und betiteln Sie sie.
Wie verhält sich der Autor zu M. Dietrich? Beweisen Sie es mit dem Kontext!
Welche Charaktereigenschaften besitzt M. Dietrich? Nennen Sie die und finden
Beweise aus dem Text.
Kann man sagen, dass sie ein Ideal ist? Warum? Welche Charaktereigenschaften von
Marlene gefallen Ihnen nicht? Warum?
Text N 4.
Übung 1. Lesen Sie die Kalendergeschichte von Bertolt Brecht:
b) Beschreibt der Autor sein Lieblingstier oder jemanden noch? Wie würden Sie
den Text betiteln, wenn Sie direkt ohne Anderssage den Grundgedanken zum
Ausdruck bringen möchten?
c) Versuchen Sie selbst einige Argumente zu deuten:
- „Wo dieses Tier war, führt eine breite Spur“.
- „Sein Rüssel führt einem enormen Körper auch die kleinsten Speisen zu, auch
Nüsse“.
- „Seine Ohren sind verstellbar: Er hört nur, was ihm passt“ .
- „Er wird auch sehr alt“.
- „Überall ist er sowohl beliebt als auch gefürchtet“.
- „Er hat eine dicke Haut, darin zerbrechen die Messer“.
- „Er stirbt im Dickicht“.
- „Er ist grau und fällt nur durch seine Masse auf“.
- „Er ist nicht essbar“.
- „Er tut etwas für die Kunst: Er liefert Elfenbein“.
d) Finden Sie Textstellen, wo „logische Widersprüche“ offenbar sind? Wie nennt
man in der Stilistik diese Stilfigur? Was will der Autor durch die Gegenüberstellung
von zwei Spracheinheiten unterstreichen?
e) Finden Sie im Text alle Ephiteta, die die Hauptfigur positiv charakterisieren.
Gibt es negative Eigenschaften?
f) Liebt B. Brecht einen idealen Menschen? Beweisen Sie Ihren Gedanken!
g) Wie verläuft im Text die Gedankenentwicklung (linear, parallel, sprunghaft).
Wie sind die Sätze? Welche Wirkung üben solche Sätze aus? Für wen ist diese Art zu
sprechen typisch?
h) Wie verstehen Sie zwei letzte Äußerungen? Was hat „Herrn K-s Lieblingstier“
etwas mit der Kunst zu tun?
Übung 4. Fassen Sie zusammen, welchen Menschen Herr K. liebt. Verwenden Sie
dabei typische für die Menschen charakterisierende Adjektive. Wodurch
unterscheiden sich Ihr Bericht und die Kalendergeschichte von B. Brecht?
Zuweilen kann ich mich nicht leiden—wie einem das schon mal bei Menschen
geht, mit denen man ununterbrochen zusammen sein muss. Es fällt mir dann schwer,
noch irgendein gutes Haar an mir zu finden.
Meine schlechten Eigenschaften sind zahlreich und nicht umstritten.
Ich bin nicht edel. Bücher schreibe ich nicht, um die Menschen zu verbessern,
sondern um Geld zu verdienen. Ob ich auch dann schreiben würde, wenn ich genug
Geld hätte, kann ich nicht beurteilen, da ich noch nie genug Geld gehabt habe.
Ich bin faul. Wenn ich einen ganzen Tag hindurch nichts tue, habe ich nicht
eine einzige Sekunde Langeweile und nicht ein einziges Mal das Bedürfnis zu
arbeiten.
159
Ich habe keine Willenskraft. Bis zum heutigen Tage habe ich noch nicht
einmal den Versuch gemacht, mir das Rauchen abzugewöhnen. Den Vorwurf, nicht
mit Geld umgehen zu können, weise ich zurück. Man kann nicht mit etwas
umgehen, das man nicht hat. Zu meiner unentwickelten Willenskraft gehört auch,
dass ich mich durch fröhliche Bekannte jederzeit von der Arbeit abhalten lasse und
mich selten aufraffen kann, unangenehme Briefe zu schreiben.
Anständige Menschen haben eine unerschütterliche „Liebe zum Volk“. Bei
mir ist diese Liebe jedes Mal verblichen, wenn ich mit der Straßenbahn gefahren bin.
Wahrscheinlich bedienen sich erfolgreiche Politiker nur noch des Autos, um ihre
Liebe zum Volk stark und frisch zu erhalten.
Am leichtesten lässt sich etwas dauerhaft lieben, wenn man nicht in
Berührung damit kommt.
Ich bin inkonsequent. Zum Beispiel verabscheue ich gewisse Klatsch- und
Skandal-Berichte in gewissen Zeitschriften — aber ich lese sie.
Ich spreche über andere Leute. Ohne mich entschuldigen zu wollen, möchte
ich in diesem Zusammenhang feststellen, dass ich noch nie auf das sagenhafte
Geschöpf gestoßen bin, von dem behauptet wird: er (sie) spricht nie über andere.
Über Leute, die ich nicht leiden kann, spreche ich schlecht und finde das
Thema erleichternd und unterhaltend.
Ich bin vollkommen unsportlich. Ich hasse es, auf Berge zu steigen, Kanäle
zu überqueren, Boxkämpfen beizuwohnen und verstehe vom Fußballspiel noch nicht
mal genug, um erfolglos im Fußball-Toto mitspielen zu können.
Da ich nicht sportlich bin, bin ich auch nicht abgehärtet. Edle Menschen
schwärmen von klaren Frostnächten und reiner Schneeluft, von deutschem Regen und
Nebel in Wald und Stadt. Wenn‘s nach mir ginge, wäre das ganze Jahr Sommer und
ewig blauer Himmel, und die Sonne würde Tag und Nacht scheinen. Es genügt mir
bereits, im Kino auf der Leinwand Wolkenbrüche und Schneestürme zu sehen, um zu
frieren und mich unbehaglich zu fühlen.
Ich bin auch nicht naturverbunden, wie ein wertvoller Mensch das zu sein
hat. Ich mache mir nichts daraus, Kühe zu melken und Rüben zu ernten, lese ungern
Bauernromane und lebe für die Dauer lieber in der Stadt als auf dem Lande.
Ich bin feige. Unter anderem habe ich eine panische Angst vor: Sprengstoffen,
Beamten mit Aktenmappen (die nur uniformierten sind meistens weniger tückisch),
wilden Pferden, Revolvern (auch ungeladenen), Spinnen, Nachtfaltern, Lokal-
Patrioten, Zimmervermieterinnen, und Fanatikern mit und ohne Weltanschauung.
Ganz große Angst habe ich vor Krieg und Atombomben und unterhalte mich
furchtbar gern mit Leuten, die aus sicherster Quelle wissen, dass ein Krieg unter gar
keinen Umständen kommen kann und Atombomben niemals fallen werden.
Trotz der moralischen Verpflichtung, die der Frauenüberschuss einem jeden
(oder jeder?) von uns auferlegt, habe ich—von wenigen Ausnahmen abgesehen —
Männer lieber als Frauen. Meine Gründe dafür sind mannigfaltig. Ich selbst möchte
kein Mann sein. Der Gedanke, dann eine Frau heiraten zu müssen, schreckt mich.
Ich bin neugierig. Zwar will ich nicht wissen, wann die Frau von gegenüber
einen Kuchen bäckt, aber ich fühle mein Interesse erwachen und meinen Wortschatz
sich bereichern, wenn die Leute nebenan einander verprügeln und beschimpfen.
160
Merken Sie sich fett gedruckte Vokabeln und bilden Sie mit ihnen Sätze!
MANIEREN UND DAS ÄUSSERE DES MENSCHEN
- die Stirn: eine hohe, offene, gewölbte, fliehende, niedrige, breite, hohe,
gedankenreiche, dreiste, freche, finstere, kühne Stirn; es standen ihm Schweißperlen
auf der Stirn, der Schweiß stand ihm auf der Stirn (rannte ihm von der Stirn); sich die
Stirn wischen; er strich sich über die Stirn; das Haar aus der Stirn kämmen
(streichen); die Stirn falten (runzeln); sich vor die Stirn schlagen (wenn plötzlich ein
erleuchtender Gedanke kommt)
- die Nase: eine dicke, große, lange, stumpfe, spitze, breite, krumme, gebogene,
gerade, rote Nase; die Stupsnase, die Himmelfahrtsnase, die Hakennase; sich die
Nase schneuzen (putzen, wischen); die Nase blutet mir; übertr.: ich habe die Nase
voll [(fam.) genug]; sie trägt die Nase hoch-(vor Stolz); die Nase über jmdn, etw.
rümpfen; er steckt die Nase in alles, in jeden Dreck, in jeden Quark [hinein (fam.)];
geh nur (immer) der Nase nach! (geradeaus); jmdn an der Nase herumführen
(nasführen); durch die Nase reden (bei Schnupfen); jmdm etw. vor der Nase
wegschnappen; der Zug fuhr ihm vor der Nase weg; jmdm die Tür vor der Nase
zuschlagen
- das Auge: große, graue, blaue, braune, schwarze, schöne, klare, blanke, trübe,
gutmütige, treue, sanfte, verliebte, glänzende, strahlende, blitzende, offene, falsche,
verweinte, verquollene, feuchte, nasse, entzündete, rote Augen haben; die Augen
öffnen, aufschlagen; übertr.: die Augen nieder, zu Boden schlagen, senken (vor
Scham); die Augen rollen (vor Wut); (große) Augen machen (staunen), die Augen
(weit) aufreißen (vor Verwunderung); jmdm Augen, Äugelchen machen (liebäugeln,
162
kokettieren); er war ganz Auge; ich habe es mit eigenen Augen gesehen; die Augen
schließen, zumachen, zutun (zum Schlaf oder im Tode); vier Augen sehen mehr als
zwei; ich traute meinen Augen nicht, kaum (war überrascht); wkr sehen"die Sache
mit ganz ändern Augen an; er162ist mIr ein Dorn Im Auge; jmdn, etw. ins Auge
fassen; das fällt, sticht, springt in die Augen (fällt auf); jmdm etw. vor Augen halten,
bringen; die Augen von jmdm abwenden (um ihn nicht mehr zu sehen); jmdn, etw.
nicht aus den Augen lassen, verliereN; jmdm die Augen öffnen über etw.; endlich
gingen ihm die Augen auf; auS dem Auge, aus dem Sinn; jmdm Sand in die Augen
streuen (seinen urteilenden Blick trüben); er kann mir nicht in die Augen sehen
(scheint ein schlechtes Gewissen zu haben); um deiner schönen Augen willen tut er's
nicht; ich muss es dir unter vier Augen sagen; es fiel mir wie Schuppen von den
Augen (ich sah klar); wir mussten ein Auge, beide Augen zudrücken (Nachsicht
üben)
- weitsichtig, kurzsichtig
- die Augenbraue, die Wimper, das Lid, der Augapfel die Pupille
- die Wange: volle, dicke, runde, frische, rote, blasse, eingefallene, glühende,
errötende Wangen; ein Kuss (ein Schlag) auf die Wange; das Blut stieg ihr in die
Wange, jmdm die Wangen streicheln
- das Ohr: gute, schlechte, taube Ohren; kleine, große, ; abstehende, anliegende,
spitze, erfrorene Ohren; die Ohren ( schmerzen (brennen), die Ohren sind rot; auf
beiden Ohren taub sein (schwer hören); übertr.: die Ohren spitzen (aufmerksam
lauschen); sich hinter den Ohren kratzen; die Wände haben Ohren (hinter der Wand
steckt ein Lauscher); sich etw. hinter die Ohren schreiben (um sich’s gut zu
merken); jmdm einen Floh ins Ohr setzen (ihm etw. Beunruhigendes einreden);
jmdm etw. ins Ohr sagen (flüstern); bis über die Ohren (ganz und gar) verliebt sein,
rot werden, in Schulden stecken; es ist mir zu Ohren gekommen (ich habe gehört,
dass. . .); das ging zu dem einen (einem) Ohr hinein, zum andern (wieder) hinaus (so
schnell wurde es vergessen)
- der Mund: ein kleiner, großer, schöner, häßlicher, breiter, sinnlicher, offener
Mund; übertr.: mit offenem Mund (erstaunt) dastehen; einen großen Mund haben
(vorlaut sein); den Mund halten (schweigen); an jmds Mund hängen (gespannt
lauschen); den Mund auf dem rechten Fleck haben (redegewandt, schlagfertig sein);
jmdn auf den Mund, in den Mund küssen; den Finger auf den Mund legen (zum
Zeichen, dass geschwiegen werden soll); etw. aus jmds Mund hören; das Wasser läuft
einem im Mund zusammen; des Künstlers Name ist in aller Munde (ist sehr bekannt);
aus, von der Hand in den Mund leben; jmdm nach dem Munde reden (so wie er es
hören will); die Nachricht ging rasch von Mund zu Mund; (sich) kein Blatt vor den
Mund nehmen (offen sprechen)
- das Kinn: ein glattes, spitzes, energisches Kinn; das Kinn auf die Hand stützen; das
Doppelkinn
- der Bart: den Bart schneiden, rasieren, stutzen, (sich) den Bart wachsen lassen, der
Schnurrbart; bärtig; schnurrbärtig; übertr.: das ist ein Streit um des Kaisers Bart (um
Unwesentliches); so ein Bart (eine alte Geschichte)
- die Haut: feine, weiche, harte, runzlige, zarte, reine, fleckige, blasse Haut; übertr.:
er kam mit heiler Haut (unverletzt, unbestraft) davon; sich auf die faule Haut legen
163
(nichts tun); ich möchte nicht in seiner Haut stecken (an seiner Stelle sein); er musste
seine Haut zu Markte tragen (riskieren); er ist bloß noch Haut und Knochen
(abgemagert)
- das Haar: blondes, braunes, helles, schwarzes, schlichtes, krauses, lockiges Haar;
die Haare waschen, schneiden, stutzen, ondulieren, wachsen lassen; die Haare fallen
ihm aus; übertr.: er hätte uns am liebsten mit Haut und Haaren (völlig) (auf)gefressen,
verschlungen (iron.); vor Schreck standen, stiegen ihm die Haare zu Berge; sie lagen
sich dauernd in den Haaren (stritten sich); dieser Vergleich (dieses Beispiel) ist an,
bei den Haaren herbeigezogen (gekünstelt); ihm wurde kein Haar, Härchen gekrümmt
(nichts zuleide getan); sein Leben hing an einem Haar; um ein Haar (beinahe) hätte er
sich geschnitten
- der Hals: ein dicker, fetter, magerer, kurzer, langer, schlanker, steifer Hals; sie hat
einen schönen Hals; er geht immer mit bloßem Hals; übertr.: die Liebenden fielen
einander um den Hals (umarmten einander); sie warf sich ihm an den Hals (drängte
sich ihm auf); Hals über Kopf (überstürzt) fliehen; den Hals brechen (tödlich
verunglücken); Hals- und Beinbruch
- der Arm: den Arm reichen, ausstrecken, sinken lassen, brechen, verrenken; die
Arme verschränken; das Kind auf den Arm nehmen; das Kind auf dem Arm tragen;
am Arm führen; in den Armen; Arm in Arm; übertr.: jmdm unter die Arme greifen
(helfen)
- die Hand: eine große, kleine, breite, schmale, fleischige, knochige, rauhe, zarte,
zitternde, verstümmelte Hand; die Hand geben, reichen, drücken, schütteln, falten,
ballen, küssen; die Hand nach etw. ausstrecken; die Hand (zur Abstimmung)
(er)heben; den Kopf in. die Hand stützen; in die Hände klatschen; mit bloßen
Händen; mit der Hand winken; die Handschuhe von den Händen abstreifen; die
Hände vor Freude (vor Kälte) reiben; linker Hand; übertr.: sich mit Händen und
Füßen gegen etw. sträuben; die Hände in den Schoß legen; etw. an, bei der Hand
haben; jmdn auf den Händen tragen; Hand in Hand gehen; um die Hand eines
Mädchens anhalten
- der Daumen, der Zeigefinger, der Mittelfinger, der Ringfinger, der kleine Finger
Übung 1. Nennen Sie Adjektive, die sich mit folgenden Hauptwörtern verbinden
lassen. Vergleichen Sie die eigene Antwort mit dem „Einführenden Wortgut":
das Gesicht, die Haltung, das Äußere, der Kopf, die Nase, der Mund, das Haar, die
Haut, der Hals, die Stirn, das Auge, der Fuß, die Miene, das Ohr, die Wange, das
Kinn, die Beine, die Hand.
Übung 2. Nennen Sie Hauptwörter, die sich mit folgenden Adjektiven verbinden
lassen. Vergleichen Sie die eigene Antwort mit dem „Einführenden Wortgut":
schlank, hübsch, hager, mager, plump, linkisch, feist, groß, anziehend, abstoßend,
ansprechend, klein.
164
Übung 3. Welche Bewegungen (Tätigkeiten) kann man mit Arm, Kopf, Ohr, Nase,
Gesicht, Stirn, Haar, Hals, Hand vollbringen? Vergleichen Sie die eigene Lösung mit
dem „Einführenden Wortgut".
Übung 4. Welche Bewegungen (Tätigkeiten) kann man mit Arm, Kopf, Ohr, Nase,
Gesicht, Stirn, Haar, Hals, Hand vollbringen? Vergleichen Sie die eigene Lösung mit
dem „Einführenden Wortgut".
ganz Ohr sein, ganz Auge sein; mit bloßem Kopf, mit bloßen Augen, mit bloßen
Händen, mit bloßen Füßen; das Gesicht verziehen; er zog eine saure Miene, er verzog
keine Miene; er strich sich über die Stirn, er strich das Haar aus der Stirn; sich vor die
Stirn schlagen, sich an die Stirn schlagen; ich habe die Nase voll, ich habe eine volle
Nase; aus den Augen verlieren, Zeit verlieren; beide Augen zudrücken, die Augen
schließen; den Atem anhalten, um die Hand eines Mädchens anhalten.
Text 1.
1. Worüber lachen wir? Was bewegt uns, sich über etwas lustig zu machen?
Überlegen Sie und führen ihre eigenen Beispiele, die Sie als komische
Situationen betrachtet werden können!
166
unvereinbar, ihnen feindlich ist. Die Bloßstellung dessen, was dem Ideal
widerspricht, das Erkennen dieses Widerspruchs ist bereits die Überwindung des
Schlechten und die Befreiung von ihm. Darin besteht auch die erzieherische Kraft des
Lachens, das sowohl im Leben als auch in der Kunst durch das Komische
hervorgerufen wird.
Jä gefährlicher jedoch eine negative reale Erscheinung für das Ideal ist, um so
schwieriger ist es für den Menschen, sie geistig zu besiegen und um so weniger kann
man über sie lachen.
In der Tat lachen wir über die Torheit, die Zerstreutheit, über die
Ungeschicklichkeit und andere Fehler und Schwächen eines Menschen, sofern sie
nicht für ihn selbst und seine Nächsten gefährlich sind, sofern sie keine ernste Gefahr
für die Gesellschaft darstellen.
Wenn wir in der von uns abgelehnten Erscheinung etwas Furchtbares, Gräßliches,
Gemeines erblicken, schließt die sarkastische Einstellung zu dieser Erscheinung
beziehungsweise ihre satirische Darstellung in der Kunst die heitere Reaktion des
Lachens aus. So löst die Satire in den grotesken Radierungen Goyas weder ein
Lächeln noch ein Lachen aus, sondern vielmehr das Gefühl der Ablehnung, der
Empörung, der Verachtung, der Entrüstung.
Zwei Erscheinungsformen des menschlichen Scharfsinns - Scherz und Sarkasmus-
treffen wir überall, sowohl in den täglichen Wechselbeziehungen zwischen den
Menschen als auch in Sprichwörtern, Redensarten, Anekdoten, juristischen
Plädoyers, als auch in der wissenschaftlichen Polemik und in der Publizistik.
Gegenstand des Scherzens sind Schwächen und kleine Fehler eines im Prinzip guten
Menschen, das heißt solche Eigenschaften, die dem Ideal nicht entsprechen. Eine
sarkastische Einstellung dagegen wird bei uns durch das Niedrige und das Lasterhafte
im Menschen hervorgerufen, das heißt durch das, was dem Ideal widerspricht, es
bedroht, was ihm gefährlich" ist.
Dor Scherz ist freundschaftlich und wohlwollend, er kann fröhlich und traurig
sein, jedoch nie verletzend und kränkend, zum Unterschied von dem bei weitem nicht
freundschaftlichen, nicht wohlwollenden, sondern vernichtenden Sarkasmus.
fühlen: Wem gebe ich zuerst die Hand? Wann kann ich mich setzen? Gerade in
solchen Situationen ist es sehr wichtig, wenn Ihr Kind Bescheid weiß.
Wie lernt mein Kind „gute“ Manieren?
Das Kind wird die Manieren zeigen, die es zu Hause kennen lernt.
Die Eltern dienen auch in Bezug auf Umgangsformen als Vorbild. Bedanken sich die
Eltern nicht, wird sich das Kind nicht bedanken. Schmatzen die Eltern bei Tisch, wird
das Kind auch schmatzen.
Mit Drill oder Phrasen wie: „Mit vollem Munde spricht man nicht.“ wird man
(insbesondere bei Jugendlichen) auf wenig Verständnis stoßen. Um Umgangsformen
wie Rücksichtnahme oder Hilfsbereitschaft zu verinnerlichen, brauchen Kinder und
Jugendliche Einsicht: Ein Kind zu zwingen, Umgangsformen zu zeigen, die es nicht
gut findet, wird keinen langfristigen Erfolg zeigen. Fordern Eltern in der
Öffentlichkeit ein anderes Benehmen von ihrem Kind, als sie selbst vorleben, wird
das Kind verwirrt. Plötzlich soll es sich anders verhalten als es dies ständig sieht. Es
lernt zwar, sich in manchen Situationen in einer bestimmten Art und Weise zu
benehmen. Diese Manieren sind aber nicht verinnerlicht und erscheinen künstlich.
Gutes Benehmen darf nicht nur Fassade sein.
Zauberwörter „danke“ und „bitte“
Kinder lernen (je nach Umgangston zu Hause) schon sehr früh, dass manche Worte
eine bestimmte Wirkung zeigen. Das Zauberwort „bitte“ bewirkt, dass ein Wunsch
erfüllt wird. Die Verwendung des Wörtchens „danke“ führt beispielsweise dazu, dass
die Mutter lächelt.
Die Eltern dienen als Vorbild: Sie können nicht erwarten, dass das Kind sich bedankt
oder um etwas bittet, wenn sie es selbst nicht machen.
Warum benehmen sich meine Kinder unmöglich?
Mit zunehmendem Alter verändert sich das Verhalten des Kindes meist deutlich. War
es bisher einigermaßen höflich, können Eltern nun oft froh sein, wenn ein Minimum
an Höflichkeit eingehalten wird.
Was ist geschehen? Vermutlich kommt Ihr Kind in die Pubertät. In diesem
Zeitabschnitt lösen sich die Heranwachsenden zunehmend vom Elternhaus. Alle
Werte und Regeln werden zunächst infrage gestellt. Und damit natürlich auch die
Manieren. Und vor allem die, bei denen es sich nach Ansicht der Jugendlichen „nur“
um Floskeln handelt.
Die Gruppe der Gleichaltrigen hat deutlichen Einfluss. Gilt es hier als angesagt, in
öffentlichen Verkehrsmitteln Rabatz zu machen, wird wohl jeder der Gruppe
170
mitmachen. Da kann er noch so gute Manieren mit auf den Weg bekommen haben.
Der Gruppendruck ist stärker.
In dieser Zeit des Suchens und Schwankens macht Ihr Kind wichtige Erfahrungen.
Auch in Bezug auf Manieren. Es wird feststellen, dass manche Umgangsregeln
unwichtig sind. Es wird aber auch merken, dass andere so falsch nicht sind. Auch
dies gehört dazu, seinen eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden.
Hat sich Ihr Kind in der Öffentlichkeit schlecht benommen, weisen Sie es nicht
vor anderen Menschen zurecht. Nehmen Sie sich die Zeit, allein mit ihm darüber zu
sprechen. Vielleicht hat es selbst gar nichts gemerkt. Machen Sie Ihrem Kind klar,
dass es mit einem Minimum an guten Manieren viel besser zurechtkommt.
Bilder beschreiben. Sehen Sie die Vokabeln durch. Sie helfen Ihnen bei der
Bildbeschreibung!
Die Vollschlanke - dor Untersetzte- der/ die Korpulente - der Hagere-der/ die
Schmächtige - die Zierliche - der/ die Kleine.
Korpehaltung des sitzenden Mnschen
Eine straffe/ schlaffe Haltung haben - aufrecht/ gerade,/ gebeugt/ zurückgelehnt
sitzon – steif/ teilnahmlos/ gespannt/ mit verschränkten Armen/ mit
ubereinandergeschlagenen Beinen dasitzen - sich vorbeugen-sich jdm zuwenden -
die Beine ausstrecken/ anziehen.
Zwei Welten
die Gäste. Bei den Russen bedeutet das gar nichts. Sie können stundenlang Tee
trinken oder einfach bei leeren Teetassen sitzen.
Was die Leute einander zu sagen haben, ist wahrhaft grenzenlos. In den russisch-
deutschen Gesprächen lassen sich dennoch Momente der Erkenntnis aufspüren,
Augenblicke, wo unsere Mentalitäten schmerzhaft zusammenstoßen. Die Medien
haben dafür gesorgt, dass wir mit bestimmten Vorstellungen im Hinterkopf an
einem Tisch zusammenkommen. Das Deutschlandbild im russischen
Bewusstsein konnte in groben Zügen ungefähr folgendermaßen skizziert werden:
Deutschland ist ein demokratisches Land, eine gerechte Leistungsgesellschaft.
Die Deutschen haben ihre Vergangenheit politisch und geistig bewältigt. Die
Deutschen sind reich. Sie leben in Wohlstand, weil sie fleißig sind, gut arbeiten und
die Arbeit gut organisieren können. Sie sind treu, ehrlich, pedantisch, sauber. Ihre
Gottheit heißtt Ordnung. Deutsch ist nicht schön, klingt sehr hart und hat eine
wahnsinnige Grammatik.
Das Russlandbild im deutschen Bewusstsein: Russland ist groß und kalt. Da gibt
es viel Schnee. Die Russen hatten 70 Jahre lang Totalitarismus. Der liebe Gorbi hat
ihnen Demokratie geschenkt, sie haben ihn aber nicht richtig schätzen können. Da
stimmt schon wieder etwas nicht, mit Demokratie in Russland. Russland ist reich,
aber die Leute leben sehr arm, weil die Russen nicht fleißig sind, schlecht arbeiten
und nichts organisieren können. Die Russen sind unberechenbar, warmherzig,
schmutzig, chaotisch und kultiviert. Russisch hat eine wahnsinnige Grammatik.
Etwa nach dem sechsten oder siebten Glas taucht im Gespräch zufällig, immer
rein zufällig die gemeinsame deutsch-russische Vergangenheit auf, der Zweite
Weltkrieg, Nachkriegskindheit, Stalin und Hitler, Familiengeschichten. Für die
Deutschen ist Hitler ein Ungeheuer, aber Stalin ist natürlich viel schlechter. Für die
Russen ist Stalin ein Monster, aber mit Hitler doch nicht zu vergleichen. In
Deutschland wie in Russland kann man mitunter verrückte Diskussionen zu diesem
Thema erleben. Langsam wird es klar, dass die Vergangenheit nicht von allen und
nicht so wie in den Wunschvorstellungen der Politiker bewältigt worden ist.
Es ist drei Uhr nachts. Der Besuch ist weg. Müde Russen in ihrer Küche. Die Frau
spült, der Mann trocknet ab. Eigentlich sind sie sehr nette Leute, diese Deutschen.
Irgendwie normal, obwohl sie Ausländer sind. Wir sollten sie öfter einladen.
In: Neue Zürcher Zeitung
Aufgaben:
• Teilen Sie den Text in Sinnabschnitte ein und finden Sie Oberschriften.
• Was wird hier alles zu dem Thema ,,Tischsitten" gerechnet?
• Fällt Ihnen noch mehr ein, was man unter diesem Thema behandeln könnte?
• Suchen Sie sich zwei oder drei Abschnitte heraus und sagen Sie ihre Meinung
zu dem, was die Autorin beschreibt. Sehen Sie die gleichen Unterschiede und
Schwierigkeiten?
• Haben Sie Erfahrungen mit deutschem Essen? Wie würden Sie verköstigt, als Sie
in Deutschland waren?
• Was halten Sie von internationaler Küche? Welche Küche gefällt Ihnen
personlich am besten? Warum?
• Wie geht es bei Ihnen zu Hause zu, wenn Gäste kommen?
• Was hat die Autorin wohl bewogen, zum Schluss über die Deutschen zu
176
Betrachten Sie dieses Bild. Geben Sie Ihr Urteil und beschreiben Sie das Bild mit
Hilfe der unten angegebenen Vokabeln!
Familienidylle
177
178
1. Gruppieren Sie folgende Wärter und Wendungen nach Synonymen und erklären
Sie anhand von Beispielen ihren Gebrauch:
abdecken, zubereiten, anstarren, im Begriff sein, angewurzelt, abräumen,
gelingen, löschen, erschrocken, anfangen, umwerfen, verderben, wutentbrannt
sein, auflegen, geraten, einschenken, entsetzt sein, wegnehmen, auf decken,
anblicken, ahnen, vergießen, entreißen, sich halten, herunterreißen, ansehen, die
Sachen, eingießen, voraussagen, schimpfen, heulen, sich klammern an etw.,
180
2. Bestimmen Sie mit Hilfe des Wörterbuches die Vieldeutigkeit folgender Wörter:
abdecken, löschen, verderben, geraten, halten, die Sache, auftragen, die Ruhe.
Erklären Sie den Gebrauch folgender Synonyme:
Schreien – schelten – schimpfen – fluchen;
Die Mutter scheit auf den Jungen;
Sie schilt ihn einen Taugenichts;
Sie schimpft über sein schlechtes Benehmen;
Es gibt Männer, die grässlich fluchen, wenn sie in Wut geraten.
Lesen Sie zwei Dialoge und inszenieren Sie sie! Welche Situationen sind
noch möglich?
Dialog: Gebutstag
Gabi. Oh! - Herzlichen Dank! Schau doch mal, Klaus! Sind die herrlich!
War das nötig? So viel Geld hattet ihr nicht auszugeben brauchen,
ihr Verschwender!
Werner. Nicht der Rede wert.
Lotte zu Klaus. Wir wünschen dir viel Erfolg in deiner Arbeit. Und hier
sind ein paar Schallplatten für dich.
Klaus. Danke schön, sehr lieb von euch.
Gabi. Entschuldigt mich, ich verlasse euch für einen Augenblick. Ich muss
die Blumen auswickeln und in eine Vase stellen.
Lotte ironisch. Manieren haben die Leute heutzutage! Schäme dich,
Werner. Es gehört sich nicht, Blumen, im Papier zu schenken. Man wickelt
sie erst aus.
Werner. Ich habe daran gar nicht gedacht. Gabi.
Nicht weiter schlimm.
Lotte sieht sich um. Und wo sind die Möbel?
Gabi, Heute wird groß gefeiert. Wir haben das Zimmer fast völlig
ausgeräumt, sonst ist nicht Platz genug für alle.
Kommentiren Sie diesen Text. Erfinden Sie jeweilige Situationen, in denen Sie die
Wörter “Schwein” und “Schweinerei” verwenden können.
182
I
Dumme oder boshafte Kuh?
(Von Hans Daiber, Wege. Max Hueber Verlag)
“Alle Zähne sollen dir ausfallen, bis auf einen. Damit du Zahnschmerzen haben
kannst!” Dr. Reinhold Aman zitiert dieses Diktum gern, er zieht witzige
Verfluchungen vor. Kümmern muß und will er sich um alle in allen Zeiten und
Zonen. Aman ist der erste und einzige Maledictologe der Welt. Die “Maledictologie”
steht noch nicht im Meyer, und auch im Brockhaus nicht. Es ist die Wissenschaft
vom Schimpfen
Von den etwa zehntausend Sprachen und Hauptdialekten, die es gibt, hat er
bisher zweihundert untersucht. Dabei ist er auf eine weltumfassende Grobeinteilung
gekommen. In katholischen Ländern überwiegen die blasphemischen
Beschimpfungen (“Du Kruzifixkerl!”), in protestantischen die sexuellen und
exkrementalen (“Scheißkerl”), im “Rest der Welt” — damit meint er Asien, Afrika
und die Südsee — dominieren die Beschimpfungen der Familie. Das bedeutet: es
wird immer das am meisten Tabuisierte zum Fluchen und Verfluchen benutzt. Es fiel
Aman auf, daß die nordamerikanischen Indianer früher die Sippenbeschimpfung
vorzogen. Darin sieht er einen sprachlichen Beweis für die Ureinwanderung aus
Asien über die polare Landbrücke. Die heutigen Indianer sind so amerikanisiert, daß
sie wie die immer noch als prüde geltenden “WASPs” schimpfen, die White Anglo-
Saxon Protestants.
Der deutschen Schimpfkraft weist Aman gute Mittelklasse zu. Unübertroffen
an Gemeinheit seien die Schimpfworte der Ungarn und Rumänen, denn in ihrem
Übergangsgebiet trafen lateinische Katholizität und slawische Kultur zusammen,
denen das jeweils Vulgärste entnommen wurde. Besonders interessant seien die
Ostjuden. Erstens weil sie ebenfalls einer Mischkultur entstammen (germanisch-
slawisch-hebräisch-aramäisch), zweitens weil die Ohnmacht gegenüber ständiger
Unterdrückung Intellektualität und verbale Aggression gefördert habe. Die typisch
ostjüdische Verfluchung sei auf Entwaffnung durch scheinbare Freundlichkeit aus
(“Du sollst berühmt werden”), um dann um so überraschender zuschlagen zu können:
“weil sie eine Krankheit nach dir nennen”. Oder “Drei Schiffsladungen voll Gold
sollst du haben — aber das soll nicht reichen, um deine Arztrechnungen zu
bezahlen.”
Schimpfen sei gesund, sagt Aman, denn wer seinen Ärger in sich hineinfresse,
stehe wie ein Dampfkessel unter Überdruck. Vom Magengeschwür über
Herzbeschwerden bis zur Neurose verursache gestauter Ärger viele Sorten von
Krankheit. Aber was dem Schimpfenden nutzt, schadet dem Beschimpften. Aman
183
weiß von Beschimpften, die sich umbrachten. Soll man also oder soll man nicht?
Unbedenklich sei der Angriff auf veränderliches Fehlverhalten wie schlechtes
Benehmen oder provozierende Kleidung, meint Aman. (Offenbar denkt er
konservativ.) Verwerflich sei Verspottung des Irreparablen, zum Beispiel körperlicher
Verunstaltungen.
Beschimpft werde alles, was nicht “normal” ist. Und normal bin immer ich.
Aman rasselte eine Unheilskette der Beschimpfungen herunter: die Amerikaner
beschimpfen die Europäer, die Franzosen die Deutschen, die Preußen die Bayern, die
Oberbayern die Niederbayern, die Armen die Reichen, die Gebildeten die
Ungebildeten, die Bauern die Städter, die Frauen die Männer. Er hielt inne und
meinte dann: ”Mann und Frau, das sind Normabweichungen, die zusammenleben
müssen. Deshalb gibt’s ja dauernd Krach in der Ehe. Man lebt mit einer anomalen
Person zusammen.” Die Weißen sagen: Neger stinken. Aber in Ghana gibt's die
Redensart “Du stinkst wie ein Weißer aus der Achselhöhle.” In England gebe es 40
000 Adjektive für Abweichungen von der moralischen Norm. Im Deutschen sei die
Berufsschelte häufiger als in allen anderen Sprachen. Allein für Lehrer gebe es bei
uns etwa vierzig Beschimpfungen. “Es werden immer die autoritären Berufe
angegriffen: Pfarrer, Polizisten, Lehrer.”
Hund, Affe, Esel, Ochse, Kuh und vor allem das Schwein müssen weltweit
zum Schimpfen herhalten, wobei aber kulturelle Unterschiede zu beachten sind. Eine
als “Kuh” beschimpfte Frau ist nach unserer Vorstellung dumm und plump, nach
französischer aber boshaft. Kein Araber verbindet mit dem Kamel negative
Vorstellungen. Ich wollte wissen, warum der Hund, des Menschen bester Freund, so
verachtet werde. Als Herdentier unterwerfe er sich “hündisch” seinem Herrn als dem
Leittier, erklärte Aman. Vor allem aber leite sich die Verachtung des Hundes, wie des
Geiers und der Fliege aus der Aasfresserei her. Die klassischen Griechen verachteten
ihn, weil er sich auch über gefallene Helden hermachte.
Konnte man aus den Schimpfwörtern das Wertsystem einer Kultur erschließen?
Durchaus, sagt Aman. Man müsse nur jeweils das Gegenteil bedenken. Das gehe leicht,
denn die Schimpfwörter seien viel zahlreicher und ehrlicher als die Kosewörter. Im
Hebräischen gebe es nur zwei oder drei Wörter für “besoffen” — im Deutschen über
hundert. Ergo seien die alten Juden keine Säufer gewesen. Die Prävalenz von
Gesundheit, Geld und vor allem Religion im Judentum erweise sich durch eine
Überfülle von Wörtern. Während wir gerade noch zwischen gottlosen, indifferenten und
bigotten Personen unterscheiden, könne der Jude viele Nuancen der Religiosität
benennen.
Schlimm ist es laut Aman, daß die Schimpfwörter verschleißen, ohne daß
genügend neue nachkommen. Da es auf den Hauptgebieten für Schimpf (Familie,
Religion, Staat, Sex) kaum noch Tabus gebe, könnten neue Schimpfwörter kaum
noch auftauchen. Typisch die Situation in den USA: die Ausdrucksarmut der
Amerikaner (2000 Wörter als Repertoire) lasse auch ihre “Schimpfkultur”
verkommen. Die restlichen paar Dutzend Schimpfwörter werden überanstrengt und
verschleißen um so schneller. Im Bayerischen gebe es immer noch 2500, vermerkte
Aman mit Befriedigung. Was tun gegen den Mangel? Übernahmen aus fremden
Sprachen bringen nicht viel, weil das Fremde nicht emotional geladen ist.
184
Man weiß, wie ein gutes Schimpfwort gebaut sein muß: Zischlaute,
Verschlußlaute und helle Vokale, wie Scheißdreck und Shit. Aber es hat keinen Sinn,
welche zu konstruieren. Denn wen erleichtert künstliches Schimpfen, wenn er sich
natürlich aufgeregt hat?
Für die Zukunft sieht Aman schwarz. Der erste, der im Neandertal geschimpft
statt zur Keule gegriffen habe, der habe (laut Freud) die Menschheit auf eine höhere
Kultutstufe gehoben. Der weltweite Verfall der Schimpfkultur in der Gegenwart sei
mit schuld am Umsichgreifen von Gewalt. “Von der physischen Aggression über die
verbale Aggression zurück zur Keule.” Schlimme Aussichten.
Worterklärungen
Textgebundene Übungen
Übung 1: Erläutern Sie mit Hilfe der Aussagen im Text die folgenden Stichwörter:
Maledictologie — Meyer — amerikanisiert sein — Schimpfkraft — Übergangsgebiet
— verbale Aggression — gestauter Ärger — anomale Person.
Übung 2: In diesem Text spricht Dr. Aman nicht direkt zu uns. Was er sagt, wird
vom Autor wiedergegeben. Er benutzt dabei wörtliche Zitate, indirekte Rede mit
Konjunktiv oder Indikativ. Versuchen Sie, einige Beispiele herauszufinden.
Übung 3: Bilden Sie 3-4 Gruppen. Jede Gruppe untersucht den Text unter folgenden
Gesichtspunkten:
1. Was teilt der Text über Reinhold Aman und seine Untersuchungen auf dem Gebiet
der “Maledictologie” mit?
2. Dr. Aman ist auf eine weltumfassende Grobeinteilung gekommen: Katholiken —
Blasphemie, Protestanten — Sex + Exkremente, Rest der Welt — Familie. Durch
welche Beispiele wird sie dargestellt?
3. Aus welchen Bereichen stammen die Schimpfwörter? Was wird laut Aman
beschimpft? Wie ist der Bezug zwischen Mensch und Tier?
4. Kann man aus den Schimpfwörtern das Wertsystem einer Kultur erschließen?
Übung 6: Einigen Sie sich auf ein Thema für eine Pro- und Contra-Diskussion. Es
soll ein Thema sein, das alle interessiert und über das die Meinungen
auseinandergehen. Sammeln Sie die Argumente, mit denen sich die verschiedenen
Positionen begründen lassen.
Kommentiren Sie diesen Text. Erfinden Sie jeweilige Situationen, in denen Sie die
Wörter “Schwein” und “Schweinerei” verwenden können.
II
Der höfliche Mensch
Sie kennen die sogenannten “Klapptüren”, die wir bei modernen Postämtern,
Bahnhöfen usw. finden. Da kann man Studien machen über Höflichkeiten und
Unhöflichkeiten, da kann man Menschenkenntnis erwerben.
Da haben wir den Flege1, den Rücksichtslosen, der die Flügel aufreißt,
hindurchstürmt und sie seinem Hintermann mit voller Wucht gegen den Kopf
schleudert, ohne sich auf dessen entrüsteten Protest auch nur umzublicken. Das ist
der Mann, der auch in anderen Situationen des Lebens “über Leichen geht”, wie der
Volksmund sagt.
Da ist der Überhöfliche, der die Tür für einen ganzen Trupp Nachdrängender
aufhält, von denen nicht einer “danke!” sagt oder auf den Gedanken kommt, nun
seinerseits nach dem Türflügcl zu greifen, um ihn für die Nachfolgenden
offenzuhalten Das ist der Mann, der es im Leben zu nichts bringt, der gute dumme
Kerl, der immer auf der Schattenseite stehen wird, von den anderen ausgenutzt und
belächelt.
Da haben wir den Unachtsamen, den “Huschelpeter”, der mit seinen Gedanken
immer woanders ist. Er bekommt die Tür gegen den Kopf geschleudert, weil er nicht
aufpaßt, oder er schleudert sie seinerseits anderen gegen den Kopf, nicht weil er
brutal ist, sondern weil er nicht bei der Sache ist, es tut ihm leid, er entschuldigt sich
wortreich, und die Worte “Passen Sie doch auf, zum Teufel noch mal!” muß er nicht
187
nur an dieser Klapptür, sondern sein ganzes Leben lang hören. Es geht ihm nicht nach
Wunsch, weil er eben ein Huschelpeter ist, auf den man sich nicht vcrlassen kann.
Auch die “bessere Hälfte der Menschheit” läßt sich an solchen Klapptüren
studieren, und schnell erkennen wir, daß Frauen keineswegs etwa höflicher sind als
Männer. Sind sie aber schon einmal höflich, dann eher dem Mann gegenüber, seltener
lassen sie diese Tugend ihren Geschlechtsgcnossinncn angedeihcn. Da ist die
Allzuschöne, die von der Natur alle körperlichen Vorzüge mitbekommen hat und der
alles bewundernd nachschaut. Und gerade das wird ihr zum Verhängnis, erfüllt sie
mit einer Eitelkeit, die völlig vergißt, daß Schönheit nicht unser Verdienst ist.
Umschwärmt und verwöhnt, immer eifriger Diener gewiß, benimmt sie sich an der
ominösen Klapptür wenig höflich, sie hat das nicht nötig. Aber einmal wird in ihrem
Leben der Tag kommen, an dem sie begreift, daß nichts als schön sein auf die Dauer
dennoch nicht genügt, und die Liebenswürdige oft der Schönen vorgezogen wird. Erst
wenn kein Schwarm von Bewunderern ihr mehr die Klapptür aufhält, durch die sie
erhobenen Hauptes ohne Dank hindurchrauscht, wird sie weise werden und auch
verstehen, weshalb sich niemand fand, der ihr (bei allen Erfolgen!) für ein ganzes
Leben die Tür zum Hause des Glückes und der Geborgenheit offenhielt. Ja, Türen
haben es überhaupt in sich; man muß nur zu beobachten wissen!
(Bruno H. Bürgel. In: Kreise ziehen,
Feuilletons aus unseren Jahren,
Buchvcrlag der Morgen, Berlin 1974)
Worterklärungen
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: In welcher Beziehung stehen der Titel und der Anfang des Textes
zueinander?
Übung 2: Geben Sie die Gedanken, die B. Bürgel in seiner Betrachtung “Türen
gehen auf und zu” äußert, mit eigenen Worten wieder. Berücksichtigen Sie dabei die
folgende Einteilung:
— Flegel;
— der Überhöfliche;
— der Unachtsame;
— Frauen an Klapptüren.
Übung 3: Was halten Sie von der Meinung,
— daß der Überhöfliche es im Leben zu nichts bringt;
— daß man sich auf den Huschelpeter nicht verlassen kann;
— daß Frauen keineswegs etwa höflicher sind als Männer;
— daß die Liebenswürdige oft der Schönen vorgezogen wird?
Übung 4: Höflich oder unhöflich? Kann man nach dem Lesen dieser kurzen
Geschichte Schlußfolgerungen über Verhaltensweisen von Don Venerando und dem
Apotheker ziehen?
Don Venerando betrat eine Apotheke.
“Gesundheit!” sagte er zu dem Apotheker. — “Wie meinen Sie?” erkundigte
sich der Apotheker in dem Glauben, nicht richtig verstanden zu haben.
“Ich sagte: Gesundheit!” erklärte Don Venerando lächelnd. Der Apotheker
meinte verwundert: “Wieso?”
“Nun das sag ich immer, wenn jemand niest. Sie nicht?”
“Aber ... ich ... Ich habe doch überhaupt nicht geniest?!”
“Natürlich nicht’, sagte Don Venerando, “aber ich bin schließlich ein
wohlerzogener Mensch.” — “Trotzdem”, meinte der Apotheker, “erscheint es
mir sinnlos, daß Sie ‘Gesundheit’ sagen, wo ich doch, ich wiederhole es,
überhaupt nicht geniest habe.”
“Gewiß, aber Sie haben ja nur deswegen nicht geniest, weil Sie nicht erkältet
sind, nicht wahr?” — “Das versteh ich nicht”, meinte der Apotheker, der
langsam daran zweifelte, daß er jemals noch etwas begreifen würde.
“Wieso, das ist doch klar! Sie haben keinen Schnupfen, folglich niesen Sie
nicht. Aber, wenn Sie auch nicht erkältet sind — ich bin und bleibe ein höflicher
Mensch. Oder meinen Sie etwa, ich müßte abwarten, bis Sie sich einen
Schnupfen geholt haben, um meine gute Kinderstube zu demonstrieren? Sie sind
mir vielleicht ein komischer Kauz!”
“Aber ... ich ...”, stotterte der Apotheker, dem die Sinne zu schwinden
begannen.
“Sie nicht! Sie nicht!” schrie Don Venerando, die Geduld verlierend. “Sie
wollten doch wohl nicht behaupten, wie ich mich zu benehmen habe, was?” —
Der Apotheker roch an irgendeinem Fläschchen und kam dadurch wieder
langsam zu sich. “Gut, entschuldigen Sie”, sagte er, “aber was möchten Sie denn
nun eigentlich?”
189
“Ich wollte Medikamente”, sagte Don Venerando erzürnt, “aber wenn Sie
anfangen, ohne Grund mit mir herumzustreiten, gehe ich zur nächsten Apotheke.
Ich habe keine Lust, mich mit explosiven Typen herumzuärgern!”
Übung 5:
Welche Formeln gebrauchen Sie in folgenden Situationen?
Sie haben eine Zigarette, aber kein Feuer.
Sie möchten das Fenster im Abteil hochziehen.
Sie suchen die Post.
auf Ihrem Tisch im Restaurant fehlt die Gabel, in der Nähe ist der Ober.
ein Freund will schlafen gehen.
sie verabschieden sich von jemand, den Sie lange nicht mehr sehen werden.
Sie telefonieren mit einem Bekannten, der Geburtstag hat.
Sie wollen Ihrem Chef einen Bekannten vorstellen.
In welchen Situationen sind folgende Formeln zu benutzen?
Zum Wohl! — Viel Spaß! — Können Sie herausgeben! — Bitte sehr! — Bitte
zahlen! — Wie bitte? — Auf Wiedersehen! — Lebwohl! — Darf ich bitten! — Sehr
erfreut.
Übung 6: Es gibt viele Situationen, in denen man nicht sagen will oder darf, was man
denkt, in denen man höflich sein muß. Man sagt etwas “durch die Blume”, d. h. nicht
direkt, sondern mit Andeutungen.
Beispiele:
1. Er sagte (es) mir durch die Blume, daß er in Geldnot geraten sei und ich ihm helfen
sollte.
2. Ein junger Dichter schickte an Heinrich Heine zehn Pfund Gedichte und bat um
Kritik. Unter seinen Brief schrieb er: “Ich fühle mich geadelt, wenn ein weiser
Mann mich tadelt.” Heine schickte die Gedichte zurück mit dem Vermerk:
“Betrachten Sie sich von mir zum Großfürsten ernannt!”
3. Als der Gerichtsvollzieher bei Frank Wedekind erschien, sagte der Dichter höflich:
“Bitte, nehmen Sie Platz! Das ist aber auch das Einzige, was Sie hier nehmen
können!”
4. Paul Heyse stand einmal auf der Plattform einer überfüllten Straßenbahn. Ein
junger Mann trat ihm auf den Fuß und blieb darauf stehen. Doch der große
Novellist zog seinen Fuß nicht weg. Er klopfte den jungen Mann nur auf die
Schulter und fragte: “Sagen Sie, junger Freund, wie alt sind Sie denn?” Der junge
Mann schaute den Dichter zuerst groß an und antwortete dann: “Zwanzig Jahre”.
Da lächelte Heyse und sagte: “Das dachte ich mir. Aber ich meine, Sie könnten in
diesem Alter schon auf eigenen Füßen stehen (d. h. selbständig, erwachsen sein).
5. Zwei Freunde wollten, daß der andere weggeht, denn gleich kommt eine Frau, mit
der jeder allein sein will.
Sagen Sie nun die gleichen Dinge unverblümt. Probieren Sie das einmal in
Rollenspielen aus.
III
190
vorzusetzen, so lädt man zweckmäßig für die Zeit nach dem Abendessen ein. Die
Geladenen machen sich dann keine Illusionen und sind im übrigen nicht gar so streng
an eine bestimmte Zeit gebunden.
Solche Einladungen haben darüber hinaus den Vorteil, daß sich die Gäste nicht
soviel Gedanken darüber zu machen brauchen, wer die Kinder während ihrer
Abwesenheit versorgen soll.
Das große Essen mit mehreren Gängen ist für alle Beteiligten mehr Verpflichtung
als Freude und glücklicherweise fast völlig aus der Übung gekommen. Es wird selbst bei
großen Einladungen offiziellen Charakters nur noch selten praktiziert, sondern durch ein
kaltes Büfett ersetzt, dessen Vorbereitung viel einfacher ist und das den Eingeladenen
ermöglicht, sich Speisen und Gesprächspartner selbst auszusuchen. Da gibt es kein
Menü, das man herunteressen muß, keine Tischherren oder Tischdamen, um die man
sich den ganzen Abend zu kümmern hat, und auch kein Unten und kein Oben an der
Tafel.
Das kalte Büfett ist auch für kleinere Geselligkeiten fast immer das richtige. Es
enthebt die Gastgeber der lästigen Notwendigkeit, sich bis zum letzten Augenblick
um das Essen kümmern zu müssen. Sie brauchen keine Tischordnung und kein
einheitliches Gedeck, sondern können Teller und Gläser, Messer und Gabeln, oder
was sonst gebraucht wird, in der Formenvielfalt verwenden, die sie zur Verfügung
haben.
Entschließen Sie sich also, Ihre Gäste mit einem kalten Büfett zu bewirten, so
richten Sie das, was Sie zu bieten haben, in Schüsseln und auf Platten an und arrangieren
diese geschmackvoll auf einem Tisch in der Mitte des Raumes oder an einer Wand —
die benötigten Teller in Stapeln daneben, dazu das Eßgeschirr — und stellen das Ganze
Ihren Gästen zur Verfügung, ohne es weiter anzupreisen oder Ihre Gäste zum Zulangen
zu nötigen, die sich das ihnen Zusagende auf ihren Teller tun und es am Tische stehend
oder auf dem Platz verzehren, an dem sie sich für den Abend häuslich eingerichtet
haben.
Der Zusammenstellung des kalten Büfetts sind keine Grenzen gesetzt:
verschiedener Aufschnitt von Fleisch und Wurst, aufgeschnittener Käse
verschiedener Sorten, verschiedene Fleisch-, Fisch-, Gemüse- und Obstsalate und alle
möglichen Delikatessen, aber auch einfach verschieden belegte Brote — es geht
alles, wenn es nur kalt ist und schmackhaft und ausreichend.
Ihr kaltes Büfett wird sich besonderer Beliebtheit erfreuen, wenn Sie kleine
Überraschungen bereithalten, also etwa wenig bekannte oder auf besondere Art
zubereitete Delikatessen.
Hüten Sie sich jedoch davor, Ihre Gäste durch Gerichte zu überraschen, deren
Verzehr dem Laien Schwierigkeiten macht. Als solche sind nichtentschalte Krebse,
Hummer, Schnecken, Austern und ähnliches anzusehen. Falls Sie selbst nicht wissen,
aber wissen möchten, wie solche Gerichte verzehrt werden, so gedulden Sie sich
bitte, bis wir darauf zu sprechen kommen.
Es bleibt noch die Sorge um die Getränke. Soweit es sich um Heißgetränke
handelt, also etwa um den Tee zum und den Kaffee nach dem Essen, sorgt dafür die
Hausfrau. Handelt es sich um kalte Getränke, hat sie der Hausherr zu beschaffen und
die Gläser zu füllen und nachzufüllen.
192
Will er sich dabei als guter Gastgeber bewähren, hat er beim Einkauf der
Getränke nicht nur die benötigte Menge, sondern auch die Bekömmlichkeit der
Getränke zu bedenken. Konzentrierter Alkohol ist kein Getränk, sondern ein Gewürz.
Während des Essens verpönt, kann er allenfalls mit einem Gläschen eröffnen und mit
einem (oder mehreren) zum Kaffee beschließen.
Zum Essen gibt man Wein oder Bier, keinesfalls beides gleichzeitig, und sorgt
außerdem für Fruchtsäfte oder Selterswasser für den Fall, daß einer der Gäste keinen
Alkohol trinken mag (oder darf). Zum Essen sind nur leichte Tischweine oder nicht
zu schwere Biere passend.
Worterklärungen
ÜBUNGSTEIL
Übung 1: Erläutern Sie mit Hilfe der Aussagen im Text die folgenden Stichwörter:
— der krankhafte Ehrgeiz — sich mit- und aneinander freuen — Tischherr /
Tischdame — einen höheren Lebensstandard vortäuschen — die Geselligkeit — in
Frage kommen — das kalte Büfett — die Gäste zum Zulangen nötigen — der
Zusammenstellung des kalten Büfetts sind keine Grenzen gesetzt.
IV
Das große Essen
Da ich mit der Möglichkeit rechne, daß die Lobrede auf das kalte Büfett Sie nicht
überzeugt hat oder Sie aus anderen Gründen auf ein Essen mit allem Drum und Dran
bestehen, ergibt sich die Verpflichtung, Sie auch dabei zu beraten.
Zunächst: Die Tischordnung sei keine Rangordnung, wie es früher der Fall
war. Das zu tun, sollten wir uns abgewöhnen, falls wir es noch gewohnt sind. Man
sollte sich und seine Gäste zweckmäßig um den Tisch verteilen. Wer sich besonders
gut miteinander versteht, sollte nebeneinander gesetzt werden. Eine bunte Reihe, d. h.
abwechselnd Männlein und Weiblein, empfiehlt sich immer. Die Gastgeber sollten
sich so placieren, daß sie einerseits den ganzen Tisch beobachten und andererseits
leicht für den notwendigen Nachschub sorgen können. Während des Essens sollten
die Gastgeber sowenig wie möglich den Tisch verlassen.
In einem Restaurant sind die Plätze mit dem Rücken zur Wand die schönsten
und angenehmsten. Nicht nur, weil man am meisten sehen kann, sondern vor allem,
weil man dort am ungestörtesten sitzt. Die Herren placieren sich in diesem Fall also
nicht neben den Damen, sondern ihnen gegenüber, wobei die Damen mit dem
Rücken zur Wand sitzen.
Der Gastgeber setzt sich so, daß er den Zugang zur Küche im Auge hat und mit
dem Oberkellner verhandeln kann, ohne über einen Gast hinweg oder hinter dessen
Rücken sprechen zu müssen.
Es ist Sache des Gastgebers, dafür zu sorgen, daß die Herren rechtzeitig
erfahren, wen sie an den Tisch zu führen haben. Man kann sich durch das Auslegen
von Tischkarten diese Mühe erleichtern und darüber hinaus bei großen Festlichkeiten
eine Tischordnung (am besten im Vorraum oder neben der Garderobe) aushängen.
Wir müssen also wissen, daß die Tischdame stets rechts von ihrem Tischherrn
sitzt und daß man sich nicht zur Tafel begibt, ehe man nicht aufgefordert wird. Die
Aufforderung erfolgt, wenn alle Gäste eingetroffen sind, durch den Hausherrn (oder
Gastgeber), der, seine eigene Tischdame am Arm, die Schar seiner Gäste zur Tafel
führt. Die übrigen Gäste folgen zwanglos (wobei die jüngeren Paare sich
zurückhalten), und den Schluß macht die Hausfrau mit ihrem Tischherrn.
Ist es der Hausherr, der zu Tisch bittet, so hebt die Hausfrau nach beendetem
Essen die Tafel auf, indem sie als erste aufsteht. Ob das Essen serviert, das heißt
herumgetragen, oder von einem zum anderen weitergereicht wird: immer kreisen die
Platten von der Tischdame des Hausherrn rechtsherum folgerichtig bis zum
Hausherrn. Werden zwei Schüsseln oder Platten gleichzeitig gereicht, so läßt man sie
gegenläufig kreisen, daß die erste rechtsherum, die zweite linksherum läuft, ebenfalls
bis zum Hausherrn.
Der Tisch ist gedeckt, wenn ein sauberes Tischtuch darauf liegt, Teller, Gläser
(oder Tassen) und Bestecke blitzblank glänzen und eine freundliche Hausfrau
lächelnd zum Essen lädt.
195
Man ißt nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen. Ein
gutgedeckter Tisch verspricht eine gute Zubereitung der Speisen und erfreut das Auge
auch dann, wenn das Essen einfach und alltäglich ist. Auch wenn man seinen Gästen
nur wenig vorsetzen kann: an einen gutgedeckten Tisch setzt sich jeder gern, denn
man spürt die Aufmerksamkeit des Gastgebers.
In der Mitte des Tisches steht eine mit Obst gefüllte Schale oder eine Vase mit
frischen Blumen. Künstliche Blumen sollten für immer verpönt werden.
Sind keine frischen Blumen zu haben, so bildet etwa eine Obstschale den
Mittelpunkt des Tisches. Das Tischzentrum darf jedoch nicht so hoch sein, daß es den
Gästen den freien Blick versperrt. Bei Tischgesprächen ziehen es die Beteiligten vor,
einander zu sehen.
Auch für das komplizierteste Gedeck gelten dieselben Regeln wie für das
einfachste:
Der Teller steht vor dem Gast.
Das Messer liegt rechts mit der Schneide dem Teller zu.
Die Gabel liegt links und weist mit den Zinken nach oben.
Der Löffel liegt quer hinter dem Teller mit der Öffnung nach oben.
Das bleibt auch so, wenn mehrere Teller und Bestecke verwandt werden sollen,
nur daß die Teller nacheinander und die Bestecke und Gläser miteinander gedeckt
werden.
Werden mehrere Teller nacheinander verwandt, so stellt man nur einen, den
sogenannten Platzteller, auf den jeweiligen Tischplatz. Auf diesem Platzteller werden
die folgenden Teller jeweils ausgewechselt; er selber wird jedoch nicht benutzt, es sei
denn für den letzten Gang.
Links oben neben dem Platzteller steht ein kleiner Teller mit der einfach
gefalteten Serviette darauf, auf welcher ein Brötchen oder unter welcher der Toast liegt,
womit nicht die Tischrede, sondern die geröstete Brotscheibe gleichen Namens gemeint
ist. Dieser Teller findet später, wenn die Serviette in Benutzung ist und Toast oder
Brötchen verzehrt, als Salatteller Verwendung.
Rechts oben neben dem Platzteller steht das Glas beziehungsweise die Reihe
der Gläser.
Diese strenge Ordnung ist so wichtig, damit kein Gast darüber im unklaren ist,
welches Glas oder welcher Nebenteller ihm gehört. Man merke also — Nebenteller
stehen links und Gläser rechts vom Gast.
Die Bestecke, so viele ihrer auch sein mögen, befinden sich wie die Gläser von
vornherein auf dem gedeckten Tisch, und zwar von außen nach innen in der
Reihenfolge ihrer Benutzung.
Diese Reihenfolge muß eingehalten werden, damit der Gast vor keinem Gericht
zweifelhaft sein kann, mit welchem Besteck es gegessen wird. Er braucht nur nach
dem jeweils äußeren Besteck zu greifen, um sicher zu sein, keinen Fehlgriff zu tun.
Die Gläser stehen ebenfalls in der Reihenfolge ihrer Benutzung von außen nach
innen, das heißt von rechts nach links, vom Gast aus gesehen.
Vor dieser Reihe steht das unentbehrliche Wasserglas.
Klare Suppen werden, ohne daß es Vorschrift wäre, vielfach in Tassen
(Spezialtassen mit zwei Henkeln oder Kaffeetassen) serviert, legierte Suppen dagegen
196
nur in tiefen Tellern. Zur Tasse gehört ein Teelöffel, der rechts auf der Untertasse
liegt. Tassen oder Suppenteller können schon gefüllt sein, wenn die Gäste sich an den
Tisch setzen, und stehen dann auf dem Platzteller. Soll die Suppe erst serviert
werden, wenn die Gäste bereits sitzen, dann werden Tassen oder Teller gefüllt auf die
Platztcllcr gesetzt. Nur im familiären Kreis können Bouillontassen oder Suppenteller
leer auf dem Grundteller stehen und aus der Terrine gefüllt werden.
Alle der Suppe folgenden Gerichte werden von flachen Tellern gegessen. Zum
Fischgericht gehören, so man hat, Fischbestecke, die jedoch durch zwei Gabeln ersetzt
werden können. Ein Messer legt man dafür nicht bereit. Warum das so ist? Man sagt,
daß diese Regel aus der Zeit stammt, da es noch keine verchromten, rostfreien Messer,
wohl aber silberne oder versilberte Gabeln gab.
Werden zum Fleisch Salate gereicht, so werden sie von dem Nebenteller
gegessen, auf welchem zu Beginn die Serviette lag.
Die den warmen Gängen folgende Süßspeise (Kompott, Creme oder Eis) wird
von möglichst gläsernen, sogenannten Desserttellern gegessen, die zur gegebenen
Zeit auf den Platzteller gesetzt werden.
Nach der Süßspeise kann man noch Obst oder Käse reichen. Entscheiden Sie
sich für Käse! Korrekte Leute essen (in Gesellschaft) Obst nicht aus der Hand und
ungeschält, sondern bestehen darauf, mit einem besonderen Obstbesteck zu schalen
— also geben Sie schon lieber Käse, und auch dann möglichst in der Form von
Käsegebäck, das mit der Hand von dem kleinen Teller genommen werden kann, auf
dem es gereicht wird.
Mit dem Käse nach der Süßspeise ist dann aber endgültig Schluß. Der Mokka
gehört nicht mehr zum Essen. Er ist nicht Abschluß des Essens, sondern Übergang
zum zweiten Teil der Veranstaltung. Und erst zum Mokka dürfen Rauchwaren und
scharfe Getränke serviert werden.
Steht kein zweiter Raum zur Verfügung, so sollte das köstliche, belebende
Getränk doch nicht an der abgegessenen Tafel, sondern stehend oder in irgendeiner
Raumecke sitzend eingenommen werden.
Was das Rauchen angeht, so hat der Gastgeber für Rauchwerk und
Aschenbecher zu sorgen. Ist beides bereitgestellt, darf geraucht werden. Steht das
Rauchwerk schon während des Essens auf dem Tisch, so heißt das, daß auch
zwischen den Gängen geraucht werden darf.
Das Nötigen, das heißt das Aufdrängen von Speisen und Getränken, ist ebenso
verpönt wie das Anpreisen oder gar das Nennen von Preisen. Andererseits soll man auch
nicht herabsetzen, was man seinen Gästen vorsetzt.
Wenn Sie meinen, Ihre Gäste etwa vor einem Fischsalat mit der Bemerkung
warnen zu müssen, daß der verwendete Fisch nicht mehr ganz frisch war, dann setzen
Sie ihn lieber nicht vor.
Der Gastgeber hat — mit einem Wort — das Urteil über die Qualltät des
Essens seinen Gästen zu überlassen.
Worteklärungen
ÜBUNGSTEIL
V
Bildbeschreibung
Bei der Beschreibung von Bildern geht man meist vom farblichen
Gesamteindruck und vom Thema aus, die durch das Bild vermittelt werden. Danach
beschreibt man die Einzelheiten in einer Reihenfolge, die oft von Auffälligkeiten im
Bild und vom Interesse des Betrachters bestimmt ist. Als Zeitform benutzt man
gewöhnlich das Präsens.
Sonnenlicht dringt durch die kleinteiligen Butzenscheiben, malt deren Reflexe an die
Wand des Fensterbogens, beleuchtet den Totenschädel, den Kopf des Löwen und des
Heiligen und zeigt detailliert die Holzmaserung an Decke und Wand. In keinem
anderen seiner Bilder und Stiche ist Albrecht Dürer dieses Spiel von Licht und
Schatten so gelungen wie hier. “Hieronymus im Gehäuse” gehört zu den
Meisterstichen Albrecht Dürers. Wahrscheinlich war ihm selbst bewußt, daß die hier
erreichte Perfektion der Linienführung, die unglaubliche Detailtreue und die Klarheit
der Konstruktion nicht mehr zu überbieten war. Nach 1514 wandte er sich anderen
Techniken zu.
(Aus: Wege. Max Hueber Verlag)
Worterklärungen
ÜBUNGSTEIL
Übung 2: Beschreiben Sie nun das Bild losgelöst vom Text. Halten Sie sich an das
folgende Schema:
1) das Gehäuse;
2) der Vordergrund;
3) der Mittelgrund;
4) der Hintergrund;
5) die Lichtführung
Übung 4: Hören Sie das Interview auf der Kassette, das Heinz Wilms mit dem Maler
Hago Ziegler geführt hat (Deutsch aktiv 3, Teil 2). Versuchen Sie,eines seiner
Bilder zu beschreiben. (Oder suchen Sie, falls Ihnen dies möglich ist, moderne
und ältere Bilder, auf denen Räume dargestellt sind).
Quellenverzeichnis
Учебное пособие
ЛР № 040327
Подписано в печать 8.12.2006. Формат 60 х 84/16
Бумага офсетная. Гарнитура Times.
Усл. п. л. 10. Заказ № . Тираж 200 экз.
Цена договорная